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Empfehlungen dieser Kommission - ZLH-Hamburg

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Inhaltsverzeichnis 5<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis 5<br />

Vorwort der Senatorinnen 8<br />

Vorwort der Herausgeber 10<br />

0. Befunde und <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung - Zusammenfassung 12<br />

1. Auftrag 18<br />

2. Allgemeine Zielsetzungen der Reform 21<br />

2.1. Lehrerbildung als Entwicklungsaufgabe 23<br />

2.2. Die Lehrerbildung und ihre Zielsetzungen 23<br />

2.2.1. Das Verständnis von Lehrerbildung 24<br />

2.2.2. Zielsetzungen 25<br />

2.3. Kooperation 27<br />

2.4. Aufträge 27<br />

2.5. Aufgaben der Evaluation 28<br />

3. Ziele und Qualifikationen der Phasen 29<br />

3.1. Lehrerausbildung an der Universität 31<br />

3.2. Lehrerausbildung im Studienseminar 36<br />

3.3. Berufseingangsphase 39<br />

3.4. Fort- und Weiterbildung 42<br />

4. Kerncurricula 46<br />

4.1. Universitäre Ausbildungsgänge 47<br />

4.2. Studienseminar 50<br />

5. Praxisanteile der Lehrerausbildung 55<br />

5.1. Praktika im Studium 57<br />

5.2. Praxis im Studienseminar 60


6 Inhaltsverzeichnis<br />

6. Neugestaltung von Berufseingangsphase und<br />

Personalentwicklung 64<br />

6.1. Berufseingangsphase 65<br />

6.2. Fort- und Weiterbildung 70<br />

7. Neugestaltung der Organisation 76<br />

7.1. Leitung 78<br />

7.2. Leistungsvereinbarungen 87<br />

7.3. Evaluation 96<br />

7.4. Personalentwicklung 101<br />

7.4.1. Anreizsysteme in der Lehrerbildung 102<br />

7.4.2. Qualifikation, Mobilität und Austausch<br />

des schulischen Personals 107<br />

7.4.3. Personalentwicklung im Ausbildungsbereich 115<br />

7.5. Kommunikation und fortlaufende Abstimmung123<br />

8. Prioritäre Themen für die Ausbildung 130<br />

8.1. Neue Medien 137<br />

8.1.1. Neue Medien als Mittel und Gegenstand<br />

von Lehren und Lernen 137<br />

8.1.2. Zielvorstellungen im Bereich<br />

neuer Medien für die Lehrerbildung 140<br />

8.1.3. Umsetzung in der ersten Phase<br />

der Lehrerausbildung 141<br />

8.1.4. Umsetzung in der zweiten Phase<br />

der Lehrerausbildung 144<br />

8.1.5. Umsetzung in der Berufseingangsphase<br />

und in der Lehrerfortbildung 146<br />

8.1.6. Entwicklung förderlicher<br />

Rahmenbedingungen 147<br />

8.2 Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität 153<br />

8.2.1.Interkulturelle Bildung als<br />

Querschnittaufgabe 154<br />

8.2.2. Skizze der aktuellen sprachlichen,<br />

nationalen/ ethnischen und kulturellen<br />

Vielfalt in den <strong>Hamburg</strong>er Schulen 156<br />

8.2.3. Zu den bestehenden Ansätzen<br />

interkultureller Lehreraus- und –fortbildung


Inhaltsverzeichnis 7<br />

in <strong>Hamburg</strong> 159<br />

8.2.4. Vorschläge der <strong>Kommission</strong> 162<br />

8.3. Schulentwicklung 168<br />

8.3.1. Arbeitsperspektive im Lehrberuf 169<br />

8.3.2. Berufliches Leitbild 169<br />

8.3.3. Führung und Management 171<br />

8.3.4. Professionalisierung durch und<br />

für Schulentwicklung 172<br />

8.3.5. Schulentwicklung in den Phasen<br />

der Lehrerbildung 173<br />

9. Studienstruktur und Prüfungswesen 176<br />

9.1. <strong>Empfehlungen</strong> für die Zweite Staatsprüfung 188<br />

10. Differenzierung der <strong>Empfehlungen</strong> nach Lehrämtern 193<br />

11. Offene Fragen 200<br />

12. Literatur 207<br />

13 Verzeichnis der Mitglieder der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung 212<br />

Anhang 214<br />

1. Tagungsdaten 214<br />

2. Auftrag an die <strong>Hamburg</strong>er Lehrerkommission 216<br />

3. Statement Prof. Dr. Hans-Harald Müller 220<br />

4. Entwurf für ein Kerncurriculum (KCE) am<br />

Fachbereich (06) Erziehungswissenschaft 224<br />

5 Votum der Referendare 228<br />

6. Votum der Studierenden 237<br />

7. Beispiele für Angebote in den fünf<br />

Traineebereichen für Berufsanfänger 257<br />

Über die Herausgeber 260


8 Vorwort<br />

Vorwort der Senatorinnen<br />

Die Situation der Lehrerbildung stellt uns in der Bundesrepublik<br />

Deutschland in den kommenden Jahren vor deutliche Herausforderungen.<br />

Die Anforderungen an den Lehrerberuf haben sich in den<br />

letzten Jahren deutlich verändert. Themen wie Schulentwicklung,<br />

Schulprogrammarbeit, neue Unterrichtsformen, veränderte Formen<br />

der Lehrerarbeitszeit und die zunehmend heterogene Schülerschaft<br />

haben die Arbeit an den Schulen deutlich verändert. Es ist zu erwarten,<br />

dass sich aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung, der<br />

Europäisierung im Bildungswesen und nicht zuletzt des verstärkten<br />

Einsatzes von neuen Medien an Universitäten und Schulen auch<br />

die Situation von schulischer Bildung und Erziehung gravierend<br />

wandeln wird. Die Institutionen der Lehrerbildung und die Bildungsverwaltungen<br />

müssen deshalb an der Bereitschaft zu Veränderungen<br />

und am Umgang mit diesen Themen gemessen werden.<br />

Dies gilt um so mehr angesichts der zu erwartenden großen Neueinstellungen<br />

von Lehrerinnen und Lehrern in den Schuldienst.<br />

Der Bericht der Gemischten <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz<br />

(Zukunft der Lehrerbildung in Deutschland, herausgegeben<br />

von E. Terhart, Weinheim 2000) hat auf die großen Chancen<br />

für das Schulsystem durch eine veränderte Lehrerbildung aufmerksam<br />

gemacht. Dieser Bericht hat in der Schul- und Wissenschaftsbehörde<br />

der Freien und Hansestadt <strong>Hamburg</strong> dazu geführt, die<br />

Situation der Lehrerbildung auf der Basis der vorgelegten <strong>Empfehlungen</strong><br />

speziell für dieses Land untersuchen zu lassen. Die Senatorinnen<br />

der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung und der Behörde<br />

für Wissenschaft und Forschung haben sich deshalb direkt im Anschluss<br />

an die Präsentation der Ergebnisse der Gemischten <strong>Kommission</strong><br />

der KMK dazu entschlossen, eine unabhängige und mit externen<br />

Experten besetzte <strong>Kommission</strong> zu berufen, die innerhalb eines Jahres


Vorwort 9<br />

landesspezifische <strong>Empfehlungen</strong> für eine Reform der Lehrerbildung<br />

vorlegen sollte. Der Abschlussbericht der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung wird im vorliegenden Band vorgestellt. Die <strong>Kommission</strong><br />

hat in einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Reform<br />

der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong> eine gründliche Situationsanalyse<br />

vorgenommen, Alternativen für eine Reform diskutiert und deutliche<br />

Reformempfehlungen formuliert.<br />

Wir sind sicher, dass die jetzt vorliegenden Vorschläge zu einer<br />

Verbesserung der Ausbildung von Lehrkräften in <strong>Hamburg</strong> beitragen<br />

werden. Wir sind darüber hinaus der festen Überzeugung, dass der<br />

vorliegende Band auch für Vertreter der Lehrerbildung in anderen<br />

Ländern von Interesse sein wird.<br />

Wir bedanken uns bei den Mitgliedern der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung für die engagierte Arbeit. Wir wünschen dem vorliegenden<br />

Band eine breite Aufmerksamkeit und hoffen, dass er zu einer<br />

engagierten Diskussion in den Ländern und vor allem in den Institutionen<br />

der Lehrerbildung beitragen wird.<br />

<strong>Hamburg</strong>, im November 2000<br />

Ute Pape<br />

Senatorin<br />

Krista Sager<br />

Senatorin


10 Vorwort<br />

Vorwort der Herausgeber<br />

Die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung (HKL) ist beauftragt<br />

worden, auf der Grundlage der Ergebnisse der von der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) eingesetzten gemischten <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung (TERHART 2000) <strong>Empfehlungen</strong> zur Weiterentwicklung<br />

der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong> vorzulegen (Verzeichnis der<br />

Mitglieder der HKL S. 210). Die Beauftragung erfolgte gemeinsam<br />

durch die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung sowie die<br />

Behörde für Wissenschaft und Forschung der Freien und Hansestadt<br />

<strong>Hamburg</strong>. Grundlage der Beauftragung war die im Koalitionsvertrag<br />

der den <strong>Hamburg</strong>er Senat tragenden Parteien festgelegte<br />

Vereinbarung, die Reform der Lehrerbildung als prioritäres Vorhaben<br />

der laufenden Legislaturperiode anzusehen. Für die Verwirklichung<br />

dieses Vorhabens war die Empfehlung der gemischten<br />

<strong>Kommission</strong> der KMK abzuwarten. Unmittelbar nach Vorlage des<br />

KMK-Berichtes wurde die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> eingesetzt und<br />

beauftragt; <strong>Hamburg</strong> reagierte damit als erstes Bundesland auf die<br />

KMK-<strong>Empfehlungen</strong>.<br />

Zur Bearbeitung ihres Auftrages hatte die HKL einen Zeitraum<br />

von knapp elf Monaten zur Verfügung. Sie tagte ab November<br />

1999 insgesamt neunmal und legte im September 2000 beiden<br />

Auftraggebern den vorliegenden Abschlussbericht vor. Der Bericht<br />

behandelt zentrale Aspekte der Reform der gesamten Lehrerbildung,<br />

die als Einheit angesehen wird. Die Zusammensetzung der<br />

<strong>Kommission</strong> entsprach dem Reformauftrag. Neben auswärtigen<br />

Expertinnen und Experten der Lehrerbildung sowie Vertretern von<br />

Wirtschaft und Personalentwicklung haben Repräsentanten aller<br />

Phasen und Institutionen der Lehrerbildung sowie Schulleiterinnen<br />

und Schulleiter in der <strong>Kommission</strong> Einsitz genommen oder sind


Vorwort 11<br />

angehört worden 1 . Die <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Kommission</strong> sind überwiegend<br />

in großem Konsens erfolgt. Gemeinsam war allen <strong>Kommission</strong>smitgliedern<br />

der Wille zu einer grundlegenden und weit<br />

reichenden Reform der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong>. Die Erstellung<br />

des abschließenden Textes erfolgte auf der Grundlage von diversen<br />

Einzelvoten und Projektpapieren. Überschneidungen und Wiederholungen<br />

ließen sich nicht ganz ausschließen.<br />

Die Herausgeber danken Hans Christof Kräft für die Protokollierung<br />

und die ausführliche Dokumentation der Arbeit der <strong>Hamburg</strong>er<br />

<strong>Kommission</strong> Lehrerbildung und Christa Broders für die<br />

schnelle und zuverlässige Erstellung des Typoskripts.<br />

<strong>Hamburg</strong> und Zürich im Oktober 2000<br />

Josef Keuffer und Jürgen Oelkers (Vorsitz HKL)<br />

1<br />

Tagungsdaten im Anhang 1.


12 Befunde<br />

0. Befunde und <strong>Empfehlungen</strong> der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung<br />

- Zusammenfassung<br />

Die Universität <strong>Hamburg</strong> hat 1927 als erste deutsche Universität<br />

mit der akademischen Ausbildung auch für die damaligen Volksschullehrer<br />

begonnen. Mehr als siebzig Jahre nach den Anfängen<br />

und mehr als dreissig Jahre nach der flächendeckenden Einführung<br />

einer wissenschaftlichen Ausbildung für alle Lehrämter besteht ein<br />

nicht zu übersehender Reformbedarf. Die <strong>Kommission</strong> geht davon<br />

aus, dass die Lehrerbildung in erheblichem Maße Defizite aufweist<br />

und auf neue Bedingungen in Schule und Gesellschaft eingestellt<br />

werden muss. Die Entwicklung der Lehrerbildung darf allerdings<br />

die Vorteile der universitären Ausbildung nicht in Frage stellen. Im<br />

internationalen Vergleich ist die Lehrerbildung sehr unterschiedlich<br />

organisiert. Innerhalb der Europäischen Union gibt es Bestrebungen<br />

zur Anpassung der Organisation und zur Entwicklung von gemeinsamen<br />

Standards. Die Vorschläge der <strong>Kommission</strong> beziehen<br />

sich auf die Weiterentwicklung der Lehrerbildung in diesem europäischen<br />

Kontext.<br />

Lehrerbildung wird insgesamt krisenhaft wahrgenommen. Reformen<br />

der Ausbildung sind daher kein spezifisch deutsches Phänomen.<br />

Ein Hauptgrund für die Krisenwahrnehmung ergibt sich<br />

aus den veränderten Bedingungen der Lehrberufe. Sie sind konfrontiert<br />

mit sehr konträren und beschleunigten Entwicklungen in<br />

Kultur und Gesellschaft, auf die die öffentliche Schule immer neu<br />

reagieren muss. Daraus erwachsen ständige Lernaufgaben, auf die<br />

nicht mehr durch eine möglichst lange und intensive Ausbildung<br />

vorbereitet werden kann. Eine Hauptforderung des Berufsfeldes


Befunde 13<br />

besteht im innovativen Lernverhalten der Lehrkräfte, die für eine<br />

permanente Systementwicklung sorgen müssen. Lehrerinnen und<br />

Lehrer sind so selbst Lernende, die nicht davon ausgehen können,<br />

irgendwann „fertig“ zu sein. Der Beruf ist das Lernfeld.<br />

Daher ist ein Schlüssel für die Lehrerbildung Personalentwicklung<br />

oder die ständige Qualifizierung des Personals für je neue<br />

Aufgaben und Anforderungen. Eine Qualifizierung, die weitgehend<br />

nur auf die Ausbildung vor Berufsausübung eingestellt ist, ist<br />

dafür nicht länger geeignet. Sie kann nicht angemessen auf die<br />

Probleme und Widersprüche des Berufsfeldes reagieren. Aus diesem<br />

Grunde empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, die Lehrerbildung als Einheit<br />

zu betrachten und sie nicht länger in voneinander getrennten<br />

Phasen zu organisieren, die wenig miteinander zu tun haben. Die<br />

<strong>Kommission</strong> stellt die bestehenden Phasen nicht in Frage, sondern<br />

empfiehlt ihre enge Verzahnung unter Gesichtspunkten von Effizienz<br />

und wechselseitigem Nutzen. Das bisherige System der<br />

Lehrerbildung ist bei allem Aufwand zu wenig effektiv, weil die<br />

Ausbildungsphasen nicht kooperieren, keine gemeinsamen Ziele<br />

verfolgen und nicht oder zu wenig aufeinander aufbauen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> geht davon, dass vier Bereiche oder Phasen<br />

der Lehrerbildung zu unterscheiden sind,<br />

• die Lehrerausbildung an der Universität sowie an anderen<br />

Hochschulen in <strong>Hamburg</strong>,<br />

• die Ausbildung im Studienseminar,<br />

• die Berufseingangsphase nach abgeschlossener Ausbildung<br />

sowie<br />

• die Fort- und Weiterbildung im Beruf.<br />

Die ersten beiden Phasen stellen die Berufsausbildung dar. Die Berufstätigkeit<br />

nach Abschluss der Ausbildung muss neu als Lernen<br />

im Beruf verstanden werden. Grundsätzlich empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />

einen verstärkten Ausbau der Fort- und Weiterbildung sowie<br />

eine Ausgestaltung der Berufseingangsphase. Der Berufsbeginn muss<br />

stärker als bisher für schulische Innovationen genutzt werden, zugleich<br />

muss die permanente Qualifizierung der amtierenden Lehrkräfte<br />

ein weitaus stärkeres Gewicht erhalten. Die <strong>Kommission</strong> emp-


14 Befunde<br />

fiehlt ein Obligatorium in der Fortbildung von Lehrkräften. Die Ressourcen<br />

sind entsprechend zu verstärken und neu zu gewichten.<br />

Die Lehrerausbildung an der Universität und im Studienseminar<br />

muss gestrafft und konzentrierter gestaltet werden. Für diesen Zweck<br />

empfiehlt die <strong>Kommission</strong> neue Formen der Leitung und Kooperation,<br />

die Einführung von Kerncurricula in allen Fächern, die an der<br />

Lehrerausbildung beteiligt sind, sowie die Entwicklung von prioritären<br />

Themen, die in Verbindung mit den Kerncurricula angeboten werden.<br />

Prioritäre Themen sind „Neue Medien“, „Umgang mit kultureller<br />

und sozialer Heterogenität“ und „Schulentwicklung“. Sie konzentrieren<br />

die Ausbildung auf Schlüsselprobleme, die zusammen mit den<br />

Kerncurricula dafür sorgen können, dass das Ausbildungsangebot<br />

nicht beliebig ist und zugleich über einen Berufsfeldbezug verfügt.<br />

Bisher hat die Lehrerausbildung an der Universität kein Leitbild<br />

und keine durchgehende Struktur. Die Ausbildung ist über sehr verschiedene<br />

Fächer und Fachbereiche verteilt, die keine gemeinsame<br />

Aufgabe und Zielsetzung verbindet. Daher besteht auch keine gemeinsame<br />

Verantwortung, während unstrittig ist, dass dem wissenschaftlichen<br />

Studium angehender Lehrkräfte für die Entwicklung des<br />

öffentlichen Schulwesens eine Schlüsselfunktion zukommt. Das gelingt<br />

nur dann, wenn die Zersplitterung der Kräfte vermieden wird. Zu<br />

diesem Zweck votiert die <strong>Kommission</strong> für den Aufbau geeigneter<br />

Leitungs- und Kooperationstrukturen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass die Rolle von Wissenschaft<br />

und Forschung in allen Bereichen der Lehrerbildung gestärkt werden<br />

muss und nicht geschwächt werden darf. Sie votiert daher ausdrücklich<br />

gegen eine Verlagerung von Teilen der Ausbildung an Fachhochschulen<br />

und auch gegen eine Reduzierung der wissenschaftlichen<br />

Ausbildungsanteile auf dreijährige universitäre Studiengänge. Die<br />

Verstärkung des Forschungsbezuges verlangt aber keine Verlängerung<br />

der Ausbildung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> sieht ein wesentliches Problem in der mangelnden<br />

Organisation. Die Lehrerbildung ist zu wenig auf die Entwicklungsprobleme<br />

des Berufsfeldes eingestellt und hat nicht die dafür geeignete<br />

Organisation. Aus diesem Grunde sieht die <strong>Kommission</strong> die<br />

Lehrerbildung als ständige Entwicklungsaufgabe an, in dem die Phasen<br />

und Anbieter der Ausbildung lernen, dass und wie sie verbindlich


kooperieren können, ihre Potentiale besser nutzen und sich auf gemeinsame<br />

Ziele einstellen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt zu diesem<br />

Zweck den Abschluss von verbindlichen, wechselseitigen Leistungsvereinbarungen,<br />

die Entwicklung kooperativer Strukturen zwischen<br />

den Phasen und die fortlaufende Evaluation der Leistungen.<br />

Von besonderer Bedeutung ist der Aufbau einer Feedback-Kultur.<br />

Die Lehrerbildung muss in der Lage sein, von ihren Absolventen und<br />

Abnehmern zu lernen. Nur so lässt sich eine gemeinsame Verantwortung<br />

für die Resultate entwickeln und nur so kann die tatsächliche<br />

Ausbildungsqualität eingeschätzt werden. Wenn die Erwartungen der<br />

Praxis zugrunde gelegt werden, dann ist die heutige Qualität oft nicht<br />

befriedigend. Das gilt nicht nur für die Ausbildung, sondern für alle<br />

Maßnahmen und Angebote der Lehrerbildung. Sie müssen in Zukunft<br />

nachweisen, dass und wie sie praxisdienlich sind, was nur gelingt,<br />

wenn fortlaufende Evaluationen zu einer selbstverständlichen Größe<br />

der Ausbildung geworden sind. Das wiederum setzt Zielsetzungen<br />

und Leistungsvereinbarungen voraus, die bislang noch nicht in einer<br />

Form existieren, die für die Lehrerbildung geeignet ist. Die <strong>Kommission</strong><br />

empfiehlt die Entwicklung und den Einsatz <strong>dieser</strong> Instrumente<br />

mit Nachdruck.<br />

Ein zentrales Problem der Ausbildung erwächst aus der sinkenden<br />

Attraktivität des Lehrerberufs. Wenn die Ausbildung nicht wesentlich<br />

dazu beiträgt, die vordringlichen Probleme des Berufsfeldes zu bearbeiten,<br />

wird sich die Attraktivität weiter abschwächen. Auch aus diesem<br />

Grunde empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine Ausbildungsorganisation,<br />

die besser als bisher auf die Probleme des Berufsfeldes eingestellt ist.<br />

Dazu zählen ein verstärktes Forschungsaufkommen, die Steuerung<br />

durch Forschungsdaten, der Aufbau neuartiger Serviceeinrichtungen<br />

im Evaluationsbereich, die Abnehmerorientierung der Fortbildung, die<br />

Rotation des Personals und Ähnliches mehr.<br />

Die in <strong>Hamburg</strong> forciert betriebene Entwicklung der Schulautonomie<br />

hat unmittelbare Konsequenzen für die Lehrerbildung. Wenn<br />

Schulen in Zukunft die Lehrkräfte ihrer Wahl selbst einstellen oder<br />

mindestens sehr maßgeblich an der Einstellung beteiligt sind, dann<br />

verändert sich das Qualifikationsprofil nachhaltig. Die Stellenbewerber<br />

müssen bestimmte Kompetenzen nachweisen können, und dies<br />

auf speziellen Bedarf hin. Daher empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine Ver-<br />

