Empfehlungen dieser Kommission - ZLH-Hamburg
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Inhaltsverzeichnis 5<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis 5<br />
Vorwort der Senatorinnen 8<br />
Vorwort der Herausgeber 10<br />
0. Befunde und <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung - Zusammenfassung 12<br />
1. Auftrag 18<br />
2. Allgemeine Zielsetzungen der Reform 21<br />
2.1. Lehrerbildung als Entwicklungsaufgabe 23<br />
2.2. Die Lehrerbildung und ihre Zielsetzungen 23<br />
2.2.1. Das Verständnis von Lehrerbildung 24<br />
2.2.2. Zielsetzungen 25<br />
2.3. Kooperation 27<br />
2.4. Aufträge 27<br />
2.5. Aufgaben der Evaluation 28<br />
3. Ziele und Qualifikationen der Phasen 29<br />
3.1. Lehrerausbildung an der Universität 31<br />
3.2. Lehrerausbildung im Studienseminar 36<br />
3.3. Berufseingangsphase 39<br />
3.4. Fort- und Weiterbildung 42<br />
4. Kerncurricula 46<br />
4.1. Universitäre Ausbildungsgänge 47<br />
4.2. Studienseminar 50<br />
5. Praxisanteile der Lehrerausbildung 55<br />
5.1. Praktika im Studium 57<br />
5.2. Praxis im Studienseminar 60
6 Inhaltsverzeichnis<br />
6. Neugestaltung von Berufseingangsphase und<br />
Personalentwicklung 64<br />
6.1. Berufseingangsphase 65<br />
6.2. Fort- und Weiterbildung 70<br />
7. Neugestaltung der Organisation 76<br />
7.1. Leitung 78<br />
7.2. Leistungsvereinbarungen 87<br />
7.3. Evaluation 96<br />
7.4. Personalentwicklung 101<br />
7.4.1. Anreizsysteme in der Lehrerbildung 102<br />
7.4.2. Qualifikation, Mobilität und Austausch<br />
des schulischen Personals 107<br />
7.4.3. Personalentwicklung im Ausbildungsbereich 115<br />
7.5. Kommunikation und fortlaufende Abstimmung123<br />
8. Prioritäre Themen für die Ausbildung 130<br />
8.1. Neue Medien 137<br />
8.1.1. Neue Medien als Mittel und Gegenstand<br />
von Lehren und Lernen 137<br />
8.1.2. Zielvorstellungen im Bereich<br />
neuer Medien für die Lehrerbildung 140<br />
8.1.3. Umsetzung in der ersten Phase<br />
der Lehrerausbildung 141<br />
8.1.4. Umsetzung in der zweiten Phase<br />
der Lehrerausbildung 144<br />
8.1.5. Umsetzung in der Berufseingangsphase<br />
und in der Lehrerfortbildung 146<br />
8.1.6. Entwicklung förderlicher<br />
Rahmenbedingungen 147<br />
8.2 Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität 153<br />
8.2.1.Interkulturelle Bildung als<br />
Querschnittaufgabe 154<br />
8.2.2. Skizze der aktuellen sprachlichen,<br />
nationalen/ ethnischen und kulturellen<br />
Vielfalt in den <strong>Hamburg</strong>er Schulen 156<br />
8.2.3. Zu den bestehenden Ansätzen<br />
interkultureller Lehreraus- und –fortbildung
Inhaltsverzeichnis 7<br />
in <strong>Hamburg</strong> 159<br />
8.2.4. Vorschläge der <strong>Kommission</strong> 162<br />
8.3. Schulentwicklung 168<br />
8.3.1. Arbeitsperspektive im Lehrberuf 169<br />
8.3.2. Berufliches Leitbild 169<br />
8.3.3. Führung und Management 171<br />
8.3.4. Professionalisierung durch und<br />
für Schulentwicklung 172<br />
8.3.5. Schulentwicklung in den Phasen<br />
der Lehrerbildung 173<br />
9. Studienstruktur und Prüfungswesen 176<br />
9.1. <strong>Empfehlungen</strong> für die Zweite Staatsprüfung 188<br />
10. Differenzierung der <strong>Empfehlungen</strong> nach Lehrämtern 193<br />
11. Offene Fragen 200<br />
12. Literatur 207<br />
13 Verzeichnis der Mitglieder der<br />
<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung 212<br />
Anhang 214<br />
1. Tagungsdaten 214<br />
2. Auftrag an die <strong>Hamburg</strong>er Lehrerkommission 216<br />
3. Statement Prof. Dr. Hans-Harald Müller 220<br />
4. Entwurf für ein Kerncurriculum (KCE) am<br />
Fachbereich (06) Erziehungswissenschaft 224<br />
5 Votum der Referendare 228<br />
6. Votum der Studierenden 237<br />
7. Beispiele für Angebote in den fünf<br />
Traineebereichen für Berufsanfänger 257<br />
Über die Herausgeber 260
8 Vorwort<br />
Vorwort der Senatorinnen<br />
Die Situation der Lehrerbildung stellt uns in der Bundesrepublik<br />
Deutschland in den kommenden Jahren vor deutliche Herausforderungen.<br />
Die Anforderungen an den Lehrerberuf haben sich in den<br />
letzten Jahren deutlich verändert. Themen wie Schulentwicklung,<br />
Schulprogrammarbeit, neue Unterrichtsformen, veränderte Formen<br />
der Lehrerarbeitszeit und die zunehmend heterogene Schülerschaft<br />
haben die Arbeit an den Schulen deutlich verändert. Es ist zu erwarten,<br />
dass sich aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, der<br />
Europäisierung im Bildungswesen und nicht zuletzt des verstärkten<br />
Einsatzes von neuen Medien an Universitäten und Schulen auch<br />
die Situation von schulischer Bildung und Erziehung gravierend<br />
wandeln wird. Die Institutionen der Lehrerbildung und die Bildungsverwaltungen<br />
müssen deshalb an der Bereitschaft zu Veränderungen<br />
und am Umgang mit diesen Themen gemessen werden.<br />
Dies gilt um so mehr angesichts der zu erwartenden großen Neueinstellungen<br />
von Lehrerinnen und Lehrern in den Schuldienst.<br />
Der Bericht der Gemischten <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz<br />
(Zukunft der Lehrerbildung in Deutschland, herausgegeben<br />
von E. Terhart, Weinheim 2000) hat auf die großen Chancen<br />
für das Schulsystem durch eine veränderte Lehrerbildung aufmerksam<br />
gemacht. Dieser Bericht hat in der Schul- und Wissenschaftsbehörde<br />
der Freien und Hansestadt <strong>Hamburg</strong> dazu geführt, die<br />
Situation der Lehrerbildung auf der Basis der vorgelegten <strong>Empfehlungen</strong><br />
speziell für dieses Land untersuchen zu lassen. Die Senatorinnen<br />
der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung und der Behörde<br />
für Wissenschaft und Forschung haben sich deshalb direkt im Anschluss<br />
an die Präsentation der Ergebnisse der Gemischten <strong>Kommission</strong><br />
der KMK dazu entschlossen, eine unabhängige und mit externen<br />
Experten besetzte <strong>Kommission</strong> zu berufen, die innerhalb eines Jahres
Vorwort 9<br />
landesspezifische <strong>Empfehlungen</strong> für eine Reform der Lehrerbildung<br />
vorlegen sollte. Der Abschlussbericht der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung wird im vorliegenden Band vorgestellt. Die <strong>Kommission</strong><br />
hat in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Reform<br />
der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong> eine gründliche Situationsanalyse<br />
vorgenommen, Alternativen für eine Reform diskutiert und deutliche<br />
Reformempfehlungen formuliert.<br />
Wir sind sicher, dass die jetzt vorliegenden Vorschläge zu einer<br />
Verbesserung der Ausbildung von Lehrkräften in <strong>Hamburg</strong> beitragen<br />
werden. Wir sind darüber hinaus der festen Überzeugung, dass der<br />
vorliegende Band auch für Vertreter der Lehrerbildung in anderen<br />
Ländern von Interesse sein wird.<br />
Wir bedanken uns bei den Mitgliedern der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung für die engagierte Arbeit. Wir wünschen dem vorliegenden<br />
Band eine breite Aufmerksamkeit und hoffen, dass er zu einer<br />
engagierten Diskussion in den Ländern und vor allem in den Institutionen<br />
der Lehrerbildung beitragen wird.<br />
<strong>Hamburg</strong>, im November 2000<br />
Ute Pape<br />
Senatorin<br />
Krista Sager<br />
Senatorin
10 Vorwort<br />
Vorwort der Herausgeber<br />
Die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung (HKL) ist beauftragt<br />
worden, auf der Grundlage der Ergebnisse der von der Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) eingesetzten gemischten <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung (TERHART 2000) <strong>Empfehlungen</strong> zur Weiterentwicklung<br />
der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong> vorzulegen (Verzeichnis der<br />
Mitglieder der HKL S. 210). Die Beauftragung erfolgte gemeinsam<br />
durch die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung sowie die<br />
Behörde für Wissenschaft und Forschung der Freien und Hansestadt<br />
<strong>Hamburg</strong>. Grundlage der Beauftragung war die im Koalitionsvertrag<br />
der den <strong>Hamburg</strong>er Senat tragenden Parteien festgelegte<br />
Vereinbarung, die Reform der Lehrerbildung als prioritäres Vorhaben<br />
der laufenden Legislaturperiode anzusehen. Für die Verwirklichung<br />
dieses Vorhabens war die Empfehlung der gemischten<br />
<strong>Kommission</strong> der KMK abzuwarten. Unmittelbar nach Vorlage des<br />
KMK-Berichtes wurde die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> eingesetzt und<br />
beauftragt; <strong>Hamburg</strong> reagierte damit als erstes Bundesland auf die<br />
KMK-<strong>Empfehlungen</strong>.<br />
Zur Bearbeitung ihres Auftrages hatte die HKL einen Zeitraum<br />
von knapp elf Monaten zur Verfügung. Sie tagte ab November<br />
1999 insgesamt neunmal und legte im September 2000 beiden<br />
Auftraggebern den vorliegenden Abschlussbericht vor. Der Bericht<br />
behandelt zentrale Aspekte der Reform der gesamten Lehrerbildung,<br />
die als Einheit angesehen wird. Die Zusammensetzung der<br />
<strong>Kommission</strong> entsprach dem Reformauftrag. Neben auswärtigen<br />
Expertinnen und Experten der Lehrerbildung sowie Vertretern von<br />
Wirtschaft und Personalentwicklung haben Repräsentanten aller<br />
Phasen und Institutionen der Lehrerbildung sowie Schulleiterinnen<br />
und Schulleiter in der <strong>Kommission</strong> Einsitz genommen oder sind
Vorwort 11<br />
angehört worden 1 . Die <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Kommission</strong> sind überwiegend<br />
in großem Konsens erfolgt. Gemeinsam war allen <strong>Kommission</strong>smitgliedern<br />
der Wille zu einer grundlegenden und weit<br />
reichenden Reform der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong>. Die Erstellung<br />
des abschließenden Textes erfolgte auf der Grundlage von diversen<br />
Einzelvoten und Projektpapieren. Überschneidungen und Wiederholungen<br />
ließen sich nicht ganz ausschließen.<br />
Die Herausgeber danken Hans Christof Kräft für die Protokollierung<br />
und die ausführliche Dokumentation der Arbeit der <strong>Hamburg</strong>er<br />
<strong>Kommission</strong> Lehrerbildung und Christa Broders für die<br />
schnelle und zuverlässige Erstellung des Typoskripts.<br />
<strong>Hamburg</strong> und Zürich im Oktober 2000<br />
Josef Keuffer und Jürgen Oelkers (Vorsitz HKL)<br />
1<br />
Tagungsdaten im Anhang 1.
12 Befunde<br />
0. Befunde und <strong>Empfehlungen</strong> der<br />
<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung<br />
- Zusammenfassung<br />
Die Universität <strong>Hamburg</strong> hat 1927 als erste deutsche Universität<br />
mit der akademischen Ausbildung auch für die damaligen Volksschullehrer<br />
begonnen. Mehr als siebzig Jahre nach den Anfängen<br />
und mehr als dreissig Jahre nach der flächendeckenden Einführung<br />
einer wissenschaftlichen Ausbildung für alle Lehrämter besteht ein<br />
nicht zu übersehender Reformbedarf. Die <strong>Kommission</strong> geht davon<br />
aus, dass die Lehrerbildung in erheblichem Maße Defizite aufweist<br />
und auf neue Bedingungen in Schule und Gesellschaft eingestellt<br />
werden muss. Die Entwicklung der Lehrerbildung darf allerdings<br />
die Vorteile der universitären Ausbildung nicht in Frage stellen. Im<br />
internationalen Vergleich ist die Lehrerbildung sehr unterschiedlich<br />
organisiert. Innerhalb der Europäischen Union gibt es Bestrebungen<br />
zur Anpassung der Organisation und zur Entwicklung von gemeinsamen<br />
Standards. Die Vorschläge der <strong>Kommission</strong> beziehen<br />
sich auf die Weiterentwicklung der Lehrerbildung in diesem europäischen<br />
Kontext.<br />
Lehrerbildung wird insgesamt krisenhaft wahrgenommen. Reformen<br />
der Ausbildung sind daher kein spezifisch deutsches Phänomen.<br />
Ein Hauptgrund für die Krisenwahrnehmung ergibt sich<br />
aus den veränderten Bedingungen der Lehrberufe. Sie sind konfrontiert<br />
mit sehr konträren und beschleunigten Entwicklungen in<br />
Kultur und Gesellschaft, auf die die öffentliche Schule immer neu<br />
reagieren muss. Daraus erwachsen ständige Lernaufgaben, auf die<br />
nicht mehr durch eine möglichst lange und intensive Ausbildung<br />
vorbereitet werden kann. Eine Hauptforderung des Berufsfeldes
Befunde 13<br />
besteht im innovativen Lernverhalten der Lehrkräfte, die für eine<br />
permanente Systementwicklung sorgen müssen. Lehrerinnen und<br />
Lehrer sind so selbst Lernende, die nicht davon ausgehen können,<br />
irgendwann „fertig“ zu sein. Der Beruf ist das Lernfeld.<br />
Daher ist ein Schlüssel für die Lehrerbildung Personalentwicklung<br />
oder die ständige Qualifizierung des Personals für je neue<br />
Aufgaben und Anforderungen. Eine Qualifizierung, die weitgehend<br />
nur auf die Ausbildung vor Berufsausübung eingestellt ist, ist<br />
dafür nicht länger geeignet. Sie kann nicht angemessen auf die<br />
Probleme und Widersprüche des Berufsfeldes reagieren. Aus diesem<br />
Grunde empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, die Lehrerbildung als Einheit<br />
zu betrachten und sie nicht länger in voneinander getrennten<br />
Phasen zu organisieren, die wenig miteinander zu tun haben. Die<br />
<strong>Kommission</strong> stellt die bestehenden Phasen nicht in Frage, sondern<br />
empfiehlt ihre enge Verzahnung unter Gesichtspunkten von Effizienz<br />
und wechselseitigem Nutzen. Das bisherige System der<br />
Lehrerbildung ist bei allem Aufwand zu wenig effektiv, weil die<br />
Ausbildungsphasen nicht kooperieren, keine gemeinsamen Ziele<br />
verfolgen und nicht oder zu wenig aufeinander aufbauen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> geht davon, dass vier Bereiche oder Phasen<br />
der Lehrerbildung zu unterscheiden sind,<br />
• die Lehrerausbildung an der Universität sowie an anderen<br />
Hochschulen in <strong>Hamburg</strong>,<br />
• die Ausbildung im Studienseminar,<br />
• die Berufseingangsphase nach abgeschlossener Ausbildung<br />
sowie<br />
• die Fort- und Weiterbildung im Beruf.<br />
Die ersten beiden Phasen stellen die Berufsausbildung dar. Die Berufstätigkeit<br />
nach Abschluss der Ausbildung muss neu als Lernen<br />
im Beruf verstanden werden. Grundsätzlich empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />
einen verstärkten Ausbau der Fort- und Weiterbildung sowie<br />
eine Ausgestaltung der Berufseingangsphase. Der Berufsbeginn muss<br />
stärker als bisher für schulische Innovationen genutzt werden, zugleich<br />
muss die permanente Qualifizierung der amtierenden Lehrkräfte<br />
ein weitaus stärkeres Gewicht erhalten. Die <strong>Kommission</strong> emp-
14 Befunde<br />
fiehlt ein Obligatorium in der Fortbildung von Lehrkräften. Die Ressourcen<br />
sind entsprechend zu verstärken und neu zu gewichten.<br />
Die Lehrerausbildung an der Universität und im Studienseminar<br />
muss gestrafft und konzentrierter gestaltet werden. Für diesen Zweck<br />
empfiehlt die <strong>Kommission</strong> neue Formen der Leitung und Kooperation,<br />
die Einführung von Kerncurricula in allen Fächern, die an der<br />
Lehrerausbildung beteiligt sind, sowie die Entwicklung von prioritären<br />
Themen, die in Verbindung mit den Kerncurricula angeboten werden.<br />
Prioritäre Themen sind „Neue Medien“, „Umgang mit kultureller<br />
und sozialer Heterogenität“ und „Schulentwicklung“. Sie konzentrieren<br />
die Ausbildung auf Schlüsselprobleme, die zusammen mit den<br />
Kerncurricula dafür sorgen können, dass das Ausbildungsangebot<br />
nicht beliebig ist und zugleich über einen Berufsfeldbezug verfügt.<br />
Bisher hat die Lehrerausbildung an der Universität kein Leitbild<br />
und keine durchgehende Struktur. Die Ausbildung ist über sehr verschiedene<br />
Fächer und Fachbereiche verteilt, die keine gemeinsame<br />
Aufgabe und Zielsetzung verbindet. Daher besteht auch keine gemeinsame<br />
Verantwortung, während unstrittig ist, dass dem wissenschaftlichen<br />
Studium angehender Lehrkräfte für die Entwicklung des<br />
öffentlichen Schulwesens eine Schlüsselfunktion zukommt. Das gelingt<br />
nur dann, wenn die Zersplitterung der Kräfte vermieden wird. Zu<br />
diesem Zweck votiert die <strong>Kommission</strong> für den Aufbau geeigneter<br />
Leitungs- und Kooperationstrukturen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass die Rolle von Wissenschaft<br />
und Forschung in allen Bereichen der Lehrerbildung gestärkt werden<br />
muss und nicht geschwächt werden darf. Sie votiert daher ausdrücklich<br />
gegen eine Verlagerung von Teilen der Ausbildung an Fachhochschulen<br />
und auch gegen eine Reduzierung der wissenschaftlichen<br />
Ausbildungsanteile auf dreijährige universitäre Studiengänge. Die<br />
Verstärkung des Forschungsbezuges verlangt aber keine Verlängerung<br />
der Ausbildung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> sieht ein wesentliches Problem in der mangelnden<br />
Organisation. Die Lehrerbildung ist zu wenig auf die Entwicklungsprobleme<br />
des Berufsfeldes eingestellt und hat nicht die dafür geeignete<br />
Organisation. Aus diesem Grunde sieht die <strong>Kommission</strong> die<br />
Lehrerbildung als ständige Entwicklungsaufgabe an, in dem die Phasen<br />
und Anbieter der Ausbildung lernen, dass und wie sie verbindlich
kooperieren können, ihre Potentiale besser nutzen und sich auf gemeinsame<br />
Ziele einstellen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt zu diesem<br />
Zweck den Abschluss von verbindlichen, wechselseitigen Leistungsvereinbarungen,<br />
die Entwicklung kooperativer Strukturen zwischen<br />
den Phasen und die fortlaufende Evaluation der Leistungen.<br />
Von besonderer Bedeutung ist der Aufbau einer Feedback-Kultur.<br />
Die Lehrerbildung muss in der Lage sein, von ihren Absolventen und<br />
Abnehmern zu lernen. Nur so lässt sich eine gemeinsame Verantwortung<br />
für die Resultate entwickeln und nur so kann die tatsächliche<br />
Ausbildungsqualität eingeschätzt werden. Wenn die Erwartungen der<br />
Praxis zugrunde gelegt werden, dann ist die heutige Qualität oft nicht<br />
befriedigend. Das gilt nicht nur für die Ausbildung, sondern für alle<br />
Maßnahmen und Angebote der Lehrerbildung. Sie müssen in Zukunft<br />
nachweisen, dass und wie sie praxisdienlich sind, was nur gelingt,<br />
wenn fortlaufende Evaluationen zu einer selbstverständlichen Größe<br />
der Ausbildung geworden sind. Das wiederum setzt Zielsetzungen<br />
und Leistungsvereinbarungen voraus, die bislang noch nicht in einer<br />
Form existieren, die für die Lehrerbildung geeignet ist. Die <strong>Kommission</strong><br />
empfiehlt die Entwicklung und den Einsatz <strong>dieser</strong> Instrumente<br />
mit Nachdruck.<br />
Ein zentrales Problem der Ausbildung erwächst aus der sinkenden<br />
Attraktivität des Lehrerberufs. Wenn die Ausbildung nicht wesentlich<br />
dazu beiträgt, die vordringlichen Probleme des Berufsfeldes zu bearbeiten,<br />
wird sich die Attraktivität weiter abschwächen. Auch aus diesem<br />
Grunde empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine Ausbildungsorganisation,<br />
die besser als bisher auf die Probleme des Berufsfeldes eingestellt ist.<br />
Dazu zählen ein verstärktes Forschungsaufkommen, die Steuerung<br />
durch Forschungsdaten, der Aufbau neuartiger Serviceeinrichtungen<br />
im Evaluationsbereich, die Abnehmerorientierung der Fortbildung, die<br />
Rotation des Personals und Ähnliches mehr.<br />
Die in <strong>Hamburg</strong> forciert betriebene Entwicklung der Schulautonomie<br />
hat unmittelbare Konsequenzen für die Lehrerbildung. Wenn<br />
Schulen in Zukunft die Lehrkräfte ihrer Wahl selbst einstellen oder<br />
mindestens sehr maßgeblich an der Einstellung beteiligt sind, dann<br />
verändert sich das Qualifikationsprofil nachhaltig. Die Stellenbewerber<br />
müssen bestimmte Kompetenzen nachweisen können, und dies<br />
auf speziellen Bedarf hin. Daher empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine Ver-<br />
Befunde 15
16 Befunde<br />
änderung der Leistungsbewertung. Die Prüfungen müssen effektiver<br />
auf den Ausbildungszweck bezogen werden, sie müssen zwischen den<br />
Phasen abgestimmt sein und reale Leistungsnachweise darstellen. Neben<br />
den Prüfungen sind persönliche Portfolios zu entwickeln, die angeben,<br />
welche Themen bearbeitet und welche Kompetenzen entwikkelt<br />
wurden. Bei Einstellungen wird dann nicht mehr allein der Notenschnitt<br />
ausschlaggebend sein.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt in diesem Zusammenhang auch, die<br />
Dominanz der zweiten Phase bei der Notengewichtung und somit bei<br />
der Feststellung der Einstellungsvoraussetzungen aufzugeben und zu<br />
einem integralen Staatsexamen zu gelangen. Das wäre möglich, wenn<br />
beide Phasen nach dem European Credit Transfer System (ECTS) organisiert<br />
und folgenreich aufeinander abgestimmt sind. Das ECTS-<br />
System wird zum europäischen Standard der Universitätsausbildungen<br />
insgesamt und sollte daher auch für die Lehrerbildung genutzt werden,<br />
und dies für beide Phasen. Das jetzige System entwertet faktisch die<br />
erste Phase, während es darauf ankommen muss, beide Phasen möglichst<br />
effizient aufeinander zu beziehen und Ausbildungsverluste zu<br />
vermeiden.<br />
Auch der zeitliche Aufwand muss überprüft werden. Die <strong>Kommission</strong><br />
empfiehlt eine Absenkung der Dauer der Ausbildung. Das Referendariat<br />
sollte um ein halbes Jahr auf 18 Monate gekürzt werden, die<br />
universitären Studien müssen so gestaltet werden, dass die Regelstudienzeit<br />
eingehalten werden kann. Im Gegenzug muss der zeitliche<br />
und materielle Aufwand für die Fortbildung erhöht werden, verbunden<br />
mit speziellen Leistungsanreizen für die sich entwickelnde Einzelschule.<br />
Generell kennt der Lehrerberuf zu wenig und zu schwache<br />
Leistungsanreize. Die <strong>Kommission</strong> sieht in der permanenten Fortbildung<br />
eine zukunftsweisende Möglichkeit, diesen Zustand zu verändern.<br />
Die Karrieremöglichkeiten im Schulsystem müssen verbessert<br />
und mit nachgewiesenen Qualifikationen verbunden werden, nicht<br />
zuletzt solchen, die Forschung mit Praxis verbinden.<br />
Die Vision der künftigen Lehrerbildung erwächst aus ihren Aufgaben.<br />
Der schnelle gesellschaftliche Wandel verlangt ein lernfähiges<br />
Schulsystem, das sich ständig auf neue und oft nicht sehr bequeme<br />
Situationen einstellen muss. Es wird darum gehen, aus der Schule des<br />
19. die Schule des 21. Jahrhunderts zu machen, die über hohe mediale
Kompetenzen verfügt, sich auf kulturelle und soziale Heterogenität<br />
einzustellen versteht und Verantwortung für die eigene Entwicklung<br />
übernimmt. Das dafür geeignete Personal muss von der Lehrerbildung<br />
fortlaufend qualifiziert werden. Hier liegt die hauptsächliche Botschaft<br />
der <strong>Kommission</strong>: Die Lehrerausbildung entlässt keine fertigen Lehrkräfte,<br />
sondern befähigt sie zum professionellen Weiterlernen in einem<br />
Berufsfeld, das sich schneller wandeln und mehr Brüche erleben wird<br />
als je zuvor.<br />
Befunde 17
18 Auftrag<br />
1. Auftrag<br />
Der behördliche Auftrag 2 definierte vier Eckpunkte, die bei der<br />
<strong>Kommission</strong>sarbeit vorauszusetzen waren:<br />
Die <strong>Kommission</strong> soll die universitäre Lehrerbildung fortschreiben,<br />
in der Fächer, Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaft und schulpraktische<br />
Elemente grundständig studiert werden. Die Studienelemente<br />
sollen jedoch stärker als bisher am späteren Berufsfeld<br />
ausgerichtet sein.<br />
Die Struktur der Dreiphasigkeit soll erhalten bleiben, jedoch<br />
sollen die einzelnen Phasen stärker auf Anschlussfähigkeiten und<br />
Kooperation hin orientiert und die Phasenübergänge neu organisiert<br />
werden.<br />
Eine Neuorientierung der Lehrerbildung soll in Richtung auf<br />
eine Abstimmung der Curricula der drei Phasen erfolgen. Zugleich<br />
sollen in den einzelnen Bereichen Kerncurricula aufgebaut werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> soll aufbauend auf bisher gewonnene Erfahrungen<br />
(in <strong>Hamburg</strong>) Vorschläge für eine Evaluationskultur in der<br />
Lehrerbildung entwickeln.<br />
Die vier Eckpunkte lassen sich als Prinzipien des Berufsfeldbezuges<br />
der Ausbildung, der Anschlussfähigkeit der einzelnen Phasen<br />
und Anbieter, der Kerncurricula sowie der Evaluation verstehen.<br />
Von diesen vier Prinzipien ausgehend werden im Auftrag an die<br />
<strong>Kommission</strong> <strong>Empfehlungen</strong> zu den nachfolgenden sieben Bereichen<br />
erwartet:<br />
Aufbau einer Kooperationsstruktur zwischen den an der<br />
Lehrerbildung beteiligten Institutionen zum Zwecke größtmöglicher<br />
Synergien sowie Prüfung der Möglichkeiten der Implementierung<br />
institutioneller Querstrukturen zwischen den Phasen;<br />
2<br />
Gesamtfassung des Auftrages als Anlage 2.
Auftrag 19<br />
Gestaltung von effektiven Übergängen innerhalb des Konzepts<br />
der Dreiphasigkeit unter Beachtung der curricularen, didaktischen<br />
und methodischen Bezüge zwischen den drei Phasen;<br />
Aufbau, Einsatz und Erprobung phasenbezogener Kerncurricula<br />
in der Lehrerbildung, die auf einen systematischen Kompetenzerwerb<br />
bzw. eine gezielte Erweiterung professionsspezifischer<br />
Kompetenzen ausgerichtet sein sollen;<br />
Stärkung und Überprüfung des Theorie-Praxis-Verhältnisses<br />
sowie des Berufsfeldbezuges in allen Teilbereichen (Fächer,<br />
Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft, schulpraktische Studien)<br />
und den drei Phasen der Lehrerbildung;<br />
Neugestaltung der Berufseingangsphase;<br />
• Leitungsstrukturen unter Prüfung der Bündelung von Befugnissen<br />
und Entscheidungskompetenzen in der Lehrerbildung;<br />
• Einsatz von Ressourcen (unter Beachtung der Kostenfolgen der<br />
vorgeschlagenen Maßnahmen); gegebenenfalls Verlagerung<br />
zwischen den Phasen.<br />
Der <strong>Kommission</strong>sbericht erfüllt nicht alle diese Erwartungen. Auf<br />
Grund des hohen Termindrucks, der Datenlage sowie des Verlaufs<br />
der <strong>Kommission</strong>sarbeit kann die <strong>Kommission</strong> keine oder keine dezidierten<br />
Aussagen vorlegen über<br />
• den praktischen Aufbau, den Einsatz und die Erprobung von<br />
Kerncurricula,<br />
• die Stärkung und Überprüfung des Theorie-Praxis-Verhältnisses<br />
sowie des Berufsfeldbezuges in allen Teilbereichen<br />
und Phasen,<br />
• einen detailbezogenen Einsatz und eine Verlagerung von Ressourcen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, diese Fragen auf der Linie ihrer<br />
<strong>Empfehlungen</strong> von den künftigen Leitungsgremien der Lehrerbildung<br />
beantworten zu lassen. Im vorliegenden Bericht wird an verschiedenen<br />
Stellen empfohlen, Entwicklungsaufträge zu vergeben.<br />
In der Folge der <strong>Kommission</strong>sarbeit ist das Spektrum der <strong>Empfehlungen</strong><br />
und sind die Fragestellungen zum Teil anders gruppiert<br />
worden, als der Auftrag dies vorgesehen hat. Der <strong>Kommission</strong>sbe-
20 Auftrag<br />
richt folgt nicht den im Auftrag formulierten sieben Bereichen, auf<br />
die hin <strong>Empfehlungen</strong> ausgesprochen werden sollten. Die Bereiche<br />
werden berücksichtigt, allerdings in unterschiedlicher Gewichtung<br />
und anderer Reihenfolge. Der <strong>Kommission</strong>sbericht gibt die<br />
Schwerpunkte der Beratungen und Anhörungen wieder. Er geht<br />
von vier (und nicht drei) Phasen einer fortlaufenden Lehrerbildung<br />
aus, die - soweit möglich - aufeinander bezogen dargestellt werden.
Allgemeine Zielsetzungen 21<br />
2. Allgemeine Zielsetzungen der<br />
Reform<br />
Grundlegend empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, die Lehrerbildung 3 in<br />
<strong>Hamburg</strong> mit einem zusammenhängenden Auftrag zwischen verschiedenen<br />
Phasen und Anbietern wahrzunehmen. Den Auftrag<br />
erteilt der Staat durch die zuständigen Behörden. In der Folge wird<br />
von Gesamtauftrag gesprochen. Er bezieht sich auf die folgenden<br />
Bereiche der Lehrerbildung:<br />
• Universitäten und andere Hochschulen in <strong>Hamburg</strong>,<br />
• Studienseminar,<br />
• Berufseingangsphase und<br />
• Fort- und Weiterbildung.<br />
Unterschieden wird zwischen der grundständigen Ausbildung für<br />
verschiedene Lehrämter, die mit staatlichem Examen abgeschlossen<br />
wird, den jeweiligen Berufseingangsphasen und der fortlaufenden<br />
Personalentwicklung 4 . Auf diesen Zusammenhang bezieht sich<br />
der Gesamtauftrag Lehrerbildung. Er geht davon aus, dass der<br />
Lehrerberuf als ständiger Qualifizierungsprozess angesehen werden<br />
muss. „Ausbildung“ ist daher eine permanente Aufgabe, die<br />
nicht mit der Berechtigung für den Berufszugang abgeschlossen<br />
ist. Das hauptsächliche Ausbildungsproblem besteht darin, ange-<br />
3<br />
Mit „Lehrerbildung“ ist hier – wie im folgenden – selbstverständlich auch<br />
Lehrerinnenbildung gemeint, wie überhaupt die grammatisch männliche<br />
Form in diesem Text stets das weibliche Geschlecht einschließt.<br />
4<br />
Maßnahmen und Angebote der Fort- und Weiterbildung werden als fortlaufende<br />
Personalentwicklung verstanden. „Weiterbildung“ ist im Schulbereich<br />
die besoldungsrelevante Qualifizierung für zusätzliche Fächer und<br />
Schulstufen; „Fortbildung“ ist der unspezifische Rest an Ausbildungsmaßnahmen<br />
nach der Einstellung. Der Ausdruck „Fort- und Weiterbildung“<br />
wird nicht immer gemäß <strong>dieser</strong> Unterscheidung gebraucht.
22 Allgemeine Zielsetzungen<br />
sichts des raschen gesellschaftlichen und kulturellen Wandels die<br />
Ziele und Mittel der Ausbildung so zu wählen, dass alle an der<br />
Ausbildung beteiligten Personen befähigt werden, sich auf je neue<br />
Situationen einzustellen.<br />
Das verlangt eine grundlegende Neuorganisation der Lehrerbildung,<br />
die fünf Prämissen hat:<br />
1) Grundsätzlich wird „Lehrerbildung“ als Entwicklungsaufgabe<br />
verstanden.<br />
2) Die Phasen und Anbieter haben gemeinsame, übergreifende<br />
Zielsetzungen.<br />
3) Sie sind zu einer engen und folgenreichen Kooperation verpflichtet,<br />
die neue Organisationsformen verlangt.<br />
4) Der Gesamtauftrag wird mit aufeinander bezogenen und revisionsfähigen<br />
Teilaufträgen realisiert.<br />
5) Die Zielsetzungen und ihre Realisierung werden fortlaufend<br />
überprüft.<br />
Die Ausbildung der Lehrkräfte wird der Universität und dem Studienseminar<br />
übertragen. Beide Phasen unterliegen einem zusammenhängenden<br />
und fortlaufend koordinierten Studien- und Prüfungssystem.<br />
Die Berufseingangsphase ist nicht Teil der Ausbildung,<br />
sondern der Beginn eigenverantwortlicher Berufstätigkeit,<br />
der in besonderer Form entwickelt wird. Für die Ausgestaltung der<br />
Berufseingangsphase sind die einzelnen Schulen zuständig, spezielle<br />
Angebote der Weiterbildung stellt das Institut für Lehrerfortbildung<br />
bereit. Die fortlaufende Personalentwicklung ist Aufgabe<br />
der Fort- und Weiterbildung, die, in Kooperation mit anderen Anbietern,<br />
darunter die Universität <strong>Hamburg</strong>, vom Institut für Lehrerfortbildung<br />
besorgt wird. In der zunehmenden Umsetzung der größeren<br />
Eigenständigkeit der Einzelschule 5 werden auch die Schulen<br />
vor Ort mit Aufgaben der Personalentwicklung befasst sein. Davon<br />
zu unterscheiden sind die behördlichen Aufgaben und Maßnahmen<br />
im Bereich der Personalentwicklung. Diese differenzierten Trägerschaften<br />
machen den Gesamtauftrag Lehrerbildung aus.<br />
5<br />
Einschließlich der Anstellung der Lehrkräfte.
Allgemeine Zielsetzungen 23<br />
2.1. Lehrerbildung als Entwicklungsaufgabe<br />
Der staatliche Auftrag „Lehrerbildung“ wird in Form von Leistungsverträgen<br />
6 zwischen den zuständigen Behörden und Anbietern<br />
abgeschlossen. Die Verträge sind befristet und revisionsfähig,<br />
ausgehend von dem Grundsatz, dass die Ausbildung nicht statisch,<br />
sondern als Entwicklungsaufgabe verstanden wird. Ein starres Verständnis<br />
von Lehrerbildung wird weder den Anforderungen noch<br />
der Dynamik des Berufsfeldes gerecht. Die Ausbildung muss sich<br />
in allen Phasen und Teilen nach gemeinsamen Zielsetzungen entwickeln,<br />
nur so kann sie leistungsfähiger werden und zielgerechter<br />
verfahren. Die Defizite der heutigen Ausbildung erklären sich wesentlich<br />
aus den unflexiblen, der Tradition nationalstaatlicher Bildung<br />
verpflichteten Strukturen und dem ungenutzten Potenzial der<br />
Institutionen der Lehrerbildung. Die vorhandenen Ressourcen erfahren<br />
keine optimale Nutzung, weil eine übergeordnete Zielsetzung<br />
fehlt, ein verbindliches, zugleich überzeugendes Profil<br />
nicht vorhanden ist und eine kooperative Organisationsform fehlt.<br />
Diese Defizite lassen sich nur beheben, wenn die Ausbildung insgesamt<br />
als Entwicklungsaufgabe verstanden wird.<br />
2.2. Die Lehrerbildung und ihre Zielsetzungen<br />
An der Lehrerbildung sind sehr verschiedene Anbieter beteiligt,<br />
die zum Teil konträr orientiert sind und die bislang kaum Gemeinsamkeiten<br />
entwickelt haben. Das führt zu erheblichen Koordinationsproblemen<br />
und hat zur Folge, dass wenn, dann nur sehr schwache<br />
Synergien ausgebildet werden. Die Ausbildung ist kein zusammenhängender<br />
Studiengang, eine anschlussfähige Berufseingangsphase<br />
ist nicht vorhanden und die Personalentwicklung erfolgt<br />
weitgehend eklektisch. Soll sich das ändern, muss eine ge-<br />
6<br />
Ziel- und Leistungsvereinbarungen in Weiterentwicklung der bestehenden<br />
Vereinbarungen zwischen der Behörde für Wissenschaft und Forschung<br />
und den <strong>Hamburg</strong>ischen Hochschulen sowie der Staats- und Universitätsbibliothek<br />
vom 2. März 1999.
24 Allgemeine Zielsetzungen<br />
meinsame Überzeugung entwickelt werden, was Lehrerbildung ist<br />
und welche Ziele sie verfolgen soll.<br />
2.2.1. Das Verständnis von Lehrerbildung<br />
Lehrerbildung bezieht sich auf ein Berufsfeld. Die Ausbildung<br />
muss daher in allen Phasen und Stufen Bezüge zum Berufsfeld<br />
herstellen und sichern. Das Berufsfeld hat verschiedene Handlungsfelder<br />
oder Handlungsebenen, die unterschiedliche Kompetenzen<br />
verlangen. Grundlegend sind<br />
• Unterricht,<br />
• Schulstufen,<br />
• Einzelschule,<br />
• Umwelt der Schule,<br />
• Öffentlichkeit und<br />
• Bildungspolitik.<br />
Die Ausbildung in den ersten beiden Phasen stellt sicher, dass Berufsanfänger<br />
in diesen Handlungsfeldern handlungsfähig sind, also<br />
fachlich wie methodisch ausreichend qualifiziert sind und unterrichten<br />
können, schulische Organisationsformen verstehen und an<br />
ihrer Entwicklung beteiligt werden, Umwelten der Schule beachten<br />
und das Lehramt als Teil eines öffentlichen Auftrages wahrnehmen.<br />
Die Berufseingangsphase sorgt dafür, dass der Beginn der eigenverantwortlichen<br />
Praxis die Ausbildungserfahrungen optimal<br />
nutzen kann. Zu diesem Zweck werden besondere Angebote der<br />
Weiterbildung entwickelt. Die Fort- und Weiterbildung muss als<br />
vierter Bereich der Lehrerbildung zentrales Gewicht erhalten. Das<br />
setzt voraus, die Fort- und Weiterbildung stärker als bisher an<br />
Schulentwicklung zu binden.<br />
Das Berufsfeld muss different verstanden werden. Zu unterscheiden<br />
sind in <strong>Hamburg</strong> derzeit
Allgemeine Zielsetzungen 25<br />
das Lehramt an der Grund- und Mittelstufe (Typ 2) 7 ,<br />
das Lehramt an der Oberstufe - Allgemeinbildende Schulen<br />
(Typ 4),<br />
das Lehramt an der Oberstufe – Berufliche Schulen (Typ 5),<br />
das Lehramt an Sonderschulen (Typ 6).<br />
Die Unterschiede in den Zielstufen, den Ausbildungscurricula und<br />
den Entwicklungsnotwendigkeiten schränken die allgemeinen<br />
Ziele ein. Mindestens sind Spezifizierungen erforderlich, die auf<br />
die Besonderheiten der Ausbildungsgänge eingehen müssen, so<br />
dass nicht alle Aufgaben unter gemeinsame Zielsetzungen fallen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass die Unterscheidung nach<br />
Lehrämtern in der Ausbildung präziser gefasst und spezifiziert<br />
werden muss (siehe Abschnitt 10 der <strong>Empfehlungen</strong>)<br />
2.2.2. Zielsetzungen<br />
Der Gesamtauftrag Lehrerbildung verfolgt gemeinsame Zielsetzungen<br />
aller Phasen und Anbieter. Die übergreifenden Ziele gelten<br />
auch für alle Lehrämter. Die einzelnen Phasen verwirklichen ihre<br />
Teilaufträge mit eigenen Zielsetzungen. Für die Lehrerbildung insgesamt<br />
gelten folgende Zielsetzungen:<br />
1) Die Lehrerbildung besorgt grundlegende und fortlaufend weiterentwickelte<br />
Qualifikationen für besondere Lehrämter und<br />
spezifische Funktionen an öffentlichen Schulen.<br />
2) Die Lehrerbildung stellt sicher, dass der Lehrerberuf als permanente<br />
Lern- und Innovationsaufgabe verstanden wird.<br />
3) Die Lehrerbildung gewährleistet Schulqualität durch Personalentwicklung.<br />
4) Die Lehrerbildung bezieht sich mit ihren Angeboten auf gesellschaftliche<br />
Entwicklungen und kulturellen Wandel.<br />
7<br />
Die Typen der Lehrämter beziehen sich auf die Rahmenvereinbarungen<br />
über die Ausbildung und Prüfung für die Lehrämter in der Bundesrepublik<br />
Deutschland (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der<br />
Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1997).
26 Allgemeine Zielsetzungen<br />
5) Die Lehrerbildung ist selbst ein Entwicklungsprojekt.<br />
Diese allgemeinen Zielsetzungen werden mit unterschiedlichen<br />
Teilaufträgen verfolgt. Die Passung und ggf. Revision der Teilaufträge<br />
ist ein Entwicklungsproblem. Im einzelnen soll die Ausbildung<br />
an der Universität und im Studienseminar<br />
mit den wissenschaftlichen Grundlagen und Entwicklungstrends<br />
des Lehrerberufs bekannt machen,<br />
einen Habitus forschendes Lernen herausbilden,<br />
fachwissenschaftliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche<br />
Anteile integrieren,<br />
prioritäre Themen wie neue Medien, Umgang mit Heterogenität<br />
oder Schulentwicklung quer zu den Lehrämtern anbieten,<br />
auf das Berufsfeld hinführen und grundlegende Kompetenzen<br />
des Wissens und Handelns vermitteln,<br />
Wissen und Handeln nach den einzelnen Berufsfeldern und auf<br />
ihren unterschiedlichen Auftrag hin differenzieren.<br />
Die Berufseingangsphase soll schulpraktische Innovationen auf<br />
Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse unterstützen und die<br />
individuellen Probleme des Berufsanfangs bearbeiten. Ziele sind<br />
Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit,<br />
Aufbau von individueller Handlungssicherheit,<br />
Nutzung des Innovationspotenzials von Berufsanfängerinnen<br />
und – anfängern für die Schulentwicklung,<br />
Transfer neuer Erkenntnisse und Wissensformen.<br />
Die Fort- und Weiterbildung ist zuständig für kontinuierliche<br />
Schul- und Personalentwicklung. Ihre Angebote sollen<br />
auf neue Probleme im Berufsfeld reagieren,<br />
Qualitätssicherung gewährleisten,<br />
Innovationen sicherstellen,<br />
• Berufsmotivationen und Krisen bearbeiten,<br />
• fachliche und soziale Schulentwicklung unterstützen.
Allgemeine Zielsetzungen 27<br />
2.3. Kooperation<br />
In der Ausbildung sind verbindliche Abstimmungen des Angebots<br />
im Sinne von Kerncurricula zu entwickeln. Kerncurricula legen<br />
Standards des fachlichen Wissens und beruflichen Könnens fest,<br />
die obligatorisch angeboten und studiert werden. Dabei müssen die<br />
gegenwärtigen und künftigen Anforderungen des Berufsfeldes Berücksichtigung<br />
finden, soweit sie absehbar sind. Notwendig für<br />
Abstimmung und Kooperation sind neue Gremien, außerdem wären<br />
Leitungsfunktionen zu bestimmen und einzurichten. Gegenwärtig<br />
besteht keine gemeinsame Ausbildungsverantwortung. Die<br />
Zuständigkeiten sind voneinander abgeschottet und werden nicht<br />
koordiniert.<br />
Die Leitung der ersten beiden Phasen muss koordiniert und auf<br />
die Zwecke der Ausbildung hin ausgerichtet werden. Die Leitung<br />
übernimmt Aufgaben in der Festlegung der Standards, sorgt für<br />
Abstimmung des curricularen Angebotes und erhält in kritischen<br />
Fällen Entscheidungsbefugnis. Die Berufseingangsphase kann<br />
Standards der Ausbildung voraussetzen, die mit eigenverantwortlicher<br />
Praxis weiterentwickelt und schulisch spezifiziert werden. Die<br />
Personalentwicklung in der Schule besorgt die fortlaufende Anpassung<br />
des Berufswissens, bearbeitet Probleme der beruflichen Identität<br />
und unterstützt die Organisationsentwicklung. Daran können<br />
und müssen sehr verschiedene Anbieter beteiligt sein. Für den<br />
Wissenstransfer ist wichtig, dass die Universität einen eigenen<br />
Auftrag in der Weiterbildung von Lehrkräften erhält.<br />
2.4. Aufträge<br />
Die Lehrerbildung wird als zusammenhängendes System verstanden.<br />
Das System unterscheidet sich in Ausbildung sowie Fort- und<br />
Weiterbildung. Der Gesamtauftrag betrifft beide Systemteile in integraler<br />
Form. Er enthält eine Entwicklungsperspektive und formuliert<br />
verbindliche Zielsetzungen der Systementwicklung für einen<br />
längeren, wenngleich befristeten Zeitraum. Mit den unterschiedlichen<br />
Institutionen werden Teilaufträge in Form von Leistungsver-
28 Allgemeine Zielsetzungen<br />
einbarungen geschlossen, die sich nach den Zielsetzungen und<br />
Qualifikationen der einzelnen Phasen richten und deren Zusammenhang<br />
beachten. Grundsätzlich sind Daueraufträge zu vermeiden<br />
und Weitervergaben an das Leistungsprinzip zu binden. Die<br />
Leistungsbewertung bemisst sich an dem Nutzen der Ausbildung<br />
für das Berufsfeld und seine Entwicklung.<br />
2.5. Aufgaben der Evaluation<br />
Die Ziele der Lehrerbildung müssen überprüfbar gehalten werden.<br />
Als Kontrollformen sind zu unterscheiden:<br />
• die Selbstbeschreibung und Selbstreflexion der Anbieter,<br />
• das Feedback der Absolventen und Abnehmer,<br />
• externe Expertisen und<br />
• regelmäßige Datenerhebungen.<br />
Die interne Reflexion und Überprüfung muss von formulierten<br />
Zielen ausgehen, die in Programmen oder Leitbildern festgelegt<br />
sind. Diese Ziele müssen zwischen Lehrenden und Auszubildenden<br />
kommuniziert werden, so dass sie ausbildungssteuernd eingesetzt<br />
werden können. Die Selbstkontrolle des Angebots sollte feedbackorientiert<br />
sein. Absolventen und Abnehmer der Lehrerbildung<br />
müssen regelmäßig befragt werden und Einfluss auf die Angebotsgestaltung<br />
erhalten. Ergänzend dazu müssen unabhängige Expertisen<br />
eingeholt werden, die entweder selber Entwicklungsszenarien<br />
enthalten oder die in der Lehrerbildung vorhandenen Szenarien<br />
überprüfen. Dazu sind regelmäßige Datenerhebungen eine notwendige<br />
Grundlage. Diese externen Evaluationen erfolgen auf der<br />
Grundlage der empirischen Bildungsforschung.
Ziele und Qualifikationen 29<br />
3. Ziele und Qualifikationen der<br />
Phasen<br />
Die vier Phasen und die darauf bezogenen Institutionen der<br />
Lehrerbildung verfolgen einen gemeinsamen Auftrag, der fortlaufend<br />
abgestimmt werden muss. Die Lehrerausbildung umfasst die<br />
ersten beiden Phasen, sie wird mit einem berufsqualifizierenden<br />
Staatsexamen abgeschlossen. Die enge Verzahnung <strong>dieser</strong> beiden<br />
Phasen schließt nicht aus, dass Universitätsstudium und Ausbildung<br />
im Studienseminar je besondere Ziele verfolgen und Qualifikationen<br />
anstreben. Das Problem ist, wie ein Höchstmaß an Abstimmung<br />
erreicht werden kann, ohne dass weiterhin Doppelspurigkeiten<br />
und Synergiemängel in Kauf genommen werden müssen.<br />
Die Berufseingangsphase erhält ein eigenes Profil, unter der Voraussetzung,<br />
dass sie nicht als Teil der Ausbildung, sondern als Beginn<br />
der eigenverantwortlichen Berufspraxis verstanden wird. Die<br />
Fort- und Weiterbildung wird als vierte Phase Teil der obligatorischen<br />
Lehrerbildung und erhält stärkeres Gewicht als bisher. Sie<br />
sorgt für kontinuierliche Qualitätssicherung und gezielte Personalentwicklung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt grundsätzlich<br />
1) den Aufbau und die Abstimmung von Kerncurricula in allen<br />
Ausbildungsbereichen,<br />
2) die inhaltliche und thematische Sicherung des Berufsfeldbezuges,<br />
3) die Entwicklung von Standards professionellen Handelns,<br />
4) die Kürzung der Ausbildung,<br />
5) die Profilierung der Berufseingangsphase,<br />
6) ein Obligatorium für die Fortbildung.
30 Ziele und Qualifikationen<br />
Die erste Empfehlung wird im Abschnitt 4 sowie an weiteren<br />
Stellen des vorliegenden Berichtes ausführlich erläutert. Die<br />
<strong>Kommission</strong> verweist einleitend darauf, dass Kerncurricula fachlich<br />
strukturiert sind und thematisch wie inhaltlich auf das Berufsfeld<br />
verweisen. Professionelle Standards, wie sie OSER (2000) beschrieben<br />
hat, gehen über fachliche Curricula hinaus und müssen<br />
für die Lehrerbildung insgesamt entwickelt werden. Die Gesamtsicht<br />
der Lehrerbildung erlaubt grundsätzlich eine Verschiebung<br />
der Zeitressourcen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine deutliche Absenkung<br />
der Dauer der Ausbildung, und zwar der universitären<br />
Studiengänge ebenso wie der Ausbildung im Referendariat (siehe<br />
4.2. und 10). Im Gegenzug wird die Berufseingangsphase entwikkelt<br />
und Fortbildung als obligatorisch festgelegt. Die Universitätsseite<br />
erhält einen besonderen Auftrag für die Fortbildung von<br />
Lehrkräften. Grundlage <strong>dieser</strong> Empfehlung ist die Annahme, dass<br />
Verschiebungen der Zeitressourcen nicht einhergehen mit einer<br />
Reduktion der materiellen Ausstattung der Lehrerbildung. Die<br />
neuen Aufgaben verlangen im Gegenteil besondere Investitionen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass fachliche und professionelle<br />
Anforderungen nicht deckungsgleich sind. Die zentrale<br />
Schwierigkeit besteht darin, mit fachbezogenen Ausbildungsgängen<br />
berufliche Kompetenzen anstreben zu wollen. Die Ausbildungslogik<br />
von Universitätsstudiengängen wird von Fachdisziplinen<br />
bestimmt, die nicht einfach aus sich heraus Kompetenzen des<br />
Lehrerberufs erzeugen können. Andererseits kann der Lehrerberuf<br />
von fachwissenschaftlichem Wissen dann profitieren, wenn die<br />
Ausbildung auf Reflexion und Reflexionserweiterung eingestellt<br />
ist. Diese doppelte Aufgabe der Kompetenzentwicklung und der<br />
reflexiven Bildung lässt sich nur erfüllen, wenn die Ausbildungsgänge<br />
aufeinander abgestimmt sind, die Lehrveranstaltungen nach<br />
ihrer Funktion definiert werden und die zusammenhängenden Ziele<br />
sichtbar sind. Das ist auch deswegen notwendig, weil mit der wissenschaftlichen<br />
Ausbildung zuerst Reflexionsqualität vermittelt<br />
wird, bevor unterrichtliche und im weiteren berufliche Kompetenzen<br />
entwickelt werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Profilierung der Lehrerbildung<br />
gerade mit dem differenzierten Angebot zu schärfen. Ein Manko
Ziele und Qualifikationen 31<br />
der bisherigen Ausbildung besteht darin, dass vielfach Veränderungen<br />
im Berufsfeld und in den Gegenstandsbereichen der an der<br />
Ausbildung beteiligten Wissenschaften zu spät oder gar nicht<br />
wahrgenommen und marginalisiert werden. Ein weiteres Manko<br />
besteht darin, dass die Angebote oft nach einem einfachen und<br />
stark utilitären Muster von „Theorie“ und „Praxis“ bewertet werden.<br />
Besonders die erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen<br />
Anteile werden von vielen Studierenden dergestalt erwartet,<br />
dass sie Profit für den individuellen Unterrichtserfolg abwerfen<br />
sollen. Die wissenschaftliche Lehrerbildung kann aber nur dann<br />
Erfolg haben, wenn die Ausbildungsorganisation kenntlich macht,<br />
dass und wie mit verschiedenen Lehrveranstaltungen unterschiedliche<br />
Ziele erreicht werden sollen. Die Ziele müssen zwischen den<br />
Phasen und den beteiligten Fächern so abgestimmt sein, dass die<br />
Studierenden von einem Gesamttableau ausgehen können, das die<br />
Vorteile einer differenzierten Ausbildung kenntlich macht. Damit<br />
verbinden sich erhebliche Managementaufgaben, die in der heutigen<br />
Ausbildungsorganisation nicht erfüllt werden.<br />
3.1. Lehrerausbildung an der Universität<br />
Die Universität bestimmt die Lehrerausbildung während der ersten<br />
Phase. An <strong>dieser</strong> Ausbildungsphase sind unterschiedliche Anbieter<br />
beteiligt, die bislang ohne jede Abstimmung verfahren können.<br />
Das gilt generell für die Verfassung der Lehrerausbildung in<br />
Deutschland. Die Ausbildungsorganisation an der Universität<br />
<strong>Hamburg</strong> hat aber einige historisch gewachsene Vorteile, die die<br />
Reform erleichtern können. Die <strong>Kommission</strong> verweist auf<br />
die Integration der Fachdidaktiken in den Fachbereich 06 Erziehungswissenschaft,<br />
die Konzentration der Lehrerausbildung für Sonderschulen im<br />
Fachbereich 06 8 ,<br />
8<br />
Anders verhält es im Fall des Lehramts an beruflichen Schulen: dort finden<br />
von 140 bis zu 160 SWS nur 40 SWS am Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
statt. Hinzu kommen insbesondere Anteile der TU <strong>Hamburg</strong>-<br />
Harburg und des Fachbereichs 13 (Chemie).
32 Ziele und Qualifikationen<br />
<br />
<br />
<br />
den vergleichsweisen 9 guten Ausbaustand von Erziehungswissenschaft<br />
und Fachdidaktik,<br />
den vergleichsweisen hohen Stundenanteil der schulpraktischen<br />
sowie erziehungswissenschaftlich-fachdidaktischen Studien am<br />
Gesamtvolumen der Ausbildung sowie<br />
die angenäherte Gleichbehandlung der schulform- und stufenübergreifenden<br />
Ausbildungen 10 .<br />
Die organisatorische und reflexive Konzentration der Lehrerbildung<br />
auf den Fachbereich 06 schafft aber zugleich ein gravierendes<br />
Problem. Die anderen an der Lehrerbildung beteiligten Fachbereiche<br />
behandeln die damit verbundenen Aufgaben sehr unterschiedlich<br />
und insgesamt wenig profiliert. Die Probleme der Lehrerbildung<br />
werden ausschließlich fachbezogen verstanden, ein spezifisches<br />
Curriculum ist nicht vorhanden, obwohl die beteiligten Fächer<br />
in erheblichem Maße von Lehrerbildungsinvestitionen profitieren.<br />
Die Anhörungen der <strong>Kommission</strong> haben in <strong>dieser</strong> Hinsicht<br />
kaum Fortschritte erbracht. Insgesamt ist zu sagen, dass die<br />
Lehrerbildung in Deutschland nicht zu fachbezogen ist, sondern<br />
vielmehr darunter leidet, dass die fachwissenschaftlichen Anteile<br />
zu wenig auf die Zwecke der Ausbildung abgestimmt sind.<br />
Der folgende Zielkatalog ist aus Sicht der Erziehungswissenschaft/Fachdidaktik<br />
abgefasst. Die <strong>Kommission</strong> hat sich bemüht,<br />
Verallgemeinerungen zu wählen, die sich auch auf die fachwissenschaftliche<br />
Ausbildung übertragen lassen. Die Aussagen betreffen<br />
drei Bereiche.<br />
Habitus forschendes Lernen<br />
Die Universitätsausbildung vermittelt nicht lediglich Fachwissen<br />
oder Methodenkompetenz, sondern grundlegender einen Habitus,<br />
der sich mit JEROME BRUNER als forschendes Lernen bezeichnen<br />
9<br />
Die Vergleiche beziehen sich auf andere Bundesländer mit niedrigeren<br />
Anteilen der Erziehungswissenschaft in den Lehramtsstudiengängen.<br />
10<br />
<strong>Hamburg</strong> hat eine schulformbezogene Ausbildung, die „stufenbezogen“<br />
genannt wird. Es handelt also nicht um eine reine Stufenausbildung, die<br />
nach Grundschule, Sekundarstufe I und II strikt unterscheiden würde.
Ziele und Qualifikationen 33<br />
lässt. Diese Haltung ist als Kernbeitrag der Universität zur Lehrerbildung<br />
zu verstehen, auf den die anderen Phasen aufbauen müssen.<br />
Die Studierenden sollen lernen, sich theoretisches Wissen<br />
nicht nur rezeptiv und lediglich für den Zweck der Ausbildung anzueignen,<br />
sondern dieses Wissen reflexiv auf Praxis, das heißt auf<br />
empirisch vorfindliche Situationen und Probleme ihres Berufsfeldes,<br />
zu beziehen. Diese Situationen und Probleme sind nicht einfach<br />
nur Anwendungsfälle des vorab konstituierten Wissens, vielmehr<br />
kommt es darauf an, das vorhandene Theoriewissen zur<br />
Analyse und Gestaltung des Berufsfeldes nutzbar zu machen.<br />
Das kann enger oder weiter verstanden werden. Von vorrangiger<br />
Bedeutung wäre etwa die Nutzung des Ausbildungswissens,<br />
darunter nachdrücklich auch das der Fachwissenschaften, zur fortlaufenden<br />
Innovation des Schulwissens 11 , eine Aufgabe, die in der<br />
heutigen Ausbildung vernachlässigt wird. Kaum weniger wichtig<br />
ist es, die Erwartungen 12 im Blick auf Unterrichtsmethoden zu korrigieren.<br />
Die Situationen und Probleme der Berufspraxis müssen in<br />
ihren allgemeinen Strukturen verstanden und in ihrer jeweiligen<br />
Besonderheit erschlossen werden, ohne die Sichtweise auf die<br />
Handlungsstrategien der einzelnen Lehrkraft zu verengen. Die Sicherheitsbedürfnisse<br />
von Novizen müssen angemessen behandelt<br />
werden, aber das darf nicht dazu führen, die Komplexität des Berufsfeldes<br />
und insbesondere die inhaltlichen Anforderungen auf<br />
den Gebrauch von Unterrichtsmethoden zu reduzieren 13 . Die Ausbildung<br />
muss den Nutzen wissenschaftlichen Wissens für die Gestaltung<br />
des Berufsfeldes kenntlich machen, was nur dann möglich<br />
ist, wenn eine forschende Haltung zur eigenen Berufstätigkeit entwickelt<br />
wird. Der Lehrberuf muss als Lern- und Entwicklungsauf-<br />
11<br />
Zu verstehen als Wissenskorpus der jeweiligen Schulfächer. Die heutigen<br />
Fächer konstituieren sich über Lehrpläne und Lehrmittel, die sich in aller<br />
Regel auf die Arbeit von Lehrplankommissionen beziehen.<br />
12<br />
Gemeint sind die Erwartungen nicht nur der Studierenden, sondern generell<br />
der praktischen Wirksamkeit von Ausbildung.<br />
13<br />
Die Studierenden wollen oft nur wissen what works (GOODLAD 1991,<br />
OSER/OELKERS 2000). Die Ausbildung muss erreichen, dass sie ihre künftige<br />
Praxis als Lern- und Forschungsproblem ernst nehmen, also nicht lediglich<br />
die eigene Handlungssicherheit in den Mittelpunkt stellen.
34 Ziele und Qualifikationen<br />
gabe konzipiert sein, die sich ohne Forschungsbezug nicht verwirklichen<br />
lässt. Das schließt die Bereitschaft und Fähigkeit zu experimentierendem<br />
Handeln und dessen Evaluation mit ein.<br />
Handlungsqualifikationen und individuelle Profilbildung<br />
Die Studierenden müssen im Laufe ihrer Ausbildung ein individuelles<br />
Profil als Lehrer und Lehrerin entwickeln. Das Profil muss an<br />
den Ausbildungsstandards geschärft werden. Entsprechend müssen<br />
sich hohe Anforderungen der Ausbildung individualisieren lassen,<br />
ohne ihre Verbindlichkeit zu verlieren. Die Studierenden müssen in<br />
allen Studienfächern einen Zugang zu wissenschaftlichen Fragestellungen<br />
und Arbeitsweisen gewinnen. Sie müssen lernen, allgemeines<br />
Wissen auf spezifische Situationen zu beziehen und ihr<br />
Verständnis an Fällen zu schulen, ohne diese lediglich als einmalige<br />
Vorkommnisse zu begreifen 14 . Die erziehungswissenschaftliche<br />
und didaktische Ausbildung sorgt dafür, dass die Studierenden<br />
eigene Erfahrungen im pädagogischen Handlungsfeld theoriegeleitet<br />
analysieren und reflektieren,<br />
Fähigkeiten zu selbst gesteuertem und kooperativem Arbeiten<br />
entwickeln,<br />
historisch-gesellschaftliche Erziehungs- und Bildungsprozesse<br />
analysieren und reflektieren,<br />
pädagogische Handlungsmöglichkeiten theoriegeleitet erproben,<br />
Fragen der Legitimation und Entwicklung der öffentlichen<br />
Schule bearbeiten,<br />
eine vergleichende Perspektive einbringen,<br />
innovative Formen der Praxisgestaltung und Organisationsentwicklung<br />
erfahren und<br />
die dabei erworbenen Kenntnisse nachweisen können.<br />
Speziell geht es um die Analyse und Reflexion von<br />
fachbezogenen und fächerübergreifenden Lernvorgängen in<br />
schulischen Unterrichtsprozessen,<br />
14<br />
Das Thema „Fallarbeit in der universitären Lehrerbildung“ behandeln die<br />
Beiträge in BECK/HELSPER (2000).
Ziele und Qualifikationen 35<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
innovativen Lehr-Lern-Formen und Unterrichtsmedien,<br />
Beobachtung und Einschätzung spezifischer Lernschwierigkeiten<br />
und Lernstärken von Kindern und Jugendlichen in Anbetracht<br />
der unterschiedlichen Voraussetzungen, die sie in die<br />
Schule mitbringen,<br />
Situationen und Fällen des Unterrichts wie des Schullebens,<br />
Bedingungen erfolgreichen Lehrerhandelns,<br />
bildungspolitischen Diskursen,<br />
der eigenen Rolle und Eignung als Lehrkraft mit individuellen<br />
Stärken und Schwächen.<br />
Entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten wären im Laufe des<br />
Studiums ebenfalls nachzuweisen. Analyse und Reflexion erfolgen<br />
wissenschaftsgesteuert und theorieorientiert, die individuelle Erfahrung<br />
ist der Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Bearbeitung.<br />
Fachliche Qualifikationen<br />
Die inhaltliche Ausrichtung und die Gewichtung der fachwissenschaftlichen<br />
Studien erfolgt unterschieden nach Lehrämtern. Die<br />
Einbeziehung der prioritären Themen gilt für alle Lehrämter. Dabei<br />
ist in bestimmten Teilen der Ausbildung der Forschungsbezug zu<br />
stärken. Das gilt für die Fachdidaktiken, die Grundschulpädagogik,<br />
die Sonderschullehrerausbildung und für Teile der schulpraktischen<br />
Studien. Andere Anteile, besonders die der fachwissenschaftlichen<br />
Studien, haben das Problem der Spezifizierung ihres<br />
Angebotes für die Belange der Lehrerbildung. Eine Lösung des<br />
Problems wäre die Entwicklung von Kerncurricula, die von der<br />
<strong>Kommission</strong> begründet und empfohlen wird (siehe Teil 4 und Anhang).<br />
Unter <strong>dieser</strong> Voraussetzung lassen sich folgende, allgemeine Zielsetzungen<br />
formulieren. Die fachliche Ausbildung sorgt dafür, dass<br />
die Studierenden<br />
• über inhaltliche und methodische Kenntnisse in den Wissensgebieten<br />
verfügen, die für die Gestaltung von schulischen<br />
Lehr-Lern-Situationen grundlegend sind,
36 Ziele und Qualifikationen<br />
• Erkenntnisse und Wissensformen ihrer Disziplinen unter Berücksichtigung<br />
geschichtlich-gesellschaftlicher Zusammenhänge<br />
reflektieren können,<br />
• fähig sind, sich neue Gegenstandsbereiche der Disziplinen<br />
selbständig oder in Kooperation mit anderen anzueignen,<br />
• imstande sind, Ausbildungswissen auf Schul- und Unterrichtswissen<br />
zu beziehen,<br />
• disziplinäres Wissen in interdisziplinären Aufgaben erprobt<br />
haben und<br />
• über Kenntnisse verfügen, wie Theorien und Wissensbestände<br />
ihrer Disziplinen in nicht-pädagogischen Tätigkeitsfeldern<br />
verwendet werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass der Wissenschaftsbezug<br />
und die darauf bezogene Fachlichkeit grundsätzlich nicht nach Stufen<br />
oder Schularten unterschieden werden kann. Weil etwa Grundschullehrerinnen<br />
und Grundschullehrer kleinere Kinder mit – aus<br />
Sicht des Lehrplans – geringeren Wissensanforderungen unterrichten,<br />
ist ihre Fachlichkeit nicht schmaler. Die <strong>Kommission</strong><br />
nimmt zu diesem Problem unter 10 ausführlich Stellung.<br />
3.2. Lehrerausbildung im Studienseminar<br />
Die Ausbildung im Studienseminar schließt an die universitären<br />
Studien unmittelbar an, setzt diese jedoch nicht einfach fort. Die<br />
Besonderheit der Referendariatsausbildung ergibt sich aus der geringeren<br />
Distanz zur Praxis, der alltäglichen Unterrichtserfahrung<br />
sowie der gezielten Berufsvorbereitung. Die Ausbildung steht vor<br />
dem Problem, nicht genau zu wissen, welche vorgängigen Studienerfahrungen<br />
die Referendarinnen und Referendare mitbringen.<br />
Das bestehende Curriculum ist kein Anschluss an die universitären<br />
Studien. Die Ausbildung hat also zwei zentrale Probleme, sie muss<br />
sicherstellen, dass die universitären Studien aufgegriffen werden<br />
und also nicht verloren gehen, und sie muss ihr Ziel erreichen,<br />
nämlich für einen erfolgreichen Berufsstart sorgen. Das erste Problem<br />
stellt sich nur dann, wenn tatsächlich eine gemeinsame Aus-
Ziele und Qualifikationen 37<br />
bildungsverantwortung übernommen und also Sorge getragen<br />
wird, dass die Ausbildungselemente abgestimmt angeboten werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass entsprechende Curricula<br />
in der gesamten deutschen Lehrerausbildung nicht vorliegen.<br />
Erfahrungen mit dem Abstimmungsproblem gibt es also nicht.<br />
Das allgemeine Ziel der Ausbildung im Studienseminar ist die<br />
Berufsfähigkeit von Novizen in Lehrämtern. „Berufsfähigkeit“ bezieht<br />
sich nicht auf einen fiktiven Vorrat von Handlungsstrategien,<br />
sondern auf grundlegende Qualifikationen für die praktische und<br />
reflektorische Ausgestaltung von Lehrämtern. Gelernt werden diese<br />
Qualifikationen in der Auseinandersetzung mit konkreten Situationen<br />
und Problemen der jeweiligen Ausbildungsschulen sowie<br />
deren vertiefender Bearbeitung in den Seminarveranstaltungen des<br />
Referendariats. Die im Universitätsstudium erworbenen Kenntnisse<br />
und Fähigkeiten müssen soweit möglich einbezogen werden.<br />
Andererseits vermittelt das Studienseminar auch eigene Wissensbestände,<br />
anders wäre der Aufwand nicht zu rechtfertigen. Das<br />
Wissen ist erheblich konkreter und die Erkenntnisse der Ausbildung<br />
praktischer, als dies in einem Universitätsstudium möglich<br />
wäre.<br />
Die Lernerfahrung betrifft die konkrete Berufsrolle unter der<br />
Voraussetzung zunehmender Eigenverantwortlichkeit. Grundlegend<br />
sind nicht mehr Fälle und darauf bezogen allgemeine Reflexionen,<br />
sondern die Vermittlung von handlungsleitendem Wissen,<br />
das in Spannung steht zu den Verallgemeinerungen der Wissenschaften.<br />
Wesentlich ist die Erfahrung, dass und wie diese Spannung<br />
produktive Bearbeitung finden kann. Das Studienseminar<br />
muss praktisches Know How vermitteln, das nicht als „Ableitung“<br />
aus irgendwelchen Wissenschaften verstanden werden kann; zugleich<br />
muss sichergestellt sein, dass Forschungsbezüge ihren Wert<br />
behalten. Der Habitus forschendes Lernen ist in diesem Sinne auch<br />
für das Studienseminar grundlegend.<br />
Thematische Anschlüsse zwischen Universität und Studienseminar<br />
müssen curricular bestimmt werden, das gilt nicht nur für die erziehungswissenschaftlich-didaktischen<br />
Studien, sondern mit Nachdruck<br />
für das Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik in<br />
beiden Phasen. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier einen erheblichen
38 Ziele und Qualifikationen<br />
Handlungsbedarf. Die universitäre Lehrerausbildung verfügt im<br />
Kernbereich der wissenschaftlichen Fachausbildungen nicht über<br />
ein abgestimmtes Angebot, das Aufbau anstrebt und Anschlüsse<br />
möglich macht, und dies gilt sowohl für die interne Abstimmung<br />
der universitären Ausbildung als auch für die Übergänge zur Fachausbildung<br />
im Studienseminar.<br />
Die allgemeine Qualifikation wird ergänzt und konkretisiert<br />
durch eine Reihe von spezifischen Ausbildungsleistungen. Das<br />
Studienseminar stellt sicher, dass die Referendarinnen und Referendare<br />
nach der Ausbildung imstande sind,<br />
unter Berücksichtigung der Bezugswissenschaften und der gesetzlichen<br />
Bestimmungen Unterricht auf gehaltvolle und adressatengerechte<br />
Weise zu planen, durchzuführen und auszuwerten,<br />
im Rahmen des Erziehungsauftrages sozial verantwortliches<br />
Handeln von Schülerinnen und Schülern zu befördern und deren<br />
Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen,<br />
Unterrichtsqualität zu bewerten und die eigenen Lernprozesse<br />
unter Inanspruchnahme von Feedbackprozessen kritisch zu reflektieren,<br />
die Berufstätigkeit als fortlaufenden Prozess der Qualifizierung<br />
anzusehen,<br />
am Prozess der Schulentwicklung erfolgreich teilzunehmen,<br />
ein schulisches Lehramt nach Innen und Außen vertreten, insbesondere<br />
im Blick auf Eltern, Kollegien und der interessierten<br />
Öffentlichkeit.<br />
Diese Fähigkeiten werden in eigenen Dokumentationen nachgewiesen.<br />
Sie können bei anschließenden Bewerbungen verwendet<br />
werden. Das Prüfungswesen muss entsprechend angepasst werden<br />
(siehe Teil 9).
Ziele und Qualifikationen 39<br />
3.3. Berufseingangsphase<br />
Die Berufseingangsphase dauert in der Regel drei Jahre. Sie ist der<br />
Beginn des Handelns unter den Bedingungen der eigenverantwortlichen<br />
Berufstätigkeit. Die Ausbildung ist abgeschlossen, aber damit<br />
eröffnet sich ein Lernfeld eigener Art, das in der bisherigen<br />
Ausbildungsorganisation zu wenig oder gar nicht beachtet wurde.<br />
Wenn die Berufsbiografie ausschlaggebend ist für die erreichte<br />
oder nicht erreichte Qualität der Lehrkräfte, dann muss dem Berufseingang<br />
besondere Aufmerksamkeit zukommen. Das gilt in zweifacher<br />
Hinsicht, Sicherung der Ausbildungseffekte im Berufseingang<br />
einerseits, Nutzung der besonderen Motivation der Berufsanfänger<br />
andererseits. Der Ernstfall darf die Ausbildungseffekte nicht<br />
einfach entwerten und ablöschen, andererseits muss die Situation<br />
von Berufsanfängern auf Schulentwicklung und Weiterbildung bezogen<br />
sein. Das gilt auch deswegen, weil die Ausbildung Grundlagen<br />
der beruflichen Handlungskompetenzen legt, aber bestimmte<br />
Standards der beruflichen Realität entweder gar nicht erfasst oder<br />
nur simulieren kann. Dazu zählen etwa<br />
Teamarbeit angesichts von Konflikten,<br />
Timing von Unterricht unter hohem Stoffdruck,<br />
die Ökonomie der Kräfte angesichts sehr schnell sehr hoher<br />
Belastungen,<br />
Konfliktbewältigung bei Unwilligkeit,<br />
Öffentlichkeitsarbeit unter nicht-idealen Voraussetzungen<br />
und Ähnliches mehr. Die Standards der Ausbildung müssen auf<br />
konkrete, oft mühsam strukturierte und nicht immer erfolgreiche<br />
Situationen des Lehrens und Lernens in einem belasteten Alltag<br />
übersetzt werden. Zudem muss die nicht-lineare und konflikthafte<br />
Situation der einzelnen Schule berücksichtigt werden, die keine<br />
Simulation je erreichen könnte. Ausbildung idealisiert notwendig,<br />
die Übersetzung der Ideale in belastbare Kompetenz ist das<br />
Problem der Berufseingangsphase. Sie erhält noch dadurch zusätzliches<br />
Gewicht, dass die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer in
40 Ziele und Qualifikationen<br />
Zukunft schulgenau erfolgt. Massive Lücken zwischen Qualifikationen<br />
und Fähigkeiten auf der einen, Bedarfsprofilen und Einstellungsbedürfnissen<br />
der Schulen auf der anderen Seite werden<br />
dann nicht mehr toleriert. Die Einstellung wird von nachweisbaren<br />
Qualitäten abhängig gemacht, die reine Sortierung nach Abschlussnoten<br />
entfällt.<br />
Die Berufseingangsphase ist Teil der beruflichen Praxis und der<br />
Weiterbildung. Sie hat limitierte Zielsetzungen, die sich auf drei<br />
Qualifikationsbereiche beziehen. Grundlegend ist der Gedanke des<br />
gegenseitigen Profits. Die Novizen profitieren von der Schule, aber<br />
umgekehrt profitiert die Schule auch und mehr als bisher von den<br />
Novizen. Ihr Innovationspotenzial soll nachhaltig genutzt werden.<br />
Der „Praxisschock“, die Entwicklung zum „Einzelkämpfer“ und<br />
der Einsatz der Novizen als „Lückenfüller“ werden durch Personalführung,<br />
Teamarbeit und gezielte Fortbildung nachhaltig verhindert.<br />
Die Berufsanfänger erhalten keinen Makel, der ihre lange<br />
Ausbildung entwertet, vielmehr wird die Ausbildung mit gezielter<br />
Beauftragung genutzt. Zudem muss Gewähr bestehen, die Entwicklung<br />
und Ausgestaltung der Lehrerpersönlichkeit unter hohen<br />
Belastungen besorgen zu können.<br />
Die <strong>Kommission</strong> nimmt im Detail zu vier Bereichen Stellung:<br />
Aufbau individueller Handlungssicherheit<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die Berufsanfängerinnen und -anfänger werden ihren Kompetenzen<br />
und Stärken entsprechend eingesetzt; wann immer möglich<br />
werden Teams gebildet.<br />
Anfängerinnen und Anfänger reflektieren ihre Praxis in verbindlichen<br />
Arbeitsgruppen innerhalb und außerhalb der eigenen<br />
Schule.<br />
Die Arbeitsgruppen halten Kontakt zu den vorgängigen Ausbildungsphasen.<br />
Probleme und Ergebnisse der Reflexion werden, soweit möglich,<br />
in die Schule zurücktransferiert.<br />
Aufnahme und Verwendung von Novizen in der Schule
Ziele und Qualifikationen 41<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Berufsanfängerinnen und -anfänger werden von Schulleitung<br />
und Kollegium als Innovatoren und Korrektiv wahrgenommen<br />
und unterstützt.<br />
Die Schulleitung übernimmt besondere Verantwortung für Berufsanfängerinnen<br />
und -anfänger. Die Begleitung umfasst Gespräche,<br />
Beratung, Beurteilung und das Erteilen von Zertifikaten.<br />
Besondere Kompetenzen der Berufsanfängerinnen und –anfänger<br />
werden in Übertragung schulischer Aufgaben und Funktionen<br />
genutzt.<br />
Berufsanfängerinnen und -anfänger profilieren sich mit spezifischen<br />
Fähigkeiten für die konkrete Schularbeit, übernehmen<br />
bestimmte Aufgaben und erhalten aufgabenbezogen Gelegenheit<br />
zur Fortbildung.<br />
Nutzen für Innovationen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Berufsanfängerinnen und -anfänger kennen die neuesten Forschungsergebnisse<br />
und arbeiten auf <strong>dieser</strong> Grundlage am fachlichen<br />
und organisatorischen Entwicklungsprozess der Schule<br />
mit.<br />
Das Kollegium profitiert vom Novizen-Wissen im Rahmen<br />
schulinterner Fortbildungen und durch den Austausch in den<br />
Fachgruppen.<br />
Besonderes Gewicht wird auf Methoden, Verfahren und Inhalte<br />
der Schulentwicklung gelegt, die zur Reflexion und Korrektur<br />
der Praxis geeignet sind.<br />
Berufsanfängerinnen und -anfänger führen innovative Projekte<br />
durch, evaluieren ihre Wirksamkeit, präsentieren die Ergebnisse<br />
der Schulöffentlichkeit und erhalten Unterstützung durch die<br />
Schulleitung.<br />
Aufbau ergänzenden Wissens<br />
Berufsanfängerinnen und -anfänger spezifizieren ihr bisher gelerntes<br />
Wissen auf die neue Situation.<br />
Sie bilden ein eigenes Wissensrepertoire heraus und entwickeln<br />
praktische Formen der Reflexion.
42 Ziele und Qualifikationen<br />
<br />
<br />
Ihre Praxis dient dazu, die Standards der Ausbildung im konkreten<br />
Berufsfeld weiterzuentwickeln,<br />
Die Ausbildung findet geeignete Formen, von <strong>dieser</strong> Erfahrung<br />
zu profitieren.<br />
Grundlegend müssen Schulleitungen darauf hinwirken, dass Novizen<br />
als willkommene Ergänzung oder Komplettierung des Lehrkörpers<br />
angesehen werden. Der notwendige Fortbildungsanteil<br />
wird vom Institut für Lehrerfortbildung (IfL) organisiert. Das Veranstaltungsangebot<br />
ist im arbeitsrechtlich zumutbaren Rahmen obligatorisch.<br />
Eine Verknüpfung mit Ausbildungsleistungen des Studienseminars<br />
ist anzustreben. Auf die Besonderheiten der Lehrämter,<br />
insbesondere die Unterschiede zwischen den allgemeinbildenden<br />
Schulen und den Berufs- und Sonderschulen ist gebührend<br />
Rücksicht zu nehmen.<br />
3.4 Fort- und Weiterbildung<br />
Die fortlaufende Personalentwicklung umfasst Angebote in der<br />
Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte in allen Schularten und<br />
Schulstufen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt auch hier, wie im Falle<br />
der Berufseingangsphase, ein Obligatorium. Organisation und<br />
Entwicklung des Angebotes obliegt dem Institut für Lehrerfortbildung.<br />
Das Angebot selbst wird als Serviceleistung für unterschiedliche<br />
Anliegen und Nachfragen verstanden. Das IfL tritt als Agentur<br />
auf und stellt abnehmerbezogen sowie nachfragegerecht Angebote<br />
bereit, gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Anbietern.<br />
Das Angebot wird wesentlich zur Schulentwicklung eingesetzt, also<br />
auf konkreten Bedarf zugeschnitten, auf aktuelle und zukunftsweisende<br />
Themen bezogen und vom Effekt her kontrolliert. Schulentwicklung<br />
wird in diesem Sinne auch als Personalentwicklung<br />
verstanden. Das Institut erfüllt dabei Regel- und Projektaufträge.<br />
Projektaufträge werden mit dem jeweiligen Auftraggeber ausgehandelt,<br />
konzipiert, durchgeführt und evaluiert.<br />
Angebote der Fort- und Weiterbildung richten sich an ausgebildete<br />
Lehrerinnen und Lehrer, die sich in bestimmten Hinsichten
Ziele und Qualifikationen 43<br />
weiterqualifizieren sollen, sowie an schulische Funktionsträger, die<br />
für neue Aufgaben qualifiziert werden. Der Fokus ist die Entwicklung<br />
der Schule und nicht einfach, in unverbindlicher Weise,<br />
die Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit. Von Personalentwicklung<br />
kann gesprochen werden, wenn die unterschiedlichen Persönlichkeiten<br />
so qualifiziert sind, dass ihre Ressourcen und Potenziale<br />
dem System Schule und so den Schülerinnen und Schülern zugute<br />
kommen. Die fortlaufende Qualitätssicherung des Personals sowie<br />
die Gewähr der schulischen Innovation ist das hauptsächliche Ziele<br />
der Fort- und Weiterbildung. Sie gewinnt nicht nur auf Grund der<br />
Prämisse des berufslangen Lernens zunehmend Gewicht. Der zielgenaue<br />
Einsatz der Mittel, die Bedarfsorientierung und die flexible<br />
Organisation mit Projekten und Teams sprechen zusätzlich dafür,<br />
das Gewicht der Fort- und Weiterbildung erheblich zu verstärken.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist ausdrücklich auf die Möglichkeit der<br />
Umverlagerung der Ressourcen von der Lehrerausbildung in die<br />
Fort- und Weiterbildung.<br />
Die Ziele der Fort- und Weiterbildung ergänzen die ersten Phasen<br />
in bestimmten Hinsichten, dienen aber vornehmlich der<br />
schnellen und praxisangemessenen Reaktion auf Probleme und<br />
Forderungen der Systementwicklung. Fort- und Weiterbildungsangebote<br />
dienen zur<br />
Vorbereitung und Qualifizierung für die Übernahme neuer pädagogischer<br />
Anforderungen in der Schule,<br />
Vorbereitung und Qualifizierung für die Übernahme fachlicher<br />
und unterrichtlicher Aufgaben,<br />
Verbesserung von Kooperation und Selbstreflexion des Lehrpersonals,<br />
Umsetzung bildungspolitischer Anliegen und Aufträge,<br />
• Beratung und Begleitung von Berufsaus- oder Berufsumstiegen.<br />
Neue pädagogische Anforderungen wie „Lernen mit neuen Medien“<br />
oder „Gewaltprävention“ lassen sich thematisch mit vorgängigen<br />
Ausbildungsleistungen verknüpfen. Ähnliches gilt für spezielle<br />
fachliche und unterrichtliche Aufgaben wie „Englisch in der<br />
Grundschule“, „fachunabhängige Methodenqualifikation“, „Teamund<br />
Organisationsentwicklung“ oder spezifische Verfahren der
44 Ziele und Qualifikationen<br />
Evaluation. Die Fort- und Weiterbildung kann sich dann auf spezifische<br />
Anfragen oder Aufträge konzentrieren und grundlegende<br />
Qualifikationen voraussetzen. Dabei können sich Fortbildungsangebote<br />
auf vorgängige Ausbildungsthemen beziehen. Für die prioritären<br />
Themen sollten im Blick auf das vorhandene Lehrpersonal<br />
spezifische Angebote entwickelt werden. Schließlich sind auch Zusatzstudiengänge<br />
denkbar, die sich karriererelevant einsetzen lassen.<br />
Das IfL bietet Lehrerinnen und Lehrer durch ein spezielles Angebot<br />
die Möglichkeit der Qualifikation in neuen Fächern, Arbeitsfeldern<br />
und -themen. Diese Qualifizierung schließt mit einem<br />
Zertifikat ab. Das Angebot richtet sich nach dem bildungspolitischen<br />
Bedarf und den Notwendigkeiten der Schulentwicklung. Die<br />
Weiterbildung für zusätzliche Fächer und Schulstufen ist bereits<br />
heute ein Leistungsanreiz. Dieses Instrument in Kooperation mit<br />
anderen Anbietern, im besonderen Maße auch der Universität,<br />
sollte gezielt entwickelt werden. Spezifische und bedarfsorientierte<br />
Weiterbildungsstudiengänge wären somit eine Möglichkeit der<br />
längerfristigen Qualifikation, die mit Berechtigungen verbunden<br />
werden sollte.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist grundsätzlich auf die Notwendigkeit,<br />
für die Fort- und Weiterbildung Anreize zu entwickeln. Die bisherige<br />
Praxis der Fortbildung geht von einem unspezifischen Bedarf<br />
an lebenslangem Lernen aus, der mit keinem Obligatorium 15 verbunden<br />
ist und keine Belohnungssysteme kennt. Die stärkere Bindung<br />
der Fort- und Weiterbildung an Probleme der Schulentwicklung<br />
eröffnet die Möglichkeit, dass Schulleitungen Ausbildungsbedarf<br />
definieren und besondere Anreize für ihr Kollegium schaffen.<br />
Je nach Art der Maßnahmen können sich damit Prämien und<br />
Aufstiegsmöglichkeiten verbinden (siehe 7.4.1.). Im Hinblick auf<br />
die Universität empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, alle lehrerbildenden<br />
Fachbereiche in die Fort- und Weiterbildung einzubeziehen. Bewährte<br />
Maßnahmen sind Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im<br />
15<br />
Ausgenommen, dass einige Bundesländer Stundenkontingente für verpflichtende<br />
Fortbildung festschreiben. Diese Regelung ist kein System<br />
von Anreizen, sondern von Bestrafung bei Nichterfüllung.
Ziele und Qualifikationen 45<br />
Rahmen von Fachtagungen oder spezifisch für diese Gruppe angebotene<br />
Tagungen. Empfohlen wird auch die Entwicklung von Ausbildungsgängen<br />
insbesondere in den drei prioritären Themen der<br />
Lehrerbildung. Die Universität sollte ihr Mandat in der Fort- und<br />
Weiterbildung von Lehrkräften generell mit Entwicklungsarbeit<br />
verbinden. Nachdiplomstudiengänge oder postgraduale Studien<br />
wären gezielt für Belange der Lehrerbildung zu profilieren.
46 Ziele und Qualifikationen<br />
4. Kerncurricula<br />
Die Idee der Kerncurricula ist eine Reaktion auf die Kritik der Beliebigkeit<br />
der inhaltlichen Angebote in weiten Teilen der Lehrerausbildung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> teilt diese Kritik: Dort, wo kein Korrektiv<br />
durch Praxis oder durch Standards vorhanden ist, lassen sich<br />
alle möglichen Themen erzeugen, die im Umkreis der extrem weiten<br />
und vage verwendeten Konzepte von „Erziehung“ und „Bildung“<br />
ausbildungstauglich erscheinen. Schweizerische Studien<br />
zeigen 16 , dass es wohl einen thematischen Kern der Ausbildung<br />
gibt, vornehmlich dort, wo das Handwerk des Unterrichtens dargestellt<br />
und bearbeitet wird, dass aber gerade die berufsnahen Reflexionsfächer<br />
wie Schulpädagogik oder Pädagogische Psychologie<br />
eine hohe thematische Beliebigkeit aufweisen. Auch in den Fachwissenschaften<br />
werden dort, wo keine lehrerbildungsspezifischen<br />
Curricula angeboten werden, eher zufällige Ausschnitte von Fächern<br />
studiert. Die Angebote reagieren auf die Fachdiskussionen<br />
und damit verbunden auf die Fachstandards, die zumindest in den<br />
Geisteswissenschaften einen weiten Interpretationsspielraum eröffnen.<br />
Unter diesen Voraussetzungen haben Kerncurricula in der<br />
Lehrerbildung mindestens fünf Funktionen, die in den einzelnen<br />
Ausbildungsteilen unterschiedlich realisiert werden. Kerncurricula<br />
• schränken die Beliebigkeit der Themenerzeugung ein,<br />
• spezifizieren das Angebot und die Anforderungen auf die<br />
Zwecke der Lehrerbildung,<br />
• formulieren Verbindlichkeiten für Lehrende und Lernende,<br />
• erlauben Anschlüsse und Abstimmungen und<br />
• sind Steuerungsinstrumente für die Entwicklung der Ausbildung.<br />
16<br />
JURT et.al. 1994; siehe auch CRIBLEZ/HOFER 1996.
Ziele und Qualifikationen 47<br />
Die <strong>Kommission</strong> erkennt in den Kerncurricula ein zentrales Medium<br />
der Reform. Ohne Kerncurricula wären Übergänge zwischen<br />
den Ausbildungsphasen inhaltlich nicht zu bestimmen, könnte das<br />
Prüfungswesen nicht reformiert werden, wäre die Erstellung persönlicher<br />
Portfolios der Studierenden und deren Einbeziehung in<br />
die Prüfungen nicht möglich und ließen sich Abstimmungen von<br />
Aufwand und Belastung zwischen den einzelnen Studienelementen<br />
nicht erreichen.<br />
4.1. Universitäre Ausbildungsgänge<br />
Das Hauptziel einer Einführung von Kerncurricula in der ersten<br />
Phase der Lehrerausbildung besteht darin, mehr Orientierung, eine<br />
klarere Strukturierung und Verbindlichkeiten zu erreichen, die auf<br />
den Zweck des Studiums bezogen sind. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />
die Entwicklung von Kerncurricula für alle an der universitären<br />
Ausbildung beteiligten Studiengänge. Der Fach Bereich 06 Erziehungswissenschaft<br />
hat die Entwicklung und nachfolgend Einführung<br />
eines Kerncurriculums für die Lehrerbildung beschlossen. Die<br />
<strong>Kommission</strong> hat sich auf die hier gegebenen Begründungen und<br />
ersten Erfahrungen beziehen können. Die Anhörung von Vertretern<br />
der Fachwissenschaft hat neben einer allgemeinen Begrüßung des<br />
Konzepts von Kerncurricula 17 keine konkreten Resultate erbracht.<br />
Die <strong>Kommission</strong> geht aber davon aus, dass Kerncurricula in verschiedenen<br />
Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich entwickelt<br />
werden müssen. Dafür muss ein ausdrücklicher Entwicklungsauftrag<br />
erteilt werden.<br />
Der Auftrag betrifft die Studienstruktur in<br />
Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik,<br />
den einzelnen Unterrichtsfächern 18 ,<br />
17<br />
Anhörung Professor MÜLLER am 10. Juli 2000 (Anlage 3). Die Anhörung<br />
des Vertreters der Naturwissenschaften am 19. Mai 2000 erbrachte im<br />
Blick auf Kerncurricula kein Resultat.<br />
18<br />
In den Fächern, die ein Kerncurriculum für Hauptfachstudierende in den<br />
Diplom- bzw. Magisterstudiengängen bereits anbieten, sollte, darauf auf-
48 Ziele und Qualifikationen<br />
<br />
<br />
<br />
Grundschulpädagogik einschließlich der Didaktik des sprachlichen<br />
und mathematischen Anfangsunterrichts sowie der Lernbereiche,<br />
Berufs- und Wirtschaftspädagogik und die beruflichen Fachrichtungen,<br />
Sonderpädagogik und die sonderpädagogischen Fachrichtungen.<br />
Im Zentrum dieses Auftrages stehen folgende Überlegungen: Das<br />
Curriculum Lehrerbildung muss einen verbindlichen Kern an wissenschaftlichen<br />
Fragestellungen und Grundkenntnissen ausweisen,<br />
der es Studierenden und Lehrenden erlaubt, zwischen dem für die<br />
Vorbereitung auf die künftigen Tätigkeiten von Lehrkräften unentbehrlichen<br />
Wissen und speziellerem Wissen zu unterscheiden, das<br />
Gegenstand von individuell vorzunehmenden Schwerpunktsetzungen<br />
oder Vertiefungen sein kann. Die Funktion eines solchen<br />
Kernwissens besteht darin, eine verlässliche Grundlage an Kenntnissen<br />
zu schaffen, die als gemeinsame Basis sowohl für die individuellen<br />
Schwerpunktsetzungen im übrigen Studium als auch für<br />
die an das universitäre Studium anschließenden Phasen der<br />
Lehrerbildung dienen kann. Vertiefungen bestimmter Fragestellungen,<br />
auch im Blick auf Prüfungsanforderungen, sollten sich auf das<br />
Kerncurriculum beziehen. Anders wäre es nicht möglich, die Studienorganisation<br />
auf das ECTS-System 19 umzustellen (siehe Abschnitt<br />
9).<br />
Inhaltlich sollten Kerncurricula nicht lediglich in der Auflistung<br />
von Wissensgebieten oder Teildisziplinen bestehen, sondern möglichst<br />
konkret Fragestellungen und Problemfelder einzelner Forschungsrichtungen<br />
oder Disziplinen benennen, soweit diese zu den<br />
fachlichen und erziehungswissenschaftlich-didaktischen Anfordebauend,<br />
ein spezielles Kerncurriculum für Lehramtsstudierende entwickelt<br />
werden. Dieses Curriculum sollte in sich differenziert sein und nach verschiedenen<br />
Lehramtsstudiengängen unterscheiden können. Das Lehramt<br />
Oberstufe allgemeinbildende Schulen ist mit einem Volumen von 60 SWS,<br />
die übrigen Lehrämter der allgemeinbildenden Schulen mit einem Volumen<br />
von 40 SWS pro Unterrichtsfach zu berücksichtigen.<br />
19<br />
European Credit Transfer System (ECTS)
Ziele und Qualifikationen 49<br />
rungen der Lehrerbildung passen. Kerncurricula machen nur dann<br />
Sinn, wenn sie über einen gewissen Zeitraum stabil angeboten<br />
werden. Sie geben verlässliche Verallgemeinerungen von Fächern<br />
wieder, mit denen das Berufswissen von angehenden Lehrkräften<br />
aufgebaut wird. Das schließt die Berücksichtigung der prioritären<br />
Themen als „Querschnittsaufgaben“ mit ein (siehe Abschnitt 8).<br />
Die Gestaltung der Ausbildung in der ersten Phase gemäß dem<br />
Leitbild eines forschenden Habitus zur pädagogischen Berufstätigkeit<br />
impliziert, dass sich die Entwicklung von Kerncurricula nicht<br />
auf die Festlegung von Wissensinhalten beschränkt, sondern auch<br />
die Formen der Wissenserzeugung sowie die Formen der Wissensvermittlung<br />
einbezieht. Das ist angesichts des Spezifizierungsgrades<br />
wissenschaftlicher Erkenntnis immer nur exemplarisch möglich.<br />
Bei der Entwicklung von Kerncurricula müssen Entscheidungen<br />
getroffen werden,<br />
ob die Curricula das Grund- oder das Hauptstudium oder beide<br />
bestimmen sollen 20 ,<br />
wie Anschlüsse an die nachfolgenden Ausbildungsphasen definiert<br />
werden,<br />
wie hoch der Anteil verbindlicher Studienelemente sein soll,<br />
wie sich größere Qualifikationsarbeiten damit verbinden lassen<br />
und<br />
in welchem Verhältnis die Studienleistungen zu den Prüfungen<br />
stehen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass Kerncurricula verbindliche<br />
Standards festschreiben, die mit der Entwicklung eines individuelles<br />
Profils der künftigen Lehrkräfte verträglich sein sollten. Die<br />
damit verbundene Paradoxie, Studium zugleich als forschendes<br />
Lernen und als verpflichtende Inhaltlichkeit begreifen zu müssen,<br />
lässt sich nie ganz auflösen. Aber den Studierenden sollte so weit<br />
wie möglich Gelegenheit gegeben werden, die als verbindlich vorgeschriebenen<br />
Inhalte und Themen selbständig zu erarbeiten und in<br />
20<br />
Das Kerncurriculum Erziehungswissenschaft bezieht sich zunächst ausschließlich<br />
auf Lehrveranstaltungen im Grundstudium (Anhang 4).
50 Ziele und Qualifikationen<br />
Beziehung zu eigenen Fragestellungen zu setzen. Als Mittel dazu<br />
können, wenn möglich, Fallstudien und Fallanalysen dienen. Sie<br />
erlauben die Durcharbeitung von Theoriewissen im Blick auf konkrete<br />
Situationen unter Einbezug eigener Fragestellungen. Damit<br />
wird zugleich verhindert, den Primat der Ausbildung auf das Dual<br />
Theorie oder Praxis festzulegen. Kerncurricula schließlich müssen<br />
hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert und fortlaufend der Entwicklung<br />
des wissenschaftlichen Wissens angepasst werden.<br />
4.2. Studienseminar<br />
Die Festlegung und der didaktische Einsatz von Kerncurricula garantieren<br />
nicht schon die Anschlussfähigkeit der nachfolgenden<br />
Studien. „Anschlussfähigkeit“ kann Verschiedenes bedeuten,<br />
Fortsetzung von Themen aus der ersten Phase,<br />
Anknüpfung an eine gemeinsame Wissensbasis,<br />
Nutzung der spezifischen Qualifikationen von Studierenden für<br />
Projekte,<br />
Weiterverwendung von Reflexionsformen oder methodischen<br />
Kompetenzen,<br />
Anbindung neuer Erfahrungen an bekannte Theorien.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass gesicherte Aussagen in diesem<br />
Bereich nicht möglich sind, weil ausreichende Erfahrungen<br />
nicht vorliegen. Es wird aber nicht ein Modell „Anschlussfähigkeit“<br />
geben, sondern verschiedene Varianten, die sich nach<br />
und nach auf die gegebenen Bedingungen der Fächer und Disziplinen<br />
einstellen werden. Übergänge und Anschlüsse verknüpfen zudem<br />
nicht einfach zwei Kerncurricula, vielmehr entstehen je nach<br />
Stand der Kooperation und Abstimmung unterschiedliche Passungsverhältnisse.<br />
Ausbildungsharmonisierung sollte aber mindestens<br />
angestrebt werden zwischen<br />
Fachwissenschaft/Fachdidaktik in der ersten und den Angeboten<br />
der Fachseminare in der zweiten Phase 21 ,<br />
21<br />
Ein erstes Beispiel ist der Ausschuss zur LehrerInnenausbildung in Mathematik<br />
und Mathematikdidaktik mit Vertretern verschiedener Phasen
Ziele und Qualifikationen 51<br />
<br />
<br />
<br />
dem Kerncurriculum Erziehungswissenschaft und den Ausbildungsangeboten<br />
der Hauptseminare,<br />
den weiteren Seminar- oder Vorlesungsthemen sowie den<br />
Qualifikationsarbeiten der ersten und der zweiten Phase.<br />
Der heutige Zustand, dass die Ausbildung im Studienseminar keine<br />
dezidierte Kenntnis hat und haben muss von den vorgängigen Studienleistungen<br />
der Referendare, ist zu beseitigen zu Gunsten einer<br />
Lernorganisation, die Leistungen im einem persönlichen Portfolio<br />
nachweist. Auf dieses Portfolio kann sich die Gestaltung der Ausbildung<br />
im Studienseminar beziehen, auch lassen sich damit Klagen<br />
über Mängel konkret und themenspezifisch kommunizieren.<br />
Generell sollte dem Studienseminar daran gelegen sein, möglichst<br />
gut an die erste Phase anzuschließen, also die mitgebrachten<br />
Kenntnisse und Qualifikationen der Referendare für die Gestaltung<br />
des eigenen Kerncurriculums optimal zu nutzen.<br />
Auf Grund der Aufgabenstellung ist das Kerncurriculum des<br />
Studienseminars eng auf konkrete und grundlegende Qualifizierungen<br />
bezogen. Grundlage ist dabei die systematische Reflexion<br />
der Tätigkeiten und Aufgaben des Lehrers und der Lehrerin sowie<br />
deren fortlaufende Dokumentierung, die an das Portfolio der ersten<br />
Phase anschließt. Die sechs Grundelemente des Curriculums (siehe<br />
3.2.) werden in verschiedene Lernziele übersetzt, die sich als<br />
Kompetenzen entwickeln lassen. Demnach sollen die Referendarinnen<br />
und Referendare lernen<br />
1. für die Unterrichtsqualifikationen<br />
<br />
<br />
<br />
zwei Fächer bzw. Lernbereiche sowohl fachbezogen als<br />
auch fächerverbindend zu unterrichten,<br />
selbständig und in Kooperation mit Anderen zu lehren,<br />
dabei besonders die Voraussetzungen von Lerngruppen zu<br />
beachten.<br />
(Papier vom 27. März 2000; brieflich der <strong>Kommission</strong> mitgeteilt am 20.<br />
April 2000).
52 Ziele und Qualifikationen<br />
2. für die Erziehungsqualifikation<br />
<br />
<br />
<br />
in alltäglichen Unterrichtssituationen Erziehungsaufgaben<br />
zu bewältigen,<br />
außerschulische Lernorte pädagogisch zu nutzen,<br />
klassen- und stufenspezifische Kommunikationsnetze aufzubauen<br />
und sie für die Sozialerziehung sowie die Persönlichkeitsbildung<br />
einzusetzen.<br />
3. für die Selbstbewertung<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Lehrer- und Schüleraktivitäten zu beobachten und bewerten,<br />
Arbeitsschwerpunkte festzulegen und zu realisieren,<br />
Schülerprodukte im Verhältnis zum eigenen Lehrangebot zu<br />
analysieren,<br />
Schüler- und Lehrerevaluationen vorzunehmen,<br />
von Rückmeldungen zu lernen.<br />
4. für die Berufseinstellung<br />
<br />
<br />
<br />
den eigenen Lehrstil zu finden,<br />
die Berufstätigkeit als fortlaufende Qualifizierung zu verstehen,<br />
das forschende Lernen als Prinzip der professionellen Reflexion<br />
anzuwenden.<br />
5. für die Schulentwicklung<br />
<br />
<br />
<br />
den schulischen Einsatz neuer Medien kennen zu lernen und<br />
selbstverständlich zu nutzen,<br />
an Gremienarbeit innerhalb der Schule sich zu beteiligen,<br />
und an der Gestaltung von Schulkultur (vgl. Keuffer u. a.<br />
1998) aktiv mitzuwirken,<br />
Projekte zu übernehmen.<br />
6. für die Öffentlichkeitsarbeit<br />
<br />
<br />
<br />
ein Verständnis des Lehramtes auszubilden,<br />
die persönliche Präsentation zu entwickeln,<br />
bildungspolitische Diskurse zu kennen und dazu Stellung zu<br />
beziehen.
Ziele und Qualifikationen 53<br />
Dieses Kerncurriculum konzentriert sich auf grundlegende Qualifikationen.<br />
Die Organisation des Studienseminars muss darauf eingestellt<br />
werden. Die <strong>Kommission</strong> schlägt dafür folgende Maßnahmen<br />
vor: Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst soll, abweichend<br />
von der bisherigen Regelung, nur in einer Schulform (Schulstufe,<br />
bzw. sonderpädagogischen Fachrichtung) stattfinden 22 . Das Zweifächer-Prinzip<br />
wird im Grundsatz beibehalten, schon aus Gründen<br />
der Abstimmung zwischen den Phasen, kann jedoch in der Seminarorganisation<br />
bedarfsbezogen verändert werden. Die Seminarorganisation<br />
selbst muss den rechtlichen Vorgaben für Unterricht und<br />
Erziehung 23 genügen sowie Grundsätze der Erwachsenendidaktik<br />
beachten. Durch schrittweise Koordination der Seminarinhalte soll<br />
die Effizienz der Seminararbeit erhöht werden. Das Referendariat<br />
selbst wird in zwei Phasen unterteilt. Die Ausbildung beginnt mit<br />
einer deutlich seminarbetonten Phase, an die sich eine stark unterrichts-<br />
und schulbezogene Phase anschließt, die durch Seminararbeit<br />
begleitet wird.<br />
Die Rahmenpläne des Studienseminars müssen auf die Anforderungen<br />
des Kerncurriculums sowie die Verzahnung mit der ersten<br />
Phase eingestellt werden. Eine wesentliche Prämisse dabei ist,<br />
dass systematische Reflexion der schulischen Tätigkeit Ausbildungsbestandteil<br />
aller Seminare ist. Auf diese Weise lassen sich<br />
Anschlüsse zur ersten Phase relativ zwanglos und ohne allzu großen<br />
Aufwand herstellen, vorausgesetzt, die vorgeschlagenen Maßnahmen<br />
greifen. Zwischen den Seminaren werden zunächst Seminarinhalte<br />
zur Startkompetenz als evaluierbare Leistungsvereinbarungen<br />
abgestimmt. Ziel <strong>dieser</strong> spezifischen Seminarangebote ist<br />
es, die Handlungsfähigkeit der Referendarinnen und Referendare<br />
am Einsatzort Schule von Anfang an sicherzustellen. Dafür sind<br />
zwischen den Seminaren horizontale und vertikale Kooperationsstrukturen<br />
zu schaffen, die Vereinbarungen ermöglichen. Auch die<br />
22<br />
Das hat neben anderen auch den Vorteil, bei der Einstellung zum Schuldienst<br />
eine bedarfsgerechtere Steuerung zumindest im Blick auf Schulstufen<br />
und Schulfomen zu erreichen.<br />
23<br />
Schulgesetz, Bildungs- und Rahmenpläne.
54 Ziele und Qualifikationen<br />
Seminarausbildung hat, thematisch gesehen, ein Beliebigkeitsproblem,<br />
das sich nur durch stärkere Abstimmung bearbeiten lässt.<br />
Für den zweiten Teil des Vorbereitungsdienstes soll eine Modularisierung<br />
der Ausbildungsseminare entwickelt werden, die in<br />
Pflicht- und Wahlangebote unterschieden wird. Die entsprechenden<br />
Seminare sollen sich auf die Qualifikationsbereiche des Kerncurriculums<br />
beziehen mit der Möglichkeit, in der ersten Phase erworbene<br />
Kompetenzen einzubeziehen und spezifische Abschlüsse 24 im<br />
Rahmen der ECTS-Organisation anzuerkennen. Die jetzige lineare<br />
Organisation der Fachseminare 25 soll unter Einbeziehung von<br />
Wahlseminaren, Kursen und Lehrertrainings so verändert werden,<br />
dass die Referendarinnen und Referendare dem Programm ihrer<br />
Schule entsprechende Angebote erhalten und sich ihren Lernschwerpunkten<br />
gemäß spezialisieren können 26 . Auf diese Weise<br />
kann die Ausbildung im Studienseminar flexibler gestaltet werden,<br />
sich auf Startkompetenz und Kerncurriculum konzentrieren sowie<br />
stärker auf die Bedürfnisse ihrer Ausbildungsschulen eingehen.<br />
24<br />
Wie zertifizierte Seminarteilnahmen.<br />
25<br />
Verpflichtende Teilnahme für zwei Jahre, die gesamte Ausbildungsdauer<br />
pro Fach; ein Jahr pro sonderpädagogischer Fachrichtung.<br />
26<br />
Die Module sollen Angebote zu den „Grundsätzen für die Verwirklichung<br />
des Bildungs- und Erziehungsauftrages“ gemäß <strong>Hamburg</strong>er Schulgesetz,<br />
den Lernbereichen und den Aufgabengebieten durch (fach-) seminarübergreifende<br />
Sequenzen enthalten.
Praxisanteile 55<br />
5. Praxisanteile der<br />
Lehrerausbildung<br />
Die Lehrerbildung hat schon in der ersten Phase einen bestimmten<br />
Anteil an Praktika oder anderen Praxisanteilen. Diese Formen unterscheiden<br />
sich von Seminaren, Vorlesungen oder fachwissenschaftlichen<br />
Übungen durch eine hohe Betonung der Eigenerfahrung<br />
sowie durch spezifische Formen der Reflexion. Die zweite<br />
Phase kennt die Form des Praktikums nicht. Die Differenz erklärt<br />
sich durch die unterschiedliche Aufgabenstellung. Praktika im Studium<br />
sollen die intensive Erfahrung der eigenen Schulzeit durch<br />
Erfahrungen mit anderen Wirklichkeiten von Schule ergänzen; die<br />
Studierenden sollen erste Erfahrungen in der Lehrerrolle machen,<br />
Theoriewissen auf Praxis beziehen und den Habitus forschenden<br />
Lernens entwickeln. Erst in der zweiten Phase erfolgt die schulpraktische<br />
Ausbildung an Schulen. Sie ist verbunden mit einer<br />
ständigen Abordnung an bestimmte Ausbildungsschulen. Die eigene<br />
Unterrichtstätigkeit in den Ausbildungsschulen, begleitet durch<br />
persönliche Mentoren, soll die grundlegenden praktischen Fertigkeiten<br />
des Unterrichtens und im weiteren des Gestaltens von Lernund<br />
Erziehungssituationen vermitteln. In der Ausbildungstheorie<br />
kommt diesen Studienelementen besondere Bedeutung zu. Die<br />
vorliegenden Daten zeigen indessen, dass die erste Phase im Blick<br />
auf Fragen nach der Berufsvorbereitung allgemein eher schlecht<br />
bewertet wird, die zweite Phase dagegen eher positiv 27 .<br />
27<br />
Evaluationen des Bayerischen Philologenverbandes sowie des niedersächsischen<br />
Seminars Leer (FREISEL/SJUTS 2000) im Blick auf angehende<br />
Gymnasiallehrer sowie eine <strong>Hamburg</strong>er Studie für alle Kategorien. Die<br />
schlechte Bewertung besonders der berufsbezogenen Wissenschaftsfächer<br />
deckt sich mit Schweizer Daten.
56 Praxisantteile<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist zunächst auf die spezifischen Probleme<br />
<strong>dieser</strong> Studienerfahrungen:<br />
1) Die universitären Praktika sind nicht untereinander verbunden<br />
und ermöglichen keine kontinuierliche Erfahrung.<br />
2) Die Praktika werden zwar zumeist mit einzelnen Lehrveranstaltungen<br />
verbunden, aber nicht systematisch in das Studium<br />
eingebunden.<br />
3) Die Praktika beeinflussen nicht oder nur zufällig die Entscheide<br />
für die Berufseignung.<br />
4) Die Prüfungen beziehen sich nicht auf Praktika.<br />
5) Universitäre Praktika und schulpraktische Ausbildung in der<br />
zweiten Phase haben keinen Bezug aufeinander.<br />
6) Beide sind nicht oder nicht genügend gebunden an Ausbildungsstandards.<br />
Gemessen an diesen Defiziten ist es überraschend, dass die Praxisanteile<br />
nicht stärker in der Diskussion sind. Fragen der Eignung<br />
für den Lehrberuf lassen sich nur vor dem Hintergrund von konkreten<br />
Erfahrungen abschätzen, die noch keinen Ernstfall darstellen.<br />
Praktika bieten genau diese Erfahrung, werden aber nicht entsprechend<br />
genutzt. Ähnlich werden die Fragestellungen, die sich<br />
mit Praktika verbinden, nicht oder zu wenig in anschließenden<br />
Lehrveranstaltungen thematisiert. Die Erzeugung von Themen wäre<br />
erheblich weniger beliebig, könnte sie auf positive wie negative<br />
Problemerfahrungen der Praktika eingestellt werden. Schließlich<br />
wäre auch das Theorieangebot einsichtiger, wenn es sich an praktischen<br />
Fragestellungen bewähren würde. Das gilt natürlich nicht für<br />
jedes Thema, aber die <strong>Kommission</strong> verweist auf die ungenutzten<br />
Potenziale der Praktika und ihrer Verzahnung mit Studienerfahrungen<br />
sowie Erfahrungen im Referendariat. Insgesamt stellen die<br />
Praxisanteile ein wesentliches Element des Lehrerausbildung dar,<br />
das weiterentwickelt und effektiviert werden muss.
Praxisanteile 57<br />
5.1. Praktika im Studium<br />
Die <strong>Hamburg</strong>er Lehrerausbildung hat in der ersten Phase einige<br />
Besonderheiten, die sich im Vergleich mit anderen Ausbildungen<br />
als ausgesprochen entwicklungsgünstig bezeichnen lassen. Allerdings<br />
konzentriert sich der Vorteil auch hier wiederum auf den<br />
Fachbereiche Erziehungswissenschaft 28 . Der vom Fachbereich organisierte<br />
Ausbildungsanteil für die Lehramtsstudiengänge<br />
beginnt in der Regel mit einer dreistündigen Praxisbezogenen<br />
Einführung,<br />
dann folgen zwei vierwöchige Schulpraktika für das Lehramt<br />
Grund- und Mittelstufe sowie für das Lehramt der allgemeinbildenden<br />
Oberstufe,<br />
ein vierwöchiges Schulpraktikum für das Lehramt der berufsbildenden<br />
Oberstufe,<br />
drei Schulpraktika der sonderpädagogischen Ausbildung,<br />
sowie der Besuch von fachdidaktischen Seminaren mit Praxisbezug.<br />
Im Hauptstudium kann<br />
<br />
<br />
<br />
ein dreistündiges Seminar mit Praxisbezug besucht werden.<br />
Außerschulische Praxisbezüge werden mit dem integrierten Sozialpraktikum<br />
oder wahlweise mit dem Betriebspraktikum hergestellt.<br />
In der Grundschulpädagogik ist zusätzlich zu den Fachdidaktiken<br />
noch das Studium von zwei Lernbereichen gefordert, die<br />
mit Praxisbezug angeboten werden.<br />
Die beiden Schulpraktika für Studierende der Lehrämter für Allgemeinbildende<br />
Schulen werden in integrierter und nichtintegrierter<br />
Form angeboten. Das integrierte Schulpraktikum hat<br />
ein Vorbereitungs- und ein Nachbereitungsseminar zur Voraussetzung.<br />
Dieses Praktikum soll im Grundstudium besucht werden und<br />
ist die Bedingung dafür, für das nicht-integrierte Schulpraktikum<br />
28<br />
Selbstbeschreibung in: Theorie-Praxis-Vermittlung in der Lehrerbildung,<br />
1999.
58 Praxisantteile<br />
zugelassen zu werden, das in der Regel im Hauptstudium besucht<br />
wird. Sozial- und Betriebspraktikum werden ebenfalls in integrierter<br />
Form angeboten. Die Schulpraktika in den berufs- und<br />
sonderpädagogischen Studiengängen finden derzeit in nichtintegrierter<br />
Form statt 29 (Daten nach: Theorie-Praxis-Vermittlung<br />
in der Lehrerbildung, 1999, S. 13ff.).<br />
Dieser Aufwand an „Praxisbezug“ ist in der deutschen Lehrerausbildung<br />
ohne Vergleich (ebd., S. 20), ohne dass die Resultate<br />
befriedigend wären. Im Bericht der phasenübergreifenden Arbeitsgruppe<br />
zum Theorie-Praxis-Verhältnis der Lehrerbildung wird nur<br />
das integrierte Schulpraktikum uneingeschränkt positiv bewertet<br />
(ebd., S. 21) 30 , wobei dem hohen Aufwand Rechnung getragen ist.<br />
Eine Vergleichsuntersuchung, ob andere Ausbildungen mit deutlich<br />
geringeren Praxisanteilen ähnliche Ergebnisse erreichen, liegt<br />
nicht vor. Die Verzahnung der vielfältigen Praxisbezüge und deren<br />
Qualität ist nicht untersucht, ebenso wenig der Stellenwert für das<br />
Studium und die Effekte für die praktische Ausbildung im Studienseminar.<br />
Dennoch kann gesagt werden, dass Aufwand und Ertrag<br />
zumindest problematisch sind. Die <strong>Kommission</strong> legt deutlich eine<br />
Überprüfung des Aufwandes und eine Konzentration der Ressourcen<br />
auf die lohnenden Praxisanteile nahe. Sie hält es nicht für aussichtsreich,<br />
sechs und mehr verschiedene Typen von Lehrveranstaltungen<br />
anzubieten, die auch noch je für sich weiterentwickelt<br />
werden sollen (ebd., S. 20). Der Zeitaufwand muss so gestaltet<br />
29<br />
Der Aufbau eines integrierten Schulpraktikums für das Lehramt Oberstufe<br />
Berufliche Schulen ist vorgesehen (Vortrag Prof. TRAMM vor der <strong>Kommission</strong><br />
am 17. April 2000).<br />
30<br />
Über die aufwendige Praxisbezogene Einführung heißt es, sie nehme eine<br />
„unklare Stellung“ ein „zwischen meisterlehrehafter Einführung und überfordernder<br />
Verfremdung“. Das zweite, nicht-integrierte Schulpraktkum erfährt<br />
die Bewertung, das „unklar“ sei, „ob die Nicht-Integration des Praktikums<br />
im Hauptstudium gut oder schlecht für die Vermittlung von Praxiswissen<br />
sei“. Das Seminar mit Praxisbezug sei „derzeit sehr unterschiedlich<br />
in der Ausgestaltung“ und sei deshalb „als Lehrveranstaltungs-<br />
Typ schlecht bewertbar“. Beim integrierten Sozialpraktikum, schließlich,<br />
gelinge die „Integration in die Theorie-Praxis-Vermittlung in erziehungswissenschaftlicher<br />
Sicht“ nicht (Theorie-Praxis-Vermittlung in der<br />
Lehrerbildung, 1999, S. 21; siehe auch Evaluation 1999).