Befunde 15


16 Befunde<br />

änderung der Leistungsbewertung. Die Prüfungen müssen effektiver<br />

auf den Ausbildungszweck bezogen werden, sie müssen zwischen den<br />

Phasen abgestimmt sein und reale Leistungsnachweise darstellen. Neben<br />

den Prüfungen sind persönliche Portfolios zu entwickeln, die angeben,<br />

welche Themen bearbeitet und welche Kompetenzen entwikkelt<br />

wurden. Bei Einstellungen wird dann nicht mehr allein der Notenschnitt<br />

ausschlaggebend sein.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt in diesem Zusammenhang auch, die<br />

Dominanz der zweiten Phase bei der Notengewichtung und somit bei<br />

der Feststellung der Einstellungsvoraussetzungen aufzugeben und zu<br />

einem integralen Staatsexamen zu gelangen. Das wäre möglich, wenn<br />

beide Phasen nach dem European Credit Transfer System (ECTS) organisiert<br />

und folgenreich aufeinander abgestimmt sind. Das ECTS-<br />

System wird zum europäischen Standard der Universitätsausbildungen<br />

insgesamt und sollte daher auch für die Lehrerbildung genutzt werden,<br />

und dies für beide Phasen. Das jetzige System entwertet faktisch die<br />

erste Phase, während es darauf ankommen muss, beide Phasen möglichst<br />

effizient aufeinander zu beziehen und Ausbildungsverluste zu<br />

vermeiden.<br />

Auch der zeitliche Aufwand muss überprüft werden. Die <strong>Kommission</strong><br />

empfiehlt eine Absenkung der Dauer der Ausbildung. Das Referendariat<br />

sollte um ein halbes Jahr auf 18 Monate gekürzt werden, die<br />

universitären Studien müssen so gestaltet werden, dass die Regelstudienzeit<br />

eingehalten werden kann. Im Gegenzug muss der zeitliche<br />

und materielle Aufwand für die Fortbildung erhöht werden, verbunden<br />

mit speziellen Leistungsanreizen für die sich entwickelnde Einzelschule.<br />

Generell kennt der Lehrerberuf zu wenig und zu schwache<br />

Leistungsanreize. Die <strong>Kommission</strong> sieht in der permanenten Fortbildung<br />

eine zukunftsweisende Möglichkeit, diesen Zustand zu verändern.<br />

Die Karrieremöglichkeiten im Schulsystem müssen verbessert<br />

und mit nachgewiesenen Qualifikationen verbunden werden, nicht<br />

zuletzt solchen, die Forschung mit Praxis verbinden.<br />

Die Vision der künftigen Lehrerbildung erwächst aus ihren Aufgaben.<br />

Der schnelle gesellschaftliche Wandel verlangt ein lernfähiges<br />

Schulsystem, das sich ständig auf neue und oft nicht sehr bequeme<br />

Situationen einstellen muss. Es wird darum gehen, aus der Schule des<br />

19. die Schule des 21. Jahrhunderts zu machen, die über hohe mediale


Kompetenzen verfügt, sich auf kulturelle und soziale Heterogenität<br />

einzustellen versteht und Verantwortung für die eigene Entwicklung<br />

übernimmt. Das dafür geeignete Personal muss von der Lehrerbildung<br />

fortlaufend qualifiziert werden. Hier liegt die hauptsächliche Botschaft<br />

der <strong>Kommission</strong>: Die Lehrerausbildung entlässt keine fertigen Lehrkräfte,<br />

sondern befähigt sie zum professionellen Weiterlernen in einem<br />

Berufsfeld, das sich schneller wandeln und mehr Brüche erleben wird<br />

als je zuvor.<br />

Befunde 17


18 Auftrag<br />

1. Auftrag<br />

Der behördliche Auftrag 2 definierte vier Eckpunkte, die bei der<br />

<strong>Kommission</strong>sarbeit vorauszusetzen waren:<br />

Die <strong>Kommission</strong> soll die universitäre Lehrerbildung fortschreiben,<br />

in der Fächer, Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaft und schulpraktische<br />

Elemente grundständig studiert werden. Die Studienelemente<br />

sollen jedoch stärker als bisher am späteren Berufsfeld<br />

ausgerichtet sein.<br />

Die Struktur der Dreiphasigkeit soll erhalten bleiben, jedoch<br />

sollen die einzelnen Phasen stärker auf Anschlussfähigkeiten und<br />

Kooperation hin orientiert und die Phasenübergänge neu organisiert<br />

werden.<br />

Eine Neuorientierung der Lehrerbildung soll in Richtung auf<br />

eine Abstimmung der Curricula der drei Phasen erfolgen. Zugleich<br />

sollen in den einzelnen Bereichen Kerncurricula aufgebaut werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> soll aufbauend auf bisher gewonnene Erfahrungen<br />

(in <strong>Hamburg</strong>) Vorschläge für eine Evaluationskultur in der<br />

Lehrerbildung entwickeln.<br />

Die vier Eckpunkte lassen sich als Prinzipien des Berufsfeldbezuges<br />

der Ausbildung, der Anschlussfähigkeit der einzelnen Phasen<br />

und Anbieter, der Kerncurricula sowie der Evaluation verstehen.<br />

Von diesen vier Prinzipien ausgehend werden im Auftrag an die<br />

<strong>Kommission</strong> <strong>Empfehlungen</strong> zu den nachfolgenden sieben Bereichen<br />

erwartet:<br />

Aufbau einer Kooperationsstruktur zwischen den an der<br />

Lehrerbildung beteiligten Institutionen zum Zwecke größtmöglicher<br />

Synergien sowie Prüfung der Möglichkeiten der Implementierung<br />

institutioneller Querstrukturen zwischen den Phasen;<br />

2<br />

Gesamtfassung des Auftrages als Anlage 2.


Auftrag 19<br />

Gestaltung von effektiven Übergängen innerhalb des Konzepts<br />

der Dreiphasigkeit unter Beachtung der curricularen, didaktischen<br />

und methodischen Bezüge zwischen den drei Phasen;<br />

Aufbau, Einsatz und Erprobung phasenbezogener Kerncurricula<br />

in der Lehrerbildung, die auf einen systematischen Kompetenzerwerb<br />

bzw. eine gezielte Erweiterung professionsspezifischer<br />

Kompetenzen ausgerichtet sein sollen;<br />

Stärkung und Überprüfung des Theorie-Praxis-Verhältnisses<br />

sowie des Berufsfeldbezuges in allen Teilbereichen (Fächer,<br />

Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft, schulpraktische Studien)<br />

und den drei Phasen der Lehrerbildung;<br />

Neugestaltung der Berufseingangsphase;<br />

• Leitungsstrukturen unter Prüfung der Bündelung von Befugnissen<br />

und Entscheidungskompetenzen in der Lehrerbildung;<br />

• Einsatz von Ressourcen (unter Beachtung der Kostenfolgen der<br />

vorgeschlagenen Maßnahmen); gegebenenfalls Verlagerung<br />

zwischen den Phasen.<br />

Der <strong>Kommission</strong>sbericht erfüllt nicht alle diese Erwartungen. Auf<br />

Grund des hohen Termindrucks, der Datenlage sowie des Verlaufs<br />

der <strong>Kommission</strong>sarbeit kann die <strong>Kommission</strong> keine oder keine dezidierten<br />

Aussagen vorlegen über<br />

• den praktischen Aufbau, den Einsatz und die Erprobung von<br />

Kerncurricula,<br />

• die Stärkung und Überprüfung des Theorie-Praxis-Verhältnisses<br />

sowie des Berufsfeldbezuges in allen Teilbereichen<br />

und Phasen,<br />

• einen detailbezogenen Einsatz und eine Verlagerung von Ressourcen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, diese Fragen auf der Linie ihrer<br />

<strong>Empfehlungen</strong> von den künftigen Leitungsgremien der Lehrerbildung<br />

beantworten zu lassen. Im vorliegenden Bericht wird an verschiedenen<br />

Stellen empfohlen, Entwicklungsaufträge zu vergeben.<br />

In der Folge der <strong>Kommission</strong>sarbeit ist das Spektrum der <strong>Empfehlungen</strong><br />

und sind die Fragestellungen zum Teil anders gruppiert<br />

worden, als der Auftrag dies vorgesehen hat. Der <strong>Kommission</strong>sbe-


20 Auftrag<br />

richt folgt nicht den im Auftrag formulierten sieben Bereichen, auf<br />

die hin <strong>Empfehlungen</strong> ausgesprochen werden sollten. Die Bereiche<br />

werden berücksichtigt, allerdings in unterschiedlicher Gewichtung<br />

und anderer Reihenfolge. Der <strong>Kommission</strong>sbericht gibt die<br />

Schwerpunkte der Beratungen und Anhörungen wieder. Er geht<br />

von vier (und nicht drei) Phasen einer fortlaufenden Lehrerbildung<br />

aus, die - soweit möglich - aufeinander bezogen dargestellt werden.


Allgemeine Zielsetzungen 21<br />

2. Allgemeine Zielsetzungen der<br />

Reform<br />

Grundlegend empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, die Lehrerbildung 3 in<br />

<strong>Hamburg</strong> mit einem zusammenhängenden Auftrag zwischen verschiedenen<br />

Phasen und Anbietern wahrzunehmen. Den Auftrag<br />

erteilt der Staat durch die zuständigen Behörden. In der Folge wird<br />

von Gesamtauftrag gesprochen. Er bezieht sich auf die folgenden<br />

Bereiche der Lehrerbildung:<br />

• Universitäten und andere Hochschulen in <strong>Hamburg</strong>,<br />

• Studienseminar,<br />

• Berufseingangsphase und<br />

• Fort- und Weiterbildung.<br />

Unterschieden wird zwischen der grundständigen Ausbildung für<br />

verschiedene Lehrämter, die mit staatlichem Examen abgeschlossen<br />

wird, den jeweiligen Berufseingangsphasen und der fortlaufenden<br />

Personalentwicklung 4 . Auf diesen Zusammenhang bezieht sich<br />

der Gesamtauftrag Lehrerbildung. Er geht davon aus, dass der<br />

Lehrerberuf als ständiger Qualifizierungsprozess angesehen werden<br />

muss. „Ausbildung“ ist daher eine permanente Aufgabe, die<br />

nicht mit der Berechtigung für den Berufszugang abgeschlossen<br />

ist. Das hauptsächliche Ausbildungsproblem besteht darin, ange-<br />

3<br />

Mit „Lehrerbildung“ ist hier – wie im folgenden – selbstverständlich auch<br />

Lehrerinnenbildung gemeint, wie überhaupt die grammatisch männliche<br />

Form in diesem Text stets das weibliche Geschlecht einschließt.<br />

4<br />

Maßnahmen und Angebote der Fort- und Weiterbildung werden als fortlaufende<br />

Personalentwicklung verstanden. „Weiterbildung“ ist im Schulbereich<br />

die besoldungsrelevante Qualifizierung für zusätzliche Fächer und<br />

Schulstufen; „Fortbildung“ ist der unspezifische Rest an Ausbildungsmaßnahmen<br />

nach der Einstellung. Der Ausdruck „Fort- und Weiterbildung“<br />

wird nicht immer gemäß <strong>dieser</strong> Unterscheidung gebraucht.


22 Allgemeine Zielsetzungen<br />

sichts des raschen gesellschaftlichen und kulturellen Wandels die<br />

Ziele und Mittel der Ausbildung so zu wählen, dass alle an der<br />

Ausbildung beteiligten Personen befähigt werden, sich auf je neue<br />

Situationen einzustellen.<br />

Das verlangt eine grundlegende Neuorganisation der Lehrerbildung,<br />

die fünf Prämissen hat:<br />

1) Grundsätzlich wird „Lehrerbildung“ als Entwicklungsaufgabe<br />

verstanden.<br />

2) Die Phasen und Anbieter haben gemeinsame, übergreifende<br />

Zielsetzungen.<br />

3) Sie sind zu einer engen und folgenreichen Kooperation verpflichtet,<br />

die neue Organisationsformen verlangt.<br />

4) Der Gesamtauftrag wird mit aufeinander bezogenen und revisionsfähigen<br />

Teilaufträgen realisiert.<br />

5) Die Zielsetzungen und ihre Realisierung werden fortlaufend<br />

überprüft.<br />

Die Ausbildung der Lehrkräfte wird der Universität und dem Studienseminar<br />

übertragen. Beide Phasen unterliegen einem zusammenhängenden<br />

und fortlaufend koordinierten Studien- und Prüfungssystem.<br />

Die Berufseingangsphase ist nicht Teil der Ausbildung,<br />

sondern der Beginn eigenverantwortlicher Berufstätigkeit,<br />

der in besonderer Form entwickelt wird. Für die Ausgestaltung der<br />

Berufseingangsphase sind die einzelnen Schulen zuständig, spezielle<br />

Angebote der Weiterbildung stellt das Institut für Lehrerfortbildung<br />

bereit. Die fortlaufende Personalentwicklung ist Aufgabe<br />

der Fort- und Weiterbildung, die, in Kooperation mit anderen Anbietern,<br />

darunter die Universität <strong>Hamburg</strong>, vom Institut für Lehrerfortbildung<br />

besorgt wird. In der zunehmenden Umsetzung der größeren<br />

Eigenständigkeit der Einzelschule 5 werden auch die Schulen<br />

vor Ort mit Aufgaben der Personalentwicklung befasst sein. Davon<br />

zu unterscheiden sind die behördlichen Aufgaben und Maßnahmen<br />

im Bereich der Personalentwicklung. Diese differenzierten Trägerschaften<br />

machen den Gesamtauftrag Lehrerbildung aus.<br />

5<br />

Einschließlich der Anstellung der Lehrkräfte.


Allgemeine Zielsetzungen 23<br />

2.1. Lehrerbildung als Entwicklungsaufgabe<br />

Der staatliche Auftrag „Lehrerbildung“ wird in Form von Leistungsverträgen<br />

6 zwischen den zuständigen Behörden und Anbietern<br />

abgeschlossen. Die Verträge sind befristet und revisionsfähig,<br />

ausgehend von dem Grundsatz, dass die Ausbildung nicht statisch,<br />

sondern als Entwicklungsaufgabe verstanden wird. Ein starres Verständnis<br />

von Lehrerbildung wird weder den Anforderungen noch<br />

der Dynamik des Berufsfeldes gerecht. Die Ausbildung muss sich<br />

in allen Phasen und Teilen nach gemeinsamen Zielsetzungen entwickeln,<br />

nur so kann sie leistungsfähiger werden und zielgerechter<br />

verfahren. Die Defizite der heutigen Ausbildung erklären sich wesentlich<br />

aus den unflexiblen, der Tradition nationalstaatlicher Bildung<br />

verpflichteten Strukturen und dem ungenutzten Potenzial der<br />

Institutionen der Lehrerbildung. Die vorhandenen Ressourcen erfahren<br />

keine optimale Nutzung, weil eine übergeordnete Zielsetzung<br />

fehlt, ein verbindliches, zugleich überzeugendes Profil<br />

nicht vorhanden ist und eine kooperative Organisationsform fehlt.<br />

Diese Defizite lassen sich nur beheben, wenn die Ausbildung insgesamt<br />

als Entwicklungsaufgabe verstanden wird.<br />

2.2. Die Lehrerbildung und ihre Zielsetzungen<br />

An der Lehrerbildung sind sehr verschiedene Anbieter beteiligt,<br />

die zum Teil konträr orientiert sind und die bislang kaum Gemeinsamkeiten<br />

entwickelt haben. Das führt zu erheblichen Koordinationsproblemen<br />

und hat zur Folge, dass wenn, dann nur sehr schwache<br />

Synergien ausgebildet werden. Die Ausbildung ist kein zusammenhängender<br />

Studiengang, eine anschlussfähige Berufseingangsphase<br />

ist nicht vorhanden und die Personalentwicklung erfolgt<br />

weitgehend eklektisch. Soll sich das ändern, muss eine ge-<br />

6<br />

Ziel- und Leistungsvereinbarungen in Weiterentwicklung der bestehenden<br />

Vereinbarungen zwischen der Behörde für Wissenschaft und Forschung<br />

und den <strong>Hamburg</strong>ischen Hochschulen sowie der Staats- und Universitätsbibliothek<br />

vom 2. März 1999.


24 Allgemeine Zielsetzungen<br />

meinsame Überzeugung entwickelt werden, was Lehrerbildung ist<br />

und welche Ziele sie verfolgen soll.<br />

2.2.1. Das Verständnis von Lehrerbildung<br />

Lehrerbildung bezieht sich auf ein Berufsfeld. Die Ausbildung<br />

muss daher in allen Phasen und Stufen Bezüge zum Berufsfeld<br />

herstellen und sichern. Das Berufsfeld hat verschiedene Handlungsfelder<br />

oder Handlungsebenen, die unterschiedliche Kompetenzen<br />

verlangen. Grundlegend sind<br />

• Unterricht,<br />

• Schulstufen,<br />

• Einzelschule,<br />

• Umwelt der Schule,<br />

• Öffentlichkeit und<br />

• Bildungspolitik.<br />

Die Ausbildung in den ersten beiden Phasen stellt sicher, dass Berufsanfänger<br />

in diesen Handlungsfeldern handlungsfähig sind, also<br />

fachlich wie methodisch ausreichend qualifiziert sind und unterrichten<br />

können, schulische Organisationsformen verstehen und an<br />

ihrer Entwicklung beteiligt werden, Umwelten der Schule beachten<br />

und das Lehramt als Teil eines öffentlichen Auftrages wahrnehmen.<br />

Die Berufseingangsphase sorgt dafür, dass der Beginn der eigenverantwortlichen<br />

Praxis die Ausbildungserfahrungen optimal<br />

nutzen kann. Zu diesem Zweck werden besondere Angebote der<br />

Weiterbildung entwickelt. Die Fort- und Weiterbildung muss als<br />

vierter Bereich der Lehrerbildung zentrales Gewicht erhalten. Das<br />

setzt voraus, die Fort- und Weiterbildung stärker als bisher an<br />

Schulentwicklung zu binden.<br />

Das Berufsfeld muss different verstanden werden. Zu unterscheiden<br />

sind in <strong>Hamburg</strong> derzeit


Allgemeine Zielsetzungen 25<br />

das Lehramt an der Grund- und Mittelstufe (Typ 2) 7 ,<br />

das Lehramt an der Oberstufe - Allgemeinbildende Schulen<br />

(Typ 4),<br />

das Lehramt an der Oberstufe – Berufliche Schulen (Typ 5),<br />

das Lehramt an Sonderschulen (Typ 6).<br />

Die Unterschiede in den Zielstufen, den Ausbildungscurricula und<br />

den Entwicklungsnotwendigkeiten schränken die allgemeinen<br />

Ziele ein. Mindestens sind Spezifizierungen erforderlich, die auf<br />

die Besonderheiten der Ausbildungsgänge eingehen müssen, so<br />

dass nicht alle Aufgaben unter gemeinsame Zielsetzungen fallen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass die Unterscheidung nach<br />

Lehrämtern in der Ausbildung präziser gefasst und spezifiziert<br />

werden muss (siehe Abschnitt 10 der <strong>Empfehlungen</strong>)<br />

2.2.2. Zielsetzungen<br />

Der Gesamtauftrag Lehrerbildung verfolgt gemeinsame Zielsetzungen<br />

aller Phasen und Anbieter. Die übergreifenden Ziele gelten<br />

auch für alle Lehrämter. Die einzelnen Phasen verwirklichen ihre<br />

Teilaufträge mit eigenen Zielsetzungen. Für die Lehrerbildung insgesamt<br />

gelten folgende Zielsetzungen:<br />

1) Die Lehrerbildung besorgt grundlegende und fortlaufend weiterentwickelte<br />

Qualifikationen für besondere Lehrämter und<br />

spezifische Funktionen an öffentlichen Schulen.<br />

2) Die Lehrerbildung stellt sicher, dass der Lehrerberuf als permanente<br />

Lern- und Innovationsaufgabe verstanden wird.<br />

3) Die Lehrerbildung gewährleistet Schulqualität durch Personalentwicklung.<br />

4) Die Lehrerbildung bezieht sich mit ihren Angeboten auf gesellschaftliche<br />

Entwicklungen und kulturellen Wandel.<br />

7<br />

Die Typen der Lehrämter beziehen sich auf die Rahmenvereinbarungen<br />

über die Ausbildung und Prüfung für die Lehrämter in der Bundesrepublik<br />

Deutschland (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der<br />

Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1997).