Praxisanteile 59<br />
werden, dass Praxisbezüge in einem angemessenen Verhältnis zum<br />
wissenschaftlichen Studium stehen. Zu diesem Zweck müssen die<br />
Ziele und Funktionen der Praktika klar definiert sein und deutlich<br />
beschränkt werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> unterscheidet Lehrangebote, die einen Praxisbezug<br />
ohne aktive Beteiligung von Beschäftigten der zweiten und<br />
dritten Phase verwirklichen von Lehrangeboten mit einer solchen<br />
Beteiligung. Sie bezieht die folgenden <strong>Empfehlungen</strong> ausschließlich<br />
auf Lehrangebote, die eine phasenübergreifende Kooperation<br />
einschließen. Auch hier müssen Ziele und Funktionen klar definiert<br />
sein und deutlich beschränkt werden. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt,<br />
eines der beiden zurzeit verpflichtenden Schulpraktika zu<br />
einem Halbjahrespraktikum zu entwickeln, in dessen Verlauf die<br />
Studierenden regelmäßig an einem Tag der Woche Aufgaben an<br />
der Praktikumsschule wahrnehmen. Weiter empfiehlt die <strong>Kommission</strong>,<br />
in allen Lehramtsstudiengängen integrierte Schulpraktika im<br />
Grundstudium einzurichten. Sie sind einerseits auf das Kerncurriculum<br />
Erziehungswissenschaft, andererseits in Abstimmung mit<br />
dem IfL auf ein Programm der Mentorenqualifizierung zu beziehen.<br />
Das integrierte Praktikum soll eine Beratung mit den Studierenden<br />
hinsichtlich ihrer Berufseignung einschließen (siehe<br />
Teil 11).<br />
Der Fachbereich Erziehungswissenschaft verfügt mit seinen<br />
sechs überwiegend forschungs- und lehrbezogenen Arbeitsstellen<br />
über ein bisher nicht hinreichend ausgeschöpftes Potenzial zur<br />
Verbesserung des Theorie-Praxis-Verhältnisses in der Lehre. Um<br />
den Habitus forschendes Lernen zu fördern, empfiehlt die <strong>Kommission</strong>,<br />
die Zielsetzungen im Bereich Handlungsqualifikation und<br />
individuelles Lehrerprofil (gemäß Teil 3.1.) stärker an die Entwicklung<br />
der Praxisanteile zu binden und bestehende Forschungskooperationen<br />
mit Schulen systematisch in der Form von Integrierten<br />
Forschungspraktika in die Lehre einzubeziehen. Forschungspraktika<br />
sollten gemeinsam von Lehrenden der Universität,<br />
des Studienseminars oder des IfL veranstaltet werden. Insbesondere<br />
Forschungspraktika ließen sich zur Generierung anschließender<br />
Studienthemen verwenden und mit Qualifikationsarbeiten verbinden.<br />
Dabei dürfen allerdings nicht nur Erfahrung und Reflexion, es
60 Praxisantteile<br />
müssen auch Standards vermittelt werden, die sich auf Gesamtanforderungen<br />
des Studiums beziehen lassen und die in der einen<br />
oder anderen Form prüfungsrelevant sind. Sonst erzielt man bei<br />
allem Aufwand immer nur zufällige Resultate.<br />
Die Praktika konzentrieren sich nahezu ausschließlich auf den<br />
Fachbereich Erziehungswissenschaft. Das bedeutet, die anderen an<br />
der Ausbildung beteiligten Fächer überlassen den Praxisbezug allein<br />
der Erziehungswissenschaft, den Fachdidaktiken, der Berufspädagogik<br />
sowie der Sonderpädagogik. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt,<br />
diese Zuordnung zu überdenken. Wenn lehrerbildungsspezifische<br />
Kerncurricula in den fachwissenschaftlichen Studiengängen<br />
entwickelt werden sollen, dann sollten sie mit Praxisanteilen verknüpft<br />
sein. Als ein erster Schritt auf diesem Weg sollten Kooperationen<br />
zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Fachdidaktik<br />
und der Fächer in gemeinsamen Forschungsprojekten sowie die<br />
Beteiligung von Vertretern und Vertreterinnen der Fächer an Forschungspraktika<br />
ausgebaut werden. Die Ressourcen müssen entsprechend<br />
eingesetzt werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt - in Übereinstimmung mit dem<br />
Fachbereich Erziehungswissenschaft - nicht die Einführung eines<br />
Praxissemesters. Die vorhandenen Ressourcen für Praxisbezüge<br />
des Studiums sind ausreichend, müssen aber effektiver eingesetzt<br />
werden. Die Einführung eines Praxissemesters für alle Lehramtsstudiengänge<br />
hätte einen vermehrten Organisationsaufwand zur<br />
Folge, würde Mehrkosten bedingen und wäre zugleich im Effekt<br />
unsicher. Überdies würde sich angesichts der Verteilungsprobleme<br />
die Studienzeit verlängern. Statt dessen empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />
das Halbjahrespraktikum.<br />
5.2. Praxis im Studienseminar<br />
Die schulpraktische Ausbildung oder der Ausbildungsunterricht<br />
bildet ein Hauptelement des Referendariats. Dieses Element ist<br />
nicht an vorgängige Studienleistungen angeschlossen. Trotz des<br />
hohen zeitlichen Aufwandes für Praktika fehlt eine Ertragssicherung<br />
für die schulpraktische Ausbildung. Sie schließt mehr oder
Praxisanteile 61<br />
weniger zufällig an die praktischen Erfahrungen des Studiums an.<br />
Es gibt keinen beiderseitigen Nutzen, weil weder gemeinsame<br />
Ziele verfolgt noch gemeinsame Standards zu Grunde gelegt sind.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass die Zielsetzungen des<br />
Fachbereichs Erziehungswissenschaft in den Sektoren Handlungsqualifikationen,<br />
individuelles Lehrerprofil sowie Kerncurricula<br />
sich gut mit dem Kerncurriculum des Studienseminars verbinden<br />
lassen. Die wissenschaftliche Reflexion der Praxis kann mit der<br />
grundlegenden Qualifikation verzahnt werden, ohne Wiederholungen<br />
oder Lücken in Kauf zu nehmen. Die inhaltliche und organisatorische<br />
Gestaltung der Ausbildung im Studienseminar ermöglicht<br />
es den Lehramtsanwärtern, das eigene fachliche Profil weiterzuentwickeln<br />
und auf das Schulprogramm ihrer Ausbildungsschule<br />
zu beziehen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes<br />
auf 18 Monate. Sie empfiehlt eine rechtliche Klärung vorzunehmen<br />
und die Anerkennung der Abschlüsse durch andere<br />
Bundesländer sicherzustellen. Die <strong>Kommission</strong> hält es bei einer<br />
Verkürzung des Vorbereitungsdienstes für unerlässlich, durch entsprechende<br />
Regelungen für Schule und Studienseminar sicher zu<br />
stellen,<br />
dass die Referendarinnen und Referendare angemessene Erfahrungsräume,<br />
Zeit und qualifizierte Anleitung durch Mentoren<br />
und Seminarleiter erhalten,<br />
dass sowohl beim angeleiteten wie auch beim selbständigen<br />
Ausbildungsunterricht das Ausbildungsinteresse Vorrang hat<br />
vor dem schulorganisatorischen Interesse,<br />
dass die Ausbildungsorganisation und das Prüfungswesen praxisnah<br />
gestaltet werden, Beratung und Beurteilung so weit wie<br />
möglich getrennt und die Prüfungsteile von ausbildungshinderlichem<br />
Druck weitgehend entlastet werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> hält eine Verkürzung im Rahmen einer KMK-<br />
Vereinbarung zur Lehrerbildung für umsetzbar, da die vorhandenen<br />
Ressourcen für Praxisbezüge in den derzeitigen Studiengängen an<br />
der Universität den Gesamtzeitraum eines Semesters erreichen. Sie<br />
empfiehlt deshalb die Gestaltung und Betreuung der Praxisanteile
62 Praxisantteile<br />
im Volumen eines Halbjahrespraktikums (vgl. Abschnitt 5.1). Darüber<br />
hinaus wird die Ausbildung der Referendare im Studienseminar<br />
entlastet<br />
durch die Verzahnung der Kerncurricula der ersten und zweiten<br />
Phase,<br />
durch die Konzentration des Kerncurriculums im Vorbereitungsdienst<br />
durch grundlegende Qualifikationen und den Verzicht auf obligatorischen<br />
Schulform/-stufenwechsel sowie<br />
durch die Unterstützung und den Erwerb weiterer Qualifikationen<br />
in der Berufseingangsphase.<br />
Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst wird in ihrer Effektivität<br />
erhöht durch eine praxisnähere Gestaltung.<br />
1) Der Schwerpunkt liegt zu Beginn bei den Ausbildungsseminaren,<br />
im zweiten Teil beim Ausbildungsunterricht.<br />
2) Das Curriculum und die Seminarorganisation sollen bedarfsgerecht<br />
angepasst, horizontale und vertikale Seminarkoordination<br />
verstärkt und die systematische Reflexion der schulischen<br />
Tätigkeit Ausbildungsbestandteil aller Seminare werden.<br />
3) Es werden Anschlüsse zu den Praxisanteilen der 1. Phase hergestellt.<br />
Beispiel für eine Stundentafel im Vorbereitungsdienst<br />
(Blockungen sind möglich):<br />
1. Sem 2. Sem 3. Sem<br />
Ausbildungsunterricht 8 LWS 12 LWS 16 LWS<br />
(Schule)<br />
Ausbildungsseminare 16 LWS 12 LWS 8 LWS<br />
(Studienseminar)<br />
Σ 24 LWS 24 LWS 24 LWS<br />
Die <strong>Kommission</strong> begrüßt die frühe Konfrontation der Referendarinnen<br />
und Referendare mit eigenverantwortlicher Praxis. Sie misst<br />
dem selbständigen Unterricht von Referendarinnen und Referenda-
Praxisanteile 63<br />
ren große Bedeutung zu. „Selbständig“ meint in diesem Zusammenhang<br />
die eigenverantwortliche und über einen bestimmten<br />
Zeitraum kontinuierliche Erteilung von lehrplanbezogenem Unterricht.<br />
Es ist ein Handeln unter Ernstfallbedingungen, das für die<br />
Ausbildung genutzt werden kann und muss. Diese Eigenständigkeit<br />
kommt dem Bedürfnis der Referendare und Referendarinnen<br />
entgegen, die ihre Erfahrung mit selbständigem Unterricht in die<br />
Ausbildung einbringen können. Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf,<br />
dass die Bezeichnung „bedarfsdeckender Unterricht“ damit nicht<br />
gleichgesetzt werden kann. „Bedarfsdeckung“ ist aus Sicht der<br />
Ausbildung nicht das Ziel der Ausbildung, sondern eine Verrechungsgröße,<br />
die eine schulorganisatorische Folge des unterrichtlichen<br />
Einsatzes der Referendare darstellt.<br />
Vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Kürzung des Referendariats<br />
empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, den Umfang des selbständigen<br />
Unterrichts neu zu bedenken und seine Einbettung in das<br />
Lernprogramm des Studienseminars auf der einen, die Unterrichtsplanung<br />
der Schulen auf der anderen Seite auf das Ausbildungsziel<br />
auszurichten. Angesichts der Ansprüche an den Einsatz der Referendarinnen<br />
und Referendare sowie des sich abzeichnenden Lehrermangels<br />
regt die <strong>Kommission</strong> ferner eine Initiative auf Bundesebene<br />
an, die Anwärterbezüge in einer Weise anzuheben, die der<br />
Lebenssituation künftiger Lehrerinnen und Lehrer gerecht wird.<br />
Ohne diesen Anreiz werden sich die hohen Erwartungen an selbständigen<br />
Unterricht nicht erfüllen lassen. Im Übrigen übernehmen<br />
die Referendare an <strong>dieser</strong> Stelle Aufgaben der amtierenden Lehrkräfte<br />
und sollten dafür angemessen und im Umfang ihrer Tätigkeit<br />
entsprechend bezahlt werden.
64 Neugestaltung<br />
6. Neugestaltung von<br />
Berufseingangsphase und<br />
Personalentwicklung<br />
Unter der Voraussetzung von berufsbiografischen Forschungen<br />
sowie der Perspektive berufslanger Qualifikationsprozesse kommen<br />
der Berufseingangsphase sowie der fortlaufenden Personalentwicklung<br />
besondere Bedeutung zu. Die <strong>Kommission</strong> wiederholt<br />
nochmals ihre Empfehlung, diesen beiden Phasen verstärkte Aufmerksamkeit<br />
zukommen zu lassen und erhöhtes Gewicht zu verleihen.<br />
Das ist nur möglich, wenn besondere Maßnahmen ergriffen<br />
werden. Die <strong>Kommission</strong> verweist auf folgende Notwendigkeiten:<br />
1) die wirksame Ausgestaltung der Berufseingangsphase,<br />
2) die Festsetzung eines Obligatoriums für die Fort- und Weiterbildung<br />
31 ,<br />
3) die enge Verzahnung von Schul- und Personalentwicklung,<br />
4) die Einrichtung von weiteren Agenturen im Rahmen der Entwicklung<br />
des Instituts für Lehrerfortbildung,<br />
5) die Konzentration der Maßnahmen auf den Bedarf der Einzelschule<br />
und<br />
6) die wirksame Überprüfung der Effekte im Sinne fortlaufender<br />
Evaluationsprozesse.<br />
Die Stärkung von unmittelbar berufs- und schulbezogenen Qualifikationen<br />
verlangt einen erhöhten Mittelaufwand, der nur zum Teil<br />
durch Ressourcenverlagerung gedeckt werden kann. Die <strong>Kommission</strong><br />
verweist ausdrücklich darauf, dass die Stärkung der fortlau-<br />
31<br />
Ausgenommen sind Maßnahmen der Weiterbildung, die für zusätzliche<br />
Fächer oder Schulstufen qualifizieren. Sie unterliegen dem bildungspolitischen<br />
Bedarf.
Neugestaltung 65<br />
fenden Qualifizierung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Andernfalls<br />
entstehen halbherzige Versuche, die ihren Zweck nicht erfüllen<br />
werden. Die Ausgestaltung der Berufseingangsphase sowie die<br />
fortlaufende Personalentwicklung ist ein Kernstück der Reform,<br />
die sich einzig mit Konzentration auf die ersten beiden Phasen der<br />
Lehrerausbildung nicht durchführen lässt.<br />
6.1. Berufseingangsphase<br />
Der Abschlussbericht „Perspektiven der Lehrerbildung in<br />
Deutschland“ der KMK-<strong>Kommission</strong> bezeichnet die Berufseingangsphase<br />
von Lehrerinnen und Lehrern als „die entscheidende<br />
Phase in der beruflichen Sozialisation und Kompetenzentwicklung<br />
von Lehrkräften“ (TERHART 2000, S. 128). Die <strong>Kommission</strong> teilt<br />
diese Auffassung im Blick auf die Herausbildung von „beruflicher<br />
Expertise“ (ebd., S. 127), ohne damit eine Abwertung der ersten<br />
beiden Phasen der Lehrerausbildung zu verbinden. Die Besonderheit<br />
der Berufseingangsphase (siehe 3.3.) ergibt sich aus der ungeteilten<br />
Berufsbelastung, den damit verbundenen besonderen Anstrengungen<br />
sowie dem Nutzen der innovativen Potenziale von Berufsanfängerinnen<br />
und –anfängern durch die anstellende Schule.<br />
Die ersten drei bis fünf Jahre der Berufstätigkeit von Lehrerinnen<br />
und Lehrern nach Abschluss des Referendariats werden dadurch<br />
besonders klassifiziert und als eigenständiges Anliegen der<br />
Lehrerbildung herausgehoben. Ein gelingender Berufseinstieg erfordere<br />
„ein höheres Maß schulnaher, kompetenzbezogener und<br />
kollegial-kooperativer Begleitung“ (ebd., S. 128), die der KMK-<br />
Abschlussbericht wie folgt skizziert. Notwendig seien<br />
selbstorganisierte Arbeits- und Gesprächskreise für Berufsan-<br />
<br />
fänger,<br />
spezifische Fortbildungsverpflichtungen für Berufsneulinge<br />
und<br />
Instrumente innerschulischer Personalentwicklung (ebd.,<br />
S. 129/130).
66 Neugestaltung<br />
Die <strong>Kommission</strong> hat in den Zielsetzungen für die Berufseingangsphase<br />
darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine verlängerte<br />
Ausbildungs- oder gar eine dritte Prüfungsphase handeln kann. Die<br />
Berufseingangsphase ist Teil der eigenverantwortlichen Praxis und<br />
unterliegt besonderen Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung.<br />
Die Zielsetzungen betonen in diesem Zusammenhang die besondere<br />
Verantwortung der Schulleitungen. Die Berufseingangsphase<br />
muss so gestaltet werden, dass die Innovationskraft der jungen<br />
Lehrerinnen und Lehrer gefördert und genutzt wird. Berufsanfänger<br />
haben neben besonderen Problemen auch besondere Kompetenzen,<br />
die von den Schulen in geeigneter Weise wahrgenommen<br />
werden müssen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt für die Begleitung und Auswertung der<br />
ersten Berufsjahre besondere Maßnahmen:<br />
Das Institut für Lehrerfortbildung wird beauftragt, ein auf die<br />
besonderen Bedürfnisse von Berufsanfängern zugeschnittenes<br />
Lernangebot („Traineeangebot“) zu entwickeln, bereit zu stellen<br />
und langfristig zu garantieren sowie das Verhältnis von Kosten<br />
und Nutzen zu evaluieren.<br />
Diese institutionell abgesicherte Traineeagentur ist als eigenes<br />
Projekt und fortlaufendes Angebot im Rahmen des IfL institutionell<br />
abgesichert. Die Agentur erhält mit einem besonderen<br />
Leistungsauftrag eigene Befugnisse.<br />
Auftrag und Befugnisse ermöglichen es der Agentur, mit Anbietern<br />
aus Universität, Studienseminar, IfL sowie Schulleitungen<br />
und Amt für Schule Leistungsvereinbarungen im Sinne eines<br />
passgenauen Angebots abzuschließen.<br />
Für Berufsanfänger werden Zeitressourcen zu Verfügung gestellt,<br />
die es ihnen erlauben, notwendige Routinen des Unterrichtens<br />
mit innovativen Vorhaben am Schulort zu verbinden,<br />
erfolgreiche Projekte, Methoden und Verfahren weiterzugeben<br />
(„lehrendes Lernen“), eigene berufsbiografisch bedeutsame<br />
Kompetenzen zu stützen, zu stärken und für den Schulort sinnvolle<br />
Zusatzqualifikationen zu erwerben. Der Zeitkorridor<br />
sollte sich an den Kategorien und der Systematik des Lehrerarbeitszeit-Modells<br />
(UFAS) orientieren.
Neugestaltung 67<br />
Die Traineeagentur begleitet und unterstützt die Berufstätigkeit<br />
von Lehrerinnen und Lehrern während der Berufseingangsphase in<br />
den folgenden fünf Sektoren:<br />
1) Stützsysteme für Berufsanfänger<br />
2) Fortbildung für Berufsanfänger<br />
3) Personalentwicklung der Berufsanfänger<br />
4) Lehrendes Lernen in Prozessen der Schulentwicklung für Berufsanfänger<br />
5) Lehrendes Lernen durch Partizipation von Berufsanfängern in<br />
der Lehrerausbildung<br />
Stützsysteme für Berufsanfänger<br />
Die Einarbeitung an einem neuen Schulort mit Tätigkeiten, die<br />
weit über den Umfang der Arbeiten im Referendariat hinausreichen,<br />
ohne dass bereits auf – auch – entlastende Routinen zurückgegriffen<br />
werden könnte, können Berufsanfänger erheblich belasten<br />
und Motivation verringern. Die zu entwickelnden Stützsysteme<br />
stellen einen Beitrag dazu dar, den Übergang von der Ausbildung<br />
in den Beruf abzufedern und - wann immer möglich - durch<br />
Kooperation mit anderen Berufsanfängerinnen und -anfängern<br />
Handlungsstrategien aufzubauen, die der Entlastung dienen und<br />
gleichzeitig motivationsstärkend wirken. Die Angebote der Traineeagentur<br />
sollten zusammen mit den Berufsanfängern entwickelt<br />
und mit Moderationsunterstützung strukturell und inhaltlich weitgehend<br />
von den Berufsneulingen selbst gestaltet werden.<br />
Kosten entstehen durch die Agenturplanung und die Bereitstellung<br />
von Moderatoren und im Bedarfsfalle auch von anderen<br />
Lehrkräften.<br />
Fortbildung für Berufsanfänger<br />
Der Berufseinstieg ist für die Bereitschaft zu „lebenslangem Lernen“<br />
von zentraler Bedeutung. Die Berufsanfänger müssen Fortbildung<br />
von Beginn an als Chance für die praktische Bewältigung<br />
des Berufsalltags und als Anregung zur Erweiterung ihrer eigenen<br />
Lehr- und Lernkompetenzen erfahren. Es ist also nicht paradox,<br />
sondern notwendig, nach Beendigung der Lehrerausbildung und
68 Neugestaltung<br />
parallel zur Ernstfallerfahrung Maßnahmen der Fortbildung in Anspruch<br />
zu nehmen. Während die Stützsysteme überwiegend frei<br />
gewählt werden können – nicht jeder Anfänger benötigt sie in größerem<br />
Umfang –, gehört die Fortbildung zu den obligatorischen<br />
Aufgaben. Werden sowohl Teilnahme wie besondere Leistungen in<br />
der Fortbildung zertifiziert, so kann der Berufsanfänger bei seinem<br />
ersten Schulwechsel (siehe 7.5) einen qualifizierten Nachweis seiner<br />
beruflichen Entwicklung der ersten Berufsjahre vorlegen, die<br />
den Ausbau seiner Berufskompetenzen widerspiegeln und einen<br />
passgenauen (sog. „schulscharfen“) Schulwechsel möglich machen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die Anlage eines besonderen<br />
Portfolio in Fortsetzung der Nachweise der Lehrerausbildung.<br />
Kosten entstehen durch dieses Angebot nur durch den erweiterten<br />
Rahmen der bisherigen Lehrerfortbildung, die ihr Angebot –<br />
über die Traineeagentur – für Berufsanfänger spezifizieren muss.<br />
Weiterbildungsmaßnahmen werden im Rahmen bisheriger Ausbildungsfinanzierungen<br />
der BSJB möglich.<br />
Personalentwicklung für Berufsanfänger<br />
Die Ersteinstellung des Berufsanfängers gehört zu den wichtigsten<br />
Etappen der Berufsbiografie. Sie muss regelmäßig zu einem fest<br />
terminierten Zeitpunkt im Schuljahresablauf erfolgen, um sowohl<br />
den Berufsanfängern wie den aufnehmenden Schulen Planungssicherheit<br />
zu geben. Mindestens sechs Wochen vor Schuljahresende<br />
müssen Bewerbungs- und Auswahlverfahren abgeschlossen sein,<br />
sodass der Berufsneuling und die Schulleitung der aufnehmenden<br />
Schule Aufgabenverteilung und Einsatzplanung nach den Interessen<br />
und Fähigkeiten des Anfängers und den Bedarfslagen der<br />
Schule miteinander besprechen und austarieren können. Bei der<br />
Einstellung in den Schuldienst ist darauf zu achten, dass nach<br />
Möglichkeit wenigstens zwei Berufsanfänger am gleichen<br />
Schulstandort mit ihrer Berufstätigkeit beginnen können. Ein solches<br />
Tandem erleichtert Teambildung unter Anfängern und schärft<br />
den Blick für die Besonderheiten des Unterrichtens und Erziehens<br />
vor Ort.
Neugestaltung 69<br />
Schulleitung, Abteilungsleiter/innen und Koordinator/innen begleiten<br />
durch Gespräche, Hilfen bei der Integration in kollegiale<br />
Teams und durch Hospitationen den Berufseinstieg in der jeweiligen<br />
Schule. Nach dem ersten Berufshalbjahr gehört die Beratung<br />
des Berufsanfängers für Tätigkeiten, die seine Kompetenzen in und<br />
für die Schule über die Unterrichtstätigkeit hinaus nutzen und erweitern,<br />
zu den Aufgaben der Schulleitung. Regelmäßige Beurteilungsberichte<br />
sind obligatorisch und müssen nach einem vergleichbaren<br />
Standard verfasst werden, der Aussagen über Einsatz,<br />
Fähigkeiten, Schwerpunkte und berufliche Entwicklungen zulässt.<br />
Für die Ausgestaltung und einheitliche Verwendung <strong>dieser</strong> Standards<br />
ist ein Entwicklungsauftrag zu vergeben.<br />
Besondere Bedeutung erhält in diesem Zusammenhang der Beurteilungsbericht<br />
am Ende der Berufseingangphase, da er mit als<br />
Grundlage für die Planung des Schulwechsels verwendet werden<br />
sollte. Die Beurteilungsberichte müssen mit dem Berufsanfänger<br />
besprochen werden, da sie ihm aus der Sicht der Schulleitung seine<br />
berufliche Entwicklung in Stärken und Schwächen widerspiegeln.<br />
Ob diese Beurteilungsberichte auf Wunsch der jeweiligen Lehrkräfte<br />
in das eigene Portfolio aufgenommen werden, bedarf einer<br />
rechtlichen Abklärung. Falls dies nicht möglich ist, muss über eine<br />
Alternative nachgedacht werden, wie die Leistungen des Berufsanfängers<br />
aus seinem ersten Schulstandort in seinem Portfolio dokumentiert<br />
werden können. Besonders leistungsfähige Berufsanfänger<br />
sollten durch die Schulleitungen ihres ersten Schulstandortes<br />
bereits in ihren ersten Berufsjahren zur Übernahme wichtiger<br />
schulischer Funktionen animiert und für die Ausbildung zu Führungsfunktionen<br />
vorgeschlagen werden.<br />
Lehrendes Lernen 32<br />
Begriff des „Lehrenden Lernens“ wird darauf verwiesen, dass viele<br />
Berufsanfänger erhebliche Innovationsfreude, Organisationstalent<br />
und Fachkompetenzen in die Schulen einbringen, die, wenn sie<br />
nicht gezielt genutzt werden, auch verkümmern können. In Berei-<br />
32<br />
Die beiden Bereiche Schulentwicklung und Partizipation werden zusammen<br />
behandelt.
70 Neugestaltung<br />
chen, die ihre Stärken ausmachen, müssen daher Berufsanfänger<br />
besonders gefordert werden. Mit ihren Fähigkeiten, die sie aus<br />
Universität und Referendariat mitbringen, können sie zum Motor<br />
für innovative Schulprojekte werden, von denen erfahrene Lehrkräfte<br />
ebenso wie andere Berufsanfänger, Referendare oder studentische<br />
Praktikanten profitieren. Die frühzeitige und institutionell<br />
abgesicherte Einbindung von leistungsstärkeren Berufsanfängern<br />
auch über die Schule hinaus in geeignete Aufgaben der Lehrerausbildung<br />
und der Lehrerfortbildung ist Aufgabe der Traineeagentur<br />
in Zusammenarbeit mit den Schulleitungen. Dadurch wird<br />
gleichzeitig eine konkrete und aufgabenbezogene Vernetzung zwischen<br />
den Institutionen der Lehrerbildung erreicht, die Auswirkungen<br />
auf die vierte Phase der Lehrerbiografie hat und den personenbezogenen<br />
Austausch zwischen den Institutionen der Lehrerbildung<br />
stärkt. Zwischen Schulbehörde und Wissenschaftsbehörde ist<br />
ein Modell für die befristete Abordnung von Berufsanfängern an<br />
die Universität noch auszuhandeln.<br />
Für die Tätigkeiten im Bereich des Lehrenden Lernens müssen die<br />
Berufsanfänger – entsprechend dem Zeitaufwand ihrer Tätigkeit –<br />
ein finanzielles oder zeitliches Äquivalent erhalten. Gerade für Berufsanfänger<br />
ist das Zeitäquivalent bedeutsam, sodass in diesem<br />
Bereich ein nicht kostenneutraler Zeitkorridor speziell für sie geschaffen<br />
werden muss. Die Grundlage hierfür liefert das Lehrerarbeitszeitmodell<br />
mit den darin enthaltenen Anrechnungsfaktoren,<br />
die auf die besondere Situation von Berufsanfängern zu beziehen<br />
sind. Beispiele für Angebote in den fünf Traineebereichen für Berufsanfängerinnen<br />
und -anfänger finden sich im Anhang 7.<br />
6.2. Fort- und Weiterbildung<br />
Schulen benötigen zur Verwirklichung ihrer langfristigen Zielvorstellungen<br />
ein strategisches Konzept sowie ausreichende Instrumente<br />
der Personalentwicklung. Notwendig dafür ist eine abgeklärte<br />
und gesicherte Rechtsgrundlage, eine verlässliche Zeit- und<br />
Organisationsschiene sowie hinreichende Ressourcen. Die Personalentwicklung<br />
der einzelnen Schulen ist kein beiläufiges Problem,
Neugestaltung 71<br />
sondern bedarf besonderer Anstrengungen, die zum Teil die Veränderung<br />
der Schulorganisation mit sich bringen. Die Aufgabe ist<br />
neu, versteht man darunter nicht lediglich den mehr oder weniger<br />
unverbindlichen Besuch von Fortbildungskursen oder die individuelle<br />
Inanspruchnahme von Maßnahmen zur Weiterbildung, sondern<br />
den im Zielkatalog der <strong>Kommission</strong> besonders herausgestrichenen<br />
Zusammenhang von Schul- und Personalentwicklung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist zunächst auf die notwendigen Prämissen<br />
ihrer Vorschläge, ohne deren Beachtung eine Umsetzung<br />
nicht möglich sein wird.<br />
1) Die Personalentwicklung orientiert sich am Gutachten der<br />
Lehrerarbeitszeitkommission (Bericht der Lehrerarbeitszeitkommission<br />
1999).<br />
2) Das Mobilitätskonzept für neu eingestellte Lehrerinnen und<br />
Lehrer (Schulwechsel als Regel nach 7-10 Jahren, nach Möglichkeit<br />
auch früher) wird konsequent umgesetzt.<br />
3) Die Neubesetzung von frei werdenden Lehrerstellen erfolgt<br />
nach Ausschreibung durch die Schulen selbst (schulgenaue<br />
Stellenbesetzung bei zeitlich rechtzeitiger Stellenfreigabe).<br />
4) Für die Übernahme von befristeten Funktionen werden besondere<br />
Anreize geschaffen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> schlägt acht verschiedene Maßnahmen und Strategien<br />
zur Personalentwicklung vor. Diese Vorschläge sind zu verstehen<br />
als grundsätzliche Alternative zur Praxis der ungezielten<br />
und nicht verpflichtenden Lehrerfortbildung. Ein Obligatorium<br />
macht einzig unter diesen Voraussetzungen Sinn.<br />
1) Jede Schule wird verpflichtet, ein Rahmenkonzept ihrer Personalentwicklung<br />
zu erstellen. Dieses Konzept enthält unter<br />
Bezug auf das Schulprogramm schulinterne Stellenbeschreibungen<br />
mit Anforderungsprofilen und Aufgabenkatalogen. Die<br />
Umsetzung des Rahmenkonzepts erfolgt im Rahmen des neuen<br />
Arbeitszeitmodells, des Mobilitätskonzepts und der schulgenauen<br />
Stellenbesetzung. Die Verantwortlichkeit liegt bei der<br />
Schulleitung. Konzeptentwicklung und Umsetzung werden<br />
zunächst an Pilotschulen mit wissenschaftlicher Begleitung in
72 Neugestaltung<br />
drei aufeinander folgenden Schuljahren erprobt und evaluiert.<br />
Danach erfolgt eine Generalisierung nach Maßgabe der Ergebnisse.<br />
2) Die Schulen erarbeiten Grundsätze für die Auswahl und Teilnahme<br />
an Fort- und Weiterbildung, die der längerfristigen<br />
Schulentwicklung dienen. Auf der Basis <strong>dieser</strong> Grundsätze<br />
können im Rahmen des neuen Arbeitszeitmodells Ressourcen<br />
für Personalentwicklung eingesetzt werden. Grundsatzentwicklung<br />
und Effektivität der schulgenauen Fort- und Weiterbildung<br />
werden zunächst von Pilotschulen mit wissenschaftlicher<br />
Begleitung erprobt und evaluiert. Die Generalisierung erfolgt<br />
anschließend nach Maßgabe der Ergebnisse.<br />
3) Organisation von Fortbildungsmaßnahmen (z.B. Fachtagungen),<br />
die eigenständige Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen<br />
(z.B. Workshops bei Fachtagungen; SCHILF-Maßnahmen<br />
vor Ort) und die Teilnahme an regionalen und überregionalen<br />
Fortbildungsseminaren sind in Bringepflicht nachzuweisen<br />
(Bringepflicht). Anbieter von Fortbildung haben<br />
darauf zu achten, dass Kompaktseminare und Fachtagungen so<br />
weit wie möglich in die unterrichtsfreie Zeit gelegt werden,<br />
um Unterrichtsausfall an Schulen und extreme Zeitbelastungen<br />
durch Fortbildung zu vermeiden 33 . Für die fachspezifische<br />
methodisch-didaktische Fortbildung werden begleitend Jahresseminare<br />
angeboten, für die eine Anrechnung auf die Jahresarbeitszeit<br />
der teilnehmenden Lehrkraft möglich ist. Schulleitungen<br />
können ihr Lehrpersonal verpflichten, an solchen Veranstaltungen<br />
teilzunehmen. Die Universität <strong>Hamburg</strong> bietet<br />
Zusatzqualifikationen speziell für Lehrer und Lehrerinnen, etwa<br />
im Bereich der drei vorrangigen Themen der Lehrerbildung,<br />
die die <strong>Kommission</strong> vorschlägt 34 . Für diese zertifizierten<br />
33<br />
<strong>Hamburg</strong>er Frühjahrsferien, Maiferien, letzte Woche der Sommerferien,<br />
Herbstferien.<br />
34<br />
Lernen mit neuen Medien, Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität,<br />
Schulentwicklung.
Neugestaltung 73<br />
Angebote werden Lehrkräfte nach einem Auswahlverfahren<br />
von ihrer Schule abgeordnet.<br />
Für jede Lehrkraft wird am Arbeitsplatz Schule ein Personalportfolio<br />
angelegt. Es enthält<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
regelmäßige Beurteilungen zum Leistungsverhalten und<br />
zum Entwicklungspotenzial durch die Schulleitung (Regelbeurteilungen<br />
nach standardisierten Normen im Vier-Jahres-<br />
Rhythmus),<br />
Fortbildungszertifikate, ggf. Weiterbildungsqualifikationen,<br />
Nachweis der Übernahme besonderer (befristeter) Aufgaben<br />
und Funktionen 35<br />
Nachweise von Zusatzqualifikationen.<br />
4) Das Personalportfolio bildet die Basis für regelmäßige Mitarbeitergespräche<br />
zwischen Schulleitung und Lehrkräften, bei<br />
denen Entwicklungsschwerpunkte gemeinsam festgelegt, die<br />
Übernahme von schulspezifischen Aufgaben und (befristeten)<br />
Funktionen vereinbart und längerfristige Laufbahn- und Karriereplanungen<br />
vorbereitet werden. Die Übernahme besonderer<br />
Aufgaben und Funktionen gilt als Qualifizierungsnachweis für<br />
die Bewerbung auf Beförderungsstellen.<br />
5) Die frühzeitige Förderung von Führungsnachwuchs für <strong>Hamburg</strong>er Schulen<br />
gehört zu den wichtigen und vorrangigen Aufgaben der Personalentwicklung.<br />
Für die Anregung, Qualifizierung und Auswahl sind zuständig<br />
Schulleitungen (SL) und Amt für Schule (AfS) in Zusammenarbeit mit dem<br />
IfL (Ausbildung und Weiterbildung von Führungskräften) und Universität.<br />
Die Zusammenarbeit der drei Träger SL, AfS und IfL muss systematisch<br />
vernetzt werden 36 , um geeignete Kandidatinnen und Kandidaten gezielt<br />
motivieren und informieren zu können und um zu verhindern, dass die<br />
Auswahl des Führungsnachwuchses sich in einem „closed shop“ abspielt.<br />
Die gezielte Förderung von Führungsnachwuchs bedingt das Lernen vor Ort<br />
35<br />
Im Sinne von job-enlargement und job-enrichment.<br />
36<br />
Zum Beispiel durch institutionalisierte Treffen, etwa zweimal pro Jahr auf<br />
Dezernatsebene.
74 Neugestaltung<br />
durch Job enrichment und Job enlargement (z.B. durch Tandembildung auf<br />
der Ebene der Abteilungsleiter/ Koordinatoren als Element der Qualifizierung<br />
am Arbeitsplatz) und das spezifische Seminarangebot zur Nachwuchsförderung<br />
(u.a. Klärungsseminare und Qualifizierungsseminare). Die<br />
Teilabordnung zur Qualifizierung sollte darüber hinaus ein weiteres<br />
Steuerungselement zur Entwicklung des Führungsnachwuchses werden. 37<br />
Die Teilabordnungen ermöglichen zusätzlichen Kompetenzerwerb an einem<br />
neuen Arbeitsplatz und vernetzen gleichzeitig Schule, Lehrerbildungsinstitutionen<br />
und Administration miteinander.<br />
6) Damit Leitungsaufgaben funktionsgerecht wahrgenommen und erfüllt<br />
werden können, sind für die einzelnen Funktionsstellen spezifizierte<br />
Rechtsrahmen (Verantwortlichkeiten) und aufgabenbezogene Zeitbudgets zu<br />
entwickeln. Für die Zeit der Übernahme einer Leitungsfunktion auf Probe ist<br />
eine leistungsspezifische Gehaltszulage zu zahlen.<br />
7) Langfristige schulinterne Funktionsaufgaben werden ausgeschrieben und<br />
nach einem Auswahlverfahren besetzt. Bewerbungen sind schulintern und<br />
extern möglich. Die Stelleninhaber können eine laufbahnrelevante<br />
Anerkennung oder eine Beförderung erhalten. Schulinterne Funktionsaufgaben<br />
können sein:<br />
Aufgaben zur internen Evaluation des Schulprogramms;<br />
Aufgaben zur Sicherung und Entwicklung des Qualitätsstandards einer<br />
Schule;<br />
Aufgaben zur Förderung, Organisation und Qualitätssicherung von<br />
Austauschprogrammen in Europa und Auslandsaufenthalten von Schülerinnen<br />
und Schülern;<br />
Betreuungs- und Unterstützungsaufgaben im Bereich von Medien und<br />
Informationstechnologien;<br />
Aufgaben zur Entwicklung, Begleitung, Organisation und Kontrolle<br />
innovativer Maßnahmen im Rahmen der Ausbildung von Schulprofilen;<br />
Mentorentätigkeit an einem schulischen Ausbildungszentrum.<br />
37<br />
Denkbar sind: Teilabordnungen an das AfS (Mitarbeit an übergreifenden<br />
Schulgestaltungsaufgaben), Teilabordnungen an das Studienseminar (Mitarbeit<br />
in der Referendarausbildung) und Teilabordnungen an die Universität<br />
(Mitarbeit bei schulischer Begleit- und Evaluationsforschung).
Neugestaltung der Organisation 75<br />
7. Neugestaltung der Organisation<br />
Die Lehrerbildung hat keinen spezifischen Ort 38 und so keine bestimmte<br />
Identität. Anders als in anderen Studiengänge fehlt auch eine Leitdisziplin<br />
und so ein bestimmter Wissenschaftsort. Die Aufgaben verteilen sich<br />
auf verschiedene Fachbereiche, sehr unterschiedliche Disziplinen und<br />
mehrere Instanzen, die bislang eher gegen- als miteinander gearbeitet<br />
haben. Im organisatorischen Sinne handelt es sich um eine über Gebühr<br />
komplexe, unabgestimmte und wenig effektive Struktur, die dringend<br />
verbessert werden muss. Die heutige Organisationsform nützt den einzelnen<br />
Elementen, aber hat wenig oder zu schwachen Profit für das Gesamt<br />
der Lehrerbildung. Ein solches „Gesamt“ kommt in den Planungen und<br />
Strategien nur nominell vor. Faktisch behindert die Organisation die<br />
Entwicklung, weil sie ausschließt oder unmöglich macht, dass Ziele und<br />
Entscheidungen koordiniert werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist nochmals zusammenfassend auf folgende<br />
Probleme:<br />
1) Die zuständigen Anbieter – Universität, Studienseminar, Institut für<br />
Lehrerfortbildung – unterliegen unterschiedlichen Gesetzen und Bestimmungen.<br />
2) Innerhalb der Universität sind verschiedene Fachbereiche zuständig,<br />
oft so, dass die Lehrerbildung ohne besonderes Profil angeboten<br />
wird.<br />
3) Innerhalb einzelner Fachbereiche sind Institute in unterschiedlicher<br />
Form mit Lehrerausbildung befasst, vielfach so, dass die Themengenerierung<br />
nicht abgestimmt ist auf die Zwecke der Lehrerbildung.<br />
4) Die Phasen der Ausbildung sind nach dem Prinzip des relativ unverbundenen<br />
Nebeneinander, zum Teil auch gegenläufig or-<br />
38<br />
Zum Problem des Ortes und Nicht-Ortes der Lehrerbildung: MESSMER 1999.
76 Neugestaltung der Organisation<br />
5) ganisiert, die Universität mit großen Gestaltungsspielräumen auf<br />
der einen, behördliche Ausbildungsinstitutionen auf der anderen<br />
Seite.<br />
6) Die Leitungsfunktionen befinden sich auf ganz unterschiedlichen<br />
Ebenen und werden mit unterschiedlichen Aufträgen oder Prioritäten<br />
wahrgenommen.<br />
7) Zuständigkeit und Verantwortung für die Belange der Lehrerausbildung<br />
sind in der Universität eher vage bestimmt, eine Gesamtverantwortung<br />
besteht nicht.<br />
Angesichts <strong>dieser</strong> Situation sieht die <strong>Kommission</strong> unmittelbaren<br />
Handlungsbedarf. Die Reform der Lehrerbildung kann ohne Neuorganisation<br />
nicht realisiert werden. Die bestehenden Strukturen sind nicht<br />
auf Entwicklung eingestellt. Wenn die Lehrerbildung insgesamt als<br />
Entwicklungsprojekt verstanden werden soll, müssen die Organisationsformen<br />
drastisch verändert werden. Ein Gesamtauftrag Lehrerbildung,<br />
der für bessere Koordination, höhere Synergien und insgesamt<br />
mehr Effizienz der Ausbildung sorgen soll, lässt sich ohne eine Gesamtbetrachtung<br />
der Organisation nicht bewerkstelligen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> ist sich im Klaren darüber, dass hier wiederum<br />
Neuland betreten wird. Die Mehrphasigkeit der Lehrerbildung in<br />
Deutschland, insbesondere die Trennung zwischen erster und zweiter<br />
Phase, hat dazu geführt, die einzelnen Phasen und Elemente der Ausbildung<br />
je für sich zu betrachten und zu entwickeln. Verbindliche Abstimmungen<br />
sind strukturell nicht vorgesehen, vielmehr profitieren<br />
die Anbieter davon, dass die Teile nicht zusammenhängen. Eine effiziente<br />
Ressourcennutzung ist so nicht möglich. Sie verlangt Gemeinsamkeiten,<br />
die in der heutigen Organisation nicht vorhanden sind und<br />
auch nicht gesucht werden müssen. Die Gegensätzlichkeit der Interessen<br />
und Erfahrungen macht es auf der anderen Seite schwierig, einzig<br />
auf den Goodwill der Beteiligten zu vertrauen. Käme es vor allem<br />
darauf an, hätten frühere Reforminitiativen längst viel erfolgreicher<br />
sein müssen.<br />
Aus diesem Grunde empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine Reihe von<br />
zum Teil sehr weitgehenden und grundlegenden Reformmaßnahmen<br />
im Bereich der Organisation von Lehrerbildung:
Neugestaltung der Organisation 77<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
eine zwischen den Phasen abgestimmte und mit Befugnissen ausgestattete<br />
Leitung,<br />
die Erprobung und Entwicklung von spezifischen Leistungsvereinbarungen<br />
im Bereich Lehrerbildung,<br />
die regelmäßige interne wie externe Evaluation der Angebote und<br />
Leistungen in allen Bereichen der Ausbildung,<br />
die Entwicklung von Anreizssystemen zwischen Ausbildung und<br />
Praxis,<br />
neue Formen der Qualifikation, der Mobilität und des Austausches<br />
sowie<br />
geeignete Formen der Abstimmung zwischen den Einzelnen an der<br />
Lehrerbildung beteiligten Anbietern.<br />
7.1. Leitung<br />
Die Neugestaltung der Leitung der Lehrerbildung hat der <strong>Kommission</strong><br />
die größten Probleme bereitet. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:<br />
Die bisherige Organisation der Lehrerbildung wird nicht von der Idee<br />
des Gesamtauftrages her verstanden und verfügt entsprechend über<br />
keine gemeinsame Leitung. „Leitung“ ist zudem in der Lehrerbildung<br />
ein eher unterschätztes Thema, das nicht die gebührende Beachtung<br />
findet. Die externe Beratungskommission (1997) erwähnt Probleme<br />
der Leitung der Lehrerbildung ebenso wenig wie die Selbstbeschreibung<br />
des Faches Erziehungswissenschaft (1998). Dagegen verweist<br />
die externe Analyse des Studienseminars (1999) 39 ausdrücklich auf<br />
Leitungsprobleme, die bei Organisationen <strong>dieser</strong> Größe eigentlich<br />
gelöst sein müssten 40 . Es ist si-<br />
39<br />
ConceptaTeam 1999. (Text abgeschlossen im August 1999).<br />
40<br />
Erwähnt wird etwa, dass „kein einheitliches Führungsverständnis“ vorhanden<br />
sei, während ein „gemeinsames Führungsverständnis“ für eine Institution <strong>dieser</strong><br />
Größe „eigentlich angemessen und hilfreich wäre“. Im Blick auf die Direktion<br />
des Studienseminars gäbe es eindeutige Vorgaben im dienstrechtlichen,<br />
aber nicht im operativen Sinne. „Die für die Beschreibung von Leitungsaufgaben<br />
typischen und notwendigen Begriffe wie ‚entscheiden‘, ‚delegieren‘<br />
und ‚kontrollieren‘ sowie Erläuterungen zur ‚Mitarbeiterführung und<br />
–beurteilung‘ tauchen in der gesamten vorliegenden Organisationsstruktur<br />
nicht ein einziges Mal auf“ (ConceptaTeam 1999, S. 8).
78 Neugestaltung der Organisation<br />
cherlich kein Zufall, dass die Entwicklung des Institituts für Lehrerfortbildung<br />
in <strong>dieser</strong> Hinsicht am weitesten gediehen ist. Insgesamt<br />
hat die <strong>Kommission</strong> den Eindruck gewonnen, dass die Notwendigkeit<br />
von Leitungsfunktionen und insbesondere die Übernahme von zurechenbarer<br />
Verantwortung in der Lehrerbildung in der Reformdiskussion<br />
bislang keine Priorität erhalten hat 41 .<br />
Für die vorrangige Behandlung des Themas Leitung gibt es aus<br />
Sicht der <strong>Kommission</strong> gute und dringliche Gründe:<br />
1) Der Gesamtauftrag Lehrerbildung verlangt gemeinsame Zielsetzungen<br />
und Entscheidungen.<br />
2) Eine durchsetzungsfähige Abstimmung des Lehrangebots zwischen<br />
unterschiedlichen Anbietern lässt sich nur mit einer Leitung<br />
erreichen, die eigene Befugnisse hat.<br />
3) Die Heterogenität der Interessen bringt Konflikte mit sich, die<br />
produktiv und speditiv im Sinne der Gesamtausbildung gelöst<br />
werden müssen.<br />
4) Die unterschiedlichen Erfahrungen in den Ausbildungsbereichen<br />
benötigen eine gemeinsame Instanz, die die einzelnen Entwicklungen<br />
zu steuern versteht.<br />
5) Die Durchführung des Gesamtauftrages Lehrerbildung ist mit<br />
langwierigen und hierarchiefreien Abstimmungen nicht zu erreichen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> ist sich darüber bewusst, dass allein die Erwähnung<br />
von Ausdrücken wie „Leitung“ oder „Führung“ zu Missverständnissen<br />
führen kann. Andererseits bezieht sich etwa ein Großteil der Diskussion<br />
um „teilautonome Schulen“ auf die Verstärkung der Schulleitung,<br />
eine Tendenz, auf die der vorliegende Bericht an verschiedenen<br />
Stellen zurückgreifen konnte. Was also für Schulen gilt, kann für<br />
die Ausbildung jedenfalls nicht pauschal zurückgewiesen werden.<br />
Allerdings ist klärungsbedürftig, was genau unter „Leitungsfunktionen“<br />
in der Lehrerbildung verstanden werden soll.<br />
41<br />
Das gilt auch für die Literatur (etwa BAYER u.a. 2000, CLOER/KILKA/KUNERT<br />
2000). Das Thema Leitung erscheint nicht.
Neugestaltung der Organisation 79<br />
Auch ist klärungsbedürftig, was in der heutigen Organisation ersetzt<br />
und wie die bestehenden Entscheidungskompetenzen neu gestaltet<br />
werden können.<br />
Wenn die Lehrerbildung im Sinne eines Gesamtauftrages effizient<br />
entwickelt werden soll, stellen sich eine Reihe von neuen Aufgaben<br />
und ergeben sich Leistungserwartungen, die Leitungsfunktionen verlangen.<br />
Im Sinne einer Tätigkeitsanalyse<br />
muss die Entwicklung der Lehrerbildung gesteuert werden,<br />
sind Zielentscheide zu treffen,<br />
müssen gemeinsame Profile entwickelt werden,<br />
sind Aufgaben der fortlaufenden Abstimmung zu bearbeiten,<br />
müssen Konflikte bearbeitet werden,<br />
ist das Gesamtinteresse darzustellen und durchzusetzen,<br />
müssen gemeinsame Bewertungen vorgenommen werden,<br />
ist gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit notwendig, etc.<br />
Die Lehrerbildung ist derzeit schwach, weil sie nirgendwo gemeinsame<br />
Interessen und Anliegen vertritt. Die Interessen sind zersplittert<br />
und gegensätzlich. Thematisch ist die Lehrerbildung abhängig von<br />
bildungspolitischen Konjunkturen, die sich mit ganz unterschiedlichen<br />
Profiten und Verlusten für die einzelnen Einheiten der Lehrerbildung<br />
verbinden. Soll die Selbststeuerungsfähigkeit der Lehrerbildung<br />
verstärkt oder überhaupt erst geschaffen werden, ist Leitung unerlässlich.<br />
Für die Ausgestaltung der Leitungsfunktionen sind verschiedene Modelle<br />
denkbar:<br />
1) Die Einrichtung einer Leitungsgruppe mit gewählten Vertretern<br />
aus allen drei Phasen.<br />
2) Die Einsetzung eines Sekretariats mit einer paritätisch besetzten<br />
Aufsichtskommission.<br />
3) Die Stärkung der lokalen Leitungen und deren Profilierung für die<br />
Lehrerbildung mit gleichzeitiger Einrichtung eines Gremiums für<br />
den wechselseitigen Austausch und für gegenseitige Abstimmung.<br />
4) Die Stärkung der Kooperation der jetzigen Leitungen.<br />
5) Die Einrichtung einer Leitungs- und Managementstelle mit eigenen<br />
Kompetenzen.
80 Neugestaltung der Organisation<br />
Diese fünf Modelle lassen sich wie folgt spezifizieren und problematisieren:<br />
Die Leitungsgruppe würde die drei Phasen repräsentieren und hätte<br />
auf diese Weise die größte Nähe zum Gesamtauftrag. Allerdings würden<br />
sich damit kaum lösbare Probleme des Verfahrens und der Parität<br />
ergeben, die Interessengegensätze würden sich in die Leitungsgruppe<br />
verlagern und als Ergebnis wäre je ein minimaler Konsens zu erwarten.<br />
Ein Sekretariat wäre vor allem zur effizienten Gestaltung der Koordinations-<br />
und Abstimmungsprobleme dienlich, wäre aber kein eigentliches<br />
Leitungsgremium. Die dazu gehörige Aufsichtskommission<br />
könnte eine gewisse Kontrollmacht ausüben, nicht zuletzt dann, wenn<br />
die Abnehmer der Lehrerbildung beteiligt werden würden. Insgesamt<br />
ist aber auch eine solche Aufsichtskommission kein Leitungsgremium.<br />
Die lokalen Leitungen wären die Fachbereiche und Institute sowie<br />
die Gremien des Studienseminars. Sie könnten, besonders in der Universität,<br />
stärker für die Belange der Lehrerbildung profiliert werden,<br />
hätten aber die üblichen Entscheidungsgremien vor bzw. über sich.<br />
Wenn für sie eigene Gremien eingerichtet würden, gäbe es unmittelbar<br />
einen hohen Organisationsaufwand und erhebliche zeitliche Mehrbelastungen.<br />
Zudem wäre angesichts der divergierenden Interessen der<br />
Effekt erneut unklar. Demgegenüber wäre es einfach und ohne großen<br />
Aufwand möglich, die jetzigen Leitungen der Institutionen – Rektor,<br />
Prorektor, Direktion Studienseminar, Leitung IfL - verstärkt auf die<br />
Koordination der Lehrerbildung auszurichten. Allerdings wäre diese<br />
Leitung wenig spezifisch und hätte kaum andere Abstimmungsprobleme.<br />
Eine eigene Leitungs- und Managementstelle für die Lehrerbildung<br />
wäre unabhängig und hätte Entscheidungskompetenz, aber<br />
wäre zu wenig in den Institutionen verankert, um durchsetzungsfähig<br />
und innovativ wirken zu können.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt aus diesen Gründen keine Gesamtleitung,<br />
wohl aber die deutliche Benennung und Besetzung von Leitungsfunktionen.<br />
Die hohe Autonomie der heutigen Ausbildungsphasen<br />
und -elemente lässt sich nur mit kooperativen Verfahren der Leitung<br />
verändern und im Sinne der Gesamtverantwortung ausgestalten.<br />
Die Schwierigkeit besteht darin, Leitungsfunktionen
Neugestaltung der Organisation 81<br />
auf Teilbereiche zu beziehen und zugleich das Gesamt der Ausbildung<br />
im Auge zu behalten. Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, bei der Einführung<br />
von Leitungsstrukturen pragmatisch zu verfahren. Notwendig<br />
ist zunächst, den Sinn von Leitungsfunktionen in der Lehrerbildung<br />
kenntlich zu machen und dann die vor Ort besten Weg zu finden.<br />
Für den Aufbau von Leitungsstrukturen empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />
die Einrichtung von neuen Gremien auf drei verschiedenen Ebenen:<br />
1) auf politischer Ebene das Kuratorium,<br />
2) auf Koordinationsebene die Initiativgruppe und die Geschäftsstelle<br />
Lehrerbildung und<br />
3) auf Kooperationsebene die phasenübergreifenden Sozietäten.<br />
Das Kuratorium ist zuständig für den Gesamtauftrag Lehrerbildung<br />
und sollte aus den drei genannten Institutionen bestehen, nämlich der<br />
Universität, der Behörde für Wissenschaft und Forschung und der Behörde<br />
für Schule, Jugend und Berufsbildung. Es sollte die Leitungsebene<br />
bilden mit den Senatorinnen/Staatsräten und mit den leitenden<br />
Beamten, sowie dem Universitätspräsidenten, mit dem Kanzler und<br />
einigen Dekanen (je einer aus den geistes-, sozial- und naturwissenschaftlichen<br />
Bereichen). Es können Vertreterinnen und Vertreter anderer<br />
Institutionen mit beratender Stimme zugelassen werden.<br />
Von Seiten des Kuratoriums könnten Anregungen erarbeitet und<br />
formuliert werden, die als Projekte bzw. Pilotprojekte getestet und<br />
durchgesetzt werden sollten. Das Budget, das für die Geschäftsstelle<br />
und für die Projektfinanzierung notwendig ist, sollten die beteiligten<br />
Institutionen beim politischen Senat einwerben. Es sollte nicht durch<br />
Kürzung zum Beispiel vom Universitätshaushalt gewonnen werden.<br />
Im Kuratorium werden Anregungen, die aus der Initiativgruppe und<br />
von Seiten der Geschäftsstelle Lehrerbildung (IGeL) stammen, besprochen<br />
und kommentiert werden. Ebenso sollten im Kuratorium<br />
Anträge für Projekte, die von Seiten der Arbeitsebene (phasenübergreifende<br />
Sozietäten) gestellt worden sind, besprochen und entschieden<br />
werden.
82 Neugestaltung der Organisation<br />
Auf der politischen Ebene des Kuratoriums werden die Leistungsvereinbarungen<br />
sowie die behördlichen Aufträge in der Lehrerbildung<br />
gesamthaft behandelt. Im Einzelnen trifft die Behörde für Wissenschaft<br />
und Forschung Leistungsvereinbarungen mit den Präsidenten<br />
der Universitäten, die Präsidenten treffen Leistungsvereinbarungen<br />
mit den Dekanen und die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung<br />
erteilt Aufträge an Studienseminar und Institut für Lehrerfortbildung.<br />
Das Kuratorium stimmt diese Vereinbarungen und Aufträge<br />
politisch ab und entscheidet abschließend.<br />
Auf der Koordinationsebene werden eine Initiativgruppe und eine<br />
Geschäftsstelle eingerichtet. Die Initiativgruppe ist in Form eines<br />
Beirats einzurichten und die Mitglieder der Initiativgruppe werden<br />
gewählt bzw. abgeordnet (Mitglieder des Beirats siehe Grafik unten).<br />
Die Initiativgruppe hat die Aufgabe, Anregungen, die von politischer<br />
Ebene gegeben werden, zu diskutieren und nach Umsetzungen zu suchen.<br />
Umgekehrt sollen Anträge aus der Arbeitsebene besprochen und<br />
priorisiert werden. Die Initiativgruppe hat zudem die wichtige Aufgabe,<br />
notwendige Projekte und Vorhaben zu entwickeln und diese mit<br />
der Arbeitsebene und der politischen Ebene soweit abzustimmen, dass<br />
sie ggf. ergänzt und entsprechend umgesetzt werden können.<br />
Die Geschäftsstelle ist ein Koordinationsorgan und sichert die<br />
Verbindung zwischen der Arbeitsebene und der politischen Ebene. Sie<br />
stellt das Organ dar, das für eine kontinuierliche Koordination, Beratung,<br />
Information und Unterstützung zuständig ist. Die Geschäftsstelle<br />
übernimmt alle Tagesgeschäfte und wird vom Kuratorium dazu<br />
in die Lage versetzt, Entscheidungen auszuführen und durchzusetzen.<br />
Dazu bedarf es einer Ausstattung mit Personal und Finanzmitteln.<br />
Die Initiativgruppe und die Geschäftsstelle sind zuständig für die<br />
Abstimmung und Realisierung der Teilaufträge:<br />
Aufbau und Etablierung von Kern-Curricula in allen Teilbereichen<br />
der Lehrerbildung (erste und zweite Phase) bis 2003;<br />
Neugestaltung des Prüfungswesens, Aufbau und Abstimmung der<br />
Studienangebote nach dem System ECTS sowie Entwicklung persönlicher<br />
Portfolios für die Studierenden bis 2004;<br />
Kooperationsprojekte in Forschung und Lehre;
Neugestaltung der Organisation 83<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Fortbildung und Personalaustausch;<br />
fortlaufende Abstimmung des Lehrangebots;<br />
Festlegung von Prioritäten und Entwicklungsaufgaben in Abstimmung<br />
mit dem Kuratorium;<br />
Entscheidung in Konfliktfällen.<br />
Die phasenübergreifenden Sozietäten sind auf der Arbeitsebene für<br />
die Weiterentwicklung der fachlichen und thematischen Angebote der<br />
Lehrerbildung zuständig. Sie gliedern sich nach Fächern oder Fachgruppen,<br />
soweit diese im Blick auf das Berufsfeld einschlägig verknüpft<br />
sind. Die Mitglieder rekrutieren sich aus allen Phasen und Institutionen,<br />
die an der Lehrerbildung beteiligt sind (Fachwissenschaften/Fachdidaktiken,<br />
Studienseminar, Behörde für Schule, Jugend und<br />
Berufsbildung sowie Institut für Lehrerfortbildung). Die Mitglieder<br />
werden für einen bestimmten Zeitraum gewählt, bzw. abgeordnet. Die<br />
inhaltlichen Programme und Vorschläge der Sozietäten werden der<br />
gemeinsamen <strong>Kommission</strong> vorgelegt und von ihr entschieden. Das<br />
Kuratorium sorgt für die fortlaufende Anpassung der Leistungsvereinbarungen<br />
und der amtlichen Aufträge.<br />
Die Sozietäten sind feste Einheiten, deren Mitglieder für jeweils<br />
drei Jahre aus den jeweiligen Bereichen heraus gewählt werden. Die<br />
Sozietäten bilden sich nach dem Prinzip der Fachorientierung und der<br />
Themenorientierung. Fächerorientierte Sozietäten sollen für alle Unterrichtsfächer<br />
eingesetzt werden und sind dauerhaft einzurichten. Die<br />
themenorientierten Sozietäten sollen bestimmte prioritäre Themen<br />
aufnehmen und sind i.d.R. zeitlich begrenzt. Die Sozietäten sind deswegen<br />
von besonderer Bedeutung, weil in ihnen die unterschiedlichen<br />
Bereiche der Lehrerbildung durch Personen vertreten sind. Als permanente<br />
Aufgaben sollen die Sozietäten planen und durchführen, für<br />
einen Personalaustausch zwischen den Institutionen der Lehrerbildung<br />
Vorschläge unterbreiten und in Lehre und Forschung Kooperationsprojekte<br />
ausarbeiten und für eine Umsetzung zu sorgen. Diese permanent<br />
zu erfüllenden Aufgaben sind durch zeitlich begrenzte Aufgabenstellungen<br />
zu ergänzen, z. B. die Ausarbeitung von Kerncurricula<br />
in den verschiedenen Bereichen der Lehrerbildung.
84 Neugestaltung der Organisation<br />
Innovationsfonds
Neugestaltung der Organisation 85<br />
7.2. Leistungsvereinbarungen<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt mit Nachdruck die Verwendung und Ausgestaltung<br />
von Leistungsvereinbarungen 42 im Bereich der Lehrerbildung.<br />
Auch dieses Instrument ist neu, bislang waren gesetzliche Bestimmungen<br />
und Erlasse Grundlage der Ausbildung. Sie legten keine<br />
spezifischen Leistungen fest, sondern wiesen pauschal Zuständigkeiten<br />
bzw. Verantwortlichkeiten zu und beschrieben Erwartungen, die<br />
nicht oder nur allgemein und vage auf Leistungen bezogen waren. Die<br />
Ausbildung aber muss spezifische Leistungen erbringen, wenn sie<br />
gemäß ihren Zielen erfolgreich sein will. Vertragliche Leistungsvereinbarungen<br />
regeln zwischen Auftraggeber und Anbietern, aber auch<br />
zwischen verschiedenen Anbietern, was in bestimmten Teilen der<br />
Ausbildung in welcher Zeit erreicht werden soll, welche Mittel eingesetzt<br />
werden, wie die Überprüfung und Bewertung der Leistungen erfolgt<br />
und wie die Weiterentwicklung der Angebote gesichert werden<br />
soll. Im Falle der Nichterfüllung von Vereinbarungen werden Sanktionen<br />
bestimmt.<br />
Erste Erfahrungen mit dem Instrument von Leistungsvereinbarungen<br />
liegen vor, wenngleich nicht bezogen auf die Belange der Lehrerausbildung.<br />
Seit 1999 bestehen zwischen der Behörde für Wissenschaft<br />
und Forschung (BWF) und den <strong>Hamburg</strong>er Hochschulen sowie<br />
der Staats- und Universitätsbibliothek Ziel- und Leistungsvereinbarungen,<br />
in denen verbindliche Verabredungen über Ziele, Leistungen<br />
und deren Finanzierung getroffen werden. 43 In der Vereinbarung mit<br />
der Universität <strong>Hamburg</strong> wird etwa die „besondere Bedeutung“ einer<br />
„mehrjährigen finanziellen Planungssicher-<br />
42<br />
Leistungsvereinbarungen werden gelegentlich auch „Leistungsverträge“genannt.<br />
Der juristische Status solcher wechselseitigen Abmachungen<br />
ist nicht genau geregelt. Es handelt sich um vertragliche (schriftliche und<br />
mit Unterschrift beglaubigte) Vereinbarungen verbindlichen Inhalts. Die<br />
<strong>Kommission</strong> empfiehlt, von „Leistungsvereinbarungen“ zu spechen, auch<br />
weil <strong>dieser</strong> Terminus in <strong>Hamburg</strong> inzwischen in Gebrauch ist.<br />
43<br />
Behörde für Wissenschaft und Forschung: Ziel und Leistungsvereinbarungen<br />
zwischen der Behörde für Wissenschaft und Forschung und den <strong>Hamburg</strong>ischen<br />
Hochschulen sowie der Staats- und Universitätsbibliothek <strong>Hamburg</strong><br />
vom 2. März 1999.