26 Allgemeine Zielsetzungen<br />

5) Die Lehrerbildung ist selbst ein Entwicklungsprojekt.<br />

Diese allgemeinen Zielsetzungen werden mit unterschiedlichen<br />

Teilaufträgen verfolgt. Die Passung und ggf. Revision der Teilaufträge<br />

ist ein Entwicklungsproblem. Im einzelnen soll die Ausbildung<br />

an der Universität und im Studienseminar<br />

mit den wissenschaftlichen Grundlagen und Entwicklungstrends<br />

des Lehrerberufs bekannt machen,<br />

einen Habitus forschendes Lernen herausbilden,<br />

fachwissenschaftliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche<br />

Anteile integrieren,<br />

prioritäre Themen wie neue Medien, Umgang mit Heterogenität<br />

oder Schulentwicklung quer zu den Lehrämtern anbieten,<br />

auf das Berufsfeld hinführen und grundlegende Kompetenzen<br />

des Wissens und Handelns vermitteln,<br />

Wissen und Handeln nach den einzelnen Berufsfeldern und auf<br />

ihren unterschiedlichen Auftrag hin differenzieren.<br />

Die Berufseingangsphase soll schulpraktische Innovationen auf<br />

Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse unterstützen und die<br />

individuellen Probleme des Berufsanfangs bearbeiten. Ziele sind<br />

Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit,<br />

Aufbau von individueller Handlungssicherheit,<br />

Nutzung des Innovationspotenzials von Berufsanfängerinnen<br />

und – anfängern für die Schulentwicklung,<br />

Transfer neuer Erkenntnisse und Wissensformen.<br />

Die Fort- und Weiterbildung ist zuständig für kontinuierliche<br />

Schul- und Personalentwicklung. Ihre Angebote sollen<br />

auf neue Probleme im Berufsfeld reagieren,<br />

Qualitätssicherung gewährleisten,<br />

Innovationen sicherstellen,<br />

• Berufsmotivationen und Krisen bearbeiten,<br />

• fachliche und soziale Schulentwicklung unterstützen.


Allgemeine Zielsetzungen 27<br />

2.3. Kooperation<br />

In der Ausbildung sind verbindliche Abstimmungen des Angebots<br />

im Sinne von Kerncurricula zu entwickeln. Kerncurricula legen<br />

Standards des fachlichen Wissens und beruflichen Könnens fest,<br />

die obligatorisch angeboten und studiert werden. Dabei müssen die<br />

gegenwärtigen und künftigen Anforderungen des Berufsfeldes Berücksichtigung<br />

finden, soweit sie absehbar sind. Notwendig für<br />

Abstimmung und Kooperation sind neue Gremien, außerdem wären<br />

Leitungsfunktionen zu bestimmen und einzurichten. Gegenwärtig<br />

besteht keine gemeinsame Ausbildungsverantwortung. Die<br />

Zuständigkeiten sind voneinander abgeschottet und werden nicht<br />

koordiniert.<br />

Die Leitung der ersten beiden Phasen muss koordiniert und auf<br />

die Zwecke der Ausbildung hin ausgerichtet werden. Die Leitung<br />

übernimmt Aufgaben in der Festlegung der Standards, sorgt für<br />

Abstimmung des curricularen Angebotes und erhält in kritischen<br />

Fällen Entscheidungsbefugnis. Die Berufseingangsphase kann<br />

Standards der Ausbildung voraussetzen, die mit eigenverantwortlicher<br />

Praxis weiterentwickelt und schulisch spezifiziert werden. Die<br />

Personalentwicklung in der Schule besorgt die fortlaufende Anpassung<br />

des Berufswissens, bearbeitet Probleme der beruflichen Identität<br />

und unterstützt die Organisationsentwicklung. Daran können<br />

und müssen sehr verschiedene Anbieter beteiligt sein. Für den<br />

Wissenstransfer ist wichtig, dass die Universität einen eigenen<br />

Auftrag in der Weiterbildung von Lehrkräften erhält.<br />

2.4. Aufträge<br />

Die Lehrerbildung wird als zusammenhängendes System verstanden.<br />

Das System unterscheidet sich in Ausbildung sowie Fort- und<br />

Weiterbildung. Der Gesamtauftrag betrifft beide Systemteile in integraler<br />

Form. Er enthält eine Entwicklungsperspektive und formuliert<br />

verbindliche Zielsetzungen der Systementwicklung für einen<br />

längeren, wenngleich befristeten Zeitraum. Mit den unterschiedlichen<br />

Institutionen werden Teilaufträge in Form von Leistungsver-


28 Allgemeine Zielsetzungen<br />

einbarungen geschlossen, die sich nach den Zielsetzungen und<br />

Qualifikationen der einzelnen Phasen richten und deren Zusammenhang<br />

beachten. Grundsätzlich sind Daueraufträge zu vermeiden<br />

und Weitervergaben an das Leistungsprinzip zu binden. Die<br />

Leistungsbewertung bemisst sich an dem Nutzen der Ausbildung<br />

für das Berufsfeld und seine Entwicklung.<br />

2.5. Aufgaben der Evaluation<br />

Die Ziele der Lehrerbildung müssen überprüfbar gehalten werden.<br />

Als Kontrollformen sind zu unterscheiden:<br />

• die Selbstbeschreibung und Selbstreflexion der Anbieter,<br />

• das Feedback der Absolventen und Abnehmer,<br />

• externe Expertisen und<br />

• regelmäßige Datenerhebungen.<br />

Die interne Reflexion und Überprüfung muss von formulierten<br />

Zielen ausgehen, die in Programmen oder Leitbildern festgelegt<br />

sind. Diese Ziele müssen zwischen Lehrenden und Auszubildenden<br />

kommuniziert werden, so dass sie ausbildungssteuernd eingesetzt<br />

werden können. Die Selbstkontrolle des Angebots sollte feedbackorientiert<br />

sein. Absolventen und Abnehmer der Lehrerbildung<br />

müssen regelmäßig befragt werden und Einfluss auf die Angebotsgestaltung<br />

erhalten. Ergänzend dazu müssen unabhängige Expertisen<br />

eingeholt werden, die entweder selber Entwicklungsszenarien<br />

enthalten oder die in der Lehrerbildung vorhandenen Szenarien<br />

überprüfen. Dazu sind regelmäßige Datenerhebungen eine notwendige<br />

Grundlage. Diese externen Evaluationen erfolgen auf der<br />

Grundlage der empirischen Bildungsforschung.


Ziele und Qualifikationen 29<br />

3. Ziele und Qualifikationen der<br />

Phasen<br />

Die vier Phasen und die darauf bezogenen Institutionen der<br />

Lehrerbildung verfolgen einen gemeinsamen Auftrag, der fortlaufend<br />

abgestimmt werden muss. Die Lehrerausbildung umfasst die<br />

ersten beiden Phasen, sie wird mit einem berufsqualifizierenden<br />

Staatsexamen abgeschlossen. Die enge Verzahnung <strong>dieser</strong> beiden<br />

Phasen schließt nicht aus, dass Universitätsstudium und Ausbildung<br />

im Studienseminar je besondere Ziele verfolgen und Qualifikationen<br />

anstreben. Das Problem ist, wie ein Höchstmaß an Abstimmung<br />

erreicht werden kann, ohne dass weiterhin Doppelspurigkeiten<br />

und Synergiemängel in Kauf genommen werden müssen.<br />

Die Berufseingangsphase erhält ein eigenes Profil, unter der Voraussetzung,<br />

dass sie nicht als Teil der Ausbildung, sondern als Beginn<br />

der eigenverantwortlichen Berufspraxis verstanden wird. Die<br />

Fort- und Weiterbildung wird als vierte Phase Teil der obligatorischen<br />

Lehrerbildung und erhält stärkeres Gewicht als bisher. Sie<br />

sorgt für kontinuierliche Qualitätssicherung und gezielte Personalentwicklung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt grundsätzlich<br />

1) den Aufbau und die Abstimmung von Kerncurricula in allen<br />

Ausbildungsbereichen,<br />

2) die inhaltliche und thematische Sicherung des Berufsfeldbezuges,<br />

3) die Entwicklung von Standards professionellen Handelns,<br />

4) die Kürzung der Ausbildung,<br />

5) die Profilierung der Berufseingangsphase,<br />

6) ein Obligatorium für die Fortbildung.


30 Ziele und Qualifikationen<br />

Die erste Empfehlung wird im Abschnitt 4 sowie an weiteren<br />

Stellen des vorliegenden Berichtes ausführlich erläutert. Die<br />

<strong>Kommission</strong> verweist einleitend darauf, dass Kerncurricula fachlich<br />

strukturiert sind und thematisch wie inhaltlich auf das Berufsfeld<br />

verweisen. Professionelle Standards, wie sie OSER (2000) beschrieben<br />

hat, gehen über fachliche Curricula hinaus und müssen<br />

für die Lehrerbildung insgesamt entwickelt werden. Die Gesamtsicht<br />

der Lehrerbildung erlaubt grundsätzlich eine Verschiebung<br />

der Zeitressourcen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine deutliche Absenkung<br />

der Dauer der Ausbildung, und zwar der universitären<br />

Studiengänge ebenso wie der Ausbildung im Referendariat (siehe<br />

4.2. und 10). Im Gegenzug wird die Berufseingangsphase entwikkelt<br />

und Fortbildung als obligatorisch festgelegt. Die Universitätsseite<br />

erhält einen besonderen Auftrag für die Fortbildung von<br />

Lehrkräften. Grundlage <strong>dieser</strong> Empfehlung ist die Annahme, dass<br />

Verschiebungen der Zeitressourcen nicht einhergehen mit einer<br />

Reduktion der materiellen Ausstattung der Lehrerbildung. Die<br />

neuen Aufgaben verlangen im Gegenteil besondere Investitionen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass fachliche und professionelle<br />

Anforderungen nicht deckungsgleich sind. Die zentrale<br />

Schwierigkeit besteht darin, mit fachbezogenen Ausbildungsgängen<br />

berufliche Kompetenzen anstreben zu wollen. Die Ausbildungslogik<br />

von Universitätsstudiengängen wird von Fachdisziplinen<br />

bestimmt, die nicht einfach aus sich heraus Kompetenzen des<br />

Lehrerberufs erzeugen können. Andererseits kann der Lehrerberuf<br />

von fachwissenschaftlichem Wissen dann profitieren, wenn die<br />

Ausbildung auf Reflexion und Reflexionserweiterung eingestellt<br />

ist. Diese doppelte Aufgabe der Kompetenzentwicklung und der<br />

reflexiven Bildung lässt sich nur erfüllen, wenn die Ausbildungsgänge<br />

aufeinander abgestimmt sind, die Lehrveranstaltungen nach<br />

ihrer Funktion definiert werden und die zusammenhängenden Ziele<br />

sichtbar sind. Das ist auch deswegen notwendig, weil mit der wissenschaftlichen<br />

Ausbildung zuerst Reflexionsqualität vermittelt<br />

wird, bevor unterrichtliche und im weiteren berufliche Kompetenzen<br />

entwickelt werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Profilierung der Lehrerbildung<br />

gerade mit dem differenzierten Angebot zu schärfen. Ein Manko


Ziele und Qualifikationen 31<br />

der bisherigen Ausbildung besteht darin, dass vielfach Veränderungen<br />

im Berufsfeld und in den Gegenstandsbereichen der an der<br />

Ausbildung beteiligten Wissenschaften zu spät oder gar nicht<br />

wahrgenommen und marginalisiert werden. Ein weiteres Manko<br />

besteht darin, dass die Angebote oft nach einem einfachen und<br />

stark utilitären Muster von „Theorie“ und „Praxis“ bewertet werden.<br />

Besonders die erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen<br />

Anteile werden von vielen Studierenden dergestalt erwartet,<br />

dass sie Profit für den individuellen Unterrichtserfolg abwerfen<br />

sollen. Die wissenschaftliche Lehrerbildung kann aber nur dann<br />

Erfolg haben, wenn die Ausbildungsorganisation kenntlich macht,<br />

dass und wie mit verschiedenen Lehrveranstaltungen unterschiedliche<br />

Ziele erreicht werden sollen. Die Ziele müssen zwischen den<br />

Phasen und den beteiligten Fächern so abgestimmt sein, dass die<br />

Studierenden von einem Gesamttableau ausgehen können, das die<br />

Vorteile einer differenzierten Ausbildung kenntlich macht. Damit<br />

verbinden sich erhebliche Managementaufgaben, die in der heutigen<br />

Ausbildungsorganisation nicht erfüllt werden.<br />

3.1. Lehrerausbildung an der Universität<br />

Die Universität bestimmt die Lehrerausbildung während der ersten<br />

Phase. An <strong>dieser</strong> Ausbildungsphase sind unterschiedliche Anbieter<br />

beteiligt, die bislang ohne jede Abstimmung verfahren können.<br />

Das gilt generell für die Verfassung der Lehrerausbildung in<br />

Deutschland. Die Ausbildungsorganisation an der Universität<br />

<strong>Hamburg</strong> hat aber einige historisch gewachsene Vorteile, die die<br />

Reform erleichtern können. Die <strong>Kommission</strong> verweist auf<br />

die Integration der Fachdidaktiken in den Fachbereich 06 Erziehungswissenschaft,<br />

die Konzentration der Lehrerausbildung für Sonderschulen im<br />

Fachbereich 06 8 ,<br />

8<br />

Anders verhält es im Fall des Lehramts an beruflichen Schulen: dort finden<br />

von 140 bis zu 160 SWS nur 40 SWS am Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

statt. Hinzu kommen insbesondere Anteile der TU <strong>Hamburg</strong>-<br />

Harburg und des Fachbereichs 13 (Chemie).


32 Ziele und Qualifikationen<br />

<br />

<br />

<br />

den vergleichsweisen 9 guten Ausbaustand von Erziehungswissenschaft<br />

und Fachdidaktik,<br />

den vergleichsweisen hohen Stundenanteil der schulpraktischen<br />

sowie erziehungswissenschaftlich-fachdidaktischen Studien am<br />

Gesamtvolumen der Ausbildung sowie<br />

die angenäherte Gleichbehandlung der schulform- und stufenübergreifenden<br />

Ausbildungen 10 .<br />

Die organisatorische und reflexive Konzentration der Lehrerbildung<br />

auf den Fachbereich 06 schafft aber zugleich ein gravierendes<br />

Problem. Die anderen an der Lehrerbildung beteiligten Fachbereiche<br />

behandeln die damit verbundenen Aufgaben sehr unterschiedlich<br />

und insgesamt wenig profiliert. Die Probleme der Lehrerbildung<br />

werden ausschließlich fachbezogen verstanden, ein spezifisches<br />

Curriculum ist nicht vorhanden, obwohl die beteiligten Fächer<br />

in erheblichem Maße von Lehrerbildungsinvestitionen profitieren.<br />

Die Anhörungen der <strong>Kommission</strong> haben in <strong>dieser</strong> Hinsicht<br />

kaum Fortschritte erbracht. Insgesamt ist zu sagen, dass die<br />

Lehrerbildung in Deutschland nicht zu fachbezogen ist, sondern<br />

vielmehr darunter leidet, dass die fachwissenschaftlichen Anteile<br />

zu wenig auf die Zwecke der Ausbildung abgestimmt sind.<br />

Der folgende Zielkatalog ist aus Sicht der Erziehungswissenschaft/Fachdidaktik<br />

abgefasst. Die <strong>Kommission</strong> hat sich bemüht,<br />

Verallgemeinerungen zu wählen, die sich auch auf die fachwissenschaftliche<br />

Ausbildung übertragen lassen. Die Aussagen betreffen<br />

drei Bereiche.<br />

Habitus forschendes Lernen<br />

Die Universitätsausbildung vermittelt nicht lediglich Fachwissen<br />

oder Methodenkompetenz, sondern grundlegender einen Habitus,<br />

der sich mit JEROME BRUNER als forschendes Lernen bezeichnen<br />

9<br />

Die Vergleiche beziehen sich auf andere Bundesländer mit niedrigeren<br />

Anteilen der Erziehungswissenschaft in den Lehramtsstudiengängen.<br />

10<br />

<strong>Hamburg</strong> hat eine schulformbezogene Ausbildung, die „stufenbezogen“<br />

genannt wird. Es handelt also nicht um eine reine Stufenausbildung, die<br />

nach Grundschule, Sekundarstufe I und II strikt unterscheiden würde.


Ziele und Qualifikationen 33<br />

lässt. Diese Haltung ist als Kernbeitrag der Universität zur Lehrerbildung<br />

zu verstehen, auf den die anderen Phasen aufbauen müssen.<br />

Die Studierenden sollen lernen, sich theoretisches Wissen<br />

nicht nur rezeptiv und lediglich für den Zweck der Ausbildung anzueignen,<br />

sondern dieses Wissen reflexiv auf Praxis, das heißt auf<br />

empirisch vorfindliche Situationen und Probleme ihres Berufsfeldes,<br />

zu beziehen. Diese Situationen und Probleme sind nicht einfach<br />

nur Anwendungsfälle des vorab konstituierten Wissens, vielmehr<br />

kommt es darauf an, das vorhandene Theoriewissen zur<br />

Analyse und Gestaltung des Berufsfeldes nutzbar zu machen.<br />

Das kann enger oder weiter verstanden werden. Von vorrangiger<br />

Bedeutung wäre etwa die Nutzung des Ausbildungswissens,<br />

darunter nachdrücklich auch das der Fachwissenschaften, zur fortlaufenden<br />

Innovation des Schulwissens 11 , eine Aufgabe, die in der<br />

heutigen Ausbildung vernachlässigt wird. Kaum weniger wichtig<br />

ist es, die Erwartungen 12 im Blick auf Unterrichtsmethoden zu korrigieren.<br />

Die Situationen und Probleme der Berufspraxis müssen in<br />

ihren allgemeinen Strukturen verstanden und in ihrer jeweiligen<br />

Besonderheit erschlossen werden, ohne die Sichtweise auf die<br />

Handlungsstrategien der einzelnen Lehrkraft zu verengen. Die Sicherheitsbedürfnisse<br />

von Novizen müssen angemessen behandelt<br />

werden, aber das darf nicht dazu führen, die Komplexität des Berufsfeldes<br />

und insbesondere die inhaltlichen Anforderungen auf<br />

den Gebrauch von Unterrichtsmethoden zu reduzieren 13 . Die Ausbildung<br />

muss den Nutzen wissenschaftlichen Wissens für die Gestaltung<br />

des Berufsfeldes kenntlich machen, was nur dann möglich<br />

ist, wenn eine forschende Haltung zur eigenen Berufstätigkeit entwickelt<br />

wird. Der Lehrberuf muss als Lern- und Entwicklungsauf-<br />

11<br />

Zu verstehen als Wissenskorpus der jeweiligen Schulfächer. Die heutigen<br />

Fächer konstituieren sich über Lehrpläne und Lehrmittel, die sich in aller<br />

Regel auf die Arbeit von Lehrplankommissionen beziehen.<br />

12<br />

Gemeint sind die Erwartungen nicht nur der Studierenden, sondern generell<br />

der praktischen Wirksamkeit von Ausbildung.<br />

13<br />

Die Studierenden wollen oft nur wissen what works (GOODLAD 1991,<br />

OSER/OELKERS 2000). Die Ausbildung muss erreichen, dass sie ihre künftige<br />

Praxis als Lern- und Forschungsproblem ernst nehmen, also nicht lediglich<br />

die eigene Handlungssicherheit in den Mittelpunkt stellen.


34 Ziele und Qualifikationen<br />

gabe konzipiert sein, die sich ohne Forschungsbezug nicht verwirklichen<br />

lässt. Das schließt die Bereitschaft und Fähigkeit zu experimentierendem<br />

Handeln und dessen Evaluation mit ein.<br />

Handlungsqualifikationen und individuelle Profilbildung<br />

Die Studierenden müssen im Laufe ihrer Ausbildung ein individuelles<br />

Profil als Lehrer und Lehrerin entwickeln. Das Profil muss an<br />

den Ausbildungsstandards geschärft werden. Entsprechend müssen<br />

sich hohe Anforderungen der Ausbildung individualisieren lassen,<br />

ohne ihre Verbindlichkeit zu verlieren. Die Studierenden müssen in<br />

allen Studienfächern einen Zugang zu wissenschaftlichen Fragestellungen<br />

und Arbeitsweisen gewinnen. Sie müssen lernen, allgemeines<br />

Wissen auf spezifische Situationen zu beziehen und ihr<br />

Verständnis an Fällen zu schulen, ohne diese lediglich als einmalige<br />

Vorkommnisse zu begreifen 14 . Die erziehungswissenschaftliche<br />

und didaktische Ausbildung sorgt dafür, dass die Studierenden<br />

eigene Erfahrungen im pädagogischen Handlungsfeld theoriegeleitet<br />

analysieren und reflektieren,<br />

Fähigkeiten zu selbst gesteuertem und kooperativem Arbeiten<br />

entwickeln,<br />

historisch-gesellschaftliche Erziehungs- und Bildungsprozesse<br />

analysieren und reflektieren,<br />

pädagogische Handlungsmöglichkeiten theoriegeleitet erproben,<br />

Fragen der Legitimation und Entwicklung der öffentlichen<br />

Schule bearbeiten,<br />

eine vergleichende Perspektive einbringen,<br />

innovative Formen der Praxisgestaltung und Organisationsentwicklung<br />

erfahren und<br />

die dabei erworbenen Kenntnisse nachweisen können.<br />

Speziell geht es um die Analyse und Reflexion von<br />

fachbezogenen und fächerübergreifenden Lernvorgängen in<br />

schulischen Unterrichtsprozessen,<br />

14<br />

Das Thema „Fallarbeit in der universitären Lehrerbildung“ behandeln die<br />

Beiträge in BECK/HELSPER (2000).