86 Neugestaltung der Organisation<br />
heit“ hervorgehoben. „Die BWF verpflichtet sich, im Rahmen der von<br />
Senat und Bürgerschaft beschlossenen Ermächtigung die finanzielle<br />
Ausstattung der Hochschulen für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu gewährleisten“<br />
(Behörde für Wissenschaft und Forschung 1999, S. 3).<br />
Unter Punkt III <strong>dieser</strong> Vereinbarung, die Lehre und Studium betrifft,<br />
verpflichtet sich die Universität, dafür Sorge zu tragen, dass „im<br />
Fachbereich Erziehungswissenschaft eine mit BWF und Behörde für<br />
Schule, Jugend und Berufsbildung abgestimmte, bedarfsgerechte Kapazität<br />
vorgehalten und die Reform der Lehrerausbildung fortgeführt<br />
wird“ (ebd., S. 5).<br />
Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, diese sehr allgemein formulierte Zielund<br />
Leistungsvereinbarung aufzugreifen und im Hinblick auf die<br />
Neugestaltung der Lehrerausbildung zu präzisieren. Im Sinne des von<br />
der <strong>Kommission</strong> vertretenen Gesamtauftrages Lehrerbildung müssen<br />
abgestimmte Leistungsvereinbarungen auch mit den anderen Phasen<br />
und Institutionen der Lehrerbildung getroffen werden. Zu unterscheiden<br />
sind behördliche Aufträge und spezielle Leistungsvereinbarungen.<br />
Das Instrument der Leistungsvereinbarung lässt<br />
sich in zweifacher Hinsicht einsetzen. Im Rahmen von Teilaufträgen<br />
können die Behörden mit den Anbietern, die Anbieter können aber<br />
auch untereinander Leistungsvereinbarungen treffen. Je nach Beschaffenheit<br />
der Leitung muss die effizienteste Form gewählt werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, dass zunächst die Universität mit beiden<br />
Behörden eine Leistungsvereinbarung für die Lehrerausbildung<br />
der ersten Phase trifft. Diese Vereinbarung ist die Grundlage weiterer<br />
Vereinbarungen. Die Leistungen im Blick auf Übergänge und Anschlüsse<br />
zwischen der ersten und der zweiten Phase werden anschließend<br />
zwischen Universität und Studienseminar vereinbart. Studienseminar<br />
und Institut für Lehrerfortbildung schließen je eigene Leistungsvereinbarungen<br />
mit der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung.<br />
Im Blick auf das Institut für Lehrerfortbildung wird dabei<br />
die Berufseingangsphase neu geregelt. Studienseminar und IfL regeln<br />
in den Leistungsvereinbarungen mit der Behörde auch die Kooperationen<br />
und Koordinationen untereinander. Es gibt keine gesamthafte<br />
Leistungsvereinbarung, da sie zu schwerfällig und zu unflexibel wäre,<br />
um auf die komplexen Anforderungen ei-
Neugestaltung der Organisation 87<br />
ner in Entwicklung begriffenen Lehrerbildung reagieren zu können.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt den Abschluss <strong>dieser</strong> Leistungsvereinbarungen<br />
für das Jahr 2001. Die Dauer aller Vereinbarungen sollte<br />
zunächst auf fünf Jahre befristet sein. Die Vereinbarungen setzen voraus,<br />
dass die Lehrerbildung Leitungsstrukturen erhält. Anders können<br />
die einzelnen Vereinbarungen nicht abgestimmt und koordiniert werden.<br />
Das Ziel der Vereinbarungen ist, zwischen allen an der Lehrerbildung<br />
beteiligten Institutionen verbindliche Verabredungen über Inhalte,<br />
Ausbildungsleistungen und Verfahrensabläufe zu treffen, die eine<br />
zuverlässige Planungsgrundlage für alle Beteiligten schaffen. In<br />
diesem Sinne enthalten die Vereinbarungen gegenseitige Verpflichtungen,<br />
deren Einhaltung regelmäßig evaluiert und bewertet wird.<br />
Gegenstand der Vereinbarungen werden die Beschreibung, Abgrenzung<br />
und Spezifika der Beiträge der Institutionen zur Lehrerbildung.<br />
Sie beinhalten insbesondere:<br />
Abstimmung der Ziele und Übergänge zwischen den Phasen,<br />
Angaben über die verlässlichen Inhalte der Ausbildung,<br />
Informationen über Kapazitätsplanungen und Ressourcennutzung,<br />
Kooperationsmöglichkeiten und Personalaustausch zwischen den<br />
Institutionen<br />
und Informationen über Verfahrensabläufe und Termingestaltungen.<br />
Die beteiligten Institutionen verpflichten sich, dem Leitungsgremium<br />
der Lehrerbildung zur Fortschreibung der Ziel-, Leistungs- und Verfahrensvereinbarung<br />
regelmäßig und rechtzeitig die notwendigen Daten<br />
zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise kann die Lehrerbildung<br />
insgesamt eine wirksame Steuerung erfahren, die die Stärken der beteiligten<br />
Institutionen zu nutzen versteht.<br />
Die <strong>Kommission</strong> nimmt nachfolgend nur zum ersten Bereich der<br />
Leistungsvereinbarungen Stellung, weil sie hier die größten Probleme<br />
sieht und mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung rechnet.
88 Neugestaltung der Organisation<br />
Die Ziel-, Leistungs- und Verfahrensvereinbarung zwischen der<br />
Universität, der BWF und der BSJB<br />
Die Universität leistet in vier Lehramtsstudiengängen im FB 06 Erziehungswissenschaft<br />
mit rund 130 hauptamtlichen Lehrenden bei etwa<br />
6700 Studierenden die Vorbereitung auf eine wissenschaftlich<br />
fundierte professionelle Tätigkeit in den Schulen oder anderen Praxisfeldern<br />
pädagogischen Handelns. Auch andere Fachbereiche der Universität,<br />
die TU Harburg, die Hochschule für Musik und die Hochschule<br />
für bildende Künste sind in zum Teil erheblichem Umfang an<br />
der Lehrerausbildung beteiligt. Die Bedeutung der Lehramtsstudiengänge<br />
ist mindestens in quantitativer Hinsicht und so im Blick auf die<br />
Ressourcenausstattung beträchtlich. Insgesamt stellt die Ausbildung<br />
von Lehrkräften an der Universität <strong>Hamburg</strong> eine vorrangige Aufgabe<br />
dar, wie sich allein an der Verteilung der Studierenden zeigen lässt.<br />
Gemessen an der Gesamtzahl der Studentinnen und Studenten des<br />
jeweiligen Fachbereiches betrug 1998 der Anteil der für ein Unterrichtsfach<br />
im Lehramt eingetragenen Studierenden: 44<br />
FB 01 Evangelische Theologie 50 %<br />
FB 03 Wirtschaftswissenschaften 11 %<br />
FB 05 Philosophie und Sozialwissenschaften 27 %<br />
FB 06 Erziehungswissenschaft 91 %<br />
FB 07 Sprachwissenschaften 43 %<br />
FB 08 Geschichtswissenschaft 44 %<br />
FB 11 Mathematik 49 %<br />
FB 12 Physik 17 %<br />
FB 13 Chemie 36 %<br />
FB 14 Biologie 37 %<br />
FB 15 Geowissenschaften 39 %<br />
FB 19 Sportwissenschaft 67 %<br />
44<br />
Daten aus dem Vorlesungsverzeichnis der Universität <strong>Hamburg</strong>, Sommersemester<br />
2000. Die Daten betreffen den Zeitraum 1998/1999. Es fehlen die<br />
Zahlen für die Fachbereiche FB 10 Orientalistik, FB 16 Psychologie und FB<br />
18 Informatik.
Neugestaltung der Organisation 89<br />
Die Übersicht zeigt, welches Gewicht die Lehrerbildung in den fachwissenschaftlichen<br />
Ausbildungen hat. Die <strong>Kommission</strong> stellt dieses<br />
Gewicht nicht in Frage, verweist aber auf zum Teil gravierende Probleme<br />
der Koordination und Abstimmung, die allenfalls schleppende<br />
Bearbeitung gefunden haben. Leistungsvereinbarungen sind aus der<br />
Sicht der <strong>Kommission</strong> eine Möglichkeit der präzisen Problembestimmung<br />
sowie der fortlaufenden Problemlösung. Traditionell gehören in<br />
<strong>Hamburg</strong> die Fachdidaktiken zum Fachbereich Erziehungswissenschaften<br />
(„<strong>Hamburg</strong>er Modell“). Die diesem Modell zugeschriebenen<br />
Vorteile gehen einher mit einem hohen Bedarf an fachbereichsübergreifenden<br />
Absprachen und Vereinbarungen. Die <strong>Kommission</strong> sieht<br />
nach Auswertung der Anhörungen diesen Anspruch erst ansatzweise<br />
und insgesamt nicht befriedigend eingelöst. Dieser Eindruck deckt<br />
sich mit der Externen Beratungskommission zur Struktur und Entwicklungsplanung<br />
der Universität <strong>Hamburg</strong>. Diese <strong>Kommission</strong> hatte<br />
1997 festgehalten, dass die Universität „organisatorische Maßnahmen<br />
für eine verbesserte Abstimmung zwischen den Fachbereichen über<br />
den Lehrplan und die Ausbildungsanforderungen der Lehrerausbildung“<br />
vorzunehmen habe (Externe Beratungskommission 1997, S.<br />
21).<br />
Ein Koordinationsausschuss für Studienreform im Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
(KA1) 45 arbeitet seit längerer Zeit an einer klareren<br />
Strukturierung des Studiums, der Einführung von Zwischenprüfungen<br />
und einer stärkeren Verzahnung von Studium und Referendariat.<br />
Die Kooperation der Fachbereiche ist demgegenüber deutlich zu<br />
schwach und überwiegend kaum vorhanden. Die <strong>Kommission</strong> verweist<br />
auf den Tatbestand, dass es für die Belange der Lehrerausbildung<br />
weder ein gemeinsames Verständnis noch ein universitäres Leitbild<br />
gibt. Die Universität <strong>Hamburg</strong> stellt keine Website „Lehrerausbildung“<br />
zur Verfügung, die kenntlich machen würde, dass es sich um<br />
ein prioritäres Anliegen der Universität in kooperativer Gestaltung<br />
handeln würde. Ähnlich fehlen gemeinsa-<br />
45<br />
Seit dem Sommersemester 1999 sind die Koordinationsausschüsse für Studienreform<br />
(KA 1) und Lehrangebot (KA 2) zu einem Ausschuss zusammengelegt.<br />
Dieser Koordinationsausschuss für Lehre und Studienreform (KA<br />
LuSt) besorgt beide bisher getrennten Aufgabenbereiche gemeinsam.
90 Neugestaltung der Organisation<br />
me Programme oder ein integriertes Veranstaltungsangebot. Insgesamt<br />
ist die Behandlung der Lehrerbildung nicht offensiv und ohne<br />
strategisches Konzept. Die <strong>Kommission</strong> verweist nochmals nachdrücklich<br />
auf<br />
die fehlende Stringenz und Verbindlichkeit der Beiträge der Fachbereiche,<br />
die Koordinationsprobleme zwischen Fachwissenschaften und<br />
Fachdidaktiken,<br />
die unklare Stellung der Lehramtsstudiengänge,<br />
die Verlagerung der Verantwortung auf den Fachbereich Erziehungswissenschaft,<br />
die fehlenden Leitungsstrukturen<br />
und Ähnliches mehr. 46<br />
Die <strong>Kommission</strong> hat sich in ihren Anhörungen davon überzeugen können,<br />
dass die fachbereichsübergreifende Koordination sowohl für eine effektive<br />
und transparente Erfüllung des Leistungsauftrages „Erste Phase“ wie auch<br />
des Gesamtauftrages Lehrerbildung von ausschlaggebender Bedeutung ist.<br />
Die Vorschläge der <strong>Kommission</strong> zur Ausgestaltung der Leistungsvereinbarung<br />
mit der Universität stellen deswegen deutlich auf eine Verstärkung<br />
und größere Verbindlichkeit der Koordination zwischen den an der Lehrerbildung<br />
46<br />
Die im Oktober 1998 verabschiedete „Selbstbeschreibung des Fachs Erziehungswissenschaft“<br />
erwähnt unter der Fragestellung der „Vernetzung“ der<br />
Angebote des Fachbereichs Erziehungwissenschaft mit „anderen Studiengängen“<br />
die Verzahnung der Lehramtstudiengänge ausdrücklich nicht. Erwähnt<br />
werden die dreisemestrige Zusatzausbildung (Aufbaustudiengang) für Lehrer<br />
von Schülern verschiedener Muttersprache, die gemeinsam mit dem Fachbereich<br />
Sprachwissenschaft angeboten wird, das Studienprogramm „Intercultural<br />
Studies“, eine Kooperation zwischen der Pädagogischen Psychologie und<br />
dem Fachbereich Psychologie, das Graduiertenkolleg „Ästhetische Bildung<br />
sowie das „Labor Wissenschaft und Kunst“. Im übrigen heisst es: „Die Fachdidaktiken<br />
sind der Ort, an dem Erziehungswissenschaft und Bezugsdisziplinen<br />
systematisch aufeinander bezogen werden. Hier gibt es auch Kooperationen<br />
zwischen Vertretern und Vertreterinnen der Fachwissenschaft und der<br />
Fachdidaktik“ (Universität <strong>Hamburg</strong>/Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
1998, S. 17f.).
Neugestaltung der Organisation 91<br />
beteiligten Fachbereichen ab. Hier liegt ein weiteres Kernstück der<br />
Reform.<br />
Die Vorschläge der <strong>Kommission</strong> berühren auch die Tätigkeit des<br />
früher im Fachbereich Erziehungswissenschaft tätigen Koordinationsausschusses<br />
für das Lehrangebot (KA 2). Dieser Ausschuss war verantwortlich<br />
für die Erstellung des Lehrangebotes, ohne in der Lage<br />
gewesen zu sein, das Angebotsaufkommen wirksam steuern zu können.<br />
Der Aufbau eines verbindlichen und verlässlich angebotenen erziehungswissenschaftlichen<br />
Kerncurriculums schafft erstmalig die<br />
Möglichkeit, das Lehrangebot mindestens in Teilen anschlussfähig zu<br />
halten für andere Teile der Lehrerausbildung. Das gilt speziell für das<br />
Studienseminar, aber kann auch auf Fachdidaktiken oder schulpraktische<br />
Studien ausgedehnt werden. Stärkere Abstimmung wären auch<br />
zwischen den Fachbereichen anzustreben.<br />
Aus Sicht der <strong>Kommission</strong> bedarf es mit der Universität vertraglicher<br />
Vereinbarungen, die neben Absprachen über die phasenübergreifende<br />
Koordination hinaus auch die Zusammenarbeit der Fachbereiche<br />
bei der Realisierung der ersten Phase der Lehrerbildung betreffen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, dass mindestens die folgenden Aspekte<br />
Beachtung finden:<br />
1) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft hat mit der Schaffung<br />
des Kerncurriculum eine Grundlage zur inhaltlichen Reform der<br />
Lehramtsstudiengänge bereitgestellt. Das Kerncurriculum muss in<br />
einer Entwicklungsphase getestet und evaluiert werden. Die<br />
Evaluation muss in einer Form erfolgen, dass andere Fachbereiche<br />
davon profitieren können. Entsprechende Mittel sind von der<br />
Universität zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich um ein Pilotprojekt<br />
zur Etablierung von Kerncurricula in allen Lehramtsstudiengängen.<br />
2) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft muss in Absprache mit<br />
anderen Fachbereichen sowie dem Studienseminar die drei prioritären<br />
Themen der Lehrerausbildung 47 profilieren und mit dem<br />
Gesamtangebot abstimmen.<br />
47<br />
Neue Medien, Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität und Schulentwicklung.
92 Neugestaltung der Organisation<br />
3) Die Universität nutzt die besondere Struktur des „<strong>Hamburg</strong>er Modells“ und sorgt<br />
für eine Koordination der Lehrangebote der Fachdidaktiken zum erziehungswissenschaftlichen<br />
Kernstudium bzw. der Beiträge der Fachbereiche zur<br />
Lehrerbildung in der ersten Phase. Mit Hilfe der neuen Leitungsstrukturen der<br />
Lehrerausbildung wird die Grundlage geschaffen für eine verbesserte<br />
Abstimmung zwischen den Fachbereichen und die Sicherung der qualitativen<br />
und quantitativen Ausbildungsanforderungen der Lehrerausbildung.<br />
4) Die Fachbereiche stellen sicher, dass in angemessener Weise für den<br />
Berufsfeldbezug des Angebotes gesorgt wird. Im Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
werden die Praxisanteile effektiviert und mit der Ausbildung im<br />
Studienseminar abgestimmt.<br />
5) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft entwickelt - unter Einbeziehung der<br />
einschlägigen Fachbereiche - Vorschläge für eine Neustrukturierung der<br />
Prüfungen, die das erziehungswissenschaftliche Kernstudium einschließlich der<br />
prioritären Themen angemessen berücksichtigen. Diese Vorschläge sollen auch<br />
Auskunft darüber geben, welche Studienbestandteile studienbegleitend geprüft<br />
werden können und die Möglichkeiten einer Anerkennung von Leistungen<br />
beschreiben, die außerhalb des Lehramtsstudiums erbracht wurden (siehe 9).<br />
6) Die Universität stellt sicher, dass die Mitwirkung an der Lehrerausbildung und<br />
die hochschuldidaktische Qualifizierung zukünftig zum Bestandteil jeder<br />
Stellendenomination der Fachbereiche wird, die mit Lehrerbildung befasst sind.<br />
7) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft kann mit dem vorhandenen<br />
Personal nicht die von ihm zu erbringende Lehre bereitstellen.<br />
Daraus resultiert ein hoher Anteil von Lehraufträgen 48 . Der Fachbereich<br />
reduziert den ihm auferlegten hohen Anteil an Lehraufträgen 49<br />
zu Gunsten eines Personalaustausches bzw. gezielter Beauftragungen<br />
im Hauptamt mit dem Studienseminar, dem IfL und - vermittelt<br />
über das IfL - der Schulpraxis. An der Beseitigung bestehender<br />
48<br />
Der Fachbereich wurde im Rahmen des HSP II gehalten, zusätzliche Lehrauftragsmittel<br />
zu Steigerung der Zulassungszahlen zu akzeptieren.<br />
49<br />
Bislang rund 200 pro Semester; auch das ist bundesweit ohne Beispiel. Der<br />
Anteil macht im Schnitt 25% des gesamten Lehrangebots aus.
Neugestaltung der Organisation 93<br />
rechtlicher und organisatorischer Hemmnisse für einen solchen Personalaustausch<br />
beteiligt sich die Universität und der Fachbereich.<br />
8) Die Universität sorgt dafür, dass ein regelmäßiger Austausch auch<br />
in umgekehrter Hinsicht möglich wird, etwa indem Forschungssemester<br />
auch als Halbjahrespraktikum Anerkennung finden oder<br />
Teile des Stundendeputats von hauptamtlich Lehrenden im Schulbereich<br />
unter Voraussetzung gemeinsamer Projekte absolviert<br />
werden können.<br />
9) Die Universität stellt sicher, dass der Anteil der Lehramtsstudenten sich in<br />
einer angemessenen anteilsmäßigen Verwendung der sachlichen und<br />
personellen Ressourcen der Fachbereiche niederschlagen kann.<br />
10) Die Universität beteiligt sich an der Leitung der Lehrerbildung in<br />
angemessener Form.<br />
Die übrigen Leistungsvereinbarungen bzw. zu übernehmenden Teilaufträge und<br />
Verbindlichkeiten in der Koordination erfolgen auf Grund einer Aufgabenmodifikation.<br />
Hier ist insofern nicht von autonomen Institutionen auszugehen, die etwa gleichermaßen<br />
wie die Universität mit BWF und BSJB über ihre Beiträge „verhandeln“. Das gilt nicht<br />
für die Vereinbarungen zwischen Universität und Studienseminar. Die <strong>Kommission</strong><br />
empfiehlt die rechtliche Abklärung <strong>dieser</strong> Strategie.<br />
7.3. Evaluation<br />
Unter „Evaluation“ kann nach dem heutigen Stand der Diskussion im Blick auf Schule,<br />
Schulentwicklung und Lehrerbildung mindestens das Folgende verstanden werden:<br />
1) interne Beratungen des Kollegiums,<br />
2) externe Beratungen der Schule,<br />
3) empirische Datenerhebungen für einzelne Schulen.
94 Neugestaltung der Organisation<br />
Interne Evaluationen unterscheiden sich von normaler Kommunikation<br />
innerhalb und außerhalb einzelner Schulen durch größere Formalisierung,<br />
also festgelegte Ziele, definierte Standards und präzisierte<br />
Verfahren. Die Schule beschreibt sich regelmäßig selbst und dies folgenhaft.<br />
Interne Beratungen sind ziel- und lösungsorientiert. Vielfach<br />
aber stoßen sie an Grenzen der Kollegialität oder verfügen nicht über<br />
ausreichend Potenziale der Problemlösung. Daher sind externe Beratungen<br />
notwendig, etwa solche der veränderten Schulaufsicht. Beratungsteams<br />
evaluieren Schulen in regelmäßigen Abständen nach genauen<br />
Kriterien und Verfahren. Die Schulen erhalten Stärke/Schwäche-Profile<br />
und einen darauf abgestimmten Entwicklungsauftrag.<br />
Diese Form der Expertenbeurteilung von Außen erweckt Serviceerwartungen,<br />
so dass Beratungs- und Entwicklungsdienste aufgebaut<br />
werden müssen.<br />
Davon sind empirische Evaluationen zu unterscheiden. Sie sind<br />
derzeit zweifach möglich, als Datenerhebungen für einzelne Schulen<br />
und als vergleichende Leistungsmessungen von Typ TIMMS oder<br />
PISA. Die Einzelerhebungen betreffen spezifische Probleme und Reformvorhaben,<br />
die sich nicht ohne fremderhobene Daten beurteilen<br />
lassen. Die Forschung ist in dem Sinne nicht repräsentativ, als einzelne<br />
Schulen beschrieben werden, was Vergleiche zwischen einzelnen<br />
Schulen nicht ausschließt. Größere Erhebungen sind repräsentativ, allerdings<br />
ist mit der Größe der Erhebung das Problem verbunden, den<br />
Einzelfall kaum noch erfassen zu können. Daher muss der Zweck der<br />
Erhebung unterschieden und die Erwartungen auf den Zweck ausgerichtet<br />
werden.<br />
Die heutige Praxis der Schulevaluation hat sich nicht aus der Lehrerausbildung<br />
entwickelt. Maßgebend für die Gestaltung waren behördliche<br />
Aufträge und schulpraktische Erfordernisse, die bis heute<br />
wesentlich von der Fort- und Weiterbildung organisiert werden. Die<br />
Idee ist, Schulen und überhaupt Bildungsorganisationen stärker an<br />
Leistungsvereinbarungen zu binden und diese Vereinbarungen besser<br />
zu kontrollieren. Zu diesem Zweck sind Datenerhebungen, insbesondere<br />
auch Erhebungen von Fremddaten, unerlässlich. Ausgehend von<br />
diesem Befund sind Evaluationen, aus Sicht der <strong>Kommission</strong>, auf allen<br />
vier genannten Ebenen ein wesentliches Steuerungsinstrument der<br />
Zukunft. Dies gilt umso mehr, wenn
Neugestaltung der Organisation 95<br />
tatsächlich die Schulautonomie erhöht wird, also Schulen eigene Budgets<br />
erhalten, ihr Personal einstellen können und curricular wie zeitlich<br />
eine größere Flexibilität entwickeln. Derartige Ziele setzen fortlaufende<br />
interne Anpassungen voraus, erzeugen einen hohen externen<br />
Beratungsbedarf und sind ohne regelmäßige Datenerhebungen nicht<br />
kontrollierbar.<br />
Aus diesen Gründen muss „Evaluation“ im Rahmen von Schulund<br />
Organisationsentwicklung zu einem vorrangigen Thema der<br />
Lehrerbildung werden. Wenn die Lehrkräfte nicht gelernt haben, wie<br />
Evaluationsdaten und -instrumente sinnvoll einzusetzen sind, werden<br />
Schulen davon nicht profitieren. Davon zu unterscheiden ist die<br />
Evaluation der Lehrerbildung selbst. Für sie gilt ein ähnlicher Befund<br />
wie für die Schule: Evaluationen sind heute weder erprobt noch<br />
üblich. Die Entwicklung ist zaghaft, auch weil die universitäre Seite<br />
bislang nicht über verbindliche Standards verfügt. Die für 2000/2001<br />
vorgesehenen Expertenbegehungen in einigen Bundesländern betreffen<br />
bestimmte Fächer und Teilaufträge, nicht die Lehrerbildung insgesamt<br />
50 . Empirische Datenerhebungen über Expertenbegehungen und<br />
<strong>Kommission</strong>sarbeit hinaus sind bislang nicht vorgesehen. Das entspricht<br />
dem historischen Bild: Die Lehrerbildung ist in Deutschland<br />
nie vergleichend und extern evaluiert worden.<br />
Die heutige zersplitterte Lehrerbildung ist auf Leistungsbeschreibungen<br />
noch weniger eingestellt als das Schulfeld, das seit Mitte der<br />
Neunzigerjahre begonnen hat, die Instrumente und Formen der Evaluation<br />
zu nutzen. Die Lehrerbildung dagegen hat<br />
kein gemeinsames Leitbild,<br />
kein abgestimmtes Profil,<br />
keine darauf bezogenen Zielsetzungen,<br />
keine regelmäßigen Datenerhebungen und<br />
kein oder nur ein schwaches Bewusstsein der Notwendigkeit.<br />
50<br />
Expertenaufträge gibt es inzwischen in Niedersachsen (Zentrale Evaluationsund<br />
Akkreditierungsagentur Hannover), Bayern (Wissenschaftsministerium)<br />
und Berlin (Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur).
96 Neugestaltung der Organisation<br />
Traditionell sind akademische Ausbildungen in Deutschland nicht<br />
zielgesteuert, aber nur Ausbildungen mit klaren Zielsetzungen können<br />
evaluiert werden oder sich selbst evaluieren. „Ziele“ lassen sich unterscheiden<br />
in idealtypische Aussagen und darauf mehr oder weniger bezogene<br />
Ausbildungsprogramme. Evaluationen können den ideal formulierten<br />
Ausbildungskonsens und seine Entwicklung betreffen, aber<br />
vor allem müssen die Ausbildungsprogramme und ihre Praxis untersucht<br />
werden.<br />
Das sollte zunächst nach der Ausbildung sowie nach Fort- und<br />
Weiterbildung unterschieden werden. Eine Gesamtevaluation<br />
„Lehrerbildung“ 51 würde langfristig angelegte Datensätze voraussetzen,<br />
die derzeit nicht vorhanden sind. Die <strong>Kommission</strong> hält solche<br />
Datensätze im Sinne der längerfristigen Systembeobachtung für wünschenswert,<br />
insbesondere im Blick auf die Beteiligung der Abnehmer,<br />
also der Schulen und im weiteren des Berufsfeldes, deren Erfahrungen<br />
verstärkt in die Beurteilung der Lehrerausbildung einbezogen werden<br />
müssen.<br />
Im Blick auf die <strong>Hamburg</strong>er Verhältnisse wäre als erster Schritt erforderlich,<br />
dass die beiden Phasen der Lehrerausbildung ein gemeinsames<br />
Leitbild entwickeln, ihre Ausbildungsprogramme abstimmen<br />
und überprüfbare Ziele formulieren, die mit Evaluationsdaten korrigiert<br />
werden können. Das Gleiche gilt für die Anbieter und Institutionen<br />
der Fort- und Weiterbildung. Ist dies geschehen, müssen interne<br />
und externe Evaluationsverfahren festgelegt werden. Dafür kommen<br />
in Frage:<br />
interne und individuelle Zielüberprüfungen durch standardisierte<br />
Erhebungen, etwa vor und nach Lehrveranstaltungen,<br />
interne und kollegiale Zielüberprüfungen gemäß festgelegter Verfahren<br />
und Standards,<br />
externe Qualitätseinschätzungen durch Experten der gleichen Fächer<br />
oder Phasen,<br />
externe Datenerhebungen,<br />
vergleichende externe Datenerhebungen.<br />
51<br />
Alle Phasen und Anbieter.
Neugestaltung der Organisation 97<br />
Weil Lehrerbildung auf ein praktisches Berufsfeld abzielt, sind Transferdaten<br />
wesentlich. Transferdaten sind von Zufriedenheitserhebungen<br />
einzelner Veranstaltungen oder bestimmter Personen, bzw. Kohorten zu<br />
unterschieden. Die Evaluation bezieht auf die Verwendung des Ausbildungswissens<br />
und im weiteren der Ausbildungserfahrung im anschließenden<br />
Berufsfeld. Diese Erhebungen haben besondere Bedeutung, weil<br />
das Angebot der Ausbildung nur dann einen realistischen „Praxisbezug“<br />
hat, wenn im Sinne der <strong>Kommission</strong>sempfehlung die Absolventen und<br />
Abnehmer die Effekte beurteilen. Nur so sind folgenreiche Korrekturen<br />
der Ausbildungsideale und der damit verbundenen Programme möglich.<br />
Konkret heißt das,<br />
Absolventen, die eine Lehrerstelle erhalten, auf die Effekte der Ausbildung<br />
hin zu befragen,<br />
diese Befragungen zu wiederholen,<br />
sie mit berufserfahrenen Lehrkräften zu vergleichen und<br />
zugleich diejenigen zu befragen, die keine oder nicht sofort eine<br />
Stelle erhalten,<br />
weil es Effekte der Ausbildung geben kann, die sich nicht auf das Berufsfeld<br />
beziehen und trotzdem Verwendung finden oder die sich auf<br />
Berufsfeld beziehen sollen, aber anderweitig genutzt werden.<br />
Eine solche Evaluationskultur setzt voraus, dass ausreichend Mittel<br />
vorhanden sind, eine fortlaufend gesicherte Organisation zur Verfügung<br />
steht und Entwicklungsarbeit geleistet werden kann. Zu diesem Zweck<br />
müssen Verlagerungen und Umwidmungen vorgenommen werden. Die<br />
<strong>Kommission</strong> empfiehlt den Aufbau einer Evaluationsagentur, die sich<br />
mit einer Grundausstattung durch öffentliche sowie zusätzliche private<br />
Drittmittel finanziert 52 . Diese Agentur übernimmt die Projektentwicklung<br />
„Evaluation der Lehrerbildung“ 53 , entwickelt also Vorschläge für<br />
Leitbilder, Leistungs-<br />
52<br />
Wie das Kompetenzzentrum für Evaluationsforschung und Leistungsmessung<br />
der Universität Zürich.<br />
53<br />
Nur mit einer solchen Agentur ist zu gewährleisten, dass nicht jede Institution<br />
der Lehrerbildung eigene und für sie günstige Formen der Evaluation entwikkelt.<br />
Außerdem ist nur so eine gemeinsame Vorgehensweise und Terminologie<br />
möglich.
98 Neugestaltung der Organisation<br />
profile, Zielkataloge und Kontrollformen der beiden großen Bereiche<br />
Lehrerausbildung sowie Fort- und Weiterbildung. Die Vorschläge müssen<br />
dann im abgestimmten Konsens realisiert werden. Die Durchführung der<br />
externen Evaluationen muss als Außenauftrag vergeben werden. Dagegen<br />
können alle einschlägigen Lehrangebote von der Evaluationsagentur<br />
übernommen werden. Außerdem kann die Evaluationsagentur einen Teil<br />
der Servicedienste übernehmen, nämlich zusammen mit Studierenden<br />
Evaluations- oder Entwicklungsarbeit leisten.<br />
7.4. Personalentwicklung<br />
Fortschritte und Veränderungen in der Lehrerbildung verlangen besondere<br />
Maßnahmen im Bereich der Personalentwicklung. Die allgemeine<br />
These der <strong>Empfehlungen</strong> muss in dreifacher Hinsicht spezifiziert<br />
werden. „Personalentwicklung“ ist kein Prozess linearer Graduierung,<br />
daher kann von den Problemen des Personals der Ausbildung<br />
nicht auf solche des Lehrpersonals in den Schulen oder des Personals<br />
der Bildungsverwaltung geschlossen werden. Zweitens müssen die je<br />
besonderen Kontexte und Interessen in Rechnung gestellt werden.<br />
Das Lehrpersonal der Ausbildung agiert in spezifischen Situationen<br />
und unter spezifischen Anforderungen, die sich nicht mit einer einfachen<br />
Analogie zur Schulpraxis erfassen lassen 54 . Schließlich verlangen<br />
die Karrierebedingungen Wechsel zwischen verschiedenen Systemen,<br />
die sich – wie Wissenschaft und Praxis – nicht einfach von<br />
selbst aufeinander beziehen.<br />
Unter diesen Voraussetzungen macht die <strong>Kommission</strong> Aussagen in<br />
drei Bereichen:<br />
1) Anreizsysteme in der Lehrerbildung,<br />
2) Qualifikation, Mobilität und Austausch des schulischen Personals<br />
und<br />
3) Personalentwicklung im Ausbildungsbereich.<br />
54<br />
Etwa auf der Linie, dass alle Lehrkräfte unterrichten und allein aus diesem<br />
Grunde über größtmögliche Gemeinsamkeiten verfügen.
Neugestaltung der Organisation 99<br />
Die Anreizsysteme werden zunächst allgemein bestimmt, auch um die<br />
verschiedenen Kontexte angemessen berücksichtigen zu können. Danach<br />
werden unter der Voraussetzung der aktuellen Schul-entwicklung<br />
besondere Anreize für das schulische Personal dargelegt, soweit diese<br />
mit Ausbildung und Ausbildungsbelohnung zu haben. Schließlich gibt<br />
die <strong>Kommission</strong> <strong>Empfehlungen</strong> über die Entwicklung des Personals der<br />
Ausbildung ab, wobei sie sich wesentlich auf die zweite und dritte Phase<br />
konzentriert. Hier besteht der größte Handlungsbedarf.<br />
7.4.1. Anreizsysteme in der Lehrerbildung<br />
Unter „Anreizsysteme“ kann verstanden werden die Motivation und<br />
Belohnung von Leistungen. Die Lehrerbildung kennt in der jetzigen Organisation<br />
verschiedene Anreizsysteme mit ganz unterschiedlichen<br />
Funktionen und Möglichkeiten. Der Charakter der Anreize ist allerdings<br />
nicht spezifisch für die Lehrerbildung, sondern ergibt sich aus den Besonderheiten<br />
der an der Lehrerbildung 55 beteiligten Institutionen und<br />
Phasen. Dabei sind zu unterscheiden<br />
Wissenschaft und Forschung,<br />
Universität,<br />
Studienseminar,<br />
Fort- und Weiterbildung,<br />
Selbststudium.<br />
Wissenschaft und Forschung bieten starke Anreizsysteme, etwa in kompetitiver<br />
und zunehmend internationaler Projektförderung, in der nach<br />
Rang gestuften Kommunikation, in der Belohnung von Originalität, der<br />
Kritik der wissenschaftlichen Leistungen und Ähnlichem mehr. Auch<br />
die Universität bietet Anreize, denkt man an die Muster von Karrieren,<br />
die Belohnung verschiedener Rufe oder den Rang bestimmter Institute.<br />
Hohe Qualifikationen werden mit großen Freiheiten belohnt, etwa solche<br />
der Themenwahl, der Zeitgestaltung oder der Unabhängigkeit des<br />
Urteils. Maßgeblich<br />
55<br />
Einschließlich Fort- und Weiterbildung.
100 Neugestaltung der Organisation<br />
dafür ist die scientific community, also weder ein bestimmter Auftrag<br />
noch eine spezifische Erwartung.<br />
Außerhalb der Universität und im Blick auf Lehrerbildung gibt es<br />
den Anreiz der Stelle oder des besonderen Auftrages. Die Unkündbarkeit<br />
der Beamtenstelle ist ein hoher, wenngleich nur schematisch genutzter<br />
Anreiz, der die zunehmenden und ungleich verteilten Belastungen<br />
nicht ausgleicht. In der Fortbildung werden oft mehr oder weniger<br />
attraktive Aufträge erteilt, dies in zunehmend kompetitiver Form, ohne<br />
ein geeignetes System an Anreizen zur Verfügung zu haben, das zur<br />
ständigen Fortbildung anhalten würde. Die Weiterbildung für neue<br />
Schulfächer oder erweiterte Schulstufen ist ein traditionell starker Anreiz,<br />
der allerdings zu wenig genutzt wird. Anreize zum Selbststudium<br />
56 über das individuelle Pflichtgefühl hinaus bestehen nicht.<br />
Die Lehrerbildung hat faktisch keine eigenen Anreizsysteme. Sie<br />
benutzt die vorhandenen Systeme etwa der wissenschaftlichen Karrieren<br />
oder der eher flachen Schullaufbahnen, ohne sie in ihrem Sinne<br />
beeinflussen zu können. Für besondere Leistungen in der Lehrerbildung<br />
wird niemand besonders belohnt, das Engagement einzelner<br />
Personen wird nicht sichtbar, irgendeine Entwicklungsperspektive, die<br />
Leistungen anreizen würde, besteht nicht. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />
den Aufbau und die Erprobung einer solchen Perspektive. Sie umfasst<br />
Anreize auf verschiedenen Niveaus und in unterschiedlichen Funktionen.<br />
Zu unterscheiden wären etwa<br />
materielle Belohnungen, etwa Prämien als Lohnzulage für besondere<br />
Leistungen,<br />
symbolische Belohnungen, etwa die Herausstellung besonders erfolgreicher<br />
Ausbildungsformen oder die Auszeichnung einzelner<br />
Lehrender 57 ,<br />
inhaltliche Anreize,<br />
Anreize in der Karrieregestaltung.<br />
56<br />
Etwa fortlaufende Lektüre fachwissenschaftlicher oder fachdidaktischer Zeitschriften.<br />
57<br />
Wie Teacher of the Year.
Neugestaltung der Organisation 101<br />
Weiter muss unterschieden werden zwischen Anreizen der Lehrerbildung,<br />
solchen der Schul- und Personalentwicklung sowie Anreizen,<br />
die Lehrerbildung mit Schul- und Personalentwicklung verknüpfen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist zunächst auf inhaltliche Aspekte. Dabei<br />
sollten mindestens die folgenden Punkte berücksichtigt werden:<br />
1) Anreiz von spezifischen Forschungen im Umkreis des Leistungsauftrages<br />
„Lehrerbildung“.<br />
2) Aufbau von Servicefunktionen der Forschung.<br />
3) Verzahnung von Leistungsauftrag und Schulentwicklung.<br />
4) Präzisierung der Qualitätsansprüche für das Ausbildungspersonal.<br />
5) Anreiz von berufslangem Lernen.<br />
6) Maßnahmen zur Qualitätssicherung.<br />
Wissenschaftliche Disziplinen sind Teil der Lehrerbildung, allerdings<br />
oft nur im Sinne eines Auftrags in der Lehre. Der Leistungsauftrag<br />
„Lehrerbildung“ besagt deutlich mehr, nämlich den Anreiz spezifischer<br />
Forschungen, die im Curriculum der Lehrerbildung Anwendung<br />
finden können. Denkbar sind Forschungen<br />
im Bereich der Wissensdynamiken einzelner Disziplinen und<br />
Schulfächer,<br />
zur Entkoppelung von Schulwissen und wissenschaftlichem Wissen<br />
(Spezialisierungsfolgen),<br />
zum Erwartungsaufkommen der Gesellschaft gegenüber Schule<br />
und Bildung,<br />
über Erzeugung und Abschleifen der Berufsmotive,<br />
zum Verhältnis und zu den Entwicklungsaussichten einzelner<br />
Lehrämter,<br />
über Erfahrungen mit Lehrerbildungsreform.<br />
Soll die Ausbildung einen Forschungsbezug erhalten, dann ist das nur<br />
möglich, wenn spezifische Forschung angereizt wird. Andernfalls<br />
wiederholt sich das Beliebigkeitsproblem. Die Forschung muss in<br />
Teilen so spezifisch gehalten werden, dass sie für die Bearbeitung<br />
praktischer Probleme anschlussfähig ist. Dazu dient auch der Aufbau<br />
von Servicefunktionen, etwa im Bereich der Schulevaluation oder der<br />
Bildungsberatung. Forschung muss einerseits angefordert
102 Neugestaltung der Organisation<br />
werden können, andererseits bei Anfragen zur Verfügung stehen 58 ,<br />
aber ein solcher service publique entsteht nicht von selbst, sondern<br />
muss als besondere Herausforderung der Lehrerbildung verstanden<br />
werden, für die ausreichend Anreize zur Verfügung stehen.<br />
Wenn die Ausbildung 59 etwas Signifikantes zur Schulentwicklung<br />
beitragen soll, muss sie sich auf Schule (und nicht lediglich auf Lehrpersonen)<br />
beziehen können. Ausbildung wäre so Teil der Personalentwicklung.<br />
Vor allem die Fortbildung der Berufspersonen ist vielfach<br />
beliebig und zu wenig auf die Bedürfnisse der Schul-entwicklung<br />
bezogen. Die erhöhte Schulautonomie verlangt eine fortlaufende<br />
Schulung des Personals nach Anforderungen der Einzelschule, die ein<br />
je bestimmtes Kontingent an Ausbildung für ihre Zwecke abrufen<br />
können muss. Für den Aufbau solcher Assessment Center 60 , die sehr<br />
flexibel auf Nachfrage reagieren, bedarf es besonderer Anreize. Die<br />
bisherigen Formen der nur thematisch spezifischen Kurssysteme müssen<br />
überprüft werden zu Gunsten eines nachfrageorientierten Verhaltens.<br />
Einerseits kann Ausbildung auf Probleme des Feldes bedürfnisgerecht<br />
reagieren, andererseits können derartige Zentren mit ihren<br />
Angeboten Nachfrage auch selbst erzeugen. Dabei spielt auch die Kooperation<br />
mit Universität und Studienseminar sowie weiteren Anbietern<br />
eine Rolle. Sie ist nicht erprobt und muss mit besonderen Anreizen<br />
entwickelt werden.<br />
Das Ausbildungspersonal der ersten Phase wird akademisch rekrutiert,<br />
die zweite Phase rekrutiert ihr Personal aus der Praxis der jeweiligen<br />
Lehrämter, die Fort- und Weiterbildung vergibt überwiegend<br />
Lehraufträge, für die Berufseingangsphase ist bislang kein spezifisch<br />
ausgebildetes Personal vorhanden. Die Qualitätsanforderungen sollten<br />
für die Phasen möglichst einheitlich und vergleichbar gehalten werden.<br />
Es müssen Anreize geschaffen werden, das Personal der zweiten<br />
Phase besonders zu qualifizieren, ähnlich müssen die Aufträge der<br />
Fort- und Weiterbildung an besondere Personalprofile gebunden werden.<br />
58<br />
In Form eigener Projekte oder als Datenbank.<br />
59<br />
Alle Phasen.<br />
60<br />
Ausbau des IfL in <strong>dieser</strong> Richtung.
Neugestaltung der Organisation 103<br />
Der wichtigste Ausbildungseffekt muss im Anreiz berufslangen Lernens<br />
gesehen werden. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier den zentralen Paradigmenwechsel:<br />
„Lehrerbildung“ ist permanente Ausbildung, aber dafür<br />
gibt es weder geeignete Organisationsformen noch überzeugende<br />
Programme. Weder die Anstellungsbedingungen noch die Ausbildungsverhältnisse<br />
sind auf ständiges und belohntes Weiterlernen eingestellt.<br />
Auch die Lehrkräfte verstehen sich überwiegend nicht als<br />
ständige Lerner, die ihr Können unablässig weiterentwickeln müssen<br />
und so auf je neue Problemlagen in ihrem Feld reagieren können. Zur<br />
Entwicklung von Einstellungen und Organisationsformen berufslangen<br />
Lernens, schlägt die <strong>Kommission</strong> vor, das IfL zum Assessment<br />
Center auszubauen. Das Center soll in enger Kooperation mit Universität<br />
und Studienseminar für neue Angebote permanenter Fortbildung<br />
sorgen. Von der Nachfrage nach solchen Angeboten wird die Schulentwicklung<br />
wesentlich abhängen. Daneben müssen Rotationen angereizt<br />
werden, Aufenthalte der Lehrkräfte an anderen Schule oder im<br />
Ausland, die mit Ausbildungsaufträgen verbunden sind. Zuständig dafür<br />
sind die erweiterten Schulleitungen, die gezielt und langfristig<br />
Personalentwicklung betreiben können (und müssen). Das Instrument<br />
der Abordnungen wäre weiterzuentwickeln, insbesondere in Verbindung<br />
mit Forschungsprojekten.<br />
Auch Qualitätssicherung in der Lehrerbildung muss sich lohnen.<br />
Es gibt damit kaum Erfahrungen, auch weil bislang erhebliche Unklarheit<br />
darüber besteht, was als Qualität der Lehrerbildung angesehen<br />
werden soll und was nicht. Die von der <strong>Kommission</strong> vorgeschlagenen<br />
Maßnahmen wie Entwicklung eines Kerncurriculums, Abstimmung<br />
der Angebote, enge Kooperation zwischen den Phasen oder<br />
Veränderung des Prüfungswesens sind geeignet, das Qualitätskonzept<br />
präziser zu fassen. Die Qualitätssicherung braucht aber auch eine spezifische<br />
Organisation, also Verfahren der Kommunikation, den Aufbau<br />
von Feedback-Systemen im unter 7.3 genannten Sinne, bestimmte<br />
Zyklen der Datenerhebung und der Rückmeldung ins Kollegium,<br />
Aussprachen über die Erfahrungen und Kontrolle der Ziele. Soll das<br />
entwickelt werden, müssen Anreize bestehen.
104 Neugestaltung der Organisation<br />
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung<br />
des Personalaustausches zwischen den Phasen. Neben dem<br />
bisher Gesagten verweist die <strong>Kommission</strong> auf folgende Notwendigkeiten:<br />
1) Der Austausch muss grundsätzlich in beide Richtungen möglich<br />
sein, von den Phasen der Ausbildung zur Praxis und umgekehrt.<br />
2) Abordnungen müssen sich mit bestimmten Aufträgen und Qualifizierungsleistungen<br />
verbinden.<br />
3) Innerhalb der Phasen müssen neue Möglichkeiten der Kooperation<br />
und Rotation geschaffen werden.<br />
4) Der Personalaustausch muss als Teil koordiniert und zielgerecht<br />
entwickelt werden.<br />
5) Für neue Formen muss es Erprobungsphasen und anschließende<br />
Generalisierungen geben.<br />
Im Einzelnen hält die <strong>Kommission</strong> fest: In der Universität muss es<br />
Anreize geben, sich speziell für die Belange der Lehrerbildung zu engagieren.<br />
Über das zur Forschung Gesagte hinaus ist etwa denkbar,<br />
dass die Praxisabordnung von Dozenten bei der Mittelzuweisung Berücksichtigung<br />
findet. Entsprechend müssen die Kennzahlen verändert<br />
werden. Von nachhaltiger Bedeutung sind Austauschprojekte in<br />
den Fachwissenschaften, die bisher weitgehend unüblich sind und besonders<br />
angereizt werden müssen. Bei der Abordnung von Lehrkräften<br />
an die Universität sind Karriereschritte durch akademische Qualifizierungen<br />
zu berücksichtigen. Dabei ist auch Wert auf den wechselseitigen<br />
Nutzen zu legen, etwa mit Evaluationsprojekten, die der Forschung<br />
und der Schulentwicklung zugute kommen. Rotationen erhöhen<br />
die Attraktivität des Lehrerberufs, insbesondere dann, wenn sie<br />
mit persönlichen Qualifizierungen verbunden sind, die sich materiell<br />
wie symbolisch auswirken.<br />
Die Personalgestaltung der außeruniversitären Phasen der Lehrerbildung<br />
stellt ein spezifisches Problem dar, auf das unter 7.5. näher<br />
eingegangen werden soll. An <strong>dieser</strong> Stelle verweist die <strong>Kommission</strong><br />
darauf, dass die Besetzung von Stellen und die Vergabe von Aufträgen<br />
im Lehrerbildungsbereich an Qualifikationen und Standards gebunden<br />
werden muss.
Neugestaltung der Organisation 105<br />
7.4.2. Qualifikation, Mobilität und Austausch des<br />
schulischen Personals<br />
In den nächsten Jahren wird sich an den <strong>Hamburg</strong>er Schulen ein Generationswechsel<br />
vollziehen. Etwa 30 % der Lehrerinnen und Lehrer<br />
sind derzeit 55 Jahre und älter, zwei Drittel aller Lehrkräfte muss in<br />
den kommenden 15 Jahren ersetzt werden, allein bis zum Jahr 2006<br />
werden pro Jahr durchschnittlich um die 800 Lehrkräfte ausscheiden.<br />
Hieraus ergeben sich sowohl in quantitativer als auch in qualitativer<br />
Hinsicht hohe Anforderungen an die Lehrerausbildung. Die <strong>Kommission</strong><br />
misst deshalb einer Veränderung der Personalentwicklung und<br />
der Gestaltung der Berufslaufbahn von Lehrkräften eine besondere<br />
Bedeutung zu. Dies gilt gleichermaßen für die Ausbildung von Lehrerinnen<br />
und Lehrern, für die Gestaltung der Berufseingangsphase und<br />
für den Einsatz von Lehrkräften an Schulen. Die für die <strong>Kommission</strong><br />
entscheidenden Prinzipien der Effizienz und die Leitziele der Professionalisierung<br />
sowie des berufslangen Lernens sind gerade auch für<br />
den Bereich der Personalentwicklung von ausschlaggebender Bedeutung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> orientiert sich für den Einsatz von Maßnahmen<br />
der Personalentwicklung an folgenden Leitzielen und Prinzipien:<br />
Schaffung von Anreizen für den Aufstieg von Lehrkräften,<br />
regelhafte Beurteilung der Lehrkräfte,<br />
vorlaufende Qualifizierung des Leitungs- und Ausbildungspersonals,<br />
Transfer von Personal zwischen den an der Lehrerbildung beteiligten<br />
Institutionen.<br />
Für die Umsetzung <strong>dieser</strong> Leitziele und Prinzipien ist die Verstärkung<br />
der Kooperation der an der Lehrerbildung beteiligten Institutionen<br />
und Personen eine notwendige Voraussetzung (vgl. Kapitel Kooperationen).<br />
Das <strong>Hamburg</strong>ische Schulgesetz hat der Stärkung der schulischen<br />
Eigenständigkeit eine Schlüsselfunktion bei der Konkretisierung und<br />
Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrags zugemessen. Der<br />
einzelnen Schule kommt die Aufgabe zu, die ihr gegebenen
106 Neugestaltung der Organisation<br />
Möglichkeiten zur eigenständigen Gestaltung von Unterricht und<br />
Schulleben aktiv und offensiv zu nutzen. Maßgebend hierfür sind die<br />
besonderen Voraussetzungen und Merkmale ihrer Schülerschaft sowie<br />
die spezifischen Gegebenheiten der Schule, ihres Bildungsauftrages<br />
und ihres regionalen Umfeldes. Die aktive Beteiligung der Schulen an<br />
der Ausbildung des Nachwuchses ist eine wichtige Aufgabe im Zusammenhang<br />
der Qualifizierung und Professionalisierung junger<br />
Lehrkräfte und im Rahmen der Sicherung der Qualität des pädagogischen<br />
Nachwuchses. Die <strong>Kommission</strong> verweist auf das unter 6.1. Gesagte.<br />
Um die aus den Anforderungen des Schulgesetzes abgeleiteten besonderen<br />
Ziele, Schwerpunkte und Organisationsformen der pädagogischen<br />
Arbeit verwirklichen zu können, bedarf es flankierender<br />
Maßnahmen und zum Teil neuer Entwicklungen im Personalbereich.<br />
Dabei zeigt sich, dass zentral geplante und gesteuerte Maßnahmen<br />
allein nicht ausreichen, um eine den konkreten Anforderungen vor Ort<br />
optimal entsprechende Qualifizierung und somit die gezielte Verstärkung<br />
des pädagogischen Personals gewährleisten zu können. Vielmehr<br />
sind die Schulen in die Planung und Durchführung der Personalentwicklung<br />
einzubeziehen. Dies gilt auch für die Ausbildung von<br />
Lehrkräften und für die Gestaltung der Berufseingangsphase. Die<br />
Formel, Schulentwicklung sei Personalentwicklung, findet in diesem<br />
Sinne die ausdrückliche Bestätigung durch die Gesetzeslage.<br />
Die im Schulgesetz verankerten anspruchsvollen und komplexen<br />
Aufgaben im Bereich von Schule, Unterricht und Schulentwicklung<br />
erfordern von Lehrerinnen und Lehrern hohe fachliche und pädagogische<br />
Qualifikationen sowie die Fähigkeit, auf veränderte Bedingungen<br />
angemessen und zielorientiert zu reagieren. Voraussetzung dafür ist<br />
die Bereitschaft, ständig weiterzulernen und die eigenen Kompetenzen<br />
weiter zu entwickeln. Die <strong>Kommission</strong> verweist nochmals auf die<br />
Notwendigkeit, die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen schon im<br />
Rahmen der Ausbildung von Lehrkräften zu verankern. Dies verlangt,<br />
dass Studierende und Referendare anhand von Konzepten der Erwachsenenbildung<br />
ausgebildet werden, da nur so eine forschende und<br />
aktive Haltung in der Berufstätigkeit von Lehrkräften aufgebaut werden<br />
kann.
Neugestaltung der Organisation 107<br />
Schulentwicklung hat in diesem Zusammenhang die strukturellen<br />
Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der Lehrerschaft ermöglichen,<br />
ihre Kompetenzen und Fähigkeiten neuen Zielen und veränderten<br />
Aufgaben fortlaufend anzupassen. Besondere Bedeutung erhalten<br />
Maßnahmen der Personalentwicklung, weil auf Grund eines unbefristet<br />
eingestellten Personalkörpers auf neue bzw. veränderte Aufgaben<br />
einerseits zwar mit neu eingestelltem Personal mit entsprechenden<br />
Qualifikationsprofilen reagiert werden kann, andererseits aber insbesondere<br />
der vorhandene Personalkörper den neuen Aufgaben entsprechend<br />
qualifiziert werden muss. Auf Grund der anstehenden Pensionierungen<br />
in den nächsten Jahren ist darüber hinaus ein hoher Ersatzbedarf<br />
an Lehrkräften und Leitungspersonal zu erwarten.<br />
Die <strong>Kommission</strong> erkennt die Notwendigkeit, die Mitverantwortung<br />
von Schulen bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern zu<br />
erweitern, um eine stärkere Mitwirkung der Schulen bei der Wahrnehmung<br />
von Aufgaben der Ausbildung von Lehrkräften und im<br />
Rahmen der Berufseingangsphase zu sichern. Die Steuerung der Qualifizierung<br />
von Lehrkräften, die im Rahmen der Ausbildung von Referendaren<br />
eingesetzt werden (Mentoren), sollte in einer stärkeren Kooperation<br />
zwischen Schule und Studienseminar weiterentwickelt werden.<br />
Die Mentorenausbildung sollte von den Schulen unterstützt und<br />
als vorlaufende Qualifizierungsmaßnahmen zwischen Schulen, Studienseminar,<br />
IfL und Universität abgestimmt werden. Die Tätigkeit<br />
als Mentor sollte durch karriereförderliche Maßnahmen und ein System<br />
von Anreizen in ihrer Bedeutsamkeit herausgehoben werden.<br />
Die Erkenntnis, dass weder die Lehrkräfte als „Einzelkämpfer“<br />
noch die zentrale Schulverwaltung, sondern vielmehr die einzelne<br />
Schule das Zentrum und der „Motor“ der Schulentwicklung ist, hat in<br />
den zurückliegenden Jahren zu Konsequenzen geführt, die auch in anderen<br />
Organisationsbereichen zu beobachten sind: Detailsteuerung<br />
durch die Zentrale wird tendenziell durch Ziel- und Rahmenvorgaben<br />
abgelöst, deren konkrete Ausfüllung nach den jeweiligen Anforderungen<br />
und Kompetenzen vor Ort geschieht. Die Herausbildung eines<br />
spezifischen, der jeweiligen Schülerschaft angemessenen und dem<br />
jeweiligen Bildungsauftrag entsprechenden
108 Neugestaltung der Organisation<br />
Profils bringt auch im Personalbereich spezifische Anforderungen mit<br />
sich, die nur vor Ort eingelöst werden können: Identifizierung entsprechender<br />
Kompetenzen im Kollegium, gezielte Personalauswahl,<br />
Teambildung, Entwicklung von gemeinsamen Qualifizierungssequenzen,<br />
Übertragung besonderer Funktionen auf einzelne Lehrkräfte,<br />
Gewinnung von außerschulischen Kooperationspartnern. Demgemäß<br />
wird künftig der einzelnen Schule – der Schulleitung und dem Kollegium<br />
– eine besondere Rolle bei der Personalentwicklung zukommen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> hat sich in einer Anhörung über das Personalentwicklungskonzept<br />
der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung<br />
informiert. Sie unterstützt das vorgestellte Konzept und die skizzierten<br />
Maßnahmen ausdrücklich. Die <strong>Kommission</strong> hält im Rahmen<br />
einer Reform der Lehrerbildung folgende Punkte für unverzichtbar,<br />
die im Zusammenhang mit der Personalentwicklung nochmals hervorgehoben<br />
werden sollen:<br />
eine insgesamt stärker am Berufsfeld und seine Entwicklung ausgerichtete<br />
Ausbildung,<br />
eine Qualitätssorge für die Betreuungsarbeit von Referendaren in<br />
den Schulen,<br />
eine verbesserte Organisation und Berechenbarkeit der schulischen<br />
Personalversorgung und<br />
eine Einstellungspolitik der Behörde, die Anforderungen der Einzelschulen,<br />
insbesondere deren Qualifizierungsprofile, systematisch<br />
berücksichtigt.<br />
Der letzte Punkt ist von ausschlaggebender Bedeutung. Er bedeutet<br />
einen tatsächlichen Paradigmenwechsel, der Rückwirkungen hat auf<br />
die Ausbildung insgesamt. Wenn einzelne Schulen nach ihrem Bedarf<br />
Lehrkräfte einstellen, mindestens aber bei Einstellung ihre Belange<br />
nachhaltig geltend machen können, impliziert das eine Abkehr der<br />
bisherigen Verteilung nach statistischem Bedarf und Notendurchschnitt.<br />
Der akute und auf die individuelle Entwicklung hin berechnete<br />
schulische Bedarf wird zum zentralen, wenn nicht ausschlaggebenden<br />
Einstellungskriterium, was die Einführung von Qualifikationsnachweisen<br />
über den Notenschnitt hinaus unabdingbar werden<br />
lässt. In diesem Zusammenhang sollte auch
Neugestaltung der Organisation 109<br />
Zusatzqualifikationen zu prioritären Themen eine angemessene Bedeutung<br />
zukommen. Der Ausbildungsort Schule kann nur dann gestärkt<br />
und mit der Einstellungspraxis verknüpft werden, wenn das<br />
Prüfungswesen darauf eingestellt ist. Die <strong>Kommission</strong> plädiert aus der<br />
Perspektive einer Stärkung des Ausbildungsortes Schule für eine<br />
deutlichere Profilierung von Lehramtsstudiengängen und die Verzahnung<br />
der beiden Staatsexamina durch die Einführung einer gemeinsamen<br />
Kreditierung von Prüfungsleistungen (siehe 9).<br />
Aufgabe der Schulverwaltung ist es, die strukturellen Voraussetzungen<br />
zu schaffen, die den Schulen eine stärkere Eigenverantwortung<br />
im personellen Bereich sowie Maßnahmen der Personalentwicklung<br />
ermöglichen, und dafür geeignete Unterstützungsleistungen<br />
anzubieten. Die Einführung eines credit-point-system soll Vergleichbarkeiten<br />
im Leistungsprofil von Lehrerinnen und Lehrern herstellen,<br />
die aussagekräftiger sind als die herkömmlichen Noten von<br />
Staatsexamina. Bei Maßnahmen der Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung<br />
schlägt die <strong>Kommission</strong> analoge Verfahren der Kreditierung vor.<br />
Darüber hinaus empfiehlt sie die Stützung der bereits eingeleiteten<br />
Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Instituts für Lehrerfortbildung<br />
zu einem nachfrageorientierten Dienstleistungsunternehmen und<br />
Assessment Center (siehe 7.4.).<br />
Die Schulen übernehmen im Hinblick auf die Einstellungsverfahren<br />
einen Großteil der Verantwortung. Die entsprechenden Anforderungen<br />
bei der Auswahl der Lehrkräfte bzw. deren berufsbegleitender<br />
Qualifizierung, können die Schulen nur durch die Entwicklung von<br />
spezifischen, für sie dienlichen Konzepten erfüllen. Dabei müssen zugleich<br />
die Interessen des optimalen Lehrereinsatzes (Perspektive der<br />
Behörde) und die Interessen der Schulen an der Ausgestaltung eigener<br />
Profile (Perspektive der Einzelschule) berücksichtigt werden. Zur<br />
Umsetzung müssen geeignete Verfahren entwickelt werden. Die Aufgabe<br />
wiederum ist neu und verlangt Entwicklungsarbeit. Die <strong>Kommission</strong><br />
verweist auf die Notwendigkeit von entsprechenden Versuchen,<br />
die insbesondere die Verzahnung mit der Lehrerbildung betreffen.<br />
Eine integrative und zugleich dynamische Personalentwicklung im<br />
Schulwesen muss die Entwicklungsziele sowie die strategischen Aufgaben<br />
in Einklang zu bringen mit den individuellen Kompeten-
110 Neugestaltung der Organisation<br />
zen, Erwartungen und Bedürfnissen der vorhandenen und künftigen<br />
Lehrerinnen und Lehrer. Auch wenn man auf Grund der bisherigen<br />
Erfahrungen von einem grundsätzlichen Interesse und der Bereitschaft<br />
der einzelnen Lehrkraft wie auch der Schulen insgesamt an ihrer<br />
Weiterentwicklung ausgehen darf, die sich unter anderem in einer<br />
vergleichsweise hohen Beteiligung an Fortbildungsangeboten und<br />
Schulentwicklungsmaßnahmen zeigt, kann es bei den zur Verfügung<br />
stehenden bzw. geplanten Instrumenten und Maßnahmen zu Differenzen<br />
zwischen dem Einzel- und Gesamtinteresse kommen.<br />
Die erwartbaren Konflikte müssen offensiv behandelt werden, insbesondere<br />
im Blick auf Belastungsgrenzen und die pragmatische Kanalisierung<br />
der neuen Aufgaben. Für das Gelingen aller Personalentwicklungsmaßnahmen<br />
ist es wichtig, dass die Ziele klar und einsichtig<br />
sind, über ihre Umsetzung ein intensiver horizontaler wie vertikaler<br />
Austausch stattfindet und die Betroffenen bzw. ihre Vertretungsorgane<br />
zu Beteiligten werden, die sich hinter die grundsätzlichen Ziele der<br />
Schulentwicklung und so der Entwicklung der Lehrerbildung stellen<br />
können. Ziele sind oft nicht klar, vielfach werden sie unzureichend<br />
kommuniziert und oft erreichen sie die Adressaten nicht. Eine sinnvolle<br />
Personalentwicklung ist aber nur dann möglich, wenn neue Ziele<br />
nicht mit zusätzlichen und eigentlich überflüssigen Belastungen<br />
gleichgesetzt werden.<br />
Zur Erhöhung der Mobilität und zur Erweiterung der Kompetenzen<br />
der Lehrkräfte schlägt die <strong>Kommission</strong> vor, von neu eingestellten<br />
Lehrkräften in einem angemessenen Rhythmus Schulwechsel zu verlangen.<br />
Die Sicherung der Vergleichbarkeit und Qualität schulischer<br />
Arbeit und der notwendige professionelle Austausch von Erfahrungen<br />
aus Schulentwicklungsprozessen zwischen Einzelschulen erfordern<br />
eine größere und vergleichbar gehaltene Mobilität. Dabei sollten den<br />
Lehrerinnen und Lehrern Anreize für Mobilität geboten werden, die<br />
eine frühe und dauerhafte Ortsansässigkeit ausschließen. Berufliche<br />
Mobilität wird zukünftig deutlicher als bisher bei allen Beförderungen<br />
und Besetzungen von Leitungs- und Funktionsstellen ein wichtiges<br />
Auswahlkriterium sein. Um den Mobilitätsgedanken auch auf Funktionsträger<br />
auszuweiten, sollte er im Schulgesetz verankert werden. Die<br />
BSJB sollte
Neugestaltung der Organisation 111<br />
in ihren zukünftigen Maßnahmen zur Personalentwicklung der Begründung<br />
beruflicher Mobilität so viel Bedeutung beimessen, dass eine<br />
hohe Akzeptanz und Freiwilligkeit zum Wechsel des Arbeitsplatzes<br />
bei den Lehrkräften gesichert ist.<br />
Auf Grund der Altersstruktur der amtierenden schulischen Leitungskräfte<br />
werden in den nächsten Jahren in erheblichem Umfang<br />
Leitungsstellen nachzubesetzen sein. Dies gilt sowohl für Schulleitungen<br />
als auch für Haupt- und Fachseminarleitungen im Studienseminar.<br />
Demzufolge wird es wichtig, das Leitungspotenzial interessierter<br />
Lehrkräfte zu ermitteln und zu erproben. Hierbei sollten auch<br />
geeignete Lehrkräfte bereits in ihren beruflichen Anfangsjahren einbezogen<br />
werden (siehe 3.3. und 6.1). Dafür sind Qualifizierungsmaßnahmen<br />
zu entwickeln, die eine schrittweise Erprobung des Leitungspotenzials<br />
von Lehrkräften ermöglichen. Einzelne Elemente einer gezielten<br />
Nachwuchsförderung werden derzeit erarbeitet, für interessierte<br />
Leitungskräfte sind Qualifizierungsseminare bereits in der Erprobung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Erfahrungen nach Auswertung<br />
zu generalisieren und für dauerhafte Maßnahmen in der Lehrerbildung<br />
nutzbar zu machen.<br />
Die Anforderungen an schulische Leitungskräfte werden durch die<br />
Ausweitung ihres Aufgabenbereichs auf die innere und äußere Schulverwaltung,<br />
durch die Maßnahmen im Rahmen der stärkeren Eigenverantwortlichkeit<br />
der Einzelschule wie auch durch die geplanten<br />
Schritte der Personalentwicklung deutlich erhöht und erfordern zunehmend<br />
Managementkompetenzen. Es ist zu prüfen, inwiefern<br />
Strukturen schulischer Leitung zu verändern sind, damit diese ihre<br />
Aufgaben gegenüber der Lehrer-, Schüler- und Elternschaft weiterhin<br />
kompetent wahrnehmen können. Darüber hinaus sollten die bisherigen<br />
Angebote zur Qualifizierung des Leitungspersonals auf Bedarfsnähe<br />
und Effektivität hin überprüft und insgesamt ausgeweitet werden.<br />
Hier besteht in der Lehrerfort- und Weiterbildung erheblicher<br />
Handlungsbedarf. Zudem ist die Lehrerausbildung gefordert, im<br />
Rahmen des prioritären Themas „Schul-entwicklung“ Grundlagen zu<br />
liefern und Forschungsarbeit zu animieren.<br />
Dienstliche Beurteilungen haben zum Ziel, ein aussagefähiges<br />
Bild der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitar-
112 Neugestaltung der Organisation<br />
beiter zu gewinnen. Sie sind unter anderem Entscheidungsgrundlage<br />
für Maßnahmen des Personaleinsatzes und der Personalwirtschaft<br />
(zum Beispiel Übertragung höherwertiger Dienstposten, Beförderungen,<br />
die Vergabe monetärer Leistungsanreize). Die Beurteilungen<br />
können <strong>dieser</strong> Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie ein zutreffendes<br />
Bild der Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
zeichnen. Leistungen, Fähigkeiten und dienstliches Verhalten werden<br />
bewertet, Stärken hervorgehoben und Hindernisse in der beruflichen<br />
Entwicklung angesprochen. Die Beurteilten sollen dadurch ihren Leistungsstand<br />
besser einschätzen können und Kenntnis erhalten, in welchen<br />
Bereichen sie sich weiterentwickeln müssen. Je nach Beurteilung<br />
sind Ausbildungsmaßnahmen möglichst passgenau anzuschließen,<br />
die wiederum in die Beurteilung eingehen.<br />
Im Zusammenhang mit dem Konzept der Personalentwicklung<br />
sollte geprüft werden, ob im Rahmen der Dienstrechtsreform monetäre<br />
Leistungsanreize (schnelleres oder langsameres Aufrücken in den<br />
Leistungsstufen, Vergabe von Leistungszulagen und Leistungsprämien)<br />
möglich sind. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass im Rahmen<br />
der Personalentwicklung und der Bestimmung des Einsatzes von<br />
Lehrkräften die Beurteilungsanlässe zunehmen werden. Zu diesem<br />
Zweck sollte die BSJB die Verfahren der Personalbeurteilung überprüfen<br />
und effiziente Wege zur Stärkung der inhaltlichen Aussagekraft<br />
von Beurteilungen beschreiten. Ohne neue und flexibel gehaltene<br />
Verfahren ist eine Engführung vor Schul-entwicklung und fortlaufender<br />
Qualifizierung des Personals nicht in angemessener Weise<br />
möglich.<br />
7.4.3. Personalentwicklung im Ausbildungsbereich<br />
Es gibt für den Ausbildungskomplex Lehrerbildung keine eigene, einheitliche<br />
Ausbildung. Die Zugänge sind nicht nur hochgradig verschieden,<br />
sie sind auch im Anforderungsniveau sowie in den Funktionsbestimmungen<br />
heterogen. Habilitierte Professoren arbeiten neben<br />
abgeordneten Lehrkräften im gleichen Feld und gelegentlich sogar am<br />
gleichen Projekt. Die <strong>Kommission</strong> erkennt in
Neugestaltung der Organisation 113<br />
<strong>dieser</strong> Diversität zunächst keinen Nachteil, weil die Ausbildung vielfältig<br />
angelegt ist, in der Vielfalt ihren Vorteil hat und dann aber unterschiedliche<br />
Aufgaben zu erfüllen hat, für die es kein einheitliches<br />
Personal geben kann. Die an der Lehrerbildung beteiligten Wissenschaften<br />
haben andere Karrieremuster und Anreizsysteme als die<br />
schulpraktischen Disziplinen, ohne dass dies im Blick auf den Gesamtauftrag<br />
unverträglich wäre.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist nachfolgend auf Probleme, die sich unterhalb<br />
der in Kauf zu nehmenden und an sich vorteilhaften Heterogenität<br />
von Zugängen und Karrieren für die Personalentwicklung im Bereich<br />
der Lehrerbildung stellen. Neu ist zunächst, dass überhaupt von<br />
einer solchen Personalentwicklung gesprochen werden kann. Bislang<br />
ist das Personal beauftragt und/oder abgeordnet worden. Die Ausbildungsfunktionen<br />
wurden auf der Basis gesetzlicher Regelungen übernommen,<br />
ohne sie mit einer gezielten Personalentwicklung zu verbinden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass von einer Entwicklungsperspektive<br />
in der Lehrerbildung kaum die Rede sein kann, wenn das<br />
dazu zur Verfügung stehende Personal nicht selbst <strong>dieser</strong> Perspektive<br />
unterworfen ist. Unter <strong>dieser</strong> Voraussetzung macht die <strong>Kommission</strong><br />
Aussagen über die Personalentwicklung im universitären Bereich, im<br />
Studienseminar sowie in der Fort- und Weiterbildung.<br />
Die Personalentwicklung im Bereich von Wissenschaft und Forschung<br />
ist an die Regeln akademischer Karrieren gebunden. Die<br />
<strong>Kommission</strong> verweist in diesem Zusammenhang auf drei Probleme,<br />
die die Lehrerbildung tangieren:<br />
1) Professuren in verschiedenen Fächern, die vergleichbar an der<br />
Lehrerausbildung beteiligt sind, unterscheiden sich im Anforderungsprofil<br />
zum Teil erheblich.<br />
2) Die akademischen Belohnungssysteme sind nicht oder zu wenig<br />
auf Belange der Lehrerausbildung eingestellt.<br />
3) Der Forschungsertrag wird zu wenig für die Ausbildung genutzt.<br />
Die Tatsache, dass sich Lehrerbildung auf ein Berufsfeld richtet, hat<br />
zur Folge, dass Professuren, die dieses Berufsfeld sehr unmittelbar<br />
tangieren, etwa solche der Schulpädagogik, der Berufs- und Son-
114 Neugestaltung der Organisation<br />
derpädagogik und besonders auch der Fachdidaktik, neben den akademischen<br />
Abschlüssen und der wissenschaftlichen Publizistik Berufsfelderfahrung<br />
voraussetzen, in diesem Zusammenhang an die<br />
Staatsexamen der Lehrerbildung gebunden sind und im Falle der<br />
Fachdidaktik auch noch ein Fachstudium nachweisen müssen. Der<br />
Qualifizierungsweg ist also länger als der anderer Professuren, er hat<br />
aber den Vorteil des Systemwechsels und so der Außenperspektive,<br />
ohne dass sich das heute in der Anstellungsbewertung niederschlagen<br />
würde. Der Vorteil ist also vielfach ein Handicap, weil Berufsfelderfahrung<br />
wissenschaftssoziologisch nicht qualifizierbar ist. Der Systemwechsel<br />
von der Universität zum Berufsfeld und zurück hat bislang<br />
keinen Karrierevorteil für Professuren, ausgenommen, dass er<br />
formal abverlangt wird. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass die von<br />
ihr empfohlene verstärkte Wissenschaftsorientierung von Schul- und<br />
Berufsentwicklung sowie die besonderen Studienangebote für Lehrkräfte<br />
Synergien schaffen, die zu neuen Karrieremustern führen können.<br />
Grundsätzlich besteht das Problem der einseitigen Bewertung. Für<br />
wissenschaftliche Disziplinen gibt es einzig wissenschaftliche Anreize<br />
und Belohnungen. Die <strong>Kommission</strong> stellt dieses Prinzip nicht in Frage,<br />
verweist aber auf zusätzliche Anreize, die zum wechselseitigen<br />
Vorteil entwickelt werden müssen. Engagement in der Lehrerbildung<br />
muss sich für die Forschung lohnen, gleichzeitig müssen Forschungsprojekte<br />
verstärkt in der Ausbildung wirksam werden und müssen<br />
Forschungsergebnisse die Entwicklung des Berufsfeldes steuern. Bisher<br />
kann die Lehrerbildung mit ihrem spezifischen Praxisverständnis<br />
zu wenig mit Forschung anfangen, sie nutzt die vorhandenen Potenziale<br />
nicht ausreichend oder zu unspezifisch. Im Blick auf die Entwicklung<br />
des akademischen Personals muss verstärktes Gewicht darauf<br />
gelegt werden, von der bloßen Repräsentation von Fächern oder<br />
Teildisziplinen wegzukommen und eine projektförmige und möglichst<br />
interdisziplinäre Forschungsorganisation anzustreben. Ein Einstellungsindikator<br />
wäre Forschungserfahrung und publizistischer Erfolg<br />
in <strong>dieser</strong> Hinsicht 61 .<br />
61<br />
Bislang ist das Literaturverzeichnis im Blick auf Fächer oder Einzeldisziplinen<br />
maßgebend, dazu Gutachten und allgemeine Einschätzungen, die sich auf
Neugestaltung der Organisation 115<br />
Auf der anderen Seite wäre die Qualifizierung abgeordneter Lehrerinnen<br />
und Lehrer etwa in Dissertationsprojekten oder postgradualen<br />
Studiengängen gezielt aufzubauen.<br />
Die Lehrerbildung hat nicht nur fachwissenschaftliche Ausbildungsaufgaben.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass bereits heute<br />
für verschiedene Funktionen unterschiedliche Qualifikationen eingesetzt<br />
werden. Das Problem ist eher, die Kriterien nicht immer trennscharf<br />
zu halten, also „Forschung“ zu nennen, was nur Schulentwicklung<br />
sein kann. Ein Habitus forschendes Lernen kann sich aber<br />
nur ausbilden, wenn tatsächlich Forschungserfahrungen vermittelt<br />
werden, die den üblichen Standards entsprechen 62 . Der Lehrkörper<br />
muss auf diese Unterscheidungen ausgerichtet sein, die Organisation<br />
von Praktika, die Vermittlung erster Felderfahrungen für Studierende,<br />
die Einführung in Problemlagen des Berufsfeldes, das Management<br />
Lehrerbildung oder die Requirierung von Forschungsprojekten sind je<br />
verschiedene Aufgaben, die kein einheitliches Personal verlangen.<br />
Diese Situation ist in den Fachwissenschaften nochmals verschieden,<br />
was wiederum dafür spricht, funktionsdifferent vorzugehen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist auf folgende Probleme, die sich aus der<br />
Besonderheit der <strong>Hamburg</strong>er Situation ergeben: Bei der Besetzung<br />
von Professuren in den Fachdidaktiken und beruflichen, bzw. sonderpädagogischen<br />
Fachrichtungen wird eine ausgewiesene erziehungswissenschaftliche<br />
Qualifikation gefordert. Die Ausschreibung der<br />
Stellen erfolgt generell als „Erziehungswissenschaft unter besonderer<br />
Berücksichtigung von ...“. Das erschwert Berufungen, weil diese<br />
Qualifikationen beim entsprechenden Nachwuchs an anderen Universitäten<br />
oft nicht besonders ausgebildet sind. In den Fachwissenschaften<br />
wird vielfach das Ideal der „integrierten Ausbildung“ vertreten,<br />
das heißt die Studierenden der Lehrämter ab-<br />
Erfolgsprognosen im Fach beziehen. Die Folge davon ist, die Referenzen einzig<br />
auf das jeweilige Fach zu beziehen, also zusätzliche Kriterien wie eine besondere<br />
Form von Forschungsorganisation erst gar nicht in Betracht zu ziehen.<br />
62<br />
Das gilt entsprechend für die wissenschaftliche Begleitung von Schulentwicklung.
116 Neugestaltung der Organisation<br />
solvieren das gleiche Studienprogramm wie Diplom- oder Magisterstudierende<br />
63 . Das ist quantitativ ein Problem, weil der Stundenanteil<br />
der „Hauptfachstudierenden“ sehr viel höher liegt, es ist auch qualitativ<br />
ein Problem, weil der Berufsfeldbezug im Lehrangebot keine Rolle<br />
spielt. Das gilt auch dann, wenn die Unterrichtsfächer als Nebenfachstudium<br />
absolviert werden können 64 . Wenn es spezifische Angebote<br />
für Lehramtsstudierende gibt, dann werden sie oft von Lehrbeauftragten<br />
oder Dozenten wahrgenommen, um das hauptsächliche Fachpersonal<br />
zu entlasten. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, bei der Entwicklung<br />
von Kerncurricula in den Fachwissenschaften diese Probleme<br />
besonders zu beachten.<br />
Von Problemen des universitären Personals sind die der anderen<br />
Phasen schon aus Gründen der Anstellungsbedingungen unterschieden.<br />
Das schließt nicht aus, dass bestimmte Qualifikationen des Personals<br />
der anderen Phasen durch universitäre Ausbildungen erworben<br />
werden können. Die Praxis der bloßen Beauftragung sollte abgelöst<br />
werden durch gezielte, wenngleich differenzierte Qualifizierungsmaßnahmen,<br />
die wiederum den Ausbildungsfunktionen entsprechen<br />
müssen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Personalentwicklung am<br />
Studienseminar in ein umfangreiches und attraktives Konzept einzubinden.<br />
Für alle im Studienseminar angebotenen Lehrämter gilt,<br />
wenngleich unterschiedlich akzentuiert, dass in Zukunft nur unter erheblich<br />
veränderten Bedingungen qualifizierte Seminarleiterinnen und<br />
Seminarleiter gewonnen werden können. Derzeit gibt es für geeignete<br />
Lehrkräfte zu wenig wirkliche Anreize, eine Tätigkeit im Studienseminar<br />
anzustreben. Diese für beide Seiten unbefriedigende Situation<br />
könnte sich verschärfen, wenn die Tätigkeit des Seminarleiters befristet<br />
wird.<br />
Gerade im Hinblick auf die Personalsituation ist das Studienseminar<br />
noch kein sich entwickelndes System. Die <strong>Kommission</strong><br />
schlägt vor, bei der Personalentwicklung von folgenden Prämissen<br />
auszugehen:<br />
63<br />
Im Lehramt an der Oberstufe Allgemeinbildende Schulen stehen 60 SWS im<br />
Fach 160 SWS im Diplom gegenüber, in den übrigen Lehrämter werden 40<br />
SWS im Unterrichtsfach abverlangt.<br />
64<br />
Wie Chemie für Biologen.
Neugestaltung der Organisation 117<br />
1) Tätigkeiten für die Lehrerausbildung in Schule und Studienseminar<br />
sind herausgehobene Tätigkeiten, die spezifische Qualifikationen<br />
verlangen, welche besonders ausgebildet und honoriert<br />
werden müssen.<br />
2) Die Tätigkeit am Studienseminar ist befristet. Sie muss im Rahmen<br />
eines Personalentwicklungskonzepts für Leitungstätigkeiten<br />
einen Schritt in der persönlichen Karriereplanung des Leitungsnachwuchses<br />
darstellen.<br />
3) Die Tätigkeit am Studienseminar darf nicht als Dauertätigkeit<br />
oder berufliche Sackgasse verstanden werden noch zu beliebigem<br />
Einsatz an anderen Dienstorten führen.<br />
4) Der Einsatz der Seminarleiterinnen und Seminarleiter muss wie<br />
die Entwicklung des schulischen Personals selbst am Grundsatz<br />
der Flexibilität orientiert sein, aber mit dem besonderen Engagement<br />
müssen sich besondere Chancen verbinden.<br />
5) Vorlaufende und begleitende Qualifizierung der Seminarleiterinnen<br />
und Seminarleiter gehört zum Berufsverständnis und ist orientiert<br />
am Bedarf der Dienststelle sowie den Anforderungen des<br />
Studienseminar-Programms.<br />
Die inhaltlichen Qualifikationen müssen im Blick auf das Programm<br />
fortlaufend angepasst werden. Insbesondere müssen die Seminarleiterinnen<br />
und Seminarleiter auf die Ausbildungsprogramme der ersten<br />
Phase hin qualifiziert werden. Sie müssen imstande sein,<br />
ihre Programme auf die Kerncurricula der ersten Phase zu beziehen,<br />
die Portfolios der ersten Phase - und entsprechend die Leistungsnachweise<br />
- soweit weit wie möglich anschlussfähig zu halten,<br />
den Habitus forschendes Lernen zu fördern und<br />
davon ausgehend ein eigenes Profil der Ausbildung im Studienseminar<br />
auszubauen und zu entwickeln.
118 Neugestaltung der Organisation<br />
Die Besonderheit der Aufgaben und Leistungen zeigt sich aber erst in der<br />
Verbindung mit der Praxis. Die Seminarleiterinnen und Seminarleiter der<br />
zweiten Phase sind ein zentrales Bindeglied zwischen wissenschaftlicher<br />
und berufspraktischer Ausbildung der ersten Phase und der konkreten<br />
Berufspraxis am Ort der Schule. Diese Vermittlerfunktion können sie nur<br />
dann erfüllen, wenn sie selbst regelmäßig unterrichten und am schulischen<br />
Erfahrungsprozess teilhaben. Gegenüber der Universitätsausbildung ist dies<br />
ein Personalvorteil, der nicht preisgegeben werden darf. Daher ist für die<br />
Tätigkeit von Seminarleiterinnen und Seminarleitern sicherzustellen, dass<br />
ihr Einsatz sinnvoll ist im Blick auf die spezifischen Aufgaben des<br />
Studienseminars,<br />
der Einsatz für beide Dienstorte, Schule wie Studienseminar, in organisatorischer<br />
Hinsicht verlässlich erfolgt,<br />
Regelungen entwickelt werden, einschließlich transparenter Arbeitszeitberechnungen,<br />
die den Einsatz von Seminarleiterinnen und Seminarleitern<br />
an den beiden Dienstorten beschreiben,<br />
die Befristung der Tätigkeit im Falle der Bewährung verlängert werden<br />
kann, ohne Dauerstellen einzurichten,<br />
bei erfolgreicher Ausübung der Aufgaben der Seminarleitung als<br />
zweiter Dienstort vorübergehend auch eine Tätigkeit in der Behörde 65 ,<br />
im Institut für Lehrerfortbildung oder an der Universität möglich ist und<br />
die Arbeit an zwei Ausbildungsorten unter der Voraussetzung besonderer<br />
Qualifizierungen im Blick auf Beförderungen oder Gehaltszulagen<br />
angemessen gewürdigt wird.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, das Personalentwicklungskonzept für Schulen<br />
dahingehend zu präzisieren, dass Tätigkeiten in der Lehrerbildung als<br />
Bonusfaktor besondere Berücksichtigung erfahren. Die Behörde sollte<br />
Qualifizierungsmaßnahmen anbieten, die als Bewerbungsvoraussetzung für<br />
eine Tätigkeit am Studienseminar angesehen werden. Zu überlegen wäre,<br />
ob derartige Maßnahmen im Zuge der Weiterbildung erfolgen sollen, was<br />
nochmals die Tätigkeit am Studienseminar aufwerten würde. Mindestens<br />
ist von einem bestimmten Qualifikationsprofil „Seminarleitung Studienseminar“<br />
auszugehen, für das Ausbildung zur Verfügung gestellt wer-<br />
65<br />
BSJB (etwa in der Rahmenplanentwicklung).
Neugestaltung der Organisation 119<br />
den muss. Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, dem Studienseminar einen entsprechenden<br />
Auftrag zu erteilen, der bis Mitte 2001 vorgelegt werden soll.<br />
Gleichzeitig erhält das Studienseminar den Auftrag, Vorschläge zu entwickeln, die<br />
die Beauftragung sowie den bedarfsdeckenden Einsatz von Seminarleiterinnen und<br />
Seminarleitern an anderen Dienstorten regeln. Diese Vorschläge sollen berücksichtigen,<br />
dass die Qualität der Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren erhalten und<br />
verbessert werden kann sowie die Ausbildungs- und Prüfungsveranstaltungen<br />
organisierbar sind, ohne die Arbeit am anderen Dienstort zu beeinträchtigen. Zudem<br />
muss im Rahmen einer transparenten Arbeitszeitrechnung die Mitarbeit der<br />
Seminarleiterinnen und Seminarleiter an der konzeptionellen Weiterentwicklung des<br />
Studienseminars gesichert sein.<br />
Im Blick auf das Personal der Fort- und Weiterbildung stellt sich das Problem,<br />
angesichts heterogener Aufgaben und uneinheitlicher Anforderungen mit einem<br />
beauftragten Personal arbeiten zu müssen, das ganz unterschiedlichen<br />
Qualifikationskontexten entstammt. Die dezidierte Abnehmer- oder Kundenorientierung<br />
in der Neuorganisation des Instituts für Lehrerfortbildung wird von der<br />
<strong>Kommission</strong> ausdrücklich begrüßt. Dieses Konzept verlangt Projektarbeit mit<br />
wechselnden Teams, die imstande sind, zielgenau auf Nachfrage zu reagieren. Die<br />
Personalentwicklung des Instituts sollte vor allem auf diesen Sektor ausgerichtet<br />
werden. Das herkömmliche Kurssystem mit Lehrbeauftragten ist in vielen Fällen zu<br />
unspezifisch und zu unsicher im Transfer, als dass hier nochmals eine<br />
Personalentwicklung ansetzen sollte. Hinderlich ist auch die weitgehend<br />
unkontrollierte Dauerbeauftragung bestimmter Personen. Demgegenüber ist<br />
aussichtsreich, mit besonderen, auf den konkreten Bedarf abgestimmten Angeboten auf<br />
reale Problemlagen der Schulentwicklung reagieren zu können. Die Erfahrungen in<br />
diesem Bereich müssen für Personalentwicklung genutzt werden, wobei verstärkt auch<br />
freiberufliche Angebote berücksichtigt werden sollen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> denkt insbesondere an<br />
Teams für neue Aufgaben in der Schulaufsicht,<br />
Teams für die Verbesserung und Intensivierung schulfachbezogener<br />
Kursangebote,
120 Neugestaltung der Organisation<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Trainer für die Bewältigung spezifischer Probleme der schulischen<br />
Erziehungsarbeit,<br />
Coaching der Öffentlichkeitsarbeit von Schulen, insbesondere der<br />
Stadtteilarbeit,<br />
Personal für sozialpädagogische Serviceangebote und<br />
Beratungsangebote für die persönliche Präsentation von Lehrkräften.<br />
Das Personal für diese Aufgaben muss kurzfristig zur Verfügung stehen<br />
können, ohne auf Dauerstellen zurückzugreifen. Die Entwicklung<br />
des Instituts für Lehrerfortbildung in Richtung eines Assessment<br />
Centers verlangt mobiles Personal, das auf bewegliche Vorgaben zu<br />
reagieren versteht und entsprechend gut honoriert werden muss. Zudem<br />
sind komplexe Management-Aufgaben zu bewältigen, für die<br />
felderfahrenes Führungspersonal notwendig ist. Die <strong>Kommission</strong><br />
empfiehlt auch hier eine Anrechnung erfolgreicher Tätigkeiten auf die<br />
Karriere, soweit Aufgaben oder Projekte in der Fort- und Weiterbildung<br />
von amtierenden Lehrkräften übernommen werden. Daneben<br />
entsteht bereits heute ein freier Markt für Ausbildungsleistungen, der<br />
in Anspruch genommen werden sollte, soweit die Qualitätsstandards<br />
der Lehrerbildung dies zulassen. Das Institut für Lehrerfortbildung ist<br />
gehalten, im Rahmen der Evaluationsmaßnahmen Kriterien für Standardsicherung<br />
zu entwickeln, die zugleich als Mindestanforderungen<br />
für die Personalanstellung gelten können.<br />
7.5. Kommunikation und fortlaufende Abstimmung<br />
Die <strong>Kommission</strong> hat bereits mehrfach darauf verwiesen, dass zur<br />
Verwirklichung eines Gesamtauftrages Lehrerbildung enge Formen<br />
der Kommunikation sowie verbindliche Abstimmungen innerhalb der<br />
Universität sowie zwischen den Phasen der Lehrerbildung unabdingbar<br />
sind. Generell gilt, dass es je nach Fach und Fachdidaktik unterschiedliche<br />
Wege einer verstärkten und möglichst gleich starken Kooperation<br />
geben sollte, dass aber gleichermaßen die Einhaltung von<br />
Minimalstandards für den Informationsfluss innerhalb
Neugestaltung der Organisation 121<br />
der Universität und zwischen den drei Phasen der Lehrerbildung notwendig<br />
ist. Für verstärkte Kommunikation und Kooperation sind entsprechende<br />
Organe und Gremien zu schaffen. Grundlegend ist davon<br />
auszugehen, dass sehr heterogene Verhältnisse bestehen, die nicht<br />
einheitlich bedient oder entwickelt werden können.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt im Sinne des Berufsfeldbezuges eine<br />
starke, wenngleich nicht ausschließliche Orientierung an den Schnittlinien<br />
Fachwissenschaft,<br />
Fachdidaktik,<br />
Fachseminar zweite Phase,<br />
Schulpädagogik,<br />
Schulfächer und Aufgabengebiete und<br />
schulfachbezogene Fortbildung.<br />
Auf <strong>dieser</strong> Linie bestehen die größten Gemeinsamkeiten, insbesondere<br />
im Blick auf das Problemverständnis sowie die fachlichen Entwicklungshorizonte.<br />
Der Austausch kann Fachverständnis voraussetzen<br />
und erleichtert die Teilnahme jener Teile der Fachwissenschaften,<br />
die der Lehrerbildung bislang eher fern stehen. Außerdem sind inhaltliche<br />
Entwicklungen der Schulfächer nur dann zu erwarten, wenn die<br />
Reduzierung der Ausbildung auf Unterrichtsmethoden vermieden<br />
wird. Die <strong>Kommission</strong> wiederholt diesen wichtigen Punkt, auch weil<br />
sie der Meinung ist, dass künftige Lehrplan- sowie Lehrmittelentwicklungen<br />
den dezidierten Einsatz der Fachwissenschaften verlangen.<br />
Ohne Bindung in schulische Interessenfelder und Organisationsformen<br />
der Lehrerbildung wird das nicht möglich sein. An der Neudefinition<br />
von „Schulfächern“ müssen die Fachwissenschaften nachhaltig<br />
beteiligt werden, ihr hoher zeitlicher Anteil an der Ausbildung<br />
sollte gerade auch in <strong>dieser</strong> Hinsicht genutzt werden. Dort, wo Distanz<br />
zur Lehrerausbildung gegeben ist, sollte sie durch Einbindung<br />
und Nutzen der besonderen Kompetenzen überwunden werden. Das<br />
gelingt vornehmlich dort, wo fachliche Anschlüsse gegeben sind.<br />
Das setzt spezifische Forschung voraus, die mit Nachdruck zwischen<br />
Fachwissenschaft und Fachdidaktik entwickelt werden muss.<br />
Fachdidaktiken müssen als Forschungsdisziplinen profiliert
122 Neugestaltung der Organisation<br />
und weiterentwickelt werden. 66 Gemeinsame Projekte zwischen<br />
Fachwissenschaften und Fachdidaktiken wird es nur geben, wenn<br />
Forschungsinteressen ausgebildet werden. Die <strong>Kommission</strong> verweist<br />
auf die zum Teil bereits erwähnten, vordringlichen Forschungsthemen<br />
im Bereich<br />
der historischen Lehrplanentwicklung der einzelnen Schulfächer,<br />
der Mechanismen des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft<br />
und Schule,<br />
des Interesses für naturwissenschaftliche Fächer und so der schulischen<br />
Steuerungsmechanismen,<br />
der Anschlüsse zwischen Schulwissen und beruflicher Verwendung,<br />
dem Verhältnis von Allgemeinbildung und fachlicher Spezialisierung,<br />
der schulstufen-, bzw. schulformangemessenen Qualifizierung der<br />
Lehrkräfte in inhaltlicher Hinsicht.<br />
Für den Bereich der Universität gilt auch, dass ein verstärkter Informationsaustausch<br />
und eine wesentlich verbesserte Kooperation zwischen<br />
Allgemeiner Erziehungswissenschaft, den Fachdidaktiken und<br />
den Fächern stattfinden muss. Hierzu gehören die Abstimmung des<br />
Lehrangebots oder der Austausch über Pilotprojekte, die eine engere<br />
Verzahnung zwischen Fachdidaktiken und Fächern oder zwischen<br />
Fachdidaktiken und erziehungswissenschaftlichen Projekten beinhalten.<br />
Zudem erscheint es als notwendig, dass auftretende Schwierigkeiten<br />
zwischen Fachdidaktiken und Fächern in regelmäßigen Abständen<br />
angesprochen und geklärt werden können. Notwendig für diese<br />
Ziele sind Treffen, die für alle Vertreter der Fachdidaktiken sowie<br />
die Beauftragten der Fächer an der Universität durchgeführt werden.<br />
Für eine stärkere strukturelle Verzahnung einzelner Fächer und<br />
Fachdidaktiken sind folgende Vorhaben anzustreben:<br />
66<br />
Übersicht in: MANGOLD/OELKERS 2000.
Neugestaltung der Organisation 123<br />
1) Für die Besetzung von Berufungskommissionen in Fachdidaktiken sollte<br />
jeweils eine Vertreterin, bzw. ein Vertreter aus den jeweiligen Fächern<br />
hinzugezogen werden. Umgekehrt sollte bei der Berufung von Professuren<br />
in den Fächern, die sich in besonderer Form der Lehrerbildung widmen,<br />
jeweils ein Mitglied aus den Fachdidaktiken in die <strong>Kommission</strong> berufen<br />
werden. Professuren in den Fächern, die einen Schwerpunkt in der Lehrerbildung<br />
haben, sollten schon in der Ausschreibung als solche zu erkennen<br />
sein.<br />
2) In das Veranstaltungsangebot sollten verstärkt kooperative Seminare<br />
aufgenommen werden. Als Gratifikation für den erhöhten Aufwand sollten<br />
die betreffenden Dozenten jeweils den Gesamtumfang der Lehre auf ihr<br />
Lehrdeputat angerechnet bekommen.<br />
3) Gemeinsame Forschungsprojekte, an denen Fachdidaktiker und Fachdidaktikerinnen<br />
sowie Vertreter der Fächer teilnehmen, sollten ausgearbeitet und<br />
in besonderer Form unterstützt werden. Hierfür kämen studentische Hilfskraftstunden,<br />
befristete Doktorandenstellen (24.3-Stellen) und Druckkostenzuschüsse<br />
für die Publikation von Ergebnissen in Betracht.<br />
4) Für eine stärkere wechselseitige Abstimmung zwischen Fächern und<br />
Fachdidaktiken sollte verbindlich festgelegt werden, dass bei der Erstellung<br />
von Studienplänen und Lehrplänen sowie für eine Überarbeitung der<br />
Lehrerprüfungsordnung jeweils Vertreterinnen und Vertreter der Fachdidaktiken<br />
und der Fächer mitarbeiten.<br />
5) Weiterhin ist anzustreben, dass sowohl für den Bereich Erziehungswissenschaft/Fachdidaktik<br />
als auch in den Fächern die Abstimmung der Kerncurricula<br />
durchgesetzt wird.<br />
Das letzte Postulat ist von grundlegender Bedeutung. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />
die Abstimmung von Kerncurricula zwischen den einzelnen Anbietern zu einer<br />
verbindlichen Aufgabe aller lehrerbildenden Fachbereiche zu machen. Für die<br />
Ausarbeitung und Realisierung eines Kerncurriculums ist ein umfassender<br />
Verständigungsprozess unerlässlich. Die <strong>Kommission</strong> sieht es aber als möglich<br />
an, in zwei Jahren zur Einrichtung abgestimmter Kerncurricula
124 Neugestaltung der Organisation<br />
der Lehrerbildung zu gelangen. Die Kerncurricula bilden eine wesentliche<br />
Grundlage für die Anschlussfähigkeit der nachfolgenden Phasen.<br />
Für eine stärkere Kooperation zwischen den drei Phasen sind weitere<br />
Maßnahmen notwendig, die nicht abschließend aufgelistet werden<br />
können. Ohne der Erprobung vorzugreifen, verweist die <strong>Kommission</strong><br />
aber auf bestimmte Maßnahmen im Bereich des Personalaustausches,<br />
die das bisher Gesagte ergänzen und fortführen können:<br />
Bei der Auswahl von Lehrbeauftragten am Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
sollen das Studienseminar und das Institut für<br />
Lehrerfortbildung in geeigneter Weise beteiligt werden. Zudem<br />
sind Praxislehrkräfte stärker zu berücksichtigen. Die Lehraufträge<br />
selbst wären entsprechend zu profilieren und für die Personalentwicklung<br />
zu nutzen.<br />
Die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Abordnung von Lehrerinnen<br />
und Lehrern an die Universität sollte verstärkt genutzt werden<br />
mit dem Ziel der Erfahrung von universitärer Lehre sowie der<br />
wissenschaftlichen Weiterqualifikation. Diese Möglichkeit sollte<br />
besonders für diejenigen Lehrkräfte genutzt werden, die im Studienseminar<br />
und im Institut für Lehrerfortbildung tätig sind.<br />
Das integrierte Schulpraktikum sowie die Forschungspraktika<br />
können zusätzlich für Projekte zwischen Universität, den anschließenden<br />
Phasen der Lehrerbildung sowie der Schulpraxis genutzt<br />
werden.<br />
Umgekehrt ist es unentbehrlich, dass die Vertreterinnen und Vertreter<br />
aus dem Bereich der Erziehungswissenschaft/ Fachdidaktik<br />
einen stärkeren und verbindlicheren Eindruck in das Leben an der<br />
Schule bekommen. Dies ist im Zusammenhang mit den integrierten<br />
Schul- und Forschungspraktika möglich, wobei die Ausarbeitung<br />
eines Leitfadens für eine angemessene Kooperation förderlich<br />
wäre.<br />
Die Vertreterinnen und Vertreter der universitären Fachdidaktik,<br />
darüber hinaus auch andere Mitglieder des Fachbereichs Erziehungswissenschaft<br />
sowie interessierte Fachwissenschaftler sollten<br />
die Möglichkeit erhalten, in einem Mindestabstand von
Neugestaltung der Organisation 125<br />
vier Jahren für die Dauer eines Schulhalbjahres 2 Stunden pro Woche<br />
an einer Schule zu unterrichten oder verantwortlich an der Planung<br />
und Durchführung einer Projektwoche mitzuarbeiten. Diese Einbindung<br />
für eine begrenzte Zeit in der Schule könnte auch gekoppelt<br />
werden mit Forschungsvorhaben und Evaluationsprojekten, in die<br />
Studierende eingebunden sind.<br />
Weiterhin erscheint es als notwendig, dass kooperative Seminare angeboten<br />
werden, an denen Lehrerkräfte sowie Studierende und Referendare<br />
gemeinsam teilnehmen. Hierbei sollte die Einrichtung von<br />
Tandembildungen, an denen jeweils eine Lehrkraft, ein Studierender<br />
oder eine Studierender sowie ein Referendar oder eine Referendarin<br />
gemeinsam teilnehmen, erwogen werden.<br />
Für die Ermöglichung bzw. Sicherung einer strukturell angelegten<br />
dauerhaften Kooperation zwischen den an der Aus- und Fortbildung<br />
beteiligten Vertreterinnen und Vertretern der ersten, zweiten und dritten<br />
Phase der Lehrerbildung ist eine Institutionalisierung der Kommunikation<br />
unabdingbar. Die <strong>Kommission</strong> schlägt hierfür die Einrichtung<br />
von „Sozietäten“ vor. Diese Sozietäten sollen sich zusammensetzen<br />
aus Mitgliedern der jeweiligen Fachdidaktik, des Faches,<br />
des jeweiligen Referenten, bzw. der Referentin aus dem Studienseminar,<br />
dem Institut für Lehrerfortbildung, dem entsprechenden Lehrerverband<br />
sowie der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung.<br />
Sozietäten sollen auch unabhängig von den Fächern zu schulpädagogisch<br />
relevanten „Querfragen“ gebildet werden, beispielsweise zu<br />
Fragen der Schulentwicklung, der interkulturellen Bildung und der<br />
Medienpädagogik. Die Zusammensetzung <strong>dieser</strong> Sozietäten ist phasen-<br />
und institutsübergreifend zu gestalten. Die Arbeit der Sozietäten<br />
ist organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Zwei bis vier Treffen<br />
im Jahr sollen stattfinden, die dem wechselseitigen Informationsaustausch<br />
und der Besprechung sowie Konzipierung von Kooperationsprojekten<br />
dienen. Die Sozietäten sollen mit ihren Sprechern, bzw.<br />
ihren Sprecherinnen an den Entwicklungsarbeiten der Lehrerbildung<br />
beteiligt werden und insbesondere für die fachlichen Abstimmungsprozesse<br />
sowie für ein spezifisches Forschungsaufkommen zuständig<br />
sein.
126 Neugestaltung der Organisation<br />
Zusätzlich zu den angeführten Kooperationsvorhaben sollen gemeinsame<br />
Lehrerfortbildungsveranstaltungen geplant werden. Hierfür<br />
sollen die Sozietäten eine besondere Veranstaltung in der Vorplanung<br />
übernehmen und entscheidendes Gewicht bei notwendigen Priorisierungen<br />
erhalten 67 . Da die <strong>Kommission</strong> davon ausgeht, dass Lehrerinnen<br />
und Lehrer in regelmäßigen Abständen an Fortbildungsveranstaltungen<br />
teilnehmen, sollte es darüber hinaus eine Reihe weiterer<br />
Fortbildungsveranstaltungen in regelmäßigen Abständen geben.<br />
67<br />
Ein Beispiel hierfür ist die bereits bestehende Einrichtung der „Novemberakadamie“.<br />
Hier wird in einer größeren, in der Regel auf zwei Tage angelegten<br />
Fortbildungsverstaltung ein wissenschaftlich relevantes und für die Schulpraxis<br />
wichtiges Thema aufgegriffen und in Kooperation zwischen den Phasen<br />
der Lehrerbildung, praktizierenden Lehrkräften sowie Referendaren und Studierenden<br />
angeboten. Die Einrichtung einer solchen Novemberakademie ist<br />
1999 erprobt worden und findet im November 2000 eine Fortsetzung (vgl.<br />
WEISSE/DOEDENS 2000).
Prioritäre Themen 127<br />
8. Prioritäre Themen für die<br />
Ausbildung<br />
Die <strong>Kommission</strong> geht von der Notwendigkeit aus, für die Lehrerbildung<br />
prioritäre Themen zu bestimmen, die neben und in Verbindung mit den<br />
Kerncurricula der ersten und zweiten Phase verbindlich angeboten werden.<br />
Kerncurricula sind entweder fachbestimmt oder zielen auf spezifische<br />
Qualifikationen ab, die sich anhand verschiedener Inhalte und Themen erreichen<br />
lassen. Prioritäre Themen stellen demgegenüber bestimmte inhaltliche<br />
Anforderungen dar, die in der ersten und/oder zweiten Phase der<br />
Ausbildung verbindlich studiert werden müssen. Dabei ist nicht ein Fach<br />
oder ein Fachbereich maßgebend, vielmehr muss gesichert sein, dass diese<br />
Themen im Gesamtangebot präsent sind. Die Priorität ergibt sich aus Einschätzungen<br />
der gesellschaftlichen Entwicklungen, des damit verbundenen<br />
Bildungsbedarfs sowie der darauf zugeschnittenen Anforderungen der<br />
künftigen Lehrerbildung. Prioritäre Themen können auf verschiedene Weise<br />
in das Aus- und Fortbildungsangebot eingearbeitet werden, als inhaltliche<br />
Querdimension, als Vertiefung der erziehungswissenschaftlichen,<br />
fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Studien und ggf. auch als Ergänzungsstudiengänge<br />
mit entsprechenden Anschlüssen in der zweiten<br />
Phase und der Fortbildung.<br />
Weder die KMK-<strong>Empfehlungen</strong> noch die überwiegende Zahl der neueren<br />
Veröffentlichungen formulieren thematische Prioritäten. Die Vorschläge<br />
in der einschlägigen Reformliteratur sind eher ein Katalog von Vorlieben,<br />
der sich beliebig verlängern lässt, ohne die Ausbildung mindestens in<br />
Teilen thematisch zu konzentrieren. Genau das, eine thematische Konzentration,<br />
schlägt die <strong>Kommission</strong> vor. Sie hat also zwei verschiedene Instrumente<br />
zur Reduktion des Beliebigkeitsproblems, die Kerncurricula und<br />
die prioritären Themen als Querdimension wie als Ergänzungsangebot. Die<br />
<strong>Kommission</strong> empfiehlt, die beiden Instrumente unterschieden zu halten,<br />
nicht nur aus Gründen der kategorialen und curricularen
128 Prioritäre Themen<br />
Differenz, sondern vor allem weil die Struktur der Kerncurricula längerfristig<br />
stabil zu halten ist. Der Vorschlag impliziert nicht, dass die gesamte<br />
oder auch nur die überwiegende Ausbildung auf die prioritären Themen<br />
abgestellt sein muss. Andererseits geht die <strong>Kommission</strong> davon aus, dass<br />
diese Themen verstärkt Lehre und Forschung bestimmen, interdisziplinäre<br />
Bearbeitung finden und auch über die Lehrerbildung hinaus anerkannte<br />
Bedeutung haben.<br />
Das Auswahlproblem – welche Priorität bei übermäßig vielen Möglichkeiten?<br />
- löst die <strong>Kommission</strong> durch begründete Setzung. Sie geht davon<br />
aus, dass für die künftige Entwicklung von Lehrerbildung und Schule die<br />
folgenden drei Themen auf absehbare Zeit unbedingten Vorrang haben<br />
werden:<br />
1) Neue Medien als Mittel und Gegenstand von Lehren und Lernen,<br />
2) Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität und<br />
3) Schulentwicklung.<br />
Die Setzung <strong>dieser</strong> Themen wird von der <strong>Kommission</strong> wie folgt begründet:<br />
Die Nutzung neuer Medien für Lehr- und Lernprozesse sowie die Auseinandersetzung<br />
mit ihren Möglichkeiten und Grenzen bzw. ihren Chancen<br />
und Risiken stellen mittlerweile selbstverständliche Forderungen für alle<br />
Schulstufen und Bildungsgänge dar. Grund dafür ist die Einschätzung, dass<br />
den Medien und Informationstechnologien schon heute und noch mehr in<br />
der Zukunft für Wirtschaft und Politik, Individuum und Gesellschaft, Freizeit<br />
und berufliches Handeln eine eminente Bedeutung zukommt. Die reflektierte<br />
Nutzung und Fähigkeit zur kritischen Einschätzung von Medieninformationen<br />
wird angesichts der Tatsache, dass Medien und Informationstechnologien<br />
immer mehr Lebensbereiche durchdringen und beeinflussen<br />
für die Teilhabe am beruflichen, kulturellen und gesellschaftlichen<br />
Leben immer bedeutsamer.<br />
Umso erstaunlicher ist es, dass der Bereich Medien und Informationstechnologien<br />
in der Lehrerbildung bisher nur relativ wenig Beachtung gefunden<br />
hat. Abgesehen von einzelnen bildungspolitischen Forderungen<br />
(vgl. KMK 1995, 1997; Ministerium für Schule und Weiterbildung 2000)<br />
und einzelnen Modellvorhaben (etwa: TULODZIECKI/ BLÖMEKE 1997;<br />
SCHULZ-ZANDER 1999) hat die Frage der
Prioritäre Themen 129<br />
neuen Medien noch lange nicht den Stellenwert in der Lehrerbildung, der<br />
ihr angesichts der bildungspolitischen Diskussion und gesellschaftlichen<br />
Bedeutung zukommen müsste. Selbst im Abschlussbericht der KMK-<br />
<strong>Kommission</strong> zu den „Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland“ ist<br />
dem Thema nur ein kurzer Abschnitt gewidmet (TERHART 2000, S. 73ff.),<br />
der wohl auf mediale Veränderungen in der Schule eingeht, aber nicht sagt,<br />
wie sich mit den neuen Medien die Lehrerbildung verändern soll. Aus der<br />
Sicht der <strong>Kommission</strong> ist es nicht vertretbar, dass Mediennutzung und Medienkompetenz,<br />
bzw. mediale Bildung ins Zentrum der allgemeinen und<br />
beruflichen Bildung rücken, die Lehrerbildung sich aber insgesamt mit<br />
dem Thema nur sehr zögerlich auseinander setzt.<br />
Das Grundbild für die Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern ist<br />
immer noch stark vom herbartianischen Modell der unterrichtenden einzelnen<br />
Lehrkraft bestimmt, die wesentlich mit sich und ihren situativ präsentierbaren<br />
Kompetenzen Wissen und Können vermittelt. Die <strong>Kommission</strong><br />
ist der entschiedenen Auffassung, dass dieses historische Leitbild aufgelöst<br />
und ersetzt werden muss durch ein neues Leitbild, das von den Möglichkeiten<br />
medialer Lehr- und Lernprozesse geprägt ist. Zu diesem Leitbild gehören<br />
unter anderem<br />
das Lernen mit und über Medien,<br />
die professionelle Nutzung des Internet,<br />
die Konzeption und Bereitstellung computerbasierter Lernumgebungen,<br />
das Lernen in virtuellen Welten,<br />
die Reflexion des Lernens mit Medien im Rahmen einer kritischen<br />
Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken neuer Informationsund<br />
Kommunikationstechnologien,<br />
die Abstimmung von selbstgesteuerten und lehrergeleiteten Lernphasen,<br />
die Verbindung von schulischem und außerschulischem Lernen mit<br />
neuen Modellen zur Lehr- und Lernzeit sowie Lehr- und Lernorganisation,<br />
eine neue Bestimmung von grundlegendem Wissen und Können sowie<br />
der Bedeutung von Informationsangebot und Informationsbeschaffung<br />
sowie Informationsbewertung.
130 Prioritäre Themen<br />
Die Lehrerbildung muss entsprechende Anforderungen aufnehmen und sicherstellen,<br />
dass die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer Medien und Informationstechnologien<br />
bereits in ihrer Ausbildung als Mittel und Gegenstand<br />
von Lehren und Lernen erfahren sowie mit den neuen Formen der<br />
Lehr- und Lernorganisation umgehen lernen. Sie sollen so die Möglichkeit<br />
erhalten, sich auf der Basis eigener Erfahrungen auf die lerntechnologischen<br />
Entwicklungen ihres Berufsfeldes einzustellen.<br />
Das Berufsfeld wird sich unter dem Druck der neuen Möglichkeiten<br />
weitgehend verändern. Bislang haben Lehrerbildung und Schule es sich<br />
leisten können, die Entwicklung nicht forciert voran zu bringen und eher<br />
zögerlich oder auch abwehrend zu reagieren. Der Druck des internationalen<br />
Bildungswettbewerbs, der sich wesentlich medial vollzieht, wird das<br />
innerhalb kurzer Zeit ändern. Die klassische Einstellung, dass neue Medien<br />
nichts grundsätzlich an der herbartianischen Grundsituation des Unterrichtens<br />
ändern (CUBAN 1986), lässt sich nicht länger halten. Das Internet<br />
ist kein zweiter Fall „programmierter Unterricht“. Diese Feststellung<br />
schließt nicht aus, dass die neuen Medien auch klassische Unterrichtsaufgaben<br />
abverlangen wie<br />
Stärkung der elementaren Kompetenzen etwa im Bereich des Lesens,<br />
Übersicht und Einordnung der medialen Informationsangebote,<br />
Einsicht in die Herstellung und Kommunikation des Wissens.<br />
Zurückgenommen reagiert die Lehrerbildung bis heute auch auf ein zweites<br />
dominantes Thema der gesellschaftlichen Entwicklung, das der zunehmenden<br />
kulturellen und sozialen Heterogenität. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier<br />
eine weitere inhaltliche Priorität der künftigen Lehrerbildung, nicht zuletzt,<br />
weil ein erheblicher Steuerungsbedarf besteht. Schulen richten ihre Aufmerksamkeit<br />
auf dieses Thema und verstärken ihre Anstrengungen zumeist<br />
nur dann, wenn die konkreten Verhältnisse vor Ort dazu zwingen oder unvermeidlich<br />
Anlass geben (ALLEMANN-GHIONDA 1999). Die zentrale Aufgabe<br />
des demokratischen Schulwesens, für die Integration von sprachlich,<br />
ethnisch und kulturell heterogenen Gruppen unter Anerkennung ihrer Differenz<br />
zu sorgen, bestimmt weder schulische
Prioritäre Themen 131<br />
Leitbilder noch die Programmatik der Lehrerbildung. Das Ausbildungsverständnis<br />
ist nach wie vor bestimmt von Annahmen kultureller Einheit und<br />
Identität. Differenz als Leitkategorie und zunehmende Erfahrungswirklichkeit<br />
der sozialen Entwicklung wird von der Lehrerbildung allenfalls am<br />
Rande berührt.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die prioritäre Ausgestaltung dieses Themas<br />
nicht nur im Blick auf die Multikulturalität und Vielsprachigkeit der weitaus<br />
meisten schulischen Verhältnisse. Sie sieht hier großen Handlungsbedarf,<br />
verweist aber auf darüber hinausgehende Fragestellungen der zunehmend<br />
lebensbestimmenden Erfahrungen von Differenz<br />
in der Realisierung von Bildung und Ausbildung,<br />
der beruflichen Karrieren,<br />
der Ausgestaltung von sozialen und individuellen Lebensentwürfen,<br />
der geschlechtlichen Kommunikation und Beziehungsgestaltung,<br />
der kulturellen Verhältnisse.<br />
Künftige Lehrkräfte werden sich, ähnlich wie beim Thema neue Medien,<br />
auf eine grundlegend veränderte gesellschaftliche und schulische Wirklichkeit<br />
einstellen müssen, die nicht nach Maßgabe pädagogischer Einheitsideale<br />
erwartet werden darf. Kulturelle Vielfalt ist ebenso wenig ein Phänomen,<br />
das durch geeignete staatliche Maßnahmen zum Verschwinden gebracht<br />
werden kann, wie die Vielfalt von Familienformen oder die Nichtlinearität<br />
künftiger beruflicher Tätigkeiten. Viele Lehrkräfte und Studierende<br />
sind von der Erwartung bestimmt, dass die früheren Verhältnisse die richtigen<br />
gewesen seien und die Zukunft an der Vergangenheit der monokulturellen<br />
Verschulung gemessen werden könne 68 . Letztlich geht es bei dem<br />
Thema Heterogenität und Differenz um die Frage, auf welche gesellschaftliche<br />
Zukunft die Schule und mit ihr die Lehrerbildung eingestellt werden<br />
soll. Und es spricht für die Macht<br />
68<br />
Eine solche Praxis hat es historisch nie gegeben, wenn man Milieudifferenzen, Arbeits-<br />
oder Armutsmigrationen, konfessionelle Abgrenzungen und ähnliche Faktoren<br />
in Rechnung stellt.
132 Prioritäre Themen<br />
des Themas, dass das wiederum nur plural und different bestimmt werden<br />
kann.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die offensive Behandlung dieses Themas.<br />
Künftige Lehrerinnen und Lehrer müssen auf eine Schule vorbereitet werden,<br />
die nicht nur ein kulturell wie sozial weitgehend verändertes Umfeld<br />
voraussetzt, sondern auch sich selbst verändert. Mit den Prozessen der<br />
Globalisierung der Bildung verschärft sich der Wettbewerb, erhöht sich der<br />
Qualifizierungsdruck und reagiert zugleich das Umfeld anders als die<br />
staatliche Schule dies bislang erwartet. Bildungswettbwerb erzeugt Differenz,<br />
die die bisherigen Formen der Verschulung nachhaltig verändern<br />
werden. Die Studierenden müssen darauf vorbereitet werden, dass Schulen<br />
nicht mehr wie Einheitskulturen verstanden werden können. Die vorherrschende<br />
Ausbildungstheorie dagegen geht von der Fiktion der „einen“<br />
Schule oder der „einen“ Bildung aus, die auch und gerade theoretisch<br />
maßgebend ist. Das Thema Umgang mit kultureller und sozialer Differenz<br />
ist daher zugleich ein eminentes Theorieproblem, auf das die Selbstreflexion<br />
von Lehrerbildung noch kaum annähernd eingestellt ist.<br />
Die Veränderung des Systems ist nur durch gezielte Schulentwicklung<br />
möglich. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt dieses Thema als Priorität, weil künftige<br />
Lehrkräfte ein grundlegend anderes Selbstbild entwickeln müssen.<br />
Auch hier geht es um die Beseitigung der Dominanz herbartianischer Ausbildungserwartungen,<br />
die nicht zuletzt die Studierenden bestimmen. Die<br />
starke Nachfrage nach Methoden des Unterrichts ist verständlich im Blick<br />
auf die Bewältigung von anfänglichen Unsicherheiten in einem sehr ideal<br />
erwarteten Berufsfeld, aber sie steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen<br />
Notwendigkeiten der Ausbildung. Die Prozesse der Medialisierung<br />
und der sozialen wie kulturellen Differenzierung betreffen unmittelbar die<br />
Ausübung des Lehrberufes, und sie verweisen nicht auf den Vorrang von<br />
Methoden in der Beherrschung von mehr oder weniger standardisierten<br />
Unterrichtssituationen, die überdies weit mehr von Lehrmitteln als von<br />
eklektischen Handlungsmethoden der Lehrkräfte bestimmt sind.<br />
Die professionelle Kompetenz wird also nicht einzig dadurch bestimmt,<br />
dass Lehrkräfte fähig sind zu unterrichten, so zentral
Prioritäre Themen 133<br />
Unterricht auch für das Zustandekommen und die Differenz der Schulleistungen<br />
ist (MOSER/RHYN 2000). Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass<br />
künftige Lehrkräfte imstande sein müssen,<br />
ihre Schule als Lern- und Entwicklungsfeld zu begreifen,<br />
ihre professionelle Kompetenz auf unterrichtliche wie schulische Entwicklungsarbeit<br />
zu beziehen,<br />
die Lehrtätigkeiten auf neue Anforderungen einzustellen,<br />
das Rollenverständnis dynamisch zu halten,<br />
den Erfolg der eigenen Tätigkeit mit Leistungsnachweisen abzuschätzen<br />
und<br />
als Maßstab dafür die fortlaufende Qualifizierung der Schülerinnen und<br />
Schüler anzunehmen.<br />
Die Schule mit den drei Zentren des Unterrichts, des Kollegiums und der<br />
Öffentlichkeitsarbeit ist als lernendes System zu verstehen, eine Forderung,<br />
die angesichts der Realitäten (RÜEGG 1999) nur mit großen Ausbildungsanstrengungen<br />
realisiert werden kann. Die Veränderung des Selbstbildes<br />
von Lehrkräften ist ebenso wenig eine beiläufig anzugehende Aufgabe wie<br />
die Etablierung neuer diskursiver Formen, neuer Planungs- und Evaluationsschemata<br />
sowie neuer Leitungsstrukturen. In diesem Sinne müssen Studierende<br />
in verbindlicher Weise mit Prinzipien, Praktiken und Erfahrungen<br />
der Schulentwicklung bekannt sein, bevor sie sich auf das Berufsfeld einlassen.<br />
Nur so gewinnen sie auch ein realistisches Bild der steigenden Belastungen,<br />
die sich mit einer lernenden Organisation unweigerlich verbinden.<br />
Andererseits sind nur lohnende Projekte für Lehrkäfte wirklich motivierend,<br />
so dass Schulentwicklung auch als Mittel gegen die Abnutzungsprozesse<br />
der Schulpraxis verstanden werden muss.<br />
8.1. Neue Medien<br />
Die folgenden <strong>Empfehlungen</strong> stellen zunächst die neuen Medien als Mittel<br />
und Gegenstand von Lehren und Lernen vor, formulieren dann Zielvorstellungen<br />
für die Lehrerbildung, skizzieren die Um-
134 Prioritäre Themen<br />
setzungen der Ziele für die Phasen der Lehrerausbildung und gehen<br />
schließlich auf die Entwicklung förderlicher Rahmenbedingungen für diese<br />
Umsetzungsprozesse ein.<br />
8.1.1. Neue Medien als Mittel und Gegenstand von Lehren<br />
und Lernen 69<br />
Medienverwendung, Medienerziehung und Medienbildung müssen sich an<br />
dem allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule orientieren.<br />
Dieser ist mit dem Anspruch verknüpft, dass Schülerinnen und Schüler die<br />
Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, die ihnen eine selbstbestimmte Gestaltung<br />
des persönlichen Lebens, die Mitgestaltung sozialer Zusammenhänge,<br />
eine verantwortliche Tätigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt, Mitbestimmung<br />
in Gesellschaft und Politik, Teilhabe an der kulturellen Welt<br />
und solidarisches Handeln ermöglichen. Dies bedeutet, dass in die schulischen<br />
Erziehungs- und Bildungsprozesse auch die Auseinandersetzung mit<br />
den neuen Medienentwicklungen in kritischer und reflexiver Absicht integriert<br />
werden sollte.<br />
In so verstandenen Erziehungs- und Bildungsprozessen sollen Schülerinnen<br />
und Schüler die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
für ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches<br />
Handeln in einer von Medien beeinflussten Welt erwerben können.<br />
In diesem Rahmen stellen sich für Lehrerinnen und Lehrer folgende<br />
Anforderungen:<br />
Nutzung der Medien und Informationstechnologien für Lehren und<br />
Lernen,<br />
Wahrnehmung von Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Medienbereich,<br />
Mitgestaltung medienpädagogischer Konzepte in der Schule.<br />
69<br />
In die folgenden <strong>Empfehlungen</strong> fließen Überlegungen aus dem Rahmenkonzept<br />
„Zukunft des Lehrens – Lernen für die Zukunft. Neue Medien in der Lehrerausbildung“<br />
ein (Ministerium für Schule und Weiterbildung 2000).