Ziele und Qualifikationen 35<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

innovativen Lehr-Lern-Formen und Unterrichtsmedien,<br />

Beobachtung und Einschätzung spezifischer Lernschwierigkeiten<br />

und Lernstärken von Kindern und Jugendlichen in Anbetracht<br />

der unterschiedlichen Voraussetzungen, die sie in die<br />

Schule mitbringen,<br />

Situationen und Fällen des Unterrichts wie des Schullebens,<br />

Bedingungen erfolgreichen Lehrerhandelns,<br />

bildungspolitischen Diskursen,<br />

der eigenen Rolle und Eignung als Lehrkraft mit individuellen<br />

Stärken und Schwächen.<br />

Entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten wären im Laufe des<br />

Studiums ebenfalls nachzuweisen. Analyse und Reflexion erfolgen<br />

wissenschaftsgesteuert und theorieorientiert, die individuelle Erfahrung<br />

ist der Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Bearbeitung.<br />

Fachliche Qualifikationen<br />

Die inhaltliche Ausrichtung und die Gewichtung der fachwissenschaftlichen<br />

Studien erfolgt unterschieden nach Lehrämtern. Die<br />

Einbeziehung der prioritären Themen gilt für alle Lehrämter. Dabei<br />

ist in bestimmten Teilen der Ausbildung der Forschungsbezug zu<br />

stärken. Das gilt für die Fachdidaktiken, die Grundschulpädagogik,<br />

die Sonderschullehrerausbildung und für Teile der schulpraktischen<br />

Studien. Andere Anteile, besonders die der fachwissenschaftlichen<br />

Studien, haben das Problem der Spezifizierung ihres<br />

Angebotes für die Belange der Lehrerbildung. Eine Lösung des<br />

Problems wäre die Entwicklung von Kerncurricula, die von der<br />

<strong>Kommission</strong> begründet und empfohlen wird (siehe Teil 4 und Anhang).<br />

Unter <strong>dieser</strong> Voraussetzung lassen sich folgende, allgemeine Zielsetzungen<br />

formulieren. Die fachliche Ausbildung sorgt dafür, dass<br />

die Studierenden<br />

• über inhaltliche und methodische Kenntnisse in den Wissensgebieten<br />

verfügen, die für die Gestaltung von schulischen<br />

Lehr-Lern-Situationen grundlegend sind,


36 Ziele und Qualifikationen<br />

• Erkenntnisse und Wissensformen ihrer Disziplinen unter Berücksichtigung<br />

geschichtlich-gesellschaftlicher Zusammenhänge<br />

reflektieren können,<br />

• fähig sind, sich neue Gegenstandsbereiche der Disziplinen<br />

selbständig oder in Kooperation mit anderen anzueignen,<br />

• imstande sind, Ausbildungswissen auf Schul- und Unterrichtswissen<br />

zu beziehen,<br />

• disziplinäres Wissen in interdisziplinären Aufgaben erprobt<br />

haben und<br />

• über Kenntnisse verfügen, wie Theorien und Wissensbestände<br />

ihrer Disziplinen in nicht-pädagogischen Tätigkeitsfeldern<br />

verwendet werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass der Wissenschaftsbezug<br />

und die darauf bezogene Fachlichkeit grundsätzlich nicht nach Stufen<br />

oder Schularten unterschieden werden kann. Weil etwa Grundschullehrerinnen<br />

und Grundschullehrer kleinere Kinder mit – aus<br />

Sicht des Lehrplans – geringeren Wissensanforderungen unterrichten,<br />

ist ihre Fachlichkeit nicht schmaler. Die <strong>Kommission</strong><br />

nimmt zu diesem Problem unter 10 ausführlich Stellung.<br />

3.2. Lehrerausbildung im Studienseminar<br />

Die Ausbildung im Studienseminar schließt an die universitären<br />

Studien unmittelbar an, setzt diese jedoch nicht einfach fort. Die<br />

Besonderheit der Referendariatsausbildung ergibt sich aus der geringeren<br />

Distanz zur Praxis, der alltäglichen Unterrichtserfahrung<br />

sowie der gezielten Berufsvorbereitung. Die Ausbildung steht vor<br />

dem Problem, nicht genau zu wissen, welche vorgängigen Studienerfahrungen<br />

die Referendarinnen und Referendare mitbringen.<br />

Das bestehende Curriculum ist kein Anschluss an die universitären<br />

Studien. Die Ausbildung hat also zwei zentrale Probleme, sie muss<br />

sicherstellen, dass die universitären Studien aufgegriffen werden<br />

und also nicht verloren gehen, und sie muss ihr Ziel erreichen,<br />

nämlich für einen erfolgreichen Berufsstart sorgen. Das erste Problem<br />

stellt sich nur dann, wenn tatsächlich eine gemeinsame Aus-


Ziele und Qualifikationen 37<br />

bildungsverantwortung übernommen und also Sorge getragen<br />

wird, dass die Ausbildungselemente abgestimmt angeboten werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass entsprechende Curricula<br />

in der gesamten deutschen Lehrerausbildung nicht vorliegen.<br />

Erfahrungen mit dem Abstimmungsproblem gibt es also nicht.<br />

Das allgemeine Ziel der Ausbildung im Studienseminar ist die<br />

Berufsfähigkeit von Novizen in Lehrämtern. „Berufsfähigkeit“ bezieht<br />

sich nicht auf einen fiktiven Vorrat von Handlungsstrategien,<br />

sondern auf grundlegende Qualifikationen für die praktische und<br />

reflektorische Ausgestaltung von Lehrämtern. Gelernt werden diese<br />

Qualifikationen in der Auseinandersetzung mit konkreten Situationen<br />

und Problemen der jeweiligen Ausbildungsschulen sowie<br />

deren vertiefender Bearbeitung in den Seminarveranstaltungen des<br />

Referendariats. Die im Universitätsstudium erworbenen Kenntnisse<br />

und Fähigkeiten müssen soweit möglich einbezogen werden.<br />

Andererseits vermittelt das Studienseminar auch eigene Wissensbestände,<br />

anders wäre der Aufwand nicht zu rechtfertigen. Das<br />

Wissen ist erheblich konkreter und die Erkenntnisse der Ausbildung<br />

praktischer, als dies in einem Universitätsstudium möglich<br />

wäre.<br />

Die Lernerfahrung betrifft die konkrete Berufsrolle unter der<br />

Voraussetzung zunehmender Eigenverantwortlichkeit. Grundlegend<br />

sind nicht mehr Fälle und darauf bezogen allgemeine Reflexionen,<br />

sondern die Vermittlung von handlungsleitendem Wissen,<br />

das in Spannung steht zu den Verallgemeinerungen der Wissenschaften.<br />

Wesentlich ist die Erfahrung, dass und wie diese Spannung<br />

produktive Bearbeitung finden kann. Das Studienseminar<br />

muss praktisches Know How vermitteln, das nicht als „Ableitung“<br />

aus irgendwelchen Wissenschaften verstanden werden kann; zugleich<br />

muss sichergestellt sein, dass Forschungsbezüge ihren Wert<br />

behalten. Der Habitus forschendes Lernen ist in diesem Sinne auch<br />

für das Studienseminar grundlegend.<br />

Thematische Anschlüsse zwischen Universität und Studienseminar<br />

müssen curricular bestimmt werden, das gilt nicht nur für die erziehungswissenschaftlich-didaktischen<br />

Studien, sondern mit Nachdruck<br />

für das Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik in<br />

beiden Phasen. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier einen erheblichen


38 Ziele und Qualifikationen<br />

Handlungsbedarf. Die universitäre Lehrerausbildung verfügt im<br />

Kernbereich der wissenschaftlichen Fachausbildungen nicht über<br />

ein abgestimmtes Angebot, das Aufbau anstrebt und Anschlüsse<br />

möglich macht, und dies gilt sowohl für die interne Abstimmung<br />

der universitären Ausbildung als auch für die Übergänge zur Fachausbildung<br />

im Studienseminar.<br />

Die allgemeine Qualifikation wird ergänzt und konkretisiert<br />

durch eine Reihe von spezifischen Ausbildungsleistungen. Das<br />

Studienseminar stellt sicher, dass die Referendarinnen und Referendare<br />

nach der Ausbildung imstande sind,<br />

unter Berücksichtigung der Bezugswissenschaften und der gesetzlichen<br />

Bestimmungen Unterricht auf gehaltvolle und adressatengerechte<br />

Weise zu planen, durchzuführen und auszuwerten,<br />

im Rahmen des Erziehungsauftrages sozial verantwortliches<br />

Handeln von Schülerinnen und Schülern zu befördern und deren<br />

Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen,<br />

Unterrichtsqualität zu bewerten und die eigenen Lernprozesse<br />

unter Inanspruchnahme von Feedbackprozessen kritisch zu reflektieren,<br />

die Berufstätigkeit als fortlaufenden Prozess der Qualifizierung<br />

anzusehen,<br />

am Prozess der Schulentwicklung erfolgreich teilzunehmen,<br />

ein schulisches Lehramt nach Innen und Außen vertreten, insbesondere<br />

im Blick auf Eltern, Kollegien und der interessierten<br />

Öffentlichkeit.<br />

Diese Fähigkeiten werden in eigenen Dokumentationen nachgewiesen.<br />

Sie können bei anschließenden Bewerbungen verwendet<br />

werden. Das Prüfungswesen muss entsprechend angepasst werden<br />

(siehe Teil 9).


Ziele und Qualifikationen 39<br />

3.3. Berufseingangsphase<br />

Die Berufseingangsphase dauert in der Regel drei Jahre. Sie ist der<br />

Beginn des Handelns unter den Bedingungen der eigenverantwortlichen<br />

Berufstätigkeit. Die Ausbildung ist abgeschlossen, aber damit<br />

eröffnet sich ein Lernfeld eigener Art, das in der bisherigen<br />

Ausbildungsorganisation zu wenig oder gar nicht beachtet wurde.<br />

Wenn die Berufsbiografie ausschlaggebend ist für die erreichte<br />

oder nicht erreichte Qualität der Lehrkräfte, dann muss dem Berufseingang<br />

besondere Aufmerksamkeit zukommen. Das gilt in zweifacher<br />

Hinsicht, Sicherung der Ausbildungseffekte im Berufseingang<br />

einerseits, Nutzung der besonderen Motivation der Berufsanfänger<br />

andererseits. Der Ernstfall darf die Ausbildungseffekte nicht<br />

einfach entwerten und ablöschen, andererseits muss die Situation<br />

von Berufsanfängern auf Schulentwicklung und Weiterbildung bezogen<br />

sein. Das gilt auch deswegen, weil die Ausbildung Grundlagen<br />

der beruflichen Handlungskompetenzen legt, aber bestimmte<br />

Standards der beruflichen Realität entweder gar nicht erfasst oder<br />

nur simulieren kann. Dazu zählen etwa<br />

Teamarbeit angesichts von Konflikten,<br />

Timing von Unterricht unter hohem Stoffdruck,<br />

die Ökonomie der Kräfte angesichts sehr schnell sehr hoher<br />

Belastungen,<br />

Konfliktbewältigung bei Unwilligkeit,<br />

Öffentlichkeitsarbeit unter nicht-idealen Voraussetzungen<br />

und Ähnliches mehr. Die Standards der Ausbildung müssen auf<br />

konkrete, oft mühsam strukturierte und nicht immer erfolgreiche<br />

Situationen des Lehrens und Lernens in einem belasteten Alltag<br />

übersetzt werden. Zudem muss die nicht-lineare und konflikthafte<br />

Situation der einzelnen Schule berücksichtigt werden, die keine<br />

Simulation je erreichen könnte. Ausbildung idealisiert notwendig,<br />

die Übersetzung der Ideale in belastbare Kompetenz ist das<br />

Problem der Berufseingangsphase. Sie erhält noch dadurch zusätzliches<br />

Gewicht, dass die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer in


40 Ziele und Qualifikationen<br />

Zukunft schulgenau erfolgt. Massive Lücken zwischen Qualifikationen<br />

und Fähigkeiten auf der einen, Bedarfsprofilen und Einstellungsbedürfnissen<br />

der Schulen auf der anderen Seite werden<br />

dann nicht mehr toleriert. Die Einstellung wird von nachweisbaren<br />

Qualitäten abhängig gemacht, die reine Sortierung nach Abschlussnoten<br />

entfällt.<br />

Die Berufseingangsphase ist Teil der beruflichen Praxis und der<br />

Weiterbildung. Sie hat limitierte Zielsetzungen, die sich auf drei<br />

Qualifikationsbereiche beziehen. Grundlegend ist der Gedanke des<br />

gegenseitigen Profits. Die Novizen profitieren von der Schule, aber<br />

umgekehrt profitiert die Schule auch und mehr als bisher von den<br />

Novizen. Ihr Innovationspotenzial soll nachhaltig genutzt werden.<br />

Der „Praxisschock“, die Entwicklung zum „Einzelkämpfer“ und<br />

der Einsatz der Novizen als „Lückenfüller“ werden durch Personalführung,<br />

Teamarbeit und gezielte Fortbildung nachhaltig verhindert.<br />

Die Berufsanfänger erhalten keinen Makel, der ihre lange<br />

Ausbildung entwertet, vielmehr wird die Ausbildung mit gezielter<br />

Beauftragung genutzt. Zudem muss Gewähr bestehen, die Entwicklung<br />

und Ausgestaltung der Lehrerpersönlichkeit unter hohen<br />

Belastungen besorgen zu können.<br />

Die <strong>Kommission</strong> nimmt im Detail zu vier Bereichen Stellung:<br />

Aufbau individueller Handlungssicherheit<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Die Berufsanfängerinnen und -anfänger werden ihren Kompetenzen<br />

und Stärken entsprechend eingesetzt; wann immer möglich<br />

werden Teams gebildet.<br />

Anfängerinnen und Anfänger reflektieren ihre Praxis in verbindlichen<br />

Arbeitsgruppen innerhalb und außerhalb der eigenen<br />

Schule.<br />

Die Arbeitsgruppen halten Kontakt zu den vorgängigen Ausbildungsphasen.<br />

Probleme und Ergebnisse der Reflexion werden, soweit möglich,<br />

in die Schule zurücktransferiert.<br />

Aufnahme und Verwendung von Novizen in der Schule


Ziele und Qualifikationen 41<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Berufsanfängerinnen und -anfänger werden von Schulleitung<br />

und Kollegium als Innovatoren und Korrektiv wahrgenommen<br />

und unterstützt.<br />

Die Schulleitung übernimmt besondere Verantwortung für Berufsanfängerinnen<br />

und -anfänger. Die Begleitung umfasst Gespräche,<br />

Beratung, Beurteilung und das Erteilen von Zertifikaten.<br />

Besondere Kompetenzen der Berufsanfängerinnen und –anfänger<br />

werden in Übertragung schulischer Aufgaben und Funktionen<br />

genutzt.<br />

Berufsanfängerinnen und -anfänger profilieren sich mit spezifischen<br />

Fähigkeiten für die konkrete Schularbeit, übernehmen<br />

bestimmte Aufgaben und erhalten aufgabenbezogen Gelegenheit<br />

zur Fortbildung.<br />

Nutzen für Innovationen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Berufsanfängerinnen und -anfänger kennen die neuesten Forschungsergebnisse<br />

und arbeiten auf <strong>dieser</strong> Grundlage am fachlichen<br />

und organisatorischen Entwicklungsprozess der Schule<br />

mit.<br />

Das Kollegium profitiert vom Novizen-Wissen im Rahmen<br />

schulinterner Fortbildungen und durch den Austausch in den<br />

Fachgruppen.<br />

Besonderes Gewicht wird auf Methoden, Verfahren und Inhalte<br />

der Schulentwicklung gelegt, die zur Reflexion und Korrektur<br />

der Praxis geeignet sind.<br />

Berufsanfängerinnen und -anfänger führen innovative Projekte<br />

durch, evaluieren ihre Wirksamkeit, präsentieren die Ergebnisse<br />

der Schulöffentlichkeit und erhalten Unterstützung durch die<br />

Schulleitung.<br />

Aufbau ergänzenden Wissens<br />

Berufsanfängerinnen und -anfänger spezifizieren ihr bisher gelerntes<br />

Wissen auf die neue Situation.<br />

Sie bilden ein eigenes Wissensrepertoire heraus und entwickeln<br />

praktische Formen der Reflexion.


42 Ziele und Qualifikationen<br />

<br />

<br />

Ihre Praxis dient dazu, die Standards der Ausbildung im konkreten<br />

Berufsfeld weiterzuentwickeln,<br />

Die Ausbildung findet geeignete Formen, von <strong>dieser</strong> Erfahrung<br />

zu profitieren.<br />

Grundlegend müssen Schulleitungen darauf hinwirken, dass Novizen<br />

als willkommene Ergänzung oder Komplettierung des Lehrkörpers<br />

angesehen werden. Der notwendige Fortbildungsanteil<br />

wird vom Institut für Lehrerfortbildung (IfL) organisiert. Das Veranstaltungsangebot<br />

ist im arbeitsrechtlich zumutbaren Rahmen obligatorisch.<br />

Eine Verknüpfung mit Ausbildungsleistungen des Studienseminars<br />

ist anzustreben. Auf die Besonderheiten der Lehrämter,<br />

insbesondere die Unterschiede zwischen den allgemeinbildenden<br />

Schulen und den Berufs- und Sonderschulen ist gebührend<br />

Rücksicht zu nehmen.<br />

3.4 Fort- und Weiterbildung<br />

Die fortlaufende Personalentwicklung umfasst Angebote in der<br />

Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte in allen Schularten und<br />

Schulstufen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt auch hier, wie im Falle<br />

der Berufseingangsphase, ein Obligatorium. Organisation und<br />

Entwicklung des Angebotes obliegt dem Institut für Lehrerfortbildung.<br />

Das Angebot selbst wird als Serviceleistung für unterschiedliche<br />

Anliegen und Nachfragen verstanden. Das IfL tritt als Agentur<br />

auf und stellt abnehmerbezogen sowie nachfragegerecht Angebote<br />

bereit, gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Anbietern.<br />

Das Angebot wird wesentlich zur Schulentwicklung eingesetzt, also<br />

auf konkreten Bedarf zugeschnitten, auf aktuelle und zukunftsweisende<br />

Themen bezogen und vom Effekt her kontrolliert. Schulentwicklung<br />

wird in diesem Sinne auch als Personalentwicklung<br />

verstanden. Das Institut erfüllt dabei Regel- und Projektaufträge.<br />

Projektaufträge werden mit dem jeweiligen Auftraggeber ausgehandelt,<br />

konzipiert, durchgeführt und evaluiert.<br />

Angebote der Fort- und Weiterbildung richten sich an ausgebildete<br />

Lehrerinnen und Lehrer, die sich in bestimmten Hinsichten


Ziele und Qualifikationen 43<br />

weiterqualifizieren sollen, sowie an schulische Funktionsträger, die<br />

für neue Aufgaben qualifiziert werden. Der Fokus ist die Entwicklung<br />

der Schule und nicht einfach, in unverbindlicher Weise,<br />

die Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit. Von Personalentwicklung<br />

kann gesprochen werden, wenn die unterschiedlichen Persönlichkeiten<br />

so qualifiziert sind, dass ihre Ressourcen und Potenziale<br />

dem System Schule und so den Schülerinnen und Schülern zugute<br />

kommen. Die fortlaufende Qualitätssicherung des Personals sowie<br />

die Gewähr der schulischen Innovation ist das hauptsächliche Ziele<br />

der Fort- und Weiterbildung. Sie gewinnt nicht nur auf Grund der<br />

Prämisse des berufslangen Lernens zunehmend Gewicht. Der zielgenaue<br />

Einsatz der Mittel, die Bedarfsorientierung und die flexible<br />

Organisation mit Projekten und Teams sprechen zusätzlich dafür,<br />

das Gewicht der Fort- und Weiterbildung erheblich zu verstärken.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist ausdrücklich auf die Möglichkeit der<br />

Umverlagerung der Ressourcen von der Lehrerausbildung in die<br />

Fort- und Weiterbildung.<br />

Die Ziele der Fort- und Weiterbildung ergänzen die ersten Phasen<br />

in bestimmten Hinsichten, dienen aber vornehmlich der<br />

schnellen und praxisangemessenen Reaktion auf Probleme und<br />

Forderungen der Systementwicklung. Fort- und Weiterbildungsangebote<br />

dienen zur<br />

Vorbereitung und Qualifizierung für die Übernahme neuer pädagogischer<br />

Anforderungen in der Schule,<br />

Vorbereitung und Qualifizierung für die Übernahme fachlicher<br />

und unterrichtlicher Aufgaben,<br />

Verbesserung von Kooperation und Selbstreflexion des Lehrpersonals,<br />

Umsetzung bildungspolitischer Anliegen und Aufträge,<br />

• Beratung und Begleitung von Berufsaus- oder Berufsumstiegen.<br />

Neue pädagogische Anforderungen wie „Lernen mit neuen Medien“<br />

oder „Gewaltprävention“ lassen sich thematisch mit vorgängigen<br />

Ausbildungsleistungen verknüpfen. Ähnliches gilt für spezielle<br />

fachliche und unterrichtliche Aufgaben wie „Englisch in der<br />

Grundschule“, „fachunabhängige Methodenqualifikation“, „Teamund<br />

Organisationsentwicklung“ oder spezifische Verfahren der


44 Ziele und Qualifikationen<br />

Evaluation. Die Fort- und Weiterbildung kann sich dann auf spezifische<br />

Anfragen oder Aufträge konzentrieren und grundlegende<br />

Qualifikationen voraussetzen. Dabei können sich Fortbildungsangebote<br />

auf vorgängige Ausbildungsthemen beziehen. Für die prioritären<br />

Themen sollten im Blick auf das vorhandene Lehrpersonal<br />

spezifische Angebote entwickelt werden. Schließlich sind auch Zusatzstudiengänge<br />

denkbar, die sich karriererelevant einsetzen lassen.<br />

Das IfL bietet Lehrerinnen und Lehrer durch ein spezielles Angebot<br />

die Möglichkeit der Qualifikation in neuen Fächern, Arbeitsfeldern<br />

und -themen. Diese Qualifizierung schließt mit einem<br />

Zertifikat ab. Das Angebot richtet sich nach dem bildungspolitischen<br />

Bedarf und den Notwendigkeiten der Schulentwicklung. Die<br />

Weiterbildung für zusätzliche Fächer und Schulstufen ist bereits<br />

heute ein Leistungsanreiz. Dieses Instrument in Kooperation mit<br />

anderen Anbietern, im besonderen Maße auch der Universität,<br />

sollte gezielt entwickelt werden. Spezifische und bedarfsorientierte<br />

Weiterbildungsstudiengänge wären somit eine Möglichkeit der<br />

längerfristigen Qualifikation, die mit Berechtigungen verbunden<br />

werden sollte.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist grundsätzlich auf die Notwendigkeit,<br />

für die Fort- und Weiterbildung Anreize zu entwickeln. Die bisherige<br />

Praxis der Fortbildung geht von einem unspezifischen Bedarf<br />

an lebenslangem Lernen aus, der mit keinem Obligatorium 15 verbunden<br />

ist und keine Belohnungssysteme kennt. Die stärkere Bindung<br />

der Fort- und Weiterbildung an Probleme der Schulentwicklung<br />

eröffnet die Möglichkeit, dass Schulleitungen Ausbildungsbedarf<br />

definieren und besondere Anreize für ihr Kollegium schaffen.<br />

Je nach Art der Maßnahmen können sich damit Prämien und<br />

Aufstiegsmöglichkeiten verbinden (siehe 7.4.1.). Im Hinblick auf<br />

die Universität empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, alle lehrerbildenden<br />

Fachbereiche in die Fort- und Weiterbildung einzubeziehen. Bewährte<br />

Maßnahmen sind Fortbildungsangebote für Lehrkräfte im<br />

15<br />

Ausgenommen, dass einige Bundesländer Stundenkontingente für verpflichtende<br />

Fortbildung festschreiben. Diese Regelung ist kein System<br />

von Anreizen, sondern von Bestrafung bei Nichterfüllung.


Ziele und Qualifikationen 45<br />

Rahmen von Fachtagungen oder spezifisch für diese Gruppe angebotene<br />

Tagungen. Empfohlen wird auch die Entwicklung von Ausbildungsgängen<br />

insbesondere in den drei prioritären Themen der<br />

Lehrerbildung. Die Universität sollte ihr Mandat in der Fort- und<br />

Weiterbildung von Lehrkräften generell mit Entwicklungsarbeit<br />

verbinden. Nachdiplomstudiengänge oder postgraduale Studien<br />

wären gezielt für Belange der Lehrerbildung zu profilieren.


46 Ziele und Qualifikationen<br />

4. Kerncurricula<br />

Die Idee der Kerncurricula ist eine Reaktion auf die Kritik der Beliebigkeit<br />

der inhaltlichen Angebote in weiten Teilen der Lehrerausbildung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> teilt diese Kritik: Dort, wo kein Korrektiv<br />

durch Praxis oder durch Standards vorhanden ist, lassen sich<br />

alle möglichen Themen erzeugen, die im Umkreis der extrem weiten<br />

und vage verwendeten Konzepte von „Erziehung“ und „Bildung“<br />

ausbildungstauglich erscheinen. Schweizerische Studien<br />

zeigen 16 , dass es wohl einen thematischen Kern der Ausbildung<br />

gibt, vornehmlich dort, wo das Handwerk des Unterrichtens dargestellt<br />

und bearbeitet wird, dass aber gerade die berufsnahen Reflexionsfächer<br />

wie Schulpädagogik oder Pädagogische Psychologie<br />

eine hohe thematische Beliebigkeit aufweisen. Auch in den Fachwissenschaften<br />

werden dort, wo keine lehrerbildungsspezifischen<br />

Curricula angeboten werden, eher zufällige Ausschnitte von Fächern<br />

studiert. Die Angebote reagieren auf die Fachdiskussionen<br />

und damit verbunden auf die Fachstandards, die zumindest in den<br />

Geisteswissenschaften einen weiten Interpretationsspielraum eröffnen.<br />

Unter diesen Voraussetzungen haben Kerncurricula in der<br />

Lehrerbildung mindestens fünf Funktionen, die in den einzelnen<br />

Ausbildungsteilen unterschiedlich realisiert werden. Kerncurricula<br />

• schränken die Beliebigkeit der Themenerzeugung ein,<br />

• spezifizieren das Angebot und die Anforderungen auf die<br />

Zwecke der Lehrerbildung,<br />

• formulieren Verbindlichkeiten für Lehrende und Lernende,<br />

• erlauben Anschlüsse und Abstimmungen und<br />

• sind Steuerungsinstrumente für die Entwicklung der Ausbildung.<br />

16<br />

JURT et.al. 1994; siehe auch CRIBLEZ/HOFER 1996.


Ziele und Qualifikationen 47<br />

Die <strong>Kommission</strong> erkennt in den Kerncurricula ein zentrales Medium<br />

der Reform. Ohne Kerncurricula wären Übergänge zwischen<br />

den Ausbildungsphasen inhaltlich nicht zu bestimmen, könnte das<br />

Prüfungswesen nicht reformiert werden, wäre die Erstellung persönlicher<br />

Portfolios der Studierenden und deren Einbeziehung in<br />

die Prüfungen nicht möglich und ließen sich Abstimmungen von<br />

Aufwand und Belastung zwischen den einzelnen Studienelementen<br />

nicht erreichen.<br />

4.1. Universitäre Ausbildungsgänge<br />

Das Hauptziel einer Einführung von Kerncurricula in der ersten<br />

Phase der Lehrerausbildung besteht darin, mehr Orientierung, eine<br />

klarere Strukturierung und Verbindlichkeiten zu erreichen, die auf<br />

den Zweck des Studiums bezogen sind. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />

die Entwicklung von Kerncurricula für alle an der universitären<br />

Ausbildung beteiligten Studiengänge. Der Fach Bereich 06 Erziehungswissenschaft<br />

hat die Entwicklung und nachfolgend Einführung<br />

eines Kerncurriculums für die Lehrerbildung beschlossen. Die<br />

<strong>Kommission</strong> hat sich auf die hier gegebenen Begründungen und<br />

ersten Erfahrungen beziehen können. Die Anhörung von Vertretern<br />

der Fachwissenschaft hat neben einer allgemeinen Begrüßung des<br />

Konzepts von Kerncurricula 17 keine konkreten Resultate erbracht.<br />

Die <strong>Kommission</strong> geht aber davon aus, dass Kerncurricula in verschiedenen<br />

Wissenschaftsdisziplinen unterschiedlich entwickelt<br />

werden müssen. Dafür muss ein ausdrücklicher Entwicklungsauftrag<br />

erteilt werden.<br />

Der Auftrag betrifft die Studienstruktur in<br />

Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik,<br />

den einzelnen Unterrichtsfächern 18 ,<br />

17<br />

Anhörung Professor MÜLLER am 10. Juli 2000 (Anlage 3). Die Anhörung<br />

des Vertreters der Naturwissenschaften am 19. Mai 2000 erbrachte im<br />

Blick auf Kerncurricula kein Resultat.<br />

18<br />

In den Fächern, die ein Kerncurriculum für Hauptfachstudierende in den<br />

Diplom- bzw. Magisterstudiengängen bereits anbieten, sollte, darauf auf-


48 Ziele und Qualifikationen<br />

<br />

<br />

<br />

Grundschulpädagogik einschließlich der Didaktik des sprachlichen<br />

und mathematischen Anfangsunterrichts sowie der Lernbereiche,<br />

Berufs- und Wirtschaftspädagogik und die beruflichen Fachrichtungen,<br />

Sonderpädagogik und die sonderpädagogischen Fachrichtungen.<br />

Im Zentrum dieses Auftrages stehen folgende Überlegungen: Das<br />

Curriculum Lehrerbildung muss einen verbindlichen Kern an wissenschaftlichen<br />

Fragestellungen und Grundkenntnissen ausweisen,<br />

der es Studierenden und Lehrenden erlaubt, zwischen dem für die<br />

Vorbereitung auf die künftigen Tätigkeiten von Lehrkräften unentbehrlichen<br />

Wissen und speziellerem Wissen zu unterscheiden, das<br />

Gegenstand von individuell vorzunehmenden Schwerpunktsetzungen<br />

oder Vertiefungen sein kann. Die Funktion eines solchen<br />

Kernwissens besteht darin, eine verlässliche Grundlage an Kenntnissen<br />

zu schaffen, die als gemeinsame Basis sowohl für die individuellen<br />

Schwerpunktsetzungen im übrigen Studium als auch für<br />

die an das universitäre Studium anschließenden Phasen der<br />

Lehrerbildung dienen kann. Vertiefungen bestimmter Fragestellungen,<br />

auch im Blick auf Prüfungsanforderungen, sollten sich auf das<br />

Kerncurriculum beziehen. Anders wäre es nicht möglich, die Studienorganisation<br />

auf das ECTS-System 19 umzustellen (siehe Abschnitt<br />

9).<br />

Inhaltlich sollten Kerncurricula nicht lediglich in der Auflistung<br />

von Wissensgebieten oder Teildisziplinen bestehen, sondern möglichst<br />

konkret Fragestellungen und Problemfelder einzelner Forschungsrichtungen<br />

oder Disziplinen benennen, soweit diese zu den<br />

fachlichen und erziehungswissenschaftlich-didaktischen Anfordebauend,<br />

ein spezielles Kerncurriculum für Lehramtsstudierende entwickelt<br />

werden. Dieses Curriculum sollte in sich differenziert sein und nach verschiedenen<br />

Lehramtsstudiengängen unterscheiden können. Das Lehramt<br />

Oberstufe allgemeinbildende Schulen ist mit einem Volumen von 60 SWS,<br />

die übrigen Lehrämter der allgemeinbildenden Schulen mit einem Volumen<br />

von 40 SWS pro Unterrichtsfach zu berücksichtigen.<br />

19<br />

European Credit Transfer System (ECTS)


Ziele und Qualifikationen 49<br />

rungen der Lehrerbildung passen. Kerncurricula machen nur dann<br />

Sinn, wenn sie über einen gewissen Zeitraum stabil angeboten<br />

werden. Sie geben verlässliche Verallgemeinerungen von Fächern<br />

wieder, mit denen das Berufswissen von angehenden Lehrkräften<br />

aufgebaut wird. Das schließt die Berücksichtigung der prioritären<br />

Themen als „Querschnittsaufgaben“ mit ein (siehe Abschnitt 8).<br />

Die Gestaltung der Ausbildung in der ersten Phase gemäß dem<br />

Leitbild eines forschenden Habitus zur pädagogischen Berufstätigkeit<br />

impliziert, dass sich die Entwicklung von Kerncurricula nicht<br />

auf die Festlegung von Wissensinhalten beschränkt, sondern auch<br />

die Formen der Wissenserzeugung sowie die Formen der Wissensvermittlung<br />

einbezieht. Das ist angesichts des Spezifizierungsgrades<br />

wissenschaftlicher Erkenntnis immer nur exemplarisch möglich.<br />

Bei der Entwicklung von Kerncurricula müssen Entscheidungen<br />

getroffen werden,<br />

ob die Curricula das Grund- oder das Hauptstudium oder beide<br />

bestimmen sollen 20 ,<br />

wie Anschlüsse an die nachfolgenden Ausbildungsphasen definiert<br />

werden,<br />

wie hoch der Anteil verbindlicher Studienelemente sein soll,<br />

wie sich größere Qualifikationsarbeiten damit verbinden lassen<br />

und<br />

in welchem Verhältnis die Studienleistungen zu den Prüfungen<br />

stehen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass Kerncurricula verbindliche<br />

Standards festschreiben, die mit der Entwicklung eines individuelles<br />

Profils der künftigen Lehrkräfte verträglich sein sollten. Die<br />

damit verbundene Paradoxie, Studium zugleich als forschendes<br />

Lernen und als verpflichtende Inhaltlichkeit begreifen zu müssen,<br />

lässt sich nie ganz auflösen. Aber den Studierenden sollte so weit<br />

wie möglich Gelegenheit gegeben werden, die als verbindlich vorgeschriebenen<br />

Inhalte und Themen selbständig zu erarbeiten und in<br />

20<br />

Das Kerncurriculum Erziehungswissenschaft bezieht sich zunächst ausschließlich<br />

auf Lehrveranstaltungen im Grundstudium (Anhang 4).


50 Ziele und Qualifikationen<br />

Beziehung zu eigenen Fragestellungen zu setzen. Als Mittel dazu<br />

können, wenn möglich, Fallstudien und Fallanalysen dienen. Sie<br />

erlauben die Durcharbeitung von Theoriewissen im Blick auf konkrete<br />

Situationen unter Einbezug eigener Fragestellungen. Damit<br />

wird zugleich verhindert, den Primat der Ausbildung auf das Dual<br />

Theorie oder Praxis festzulegen. Kerncurricula schließlich müssen<br />

hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert und fortlaufend der Entwicklung<br />

des wissenschaftlichen Wissens angepasst werden.<br />

4.2. Studienseminar<br />

Die Festlegung und der didaktische Einsatz von Kerncurricula garantieren<br />

nicht schon die Anschlussfähigkeit der nachfolgenden<br />

Studien. „Anschlussfähigkeit“ kann Verschiedenes bedeuten,<br />

Fortsetzung von Themen aus der ersten Phase,<br />

Anknüpfung an eine gemeinsame Wissensbasis,<br />

Nutzung der spezifischen Qualifikationen von Studierenden für<br />

Projekte,<br />

Weiterverwendung von Reflexionsformen oder methodischen<br />

Kompetenzen,<br />

Anbindung neuer Erfahrungen an bekannte Theorien.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass gesicherte Aussagen in diesem<br />

Bereich nicht möglich sind, weil ausreichende Erfahrungen<br />

nicht vorliegen. Es wird aber nicht ein Modell „Anschlussfähigkeit“<br />

geben, sondern verschiedene Varianten, die sich nach<br />

und nach auf die gegebenen Bedingungen der Fächer und Disziplinen<br />

einstellen werden. Übergänge und Anschlüsse verknüpfen zudem<br />

nicht einfach zwei Kerncurricula, vielmehr entstehen je nach<br />

Stand der Kooperation und Abstimmung unterschiedliche Passungsverhältnisse.<br />

Ausbildungsharmonisierung sollte aber mindestens<br />

angestrebt werden zwischen<br />

Fachwissenschaft/Fachdidaktik in der ersten und den Angeboten<br />

der Fachseminare in der zweiten Phase 21 ,<br />

21<br />

Ein erstes Beispiel ist der Ausschuss zur LehrerInnenausbildung in Mathematik<br />

und Mathematikdidaktik mit Vertretern verschiedener Phasen


Ziele und Qualifikationen 51<br />

<br />

<br />

<br />

dem Kerncurriculum Erziehungswissenschaft und den Ausbildungsangeboten<br />

der Hauptseminare,<br />

den weiteren Seminar- oder Vorlesungsthemen sowie den<br />

Qualifikationsarbeiten der ersten und der zweiten Phase.<br />

Der heutige Zustand, dass die Ausbildung im Studienseminar keine<br />

dezidierte Kenntnis hat und haben muss von den vorgängigen Studienleistungen<br />

der Referendare, ist zu beseitigen zu Gunsten einer<br />

Lernorganisation, die Leistungen im einem persönlichen Portfolio<br />

nachweist. Auf dieses Portfolio kann sich die Gestaltung der Ausbildung<br />

im Studienseminar beziehen, auch lassen sich damit Klagen<br />

über Mängel konkret und themenspezifisch kommunizieren.<br />

Generell sollte dem Studienseminar daran gelegen sein, möglichst<br />

gut an die erste Phase anzuschließen, also die mitgebrachten<br />

Kenntnisse und Qualifikationen der Referendare für die Gestaltung<br />

des eigenen Kerncurriculums optimal zu nutzen.<br />

Auf Grund der Aufgabenstellung ist das Kerncurriculum des<br />

Studienseminars eng auf konkrete und grundlegende Qualifizierungen<br />

bezogen. Grundlage ist dabei die systematische Reflexion<br />

der Tätigkeiten und Aufgaben des Lehrers und der Lehrerin sowie<br />

deren fortlaufende Dokumentierung, die an das Portfolio der ersten<br />

Phase anschließt. Die sechs Grundelemente des Curriculums (siehe<br />

3.2.) werden in verschiedene Lernziele übersetzt, die sich als<br />

Kompetenzen entwickeln lassen. Demnach sollen die Referendarinnen<br />

und Referendare lernen<br />

1. für die Unterrichtsqualifikationen<br />

<br />

<br />

<br />

zwei Fächer bzw. Lernbereiche sowohl fachbezogen als<br />

auch fächerverbindend zu unterrichten,<br />

selbständig und in Kooperation mit Anderen zu lehren,<br />

dabei besonders die Voraussetzungen von Lerngruppen zu<br />

beachten.<br />

(Papier vom 27. März 2000; brieflich der <strong>Kommission</strong> mitgeteilt am 20.<br />

April 2000).


52 Ziele und Qualifikationen<br />

2. für die Erziehungsqualifikation<br />

<br />

<br />

<br />

in alltäglichen Unterrichtssituationen Erziehungsaufgaben<br />

zu bewältigen,<br />

außerschulische Lernorte pädagogisch zu nutzen,<br />

klassen- und stufenspezifische Kommunikationsnetze aufzubauen<br />

und sie für die Sozialerziehung sowie die Persönlichkeitsbildung<br />

einzusetzen.<br />

3. für die Selbstbewertung<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Lehrer- und Schüleraktivitäten zu beobachten und bewerten,<br />

Arbeitsschwerpunkte festzulegen und zu realisieren,<br />

Schülerprodukte im Verhältnis zum eigenen Lehrangebot zu<br />

analysieren,<br />

Schüler- und Lehrerevaluationen vorzunehmen,<br />

von Rückmeldungen zu lernen.<br />

4. für die Berufseinstellung<br />

<br />

<br />

<br />

den eigenen Lehrstil zu finden,<br />

die Berufstätigkeit als fortlaufende Qualifizierung zu verstehen,<br />

das forschende Lernen als Prinzip der professionellen Reflexion<br />

anzuwenden.<br />

5. für die Schulentwicklung<br />

<br />

<br />

<br />

den schulischen Einsatz neuer Medien kennen zu lernen und<br />

selbstverständlich zu nutzen,<br />

an Gremienarbeit innerhalb der Schule sich zu beteiligen,<br />

und an der Gestaltung von Schulkultur (vgl. Keuffer u. a.<br />

1998) aktiv mitzuwirken,<br />

Projekte zu übernehmen.<br />

6. für die Öffentlichkeitsarbeit<br />

<br />

<br />

<br />

ein Verständnis des Lehramtes auszubilden,<br />

die persönliche Präsentation zu entwickeln,<br />

bildungspolitische Diskurse zu kennen und dazu Stellung zu<br />

beziehen.