Prioritäre Themen 135<br />
Die unterrichtliche Mediennutzung soll zur Entwicklung und Unterstützung<br />
handlungsorientierter, selbst gesteuerter Lernprozesse und kooperativer Arbeitsformen<br />
beitragen. Die Potenziale neuer Medien kommen im Sinne eines<br />
lern- und entwicklungsfördernden Unterrichts besonders dann zur Geltung,<br />
wenn sie in ein problem-, entscheidungs-, gestaltungs- und beurteilungsorientiertes<br />
Vorgehen eingebunden sind. Dabei können Medien als Mittel der Präsentation<br />
von Aufgaben, als Informationsquelle und Lernhilfe, als Werkzeug<br />
und Instrument für Aufgabenlösungen, als Gegenstand von Analysen und zur<br />
Unterstützung von Planung sowie als Mittel der Darstellung von Lernergebnissen<br />
und Austausch dienen.<br />
Neben der reflektierten Nutzung von Medien geht es in der Schule um die<br />
Wahrnehmung der - mit den Medienentwicklungen verbundenen - Erziehungsund<br />
Bildungsaufgaben. Diese sollen sich sowohl auf die Nutzung vorhandener<br />
Medienangebote, z.B. von Büchern, Radio, Fernsehen, Computern und vernetzten<br />
Informations- und Kommunikationssystemen für verschiedene Zwekke,<br />
als auch auf die eigene Gestaltung von Medienprodukten, z.B. die Erstellung<br />
einer Zeitung, eines Hörbeitrags, einer Videodokumentation oder einer<br />
Internetpräsentation beziehen.<br />
Um in solchen Zusammenhängen sachgerecht, selbstbestimmt, kreativ und<br />
sozialverantwortlich handeln zu können, benötigen die Schülerinnen und<br />
Schüler Kenntnisse sowie Analyse- und Urteilsfähigkeit in mindestens drei<br />
inhaltlichen Bereichen:<br />
im Bereich der Gestaltungsmöglichkeiten, die in Medien Verwendung<br />
finden: vom realitätsnahen Foto eines berühmten Bauwerks bis zur grafischen<br />
Darstellung der Bevölkerungsentwicklung auf unserem Planeten, von<br />
filmischen Gestaltungstechniken wie Einstellungsperspektiven und Montage<br />
bis zu computerbasierten Techniken der Bildbearbeitung,<br />
im Bereich der Nutzungsvoraussetzungen und -wirkungen von Medien: von<br />
individuellen Einflüssen auf Gefühle, Vorstellungen und Verhaltensorientierungen<br />
bis zur Bedeutung der Maßen- und Individualkommunikation für die<br />
öffentliche Meinungs- und die politische Willensbildung,<br />
im Bereich der Bedingungen von Medienproduktion und -verbreitung: von<br />
technischen Voraussetzungen für die Nutzung
136 Prioritäre Themen<br />
von Medien bis zu personalen Bedingungen in einer Rundfunkanstalt, von<br />
rechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz bis zu wirtschaftlichen Interessen<br />
der Computerindustrie und der Netzprovider bzw. der dahinter stehenden Konzerne.<br />
Mit Blick auf die erwähnten Handlungs- und Inhaltsbereiche geht es in der<br />
Medienerziehung und Medienbildung insgesamt um die Fähigkeit und Bereitschaft,<br />
Medienangebote sinnvoll auszuwählen und zu nutzen,<br />
eigene Medienbeiträge zu gestalten und zu verbreiten,<br />
Mediengestaltungen zu verstehen und zu bewerten,<br />
Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten,<br />
Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung zu durchschauen<br />
und zu beurteilen (vgl. TULODZIECKI 1997).<br />
Bei der Umsetzung <strong>dieser</strong> Inhalte bzw. Aufgaben sollte in besonderer Weise<br />
berücksichtigt werden, dass es Differenzen zwischen den Geschlechtern<br />
beim Zugang zum Computer, beim Nutzungsverhalten und bei Einstellungen<br />
und Interessen gibt. Insofern kommt es darauf an, für beide Geschlechter<br />
geeignete Zugänge bei der Nutzung und bei der Auseinandersetzung<br />
mit Medien und Informationstechnologien zu finden und zu praktizieren.<br />
Mediennutzung sowie Medienerziehung und Medienbildung werden im<br />
schulischen Rahmen allerdings nur dann dauerhaft verankert sein, wenn<br />
Schulen diese Anforderungen systematisch als fächerübergreifende Aufgabe<br />
ansehen. Dies kann sich darin ausdrücken, dass die Schulen jeweils –<br />
unter Beachtung der schulspezifischen Bedingungen – ein medienpädagogisches<br />
Konzept als Bestandteil ihres Schulprofils bzw. Schulprogramms<br />
entwerfen und umsetzen. Auch im Hinblick darauf kommt der Qualifizierung<br />
der Lehrerinnen und Lehrer eine besondere Bedeutung zu.
Prioritäre Themen 137<br />
8.1.2. Zielvorstellungen im Bereich neuer Medien für die<br />
Lehrerbildung<br />
• Auf fünf Zielbereiche ist besonderes Gewicht zu legen:<br />
1) Stärkung der Medienkompetenz einschließlich der angemessenen<br />
technischen Handhabung von Medien und Informationstechnologien,<br />
2) Erwerb von Kenntnissen zur und Sensibilität für die Bedeutung von<br />
Medien für Kinder und Jugendliche,<br />
3) Befähigung zur reflektierten Nutzung von Medien und Informationstechnologien<br />
für Lehren und Lernen,<br />
4) Befähigung zur Wahrnehmung von Erziehungs- und Bildungsaufgaben<br />
im Bereich von Medien und Informationstechnologien,<br />
5) Befähigung zur Mitwirkung an der Gestaltung medienpädagogischer<br />
Konzepte in der Schule.<br />
Dieser Zielkatalog beschreibt einen allgemeinen Rahmen für die Lehrerbildung.<br />
In diesem Rahmen können unterschiedliche Akzente für die verschiedenen<br />
Phasen der Lehrerbildung gesetzt werden. In der ersten Phase<br />
der Lehrerausbildung sollten die Akzente bei der Weiterentwicklung der<br />
Medienkompetenz, bei dem Erwerb wissenschaftlicher Grundlagen für die<br />
verschiedenen Felder medienpädagogischer Kompetenz und bei ersten<br />
Entwürfen und ihrer Umsetzung sowie bei Reflexionen mit Bezug auf berufliche<br />
Aufgaben liegen. In der zweiten Phase der Ausbildung können<br />
dann die Einordnung und die Umsetzung der Kenntnisse und Fähigkeiten<br />
im Kontext unterrichtlichen und schulischen Handelns im Mittelpunkt stehen.<br />
In der Lehrerfortbildung könnte es auf <strong>dieser</strong> Basis vorrangig um die<br />
Weiterentwicklung der Kenntnisse und Fähigkeiten und eine systematische<br />
Verbindung mit Prozessen der Schulentwicklung gehen.<br />
Im Folgenden werden zunächst Hinweise für die universitäre Lehrerausbildung<br />
gegeben, ehe die Frage der Umsetzung in Studienseminar, Berufseingangsphase<br />
und Lehrerfortbildung aufgegriffen wird.
138 Prioritäre Themen<br />
8.1.3. Umsetzung in der ersten Phase der Lehrerausbildung<br />
Das Lehrangebot an den Hochschulen sollte - im Rahmen der Aufgaben des<br />
Lehramtsstudiums - Veranstaltungen mit folgenden Themen umfassen:<br />
• Theorien und Konzepte zu Fragen von Medien und Informationstechnologien:<br />
In einer solchen Veranstaltung sollten die Medienlandschaft und ihre Bedeutung für<br />
Sozialisation, Erziehung und Bildung sowie medientheoretische, mediendidaktische<br />
und medienerzieherische Grundlagen, Konzepte der informations- und kommunikationstechnologischen<br />
Grundbildung im Rahmen der Aufgaben von Schule im<br />
Bereich von Medien und Informationstechnologien thematisiert werden.<br />
• Auswahl und Nutzung von Medien und Informationstechnologien für<br />
unterschiedliche Funktionen:<br />
Hier sollte es um Merkmale von Medien und Software, um Nutzungsmöglichkeiten<br />
für Information und Lernen, für Problemlösen und Kooperation, für Kommunikation<br />
und Unterhaltung sowie um die Analyse und Kritik von Medienangeboten,<br />
Rezeptionssituationen und Produktionsbedingungen gehen.<br />
• Entwicklung, Gestaltung und Produktion von Medien und Software:<br />
Im Mittelpunkt sollten Gestaltungsmöglichkeiten bei Medien und Software, bei<br />
Kriterien für die Nutzung verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten, bei informatischen<br />
Grundlagen, bei Schritten der Medienentwicklung und -verbreitung und bei<br />
Möglichkeiten der Präsentation und Verbreitung selbsterstellter Medien stehen.<br />
• Grundlagen der Verwendung von Medien und Informationstechnologien<br />
in Lehr- und Lernprozessen:<br />
Schwerpunktmäßig sollten lehr-lerntheoretische Grundlagen der Medienentwicklung,<br />
Konzepte der Verwendung von Medien und Software in unterrichtlichen<br />
Zusammenhängen, Analyse und Bewertung von Unterrichtsmedien, Fragen der<br />
Entwicklung von Unterrichtseinheiten und Projekten mit Medienverwendung, neue<br />
Formen des Lehrens und Lernens, Veränderungen von Unterrichts- und<br />
Schulstrukturen durch Medienverwendung behandelt werden.
Prioritäre Themen 139<br />
• Nutzung von Medien und Informationstechnologien im fachlichen und<br />
überfachlichen Unterricht:<br />
Hier sollten fachrelevante Gestaltungselemente von Medien und Software,<br />
das fachbezogene und fächerübergreifende Angebot sowie dessen Analyse<br />
und Bewertung, der Entwurf von fachlichen Unterrichtseinheiten und fächerübergreifenden<br />
Projekten mit Nutzung von Medien, Software und informationstechnischen<br />
Systemen besprochen werden.<br />
• Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Bereich von Medien und Informationstechnologien:<br />
Besonders zu thematisieren sind „Medienwelten“ und „Medienhandeln“<br />
von Kindern und Jugendlichen im Lichte der Rezeptionsforschung unter<br />
Beachtung von Geschlechterdifferenzen, Prinzipien und Konzepte der Medienerziehung<br />
und informations- und kommunikationstechnologischen<br />
Grundbildung, die Analyse und Bewertung sowie der Entwurf von Unterrichtseinheiten<br />
und Projekten, die Einbettung von Medienerziehung und informations-<br />
und kommunikationstechnologischer Grundbildung in den curricularen<br />
Zusammenhang von Schule sowie Beispiele gemeinsamer Projekte<br />
mit der außerschulischen Jugend-, Sozial- und Kulturarbeit.<br />
• Medienerziehung und Medienbildung im fachlichen und fächerübergreifenden<br />
Unterricht:<br />
Thema solcher Veranstaltungen sollten Veränderungen im herkömmlichen<br />
Gegenstandsbereich des Faches und die Reflexion struktureller und systematischer<br />
Veränderungen des Faches durch die Entwicklungen im Bereich<br />
von Medien und Informationstechnologien, die Analyse und Bewertung<br />
sowie der Entwurf fachrelevanter Unterrichtseinheiten und fächerübergreifender<br />
Projekte sein.<br />
Außer den oben genannten Veranstaltungen sollte es - je nach den an<br />
der jeweiligen Hochschule vertretenen Disziplinen - ein erweiterndes<br />
Wahlangebot geben, z.B. zur Medienethik, zur Medienpsychologie, zur<br />
Mediensoziologie, zur Kommunikationswissenschaft oder zur Informatik.<br />
Im Hinblick auf den Stellenwert der Veranstaltungen im Rahmen des<br />
Lehramtsstudiums sollte eine angemessene Verankerung
140 Prioritäre Themen<br />
im Pflicht-, Wahlpflicht- und Wahlbereich der Studienordnungen angestrebt<br />
werden. Diese Veranstaltungen können in Form von Vorlesungen,<br />
Seminaren, Übungen oder Projekten konzipiert und mit angemessenen<br />
Phasen individuellen und kooperativen Lernens durchgeführt werden. Aus<br />
den Veranstaltungen können jeweils verschiedene Seminararbeiten zu Fragen<br />
von Medien und Informationstechnologien oder auch bestimmte Medienprodukte<br />
erwachsen. Außerdem sollten in den Veranstaltungen - soweit<br />
es möglich ist - Bezüge zur Schulpraxis hergestellt und Umsetzungen,<br />
z.B. im Rahmen schulpraktischer Studien, vorbereitet werden. Des Weiteren<br />
können die medienbezogenen Veranstaltungen auch in die Wahl von<br />
Medienthemen für die Prüfung, unter Umständen auch in schriftliche<br />
Hausarbeiten im Rahmen des Ersten Staatsexamens einmünden.<br />
Zusatzqualifikation als erweiternde Möglichkeit:<br />
Wenn die Universität <strong>Hamburg</strong> ein geeignetes Lehrangebot im Zusammenwirken<br />
von Erziehungswissenschaft und Fachdidaktiken sowie Fachwissenschaften<br />
zusammenstellen kann, empfiehlt es sich zu prüfen, ob die<br />
Einrichtung eines Studiengangs für den Erwerb einer Zusatzqualifikation<br />
zu „Medien und Informationstechnologien in Erziehung, Unterricht und<br />
Bildung“ sinnvoll ist. Bei der Konzeption eines entsprechenden Studiengangs<br />
sollte erwogen werden, Studienleistungen im Fern- oder Selbststudium<br />
mit Studienleistungen in Präsenzveranstaltungen zu kombinieren.<br />
Eine solche Zusatzqualifikation könnte für Studierende vorgesehen<br />
werden, die über einen möglichst großen Teil der studienintegriert angebotenen<br />
Lehrveranstaltungen zu Medien und Informationstechnologien<br />
hinaus weitere Studienleistungen erbringen und damit einen besonderen<br />
Schwerpunkt im Bereich neuer Medien setzen. Absolventinnen und Absolventen<br />
mit entsprechenden Qualifikationen sind zum einen für die Weiterentwicklung<br />
von medienbezogenen Aktivitäten in den Studienseminaren<br />
wichtig und zum anderen für die Umsetzung der medienbezogenen Erziehungs-<br />
und Bildungsaufgaben in den Schulen. Insbesondere sollen
Prioritäre Themen 141<br />
Absolventinnen und Absolventen mit der Zusatzqualifikation in schulischen<br />
Gruppen arbeiten können, die ein medienpädagogisches Konzept für<br />
die jeweilige Schule entwickeln und ggf. die Arbeit mit Medien und Informationstechnologien<br />
als Bestandteil des Schulprofils bzw. Schulprogramms<br />
gestalten. Darüber hinaus soll die Zusatzqualifikation ggf. den<br />
Zugang zu anderen beruflichen Tätigkeiten erleichtern und die Chancen<br />
auf dem Arbeitsmarkt generell erhöhen.<br />
Für die Zusatzqualifikation sollten Studienleistungen im Umfang von<br />
ca. 30 Semesterwochenstunden (SWS) und eine mündliche Prüfung gefordert<br />
werden.<br />
Die geforderten Studienleistungen sollten sich beziehen auf<br />
theoretische Grundlagen zu Medien und Informationstechnologien in<br />
Erziehung, Bildung und Gesellschaft sowie auf Medienverwendung und<br />
Medienproduktion,<br />
Grundlagen und Konzepte der Verwendung von Medien in Lehr- und<br />
Lernprozessen,<br />
Grundlagen und Konzepte für Erziehungs- und Bildungsaufgaben im<br />
Medienbereich und ihrer Einbettung in die Schule sowie auf<br />
ein vierwöchiges Praktikum in einer Medieninstitution.<br />
8.1.4. Umsetzung in der zweiten Phase der Lehrerausbildung<br />
Im Zuge der Seminarprogrammentwicklung sollen die Studienseminare<br />
Ausbildungselemente ausweisen, die sich gezielt auf die Förderung medienpädagogischer<br />
Kompetenz der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter<br />
ausrichten. Im Rahmen des jeweiligen Seminarprogramms sind bestimmte<br />
Arbeitsformen und Ausbildungsinhalte der Obligatorik zuzuordnen, andere<br />
können als Möglichkeiten zur individuellen Schwerpunktsetzung angeboten<br />
werden.<br />
In Veranstaltungen des Hauptseminars sollte es darum gehen, an der<br />
Hochschule erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten aufzugreifen und systematisch<br />
in den Kontext beruflicher Aufgaben zu stellen.
142 Prioritäre Themen<br />
In den Fachseminaren sollten Inhalte folgender Art thematisiert werden:<br />
Nutzung von Medien und Informationstechnologien bei der Bearbeitung fachlicher<br />
Aufgaben:<br />
Die Bearbeitung fachspezifischer Aufgaben kann durch den Einsatz von Medien<br />
und Informationstechnologien in vielfältiger Weise unterstützt werden. In<br />
Fachseminaren sollten entsprechende Möglichkeiten aufgezeigt, diskutiert,<br />
erprobt und Ideen zur unterrichtlichen Einbettung gesammelt werden. Dabei ist<br />
an den Einsatz des Computers als Werkzeug (etwa zur Messwerterfassung und<br />
Modellbildung im naturwissenschaftlichen Unterricht), aber auch als Hilfsmittel<br />
zur Informationsgewinnung, -verarbeitung und -präsentation zu denken.<br />
Die Einführung in die fachspezifische Nutzung von Medien und Informationstechnologien<br />
sollte stets begleitet sein von einer Reflexion der Vor- und<br />
Nachteile des Computereinsatzes bei der Lösung der jeweiligen Aufgaben.<br />
Planung und Auswertung des Einsatzes von Medien und Informationstechnologien<br />
im Fachunterricht:<br />
Über Erfahrungen und Reflexionen zur Verwendung von Medien und Informationstechnologien<br />
für die Lösung fachspezifischer Aufgaben hinaus muss es<br />
im Fachseminar um die Feststellung von Rahmenbedingungen für den konkreten<br />
Einsatz im Fachunterricht, um die exemplarische Planung entsprechender<br />
Unterrichtseinheiten und deren Durchführung und Auswertung gehen.<br />
Dabei sind besonders solche Lehr- und Lernformen von Interesse, die die<br />
Selbsttätigkeit und Aktivierung der Schülerinnen und Schüler unterstützen und<br />
fördern.<br />
Diskussion von Fachsoftware:<br />
Der Markt der Fachsoftware sollte von den Fachleiterinnen und Fachleitern<br />
sorgsam beobachtet und im Fachseminar durch Sichtung und Erprobung ausgewählter<br />
Programme thematisiert werden. Dabei ist die didaktische Eignung,<br />
Leistung und Einbindung von Software im Vergleich zu anderen Medien kritisch<br />
zu diskutieren. In diesem Zusammenhang sollten auch die unterrichtsorganisatorischen<br />
Voraussetzungen, die Lernvoraussetzungen sowie die Ziele der<br />
Softwarenutzung erörtert und in exemplarische Unterrichtsplanungen umgesetzt<br />
werden.
Prioritäre Themen 143<br />
• Beiträge des jeweiligen Faches zur Medienerziehung bzw. zur informations-<br />
und kommunikationstechnologischen Grundbildung:<br />
Der Beitrag der einzelnen Fächer zur Medienerziehung bzw. zur informations-<br />
und kommunikationstechnologischen Grundbildung sollte durch die<br />
Information über deren Ziele und Ansätze sowie durch die Diskussion ausgewählter<br />
Beispiele und Ideen ausgelotet werden. Außer solchen Veranstaltungen<br />
sollen im Studienseminar die Möglichkeiten von Studientagen,<br />
Projektphasen, Arbeitsgemeinschaften, Schulgruppenarbeit und Lehrübungen<br />
sowie Hausarbeiten für die Medienerziehung genutzt werden.<br />
8.1.5. Umsetzung in der Berufseingangsphase und in der<br />
Lehrerfortbildung<br />
Wenn die erste und zweite Phase der Lehrerausbildung gemäß den Vorschlägen<br />
der <strong>Kommission</strong> gestaltet werden, können die Akzente in der Berufseingangsphase<br />
und in der Lehrerfortbildung auf die Frage gerichtet<br />
sein, wie Medienverwendung und Medienerziehung bzw. informationsund<br />
kommunikationstechnologische Grundbildung unter schulischen Bedingungen<br />
realisiert, medienpädagogische Aktivitäten in der Schule intensiviert<br />
sowie schulspezifische medienpädagogische Konzepte entwickelt<br />
und erprobt werden können.<br />
Derzeit kann die Lehrerfortbildung jedoch noch nicht von entsprechenden<br />
Voraussetzungen ausgehen. Demgemäß sollten die zurzeit laufenden<br />
Fortbildungsaktivitäten drei wichtige Orientierungen haben: Es geht bei<br />
den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern um die Entwicklung von Medienkompetenz<br />
im Bereich neuer Medien, um den Aufbau von medienpädagogischer<br />
Kompetenz und um die Umsetzung in der Schule.<br />
Insgesamt sollten Aktivitäten im Bereich von Medien und Informationstechnologien<br />
in der Berufseingangsphase und in der Fortbildung von<br />
den individuellen Voraussetzungen der Lehrerinnen und Lehrer und<br />
vorhandenen schulischen Bedingungen
144 Prioritäre Themen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
für die Medienbildung ausgehen und bedarfsgerecht konzipiert werden,<br />
persönliche Qualifizierungen und die Entwicklung schulspezifischer<br />
Konzepte zur Medienbildung und ihre Realisierung als Ziel haben,<br />
in Abstimmung zwischen beteiligten Schulen sowie Lehrergruppen aus<br />
den Schulen unter Einbindung der Schulaufsicht geplant, durchgeführt<br />
und evaluiert werden,<br />
einen Wechsel von gemeinsamen Veranstaltungen mit geeigneten medienpädagogischen<br />
Qualifizierungsmöglichkeiten und unterrichtlichen<br />
sowie schulspezifischen Bestandsaufnahmen, Planungs- und Umsetzungsphasen<br />
ermöglichen,<br />
verschiedene Lern-, Arbeits- und Kommunikationsformen unter besonderer<br />
Nutzung von Medien und Informationstechnologien sowie unter<br />
Einbindung lokaler Medieninstitutionen umfassen,<br />
in ein regionales Beratungs- und Unterstützungssystem eingebunden<br />
sein und eigene Beiträge zu dessen Weiterentwicklung erbringen.<br />
8.1.6. Entwicklung förderlicher Rahmenbedingungen<br />
Zur Umsetzung der Ziele und der genannten Themen im Rahmen der<br />
Lehrerbildung sind folgende Entwicklungen vorrangig:<br />
Entwicklung im Bereich der Lehr-, Lern- und Arbeitsformen,<br />
im Bereich der technischen Infrastruktur,<br />
im Bereich der Personal- und Organisationsstruktur.<br />
Entwicklungen im Bereich der Lehr-, Lern- und Arbeitsformen:<br />
Bei der Durchführung von Veranstaltungen sollten Medien und Informationstechnologien<br />
sowohl Gegenstand als auch Mittel des Lehrens und Lernens<br />
sein. Werden Medien und Informationstechnologien auch als Mittel<br />
des Lehrens und Lernens verwendet, erfahren die Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer deren Möglichkeiten und
Prioritäre Themen 145<br />
Grenzen im eigenen Tun. Modelllernen kann als Basis für die spätere eigene<br />
Praxis stattfinden. Insbesondere sollten folgende Möglichkeiten entwikkelt<br />
und genutzt werden:<br />
Präsentationen von Software mit festinstallierten oder mobilen Geräten,<br />
Lernen und Arbeiten mit Lerngruppen in Computerlaboren bzw. Multimedia-Seminarräumen,<br />
eigenes Gestalten von Software an betreuten Einzelarbeitsplätzen und<br />
Einbringen der Produkte in die Gruppendiskussion,<br />
Analyse und Bewertung von Lernsoftware an Einzelarbeitsplätzen und<br />
Diskussion der Ergebnisse in Lerngruppen,<br />
entdeckendes und kooperatives Lernen in Arbeitsgruppen und Tutorien<br />
in einer multimedialen Lernwerkstatt bzw. einem pädagogischen Computerzentrum,<br />
Teilnahme bzw. Mitwirkung an virtuellen Seminaren,<br />
Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von unterrichtlichen Erprobungen<br />
mit Schülergruppen,<br />
Planung und Durchführung von Projekten zur Lernforschung,<br />
Vor- und Nacharbeiten vom häuslichen Computer aus.<br />
Bei solchen Lern-, Arbeits- und Kommunikationsformen kann u.a. auf Angebote<br />
aus Bildungsservern sowie auf weitere Bildungs-, Informationsund<br />
Kommunikationsangebote im Netz zugegriffen werden.<br />
Die technischen Möglichkeiten können darüber hinaus genutzt werden,<br />
um in einen Austausch mit Lernenden und Lerngruppen an anderen deutschen,<br />
europäischen oder außereuropäischen Institutionen der Lehrerbildung<br />
zu treten. Dozenten und Lernende an verschiedenen Standorten können<br />
gemeinsame Veranstaltungen durchführen oder Lerngemeinschaften<br />
bilden. Des Weiteren ist es denkbar, einzelne Studienmodule aus dem Angebot<br />
nationaler oder internationaler Universitäten wahrzunehmen und in<br />
die jeweiligen Lernaktivitäten zu integrieren.<br />
Mit der Realisierung solcher Lern-, Arbeits- und Kommunikationsformen<br />
können Aus- und Fortbildung im Sinne eines stärker selbstständigen<br />
und selbstverantworteten und zugleich kooperativen Lernens gestaltet werden.<br />
Allerdings sollten entsprechende
146 Prioritäre Themen<br />
Wandlungen durch ein geeignetes Beratungs- und Unterstützungssystem<br />
sowie durch ein angemessenes Verhältnis von selbständigen und angeleiteten<br />
sowie von individuellen und sozialen Lernphasen gekennzeichnet<br />
sein. Unter diesen Voraussetzungen lässt sich die Studien- und Lernkultur<br />
in der Lehrerbildung in förderlicher Weise weiterentwickeln.<br />
Entwicklung einer geeigneten technischen Infrastruktur:<br />
Die Frage einer geeigneten (technischen) Infrastruktur ist eng verknüpft<br />
mit der Gestaltung der Lehr-Lern-Situationen. Die etablierte bzw. zu entwickelnde<br />
Infrastruktur sollte unterstützend für die verschiedenen Lehrund<br />
Lernformen sein und entsprechend umfassend ausgerichtet werden.<br />
Dabei sind mit der Infrastruktur nicht nur technische Systeme gemeint,<br />
sondern ebenso die räumlichen Bedingungen, die Softwareausstattung, einschlägige<br />
Literatur und Unterrichtsmaterialien. Der Ausbau der Infrastruktur<br />
kann sich auf die Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
konzentrieren - vorausgesetzt, die herkömmlichen Medienbereiche, z.B.<br />
Video, sind in den zurückliegenden Jahrzehnten an den Institutionen der<br />
Lehrerbildung durch eine hinreichende technische Ausstattung in zufrieden<br />
stellender Weise berücksichtigt worden.<br />
Im Hinblick auf den Aufbau oder die Weiterentwicklung einer geeigneten<br />
technischen Infrastruktur – sollte ausgehend von den Anforderungen,<br />
die sich aus dem jeweiligen konzeptionellen Rahmen ergeben – eine Bestandsaufnahme<br />
erfolgen. Auf <strong>dieser</strong> Grundlage sollten Schritte geplant<br />
und Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden, die letztlich zu einem<br />
breiten Spektrum von Lern- und Arbeitsmöglichkeiten führen.<br />
Im Folgenden werden die dafür notwendigen Ausstattungen und Einrichtungen<br />
sowie Räume kurz skizziert. Wichtig ist, dass die jeweiligen<br />
Funktionalitäten verfügbar sind. Dabei können in einzelnen Räumen unter<br />
Umständen mehrere Funktionen bereitgestellt werden. Die Frage, wo sich<br />
die verschiedenen technischen Einrichtungen bzw. Räume befinden, muss<br />
für die jeweiligen Institutionen bedingungsgerecht entschieden werden.
Prioritäre Themen 147<br />
Für Veranstaltungen können neue Medien zur Präsentation multimedialer<br />
Dokumente, als Werkzeuge oder als Analysegegenstand genutzt werden.<br />
Da eine Vollversorgung aller Räume mit entsprechenden Geräten nicht abzusehen<br />
ist, bieten mobile Einheiten - bestehend aus einem multimediaund<br />
netzwerkfähigen Notebook, einem mobilen Datenprojektor (Beamer)<br />
sowie Aktivlautsprechern - eine sinnvolle Alternative.<br />
Ein sinnvolles Arbeiten in Multimedia-Seminarräumen ist nur dann sichergestellt,<br />
wenn für maximal zwei Lernende ein Arbeitsplatzrechner zur Verfügung<br />
steht. Die Arbeitsplatzrechner müssen in einem lokalen Netzwerk<br />
miteinander und mit dem Internet verbunden sein. Um für das Arbeiten in<br />
Kleingruppen nicht durch die Monitore zu stören, ist es sinnvoll, die Monitore<br />
unter einer Glasplatte zu montieren oder die Möglichkeit einzurichten,<br />
sie zu versenken.<br />
Eine Multimedia-Lernumgebung sollte Informationen bereitstellen, Recherchemöglichkeiten<br />
bieten, individuelles, kommunikatives und kooperatives<br />
Arbeiten unterstützen. Zu den wichtigsten Kommunikationsmöglichkeiten<br />
gehören E-Mail, Diskussionsforen (News-Groups) und Konferenzoder<br />
Chat-Foren. Es sollte ein Kommunikationsserver vorhanden sein, der<br />
als Plattform für gängige Kommunikationsprotokolle und -dienste im Internet<br />
bzw. Intranet dient, Datenschutz und -sicherheit gewährleistet sowie<br />
wesentliche Groupware-Funktionalitäten unterstützt (shared workspaces,<br />
Dokumentenverwaltung, hierarchische Zugriffsrechte, group-awareness<br />
und Projektplanungstools). Akustische Kommunikationsformen (Telefonkonferenz)<br />
oder bildliche Unterstützungen (Bildtelefon, Videokonferenzen)<br />
sind wünschenswert. Weiter sollten Möglichkeiten gegeben sein, eigene<br />
Webseiten zu erstellen oder aufzubereiten. Dies setzt zusätzlich einige Peripheriegeräte<br />
voraus. Dazu gehören ein Scanner, eine Digitalkamera und<br />
ggf. eine Videokamera sowie entsprechende Bearbeitungswerkzeuge.<br />
Neben solchen Multimedia-Seminarräumen für angeleitetes Lernen in<br />
Lerngruppen sollte eine Medienwerkstatt eingerichtet werden. Bei ähnlicher<br />
Ausstattung sollten dort vor allem Workshops, eigenständige Einzel-,<br />
Partner- und Kleingruppenarbeiten sowie Erprobungen mit Lerngruppen<br />
aus Schulen möglich sein.
148 Prioritäre Themen<br />
Über solche Übungsmöglichkeiten in Multimedia-Seminarräumen oder<br />
Medienwerkstätten hinaus sollten Lehrende und Lernende, die Medienangebote<br />
mit höheren technischen Anforderungen analysieren oder auch<br />
selbst multimediale Materialien, inklusive der Einbindung von Video, erstellen<br />
wollen, auf eine hochwertige Ausstattung mit kompetenter technischer<br />
Beratung und Unterstützung zurückgreifen können.<br />
Um Lernenden und Lehrenden die Möglichkeit zu bieten, sich für die<br />
Analyse von Medienprodukten und für die Erstellung von Unterrichtsplanungen<br />
mit Softwareangeboten auseinander zu setzen, ist es notwendig,<br />
ausgewählte, exemplarische Unterrichtssoftware bereitzustellen. Bei der<br />
Auswahl der Produkte sollten die verschiedenen Softwaretypen (z. B. Tutorials<br />
und Übungsprogramme, spielerische Lernprogramme, Computerspiele,<br />
Simulationsprogramme, Datenbestände und Datenbanken, Werkzeuge,<br />
Programmiersysteme, Hypermedia-Arbeitsumgebungen) vertreten<br />
sein. Eine geeignete Dokumentation sollte den Zugriff für Lehrende und<br />
Lernende unterstützen.<br />
Für die Entwicklung der technischen Infrastruktur sollte eine Zusammenarbeit<br />
mit medienrelevanten Einrichtungen innerhalb – gegebenenfalls<br />
auch außerhalb – der jeweiligen Institution, zum Beispiel mit Medienzentren<br />
oder Rechenzentren, angestrebt werden. Für die Finanzierung sind in<br />
der Regel Antragstellungen im Rahmen geeigneter Programme notwendig.<br />
Entwickeln einer geeigneten Personal- und Organisationsstruktur:<br />
Für Institutionen der Lehrerbildung, die ein Veranstaltungsangebot zur<br />
Medienverwendung und zur Medienerziehung bzw. Medienbildung entwickeln<br />
möchten, gibt die <strong>Kommission</strong> folgende <strong>Empfehlungen</strong>: Als erster<br />
Schritt zur Entwicklung und zur Erprobung eines Veranstaltungsangebots<br />
sowie geeigneter Veranstaltungsformen sollte an der jeweiligen Institution<br />
eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Der Arbeitsgruppe sollten (möglichst)<br />
Mitglieder aus verschiedenen Bereichen angehören, die innerhalb<br />
und außerhalb der jeweiligen Institution für die Lehrerbildung und Medienfragen<br />
wichtig sind.
Prioritäre Themen 149<br />
Für die Bildung der Arbeitsgruppe ist es günstig, wenn es mindestens eine<br />
Stelle in der Institution gibt, zu deren Arbeitsgebiet die Medienpädagogik<br />
gehört. Unter Umständen muss eine entsprechende Stelle eingerichtet werden.<br />
Von <strong>dieser</strong> Stelle aus könnten die Kontakte und Arbeitszusammenhänge<br />
mit den anderen Bereichen aufgebaut werden. Daneben ist die Sicherstellung<br />
medientechnischer Unterstützung außerordentlich wichtig.<br />
In der Arbeitsgruppe sollte eine Verständigung herbeigeführt werden über<br />
medienpädagogische Grundlagen, z.B. Leitideen und Aufgabenbereiche<br />
der Medienverwendung und Medienerziehung bzw. Medienbildung in<br />
Schule und Lehrerbildung,<br />
Aufgaben und Zielsetzungen der Arbeitsgruppe, insbesondere über die<br />
Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens, über den Aufbau oder die<br />
Weiterentwicklung der Infrastruktur, über die Entwicklung von Kooperationsformen,<br />
mögliche Evaluationen.<br />
Für die Entwicklung des Lehrangebots sollte sich die Arbeitsgruppe regelmäßig<br />
treffen. Als Instrumente für die Planung haben sich Veranstaltungsankündigungen<br />
bzw. -kommentare und ihre Besprechung mit der Prüfung<br />
hinsichtlich der notwendigen Breite und Tiefe des Angebots bewährt.<br />
Für die Dokumentation eignen sich Kurzbeschreibungen. Die Diskussion<br />
der Erfahrungen kann zugleich der Evaluation dienen.<br />
Für die Evaluation empfiehlt es sich – außer Rückmeldungen und Diskussionen<br />
– auch Befragungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und<br />
einzelne veranstaltungsbezogene Tests oder Klausuren sowie eine Auswertung<br />
von schriftlichen Ausarbeitungen oder von anderen Formen der<br />
Leistungserbringung durchzuführen. Die Arbeitsgruppe sollte den gesamten<br />
Prozess der Entwicklung des Lehrangebots und der technischen Infrastruktur<br />
begleiten und evaluieren. Dabei sollten auch eigene Qualifizierungsmaßnahmen<br />
geplant und realisiert werden. Außer regelmäßigen Arbeitssitzungen<br />
empfiehlt es sich, während des Entwicklungsprozesses von<br />
Zeit zu Zeit einen ganztägigen Workshop durchzuführen, in dem - neben<br />
Qualifizierungsmaßnahmen - auch weiter gehende inhaltliche Fragen diskutiert<br />
werden können.
150 Prioritäre Themen<br />
Im Laufe des Entwicklungsprozesses sollte eine Kontaktaufnahme, die<br />
möglichst in kooperative Aktivitäten einmünden sollte, mit anderen lehrerbildungs-<br />
und medienrelevanten Einrichtungen der Region erfolgen, z. B.<br />
mit Medienzentren, Ausbildungsschulen, mit dem Schulamt und mit Medienzentren.<br />
Dabei sollte möglichst ein regionales Unterstützungs- und Beratungssystem<br />
– getragen von einem regionalen Beirat – entstehen.<br />
8.2 Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität<br />
Zu den dominanten Diskursen in den Geistes- und Sozialwissenschaften<br />
gehört die Auseinandersetzung über ein neues Verständnis von Pluralität,<br />
Heterogenität und Alterität. Pluralität, so die Forderung, sei als „allgemeine<br />
Grundverfassung der Gesellschaft“ anzuerkennen, da „plurale Sinn- und<br />
Aktionsmuster [...] von wirklicher Demokratie untrennbar“ sind (WELSCH<br />
1997, S. 5). In die Lehrerausbildung hat diese Diskussion vornehmlich über<br />
verschiedene, seit den 1970er Jahren innerhalb der Erziehungswissenschaft<br />
herausgebildete Spezialisierungen Eingang gefunden, insbesondere über die<br />
„Interkulturelle Pädagogik“, die sich an nicht wenigen Standorten der<br />
Lehrerbildung inzwischen auch als eigenes Studienangebot etabliert hat.<br />
Zentral ist die Frage nach einer Neubestimmung des Verhältnisses von<br />
Differenz und Gleichheit in einer Schule, deren Schülerschaft sich in den<br />
letzten Jahrzehnten unübersehbar ausdifferenziert hat, vor allem sprachlich,<br />
ethnisch/national und kulturell. Zwar ist die Erkenntnis, dass die Schülerinnen<br />
und Schüler sich je nach sozialer Herkunft, Geschlecht, Religion,<br />
Sprache usw. unterscheiden, nicht neu, wohl aber die Anerkennung von<br />
Heterogenität als Normalfall, verbunden mit der Forderung nach Überwindung<br />
der bisherigen homogenisierenden und zielgruppenspezifisch ausgerichteten<br />
kompensatorischen Strategien im Umgang mit Differenz. In diesem<br />
Sinne wird ein Perspektivwechsel bzw. ein Paradigmenwechsel in der<br />
Lehrerbildung gefordert 70 .<br />
70<br />
Zum Perspektivwechsel vgl. die Arbeiten im Forschungsschwerpunktprogramm<br />
„Folgen der Arbeitsmigration für Bildung und Erziehung“, FABER 1990 und<br />
GOGOLIN 2000; ferner KMK 1996; zum Paradigmenwechsel vgl. u.a. Lehrerinnen<br />
und Lehrer für das „Haus des Lernens“ 1996.
Prioritäre Themen 151<br />
8.2.1. Interkulturelle Bildung als Querschnittaufgabe<br />
In einer Reihe der schon auf Bundes- und Landesebene vorliegenden Vorschlägen<br />
zur Reform der Lehrerbildung wird interkulturelle Bildung als<br />
„Schlüsselkompetenz“, als „integraler Bestandteil der Lehrerbildung“ und<br />
als „Querschnittaufgabe“ qualifiziert (Lehrerinnen und Lehrer für das<br />
„Haus des Lernens“ 1996; KMK 1996; TERHART 2000). Bei sorgfältiger<br />
Lektüre <strong>dieser</strong> Texte zeigt sich jedoch, dass die angesprochenen Reformpapiere<br />
folgendes Problem kennzeichnet: Die sich aus der Globalisierung<br />
ergebenden Veränderungen im Gegenstandsfeld der im Lehramtsstudium<br />
involvierten Fachwissenschaften (einschließlich Erziehungswissenschaft)<br />
werden nicht als tief greifende, die historisch herausgebildeten Normalitätskonstrukte<br />
in Frage stellende Veränderungen wahrgenommen. Statt dessen<br />
werden sie als einzelne, voneinander getrennte „neue“ Phänomene und<br />
„neue Herausforderungen“ vorgestellt und für jede(s) wird eine „neue“<br />
pädagogische Antwort erwartet, sei es „interkulturelle Erziehung“, „Europäische<br />
Dimension im Bildungswesen“, „reflexive Koedukation“; „Integrationspädagogik“;<br />
„Medienerziehung“; „Umwelterziehung“ usw.<br />
Auf diese Weise entsteht der Eindruck, es gebe (beliebig) viele, miteinander<br />
nicht oder kaum zusammenhängende „neue“ Aufgaben, für die es<br />
scheinbar zusätzlicher Angebote bedürfe. „Neu“ wird hier viel zu schnell<br />
mit „zusätzlich“ gleichgesetzt. Die Folge ist, dass die neuen Aufgaben als<br />
Belastung oder gar Überforderung von Schule und Lehrern wahrgenommen<br />
und nicht selten abgewehrt werden 71 .<br />
71<br />
Auf diesem Mißverständnis beruht auch die Warnung der Gemischten <strong>Kommission</strong>,<br />
in deren Text es am Schluss des Abschnitts „Neue Problemlagen und Herausforderungen“<br />
(in dem sie verschiedene Phänomene der gesellschaftlichen Veränderungen<br />
anspricht) heißt: „Schule und Lehrerberuf können nicht zu einem universell beanspruchten<br />
Instrument der Vorbereitung auf Modernisierung wie auch des Ausgleichens<br />
von individuellen und gesellschaftlichen Folgeschäden sich beschleunigender<br />
Modernisierung werden. Es wäre ebenso utopisch wie ideologisch, dem Bildungssystem<br />
wie auch den Bildungsberufen die Bewältigung gesellschaftlich-kultureller<br />
Probleme zu übertragen und diese eben damit zu überfordern. Insofern geht die<br />
<strong>Kommission</strong> von einem inhaltlich begrenzten, realistischen Mandat der Lehrerschaft<br />
und damit von einem spezifischen Verständnis von Professionalität im<br />
Lehrerberuf aus: Der Kernbereich der professionellen Kompetenz ist die Organisation<br />
von Lehren und Lernen“ (Terhart 2000, S. 38).
152 Prioritäre Themen<br />
Eine Reform der Lehrerbildung hingegen, die interkulturelle Bildung konsequent<br />
als Querschnittaufgabe zu fassen sucht, ist<br />
zu denken als ein langfristiger Prozess, der auf eine Veränderung der<br />
Lehrerbildung im Kern zielt, und<br />
zu beginnen mit einer kritischen Befragung der bisherigen, eng mit der<br />
Geschichte der nationalstaatlich verfassten Schule und Lehrerbildung<br />
verbundenen Ausbildungsgegenstände und - strukturen.<br />
In diesem Sinne ist von drei weit verbreiteten Erklärungs- und Denkmustern<br />
Abschied zu nehmen:<br />
erstens von der Vorstellung, interkulturelle Bildung sei eine „Reparaturpädagogik“<br />
für (ausländische resp. zugewanderte) Kinder und ein<br />
„Toleranztraining“ für (inländische) Kinder zwecks Bewahrung des sozialen<br />
Friedens in der Schule und in der Gesellschaft 72 ;<br />
zweitens von der Vorstellung, dass es sich bei interkultureller Bildung<br />
und europäischer Dimension im Bildungswesen um voneinander getrennte<br />
„neue“ Aufgaben handele;<br />
drittens von der Auffassung, interkulturelle Bildung sei eine passagere<br />
Aufgabe neben vielen anderen.<br />
Damit interkulturelle Bildung tatsächlich als Querschnittsaufgabe begriffen<br />
und in die Reform der Lehrerbildung eingebracht werden kann, ist<br />
klarzustellen, dass und wie die so genannten neuen Aufgaben untereinander<br />
zusammenhängen. Der für alle gemeinsame Ansatzpunkt ist ein „gesteigertes<br />
Pluralitätsbewusstsein“ (WELSCH 1994); alle verweisen darauf,<br />
dass ein neuer Umgang mit Heterogenität und mit der Frage nach dem<br />
Verhältnis von Differenz und<br />
72<br />
Vgl. Lehrerinnen und Lehrer für das „Haus des Lernens“ 1996, S. 68.
Prioritäre Themen 153<br />
Gleichheit gefordert ist. Dies schließt zwingend die Frage nach dem bisherigen<br />
Umgang mit Heterogenität ein und danach, wie <strong>dieser</strong> „alte Umgang“<br />
die Inhalte und Strukturen des „Arbeitsplatzes Schule“ und der Lehrerbildung<br />
bestimmt hat und noch bestimmt, um so den Ansatzpunkt für die gewünschte(n)<br />
Reform(en) herausfinden zu können 73 . Dies wird im Folgenden<br />
für <strong>Hamburg</strong> ausgeführt: Nach einer Skizze der sprachlichen und kulturellen<br />
Heterogenität in den Schulen folgt eine Bestandsaufnahme der<br />
schon gegebenen Ansätze interkultureller Bildung in der <strong>Hamburg</strong>er Lehreraus-<br />
und -fortbildung. Den Abschluss bilden die <strong>Empfehlungen</strong> der<br />
<strong>Kommission</strong> zur Ergänzung und Weiterentwicklung <strong>dieser</strong> Ansätze.<br />
8.2.2 Skizze der aktuellen sprachlichen, nationalen/ ethnischen<br />
und kulturellen Vielfalt in den <strong>Hamburg</strong>er<br />
Schulen<br />
Der Statistik nach hat die <strong>Hamburg</strong>er Schülerschaft sich in den letzten 35<br />
Jahren sprachlich-kulturell deutlich ausdifferenziert. Allein zwischen 1980<br />
und 1999 hat sich der Anteil passausländischer Schülerinnen und Schüler<br />
an der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler mehr als verdoppelt: von<br />
9, 1 % auf 21, 5%. Die passausländischen Schülerinnen und Schüler verteilen<br />
sich auf alle Schulformen und (fast) alle Schulen. Im Schnitt stellen<br />
sie einen Anteil zwischen 18% und 25%. Auffällig hoch ist ihre Zahl in<br />
den Hauptschulen (34,9%) und in den Sonderschulen (25%); auffällig<br />
niedrig ist sie an den Gymnasien, aber auch dort sind es noch 10,1%. Was<br />
die Verteilung auf die einzelnen Schulen angeht, so bietet sich folgendes<br />
Bild: 10 <strong>Hamburg</strong>er Schulen haben keine passausländischen Schülerinnen<br />
und Schüler; 14 haben zwischen 60% und 85%; 69 Schulen zwischen 40%<br />
und 59%; 142 zwischen 20% und 39% und 96 Schulen zwischen 10% bis<br />
19%; die restlichen 101 Schulen haben einen Ausländeranteil von bis zu<br />
9%. Eine neuere Statistik der<br />
73<br />
Vgl. hierzu die Ergebnisse verschiedener Projekte im Rahmen des FABER-<br />
Forschungsschwerpunktprogramms, u.a. dargestellt in GOGOLIN/NAUCK 2000; vgl.<br />
auch KRÜGER-POTRATZ/JASPER/KNABE 1998.
154 Prioritäre Themen<br />
Familiensprachen der Schülerinnen und Schüler in den Vorbereitungsklassen<br />
und in den Klassen 1 bis 10 weist 88 Sprachen aus, die in den <strong>Hamburg</strong>er<br />
Schulen gesprochen werden. 74 Zur kulturellen Vielfalt in den Schulen<br />
gibt es leider keine speziellen Angaben, aber aus der Tatsache, dass es<br />
in <strong>Hamburg</strong> über 100 verschiedene Konfessionen und Religionen gibt,<br />
lässt sich auf eine entsprechende Vielfalt religiöser und weltanschaulicher<br />
Bindungen der Schülerschaft schließen . 75<br />
Doch selbst wenn man diese Angaben um weitere - im Prinzip vorhandene<br />
statistische Daten (Religion, Geschlecht, Aufenthaltsstatus, Migrationsform)<br />
- ergänzt, so erlauben sie letztlich keine hinreichend genaue Beschreibung<br />
der tatsächlichen Heterogenität der Schülerschaft. Denn: Von<br />
der Nationalität kann nicht auf die Familiensprache 76 und schon gar nicht<br />
auf die Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler in <strong>dieser</strong> und/oder<br />
in Deutsch geschlossen werden. Ausländischer Pass und Deutsch als Erstsprache<br />
schließen einander ebenso wenig aus wie deutscher Pass und eine<br />
nichtdeutsche Muttersprache oder Zweisprachigkeit 77 . Auch gibt der ausländische<br />
Pass keine Auskunft über die Migrationserfahrungen der Schülerinnen<br />
und Schüler, weder darüber, wie lange eine Familie in der Bundesrepublik<br />
resp. in <strong>Hamburg</strong> lebt, noch darüber, wie und wo sie ihre Zukunft<br />
plant.<br />
74<br />
Mutter-Erstsprachen: Schüler nach Muttersprachen, Schuljahr 1999/2000; eine<br />
weitere gute Möglichkeit, präzise Daten zur Sprachenvielfalt zu gewinnen, würde<br />
die Beteiligung an dem Projekt des Europarats (unter Leitung von GUUS EXTRA,<br />
Tilburg) bieten: Multilingual Cities Project 2000. Zur Frage des Umgangs mit<br />
sprachlicher Pluralität in Europa, vgl. Declaration of Oegstgeest 2000.<br />
75<br />
Grünberg, W./Salbaugh, D.L./Meister-Karanikas: Lexikon der <strong>Hamburg</strong>er Religionsgemeinschaften.<br />
Religionsvielfalt in der Stadt von A-Z, <strong>Hamburg</strong> 1994.<br />
76<br />
Die Sprachenvielfalt reicht von Türkisch und Russisch über die Sprachen aus den<br />
Gebieten resp. Staaten des ehemaligen Jugoslawien, Farsi, Dari, Polnisch bis zu den<br />
„klassischen“ Arbeitsmigrantensprachen Griechisch, Portugiesisch, Spanisch, Italienisch<br />
usw.<br />
77<br />
Einen ersten Eindruck vermittelt die von der Universität Landau durchgeführte<br />
Untersuchung zum Sprachstand türkisch–deutscher Schulanfänger, vgl. <strong>Hamburg</strong>er<br />
Erhebung 2000.
Prioritäre Themen 155<br />
Aber: So unzureichend die statistischen Daten sein mögen, sie belegen<br />
zweifelsfrei, dass angefangen von den Praktika während der ersten Ausbildungsphase<br />
über die zweite Phase bis zur Berufstätigkeit jede (zukünftige)<br />
Lehrkraft (auch) in sprachlich-kulturell heterogenen Klassen unterrichtet,<br />
ganz abgesehen von der Heterogenität hinsichtlich Geschlecht, sozialem<br />
und kulturellem Kapital der Familie, Migrationserfahrung, physische/psychische<br />
Gesundheit, Alter usw. Sie lassen darüber hinaus den<br />
Schluss zu, dass die Zusammensetzung der <strong>Hamburg</strong>er Lehrerschaft keineswegs<br />
diese Heterogenität spiegelt. Zwar gibt es „ausländische Lehrerinnen<br />
und Lehrer“ für den muttersprachlichen Unterricht, die zum Teil<br />
auch im Rahmen der Schulsozialarbeit eingesetzt werden, aber für alle<br />
weiteren Fächer fehlen „Lehrkräfte mit Migrationshintergrund“.<br />
Zielsetzung der von der <strong>Kommission</strong> erarbeiteten <strong>Empfehlungen</strong> ist es<br />
daher, sicherzustellen, dass zukünftig alle <strong>Hamburg</strong>er Lehrerinnen und<br />
Lehrer angemessen auf diese Situation vorbereitet und mehr Studierende<br />
mit „Migrationshintergrund“ für eine pädagogische Ausbildung gewonnen<br />
werden können.<br />
8.2.3. Zu den bestehenden Ansätzen interkultureller<br />
Lehreraus- und –fortbildung in <strong>Hamburg</strong><br />
Es gibt in <strong>Hamburg</strong> ausbaufähige Ansätze im Bereich interkultureller<br />
Lehrerbildung, mit ersten auch institutionell abgesicherten Schnittstellen<br />
zwischen erster, zweiter und dritter Phase. Die bestehenden Studien- und<br />
Ausbildungsangebote reichen von der Möglichkeit thematischer Schwerpunktbildungen<br />
über Spezialisierungen im Fachstudium bis hin zu zertifizierten<br />
Zusatzausbildungen. Dennoch ist eine Aus- und Fortbildung ohne<br />
Berührung mit diesen Fragen auch aktuell nicht nur möglich, sondern -<br />
nicht zuletzt angesichts der großen Zahl von Lehramtsstudierenden - auch<br />
wahrscheinlich! Vor allem besteht die Gefahr der Marginalisierung des bestehenden<br />
Angebots, sofern es nicht konsequent so weiterentwickelt wird,<br />
dass<br />
<br />
der geforderte Perspektivwechsel in der Lehrerbildung generell eingeleitet<br />
wird (also „Neudenken“ der Lehrerbildung im Ausgang von<br />
„Heterogenität als Normalfall“),
156 Prioritäre Themen<br />
<br />
<br />
weitere notwendige Spezialisierungen (Zusatz- resp. Ergänzungsstudiengänge)<br />
entwickelt und - mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet -<br />
angeboten werden, und<br />
Anreize für die Rekrutierung von „Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund“<br />
entwickelt werden.<br />
Als erstes sind die durch die „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“ koordinierten<br />
Angebote zu nennen. Den Kern bildet die Zusatzausbildung<br />
„Lehrer für Kinder verschiedener Muttersprachen“, ein 1980 etabliertes<br />
und zwischenzeitlich weiterentwickeltes Zusatzstudienangebot, dass von<br />
den Fachbereichen Erziehungswissenschaft und Sprachwissenschaft getragen<br />
wird. 30 Studienplätze stehen pro Semester zur Verfügung. Zulassungsvoraussetzung<br />
ist das Erste Staatsexamen für ein Lehramt. Die Zusatzausbildung<br />
ist auf drei Semester ausgelegt; zu studieren sind vier Themenbereiche:<br />
(1) Deutsch als Zweitsprache, (2) Mehrsprachigkeit sowie<br />
Erfahrungen mit einer „zugewanderten“ Sprache 78 ; (3) interkulturelle Erziehung<br />
und (4) soziale und politische Bedingungen des Lebens im Einwanderungsland<br />
Deutschland.<br />
Diese Zusatzausbildung ist interdisziplinär angelegt und weist schon<br />
jetzt erste vertraglich abgesicherte Verbindungen zur Zweiten und Dritten<br />
Phase sowie zu verschiedenen Teilen des grundständigen Studiums auf.<br />
Von hier aus sind auch Impulse zur Installierung neuer Fachstudien, so<br />
zum Studiengang „Intercultural Studies“ im Rahmen des „International<br />
Center for Advanced Studies“ ausgegangen 79 .<br />
Die Zusatzausbildung ist mit der Dritten Phase insofern verbunden, als<br />
pro Semester fünf Lehrkräfte, die als Beamte im <strong>Hamburg</strong>er Schuldienst<br />
beschäftigt sind, mit der Hälfte ihrer Unterrichtszeit für die Zusatzausbildung<br />
„Lehrer für Schüler verschiedener Muttersprachen“ freigestellt werden<br />
können; bisher haben mehr als 180 Lehrkräfte davon Gebrauch gemacht.<br />
Eine Verbindung zur Zweiten Phase ist seit 1996 in Form eines Wahlbereichs<br />
in den Ausbildungsrichtlinien verankert: Referendare<br />
78<br />
Hier wird vor allem Türkisch angeboten.<br />
79<br />
Die „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“ ist am Lehrangebot dieses Studiengangs<br />
beteiligt.
Prioritäre Themen 157<br />
und Referendarinnen haben die Möglichkeit, als individuelle Schwerpunktsetzung<br />
die Didaktikseminare der Zusatzausbildung zu besuchen.<br />
Die Verschränkungen der Zusatzausbildung „Lehrer für Kinder verschiedener<br />
Muttersprachen“ mit Studienangeboten in der Ersten Phase<br />
sind vielfältiger.<br />
• Fakultative Schwerpunksetzungen im erziehungswissenschaftlichen<br />
Studium<br />
Aufgrund der Freiheiten, die die Studien- und Prüfungsordnungen den Studierenden<br />
gewähren, steht es allen Studierenden offen, unabhängig von ihren<br />
Fächern, einen Schwerpunkt „interkulturelle Bildung“ zu setzen und<br />
zwar im erziehungswissenschaftlichen Studium, in einigen wenigen Fachdidaktiken<br />
und auch im Fach Deutsch. Diese Angebote werden nicht gesondert<br />
zertifiziert. Mögliche thematische Schwerpunkte sind z.B.:<br />
Geschichte und Theorie der Migration, Multikulturalität der Gesellschaft<br />
und Monolingualität der Schule,<br />
Erziehung und Bildung in Klassen mit Schülerinnen und Schülern mit<br />
unterschiedlichem sprachlichen und kulturellen Hintergrund,<br />
Lernprozesse unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit,<br />
Deutsch als Zweitsprache und<br />
Didaktik einzelner Unterrichtsfächer in interkultureller Perspektive,<br />
z.B. interreligiöses Lernen.<br />
Ein weiteres Angebot sind die von der „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“<br />
regelmäßig angebotenen Seminare „Praxisorientierte Einführung“<br />
unter interkultureller Perspektive. Sie sollen die Lehramtsstudierenden<br />
frühzeitig dazu anregen, sich explizit mit der in den Schulen gegebenen<br />
Heterogenität auseinander zu setzen. Doch: Es handelt sich hierbei (a) um<br />
Angebote, die an einzelne Lehrende gebunden sind und vor allem bedeutet<br />
(b) Wahlfreiheit, dass Studierende diese Möglichkeiten - formal folgenlos -<br />
ignorieren können!
158 Prioritäre Themen<br />
Schwerpunktsetzungen und Ergänzungsstudien in einzelnen Fachwissenschaften<br />
Deutsch als Zweitsprache<br />
„Deutsch als Zweitsprache“ ist ein Studienschwerpunkt, den Studierende<br />
des Faches Deutsch prüfungsrelevant studieren können. Hierzu liegt vom<br />
Amt für Schule eine in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen Erziehungswissenschaft<br />
und Sprachwissenschaft ausgearbeitete Interpretation<br />
der Prüfungsordnung vor. Auch hier gilt: Studierende des Faches Deutsch<br />
können diese Möglichkeit nutzen oder ignorieren, die Anerkennung und<br />
der „Wert“ ihrer Deutschfakultas bleibt davon unberührt.<br />
„Religionsunterricht für alle“<br />
Seit Jahrzehnten gibt es in <strong>Hamburg</strong> einen „Religionsunterricht für alle“, in<br />
dem nicht nach Konfession und Religion getrennt wird. 80 Für eine entsprechende<br />
Lehrerausbildung ist ein in diese Richtung weisender, ausbaufähiger<br />
Ansatz die Initiative zur Einrichtung eines Lehrstuhl für Islamische<br />
Theologie. Um die entsprechenden Lehrerinnen und Lehrer angemessen<br />
auf den „Religionsunterricht für alle“ vorzubereiten, sollten die Überlegungen<br />
langfristig dahin gehen, auch Angebote zu anderen nichtchristlichen<br />
Religionen im Sinne einer neuen Fachorientierung, die von religiöser<br />
Pluralität als Normalfall ausgeht, zu institutionalisieren (vgl. WEIßE/<br />
DOEDENS 2000).<br />
Türkisch als Unterrichtsfach<br />
Zwei bis drei (!) Studienplätze stehen im Fachbereich Orientalistik für<br />
„Türkisch als Unterrichtsfach“ zur Verfügung. Rechtlich abgesichert ist<br />
das Angebot durch einen Zusatz zur Prüfungsordnung von 1982 (§ 22,<br />
Abs. 3). Außer in der Sonderpädagogik kann Türkisch wie jede andere<br />
Philologie gewählt werden. Je nach den sprachlichen Vorkenntnissen (im<br />
Türkischen) umfasst das Fachstudium 32 - 40 SWS; verpflichtend ist ein<br />
dreimonatiger Sprachaufenthalt in der Türkei. Hier fehlt - so auch die Auf-<br />
80<br />
Vgl. Weisse, W./Doedens, F. (Hrsg.): Religiöses Lernen in einer pluralen Welt. Religionspädagogische<br />
Ansätze in <strong>Hamburg</strong>: Novemberakademie 1999. Münster/New<br />
York/München/Berlin 2000.
Prioritäre Themen 159<br />
fassung des Fachbereichs Orientalistik 81 - ein eigenständiger Lehrstuhl für<br />
türkische Sprache und Literatur und ihre Didaktik.<br />
8.2.4 Vorschläge der <strong>Kommission</strong><br />
Bislang gibt es bundesweit kein Modell für Lehrerbildung, das strukturell<br />
und inhaltlich die Frage gelöst hätte, wie die neue Querschnittaufgabe, die<br />
letztlich interdisziplinäre Strukturen verlangt, wahrgenommen werden<br />
kann. Für <strong>Hamburg</strong> empfiehlt die <strong>Kommission</strong> daher, bestehende Ansätze<br />
zu stärken und auszubauen, mit dem Ziel, dass zukünftig eine Lehrerausund<br />
-fortbildung ohne Berührung mit Fragen sprachlicher, ethnischer, kultureller<br />
Heterogenität ausgeschlossen ist (interkulturelle Bildung als<br />
„Querschnittaufgabe“, Abschnitt 8.2.4.1), und neue Fachangebote resp.<br />
Fachschwerpunktsetzungen etabliert resp. abgesichert werden können (Abschnitt<br />
8.2.4.2).<br />
Darüber hinaus empfiehlt die <strong>Kommission</strong> zu prüfen, inwieweit die<br />
Modularisierung der Studiengänge eine gute Möglichkeit zur Einleitung<br />
von Strukturveränderungen im Sinne des hier angesprochenen Perspektivwechsels<br />
in allen Anteilen und Phasen der Lehrerbildung darstellt.<br />
8.2.4.1 Weiterentwicklung und Ergänzung interkultureller<br />
Angebote für alle Lehrerinnen und Lehrer:<br />
Querschnittaufgabe<br />
Hier steht - bezogen auf alle Ausbildungsanteile und -phasen - die kritische<br />
Auseinandersetzung mit den gegebenen Inhalten und Strukturen im Mittelpunkt.<br />
Die Leitfrage lautet: Warum sind Differenzen (in Bezug auf Sprache,<br />
Ethnizität, Geschlecht, Gesundheit/Behinderung usw.) als Defizite<br />
oder Sonderprobleme übersetzt worden, für die dann nur Teile der Lehrerschaft<br />
verantwortlich wa<br />
81<br />
Der Fachbereich Orientalistik empfindet dieses Studienangebot als Überforderung.