Ziele und Qualifikationen 53<br />

Dieses Kerncurriculum konzentriert sich auf grundlegende Qualifikationen.<br />

Die Organisation des Studienseminars muss darauf eingestellt<br />

werden. Die <strong>Kommission</strong> schlägt dafür folgende Maßnahmen<br />

vor: Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst soll, abweichend<br />

von der bisherigen Regelung, nur in einer Schulform (Schulstufe,<br />

bzw. sonderpädagogischen Fachrichtung) stattfinden 22 . Das Zweifächer-Prinzip<br />

wird im Grundsatz beibehalten, schon aus Gründen<br />

der Abstimmung zwischen den Phasen, kann jedoch in der Seminarorganisation<br />

bedarfsbezogen verändert werden. Die Seminarorganisation<br />

selbst muss den rechtlichen Vorgaben für Unterricht und<br />

Erziehung 23 genügen sowie Grundsätze der Erwachsenendidaktik<br />

beachten. Durch schrittweise Koordination der Seminarinhalte soll<br />

die Effizienz der Seminararbeit erhöht werden. Das Referendariat<br />

selbst wird in zwei Phasen unterteilt. Die Ausbildung beginnt mit<br />

einer deutlich seminarbetonten Phase, an die sich eine stark unterrichts-<br />

und schulbezogene Phase anschließt, die durch Seminararbeit<br />

begleitet wird.<br />

Die Rahmenpläne des Studienseminars müssen auf die Anforderungen<br />

des Kerncurriculums sowie die Verzahnung mit der ersten<br />

Phase eingestellt werden. Eine wesentliche Prämisse dabei ist,<br />

dass systematische Reflexion der schulischen Tätigkeit Ausbildungsbestandteil<br />

aller Seminare ist. Auf diese Weise lassen sich<br />

Anschlüsse zur ersten Phase relativ zwanglos und ohne allzu großen<br />

Aufwand herstellen, vorausgesetzt, die vorgeschlagenen Maßnahmen<br />

greifen. Zwischen den Seminaren werden zunächst Seminarinhalte<br />

zur Startkompetenz als evaluierbare Leistungsvereinbarungen<br />

abgestimmt. Ziel <strong>dieser</strong> spezifischen Seminarangebote ist<br />

es, die Handlungsfähigkeit der Referendarinnen und Referendare<br />

am Einsatzort Schule von Anfang an sicherzustellen. Dafür sind<br />

zwischen den Seminaren horizontale und vertikale Kooperationsstrukturen<br />

zu schaffen, die Vereinbarungen ermöglichen. Auch die<br />

22<br />

Das hat neben anderen auch den Vorteil, bei der Einstellung zum Schuldienst<br />

eine bedarfsgerechtere Steuerung zumindest im Blick auf Schulstufen<br />

und Schulfomen zu erreichen.<br />

23<br />

Schulgesetz, Bildungs- und Rahmenpläne.


54 Ziele und Qualifikationen<br />

Seminarausbildung hat, thematisch gesehen, ein Beliebigkeitsproblem,<br />

das sich nur durch stärkere Abstimmung bearbeiten lässt.<br />

Für den zweiten Teil des Vorbereitungsdienstes soll eine Modularisierung<br />

der Ausbildungsseminare entwickelt werden, die in<br />

Pflicht- und Wahlangebote unterschieden wird. Die entsprechenden<br />

Seminare sollen sich auf die Qualifikationsbereiche des Kerncurriculums<br />

beziehen mit der Möglichkeit, in der ersten Phase erworbene<br />

Kompetenzen einzubeziehen und spezifische Abschlüsse 24 im<br />

Rahmen der ECTS-Organisation anzuerkennen. Die jetzige lineare<br />

Organisation der Fachseminare 25 soll unter Einbeziehung von<br />

Wahlseminaren, Kursen und Lehrertrainings so verändert werden,<br />

dass die Referendarinnen und Referendare dem Programm ihrer<br />

Schule entsprechende Angebote erhalten und sich ihren Lernschwerpunkten<br />

gemäß spezialisieren können 26 . Auf diese Weise<br />

kann die Ausbildung im Studienseminar flexibler gestaltet werden,<br />

sich auf Startkompetenz und Kerncurriculum konzentrieren sowie<br />

stärker auf die Bedürfnisse ihrer Ausbildungsschulen eingehen.<br />

24<br />

Wie zertifizierte Seminarteilnahmen.<br />

25<br />

Verpflichtende Teilnahme für zwei Jahre, die gesamte Ausbildungsdauer<br />

pro Fach; ein Jahr pro sonderpädagogischer Fachrichtung.<br />

26<br />

Die Module sollen Angebote zu den „Grundsätzen für die Verwirklichung<br />

des Bildungs- und Erziehungsauftrages“ gemäß <strong>Hamburg</strong>er Schulgesetz,<br />

den Lernbereichen und den Aufgabengebieten durch (fach-) seminarübergreifende<br />

Sequenzen enthalten.


Praxisanteile 55<br />

5. Praxisanteile der<br />

Lehrerausbildung<br />

Die Lehrerbildung hat schon in der ersten Phase einen bestimmten<br />

Anteil an Praktika oder anderen Praxisanteilen. Diese Formen unterscheiden<br />

sich von Seminaren, Vorlesungen oder fachwissenschaftlichen<br />

Übungen durch eine hohe Betonung der Eigenerfahrung<br />

sowie durch spezifische Formen der Reflexion. Die zweite<br />

Phase kennt die Form des Praktikums nicht. Die Differenz erklärt<br />

sich durch die unterschiedliche Aufgabenstellung. Praktika im Studium<br />

sollen die intensive Erfahrung der eigenen Schulzeit durch<br />

Erfahrungen mit anderen Wirklichkeiten von Schule ergänzen; die<br />

Studierenden sollen erste Erfahrungen in der Lehrerrolle machen,<br />

Theoriewissen auf Praxis beziehen und den Habitus forschenden<br />

Lernens entwickeln. Erst in der zweiten Phase erfolgt die schulpraktische<br />

Ausbildung an Schulen. Sie ist verbunden mit einer<br />

ständigen Abordnung an bestimmte Ausbildungsschulen. Die eigene<br />

Unterrichtstätigkeit in den Ausbildungsschulen, begleitet durch<br />

persönliche Mentoren, soll die grundlegenden praktischen Fertigkeiten<br />

des Unterrichtens und im weiteren des Gestaltens von Lernund<br />

Erziehungssituationen vermitteln. In der Ausbildungstheorie<br />

kommt diesen Studienelementen besondere Bedeutung zu. Die<br />

vorliegenden Daten zeigen indessen, dass die erste Phase im Blick<br />

auf Fragen nach der Berufsvorbereitung allgemein eher schlecht<br />

bewertet wird, die zweite Phase dagegen eher positiv 27 .<br />

27<br />

Evaluationen des Bayerischen Philologenverbandes sowie des niedersächsischen<br />

Seminars Leer (FREISEL/SJUTS 2000) im Blick auf angehende<br />

Gymnasiallehrer sowie eine <strong>Hamburg</strong>er Studie für alle Kategorien. Die<br />

schlechte Bewertung besonders der berufsbezogenen Wissenschaftsfächer<br />

deckt sich mit Schweizer Daten.


56 Praxisantteile<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist zunächst auf die spezifischen Probleme<br />

<strong>dieser</strong> Studienerfahrungen:<br />

1) Die universitären Praktika sind nicht untereinander verbunden<br />

und ermöglichen keine kontinuierliche Erfahrung.<br />

2) Die Praktika werden zwar zumeist mit einzelnen Lehrveranstaltungen<br />

verbunden, aber nicht systematisch in das Studium<br />

eingebunden.<br />

3) Die Praktika beeinflussen nicht oder nur zufällig die Entscheide<br />

für die Berufseignung.<br />

4) Die Prüfungen beziehen sich nicht auf Praktika.<br />

5) Universitäre Praktika und schulpraktische Ausbildung in der<br />

zweiten Phase haben keinen Bezug aufeinander.<br />

6) Beide sind nicht oder nicht genügend gebunden an Ausbildungsstandards.<br />

Gemessen an diesen Defiziten ist es überraschend, dass die Praxisanteile<br />

nicht stärker in der Diskussion sind. Fragen der Eignung<br />

für den Lehrberuf lassen sich nur vor dem Hintergrund von konkreten<br />

Erfahrungen abschätzen, die noch keinen Ernstfall darstellen.<br />

Praktika bieten genau diese Erfahrung, werden aber nicht entsprechend<br />

genutzt. Ähnlich werden die Fragestellungen, die sich<br />

mit Praktika verbinden, nicht oder zu wenig in anschließenden<br />

Lehrveranstaltungen thematisiert. Die Erzeugung von Themen wäre<br />

erheblich weniger beliebig, könnte sie auf positive wie negative<br />

Problemerfahrungen der Praktika eingestellt werden. Schließlich<br />

wäre auch das Theorieangebot einsichtiger, wenn es sich an praktischen<br />

Fragestellungen bewähren würde. Das gilt natürlich nicht für<br />

jedes Thema, aber die <strong>Kommission</strong> verweist auf die ungenutzten<br />

Potenziale der Praktika und ihrer Verzahnung mit Studienerfahrungen<br />

sowie Erfahrungen im Referendariat. Insgesamt stellen die<br />

Praxisanteile ein wesentliches Element des Lehrerausbildung dar,<br />

das weiterentwickelt und effektiviert werden muss.


Praxisanteile 57<br />

5.1. Praktika im Studium<br />

Die <strong>Hamburg</strong>er Lehrerausbildung hat in der ersten Phase einige<br />

Besonderheiten, die sich im Vergleich mit anderen Ausbildungen<br />

als ausgesprochen entwicklungsgünstig bezeichnen lassen. Allerdings<br />

konzentriert sich der Vorteil auch hier wiederum auf den<br />

Fachbereiche Erziehungswissenschaft 28 . Der vom Fachbereich organisierte<br />

Ausbildungsanteil für die Lehramtsstudiengänge<br />

beginnt in der Regel mit einer dreistündigen Praxisbezogenen<br />

Einführung,<br />

dann folgen zwei vierwöchige Schulpraktika für das Lehramt<br />

Grund- und Mittelstufe sowie für das Lehramt der allgemeinbildenden<br />

Oberstufe,<br />

ein vierwöchiges Schulpraktikum für das Lehramt der berufsbildenden<br />

Oberstufe,<br />

drei Schulpraktika der sonderpädagogischen Ausbildung,<br />

sowie der Besuch von fachdidaktischen Seminaren mit Praxisbezug.<br />

Im Hauptstudium kann<br />

<br />

<br />

<br />

ein dreistündiges Seminar mit Praxisbezug besucht werden.<br />

Außerschulische Praxisbezüge werden mit dem integrierten Sozialpraktikum<br />

oder wahlweise mit dem Betriebspraktikum hergestellt.<br />

In der Grundschulpädagogik ist zusätzlich zu den Fachdidaktiken<br />

noch das Studium von zwei Lernbereichen gefordert, die<br />

mit Praxisbezug angeboten werden.<br />

Die beiden Schulpraktika für Studierende der Lehrämter für Allgemeinbildende<br />

Schulen werden in integrierter und nichtintegrierter<br />

Form angeboten. Das integrierte Schulpraktikum hat<br />

ein Vorbereitungs- und ein Nachbereitungsseminar zur Voraussetzung.<br />

Dieses Praktikum soll im Grundstudium besucht werden und<br />

ist die Bedingung dafür, für das nicht-integrierte Schulpraktikum<br />

28<br />

Selbstbeschreibung in: Theorie-Praxis-Vermittlung in der Lehrerbildung,<br />

1999.


58 Praxisantteile<br />

zugelassen zu werden, das in der Regel im Hauptstudium besucht<br />

wird. Sozial- und Betriebspraktikum werden ebenfalls in integrierter<br />

Form angeboten. Die Schulpraktika in den berufs- und<br />

sonderpädagogischen Studiengängen finden derzeit in nichtintegrierter<br />

Form statt 29 (Daten nach: Theorie-Praxis-Vermittlung<br />

in der Lehrerbildung, 1999, S. 13ff.).<br />

Dieser Aufwand an „Praxisbezug“ ist in der deutschen Lehrerausbildung<br />

ohne Vergleich (ebd., S. 20), ohne dass die Resultate<br />

befriedigend wären. Im Bericht der phasenübergreifenden Arbeitsgruppe<br />

zum Theorie-Praxis-Verhältnis der Lehrerbildung wird nur<br />

das integrierte Schulpraktikum uneingeschränkt positiv bewertet<br />

(ebd., S. 21) 30 , wobei dem hohen Aufwand Rechnung getragen ist.<br />

Eine Vergleichsuntersuchung, ob andere Ausbildungen mit deutlich<br />

geringeren Praxisanteilen ähnliche Ergebnisse erreichen, liegt<br />

nicht vor. Die Verzahnung der vielfältigen Praxisbezüge und deren<br />

Qualität ist nicht untersucht, ebenso wenig der Stellenwert für das<br />

Studium und die Effekte für die praktische Ausbildung im Studienseminar.<br />

Dennoch kann gesagt werden, dass Aufwand und Ertrag<br />

zumindest problematisch sind. Die <strong>Kommission</strong> legt deutlich eine<br />

Überprüfung des Aufwandes und eine Konzentration der Ressourcen<br />

auf die lohnenden Praxisanteile nahe. Sie hält es nicht für aussichtsreich,<br />

sechs und mehr verschiedene Typen von Lehrveranstaltungen<br />

anzubieten, die auch noch je für sich weiterentwickelt<br />

werden sollen (ebd., S. 20). Der Zeitaufwand muss so gestaltet<br />

29<br />

Der Aufbau eines integrierten Schulpraktikums für das Lehramt Oberstufe<br />

Berufliche Schulen ist vorgesehen (Vortrag Prof. TRAMM vor der <strong>Kommission</strong><br />

am 17. April 2000).<br />

30<br />

Über die aufwendige Praxisbezogene Einführung heißt es, sie nehme eine<br />

„unklare Stellung“ ein „zwischen meisterlehrehafter Einführung und überfordernder<br />

Verfremdung“. Das zweite, nicht-integrierte Schulpraktkum erfährt<br />

die Bewertung, das „unklar“ sei, „ob die Nicht-Integration des Praktikums<br />

im Hauptstudium gut oder schlecht für die Vermittlung von Praxiswissen<br />

sei“. Das Seminar mit Praxisbezug sei „derzeit sehr unterschiedlich<br />

in der Ausgestaltung“ und sei deshalb „als Lehrveranstaltungs-<br />

Typ schlecht bewertbar“. Beim integrierten Sozialpraktikum, schließlich,<br />

gelinge die „Integration in die Theorie-Praxis-Vermittlung in erziehungswissenschaftlicher<br />

Sicht“ nicht (Theorie-Praxis-Vermittlung in der<br />

Lehrerbildung, 1999, S. 21; siehe auch Evaluation 1999).


Praxisanteile 59<br />

werden, dass Praxisbezüge in einem angemessenen Verhältnis zum<br />

wissenschaftlichen Studium stehen. Zu diesem Zweck müssen die<br />

Ziele und Funktionen der Praktika klar definiert sein und deutlich<br />

beschränkt werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> unterscheidet Lehrangebote, die einen Praxisbezug<br />

ohne aktive Beteiligung von Beschäftigten der zweiten und<br />

dritten Phase verwirklichen von Lehrangeboten mit einer solchen<br />

Beteiligung. Sie bezieht die folgenden <strong>Empfehlungen</strong> ausschließlich<br />

auf Lehrangebote, die eine phasenübergreifende Kooperation<br />

einschließen. Auch hier müssen Ziele und Funktionen klar definiert<br />

sein und deutlich beschränkt werden. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt,<br />

eines der beiden zurzeit verpflichtenden Schulpraktika zu<br />

einem Halbjahrespraktikum zu entwickeln, in dessen Verlauf die<br />

Studierenden regelmäßig an einem Tag der Woche Aufgaben an<br />

der Praktikumsschule wahrnehmen. Weiter empfiehlt die <strong>Kommission</strong>,<br />

in allen Lehramtsstudiengängen integrierte Schulpraktika im<br />

Grundstudium einzurichten. Sie sind einerseits auf das Kerncurriculum<br />

Erziehungswissenschaft, andererseits in Abstimmung mit<br />

dem IfL auf ein Programm der Mentorenqualifizierung zu beziehen.<br />

Das integrierte Praktikum soll eine Beratung mit den Studierenden<br />

hinsichtlich ihrer Berufseignung einschließen (siehe<br />

Teil 11).<br />

Der Fachbereich Erziehungswissenschaft verfügt mit seinen<br />

sechs überwiegend forschungs- und lehrbezogenen Arbeitsstellen<br />

über ein bisher nicht hinreichend ausgeschöpftes Potenzial zur<br />

Verbesserung des Theorie-Praxis-Verhältnisses in der Lehre. Um<br />

den Habitus forschendes Lernen zu fördern, empfiehlt die <strong>Kommission</strong>,<br />

die Zielsetzungen im Bereich Handlungsqualifikation und<br />

individuelles Lehrerprofil (gemäß Teil 3.1.) stärker an die Entwicklung<br />

der Praxisanteile zu binden und bestehende Forschungskooperationen<br />

mit Schulen systematisch in der Form von Integrierten<br />

Forschungspraktika in die Lehre einzubeziehen. Forschungspraktika<br />

sollten gemeinsam von Lehrenden der Universität,<br />

des Studienseminars oder des IfL veranstaltet werden. Insbesondere<br />

Forschungspraktika ließen sich zur Generierung anschließender<br />

Studienthemen verwenden und mit Qualifikationsarbeiten verbinden.<br />

Dabei dürfen allerdings nicht nur Erfahrung und Reflexion, es


60 Praxisantteile<br />

müssen auch Standards vermittelt werden, die sich auf Gesamtanforderungen<br />

des Studiums beziehen lassen und die in der einen<br />

oder anderen Form prüfungsrelevant sind. Sonst erzielt man bei<br />

allem Aufwand immer nur zufällige Resultate.<br />

Die Praktika konzentrieren sich nahezu ausschließlich auf den<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaft. Das bedeutet, die anderen an<br />

der Ausbildung beteiligten Fächer überlassen den Praxisbezug allein<br />

der Erziehungswissenschaft, den Fachdidaktiken, der Berufspädagogik<br />

sowie der Sonderpädagogik. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt,<br />

diese Zuordnung zu überdenken. Wenn lehrerbildungsspezifische<br />

Kerncurricula in den fachwissenschaftlichen Studiengängen<br />

entwickelt werden sollen, dann sollten sie mit Praxisanteilen verknüpft<br />

sein. Als ein erster Schritt auf diesem Weg sollten Kooperationen<br />

zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Fachdidaktik<br />

und der Fächer in gemeinsamen Forschungsprojekten sowie die<br />

Beteiligung von Vertretern und Vertreterinnen der Fächer an Forschungspraktika<br />

ausgebaut werden. Die Ressourcen müssen entsprechend<br />

eingesetzt werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt - in Übereinstimmung mit dem<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaft - nicht die Einführung eines<br />

Praxissemesters. Die vorhandenen Ressourcen für Praxisbezüge<br />

des Studiums sind ausreichend, müssen aber effektiver eingesetzt<br />

werden. Die Einführung eines Praxissemesters für alle Lehramtsstudiengänge<br />

hätte einen vermehrten Organisationsaufwand zur<br />

Folge, würde Mehrkosten bedingen und wäre zugleich im Effekt<br />

unsicher. Überdies würde sich angesichts der Verteilungsprobleme<br />

die Studienzeit verlängern. Statt dessen empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />

das Halbjahrespraktikum.<br />

5.2. Praxis im Studienseminar<br />

Die schulpraktische Ausbildung oder der Ausbildungsunterricht<br />

bildet ein Hauptelement des Referendariats. Dieses Element ist<br />

nicht an vorgängige Studienleistungen angeschlossen. Trotz des<br />

hohen zeitlichen Aufwandes für Praktika fehlt eine Ertragssicherung<br />

für die schulpraktische Ausbildung. Sie schließt mehr oder


Praxisanteile 61<br />

weniger zufällig an die praktischen Erfahrungen des Studiums an.<br />

Es gibt keinen beiderseitigen Nutzen, weil weder gemeinsame<br />

Ziele verfolgt noch gemeinsame Standards zu Grunde gelegt sind.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass die Zielsetzungen des<br />

Fachbereichs Erziehungswissenschaft in den Sektoren Handlungsqualifikationen,<br />

individuelles Lehrerprofil sowie Kerncurricula<br />

sich gut mit dem Kerncurriculum des Studienseminars verbinden<br />

lassen. Die wissenschaftliche Reflexion der Praxis kann mit der<br />

grundlegenden Qualifikation verzahnt werden, ohne Wiederholungen<br />

oder Lücken in Kauf zu nehmen. Die inhaltliche und organisatorische<br />

Gestaltung der Ausbildung im Studienseminar ermöglicht<br />

es den Lehramtsanwärtern, das eigene fachliche Profil weiterzuentwickeln<br />

und auf das Schulprogramm ihrer Ausbildungsschule<br />

zu beziehen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes<br />

auf 18 Monate. Sie empfiehlt eine rechtliche Klärung vorzunehmen<br />

und die Anerkennung der Abschlüsse durch andere<br />

Bundesländer sicherzustellen. Die <strong>Kommission</strong> hält es bei einer<br />

Verkürzung des Vorbereitungsdienstes für unerlässlich, durch entsprechende<br />

Regelungen für Schule und Studienseminar sicher zu<br />

stellen,<br />

dass die Referendarinnen und Referendare angemessene Erfahrungsräume,<br />

Zeit und qualifizierte Anleitung durch Mentoren<br />

und Seminarleiter erhalten,<br />

dass sowohl beim angeleiteten wie auch beim selbständigen<br />

Ausbildungsunterricht das Ausbildungsinteresse Vorrang hat<br />

vor dem schulorganisatorischen Interesse,<br />

dass die Ausbildungsorganisation und das Prüfungswesen praxisnah<br />

gestaltet werden, Beratung und Beurteilung so weit wie<br />

möglich getrennt und die Prüfungsteile von ausbildungshinderlichem<br />

Druck weitgehend entlastet werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> hält eine Verkürzung im Rahmen einer KMK-<br />

Vereinbarung zur Lehrerbildung für umsetzbar, da die vorhandenen<br />

Ressourcen für Praxisbezüge in den derzeitigen Studiengängen an<br />

der Universität den Gesamtzeitraum eines Semesters erreichen. Sie<br />

empfiehlt deshalb die Gestaltung und Betreuung der Praxisanteile


62 Praxisantteile<br />

im Volumen eines Halbjahrespraktikums (vgl. Abschnitt 5.1). Darüber<br />

hinaus wird die Ausbildung der Referendare im Studienseminar<br />

entlastet<br />

durch die Verzahnung der Kerncurricula der ersten und zweiten<br />

Phase,<br />

durch die Konzentration des Kerncurriculums im Vorbereitungsdienst<br />

durch grundlegende Qualifikationen und den Verzicht auf obligatorischen<br />

Schulform/-stufenwechsel sowie<br />

durch die Unterstützung und den Erwerb weiterer Qualifikationen<br />

in der Berufseingangsphase.<br />

Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst wird in ihrer Effektivität<br />

erhöht durch eine praxisnähere Gestaltung.<br />

1) Der Schwerpunkt liegt zu Beginn bei den Ausbildungsseminaren,<br />

im zweiten Teil beim Ausbildungsunterricht.<br />

2) Das Curriculum und die Seminarorganisation sollen bedarfsgerecht<br />

angepasst, horizontale und vertikale Seminarkoordination<br />

verstärkt und die systematische Reflexion der schulischen<br />

Tätigkeit Ausbildungsbestandteil aller Seminare werden.<br />

3) Es werden Anschlüsse zu den Praxisanteilen der 1. Phase hergestellt.<br />

Beispiel für eine Stundentafel im Vorbereitungsdienst<br />

(Blockungen sind möglich):<br />

1. Sem 2. Sem 3. Sem<br />

Ausbildungsunterricht 8 LWS 12 LWS 16 LWS<br />

(Schule)<br />

Ausbildungsseminare 16 LWS 12 LWS 8 LWS<br />

(Studienseminar)<br />

Σ 24 LWS 24 LWS 24 LWS<br />

Die <strong>Kommission</strong> begrüßt die frühe Konfrontation der Referendarinnen<br />

und Referendare mit eigenverantwortlicher Praxis. Sie misst<br />

dem selbständigen Unterricht von Referendarinnen und Referenda-


Praxisanteile 63<br />

ren große Bedeutung zu. „Selbständig“ meint in diesem Zusammenhang<br />

die eigenverantwortliche und über einen bestimmten<br />

Zeitraum kontinuierliche Erteilung von lehrplanbezogenem Unterricht.<br />

Es ist ein Handeln unter Ernstfallbedingungen, das für die<br />

Ausbildung genutzt werden kann und muss. Diese Eigenständigkeit<br />

kommt dem Bedürfnis der Referendare und Referendarinnen<br />

entgegen, die ihre Erfahrung mit selbständigem Unterricht in die<br />

Ausbildung einbringen können. Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf,<br />

dass die Bezeichnung „bedarfsdeckender Unterricht“ damit nicht<br />

gleichgesetzt werden kann. „Bedarfsdeckung“ ist aus Sicht der<br />

Ausbildung nicht das Ziel der Ausbildung, sondern eine Verrechungsgröße,<br />

die eine schulorganisatorische Folge des unterrichtlichen<br />

Einsatzes der Referendare darstellt.<br />

Vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Kürzung des Referendariats<br />

empfiehlt die <strong>Kommission</strong>, den Umfang des selbständigen<br />

Unterrichts neu zu bedenken und seine Einbettung in das<br />

Lernprogramm des Studienseminars auf der einen, die Unterrichtsplanung<br />

der Schulen auf der anderen Seite auf das Ausbildungsziel<br />

auszurichten. Angesichts der Ansprüche an den Einsatz der Referendarinnen<br />

und Referendare sowie des sich abzeichnenden Lehrermangels<br />

regt die <strong>Kommission</strong> ferner eine Initiative auf Bundesebene<br />

an, die Anwärterbezüge in einer Weise anzuheben, die der<br />

Lebenssituation künftiger Lehrerinnen und Lehrer gerecht wird.<br />

Ohne diesen Anreiz werden sich die hohen Erwartungen an selbständigen<br />

Unterricht nicht erfüllen lassen. Im Übrigen übernehmen<br />

die Referendare an <strong>dieser</strong> Stelle Aufgaben der amtierenden Lehrkräfte<br />

und sollten dafür angemessen und im Umfang ihrer Tätigkeit<br />

entsprechend bezahlt werden.


64 Neugestaltung<br />

6. Neugestaltung von<br />

Berufseingangsphase und<br />

Personalentwicklung<br />

Unter der Voraussetzung von berufsbiografischen Forschungen<br />

sowie der Perspektive berufslanger Qualifikationsprozesse kommen<br />

der Berufseingangsphase sowie der fortlaufenden Personalentwicklung<br />

besondere Bedeutung zu. Die <strong>Kommission</strong> wiederholt<br />

nochmals ihre Empfehlung, diesen beiden Phasen verstärkte Aufmerksamkeit<br />

zukommen zu lassen und erhöhtes Gewicht zu verleihen.<br />

Das ist nur möglich, wenn besondere Maßnahmen ergriffen<br />

werden. Die <strong>Kommission</strong> verweist auf folgende Notwendigkeiten:<br />

1) die wirksame Ausgestaltung der Berufseingangsphase,<br />

2) die Festsetzung eines Obligatoriums für die Fort- und Weiterbildung<br />

31 ,<br />

3) die enge Verzahnung von Schul- und Personalentwicklung,<br />

4) die Einrichtung von weiteren Agenturen im Rahmen der Entwicklung<br />

des Instituts für Lehrerfortbildung,<br />

5) die Konzentration der Maßnahmen auf den Bedarf der Einzelschule<br />

und<br />

6) die wirksame Überprüfung der Effekte im Sinne fortlaufender<br />

Evaluationsprozesse.<br />

Die Stärkung von unmittelbar berufs- und schulbezogenen Qualifikationen<br />

verlangt einen erhöhten Mittelaufwand, der nur zum Teil<br />

durch Ressourcenverlagerung gedeckt werden kann. Die <strong>Kommission</strong><br />

verweist ausdrücklich darauf, dass die Stärkung der fortlau-<br />

31<br />

Ausgenommen sind Maßnahmen der Weiterbildung, die für zusätzliche<br />

Fächer oder Schulstufen qualifizieren. Sie unterliegen dem bildungspolitischen<br />

Bedarf.


Neugestaltung 65<br />

fenden Qualifizierung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Andernfalls<br />

entstehen halbherzige Versuche, die ihren Zweck nicht erfüllen<br />

werden. Die Ausgestaltung der Berufseingangsphase sowie die<br />

fortlaufende Personalentwicklung ist ein Kernstück der Reform,<br />

die sich einzig mit Konzentration auf die ersten beiden Phasen der<br />

Lehrerausbildung nicht durchführen lässt.<br />

6.1. Berufseingangsphase<br />

Der Abschlussbericht „Perspektiven der Lehrerbildung in<br />

Deutschland“ der KMK-<strong>Kommission</strong> bezeichnet die Berufseingangsphase<br />

von Lehrerinnen und Lehrern als „die entscheidende<br />

Phase in der beruflichen Sozialisation und Kompetenzentwicklung<br />

von Lehrkräften“ (TERHART 2000, S. 128). Die <strong>Kommission</strong> teilt<br />

diese Auffassung im Blick auf die Herausbildung von „beruflicher<br />

Expertise“ (ebd., S. 127), ohne damit eine Abwertung der ersten<br />

beiden Phasen der Lehrerausbildung zu verbinden. Die Besonderheit<br />

der Berufseingangsphase (siehe 3.3.) ergibt sich aus der ungeteilten<br />

Berufsbelastung, den damit verbundenen besonderen Anstrengungen<br />

sowie dem Nutzen der innovativen Potenziale von Berufsanfängerinnen<br />

und –anfängern durch die anstellende Schule.<br />

Die ersten drei bis fünf Jahre der Berufstätigkeit von Lehrerinnen<br />

und Lehrern nach Abschluss des Referendariats werden dadurch<br />

besonders klassifiziert und als eigenständiges Anliegen der<br />

Lehrerbildung herausgehoben. Ein gelingender Berufseinstieg erfordere<br />

„ein höheres Maß schulnaher, kompetenzbezogener und<br />

kollegial-kooperativer Begleitung“ (ebd., S. 128), die der KMK-<br />

Abschlussbericht wie folgt skizziert. Notwendig seien<br />

selbstorganisierte Arbeits- und Gesprächskreise für Berufsan-<br />

<br />

fänger,<br />

spezifische Fortbildungsverpflichtungen für Berufsneulinge<br />

und<br />

Instrumente innerschulischer Personalentwicklung (ebd.,<br />

S. 129/130).


66 Neugestaltung<br />

Die <strong>Kommission</strong> hat in den Zielsetzungen für die Berufseingangsphase<br />

darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine verlängerte<br />

Ausbildungs- oder gar eine dritte Prüfungsphase handeln kann. Die<br />

Berufseingangsphase ist Teil der eigenverantwortlichen Praxis und<br />

unterliegt besonderen Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung.<br />

Die Zielsetzungen betonen in diesem Zusammenhang die besondere<br />

Verantwortung der Schulleitungen. Die Berufseingangsphase<br />

muss so gestaltet werden, dass die Innovationskraft der jungen<br />

Lehrerinnen und Lehrer gefördert und genutzt wird. Berufsanfänger<br />

haben neben besonderen Problemen auch besondere Kompetenzen,<br />

die von den Schulen in geeigneter Weise wahrgenommen<br />

werden müssen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt für die Begleitung und Auswertung der<br />

ersten Berufsjahre besondere Maßnahmen:<br />

Das Institut für Lehrerfortbildung wird beauftragt, ein auf die<br />

besonderen Bedürfnisse von Berufsanfängern zugeschnittenes<br />

Lernangebot („Traineeangebot“) zu entwickeln, bereit zu stellen<br />

und langfristig zu garantieren sowie das Verhältnis von Kosten<br />

und Nutzen zu evaluieren.<br />

Diese institutionell abgesicherte Traineeagentur ist als eigenes<br />

Projekt und fortlaufendes Angebot im Rahmen des IfL institutionell<br />

abgesichert. Die Agentur erhält mit einem besonderen<br />

Leistungsauftrag eigene Befugnisse.<br />

Auftrag und Befugnisse ermöglichen es der Agentur, mit Anbietern<br />

aus Universität, Studienseminar, IfL sowie Schulleitungen<br />

und Amt für Schule Leistungsvereinbarungen im Sinne eines<br />

passgenauen Angebots abzuschließen.<br />

Für Berufsanfänger werden Zeitressourcen zu Verfügung gestellt,<br />

die es ihnen erlauben, notwendige Routinen des Unterrichtens<br />

mit innovativen Vorhaben am Schulort zu verbinden,<br />

erfolgreiche Projekte, Methoden und Verfahren weiterzugeben<br />

(„lehrendes Lernen“), eigene berufsbiografisch bedeutsame<br />

Kompetenzen zu stützen, zu stärken und für den Schulort sinnvolle<br />

Zusatzqualifikationen zu erwerben. Der Zeitkorridor<br />

sollte sich an den Kategorien und der Systematik des Lehrerarbeitszeit-Modells<br />

(UFAS) orientieren.


Neugestaltung 67<br />

Die Traineeagentur begleitet und unterstützt die Berufstätigkeit<br />

von Lehrerinnen und Lehrern während der Berufseingangsphase in<br />

den folgenden fünf Sektoren:<br />

1) Stützsysteme für Berufsanfänger<br />

2) Fortbildung für Berufsanfänger<br />

3) Personalentwicklung der Berufsanfänger<br />

4) Lehrendes Lernen in Prozessen der Schulentwicklung für Berufsanfänger<br />

5) Lehrendes Lernen durch Partizipation von Berufsanfängern in<br />

der Lehrerausbildung<br />

Stützsysteme für Berufsanfänger<br />

Die Einarbeitung an einem neuen Schulort mit Tätigkeiten, die<br />

weit über den Umfang der Arbeiten im Referendariat hinausreichen,<br />

ohne dass bereits auf – auch – entlastende Routinen zurückgegriffen<br />

werden könnte, können Berufsanfänger erheblich belasten<br />

und Motivation verringern. Die zu entwickelnden Stützsysteme<br />

stellen einen Beitrag dazu dar, den Übergang von der Ausbildung<br />

in den Beruf abzufedern und - wann immer möglich - durch<br />

Kooperation mit anderen Berufsanfängerinnen und -anfängern<br />

Handlungsstrategien aufzubauen, die der Entlastung dienen und<br />

gleichzeitig motivationsstärkend wirken. Die Angebote der Traineeagentur<br />

sollten zusammen mit den Berufsanfängern entwickelt<br />

und mit Moderationsunterstützung strukturell und inhaltlich weitgehend<br />

von den Berufsneulingen selbst gestaltet werden.<br />

Kosten entstehen durch die Agenturplanung und die Bereitstellung<br />

von Moderatoren und im Bedarfsfalle auch von anderen<br />

Lehrkräften.<br />

Fortbildung für Berufsanfänger<br />

Der Berufseinstieg ist für die Bereitschaft zu „lebenslangem Lernen“<br />

von zentraler Bedeutung. Die Berufsanfänger müssen Fortbildung<br />

von Beginn an als Chance für die praktische Bewältigung<br />

des Berufsalltags und als Anregung zur Erweiterung ihrer eigenen<br />

Lehr- und Lernkompetenzen erfahren. Es ist also nicht paradox,<br />

sondern notwendig, nach Beendigung der Lehrerausbildung und


68 Neugestaltung<br />

parallel zur Ernstfallerfahrung Maßnahmen der Fortbildung in Anspruch<br />

zu nehmen. Während die Stützsysteme überwiegend frei<br />

gewählt werden können – nicht jeder Anfänger benötigt sie in größerem<br />

Umfang –, gehört die Fortbildung zu den obligatorischen<br />

Aufgaben. Werden sowohl Teilnahme wie besondere Leistungen in<br />

der Fortbildung zertifiziert, so kann der Berufsanfänger bei seinem<br />

ersten Schulwechsel (siehe 7.5) einen qualifizierten Nachweis seiner<br />

beruflichen Entwicklung der ersten Berufsjahre vorlegen, die<br />

den Ausbau seiner Berufskompetenzen widerspiegeln und einen<br />

passgenauen (sog. „schulscharfen“) Schulwechsel möglich machen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die Anlage eines besonderen<br />

Portfolio in Fortsetzung der Nachweise der Lehrerausbildung.<br />

Kosten entstehen durch dieses Angebot nur durch den erweiterten<br />

Rahmen der bisherigen Lehrerfortbildung, die ihr Angebot –<br />

über die Traineeagentur – für Berufsanfänger spezifizieren muss.<br />

Weiterbildungsmaßnahmen werden im Rahmen bisheriger Ausbildungsfinanzierungen<br />

der BSJB möglich.<br />

Personalentwicklung für Berufsanfänger<br />

Die Ersteinstellung des Berufsanfängers gehört zu den wichtigsten<br />

Etappen der Berufsbiografie. Sie muss regelmäßig zu einem fest<br />

terminierten Zeitpunkt im Schuljahresablauf erfolgen, um sowohl<br />

den Berufsanfängern wie den aufnehmenden Schulen Planungssicherheit<br />

zu geben. Mindestens sechs Wochen vor Schuljahresende<br />

müssen Bewerbungs- und Auswahlverfahren abgeschlossen sein,<br />

sodass der Berufsneuling und die Schulleitung der aufnehmenden<br />

Schule Aufgabenverteilung und Einsatzplanung nach den Interessen<br />

und Fähigkeiten des Anfängers und den Bedarfslagen der<br />

Schule miteinander besprechen und austarieren können. Bei der<br />

Einstellung in den Schuldienst ist darauf zu achten, dass nach<br />

Möglichkeit wenigstens zwei Berufsanfänger am gleichen<br />

Schulstandort mit ihrer Berufstätigkeit beginnen können. Ein solches<br />

Tandem erleichtert Teambildung unter Anfängern und schärft<br />

den Blick für die Besonderheiten des Unterrichtens und Erziehens<br />

vor Ort.


Neugestaltung 69<br />

Schulleitung, Abteilungsleiter/innen und Koordinator/innen begleiten<br />

durch Gespräche, Hilfen bei der Integration in kollegiale<br />

Teams und durch Hospitationen den Berufseinstieg in der jeweiligen<br />

Schule. Nach dem ersten Berufshalbjahr gehört die Beratung<br />

des Berufsanfängers für Tätigkeiten, die seine Kompetenzen in und<br />

für die Schule über die Unterrichtstätigkeit hinaus nutzen und erweitern,<br />

zu den Aufgaben der Schulleitung. Regelmäßige Beurteilungsberichte<br />

sind obligatorisch und müssen nach einem vergleichbaren<br />

Standard verfasst werden, der Aussagen über Einsatz,<br />

Fähigkeiten, Schwerpunkte und berufliche Entwicklungen zulässt.<br />

Für die Ausgestaltung und einheitliche Verwendung <strong>dieser</strong> Standards<br />

ist ein Entwicklungsauftrag zu vergeben.<br />

Besondere Bedeutung erhält in diesem Zusammenhang der Beurteilungsbericht<br />

am Ende der Berufseingangphase, da er mit als<br />

Grundlage für die Planung des Schulwechsels verwendet werden<br />

sollte. Die Beurteilungsberichte müssen mit dem Berufsanfänger<br />

besprochen werden, da sie ihm aus der Sicht der Schulleitung seine<br />

berufliche Entwicklung in Stärken und Schwächen widerspiegeln.<br />

Ob diese Beurteilungsberichte auf Wunsch der jeweiligen Lehrkräfte<br />

in das eigene Portfolio aufgenommen werden, bedarf einer<br />

rechtlichen Abklärung. Falls dies nicht möglich ist, muss über eine<br />

Alternative nachgedacht werden, wie die Leistungen des Berufsanfängers<br />

aus seinem ersten Schulstandort in seinem Portfolio dokumentiert<br />

werden können. Besonders leistungsfähige Berufsanfänger<br />

sollten durch die Schulleitungen ihres ersten Schulstandortes<br />

bereits in ihren ersten Berufsjahren zur Übernahme wichtiger<br />

schulischer Funktionen animiert und für die Ausbildung zu Führungsfunktionen<br />

vorgeschlagen werden.<br />

Lehrendes Lernen 32<br />

Begriff des „Lehrenden Lernens“ wird darauf verwiesen, dass viele<br />

Berufsanfänger erhebliche Innovationsfreude, Organisationstalent<br />

und Fachkompetenzen in die Schulen einbringen, die, wenn sie<br />

nicht gezielt genutzt werden, auch verkümmern können. In Berei-<br />

32<br />

Die beiden Bereiche Schulentwicklung und Partizipation werden zusammen<br />

behandelt.