160 Prioritäre Themen<br />
ren/sind - eine Frage, die auch hinsichtlich der Entscheidung darüber, was<br />
zukünftig jede Lehrkraft wissen und was weiterhin Aufgabe von Experten<br />
bleiben muss, zu stellen ist. In diesem Sinne sind die - ohne Anspruch auf<br />
Vollständigkeit - nachstehend aufgelisteten Fragen zu verstehen:<br />
Welchen Kräftekonstellationen und Denkfiguren verdanken sich die<br />
bisherigen Strukturen der Lehramtsausbildung?<br />
Welche Strategien, Ordnungsprinzipien, Denk-, Handlungs- und Entscheidungsmuster<br />
sind historisch herausgebildet worden, um in der<br />
„Massenschule“ die kulturelle und soziale Integration der nachwachsenden<br />
Generation im Nationalstaat zu sichern?<br />
Wie resp. wo bestimmen diese Strategien und Denkmuster bis heute<br />
Ausbildung und Unterricht?<br />
Wie sind sie in den bildungspolitischen Entscheidungen und rechtlichen<br />
Regelungen verankert?<br />
Wie und wo haben sie Eingang in Theorien (Theorien der Schule,<br />
Theorien des Lehrens und Lernens, entwicklungspsychologische Ansätze,<br />
Anthropologien, usw.) gefunden? Wie haben sie die „innere Ordnung“<br />
der Schule (Verhaltensregeln, Schulordnungen, Rollenbeschreibungen)<br />
mit bestimmt?<br />
Welche Gegenentwürfe hat es historisch gegeben und warum sind sie<br />
„gescheitert“?<br />
Diese Fragen, die ihren Platz insbesondere in den Kerncurricula der erziehungswissenschaftlichen,<br />
fachdidaktischen wie fachwissenschaftlichen<br />
Ausbildung haben, führen dazu, dass (zukünftige) Lehrkräfte sich in allen<br />
Teilen der Ausbildung mit der Geschichte ihres „Arbeitsplatzes“ und ihrer<br />
Profession auseinander setzen müssen, mit dem Ziel der Bewusstmachung<br />
von Normalitätskonstrukten, und somit mit den Strukturen sowie Strategien<br />
von Inklusion/Exklusion.<br />
Darüber hinaus - und dies ist neu - gehört zur Installierung der Interkulturellen<br />
Bildung als Querschnittaufgabe, dass alle Lehrkräfte, Gelegenheit<br />
bekommen müssen, sich Grundkenntnisse in Fragen von Spracherwerb,<br />
Zweitspracherwerb (Deutsch als Zweitsprache) und innersprachliche<br />
Heterogenität anzueignen, mit dem
Prioritäre Themen 161<br />
Ziel eines bewussten und zielgruppengerechten Einsatzes der Unterrichtssprache<br />
Deutsch in jedem Fach: Ein wesentlicher Inhalt eines derartigen<br />
Ausbildungsangebots ist außerdem das Erlernen von Strategien, um (a)<br />
sich in mehrsprachigen Situationen professionell bewegen zu können, ohne<br />
mehrere Sprachen tatsächlich sprechen zu können und (b) die gegebene<br />
Mehrsprachigkeit allen Lernern als Ressource zugänglich zu machen.<br />
In <strong>dieser</strong> Perspektive empfiehlt die <strong>Kommission</strong> zu prüfen, wie das gemeinsame<br />
Studium der Lehramtsstudenten, das bisher nur in Erziehungswissenschaft/Sozialwissenschaften<br />
erfolgt, um ein vier- bis sechsstündiges<br />
Angebot (zeugnis- resp. prüfungsrelevant) „Deutsch als Arbeits- resp. Unterrichtssprache“,<br />
„Strategien der Kommunikation in Situationen sprachlicher<br />
Pluralität“ ergänzt werden kann. Zu denken ist an ein interdisziplinäres<br />
Angebot, bereitgestellt von den Arbeitsbereichen, resp. Fächern/Fachbereichen:<br />
Erziehungswissenschaft (Interkulturelle Bildung), Germanistik<br />
(Deutsch als Zweitsprache), Linguistik (Spracherwerb/Zwei- und Mehrsprachigkeit)<br />
und von den Fachdidaktiken zusammen mit den Fachwissenschaften<br />
(Unterrichtssprache/Fachsprache Deutsch).<br />
8.2.4.2 Weiterentwicklung und Ergänzung bestehender Angebote<br />
interkultureller Bildung: Spezialisierungen<br />
Deutsch als Zweitsprache: Spezialisierung<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt den Ausbau des Ergänzungsstudiums „Deutsch<br />
als Zweitsprache“ (DaZ) zu installieren - unabhängig von der oben ausgesprochenen<br />
Empfehlung für die Einrichtung eines Angebots in DaZ (Spracherwerb/Mehrsprachigkeit)<br />
für alle Lehrkräfte. Die für Deutsche als<br />
Zweitsprache speziell qualifizierten Lehrkräfte könnten in den Schulen<br />
(Förderklassen), aber auch in der Weiterbildung eingesetzt werden. Denn<br />
alle bekannten Daten weisen darauf hin, dass (1) in der Bundesrepublik<br />
Zuwanderung ein wichtiger demographischer und ökonomischer Faktor<br />
bleibt und dass (2) auch Kinder aus Zuwandererfamilien, die in der Bundesrepublik<br />
geboren werden, primär in der Sprache ihrer Familie aufwachsen<br />
und die deutsche Sprache nicht in der Weise in die
162 Prioritäre Themen<br />
Schule „mitbringen“ wie diese es - traditionell - als „normal“ voraussetzt.<br />
Integrierter Religionsunterricht<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die Weiterentwicklung eines Studien- und<br />
Weiterbildungsangebots für Lehrerinnen und Lehrer des Faches Religion<br />
(integrierter Religionsunterricht). Ein erster Schritt zur Realisierung könnte<br />
die Einrichtung eines Lehrstuhls für Islamische Theologie sein. Gleichzeitig<br />
ist ein Konzept zu entwickeln, das sicherstellt, dass - über Christentum<br />
und Islam hinaus - andere Weltreligionen ihren Platz in der Aus- und Fortbildung<br />
finden, ohne für jede einen neuen Lehrstuhl vorzusehen. Anzustreben<br />
ist ein fachliches Ausbildungskonzept für ein integriertes Studium der<br />
Weltreligionen und für interreligiöses Lernen.<br />
Türkisch als Unterrichtsfach<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt den Ausbau des Studienangebots „Türkisch als<br />
Unterrichtsfach“ durch die Einrichtung eines Lehrstuhls für Türkische<br />
Sprache und Literatur und ihre Didaktik in der Lehrerausbildung und die<br />
Anerkennung sowie den Ausbau des Türkischen als gleichberechtigte<br />
Philologie.<br />
Zusatzstudium „Lehrer für Kinder verschiedener Muttersprachen“<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Fortentwicklung des Zusatzstudiums „Lehrer<br />
für Kinder verschiedener Muttersprachen“ auf mehreren Ebenen und<br />
bezogen auf verschiedene Adressaten 82 :<br />
die Entwicklung eines interdisziplinären Aufbaustudiengangs für Lehrkräfte,<br />
die ihre Fakultas in einem anderen (europäischen) Land erworben<br />
und ggf. nur ein Fach studiert haben; Ziel ist es, dafür Sorge zu tragen,<br />
dass in einer heterogenen Lehrerschaft einheitliche Standards gewahrt<br />
bleiben;<br />
82<br />
Hierzu liegen Vorschläge der Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung vor, deren Ziel es<br />
ist, eine effizientere Nutzung der vorhandenen Lehr- und Forschungskapazitäten,<br />
einen flexiblen Einsatz des Lehrangebotes und eine Verbindung des Ausbildungsangebotes<br />
für pädagogisches Personal in der Schule und in weiteren pädagogischen<br />
Arbeitsfeldern zu gewährleisten.
Prioritäre Themen 163<br />
<br />
<br />
die Etablierung eines Schwerpunktbereiches Interkulturelle Bildung in<br />
Fort- und Weiterbildung für pädagogisches Personal, für die sich dasselbe<br />
Problem des produktiven Umgangs mit sprachlicher, ethnischer<br />
und kultureller Pluralität in anderen (nicht-schulischen) pädagogischen<br />
Handlungsfeldern stellt;<br />
den Ausbau der Mitarbeit im Studiengang „Intercultural Studies“.<br />
Konzept für eine veränderte Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt ferner, ein Konzept zur Veränderung der<br />
Fremdsprachenlehrerinnen- und -lehrerausbildung zu erarbeiten: Noch<br />
steht die Fremdsprachenlehrerausbildung zu stark in der Tradition des Erlernens<br />
einer anderen (fremden) Nationalsprache und Nationalkultur. Ziel<br />
sollte es sein, die gesamte sprachliche Bildung eines Kindes (Deutsch, ggf.<br />
eine andere Familiensprache und in der Schule gelernte Fremdsprachen) in<br />
ein integriertes Konzept sprachlichen Lernens zu übertragen. Die in <strong>Hamburg</strong><br />
schon gegebenen ersten Ansätze der Verbindung von Sprachen und<br />
„Verwertungszusammenhängen“, z.B. Englisch als Arbeitssprache, Englisch<br />
als lingua franca oder Französisch der Frankophonie, sollten weiterentwickelt<br />
werden.<br />
Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Veränderung der Fremdsprachenbildung<br />
im Sinne des integrierten sprachlichen Lernens könnte ein für alle<br />
Fachstudierenden verpflichtendes Angebot in einer sprachübergreifenden<br />
Fachdidaktik sein. Hierzu sollte eine spezielle Arbeitsgruppe eingesetzt<br />
werden, an der Fachdidaktiker und Fachwissenschaftler verschiedener<br />
Philologien und Vertreter der Ersten und Zweiten Phase beteiligt sind .<br />
Lehrkräfte für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, ein strukturiertes Studienangebot (mit Entsprechungen<br />
in der Zweiten Phase) für die Ausbildung der Lehrkräfte einzurichten,<br />
die für den frühen Fremdsprachenunterricht in der Grundschule<br />
zuständig sind. Hierzu sollte eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter<br />
Beteiligung der „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“ eingerichtet werden.
164 Prioritäre Themen<br />
Lehrkräfte für bilinguale Bildungsgänge<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine Arbeitsgruppe einzurichten, die ein Konzept<br />
für die Ausbildung von Lehrkräften für bilinguale Bildungsgänge ab<br />
Sekundarstufe I und/oder - wie schon in Berlin und anderen Städten - ab 1.<br />
Klasse Grundschule entwickelt. In diesen Ausbildungsgängen sollte die<br />
Frage der Mehrsprachigkeit eine zentrale Stelle einnehmen, und die in Frage<br />
kommenden Sprachen sollten sich nicht auf die „anerkannten“ Fremdsprachen<br />
(Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch) beschränken.<br />
8.3 Schulentwicklung<br />
Die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> betrachtet die Notwendigkeit, Schule im Sinne<br />
einer Qualitätssicherung permanent weiterzuentwickeln, als zentrale<br />
Orientierung beim Neudenken von Lehrerbildung. Dabei kann Bezug genommen<br />
werden auf die internationale Debatte um die Autonomie von<br />
Bildungsinstitutionen. Diese findet ihren Niederschlag im <strong>Hamburg</strong>ischen<br />
Schulgesetz, das an entscheidenden Stellen von einer sich eigenständig<br />
entwickelnden Schule ausgeht.<br />
Von Bedeutung in normativer Hinsicht sind in <strong>Hamburg</strong> in diesem Zusammenhang<br />
die veränderten oder neuen Vorgaben (<strong>Hamburg</strong>er Schulgesetz<br />
und verschiedene Richtlinien)<br />
zur Schulprogrammentwicklung,<br />
zur schulinternen Evaluation,<br />
zur schulinternen Standardreflexion durch Entwicklung von Vergleichsarbeiten,<br />
zu Partizipations- und Mitentscheidungsrechten der schulischen Gruppen,<br />
zur Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Schulleitungen und<br />
zu Zielen, Gestaltung und Organisation der Ausbildung im Vorbereitungsdienst<br />
für die Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> ist der Ansicht, dass in <strong>Hamburg</strong> insgesamt günstige<br />
Rahmenbedingungen für eine langfristig angelegte Schulentwicklung gegeben<br />
sind. Die Rahmenbedingungen sollten gestärkt,
Prioritäre Themen 165<br />
weiter ausgebaut und in den Institutionen der Lehrerbildung mit hohem<br />
Verbindlichkeitsgrad aufgenommen werden. Gleichzeitig werden hier auch<br />
im Zuge der relativ fortgeschrittenen Entwicklung die Anforderungen sehr<br />
konkret sichtbar, die sich aus diesem Kontext für Lehrerinnen und Lehrer<br />
ergeben. Sie betreffen die Arbeitssituation der Lehrerinnen und Lehrer und<br />
der Schulleitungen, die Neuorientierungen ihrer Berufstätigkeit, die beruflichen<br />
Leitbilder sowie die Aufgabenfelder. Damit geht es um Neufassung<br />
pädagogischer Professionalität mit den sich daraus ergebenden Folgen für<br />
die Bildung eines professionellen Selbst von Lehrerinnen und Lehrern.<br />
8.3.1 Arbeitsperspektive im Lehrberuf<br />
Schulen müssen sich einer Vielzahl von Veränderungen stellen. Mit Hilfe<br />
von gezielter Schulentwicklung kann <strong>dieser</strong> Veränderungsdruck in zukunftsweisende<br />
Gestaltungsaktivitäten umgeleitet werden. Wenn die Einzelschulen<br />
in diesem Zusammenhang als ‚Motoren der Entwicklung‘ betrachtet<br />
werden, so muss gleichzeitig ihr Eingebundensein in vorgegebene<br />
Strukturen berücksichtigt werden. Schulen als hochkomplexe soziale Systeme,<br />
die sich durch hierarchische Strukturen und ein traditionelles Verordnungswesen<br />
von beachtlicher Haltekraft auszeichnen, können sich –<br />
häufig auch mit externer Unterstützung – weiterentwickeln. Andererseits<br />
müssen Schulentwickler und -entwicklerinnen mit der Trägheit der Systeme<br />
sowie mit antinomischen Spannungen des Lehrerhandelns rechnen, die<br />
im Zuge der Aufforderung zur permanenten Weiterentwicklung leicht zu<br />
Überforderungen führen können.<br />
So ergibt sich als Arbeitsperspektive für Lehrerkräfte ein widersprüchliches<br />
setting: Einerseits entstehen mit Bildungsplänen, Rahmenrichtlinien<br />
und sonstigen Vorgaben neue Freiräume im pädagogischen, finanziellen,<br />
personellen und administrativen Bereich, andererseits bestehen eine hohe<br />
Regelungsdichte sowie traditionelle Verwaltungsstrukturen, die auf die<br />
Verknüpfung des Lehrberufs mit der staatlichen Gewährleistungsaufgabe<br />
für das Schulsystem insgesamt verweisen.
166 Prioritäre Themen<br />
Klug wäre die Berücksichtigung sowohl der historisch erworbenen Sicht<br />
als auch der aktuell zu entwickelnden Arbeitsperspektive. Schulentwicklung<br />
gründet demnach sowohl auf elementaren Aufgabenfeldern des Lehrberufs,<br />
wie dem Unterrichten, Erziehen, Diagnostizieren und Beurteilen,<br />
als auch auf innovativen Potentialen der Lehrkräfte, die sich in schärfer zu<br />
fassender Schulentwicklungskompetenz der Akteure niederschlägt.<br />
8.3.2 Berufliches Leitbild<br />
Die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung betrachtet Schulentwicklung<br />
neben Unterricht, Erziehung, Diagnostik und Beurteilung als gleich zu gewichtendes<br />
Thema bei der Entwicklung eines neuen beruflichen Leitbildes.<br />
Umrisse eines beruflichen Leitbildes, in dem das zentrale Thema ‚Schulentwicklung‘<br />
berücksichtigt wird, gründen auf dem Einverständnis der<br />
‚professionals‘, sich auf Wandel einzulassen und dabei normative Orientierungen<br />
und Standards, Einbindungen in die Organisation Schule und das<br />
Schulsystem zu reflektieren. Es geht insofern um Prozessbereitschaft und<br />
eine Offenheit für Entwicklungen, die sich in aktiver Teilnahme an Schulentwicklungsprozessen<br />
niederschlägt. Dabei mag die Akzentuierung von<br />
Veränderung als stabilem Element des Lehrberufs einen anstehenden Bewusstseinwandel<br />
in einem traditionell verwalteten Berufsfeld umreißen.<br />
Die Wandlungsperspektive zeichnet sich dabei einerseits durch Offenheit<br />
für zukünftige Schulentwicklungen ab; andererseits ist sie gebunden an die<br />
Vision einer guten Schule, die kooperativ erarbeitet werden kann und die<br />
die Pädagogen auf Prozessstandards verpflichtet.<br />
Ausgehend von der Leitvorstellung einer autonomisierten Schule unterstreicht<br />
die <strong>Kommission</strong> folgende Orientierungen in Schulentwicklungsprozessen:<br />
eigenverantwortliche Wahrnehmung pädagogischer Freiräume,<br />
Verbesserung der Qualität des Unterrichts,<br />
Aufbau einer Schulkultur,<br />
kooperative Vernetzung der Mitglieder,
Prioritäre Themen 167<br />
<br />
<br />
systematische Evaluation von Arbeitsprozessen und Arbeitsergebnissen,<br />
schulorganisatorische Gestaltungskompetenz.<br />
Die eigenverantwortliche Wahrnehmung pädagogischer Freiräume ergibt<br />
sich aus dem erweiterten Handlungsspielraum der Schulen, der sich in der<br />
eigenständigen Gestaltung des Unterrichts und der Wahl von Schwerpunkten,<br />
die der Heterogenität der Schülerschaft entsprechen, niederschlägt.<br />
Ziel der kooperativ zu erarbeitenden Orientierungen ist die Verbesserung<br />
des Unterrichts als zentralem Anliegen aller Schulreform. Sie setzt<br />
tragfähige kommunikative Vernetzungen unter den Mitgliedern des Kollegiums<br />
voraus. Mit dem Einlassen auf Schulentwicklungsprozesse werden<br />
Beiträge zum Aufbau einer Schulkultur, zu der selbstverständlich evaluative<br />
Verfahren gehören, geleistet. Die hier auf der Basis von Daten entwikkelten<br />
Visionen müssen im Zuge einer Implementation in den Schulalltag<br />
eingefügt werden und erfordern damit Geschick im schulorganisatorischen<br />
Bereich.<br />
8.3.3. Führung und Management<br />
In Schulentwicklungsprozessen kommt der Schulleitung eine herausragende<br />
Bedeutung zu. Für die Prozessentwicklung der Organisation trägt sie die<br />
Gesamtverantwortung, was Verpflichtungen und Aufgaben sowohl innerhalb<br />
der Schule als auch gegenüber Außeninstanzen (Schulaufsicht, Ausund<br />
Fortbildungsinstitutionen, außerschulische Kooperationspartner) mit<br />
sich bringt. In der Orientierung sind ihre Aktivitäten insgesamt als Beitrag<br />
zur corporate identity zu betrachten. Dabei liegen die Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />
der Schulleitung in der Wahrung der Gemeinsamkeit der<br />
Initiativen und der Sicherung von Qualitätsstandards vor dem Hintergrund<br />
der allgemeinen Richtlinien. In der Übernahme der Gesamtverantwortung<br />
übernimmt sie vorbildhaft eine Schlüsselfunktion bezüglich der oben angegebenen<br />
Orientierungen. Sie sichert dabei Dialogizität durch Transparenz<br />
und Verankerung von
168 Prioritäre Themen<br />
innovativen Schritten im Kollegium. Darüber hinaus sichert sie Standards<br />
und vertritt die Schule nach außen.<br />
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass durch das Führungshandeln<br />
der Schulleitung<br />
die schulische Auftragserfüllung gestützt,<br />
die Gemeinsamkeit und Ergebnisorientierung der Entwicklungsinitiativen<br />
verbürgt,<br />
förderliche Arbeitsbedingungen für das pädagogische Personal hergestellt<br />
und<br />
das Erreichen von Qualitätsstandards vor dem Hintergrund existierender<br />
Vorgaben thematisiert wird.<br />
Da schulische Entwicklungsprozesse in hohem Maß von unterstützendem<br />
Führungshandeln der Schulleitungen abhängen, sollten nach Auffassung<br />
der <strong>Kommission</strong> die existierenden Fort- und Weiterbildungsstrukturen für<br />
Leitungskräfte, die zurzeit von einem Angebotscharakter im Bausteinsystem<br />
geprägt sind, in einer Weise weiterentwickelt und ergänzt werden,<br />
dass<br />
die praxisbegleitende Fortbildung und Unterstützung der Problemlösekapazität<br />
im Organisationskontext der Einzelschule akzentuiert wird,<br />
kooperative Fortbildungskontexte etabliert werden, die arbeitsplatznahes<br />
individuelles Lernen und Gruppenlernen ermöglichen,<br />
systematisch pädagogische Schul-, Team- und Managemententwicklung<br />
verknüpft werden,<br />
die Schulleitungsqualifizierung sich stimmig in ein schuleigenes Fortbildungsprogramm<br />
einbettet.<br />
8.3.4. Professionalisierung durch und für Schulentwicklung<br />
Im Sinne eines fortlaufend zu überprüfenden Gesamtauftrages Lehrerbildung<br />
in <strong>Hamburg</strong> wird das reflexive Umgehen mit innovativen Prozessen,<br />
die auf einer Reform der Unterrichtsprozesse basieren, empfohlen. Die Akzentuierung<br />
reflexiver Haltungen kann dabei vor Innovationseuphorie und<br />
Überforderung schützen. Die pragmatische Begrenzung von innovativen<br />
Vorhaben und eine
Prioritäre Themen 169<br />
flankierende Fortbildung und Beratung können als günstige Voraussetzung<br />
für das Gelingen schulischer Entwicklungsprojekte betrachtet werden.<br />
Als Voraussetzung für professionelle Schulentwicklungsarbeit kann<br />
gelten die Fähigkeit und Bereitschaft<br />
zur experimentellen Gestaltung von Arbeitsprozessen,<br />
zum Aufbau kooperativer Vernetzungen im Schulkollegium entlang der<br />
Fächer, fächerübergreifend und in Projekten,<br />
zum kontinuierlichen Erheben, Auswerten und Bewerten planungs- und<br />
entscheidungsrelevanter Daten,<br />
zum Perspektivwechsel, der auch systemische Einbindungen der individuellen<br />
schulischen Praxis freilegt,<br />
zur reflexiven Distanz zum Berufsfeld.<br />
In moderierten und evaluativ begleiteten Verfahren können Pädagoginnen<br />
und Pädagogen auf der Basis solcher Fähigkeiten und Bereitschaften Professionalität<br />
entwickeln wie umgekehrt die Entwicklungsprozesse selbst<br />
das Medium sind, professionelle Bereitschaften und Fähigkeiten auszubilden,<br />
zu orientieren und auf die Probe zu stellen. Schulentwicklung wäre in<br />
diesem Sinn als Ausdruck kontinuierlicher Professionalisierung zu verstehen.<br />
8.3.5. Schulentwicklung in den Phasen der Lehrerbildung<br />
Im Studium, im Referendariat, in der Berufseingangsphase und in der Fortund<br />
Weiterbildung gilt die Beschäftigung mit Schulentwicklung als prioritäres<br />
Thema. Dabei verlagern sich die Schwerpunkte entsprechend den<br />
Feldern der Ausbildung und beruflichen Erfahrung.<br />
Im Studium, in dem es um den Aufbau von Theoriewissen und die Entwicklung<br />
eines forschenden Habitus gegenüber der Praxis geht, sollten neben<br />
schultheoretisch orientierten Seminaren und Vorlesungen unter Anknüpfung<br />
an bestehende Strukturen folgende Angebote einen besonderen<br />
Stellenwert erhalten:<br />
praxisbezogene Veranstaltungen zum Thema „Schulentwicklung“,
170 Prioritäre Themen<br />
<br />
<br />
<br />
Beteiligung von Studierenden an Forschungsprojekten zur Schulentwicklung,<br />
Beteiligung von Studierenden an schulinternen Projekten der Schulprogrammentwicklung<br />
und Evaluation,<br />
kooperative Veranstaltungen mit Lehrenden der Universität, des Studienseminars,<br />
des Instituts für Lehrerfortbildung und der Schulen.<br />
Im Studienseminar, in dem es um die systematische Reflexion der Lehrertätigkeit<br />
und die Dokumentation von Praxis geht, sollte das Thema „Schulentwicklung“<br />
neben der Aneignung grundlegender Kompetenzen zur Planung,<br />
Durchführung und Evaluation von Unterricht in folgender Art und<br />
Weise berücksichtigt werden:<br />
Evaluation von Seminar- und Unterrichtsprozessen,<br />
Dokumentation und Reflexion von Schulentwicklungsprozessen,<br />
Einführung in kooperative Unterrichtsplanung und Teamteaching.<br />
Voraussetzung für die erfolgreiche Organisation diesbezüglicher Lernprozesse<br />
der Referendarinnen und Referendare ist einerseits ihre Einbindung<br />
in Schulentwicklungsprozesse ihrer Ausbildungsschulen, andererseits auf<br />
Seiten des Ausbildungspersonals eine aktuelle, erfahrungsgesättigte Vertrautheit<br />
mit Prozessschritten der Schulentwicklung und die Anwendung<br />
der Prinzipien von Schul-entwicklung (Zielklarheit, Transparenz von Planung,<br />
Praxisreflexion, Rechenschaft, Evaluation) auf die eigene Ausbildungstätigkeit.<br />
In der Berufseingangsphase, in der der Aufbau von Handlungssicherheit<br />
und der Erwerb eines tragfähigen beruflichen Habitus im Vordergrund<br />
stehen, nimmt Schulentwicklung vor dem Hintergrund eines ausgebauten<br />
Unterstützungssystems für Novizen eine wesentliche Rolle ein.<br />
Zu denken ist hier an<br />
experimentelle Gestaltung von Unterrichtsprozessen,<br />
kollegiale Fallbesprechungen und Supervision,<br />
Heranführung an Planungs- und Moderationsaufgaben,<br />
Übernahme von Verantwortlichkeiten in Schulentwicklungsprozessen.
Prioritäre Themen 171<br />
In der Fort- und Weiterbildung, die sich kontinuierlicher Qualifizierung<br />
verpflichtet weiß, erfordert der Fokus auf Qualitätsentwicklung für und<br />
durch eigenständige Schulen die Revision gängiger Konzepte. Die Definition<br />
dessen, was die souveräner werdende Schule in diesem Bereich<br />
braucht, wird in vielen Bereichen immer weniger zentral vorgedacht werden<br />
können. Die Angebote nehmen den Charakter eines Service an, der<br />
abgerufen werden kann und imstande ist, auf ad hoc gegebene Probleme<br />
wirkungsvoll zu reagieren. Schulferne Kurse werden demgegenüber an<br />
Bedeutung verlieren.<br />
Es besteht breiter Konsens, dass traditionelle Fortbildungsansätze erhebliche<br />
Schwächen aufweisen, da sie<br />
Lehrkräfte nur unzureichend bei ihrer professionellen Entwicklung unterstützen,<br />
Qualifikationserweiterungen, weil sie Ergebnis individueller Wahlentscheidungen<br />
sind, ungleichmäßig auf das Personal verteilen,<br />
aufgrund der Arbeitsplatzferne den Transfer, d. h. die Übertragung des<br />
Gelernten in den schulischen Alltag, erschweren,<br />
die Bedarfslage der Schule als Organisation und Handlungseinheit mit<br />
spezifischer Ausgangslage und Zielsetzung nicht wirksam genug erfassen,<br />
individuelle Lernergebnisse von Lehrern nicht verbindlich rückbinden<br />
und verknüpfen mit innerschulischen Kooperationszusammenhängen.<br />
Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte haben sich deshalb in ähnlicher<br />
Weise wie die für Leitungskräfte weiterzuentwickeln, indem<br />
sie Akzente auf Praxisbegleitung und Unterstützung der Problemlösekapazität<br />
im Organisationskontext der Einzelschule setzen,<br />
Lehrerinnen und Lehrer in kooperative Fortbildungskontexte hineinzieht,<br />
die arbeitsplatznahes individuelles Lernen und Gruppenlernen<br />
ermöglichen,<br />
die individuelle und gruppenbezogene Qualifizierung stimmig in ein<br />
schuleigenes Fortbildungsprogramm einbettet.
172 Prioritäre Themen<br />
Dies setzt wie beim Ausbildungspersonal auch theoretische Kenntnis und<br />
reflektierte praktische Vertrautheit mit Schulentwicklung verbindlich voraus.
Studienstruktur 173<br />
9. Studienstruktur und Prüfungswesen<br />
Die Ziel- und Leistungsvereinbarung zwischen der Behörde für Wissenschaft und<br />
Forschung und der Universität <strong>Hamburg</strong> sieht zur Qualitätssicherung der universitären<br />
Lehre unter anderem vor, dass die Universität<br />
für ein zeitlich angemessen begrenztes Prüfungsverfahren Sorge trägt,<br />
in grundständigen Studiengängen Elemente der Internationalisierung und Modularisierung<br />
sowie Möglichkeiten eines studienbegleitenden Prüfungssystems<br />
in Abstimmung mit dem European Credit Transfer System (ECTS) einführt,<br />
die Einrichtung gestufter Studienabschlussmöglichkeiten in ausgewählten Studiengängen<br />
erprobt und<br />
den Einsatz von Multimedia in der Lehre fördert.<br />
(Behörde für Wissenschaft und Forschung 1999, S. 5).<br />
Die <strong>Kommission</strong> unterstützt diese Maßnahmen nachhaltig und schlägt vor, sie in<br />
Richtung auf die Lehrerbildung weiterzuentwickeln. Die universitäre Lehrerausbildung<br />
wird in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen nicht gesondert erwähnt,<br />
aber die vorgesehenen Maßnahmen der Modularisierung und Stufung des Studiums,<br />
der Effektivierung des Prüfungswesens und des Einsatzes neuer Medien zur<br />
Intensivierung des Lehre sind ohne weiteres auf die Belange der Lehrerbildung<br />
anwendbar, sofern deren Besonderheiten in Rechnung gestellt werden. Gegenüber<br />
grundständigen Studiengängen, die einen universitären Abschluss 83 vorsehen,<br />
unterscheidet sich die Lehrerbildung durch<br />
das Studium verschiedener Fächer für einen berufsqualifizierenden Abschluss<br />
84 ,<br />
die Bestätigung dieses Abschlusses durch eine Staatsprüfung,<br />
83<br />
Diplom, Magister, direkter Zugang zum Doktorat etc.<br />
84<br />
„Die erste Staatsprüfung ist der berufsqualifizierende Abschluss eines wissenschaftlichen<br />
Studienganges“ (Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />
Schulen vom 18. Mai 1982 § 2, 1).
174 Studienstruktur<br />
<br />
<br />
die Erteilung der beruflichen Berechtigung durch eine Erste und eine Zweite<br />
Staatsprüfung<br />
die Berechtigung für staatliche Lehrämter.<br />
Die <strong>Kommission</strong> schlägt grundsätzlich vor, am Staatsexamen festzuhalten, also<br />
die Lehrerbildung nicht, wie in der jüngeren Diskussion gelegentlich vorgeschlagen<br />
wurde, in ein grundständiges Studium mit einem universitären Abschluss<br />
und eine anschließende berufspraktische Ausbildung zu verwandeln 85 . Am<br />
Grundsatz des berufsqualifizierenden Abschlusses eines wissenschaftlichen Studienganges<br />
ist also festzuhalten. Das schließt aber Stufungen ebenso wenig aus<br />
wie Modularisierungen, die Einführung eines persönlichen Portfolios der Studierenden<br />
oder die Neugestaltung des Prüfungswesens. Die Beibehaltung des Staatsexamens<br />
sanktioniert auch nicht die bestehenden Regelstudienzeiten. Die Einführung<br />
studienbegleitender Prüfungen schafft die Möglichkeit zur Flexibilisierung,<br />
was zur Kürzung der faktischen Studiendauer beitragen soll. Die Studiengänge<br />
müssen so angelegt werden, dass sie in der vorgesehenen Regelstudienzeit studier-<br />
und abschließbar sind. Eine Kürzung der Regelstudienzeit unter den Zeitraum<br />
von acht Semestern wird von der <strong>Kommission</strong> nicht empfohlen.<br />
Bisher eröffnen zwei Staatsexamen den Zugang zum Schuldienst. Die beiden<br />
Examen werden nacheinander absolviert, ohne miteinander verbunden zu sein.<br />
Weil die Studienteile der beiden Phasen der Lehrerbildung nicht aufeinander abgestimmt<br />
sind, werden die Prüfungen voneinander isoliert je am Ende der beiden<br />
Phasen abgenommen 86 . Die Prüfungsorganisation der ersten Phase<br />
85<br />
Das zentrale, systemtheoretische Argument, Wissenschaft (Universität) und Praxis (Schule)<br />
seien zwei getrennte Funktionsbereiche und müssten so auch unabhängig voneinander bearbeitet<br />
werden, überzeugt nicht. Der beschleunigte Wissenstransfer und die hohen Lerngeschwindigkeiten<br />
verlangen umgekehrt eine stärkere Verzahnung von Forschung, Ausbildung<br />
und Praxis. Was für die Technologieentwicklung selbstverständlich ist, sollte für den<br />
Zusammenhang von Bildungsforschung, Lehrerbildung und Berufspraxis nicht in Frage gestellt<br />
werden.<br />
86<br />
Für die Zweite Staatsprüfung ist vorgesehen, dass „die Prüfung ... mit dem ersten Tage des<br />
letzten Ausbildungshalbjahres (beginnt“) (Verordnung über den Vorbereitungsdienst und<br />
die Zweite Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen vom 3. Juli 1973, zuletzt<br />
geändert am 11. Oktober 1995, § 16, 1).
Studienstruktur 175<br />
bezieht sich auf getrennte Fächer, die durch unterschiedliche Prüfungskulturen<br />
charakterisiert sind. Die <strong>Kommission</strong> hält im Anschluss an die Anhörung des<br />
Lehrerprüfungsamtes 87 Folgendes fest:<br />
1) Für die Übernahme in den <strong>Hamburg</strong>er Schuldienst ist die ganzzahlige Note<br />
des Zweiten Staatsexamens entscheidend und nur im Zweifelsfalle (bei Notengleichheit)<br />
wird auf die Note des ersten Staatsexamens zurückgegriffen.<br />
2) Im Abschlusszeugnis nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung, in dem auch<br />
die studierten Fächer nicht ausgewiesen sind, erscheint nur eine ganzzahlige<br />
Note, was dazu führt, dass es fast nur „gute und sehr gut ausgebildete Lehrer“<br />
gibt.<br />
3) Die einzelnen Prüfungsteile der Ersten Staatsprüfung werden ganzzahlig benotet,<br />
für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst ist aber eine Dezimalnote<br />
entscheidend.<br />
4) Traditionen im Prüfungswesen setzen wirksamere Akzente als Prüfungsordnungen.<br />
Oft werden Themen gewählt, die Vorlieben der Prüfer darstellen. Ein<br />
Berufsfeldbezug auch im weiteren Sinne ist bei der Themengestaltung nicht<br />
zu erkennen.<br />
5) Insgesamt leidet das Prüfungswesen darunter, dass es kein verlässliches Curriculum<br />
gibt. Die Folge sind Prüfungsabsprachen, die ganz unterschiedlich<br />
getroffen werden und zu Wettbewerbs- und Ergebnisverzerrungen führen.<br />
6) Die Prüfungspraxis wird nicht evaluiert, es sind keine Daten vorhanden, die<br />
zu Zwecken der Steuerung und Korrektur eingesetzt werden können.<br />
Im Blick auf die Prüfungsformen hält die <strong>Kommission</strong> fest, dass es bei der Durchführung<br />
von Prüfungen eine Reihe von Problemen<br />
87<br />
Referat des Leiters des Lehrerprüfungsamtes und anschließende Befragung durch die<br />
<strong>Kommission</strong> auf der 5. Sitzung am 20. März 2000 (Wiedergabe nach dem genehmigten<br />
Protokoll). Das Lehrerprüfungsamt ist für die Durchführung beider Staatsexamen sowie<br />
weiterer Prüfungen zuständig. Pro Jahr werden zwischen 900 und 950 Erste und zwischen<br />
450 und 500 Zweite Staatsprüfungen abgenommen.
176 Studienstruktur<br />
gibt, die genauerer Klärung bedürfen. Sie verweist insbesondere auf die Absprache<br />
von Klausurthemen bzw. -themengebieten, soweit diese individuell erfolgen<br />
und durch die Prüfungsordnung nicht abgedeckt sind 88 . Ein weiteres Problem ist<br />
die Gestaltung der mündlichen Prüfungen als echte Prüfungsgespräche im Unterschied<br />
zu vorbereiteten Vorträgen der Prüflinge oder inszenierten Gesprächen<br />
zwischen Prüfer und Prüfling. Zudem stellt sich die Frage, wie verhindert werden<br />
kann, dass Prüflinge Hausarbeiten abgeben, die nicht von ihnen selbst angefertigt<br />
wurden. Dabei scheinen auch mediale Dienste eine Rolle zu spielen, die fertige<br />
Hausarbeiten anbieten. Generell ist festzustellen, dass die Notenskala bei weitem<br />
nicht ausgenutzt wird und oft nur Noten in den beiden obersten Rängen erteilt<br />
werden (HEIMER 2000). Die Anforderungen insgesamt sind unterschiedlich, und<br />
dies zwischen Fächern einerseits, Lehrämtern andererseits. Zudem sind explizite<br />
Standards außerhalb der oft großzügig ausgelegten Studienpläne nicht vorhanden.<br />
Geprüft wird das vom Prüfer verantwortete Fachwissen, das einen Transfer auf<br />
das Berufsfeld vielfach nur nominell zulässt.<br />
Die Vorbereitung auf Prüfungen gehört zu den intensivsten Studienleistungen.<br />
Dieser Aufwand wird im Blick auf das Ausbildungsziel schlecht genutzt, vor allem<br />
weil die Themenwahl vielfach beliebig ist und oft nur die Interessen der Lehrenden,<br />
bzw. der Studierenden berücksichtigt. Ein Steuerung gemäß beruflicher<br />
Standards, Kerncurricula oder prioritäre Themen erfolgt nicht oder nur zufällig.<br />
Die punktuellen Prüfungen sind auf den Abschluss von<br />
88<br />
„Sofern die Prüfungsanforderungen Schwerpunktgebiete vorsehen, sollen Vorschläge des<br />
Bewerbers berücksichtigt werden. Die Schwerpunktgebiete müssen einen angemessenen<br />
Umfang haben. Die mündliche Prüfung darf sich nicht auf diese Gebiete beschränken, sondern<br />
muss im Zusammenhang mit ihnen die für das jeweilige Fach erforderlichen Grundkenntnisse<br />
des Bewerbers deutlich werden lassen“ (Verordnung über die Erste Staatsprüfung<br />
für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 3,6). Zwischen dem Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
und dem Lehrerprüfungsamt gibt es eine Vereinbarung über Klausuren<br />
im Rahmen der Ersten Staatsprüfung. Die Vereinbarung sieht vor, dass Absprachen über<br />
Gebiete der Prüfung sinnvoll seien, die konkrete Aufgabenstellung aber durch den Prüfer<br />
erfolgen müsse. Sie dürfe nicht mit dem Prüfling abgesprochen werden.
Studienstruktur 177<br />
Studienfächern bezogen. Die Themenwahl geht aber nicht oder nicht zwingend<br />
aus den Studienleistungen hervor, das heißt, die Prüfungen beziehen sich nicht auf<br />
die Inhalte und Anforderungen des vorgängigen Studiums. Gleichwohl wird der<br />
Abschluss von Fachstudien bescheinigt. Die Noten bezeichnen nicht einzelne<br />
Leistungen, sondern bescheinigen pauschal Fachkompetenz, die nicht differenziert<br />
beschrieben werden muss.<br />
Staatsexamen beziehen sich auf staatliche Prüfungsordnungen. Dieses Steuerungsinstrument<br />
wird wiederum nicht optimal genutzt, weil zum einen die staatlichen<br />
Vorgaben eher vage und offen, oft nur mit Stichworten, formuliert sind, zum<br />
anderen Kontrollen nicht stattfinden und im jetzigen System auch nur schwach<br />
möglich wären. Die einzelnen Prüfungsfächer vertreten zwischen den Lehrämtern<br />
zum Teil unterschiedliche, zum Teil identische Anforderungen, obwohl die Regelstudienzeit<br />
nicht unterschiedlich ist. Die allgemeine Zweckbestimmung der Prüfung,<br />
gefasst als „gemeinsame Vorschrift“ für alle Lehrämter, ist nur nominell mit<br />
den Anforderungen der Prüfungsfächer abgestimmt. Zugleich werden so allgemeine<br />
und umfassende Anforderungen vertreten, dass sie unmöglich mit einer<br />
Prüfung zu erfüllen sind. Die Zweckbestimmung der Ersten Staatsprüfung<br />
schreibt vor:<br />
„In der Prüfung soll festgestellt werden, ob der Bewerber Gegenstände und Fragen<br />
aus seinen Prüfungsfächern selbständig und methodisch angemessen zu bearbeiten<br />
und zu beurteilen sowie angemessen darzustellen vermag und ob er die<br />
wissenschaftliche und gegebenenfalls die künstlerische oder praktische Befähigung<br />
als Voraussetzung für die schulpraktische Ausbildung zu dem von ihm gewählten<br />
Lehramt besitzt“ (Verordnung über die erste Staatsprüfung für Lehrämter<br />
an <strong>Hamburg</strong>er Schulen vom 18. Mai 1982, § 2, 1; Hervorhebungen von der<br />
<strong>Kommission</strong>).<br />
Letztlich ist jedes Thema unterzubringen, ohne das Niveau oder die Relevanz für<br />
den Ausbildungszweck nachhaltig und vergleichbar bestimmen zu können. Die<br />
Examen beschreiben kein persönliches Könnensprofil, sondern spiegeln die Praxis<br />
der Notenverteilung. Zudem berechtigen sie nicht wirklich, weil die tatsächliche<br />
Anstellung sich nach der Stellenknappheit richtet. Je nach Stellensituation<br />
kann der zugangsberechtigende Notendurchschnitt ab-
178 Studienstruktur<br />
gesenkt oder angehoben werden, ohne mit dem Durchschnitt ein persönliches<br />
Profil angeben zu können.<br />
Angesichts <strong>dieser</strong> Situation empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />
1) die Beibehaltung des ersten Staatsexamens am Ende der ersten Phase, aber<br />
die Ausstellung eines integralen Staatsexamenszeugnisses am Ende der<br />
zweiten Phase unter Einbeziehung der Leistungen der ersten Phase;<br />
2) die Organisation beider Ausbildungsphasen nach dem ECTS-Modell;<br />
3) damit verbunden eine konsekutive und flexible Prüfungsorganisation, die auch<br />
studienbegleitend verfährt;<br />
4) die Ausrichtung der Prüfungen an fachliche und berufsfeldbezogene Themen<br />
und Standards;<br />
5) die Beschreibung der Studienleistungen und Prüfungsergebnisse in einem<br />
persönlichen Portfolio.<br />
Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass für staatliche Lehrämter grundsätzlich<br />
Staatsexamen vorzusehen sind. „Staatsexamen“ sind Anforderungsprofile, die eine<br />
Behörde vorschreibt. Der Zweck des Profils geht dahin, die einzelnen Studienelemente<br />
auf einen abgestimmten Berufsfeldbezug einzustellen. Faktisch sind<br />
die Standards und Auffassungen der an der Lehrerbildung beteiligten Fächer oder<br />
Fachangebote zu heterogen und zu unterschiedlich auf das Ziel der Ausbildung<br />
eingestellt, um aus sich heraus den Berufsfeldbezug der Lehrerbildung zu gewährleisten.<br />
Staatsexamen sind in diesem Sinne Steuerungsinstrumente, die für<br />
Themenerzeugung und Beschreibung der beruflichen wie fachlichen Standards<br />
sorgen.<br />
Die beiden getrennten Examen der heutigen Studienorganisation sollen aufeinander<br />
bezogen und so verzahnt werden, dass ein integrales Staatsexamen die<br />
Lehrerausbildung beschließt. Die heutige Praxis gewichtet für die Einstellung das<br />
zweite Examen bereits heute so, dass eine Prüfung ausschlaggebend ist, mit dem<br />
Nachteil, die Prüfungsergebnisse der ersten Phase faktisch nur im Ausnahmefall<br />
überhaupt in Rechnung zu stellen. Die Erste Staatsprüfung hat aber auch keinen<br />
anderen Verwendungszweck, es wird zur Einstellungsvoraussetzung für den Vorbereitungsdienst<br />
entwertet und
Studienstruktur 179<br />
enthält - anders als Universitätsdiplome - faktisch keine anderen Berechtigungen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> hält diesen Zustand für untragbar. Wenn gleichwohl aus guten<br />
Gründen am Staatsexamen festgehalten wird, dann muss dieses als Abschluss der<br />
Lehrerausbildung insgesamt verstanden werden. Es berechtigt zur Ausübung bestimmter<br />
Lehrämter, indem und soweit es die dafür notwendigen Qualifikationen<br />
gesamthaft darstellt und bescheinigt. Aus Gründen der Anerkennung zwischen<br />
den Bundesländern hält es die <strong>Kommission</strong> für notwendig, das erste Staatsexamen<br />
am Ende der ersten Phase formell zu bescheinigen.<br />
Die Verzahnung beider Examen ist möglich, wenn darauf verzichtet wird,<br />
sämtliche Prüfungen integral am Ende der einen und der anderen Ausbildungsphase<br />
zu konzentrieren. Dieses System ist offenkundig nicht erfolgreich, obwohl<br />
es einen hohen Aufwand verlangt. Künftig sollten Prüfungsteile im Laufe des<br />
Studiums bzw. der Ausbildung im Studienseminar absolviert werden können, die<br />
sich mit den Gesamtanforderungen verrechnen lassen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />
auch zu diesem Zweck die Einführung einer modularisierten Studienorganisation<br />
nach dem ECTS-Modell. Prüfungen der unterschiedlichsten Art können an verschiedenen<br />
Stellen des Studiums erfolgen. Vorausgesetzt ist nur, dass sie im<br />
Punktesystem definiert sind und dieses System für beide Phasen der Lehrerausbildung<br />
gilt.<br />
Das ECTS-System sieht vor, dass sämtliche Studienleistungen nach einem bestimmten<br />
Punkteschlüssel verteilt und gewichtet werden. Dieses System erlaubt,<br />
universitäre und berufsbezogene Anforderungen aufeinander zu beziehen, zeitlich<br />
wie niveaumäßig zu bewerten und flexibel zu organisieren. Dabei können sehr<br />
unterschiedliche Prüfungsformen gewählt werden, die je nach Zeitaufwand und<br />
Anforderungsprofil unterschiedliche Kreditpunkte erhalten. Die <strong>Kommission</strong><br />
denkt zusätzlich zu den bisherigen Prüfungsformen an veranstaltungsbegleitende<br />
Prüfungen, Prüfungsleistungen, die aus Forschungsprojekten erwachsen und Prüfungen<br />
nach praxisbezogenen Lehrsequenzen. Das Modulsystem erlaubt, dass die<br />
Studierenden nach eigenem Zeitplan verfahren können, wobei eine Regelstudienzeit<br />
vorgegeben ist. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass mit der modularisierten<br />
Studienorganisation die
180 Studienstruktur<br />
Regelstudienzeit eingehalten und die faktische Studiendauer abgesenkt werden<br />
kann.<br />
Die bisherigen drei Prüfungsformen wären zu entwickeln und anzureichern.<br />
Die jetzige Praxis ist uneffektiv und kontraproduktiv. Die Erste Staatsprüfung in<br />
der jetzigen Form beginnt mit der Hausarbeit, deren Thema so gestellt sein soll,<br />
dass die Arbeit in drei Monaten abgeschlossen werden kann. Danach beginnt ein<br />
aufwändiges Bewertungsverfahren, das nicht auf vorgängige Bewertungen zurückgreifen<br />
kann. Die Hausarbeit wird ähnlich nicht an Studienleistungen gekoppelt.<br />
Nach Annahme der Arbeit werden obligatorisch Arbeiten unter Aufsicht geschrieben<br />
und mündliche Prüfungen absolviert. Beides muss aufwändig organisiert<br />
werden 89 . Die Prüfung insgesamt schließt mit der mündlichen Prüfung ab,<br />
die einzelnen Teile können nicht unabhängig und zeitlich verschoben absolviert<br />
werden. Die Zweite Staatsprüfung ist vergleichbar organisiert. Sie umfasst zwei<br />
Lehrproben, eine schriftliche Hausarbeit sowie eine mündliche Prüfung. Die in<br />
der Verordnung genannten Gegenstände der Hausarbeit und der mündlichen Prüfung<br />
beziehen sich nicht auf die Ausbildung der ersten Phase 90 , obwohl die Anforderungen<br />
der Prüfungsfächer im Ersten Staatsexamen<br />
89<br />
Für die mündliche Prüfung ist ein Vorsitzender, ein Beisitzer und der Prüfer vorgesehen<br />
(Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen vom 18.<br />
Mai 1982, § 12, 3). In der Anhörung des Lehrerprüfungsamtes ist darauf hingewiesen worden,<br />
dass die Qualitätssicherung des Prüfungswesens dadurch belastet werde, dass die Rekrutierung<br />
von Vor- und Beisitzern immer schwieriger werde (Protokoll der 5. Sitzung. S.<br />
4).<br />
90<br />
Die Hausarbeit soll dem Referendar „Gelegenheit geben, einzelne Gegenstände aus seiner<br />
Unterrichts- und Erziehungsarbeit selbständig, methodisch einwandfrei, klar und folgerichtig<br />
darzustellen und zu beurteilen“ (Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite<br />
Staatsprüfung an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 20). In der mündlichen Prüfung sind Kenntnisse<br />
nachzuweisen in der „Didaktik und Methodik der Schulstufen und Unterrichtsfächer entsprechend<br />
den Ausbildungssschwerpunkten des Referendars“, „allgemeine Fragen der Erziehungs-<br />
und Unterrichtspraxis“ sowie „rechtliche und organisatorische Voraussetzungen der<br />
Arbeit in der Schule“ (ebd., § 21).
Studienstruktur 181<br />
Anschlüsse zulassen würden und die allgemeine Zweckbestimmung der Prüfung<br />
sie eigentlich zwingend vorschreibt.<br />
Der Prüfungsaufwand insgesamt ist zu hoch und der Ertrag zu gering. Eine<br />
Verzahnung der Phasen im Sinne eines Kreditsystems und einer modularisierten<br />
Studienorganisation hätte gegenüber heutigen Praxis folgende Vorteile:<br />
1) Effektivierung des Prüfungsaufwandes und Konzentration auf die Ausbildungsziele,<br />
2) Vermeidung von Wiederholungen und Doppelspurigkeiten und<br />
3) Abstimmung der Phasen auf ihre Aufgaben und Schwerpunkte hin.<br />
Denkbar wäre aus der Sicht der <strong>Kommission</strong> eine Konzentration der Hausarbeit<br />
auf die erste Phase, wenn gewährleistet ist, dass die oft hervorragenden Arbeiten<br />
anschließend genutzt werden. Sie können die wissenschaftliche Basis darstellen<br />
für Projekte der Referendarausbildung, wobei auch an eine Prämierung und Veröffentlichung<br />
der besten Arbeiten in eigenen Reihen gedacht werden kann 91 . Die<br />
heutige Praxis sieht eine Nutzung <strong>dieser</strong> vielfach mit hohem Aufwand erstellten<br />
Arbeiten gar nicht vor, weil die Themen, obwohl häufig von erheblicher Relevanz<br />
für Schulfächer und Schulentwicklung, unabhängig von denkbarer Verwendung<br />
formuliert werden. Die Erstellung der Hausarbeit sollte auf Studienleistungen<br />
aufbauen, etwa in der Fortentwicklung von Seminararbeiten. Zu vermeiden wäre,<br />
dass zum Abschluss des Studiums neue und im Blick auf das Ausbildungsziele irrelevante<br />
Themen vergeben werden. Überdies wäre eine Themensteuerung nötig,<br />
die Beliebigkeit ausschließt. Die Themen sollten in der Regel aus Forschungsprojekten<br />
erwachsen und nicht einfach Vorlieben darstellen.<br />
Klausuren und mündliche Prüfungen sollen wie die Hausarbeit an Studienleistungen<br />
gebunden werden. Denkbar wäre, die Abschlussprüfungen der ersten<br />
Phase an die Hausarbeit zu binden, weil sie die zentrale Studienleistung darstellt.<br />
Dabei muss sicherge-<br />
91<br />
Beispiele dafür gibt es im Ausland, etwa die Reihe des Höheren Lehramtes der Universität<br />
Bern.
182 Studienstruktur<br />
stellt sein, dass diejenigen Fächer, die von <strong>dieser</strong> Regelung nicht betroffen sind,<br />
angemessen geprüft werden. Hier wäre an eine Kombination von Klausur und<br />
mündlicher Prüfung zu denken. Die Zweite Staatsprüfung sollte auf die Zielsetzung<br />
der Ausbildung konzentriert werden 92 , also darauf verzichten, nochmals allgemeines<br />
Wissen abzuprüfen, sofern garantiert ist, dass die Ausbildung der ersten<br />
Phasen gemäß Kerncurriucula erfolgt. Im Gegenzug muss die praktische Beurteilung<br />
verbessert werden. Das bedeutet einen Übergang von dem klassischen<br />
Prüfungsmittel der Lehrproben zu einer ausbildungsbegleitenden Qualifikationsbewertung.<br />
Sie erfolgt nicht punktuell durch eine wenig aussagekräftige und oft<br />
künstliche Situation „Lehrprobe“, die oft unter beliebigen Bewertungen leidet,<br />
sondern summativ und fortlaufend, konzentriert auf Unterrichtsarbeit und Schultätigkeit.<br />
Die Prüfungen beziehen sich so auf tatsächliche Studienleistungen, nicht auf<br />
fiktive Fachlehrpläne. Bescheinigt wird der erfolgreiche Abschluss von unterschiedlichen<br />
Studienelementen, die in ein persönliches Portfolio Eintrag finden.<br />
Die Studienleistungen sind nicht starr festgelegt, sondern können auf wechselnde<br />
Anforderungen reagieren, etwa im Blick auf Schwerpunktverschiebungen auf<br />
Grund von Veränderungen der Zielstufe. Die Staatsexamen sind nach Lehrämtern<br />
unterschieden, weil die jeweiligen Schulstufen oder Schulformen unterschiedliche<br />
Profile abverlangen. Aber die flexible Organisation erlaubt einen Austausch über<br />
die heutigen Möglichkeiten hinaus. Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass sämtliche<br />
erfolgreichen Studienleistungen in der Lehrerbildung Berufseignung bescheinigen,<br />
was nicht ausschließt, dass besondere Beratungen angeboten werden.<br />
Die Prüfungsorganisation verlangt eine Veränderung des heutigen Lehrerprüfungsamtes.<br />
Unter „Staatsprüfung“ wird neu verstanden<br />
92<br />
„Der Referendar soll auf der Grundlage seines Studiums mit der Praxis der Erziehung und<br />
des Unterrichts so vertraut gemacht werden, dass er zu selbständiger und erfolgreicher Arbeit<br />
in der Schule fähig ist“ (Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite<br />
Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 6, 2).
Studienstruktur 183<br />
<br />
<br />
<br />
ein integrales Staatsexamen, das am Ende der Lehrerausbildung erteilt wird,<br />
zwei reduzierte und konzentrierte Abschlussprüfungen am Ende der ersten und<br />
der zweiten Phase,<br />
verschiedene Teilprüfungen im Laufe der Ausbildung.<br />
Das Lehrerprüfungsamt erteilt das Staatsexamen, wobei die Übergabe zusammen<br />
mit der Universität und dem Studienseminar gestaltet werden sollte. Das erfolgreiche<br />
Ende der Lehrerausbildung sollte in einer eigenen Zeremonie Darstellung<br />
finden. Das Lehrerprüfungsamt ist zuständig für die beiden Abschlussprüfungen,<br />
deren Organisationsaufwand sichtlich verringert werden muss. Die Teilprüfungen<br />
nehmen die Lehrenden in eigener Verantwortung ab, das Lehrerprüfungsamt kann<br />
Zielsetzungen und Qualifizierungsstandards vorgeben. Studienleistungen und Prüfungen<br />
werden nach dem ECTS-System gewichtet. Die Fachbereiche und das<br />
Studienseminar erarbeiten entsprechende Ordnungen und stimmen sie untereinander<br />
ab. Das Lehrerprüfungsamt arbeitet auf der Grundlage <strong>dieser</strong> Ordnungen<br />
und kontrolliert deren Einhaltung mit Blick auf Prüfungen. Da das Amt bereits<br />
heute für beide Staatsprüfungen zuständig ist, ergibt sich kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist auf den hohen Aufwand, den die Bestellung von<br />
Prüfungskommissionen mit sich bringt. Derartige <strong>Kommission</strong>en sollten nur dann<br />
gebildet werden, wenn der Prüfungszweck und die Form der Prüfung dies erforderlich<br />
macht. Standardwissen sollte während des Studiums geprüft werden. Zwischenprüfungen<br />
können in Form von mündlichen Prüfungen oder Klausuren erfolgen,<br />
ohne dass staatliche Ausschlüsse gebildet werden. Kerncurricula der ersten<br />
Phase sind prüfungsrelevant, weil sie für die anschließende Ausbildung<br />
nachgewiesen werden müssen. Dafür müssen geeignete Formen gefunden werden,<br />
etwa solche der veranstaltungsbegleitenden Prüfungen. Die Abschlussprüfungen<br />
werden von Standardwissen entlastet und konzentrieren sich auf die wissenschaftliche<br />
Spezialisierung, wie sie etwa die Hausarbeit sichtbar macht, einerseits,<br />
die praktischen Qualifikationen andererseits.
184 Studienstruktur<br />
Die <strong>Kommission</strong> hält an der Benotung der Prüfung fest, empfiehlt aber, von<br />
pauschalen Fachnoten abzurücken. Die Leistungsbewertung bezieht sich auf einzelne<br />
Leistungen in bestimmten Themengebieten und Teilbereichen, die im persönlichen<br />
Portfolio nachgewiesen werden. Die Neuordnung der Einstellung von<br />
Lehrkräften verlangt einen detaillierten Leistungsnachweis und nicht pauschalisierende<br />
Noten für ganze Fächer. Die Qualitätseinschätzung der Abnehmer, also<br />
der anstellenden Schulen, erhält auf diese Weise neue Möglichkeiten, die differenzierte<br />
Urteile erlauben und sich auf die gesamte Ausbildungszeit beziehen<br />
können, ohne durch die Zuspitzung der guten bis sehr guten Noten dazu gezwungen<br />
zu werden, eine Qualität anzunehmen, die auch die beste Ausbildung umöglich<br />
schaffen kann.<br />
Die Beibehaltung von Staatsexamen hat nicht nur Steuerungsvorteile. Vielmehr<br />
wird damit auch die Verantwortung und Zuständigkeit des Staates für die<br />
Belange der öffentlichen Bildung dokumentiert. Ein modularisiertes System erlaubt<br />
sehr verschiedene Konstruktionen. Die <strong>Kommission</strong> hält in Zusammenfassung<br />
ihrer <strong>Empfehlungen</strong> für wesentlich, dass<br />
beide Phasen der Lehrerbildung im Prüfungswesen verzahnt sind,<br />
staatliche Standards vorgegeben werden und<br />
ein definierter Berufsfeldbezug die fachlichen und praktischen Anteile der<br />
Ausbildung bestimmt.<br />
Diese Essenzials schließen aus, dass bestimmte Teile der Ausbildung als B.A.<br />
oder M.A. ohne Berufsfeldbezug angeboten werden. Sie schließen nicht aus, dass<br />
eine gewisse Konsekution erfolgt oder die Anforderungen nach Lehrämtern und<br />
so nach erwartbarer Verwendung abgestuft werden. Grundlegend ist nicht die Bezeichnung<br />
des Abschlusses, sondern die Organisation des Studiums und mit ihm<br />
des Prüfungswesens. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine Flexibilisierung beider<br />
Elemente, vor allem um die Ausbildungseffizienz zu verbessern, sie empfiehlt<br />
nicht einen radikalen Systemwechsel. Ein konsekutives System von fachlichen<br />
Abschlüssen und daran anschließenden erziehungswissenschaftlich-praktischen<br />
hätte keine andere Problemsituation als die heutige Ausbildung, wäre aber
Studienstruktur 185<br />
außerstande ein gemeinsames Leitbild „Lehrerbildung“ zu verwirklichen.<br />
9.1. <strong>Empfehlungen</strong> für die Zweite Staatsprüfung<br />
Ziel der <strong>Empfehlungen</strong> für die Zweite Staatsprüfung ist, die vorwiegend punktuellen<br />
Prüfungen auf ein ausbildungsbegleitendes Credit Point-System im Sinne<br />
des ECTS umzustellen. Die Prüfungsteile sollen in möglichst direktem und natürlichem<br />
Zusammenhang zu den schulischen Tätigkeiten der Referendarinnen und<br />
Referendare stehen. Die Leistungsanforderungen der verschiedenen Prüfungsteile<br />
müssen detailliert beschrieben werden. Der Systemwechsel hat Folgewirkungen,<br />
die noch nicht genau absehbar sind. Die <strong>Kommission</strong> schlägt daher vor, dass das<br />
Studienseminar in Kooperation mit dem Lehrerprüfungsamt Vorschläge auf der<br />
Basis <strong>dieser</strong> <strong>Empfehlungen</strong> bis Mitte 2001 entwickelt.<br />
Dabei ist besonders zu berücksichtigen,<br />
dass durch die Umstellung von punktuellen auf begleitende Prüfungsteile nicht<br />
ein Mehr an Belastung für Referendarinnen und Referendare entsteht sowie<br />
die beratende Ausbildungstätigkeit nicht durch einen unangemessen hohen<br />
zeitlichen Einsatz der Ausbilder bei begleitenden Prüfungsteilen verkürzt<br />
wird,<br />
dass Beratung und Beurteilung getrennt wird soweit dies inhaltlich sinnvoll<br />
ist,<br />
dass die Anerkennung in <strong>Hamburg</strong> erworbener Abschlüsse auch in anderen<br />
Bundesländern gewährleistet ist.<br />
Die vorgeschlagenen Veränderungen beziehen sich auf Prüfungsteile und Kompetenzbereiche<br />
wie sie auch in der geltenden Verordnung über den Vorbereitungsdienst<br />
(VVZS) verankert sind. Durch die Veränderungen soll die derzeit zu Recht<br />
kritisierte Diskrepanz zwischen den schulischen Bedürfnissen und den Prüfungsanforderungen<br />
reduziert werden. Die Prüfungsleistungen sind auf Grund <strong>dieser</strong><br />
Diskrepanz nicht spezifisch genug und haben oft wenig zu tun mit den tatsächlichen<br />
Aufgaben und Tätigkeiten der Praxis. Mit
186 Studienstruktur<br />
der präziseren Fassung der Prüfungsanforderungen soll auch auf eine schulgenaue<br />
Bewerbung vorbereitet werden. Die Prüfungsleistungen werden in Reflexionsdokumenten<br />
und im persönlichen Portfolio erfasst.<br />
Grundsätzlich schlägt die <strong>Kommission</strong> eine höhere Gewichtung der Praxisanteile<br />
vor. Folgende Verteilung könnte dabei zu Grunde gelegt werden:<br />
(A) Unterrichts- und Erziehungskompetenz;<br />
Unterrichtspraxis 60%<br />
(B) Erschließungs- und Darstellungskompetenz 20%<br />
(C) Kommunikations- und Reflexionskompetenz 20%<br />
Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass durch die Transparenz und Präzisierung<br />
der Anforderungen, objektivierte Beurteilungsgrundlagen und strukturierte Berichte,<br />
Trennung von Beratung und Beurteilung, sowie durch eine veränderte Zusammensetzung<br />
der <strong>Kommission</strong>en eine größere Aussagekraft der Noten erreicht<br />
werden kann. Die Studienleistungen der ersten Phase sollen dabei soweit wie<br />
möglich berücksichtigt werden.<br />
Die inhaltliche Präzisierung der Prüfungsanforderungen muss zügig vorgenommen<br />
werden und sollte im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Rahmenpläne<br />
und der Entwicklung von Standards geschehen. Im Einzelnen schlägt<br />
die <strong>Kommission</strong> im Blick auf die drei Kompetenzbereiche Folgendes vor:<br />
(A)<br />
Unterrichts- und Erziehungskompetenz;<br />
Unterrichtspraxis 60 %<br />
Bisher: Lehrproben und Bewährungsberichte aus Schule<br />
und Seminar (50%)<br />
Vorschlag: 4-6 bewertete Hospitationen,strukturierte Berichte93,<br />
hinzu kommen etwa 6 Hospitationen mit überwiegend<br />
beratendem Charakter<br />
93<br />
Entwürfe liegen vor.
Studienstruktur 187<br />
(B) Erschließungs- und Darstellungskompetenz 20 %<br />
Bisher: Schriftliche Hausarbeit von 30 Seiten zu<br />
Gegenständen aus Unterricht und Erziehung (25%)<br />
Vorschlag: Wahlmöglichkeit zwischen Schriftlicher Hausarbeit von<br />
30 Seiten zu Gegenständen aus den Bereichen III-V des Kerncurriculums<br />
oder ausbildungsbegleitende Reflexionsdokumentation:<br />
Ausarbeitungen aus zwei der Qualifikationsbereichen III-V und ein<br />
weiteres Dokument nach freier Wahl (zum Beispiel Schülerarbeiten,<br />
Unterrichtsvorbereitungen, Förderpläne)<br />
(C) Kommunikations- und Reflexionskompetenz 20 %<br />
Bisher: Mündliche Prüfung (25 %)<br />
Vorschlag: Wahlweise Veranstaltung aus den Qualifikationsbereichen<br />
IV oder V oder abschließendes Prüfungsgespräch auf der<br />
Grundlage der ausbildungsbegleitenden Reflexionsdokumentation.<br />
In der folgenden Übersicht sind die Prüfungsteile dem Kerncurriculum zugeordnet.<br />
Grundlage: systematische Reflexion der Lehrertätigkeiten und ihre Dokumentation<br />
als Ausbildungsbestandteil aller Seminare
188 Studienstruktur<br />
Ziele/Qualifikationen<br />
Prüfungsteile<br />
Die Referendarinnen und Referendare sollen lernen,<br />
1. ... unter Berücksichtigung der Bezugswissenschaften und<br />
der geltenden Bestimmungen Unterricht zu planen, durchzuführen<br />
und auszuwerten...<br />
... in zwei Fächern/Lernbereichen sowohl fachbezogen als<br />
auch fächerverbindend<br />
... selbständig sowie kooperativ<br />
... unter besonderer Berücksichtigung der lerngruppenbedingten<br />
Voraussetzungen ...<br />
2. ... im Rahmen des Erziehungsauftrags Vorhaben des Klassen-<br />
oder Schullebens so zu gestalten, dass die Schülerinnen<br />
und Schüler sich persönlich entfalten sowie verantwortliches<br />
soziales Verhalten entwickeln können<br />
... im Rahmen alltäglicher Unterrichtsstrukturen<br />
... im Rahmen eines außerschulischen Lernortes oder, z.B.<br />
Schulfahrt, Betriebspraktikum ...<br />
... im Rahmen eines klassen-/stufeninternen Kommunikations-<br />
oder Beteiligungsangebots im soz., künstl./ sportl. Bereich<br />
bzw. in einem Aufgabengebiet, z.B. Schulfest, AG, Elternnachmittag,<br />
Mediation ...<br />
(A): bewertete<br />
Hospitationen<br />
(A): bewertete<br />
Hospitationen
Studienstruktur 189<br />
Ziele/Qualifikationen<br />
Prüfungsteile<br />
Die Referendarinnen und Referendare sollen lernen,<br />
3. ... Unterrichtsqualität zu bewerten und die eigene Lehrerentwicklung<br />
entsprechend zu steuern und dafür folgende<br />
Rückmeldungsformen für die Reflexion systematisch zu nut-<br />
(C): als mdl. Abschlussgespräch<br />
auf der Grundlage<br />
der ausbildungsbe-<br />
zen<br />
<br />
... gezielte Selbstbeobachtung und Auswertung der<br />
Lehrer- und Schüleraktivitäten<br />
... Ableitung, Formulierung und Bearbeitung von Arbeitsschwerpunkten<br />
... Auswertung von Schülerprodukten in Bezug zum<br />
eigenen Lehrangebots<br />
... Schülerevaluation<br />
... Rückmeldungen aus Unterrichtsbesuchen (KGH,<br />
Mentoren/Schulleiter, SL) ...<br />
4. ... die eigene und gemeinsame Weiterbildung unter Berücksichtigung<br />
der Veränderungen in der Gesellschaft (Sozial,<br />
wirtschaftlich, ökologisch, wissenschaftlich, ...) zu planen<br />
und für die Tätigkeitsfelder des Lehrers zu nutzen ...<br />
... durch den Einsatz neuer Medien zur Aneignung von<br />
Wissen und Fertigkeiten<br />
... bei der Weiterarbeit an den eigenen Arbeitsschwerpunkten<br />
... durch die Präsentation von Wissen, Fragen und Erfahrungen<br />
sowie deren kooperative Bearbeitung im Seminar<br />
und/oder im Kollegium...<br />
5. ... mit dem Kollegium und in Kooperation mit den Eltern,<br />
Schülerinnen und Schülern und Gremien die Schule zu gestalten<br />
und weiterzuentwickeln<br />
... durch die aktive Teilnahme an schulischer Gremienarbeit<br />
... durch die Planung, Leitung und Auswertung einer<br />
Veranstaltung mit Schülern, Eltern und/oder Kollegen<br />
gleitenden Reflexionsdokumentation<br />
(B): als Hausarbeit<br />
alten Typs<br />
(B): schr. ausgearbeitet<br />
als ein Teil der ausbildungsbegleitenden<br />
Reflexionsdokumentation<br />
(C): z.B. Gestaltung<br />
einer Seminarsequenz<br />
mit Ref. im Wahlbereich,<br />
in der Schule<br />
(B): Hausarbeit alten<br />
Typs<br />
(B): schr. ausgearbeitet<br />
als Teil der ausbildungsbegleitenden<br />
Reflexionsdokumentation<br />
(C): als mdl. Prüfungsteil:<br />
z.B. Leitung einer<br />
Veranstaltung für Koll.,<br />
Eltern, Schüler<br />
(B): schr. ausgearbeitet<br />
als Teil der ausbildungsbegleitenden<br />
Reflexionsdokumentation<br />
(statt<br />
Hausarbeit)
190 Differenzierung<br />
10. Differenzierung der<br />
<strong>Empfehlungen</strong> nach Lehrämtern<br />
Die Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />
Schulen betrachtet ihren Gegenstand, die Lehrämter, grundsätzlich<br />
einheitlich, an verschiedenen Stellen aber auch different. So unterscheiden<br />
sich bestimmte Anforderungskataloge in den Prüfungsfächern qualitativ,<br />
und dies zum Teil erheblich 94 , sind unterschiedliche Strukturierungsprinzipien<br />
gewählt, 95 kommen bestimmte Fächer nur in bestimmten<br />
Prüfungsordnungen 96 vor und sind Gewichte je nach Schulstufe oder<br />
Schultyp unterschiedlich. Die Erziehungswissenschaft hat einen im Kern<br />
identischen, aber auf die jeweiligen Lehrämter hin variierten Anforderungskatalog<br />
97 .<br />
94<br />
Als Beispiel für viele: Französisch für das Lehramt Oberstufe/Allgemeinbildende<br />
Schulen verlangt einen „Überblick über die historische Entwicklung des Französischen<br />
mit bezug zum heutigen Sprachstand“ sowie „vertiefte sprachwissenschaftliche<br />
Kenntnisse“ (dargestellt an „ausgewählten Beispielen“). Diese Anforderungen<br />
tauchen an gleicher Stelle im Lehramt an der Grund- und Mittelstufe nicht auf<br />
(Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen,<br />
Anl. 3 und 1).<br />
95<br />
Prüfungsfächer sind nicht nur Unterrichtsfächer, sondern auch durchgehend und<br />
Erziehungswissenschaft, zusätzlich Grundschulpäagogik und sonderpädagogische<br />
Fachrichtungen sowie Fachrichtungen des beruflichen Schulwesens. Unterrichtsfächer<br />
haben einen grundsätzlich anderen Adressatenbezug als Erziehungswissenschaft<br />
oder Grundschulpädagogik.<br />
96<br />
Wie Informatik im Lehramt Oberstufe berufliche Schulen. Es gibt also keine Informatikausbildung<br />
für Lehrkräfte aller anderen Lehrämter.<br />
97<br />
Ohne Kuriosa geht das nicht ab: Im Lehramt an der Grund- und Mittelstufe sind<br />
unter Prüfungsanforderungen „vertiefte Kenntnisse in zwei Gebieten der Erziehungswissenschaft“<br />
gefordert. Im Blick darauf ist die „Fähigkeit“ verlangt, „Gegenstände<br />
und Probleme <strong>dieser</strong> Gebiete an geeigneten Beispielen darzustellen, zu<br />
analysieren und zu beurteilen“. Das Lehramt für die Oberstufe allgemeinbildende<br />
Schulen schreibt vor, „Gegenstände und Probleme <strong>dieser</strong> Gebiete an geeigneten<br />
Beispielen unter verschiedenen Aspekten darzustellen, zu analysieren und zu be-
Offene Fragen 191<br />
Das Verhältnis von Einheit und Differenz bestimmt mit der Prüfungsordnung<br />
die Studien in der ersten Phase der Lehrerausbildung. Der Vorbereitungsdienst<br />
unterscheidet nach Lehrämtern und die darauf bezogene<br />
schulpraktische Ausbildung, die nach dem eher Allgemeinen und dem<br />
eher Besonderen differenziert ist 98 .<br />
Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Prüfungsordnung für<br />
das Lehramt an der Grund- und Mittelstufe als besonderes Fach die<br />
Grundschulpädagogik aufführt, das Lehramt an der Oberstufe allgemeinbildender<br />
Schulen aber kein Fach Gymnasialpädagogik abverlangt. Auch<br />
das Lehramt an der Oberstufe beruflicher Schulen verlangt kein Fach<br />
Wirtschafts- oder Berufspädagogik, obwohl dafür Professuren im Fachbereich<br />
06 vorhanden sind. Professuren für Gymnasialpädagogik gibt es<br />
demgegenüber nicht 99 . Die Sonderbehandlung der Grundschulpädagogik<br />
hat schulpraktische Gründe, alle Lehrkräfte, die dieses Lehramt wählen,<br />
sollen über hinreichende Kenntnisse in der Didaktik und Methodik des<br />
muttersprachlichen und mathematischen Anfangsunterrichts sowie weiterer<br />
Lernbereiche verfügen. Derartige Spezifizierungen ließen sich allerdings<br />
auch für die anderen Lehrämter ausmachen und mit Studiennotwendigkeiten<br />
verbinden. Berufspädagogik etwa ist eine etablierte Forschungsdisziplin,<br />
deren Befunde auf Grund der Logik der Prüfungsordnung<br />
nicht systematisch berücksichtigt werden.<br />
urteilen“ (Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />
Schulen, Anl. 1, 3; Hervorhebung d. Komm.). Die beiden anderen Lehrämter<br />
übernehmen die Formulierung „unter verschiedenen Aspekten“.<br />
98<br />
Aufgabe der Hauptseminare ist es, „allgemeine Fragen der Erziehung, des Unterrichts<br />
sowie des Schulwesens im Zusammenhang mit den praktischen Erfahrungen<br />
der Referendare“ zu behandeln. Fach- und Gruppenseminare behandeln -<br />
ebenfalls „im Zusammenhang mit den praktischen Erfahrungen der Referendare“-<br />
„die didaktischen und methodischen Probleme und gegebenenfalls ausgewählte<br />
Inhalte des Unterrichts in den jeweiligen Fächern sowie einzelne pädagogische<br />
Probleme der jeweiligen Schulstufen“ (Verordnung über den Vorbereitungsdienst<br />
und die Zweite Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 8).<br />
99<br />
Es gibt eine Professur für „Schulpädagogik mit dem besonderen Schwerpunkt Sekundarstufen“.<br />
Sie verfolgt entsprechende Forschungsschwerpunkte, etwa die<br />
wissenschaftliche Begleitung eines Schulversuchs zur „Profiloberstufe“.
192 Differenzierung<br />
Auch die Tätigkeit an Gesamtschulen, obwohl eine spezifische Aufgabe,<br />
wird nirgendwo in besonderer Weise thematisiert.<br />
Die <strong>Kommission</strong> erkennt im hohen Anteil Erziehungswissenschaft eine<br />
Besonderheit und grundsätzlich auch einen Vorteil des <strong>Hamburg</strong>er<br />
Modells. Sie geht aber davon aus, dass pauschale Anforderungen zu vermeiden<br />
sind und der notwendige allgemeine Anteil in einem ausgewogenen<br />
Verhältnis zur Spezialisierung für die jeweiligen Lehrämter stehen<br />
muss. Für diesen Zweck müssen spezialisierte Forschungsrichtungen vorhanden<br />
sein, bzw. ausgebaut werden. Sie wären in der Prüfungsordnung<br />
angemessen zu berücksichtigen. Zu denken wäre etwa an eine empirisch<br />
orientierte Didaktik der Oberstufe, die das Lernen junger Erwachsener in<br />
einer Ausbildung mit wissenschaftspropädeutischer Schwerpunktsetzung<br />
thematisiert. Hier wie auch im Blick auf die schulpraktischen Anforderungen<br />
etwa des Anfangsunterrichts oder der Übergänge zwischen allgemeinbildenden<br />
Schulen und Berufsschulen empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine<br />
engere Kooperation mit dem Studienseminar.<br />
Zu der Ausbildung von Lehrkräften für die unteren Schulstufen 100<br />
nimmt die <strong>Kommission</strong> grundsätzlich wie folgt Stellung: Die Wissenschaftlichkeit<br />
der Lehrerausbildung richtet sich weder nach dem Lebensalter<br />
der Schülerinnen und Schüler noch nach der Höhe der Schulstufe. Es<br />
ist irreführend und fahrlässig, von Lehrkräften der Grundschule weniger<br />
oder reduzierte wissenschaftliche Ansprüche zu verlangen als von Lehrkräften,<br />
die an höheren Schulstufen unterrichten. Die Wissenschaftlichkeit<br />
der Ausbildung wächst nicht mit den Stoffanforderungen der Schule,<br />
eine Auffassung, die von der Hierarchie des Lehrplans bestimmt ist und<br />
außer Acht lässt, dass jüngere Schulkinder Lernprobleme eigener Art zu<br />
bewältigen haben. Für sie ist schwierig und anspruchsvoll, was für ältere<br />
Schülerinnen und Schüler bereits bewältigt ist. Daher kann nicht die<br />
Lehrplanhierarchie maßgebend sein. Die Ausbildung für die unteren<br />
Schulstufen hat ein anspruchsvolles Berufsfeld vor sich, das<br />
100 In <strong>Hamburg</strong> wird kein eigenes Lehramt „Grundschule“ unterschieden. Das Lehramt<br />
an der Grund- und Mittelstufe schließt die ersten vier Jahrgänge mit ein. Die<br />
nachstehenden Bemerkungen beziehen sich auf „Grundschule“ im Sinne <strong>dieser</strong><br />
Jahrgänge.
Offene Fragen 193<br />
nicht infantilisiert werden darf, weil von seinem Erfolg der Gesamterfolg<br />
des allgemeinbildenden Schulwesens wesentlich bestimmt ist.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist insbesondere auf<br />
den kognitiven Aufbau im Elementarbereich,<br />
die Einübung und Beherrschung von grundlegenden Lerntechniken,<br />
das frühe Lernen einer Fremdsprache 101 ,<br />
frühe mediale Kompetenzen,<br />
soziale und persönlichkeitsbildende Lernprozesse sowie<br />
selbstverständlicher Umgang mit kultureller Heterogenität, dabei insbesondere<br />
die Förderung von Deutsch als Zweitsprache und<br />
Kommunikationsförderung zwischen Schülern unterschiedlicher Erstsprachen.<br />
Wenn diese Anforderungen in der Breite und unter der Voraussetzung eines<br />
allgemeinbildenden Schulwesens realisiert werden sollen, sind verstärkte<br />
Anstrengungen in Forschung und Lehre notwendig. Gerade der<br />
Grundschulbereich muss Thema und Objekt für eine international ansetzende<br />
empirische Forschung werden, die im Schnittbereich von Entwicklungsalter,<br />
Lernpotenzialen und Schulstufe anzusetzen hat. Die<br />
<strong>Kommission</strong> verkennt nicht, dass die jetzige Ausbildung die damit verbundenen<br />
Chancen zu wenig nutzt. Das Forschungsaufkommen ist zu gering<br />
und muss deutlich gesteigert werden. Zudem muss der Forschungsbezug<br />
der Ausbildung verstärkt werden, während heute eher pragmatische<br />
Themen das Angebot bestimmen. Die Grundschulpädagogik muss als<br />
wissenschaftliche Disziplin weiterentwickelt werden. Wenn der Grundschulunterricht<br />
durch Anfangsunterricht und Lernbereiche bestimmt wird,<br />
dann muss dafür ein angemessenes Forschungsaufkommen bereitstehen.<br />
Auch hier kann weder das Lebensalter noch die Schulstufe einen Einwand<br />
darstellen.<br />
101<br />
In <strong>Hamburg</strong> wie in anderen Bundesländern sowie im deutschsprachigen Ausland<br />
zumeist Englisch.
194 Differenzierung<br />
Die <strong>Kommission</strong> plädiert unter <strong>dieser</strong> Voraussetzung für den Erhalt einer<br />
gesamthaft universitären Lehrerausbildung, also spricht sich gegen die<br />
Verlagerung von Ausbildungsteilen an die Fachhochschulen aus. Sie verweist<br />
zugleich auf die Folgen ihrer Empfehlung für die Rekrutierung des<br />
Forschungsnachwuchses, die Orientierung der Ausbildung an Standards<br />
sowohl der Forschung als auch der Profession. Die Ausbildung im<br />
Grundschulbereich muss deutlich in den Ansprüchen gesteigert und spezifiziert<br />
werden, was nur möglich ist, wenn die Orientierung an pragmatischen<br />
Aufgaben des Grundschulunterrichts ergänzt und unterstützt wird<br />
durch geeignete Forschungen, die internationalen Standards entsprechen.<br />
Die vorherrschende reformpädagogische Orientierung in diesem Bereich<br />
muss durch empirische Aussagen getestet werden, ohne das gesamte Setting<br />
auf Prüfungen im Bereich der MONTESSORI-Pädagogik 102 zu reduzieren.<br />
Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass die vorliegenden <strong>Empfehlungen</strong><br />
für sämtliche Lehrämter der Universität <strong>Hamburg</strong> Geltung finden. Sie<br />
hat sich anlässlich der Anhörungen über die besonderen Probleme des<br />
Lehramtes an Sonderschulen und des Lehramtes an der beruflichen Oberstufe<br />
informiert 103 , sieht aber keine grundsätzlichen Hindernisse, die <strong>Empfehlungen</strong><br />
auch in diesen Lehrämtern zur Anwendung zu bringen. Das<br />
schließt Abweichungen im Detail und nach besonderen Notwendigkeiten<br />
nicht aus. Die Grundlagen der <strong>Empfehlungen</strong> wie<br />
verstärkter Berufsfeldbezug,<br />
bessere Ressourcennutzung,<br />
neue Kooperationsformen zwischen den Fächern und den Phasen,<br />
Effektivierung der Studienorganisation oder<br />
Neuordnung des Prüfungswesens<br />
102<br />
Dieses Beispiel wird gewählt, weil es sich um das mutmaßlich häufigste Prüfungsthema<br />
handelt. Eine Polemik ist damit nicht verbunden. Die Frage ist lediglich,<br />
was angehende Lehrkräfte lernen und können, wenn sie dieses Prüfungsthema<br />
wählen.<br />
103<br />
Anhörungen von Prof. TRAMM (Berufs- und Wirtschaftspädagogik) und Prof.<br />
SCHUCK (Behindertenpädagogik) auf der 6. Sitzung am 17. April 2000.
Offene Fragen 195<br />
sind übertragbar und können daher die Lehrerausbildung insgesamt neu<br />
bestimmen. Die Einzelanpassung muss nach Graden der Verträglichkeit<br />
unterschieden werden, ohne dadurch die Grundidee einer bei aller Differenz<br />
einheitlichen Lehrerausbildung in Frage zu stellen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verkennt allerdings nicht, dass zwischen den Reformintentionen<br />
im Lehramt für die Beruflichen Schulen Oberstufe und denen<br />
im Lehramt an Sonderschulen erhebliche Differenzen bestehen, die<br />
auf allgemeine Probleme der Schulentwicklung verweisen. Als Ergebnisse<br />
der Anhörung und nach Durchsicht der einschlägigen Reformpapiere 104<br />
ist von folgenden Problemen und Entwicklungen auszugehen:<br />
1) Die besondere Zusammensetzung der Studentenschaft ist ein Grund<br />
dafür, dass Wirtschafts- und Berufspädagogik spezifische, von der<br />
Schulpädagogik unterscheidbare Angebote entwickeln. Damit soll<br />
stärker auf die Wünsche der studentischen Klientel reagiert werden.<br />
2) Die Entwicklung des Integrationsunterrichts ist ein Grund dafür, dass<br />
die Sonderpädagogik eher den umgekehrten Weg einschlägt, die Annäherung<br />
an die Schulpädagogik sucht bis hin zur Empfehlung eines<br />
gemeinsamen Grundstudiums.<br />
3) Die Ausbildung in Berufs- und Wirtschaftspädagogik ist nicht nur auf<br />
das Lehramt für die berufsbildenden Schulen bezogen, die Disziplinen<br />
der Sonderpädagogik bilden nahezu ausschließlich für das Lehramt<br />
an Sonderschulen aus.<br />
Anforderungen der allgemeinbildenden Schulen verbinden, berufs- und<br />
wirtschaftspädagogisches Wissen ist demgegenüber spezifischer und<br />
verlangt eigene Verwendungskontexte.<br />
Das generelle Verhältnis von Allgemeinbildung und Berufsbildung<br />
muss neu bestimmt werden, insbesondere die Anschlüsse müssen neu geklärt<br />
werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, eine Expertise in Auftrag zu geben, die das<br />
Verhältnis von Allgemeinbildung und Berufsbildung neu bestimmt. In<br />
diesem Zusammenhang können auch die Probleme<br />
104<br />
Wie BECK/SCHUCK (1999) oder TRAMM (2000).
196 Differenzierung<br />
der Annäherung oder Distanzierung von Einzeldisziplinen wie Berufsund<br />
Wirtschaftspädagogik oder Sonderpädagogik diskutiert werden.<br />
Grundsätzlich ist zu vermuten, dass die strikte, institutionenbezogene<br />
Trennung von Allgemeinbildung und Berufsbildung, die die Differenz<br />
der Lehrämter und so der Studienordnungen bestimmt, zunehmend<br />
fraglich wird. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier ein entscheidendes Entwicklungsproblem<br />
der Lehrerausbildung insgesamt, das sich an so unterschiedlichen<br />
Phänomenen wie den Kanonverlust der schulischen Allgemeinbildung,<br />
die Passungsprobleme zwischen Berufsschule und beruflichem<br />
Lernfeld, die parallel dazu sich vollziehende Auflösung der<br />
Berufe oder die zunehmende Zerfallsdauer des Wissens diskutieren<br />
lässt. Schulentwicklung wie Lehrerbildung müssen auf diese Trends<br />
eingestellt werden.
Offene Fragen 197<br />
11. Offene Fragen<br />
Die <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Kommission</strong> beziehen sich auf einen sehr komplexen<br />
und überaus heterogenen Gegenstand, der bislang fast ausschließlich<br />
in seinen Teilbereichen betrachtet und analysiert worden ist. Ein Gesamtkonzept<br />
„Lehrerbildung“ liegt zwar den KMK-<strong>Empfehlungen</strong> „Perspektiven<br />
der Lehrerbildung in Deutschland“ zu Grunde, ist aber bislang<br />
nicht auf konkrete Verhältnisse hin entwickelt worden. Die <strong>Hamburg</strong>er<br />
<strong>Kommission</strong> Lehrerbildung hat einen solchen gesamthaften Auftrag<br />
übernommen und musste dabei an sehr verschiedenen Stellen Neuland<br />
betreten. Es war dabei nicht zu vermeiden, auch angesichts des Forschungsstandes,<br />
dass verschiedene Fragen offen bleiben müssen. Die<br />
<strong>Kommission</strong> unterscheidet zwischen Problemen, die in den <strong>Empfehlungen</strong><br />
angesprochen sind, aber keinen Lösungsvorschlag erhalten haben,<br />
und Problemen, die nicht angesprochen sind, aber für die Entwicklung<br />
der Lehrerbildung nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Angesprochene,<br />
aber nicht mit einem präzisen Lösungsvorschlag versehene Probleme<br />
sind etwa<br />
das Verhältnis von Kerncurricula und prioritären Themen in der universitären<br />
Lehrerausbildung,<br />
die aufeinander bezogene Entwicklung von Fachwissen und professionellen<br />
Kompetenzen,<br />
die Gewichtung der prioritären Themen,<br />
die Passung von praktischen Studien in der Universitätsausbildung<br />
und der schulpraktischen Ausbildung im Studienseminar,<br />
die Neuregelung des Verhältnisses zwischen Hauptseminar und Fachseminar<br />
oder Gruppenseminar in der Referendarausbildung,<br />
die möglichen Formen der Kooperation zwischen Studienseminar und<br />
Institut für Lehrerfortbildung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt im Blick auf das erste Problem, die Entwicklung<br />
der Kerncurricula mit der Gestaltung der prioritären
198 Offene Fragen<br />
Themen zu verbinden. Sie wiederholt ihre Auffassung, dass prioritäre<br />
Themen nicht lediglich Themen der Erziehungswissenschaft sind, sondern<br />
in der gesamten Ausbildung erprobt und entwickelt werden müssen.<br />
Die Verknüpfung mit Teilen der Kerncurricula ist grundsätzlich möglich,<br />
zugleich stellen sich komplexe Fragen der Anrechenbarkeit und Verbindlichkeit,<br />
die von der <strong>Kommission</strong> weder konkret abgesehen noch beantwortet<br />
werden können.<br />
Das zweite Problem ist sehr grundsätzlicher Natur. Die „Kompetenzorientierung“<br />
der Lehrerausbildung (ARNING 2000) geht auf Fragestellungen<br />
und Resultate der Expertenforschung (wie: BROMME 1992) zurück,<br />
ohne sehr klar zwischen Wissen und Können zu unterscheiden und die<br />
Frage bereits hinreichend zu beantworten, wie aus Reflexionswissen oder<br />
theoretischen Verallgemeinerungen professionelle Kompetenz entsteht.<br />
Die <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Kommission</strong> berühren diese Problematik an verschiedenen<br />
Stellen, etwa<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
in der Orientierung der erziehungswissenschaftlichen Studien an case<br />
studies,<br />
im qualifikationsbezogenen Kerncurriculum des Studiensseminars,<br />
in der Themenerzeugung aus schulpraktischen Studien,<br />
in der phasenübergreifenden Verwendung der Hausarbeit.<br />
Aber der gesamte Bereich der Ausbildung für Unterrichtsfächer ist davon<br />
nicht berührt, ebenso wenig die Anteile der Psychologie, der Allgemeinen<br />
Erziehungswissenschaft oder der verschiedenen Einzelpädagogiken, die<br />
sehr unterschiedliche Generalisierungsformen vertreten. Die verstärkte<br />
Forschungsorientierung im Bereich der Erziehungswissenschaft/Grundschulpädagogik<br />
kann zudem leicht als Bewegung gedeutet<br />
werden, die praktische Fragen aus den Augen verliert. Generell ist die<br />
Praxiserwartung ein neu zu bearbeitendes Problem, auf das die <strong>Kommission</strong><br />
mit Nachdruck verweist, ohne eine allgemeine Lösung zur Verfügung<br />
zu haben.<br />
Die Lehrerausbildung ist mit Paradoxien und Dilemmata konfrontiert,<br />
die sich nicht durch <strong>Kommission</strong>sberichte auflösen lassen. Die Bearbeitung<br />
kann nur ausbildungspraktisch erfolgen, und sie betrifft mindestens<br />
die folgenden Bereiche:
Offene Fragen 199<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Erwartungen der Studierenden,<br />
Anforderungen des Berufsfeldes,<br />
Fachverständnisse,<br />
Theorie-Praxis-Definitionen des Ausbildungsfeldes,<br />
Zieldiskrepanzen in Ausbildungsteilen.<br />
Es wäre viel gewonnen, wenn die Lehrerbildung sich mit einem homogenen<br />
Leitbild darstellen könnte, das Leistungsvereinbarungen und klare<br />
Zielvorgaben enthielte, Anforderungen mit Angaben über den Arbeitsaufwand<br />
festlegte oder klar über die Chancen und Risiken der Ausbildung informieren<br />
würde. Die <strong>Kommission</strong> wiederholt ihren Hinweis, dass insbesondere<br />
die Kommunikation der Ausbildungsziele nachhaltig verbessert<br />
oder überhaupt erst entwickelt werden muss. Oft sind die Studierenden<br />
nicht darüber informiert, welche Ziele ihre Ausbildung anstrebt, was genau<br />
Ziele sind und wie sie erreicht werden sollen. Ein Grund dafür ist, dass<br />
Ziele der Lehrerbildung unpräzise gefasst und oft von allgemeinen Wünschen<br />
nicht zu unterscheiden sind.<br />
Die Gewichtung der prioritären Themen ist deswegen ein Problem,<br />
weil die öffentlichen Erwartungen an Schule und Lehrerbildung die Themen<br />
implizit längst gewichtet haben. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus,<br />
dass alle drei Themen gleich wichtig sind, sieht also Entwicklungsbedarf<br />
in der Lehrerbildung nicht nur, wie Teile der Öffentlichkeit, im Bereich<br />
der neuen Medien. Andererseits ist die Entwicklung in diesem Bereich<br />
besonders rasant und besonders sichtbar, so dass die Ausbildung darauf<br />
zu achten hat, nicht lediglich zu reagieren. Es könnte eine Lösung sein,<br />
Schnittstellen der prioritären Themen darzustellen und die Entwicklungsarbeit<br />
hier anzusetzen. Schulentwicklung etwa lässt sich leicht auf alle<br />
drei Themen beziehen.<br />
Die anderen drei Probleme sind Teil der Organsationsentwicklung.<br />
Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass gerade die schulpraktischen Anteile<br />
der Lehrerausbildung entwickelt und konzentriert werden müssen.<br />
Hier sind Beziehungen zu den Qualifikationsanforderungen der Ausbildung<br />
im Studienseminar anzustreben, damit Doppelungen vermieden<br />
werden. Das sollte auch Auswirkungen haben auf die Aufgabenteilungen<br />
zwischen Haupt- und Fach-
200 Offene Fragen<br />
seminar in der Referendarausbildung. Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, die<br />
thematische Gestaltung der Arbeit im Studienseminar an die Kerncurricula<br />
der Universität anzuschließen, ohne dafür schon genauere Wege angeben<br />
zu können. Hier ist dezidierte Entwicklungsarbeit erforderlich.<br />
Das Gleiche gilt für die kooperativen Anpassungen zwischen Studienseminar<br />
und Institut für Lehrerfortbildung sowie die Rückwirkungen der<br />
Fort- und Weiterbildung auf die universitären Angebote. Die <strong>Kommission</strong><br />
hat mehrfach erwähnt, dass die Universität sich verstärkt in der Fort- und<br />
Weiterbildung der Lehrkräfte engagieren sollte, kann dafür aber nur allgemeine<br />
Begründungen zur Verfügung stellen. Konkret muss in Kooperation<br />
mit dem Institut für Lehrerfortbildung eine Bündelung und ein gezielter<br />
Einsatz der Kräfte erreicht werden. Eine Option für das Verhältnis<br />
der Institutionen der nach-universitären Lehrerbildung ist auch, Studienseminar<br />
und Institut für Lehrerfortbildung organisatorisch zu vereinheitlichen.<br />
Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt nicht 105 , angesichts der gut ausgebauten<br />
und übersichtlichen Verhältnisse in <strong>Hamburg</strong>, die Einrichtung eines<br />
„Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung“. Sie empfiehlt aber ein<br />
stärkeres Forschungsengagement im Bereich der Schul- und Bildungsevaluation.<br />
Zu den nicht näher angesprochenen Problemen der Lehrerausbildung<br />
gehört die Frage der Berufseignung. Angesichts der von der <strong>Kommission</strong><br />
deutlich skizzierten Situation im Prüfungswesen kann heute im Prinzip<br />
jeder Lehrer werden, der das universitäre Studium abschließt, das zweite<br />
Staatsexamen besteht und über einen für die spezifische Bewerbung geeigneten<br />
Notendurchschnitt verfügt. Die Prüfung der Eignung für den Beruf<br />
im Sinne der Erfüllung von Kriterien wie<br />
hohe Belastbarkeit bei rasch wechselnden Anforderungen,<br />
Stressbewältigung ohne hohe persönliche Abnutzung,<br />
Gestaltung der beruflichen Lernsituationen,<br />
Bewahrung von Sinnüberzeugungen oder<br />
Balancen zwischen Schüler- und Fachorientierungen<br />
105<br />
Wie der KMK-Bericht (TERHART 2000, S. 109ff.).
Offene Fragen 201<br />
ist damit nicht möglich. Zugleich ist es schwierig, derartige Kriterien vor<br />
Ausübung des Berufes verlässlich abzuklären. Die Entscheidung für das<br />
Studium der verschiedenen Lehrämter hat oft andere Motive als diejenigen,<br />
die zur Bewältigung des Berufes erforderlich sind. Andererseits unterscheiden<br />
sich die Fähigkeiten und Talente der Lehrkräfte, was schon in<br />
der Ausbildung sichtbar ist. Die Ausbildung hat aber nicht die geeigneten<br />
Instrumente, die Erfahrung der Unterschiede im Vermögen der Studierenden<br />
zu einer Klärung ihrer Eignung für den Beruf zu nutzen.<br />
Dieser Befund gilt für die universitären Studien und Prüfungen mehr<br />
als für die Ausbildung im Studienseminar, weil es dort erhebliche griffigere<br />
Beurteilungskriterien gibt, die aus der Beobachtung und Bewertung<br />
von längeren Unterrichtssequenzen sowie von schulischem Engagement<br />
erwachsen. Demgegenüber fehlen weitgehend Standards und Kriterien,<br />
mit denen die universitäre Ausbildung beurteilen könnte, wie sich etwa<br />
die fachwissenschaftlichen Studien mit Berufseignung verknüpfen lassen.<br />
Insgesamt wird auf die Frage der Eignung zu wenig Gewicht gelegt, obwohl<br />
grundlegend ein Konsens darüber vorhanden ist, dass sehr unterschiedlich<br />
berufstaugliche Lehrkräfte die Ausbildung verlassen. Die<br />
<strong>Kommission</strong> empfiehlt zur Lösung <strong>dieser</strong> dringlichen Frage wiederum die<br />
Erstellung einer Expertise, die auch klären muss, welche Folgen sich mit<br />
der Veränderung der Lehrereinstellungen für die Selektion der Berufstauglichkeit<br />
verbinden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> hat sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, wie<br />
mehr Studierende mit Migrationshintergrund für die Lehramtsstudiengänge<br />
gewonnen werden können. Sie misst <strong>dieser</strong> Frage aber eine erhebliche<br />
Bedeutung bei, nicht zuletzt im Blick auf die Schulentwicklung. Die<br />
Ausbildung ist faktisch immer noch weitgehend monoethnisch, während<br />
die Schulen zunehmend mehr einen multiethnischen und multikulturellen<br />
Charakter erhalten. Zur Veränderung dieses monoethnischen Tatbestandes<br />
sind besondere Anreize zu schaffen, was auch für die Zusammensetzung<br />
des Lehrkörpers gilt. Die Lehrberufe insgesamt müssen für neue Gruppen<br />
erschlossen und attraktiv gemacht werden. Die Universität als Verantwortliche<br />
für die erste Phase sowie alle anderen Verantwortlichen müssen<br />
hier erhebliche Anstrengungen unternehmen.
202 Offene Fragen<br />
Weitere, von der <strong>Kommission</strong> nicht näher behandelte Probleme sind<br />
schulische Ausbildungszentren,<br />
Entwicklung von Standards in den Fachdidaktiken,<br />
Verhältnis Allgemeine Didaktik und Fachdidaktiken,<br />
Mangelsituationen in einzelnen Lehrämtern, vor allem in der Ausbildung<br />
von Berufsschullehrern,<br />
allgemein die Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs,<br />
die Gleichstellung von Frauen und Männern in Lehrberufen,<br />
Aufgaben und Stellung der Fachwissenschaften,<br />
genügende Berücksichtigung des rechtlichen Rahmens und Verträglichkeit<br />
der <strong>Empfehlungen</strong> mit Entwicklungen in anderen Bundesländern<br />
sowie der Beschlusslage der KMK.<br />
Die <strong>Kommission</strong> würde die Entwicklung von schulischen Ausbildungszentren<br />
im Prinzip begrüßen, wenn sich dadurch Verbesserungen der<br />
schulpraktischen Ausbildungen für beide Phasen der Lehrerausbildung erreichen<br />
ließen. Allerdings sind besondere Schwierigkeiten in Rechnung<br />
zu stellen. Der bedarfsdeckende Unterricht kann nicht in Ausbildungszentren<br />
erfolgen, die Schulpraktika der ersten Phase können nicht einzig<br />
auf diese Zentren konzentriert sein, etc. Notwendig ist an <strong>dieser</strong> Stelle<br />
weitere Arbeit am Konzept. Zur Entwicklung der Fachdidaktiken verweist<br />
die <strong>Kommission</strong> auf die Arbeitsgruppe Lehrerbildung des Wissenschaftsrates,<br />
die sich <strong>dieser</strong> Fragen annehmen wird. Die Attraktivität des<br />
Lehrerberufs ist eine gravierende bildungspolitische Aufgabe, der die<br />
<strong>Kommission</strong> nicht vorgreifen kann oder will. Sie ist aber der Auffassung,<br />
dass ihre <strong>Empfehlungen</strong> dazu beitragen können, die Attraktivität zu erhöhen<br />
und die bestehenden Mängel zu reduzieren. Beispielsweise sollte die<br />
Lehrerausbildung unreflektiertes Geschlechtsrollenverhalten bewusst machen.<br />
Teilzeitarbeit und der Arbeitsplatz Grundschule sollten für Männer,<br />
die Vollarbeitszeit in der Sekundarschule II sowie die Übernahme von<br />
Leitungsfunktionen sollte für Frauen attraktiver gemacht werden. Insgesamt<br />
muss dem Imageverlust der Lehrberufe entgegengewirkt werden.<br />
Die <strong>Kommission</strong> bedauert, dass sie keine genügenden Aussagen zur<br />
Stellung und zum Aufgabenkatalog der Fachwissenschaften im
Offene Fragen 203<br />
Blick auf die Ausbildung für Unterrichtsfächer oder Lernbereiche der<br />
Schule machen kann. Sie empfiehlt allgemein den Aufbau und die Entwicklung<br />
von Kerncurricula, die interdisziplinäre Gestaltung der prioritären<br />
Themen, die Stärkung des Forschungsbezuges in allen Teilen der universitären<br />
Lehrerausbildung, den konsequenten Aufbau eines Habitus<br />
„forschendes Lernen“, aber sie ist sich im Klaren darüber, dass damit allein<br />
die künftige und weiterhin für die Ausbildung zentrale Rolle der<br />
Fachwissenschaften nicht hinreichend bestimmt ist. Hier ist eine erhebliche<br />
Entwicklungsarbeit notwendig, die von der Neugestaltung des Prüfungsordnung<br />
bis zur Leitung der Lehrerbildung eine Reihe von schwerwiegenden<br />
Problemen lösen muss. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, hier möglichst<br />
rasch geeignete Gremien einzusetzen.<br />
Der Auftrag der <strong>Kommission</strong> bestand nicht darin, auf Entwicklungen<br />
in anderen Bundesländern einzugehen oder sie abzuwarten. Die <strong>Kommission</strong><br />
hat sich mit einer eigenen Umfrage bemüht, den Stand der Entwicklung<br />
im Bereich Lehrerausbildung zu evaluieren, aber sie konnte diese<br />
Daten nicht mehr für die <strong>Empfehlungen</strong> berücksichtigen. Die <strong>Empfehlungen</strong><br />
sind an bestimmten Stellen, verglichen mit dem Status Quo der<br />
Lehrerbildung, sehr weitgehend, so dass ihre Verträglichkeit mit Entwicklungen<br />
auf KMK-Ebene abgeklärt werden muss. Auftrag der <strong>Kommission</strong><br />
war es, Optionen für die Reform der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong><br />
zu entwickeln. Daraus folgte, dass die besonderen Probleme und Chancen<br />
der <strong>Hamburg</strong>er Ausbildung die <strong>Empfehlungen</strong> bestimmt haben.
204 Literatur<br />
12. Literatur<br />
ALLEMANN-GHIONDA, CHR.: Schule, Bildung und Pluralität. Sechs Fallstudien<br />
im europäischen Vergleich. Bern u.a. 1999. (= Explorationen. Studien<br />
zur Erziehungswissenschaft, hrsg. v. J. OELKERS, Bd. 24)<br />
ARNING, F.: Kompetenzorientierung der Lehrerausbildung. In: M. BAYER/F.<br />
BOHNSACK/B. KOCH-PRIEWE/J. WILDT (Hrsg.): Lehrerin und Lehrer<br />
werden ohne Kompetenz? Professionalisierung durch eine andere Lehrerbildung.<br />
Bad Heilbrunn/Obb. 2000, S. 302-315.<br />
Ausschuss zur LehrerInnenausbildung in Mathematik und Mathematikdidaktik:<br />
Zwischenbilanz: Probleme des Studiums der Lehrämter mit dem Unterrichtsfach<br />
Mathematik. Ms. <strong>Hamburg</strong> 2000.<br />
BAYER, M./BOHNSACK, F./KOCH-PRIEWE, B./WILDT, J. (Hrsg.): Lehrerin<br />
und Lehrer werden ohne Kompetenz? Professionalisierung durch eine andere<br />
Lehrerbildung. Bad Heilbrunn/Obb. 2000.<br />
BECK, CHR./HELSPER, W./HEUER, B/STELMASZYK, B/ULLRICH, H: Fallarbeit in<br />
der universitären LehrerInnenbildung. Professionalisierung durch fallrekonstruktive<br />
Seminare? Eine Evaluation. Opladen 2000.<br />
BECK, I./SCHUCK, K.D.: Lehrerbildung in der Zukunft. In: O. MARSAND<br />
(Hrsg.): Zukunftsperspektiven der Lehrerbildung. vds-Materialien 1999,<br />
S. 18-40.<br />
BEHÖRDE FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG: Ziel- und Leistungsvereinbarungen<br />
zwischen der Behörde für Wissenschaft und Forschung und den<br />
<strong>Hamburg</strong>ischen Hochschulen sowie der Staats- und Universitätsbibliothek<br />
<strong>Hamburg</strong> vom 2.3.1999. Vervielf. Ms. <strong>Hamburg</strong> 1999.<br />
Bericht der Lehrerarbeitszeitkommission. Internes Papier der Behörde für<br />
Schule, Jugend und Berufsbildung. <strong>Hamburg</strong> 1999.<br />
BROMME, R.: Der Lehrer als Experte. Bern/Göttingen/Toronto 1992.
Cloer, E./Klika, D./Kunert, H. (Hrsg.): Welche Lehrer braucht das Land?<br />
Notwendige und mögliche Reformen der Lehrerbildung. Weinheim/München<br />
2000.<br />
ConceptaTeam: Expertise über die Organisationsstruktur des Staatlichen Studienseminars<br />
<strong>Hamburg</strong> in der Fassung vom 19.02.1997. Vervielf. Ms.<br />
Kutenholz 1999.<br />
CRIBLEZ, L./HOFER, CHR.: Pädagogik als Unterrichtsfach. Einige Thesen zur<br />
Einleitung einer notwendigen Diskussion. In: Bildungsforschung und<br />
Bildungspraxis 18 (1996), S. 217-233.<br />
CUBAN, L.: Teachers and Machines. The Classroom Use of Technology Since<br />
1920.New York/London: Teachers College Press 1986.<br />
Declaration of Oegstgeest (The Netherlands): „moving away from a monolingual<br />
habitus“, approved on 30 January 2000 at the international conference<br />
on regional, minority and immigrant languages in multicultural Europe,<br />
convened by the European Cultural Foundation (Amsterdam).<br />
Oegstgeest/Amsterdam 2000.<br />
European Cultural Foundation in cooperation with Babylon, Tilburg University:<br />
Multilingual Cities Project on the status of immigrant minority languages<br />
at home and at school. Pilot cities: Brussels, <strong>Hamburg</strong>, Lyon, Madrid,<br />
Rotterdam. Amsterdam 2000.<br />
Evaluation von Studium und Lehre im Verbund Norddeutscher Universitäten:<br />
Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität <strong>Hamburg</strong>. Bericht<br />
und <strong>Empfehlungen</strong> der externen Gutachter. März 1999. Vervielf. Ms.<br />
<strong>Hamburg</strong> 1999.<br />
Externe Beratungskommission zur Struktur- und Entwicklungsplanung der<br />
Universität <strong>Hamburg</strong>: Struktur- und Entwicklungsplanung der Universität<br />
<strong>Hamburg</strong>. Feststellungen, Analysen und <strong>Empfehlungen</strong>. Februar 1997.<br />
Vervielf. Ms. Hannover 1997.<br />
Faber: Folgen der Arbeitsmigration für Bildung und Erziehung. Kurzfassung<br />
des Antrags an die DFG. Verf. von INGRID GOGOLIN, MARIANNE<br />
KRÜGER-POTRATZ, URSULA NEUMANN, HANS-HEINZ REICH. In: Deutsch<br />
lernen 1990, H. 1, S. 70-88.<br />
Literatur 205
206 Literatur<br />
FREISEL, L./SJUTS, J. (Hrsg.): Lernende Lehrer für lernende Schulen. Evaluation<br />
in Schule und Seminar. Befunde – Methoden - Konzepte. Leer<br />
2000.<br />
GOGOLIN, I./NAUCK, B. (Hrsg.): Migration, gesellschaftliche Differenzierung<br />
und Bildung. Opladen 2000.<br />
GOGOLIN, I.: Minderheiten, Migration und Forschung. Ergebnisse des DFG-<br />
Schwerpunktprogramms FABER. In: I. GOGOLIN/B. NAUCK (Hrsg.):<br />
Migration, gesellschaftliche Differenzierung und Bildung. Opladen 2000,<br />
S. 15-35.<br />
GOODLAD, J.: Teachers For Our Nation’s Schools. San Francisco/Oxford:<br />
Jossey-Bass Publishers 1991.<br />
GRÜNBERG, W./SALBAUGH, D.L./MEISTER-KARANIKAS: Lexikon der <strong>Hamburg</strong>er<br />
Religionsgemeinschaften. Religionsvielfalt in der Stadt von A-Z,<br />
<strong>Hamburg</strong> 1994.<br />
<strong>Hamburg</strong>er Erhebung zum Sprachstand türkisch-deutscher Schulanfänger im<br />
Schuljahr 1999/2000. Bericht über die Erhebung mündlicher Sprachkenntnisse<br />
im Sommer 1999 von HANS-H. REICH. Universität Landau 18.<br />
März 2000 (Typoskript).<br />
HEIMER, W.: Leistungsbewertung im Ersten Staatsexamen im Fach Erziehungswissenschaft.<br />
In: EWIREPORT 21 (2000), S. 18/19.<br />
JURT, U. et.al.: Aktuelle Stoffinhalte und verwendete Lehrmittel in Allgemeiner<br />
Didaktik an Seminarien. In: Beiträge zur Lehrerbildung 12 (1994),<br />
S. 288-293.<br />
Keuffer, J./Krüger, H.-H./Reinhardt, S./Weise, E./Wenzel, H. (Hrsg.): Schulkultur<br />
als Gestaltungsaufgabe. Partizipartion - Management – Lebensweltgestaltung.<br />
Weinheim 1998.<br />
KMK-Beschluss „Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule. Beschluss<br />
der Kultusministerkonferenz vom 25. Oktober 1996. KMK 671.1<br />
KMK-Kultusministerkonferenz: Medienpädagogik in der Schule. Bonn 1995.<br />
KMK-Kultusministerkonferenz: Neue Medien und Telekommunikation im<br />
Bildungswesen. Bonn 1997.<br />
KRÜGER-POTRATZ, M./JASPER, D./KNABE, F.: „Fremdsprachige Volksteile“<br />
und deutsche Schule. Schulpolitik für die Kinder der autochthonen Minderheiten<br />
in der Weimarer Republik. Münster u.a. 1998.
KRÜGER-POTRATZ, M.: Stichwort: Erziehungswissenschaft und kulturelle<br />
Differenz. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft H. 2 (1999). S. 149-<br />
165.<br />
Lehrerinnen und Lehrer für das „Haus des Lernens“. In: Gemeinsame <strong>Kommission</strong><br />
für die Studienreform im Lande Nordrhein–Westfalen (Hrsg.):<br />
Perspektiven: Studium zwischen Schule und Beruf. Analysen und <strong>Empfehlungen</strong><br />
zum Übergang Schule - Hochschule, zur Lehrerbildung, zur<br />
Ingenieurausbildung. Neuwied/Berlin 1996, S. 61-119.<br />
MANGOLD, M./OELKERS, J.: Expertise zum Stand der Fachdidaktik. Ms.<br />
Bern 2000.<br />
MESSMER, R.: Orte und Nicht-Orte der Lehrerbildung. Eine historische und<br />
empirische Untersuchung zur Handlungs- und Wissensorientierung und<br />
der damit verbundenen Mythen in der Lehrerbildung. Bern u.a. 1999. (=<br />
Explorationen. Studien zur Erziehungswissenschaft, hrsg. v. J. OELKERS,<br />
Bd. 26)<br />
Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Zukunft des Lehrens – Lernen für<br />
die Zukunft. Neue Medien in der Lehrerausbildung. Rahmenkonzept.<br />
Frechen 2000.<br />
MOSER, U./RHYN, H.: Lernerfolg in der Primarschule. Eine Evaluation am<br />
Ende der Primarschule. Aarau 2000.<br />
OSER, F./OELKERS, J. (Hrsg.): Die Wirksamkeit der Lehrerbildungssysteme<br />
in der Schweiz. Chur/Zürich 2000. (im Druck)<br />
OSER, F.: Standards in der Lehrerbildung. In: F. OSER/J. OELKERS (Hrsg.):<br />
Die Wirksamkeit der Lehrerbildung in der Schweiz. Chur/Zürich 2000.<br />
RÜEGG, S.: Weiterbildung und Schulentwicklung. Eine Studie zur Zusammenarbeit<br />
von Lehrerinnen und Lehrern an Schulen des Kantons Bern.<br />
Diss. phil. Universität Bern (Institut für Pädagogik) Ms. Bern 1999.<br />
SCHULZ-ZANDER, R. (Hrsg.): Medien und Informationstechnologien in der<br />
Lehrerausbildung - Lernen mit Multimedia. Dortmund 1999.<br />
TERHART, E. (Hrsg.): Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland. Abschlussbericht<br />
der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten <strong>Kommission</strong>.<br />
Weinhein/Basel 2000.<br />
Literatur 207
208 Literatur<br />
Theorie-Praxis-Vermittlung in der Lehrerbildung unter besonderer Berücksichtigung<br />
der ersten Phase. Bilanz und Perspektiven für <strong>Hamburg</strong>., Abschlussbericht<br />
der Theorie-Praxis-Arbeitsgruppe vom 18. März 1999. Redaktion<br />
M. MEYER/L. KÜSTER Vervielf. Ms. <strong>Hamburg</strong> 1999.<br />
TRAMM, T.: Probleme und Perspektiven der Handeslehrerausbildung. Ms.<br />
<strong>Hamburg</strong> 2000.<br />
TULODZIECKI, G./BLÖMEKE, S. (Hrsg.): Neue Medien – neue Aufgaben für<br />
die Lehrerausbildung. Tagungsdokumentation. Gütersloh 1997.<br />
TULODZIECKI, G.: Medien in Erziehung und Bildung. Grundlagen und Beispiele<br />
einer handlungs- und entwicklungsorientierten Medienpädagogik.<br />
Bad Heilbrunn/Obb. 1997.<br />
Universität <strong>Hamburg</strong>/Fachbereich Erziehungswissenschaft: Selbstbeschreibung<br />
des Faches „Erziehungswissenschaft“ 1998 im Rahmen des Projektes<br />
Evaluation von Studium und Lehre des Verbundes Norddeutscher<br />
Hochschulen. Verabschiedet vom Fachbereichsrat des Fachbereichs Erziehungswissenschaft<br />
auf seiner 488. Sitzung am 21. 10. 1998. Vervielf.<br />
Ms. <strong>Hamburg</strong> 1998.<br />
WEISSE, W./DOEDENS, F. (Hrsg.): Religiöses Lernen in einer pluralen Welt.<br />
Religionspädagogische Ansätze in <strong>Hamburg</strong>: Novemberakademie ‘99.<br />
Münster/New York/München/Berlin 2000.<br />
WELSCH, W.: Einleitung. In: W. WELSCH (Hrsg.): Wege aus der Moderne.<br />
Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. 2. durchgs. Aufl. Berlin<br />
1994.<br />
WELSCH, W.: Unsere postmoderne Moderne. 5. Aufl. Berlin1997.
Verzeichnis Mitglieder 209<br />
13 Verzeichnis der Mitglieder der<br />
<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung<br />
Name Institution Funktionen in der<br />
<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung (HKL)<br />
Prof. Dr. Jürgen Oelkers Universität Zürich Vorsitzender der Kom<br />
mission; Experte für Konzepte<br />
der Lehrerbildung und<br />
Evaluation<br />
Prof. Dr. Wolfram Weiße<br />
Prof. Dr. Hans Christoph<br />
Koller<br />
Prof. Dr. Barbara Schenk<br />
Sybille Daviter<br />
Alfred Ruppel<br />
Otfried Börner<br />
Dr. Mareile Krause<br />
Hans-Günther Dittrich<br />
Universität<br />
<strong>Hamburg</strong><br />
Universität<br />
<strong>Hamburg</strong><br />
Universität<br />
<strong>Hamburg</strong><br />
Staatliches Studienseminar<br />
für die<br />
Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />
Schulen<br />
Staatliches Studienseminar<br />
für die<br />
Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />
Schulen<br />
Institut für<br />
Lehrerfortbildung<br />
(IfL)<br />
Institut für<br />
Lehrerfortbildung<br />
(IfL)<br />
Schulen<br />
in <strong>Hamburg</strong><br />
Dekan des FB Erziehungswissenschaft<br />
u. Vertreter für<br />
den Bereich Fachdidaktik<br />
Prodekan für Lehre und<br />
Studium und Vertreter für<br />
den Bereich Allgemeine<br />
Erziehungswissenschaft<br />
Vertreterin für den Bereich<br />
Fachdidaktik u. für Theorie-<br />
Praxis in der Lehrerbildung<br />
Vertreterin für den Bereich<br />
Ausbildung im Referendariat<br />
/ Vorbereitungsdienst<br />
Vertreter für den Bereich<br />
Ausbildung im Referendariat/Vorbereitungsdienst<br />
Vertreter für den Bereich<br />
Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung<br />
Vertreterin für den Bereich<br />
Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung<br />
Vertreter Berufsschulen
210 Verzeichnis Mitglieder<br />
Name Institution Funktionen in der<br />
<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung (HKL)<br />
Aart Pabst<br />
Dr. Mechthild Uhle<br />
Prof. Dr. Gerhard<br />
Tulodziecki<br />
Prof. Dr. Marianne<br />
Krüger-Potratz<br />
Prof. Dr. Wolfgang<br />
Einsiedler 106<br />
Schulen in<br />
<strong>Hamburg</strong><br />
Schulen in<br />
<strong>Hamburg</strong><br />
Universität-GH<br />
Paderborn<br />
Universität<br />
Münster<br />
Universität<br />
Nürnberg<br />
Vertreter Gesamtschulen/Sekundarstufe<br />
I/II<br />
u. Primarstufe<br />
Vertreterin Gymnasien/ Sekundarstufe<br />
I/II<br />
Experte im Bereich Neue<br />
Medien und Lehrerbildung<br />
Expertin im Bereich Interkulturelles<br />
Lernen und<br />
Lehrerbildung<br />
Experte im Bereich Grundschullehrerausbildung<br />
Prof. Dr. Sibylle Beetz<br />
Dr. Hans-Joachim Schulz<br />
Hans-Jürgen Brackmann<br />
Prof. Dr. Michel E.<br />
Domsch<br />
Universität<br />
Bamberg<br />
Beratungsstelle für<br />
Technologiefolgen<br />
u. Qualifizierung<br />
(BTQ)<br />
Bundesvereinigung<br />
der deutschen<br />
Arbeitgeberverbände<br />
(BDA)<br />
Universität der<br />
Bundeswehr<br />
<strong>Hamburg</strong><br />
Expertin für den Bereich<br />
Schulentwicklung<br />
Experte für den Bereich<br />
Personalentwicklung<br />
(Perspektive Beschäftigte)<br />
Experte für den Bereich<br />
Personalentwicklung<br />
(Perspektive Unternehmen)<br />
Experte für Forschung im<br />
Bereich Personalwesen<br />
und Internationales<br />
Management<br />
106<br />
Prof. Einsiedler schied im April 2000 aus Krankheitsgründen aus.
Über die Herausgeber<br />
Josef Keuffer, Dr. phil., Jg. 1958, ist Referent für Lehrerbildung in<br />
der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Freien und<br />
Hansestadt <strong>Hamburg</strong>. Zuvor 1. und 2. Staatsexamen, Wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
der Universität Münster (1993-1994) und Geschäftsführender Leiter<br />
des Zentrums für Schulforschung und Fragen der Lehrerbildung<br />
der Universität Halle-Wittenberg (1994-1999). Publikationen zur<br />
Schul- und Unterrichtsforschung, Didaktik, Schulkultur und<br />
Lehrerbildung.<br />
Jürgen Oelkers, Dr. phil., Jg. 1947, ist Professor für Allgemeine<br />
Pädagogik an der Universität Zürich. Zuvor Professor für Allgemeine<br />
Pädagogik an der Universität Lüneburg (1979-87) und o.<br />
Prof. für Allgemeine Pädagogik an der Universität Bern (1987-<br />
1999). Forschungsgebiete: Geschichte der Pädagogik (18. und 19.<br />
Jahrhundert), Reformpädagogik, Bildungstheorie, Lehrerbildung,<br />
analytische Erziehungsphilosophie. Mitherausgeber der Zeitschrift<br />
für Pädagogik. Er war Vorsitzender der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />
Lehrerbildung.