70 Neugestaltung<br />

chen, die ihre Stärken ausmachen, müssen daher Berufsanfänger<br />

besonders gefordert werden. Mit ihren Fähigkeiten, die sie aus<br />

Universität und Referendariat mitbringen, können sie zum Motor<br />

für innovative Schulprojekte werden, von denen erfahrene Lehrkräfte<br />

ebenso wie andere Berufsanfänger, Referendare oder studentische<br />

Praktikanten profitieren. Die frühzeitige und institutionell<br />

abgesicherte Einbindung von leistungsstärkeren Berufsanfängern<br />

auch über die Schule hinaus in geeignete Aufgaben der Lehrerausbildung<br />

und der Lehrerfortbildung ist Aufgabe der Traineeagentur<br />

in Zusammenarbeit mit den Schulleitungen. Dadurch wird<br />

gleichzeitig eine konkrete und aufgabenbezogene Vernetzung zwischen<br />

den Institutionen der Lehrerbildung erreicht, die Auswirkungen<br />

auf die vierte Phase der Lehrerbiografie hat und den personenbezogenen<br />

Austausch zwischen den Institutionen der Lehrerbildung<br />

stärkt. Zwischen Schulbehörde und Wissenschaftsbehörde ist<br />

ein Modell für die befristete Abordnung von Berufsanfängern an<br />

die Universität noch auszuhandeln.<br />

Für die Tätigkeiten im Bereich des Lehrenden Lernens müssen die<br />

Berufsanfänger – entsprechend dem Zeitaufwand ihrer Tätigkeit –<br />

ein finanzielles oder zeitliches Äquivalent erhalten. Gerade für Berufsanfänger<br />

ist das Zeitäquivalent bedeutsam, sodass in diesem<br />

Bereich ein nicht kostenneutraler Zeitkorridor speziell für sie geschaffen<br />

werden muss. Die Grundlage hierfür liefert das Lehrerarbeitszeitmodell<br />

mit den darin enthaltenen Anrechnungsfaktoren,<br />

die auf die besondere Situation von Berufsanfängern zu beziehen<br />

sind. Beispiele für Angebote in den fünf Traineebereichen für Berufsanfängerinnen<br />

und -anfänger finden sich im Anhang 7.<br />

6.2. Fort- und Weiterbildung<br />

Schulen benötigen zur Verwirklichung ihrer langfristigen Zielvorstellungen<br />

ein strategisches Konzept sowie ausreichende Instrumente<br />

der Personalentwicklung. Notwendig dafür ist eine abgeklärte<br />

und gesicherte Rechtsgrundlage, eine verlässliche Zeit- und<br />

Organisationsschiene sowie hinreichende Ressourcen. Die Personalentwicklung<br />

der einzelnen Schulen ist kein beiläufiges Problem,


Neugestaltung 71<br />

sondern bedarf besonderer Anstrengungen, die zum Teil die Veränderung<br />

der Schulorganisation mit sich bringen. Die Aufgabe ist<br />

neu, versteht man darunter nicht lediglich den mehr oder weniger<br />

unverbindlichen Besuch von Fortbildungskursen oder die individuelle<br />

Inanspruchnahme von Maßnahmen zur Weiterbildung, sondern<br />

den im Zielkatalog der <strong>Kommission</strong> besonders herausgestrichenen<br />

Zusammenhang von Schul- und Personalentwicklung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist zunächst auf die notwendigen Prämissen<br />

ihrer Vorschläge, ohne deren Beachtung eine Umsetzung<br />

nicht möglich sein wird.<br />

1) Die Personalentwicklung orientiert sich am Gutachten der<br />

Lehrerarbeitszeitkommission (Bericht der Lehrerarbeitszeitkommission<br />

1999).<br />

2) Das Mobilitätskonzept für neu eingestellte Lehrerinnen und<br />

Lehrer (Schulwechsel als Regel nach 7-10 Jahren, nach Möglichkeit<br />

auch früher) wird konsequent umgesetzt.<br />

3) Die Neubesetzung von frei werdenden Lehrerstellen erfolgt<br />

nach Ausschreibung durch die Schulen selbst (schulgenaue<br />

Stellenbesetzung bei zeitlich rechtzeitiger Stellenfreigabe).<br />

4) Für die Übernahme von befristeten Funktionen werden besondere<br />

Anreize geschaffen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> schlägt acht verschiedene Maßnahmen und Strategien<br />

zur Personalentwicklung vor. Diese Vorschläge sind zu verstehen<br />

als grundsätzliche Alternative zur Praxis der ungezielten<br />

und nicht verpflichtenden Lehrerfortbildung. Ein Obligatorium<br />

macht einzig unter diesen Voraussetzungen Sinn.<br />

1) Jede Schule wird verpflichtet, ein Rahmenkonzept ihrer Personalentwicklung<br />

zu erstellen. Dieses Konzept enthält unter<br />

Bezug auf das Schulprogramm schulinterne Stellenbeschreibungen<br />

mit Anforderungsprofilen und Aufgabenkatalogen. Die<br />

Umsetzung des Rahmenkonzepts erfolgt im Rahmen des neuen<br />

Arbeitszeitmodells, des Mobilitätskonzepts und der schulgenauen<br />

Stellenbesetzung. Die Verantwortlichkeit liegt bei der<br />

Schulleitung. Konzeptentwicklung und Umsetzung werden<br />

zunächst an Pilotschulen mit wissenschaftlicher Begleitung in


72 Neugestaltung<br />

drei aufeinander folgenden Schuljahren erprobt und evaluiert.<br />

Danach erfolgt eine Generalisierung nach Maßgabe der Ergebnisse.<br />

2) Die Schulen erarbeiten Grundsätze für die Auswahl und Teilnahme<br />

an Fort- und Weiterbildung, die der längerfristigen<br />

Schulentwicklung dienen. Auf der Basis <strong>dieser</strong> Grundsätze<br />

können im Rahmen des neuen Arbeitszeitmodells Ressourcen<br />

für Personalentwicklung eingesetzt werden. Grundsatzentwicklung<br />

und Effektivität der schulgenauen Fort- und Weiterbildung<br />

werden zunächst von Pilotschulen mit wissenschaftlicher<br />

Begleitung erprobt und evaluiert. Die Generalisierung erfolgt<br />

anschließend nach Maßgabe der Ergebnisse.<br />

3) Organisation von Fortbildungsmaßnahmen (z.B. Fachtagungen),<br />

die eigenständige Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen<br />

(z.B. Workshops bei Fachtagungen; SCHILF-Maßnahmen<br />

vor Ort) und die Teilnahme an regionalen und überregionalen<br />

Fortbildungsseminaren sind in Bringepflicht nachzuweisen<br />

(Bringepflicht). Anbieter von Fortbildung haben<br />

darauf zu achten, dass Kompaktseminare und Fachtagungen so<br />

weit wie möglich in die unterrichtsfreie Zeit gelegt werden,<br />

um Unterrichtsausfall an Schulen und extreme Zeitbelastungen<br />

durch Fortbildung zu vermeiden 33 . Für die fachspezifische<br />

methodisch-didaktische Fortbildung werden begleitend Jahresseminare<br />

angeboten, für die eine Anrechnung auf die Jahresarbeitszeit<br />

der teilnehmenden Lehrkraft möglich ist. Schulleitungen<br />

können ihr Lehrpersonal verpflichten, an solchen Veranstaltungen<br />

teilzunehmen. Die Universität <strong>Hamburg</strong> bietet<br />

Zusatzqualifikationen speziell für Lehrer und Lehrerinnen, etwa<br />

im Bereich der drei vorrangigen Themen der Lehrerbildung,<br />

die die <strong>Kommission</strong> vorschlägt 34 . Für diese zertifizierten<br />

33<br />

<strong>Hamburg</strong>er Frühjahrsferien, Maiferien, letzte Woche der Sommerferien,<br />

Herbstferien.<br />

34<br />

Lernen mit neuen Medien, Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität,<br />

Schulentwicklung.


Neugestaltung 73<br />

Angebote werden Lehrkräfte nach einem Auswahlverfahren<br />

von ihrer Schule abgeordnet.<br />

Für jede Lehrkraft wird am Arbeitsplatz Schule ein Personalportfolio<br />

angelegt. Es enthält<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

regelmäßige Beurteilungen zum Leistungsverhalten und<br />

zum Entwicklungspotenzial durch die Schulleitung (Regelbeurteilungen<br />

nach standardisierten Normen im Vier-Jahres-<br />

Rhythmus),<br />

Fortbildungszertifikate, ggf. Weiterbildungsqualifikationen,<br />

Nachweis der Übernahme besonderer (befristeter) Aufgaben<br />

und Funktionen 35<br />

Nachweise von Zusatzqualifikationen.<br />

4) Das Personalportfolio bildet die Basis für regelmäßige Mitarbeitergespräche<br />

zwischen Schulleitung und Lehrkräften, bei<br />

denen Entwicklungsschwerpunkte gemeinsam festgelegt, die<br />

Übernahme von schulspezifischen Aufgaben und (befristeten)<br />

Funktionen vereinbart und längerfristige Laufbahn- und Karriereplanungen<br />

vorbereitet werden. Die Übernahme besonderer<br />

Aufgaben und Funktionen gilt als Qualifizierungsnachweis für<br />

die Bewerbung auf Beförderungsstellen.<br />

5) Die frühzeitige Förderung von Führungsnachwuchs für <strong>Hamburg</strong>er Schulen<br />

gehört zu den wichtigen und vorrangigen Aufgaben der Personalentwicklung.<br />

Für die Anregung, Qualifizierung und Auswahl sind zuständig<br />

Schulleitungen (SL) und Amt für Schule (AfS) in Zusammenarbeit mit dem<br />

IfL (Ausbildung und Weiterbildung von Führungskräften) und Universität.<br />

Die Zusammenarbeit der drei Träger SL, AfS und IfL muss systematisch<br />

vernetzt werden 36 , um geeignete Kandidatinnen und Kandidaten gezielt<br />

motivieren und informieren zu können und um zu verhindern, dass die<br />

Auswahl des Führungsnachwuchses sich in einem „closed shop“ abspielt.<br />

Die gezielte Förderung von Führungsnachwuchs bedingt das Lernen vor Ort<br />

35<br />

Im Sinne von job-enlargement und job-enrichment.<br />

36<br />

Zum Beispiel durch institutionalisierte Treffen, etwa zweimal pro Jahr auf<br />

Dezernatsebene.


74 Neugestaltung<br />

durch Job enrichment und Job enlargement (z.B. durch Tandembildung auf<br />

der Ebene der Abteilungsleiter/ Koordinatoren als Element der Qualifizierung<br />

am Arbeitsplatz) und das spezifische Seminarangebot zur Nachwuchsförderung<br />

(u.a. Klärungsseminare und Qualifizierungsseminare). Die<br />

Teilabordnung zur Qualifizierung sollte darüber hinaus ein weiteres<br />

Steuerungselement zur Entwicklung des Führungsnachwuchses werden. 37<br />

Die Teilabordnungen ermöglichen zusätzlichen Kompetenzerwerb an einem<br />

neuen Arbeitsplatz und vernetzen gleichzeitig Schule, Lehrerbildungsinstitutionen<br />

und Administration miteinander.<br />

6) Damit Leitungsaufgaben funktionsgerecht wahrgenommen und erfüllt<br />

werden können, sind für die einzelnen Funktionsstellen spezifizierte<br />

Rechtsrahmen (Verantwortlichkeiten) und aufgabenbezogene Zeitbudgets zu<br />

entwickeln. Für die Zeit der Übernahme einer Leitungsfunktion auf Probe ist<br />

eine leistungsspezifische Gehaltszulage zu zahlen.<br />

7) Langfristige schulinterne Funktionsaufgaben werden ausgeschrieben und<br />

nach einem Auswahlverfahren besetzt. Bewerbungen sind schulintern und<br />

extern möglich. Die Stelleninhaber können eine laufbahnrelevante<br />

Anerkennung oder eine Beförderung erhalten. Schulinterne Funktionsaufgaben<br />

können sein:<br />

Aufgaben zur internen Evaluation des Schulprogramms;<br />

Aufgaben zur Sicherung und Entwicklung des Qualitätsstandards einer<br />

Schule;<br />

Aufgaben zur Förderung, Organisation und Qualitätssicherung von<br />

Austauschprogrammen in Europa und Auslandsaufenthalten von Schülerinnen<br />

und Schülern;<br />

Betreuungs- und Unterstützungsaufgaben im Bereich von Medien und<br />

Informationstechnologien;<br />

Aufgaben zur Entwicklung, Begleitung, Organisation und Kontrolle<br />

innovativer Maßnahmen im Rahmen der Ausbildung von Schulprofilen;<br />

Mentorentätigkeit an einem schulischen Ausbildungszentrum.<br />

37<br />

Denkbar sind: Teilabordnungen an das AfS (Mitarbeit an übergreifenden<br />

Schulgestaltungsaufgaben), Teilabordnungen an das Studienseminar (Mitarbeit<br />

in der Referendarausbildung) und Teilabordnungen an die Universität<br />

(Mitarbeit bei schulischer Begleit- und Evaluationsforschung).


Neugestaltung der Organisation 75<br />

7. Neugestaltung der Organisation<br />

Die Lehrerbildung hat keinen spezifischen Ort 38 und so keine bestimmte<br />

Identität. Anders als in anderen Studiengänge fehlt auch eine Leitdisziplin<br />

und so ein bestimmter Wissenschaftsort. Die Aufgaben verteilen sich<br />

auf verschiedene Fachbereiche, sehr unterschiedliche Disziplinen und<br />

mehrere Instanzen, die bislang eher gegen- als miteinander gearbeitet<br />

haben. Im organisatorischen Sinne handelt es sich um eine über Gebühr<br />

komplexe, unabgestimmte und wenig effektive Struktur, die dringend<br />

verbessert werden muss. Die heutige Organisationsform nützt den einzelnen<br />

Elementen, aber hat wenig oder zu schwachen Profit für das Gesamt<br />

der Lehrerbildung. Ein solches „Gesamt“ kommt in den Planungen und<br />

Strategien nur nominell vor. Faktisch behindert die Organisation die<br />

Entwicklung, weil sie ausschließt oder unmöglich macht, dass Ziele und<br />

Entscheidungen koordiniert werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist nochmals zusammenfassend auf folgende<br />

Probleme:<br />

1) Die zuständigen Anbieter – Universität, Studienseminar, Institut für<br />

Lehrerfortbildung – unterliegen unterschiedlichen Gesetzen und Bestimmungen.<br />

2) Innerhalb der Universität sind verschiedene Fachbereiche zuständig,<br />

oft so, dass die Lehrerbildung ohne besonderes Profil angeboten<br />

wird.<br />

3) Innerhalb einzelner Fachbereiche sind Institute in unterschiedlicher<br />

Form mit Lehrerausbildung befasst, vielfach so, dass die Themengenerierung<br />

nicht abgestimmt ist auf die Zwecke der Lehrerbildung.<br />

4) Die Phasen der Ausbildung sind nach dem Prinzip des relativ unverbundenen<br />

Nebeneinander, zum Teil auch gegenläufig or-<br />

38<br />

Zum Problem des Ortes und Nicht-Ortes der Lehrerbildung: MESSMER 1999.


76 Neugestaltung der Organisation<br />

5) ganisiert, die Universität mit großen Gestaltungsspielräumen auf<br />

der einen, behördliche Ausbildungsinstitutionen auf der anderen<br />

Seite.<br />

6) Die Leitungsfunktionen befinden sich auf ganz unterschiedlichen<br />

Ebenen und werden mit unterschiedlichen Aufträgen oder Prioritäten<br />

wahrgenommen.<br />

7) Zuständigkeit und Verantwortung für die Belange der Lehrerausbildung<br />

sind in der Universität eher vage bestimmt, eine Gesamtverantwortung<br />

besteht nicht.<br />

Angesichts <strong>dieser</strong> Situation sieht die <strong>Kommission</strong> unmittelbaren<br />

Handlungsbedarf. Die Reform der Lehrerbildung kann ohne Neuorganisation<br />

nicht realisiert werden. Die bestehenden Strukturen sind nicht<br />

auf Entwicklung eingestellt. Wenn die Lehrerbildung insgesamt als<br />

Entwicklungsprojekt verstanden werden soll, müssen die Organisationsformen<br />

drastisch verändert werden. Ein Gesamtauftrag Lehrerbildung,<br />

der für bessere Koordination, höhere Synergien und insgesamt<br />

mehr Effizienz der Ausbildung sorgen soll, lässt sich ohne eine Gesamtbetrachtung<br />

der Organisation nicht bewerkstelligen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> ist sich im Klaren darüber, dass hier wiederum<br />

Neuland betreten wird. Die Mehrphasigkeit der Lehrerbildung in<br />

Deutschland, insbesondere die Trennung zwischen erster und zweiter<br />

Phase, hat dazu geführt, die einzelnen Phasen und Elemente der Ausbildung<br />

je für sich zu betrachten und zu entwickeln. Verbindliche Abstimmungen<br />

sind strukturell nicht vorgesehen, vielmehr profitieren<br />

die Anbieter davon, dass die Teile nicht zusammenhängen. Eine effiziente<br />

Ressourcennutzung ist so nicht möglich. Sie verlangt Gemeinsamkeiten,<br />

die in der heutigen Organisation nicht vorhanden sind und<br />

auch nicht gesucht werden müssen. Die Gegensätzlichkeit der Interessen<br />

und Erfahrungen macht es auf der anderen Seite schwierig, einzig<br />

auf den Goodwill der Beteiligten zu vertrauen. Käme es vor allem<br />

darauf an, hätten frühere Reforminitiativen längst viel erfolgreicher<br />

sein müssen.<br />

Aus diesem Grunde empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine Reihe von<br />

zum Teil sehr weitgehenden und grundlegenden Reformmaßnahmen<br />

im Bereich der Organisation von Lehrerbildung:


Neugestaltung der Organisation 77<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

eine zwischen den Phasen abgestimmte und mit Befugnissen ausgestattete<br />

Leitung,<br />

die Erprobung und Entwicklung von spezifischen Leistungsvereinbarungen<br />

im Bereich Lehrerbildung,<br />

die regelmäßige interne wie externe Evaluation der Angebote und<br />

Leistungen in allen Bereichen der Ausbildung,<br />

die Entwicklung von Anreizssystemen zwischen Ausbildung und<br />

Praxis,<br />

neue Formen der Qualifikation, der Mobilität und des Austausches<br />

sowie<br />

geeignete Formen der Abstimmung zwischen den Einzelnen an der<br />

Lehrerbildung beteiligten Anbietern.<br />

7.1. Leitung<br />

Die Neugestaltung der Leitung der Lehrerbildung hat der <strong>Kommission</strong><br />

die größten Probleme bereitet. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:<br />

Die bisherige Organisation der Lehrerbildung wird nicht von der Idee<br />

des Gesamtauftrages her verstanden und verfügt entsprechend über<br />

keine gemeinsame Leitung. „Leitung“ ist zudem in der Lehrerbildung<br />

ein eher unterschätztes Thema, das nicht die gebührende Beachtung<br />

findet. Die externe Beratungskommission (1997) erwähnt Probleme<br />

der Leitung der Lehrerbildung ebenso wenig wie die Selbstbeschreibung<br />

des Faches Erziehungswissenschaft (1998). Dagegen verweist<br />

die externe Analyse des Studienseminars (1999) 39 ausdrücklich auf<br />

Leitungsprobleme, die bei Organisationen <strong>dieser</strong> Größe eigentlich<br />

gelöst sein müssten 40 . Es ist si-<br />

39<br />

ConceptaTeam 1999. (Text abgeschlossen im August 1999).<br />

40<br />

Erwähnt wird etwa, dass „kein einheitliches Führungsverständnis“ vorhanden<br />

sei, während ein „gemeinsames Führungsverständnis“ für eine Institution <strong>dieser</strong><br />

Größe „eigentlich angemessen und hilfreich wäre“. Im Blick auf die Direktion<br />

des Studienseminars gäbe es eindeutige Vorgaben im dienstrechtlichen,<br />

aber nicht im operativen Sinne. „Die für die Beschreibung von Leitungsaufgaben<br />

typischen und notwendigen Begriffe wie ‚entscheiden‘, ‚delegieren‘<br />

und ‚kontrollieren‘ sowie Erläuterungen zur ‚Mitarbeiterführung und<br />

–beurteilung‘ tauchen in der gesamten vorliegenden Organisationsstruktur<br />

nicht ein einziges Mal auf“ (ConceptaTeam 1999, S. 8).


78 Neugestaltung der Organisation<br />

cherlich kein Zufall, dass die Entwicklung des Institituts für Lehrerfortbildung<br />

in <strong>dieser</strong> Hinsicht am weitesten gediehen ist. Insgesamt<br />

hat die <strong>Kommission</strong> den Eindruck gewonnen, dass die Notwendigkeit<br />

von Leitungsfunktionen und insbesondere die Übernahme von zurechenbarer<br />

Verantwortung in der Lehrerbildung in der Reformdiskussion<br />

bislang keine Priorität erhalten hat 41 .<br />

Für die vorrangige Behandlung des Themas Leitung gibt es aus<br />

Sicht der <strong>Kommission</strong> gute und dringliche Gründe:<br />

1) Der Gesamtauftrag Lehrerbildung verlangt gemeinsame Zielsetzungen<br />

und Entscheidungen.<br />

2) Eine durchsetzungsfähige Abstimmung des Lehrangebots zwischen<br />

unterschiedlichen Anbietern lässt sich nur mit einer Leitung<br />

erreichen, die eigene Befugnisse hat.<br />

3) Die Heterogenität der Interessen bringt Konflikte mit sich, die<br />

produktiv und speditiv im Sinne der Gesamtausbildung gelöst<br />

werden müssen.<br />

4) Die unterschiedlichen Erfahrungen in den Ausbildungsbereichen<br />

benötigen eine gemeinsame Instanz, die die einzelnen Entwicklungen<br />

zu steuern versteht.<br />

5) Die Durchführung des Gesamtauftrages Lehrerbildung ist mit<br />

langwierigen und hierarchiefreien Abstimmungen nicht zu erreichen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> ist sich darüber bewusst, dass allein die Erwähnung<br />

von Ausdrücken wie „Leitung“ oder „Führung“ zu Missverständnissen<br />

führen kann. Andererseits bezieht sich etwa ein Großteil der Diskussion<br />

um „teilautonome Schulen“ auf die Verstärkung der Schulleitung,<br />

eine Tendenz, auf die der vorliegende Bericht an verschiedenen<br />

Stellen zurückgreifen konnte. Was also für Schulen gilt, kann für<br />

die Ausbildung jedenfalls nicht pauschal zurückgewiesen werden.<br />

Allerdings ist klärungsbedürftig, was genau unter „Leitungsfunktionen“<br />

in der Lehrerbildung verstanden werden soll.<br />

41<br />

Das gilt auch für die Literatur (etwa BAYER u.a. 2000, CLOER/KILKA/KUNERT<br />

2000). Das Thema Leitung erscheint nicht.


Neugestaltung der Organisation 79<br />

Auch ist klärungsbedürftig, was in der heutigen Organisation ersetzt<br />

und wie die bestehenden Entscheidungskompetenzen neu gestaltet<br />

werden können.<br />

Wenn die Lehrerbildung im Sinne eines Gesamtauftrages effizient<br />

entwickelt werden soll, stellen sich eine Reihe von neuen Aufgaben<br />

und ergeben sich Leistungserwartungen, die Leitungsfunktionen verlangen.<br />

Im Sinne einer Tätigkeitsanalyse<br />

muss die Entwicklung der Lehrerbildung gesteuert werden,<br />

sind Zielentscheide zu treffen,<br />

müssen gemeinsame Profile entwickelt werden,<br />

sind Aufgaben der fortlaufenden Abstimmung zu bearbeiten,<br />

müssen Konflikte bearbeitet werden,<br />

ist das Gesamtinteresse darzustellen und durchzusetzen,<br />

müssen gemeinsame Bewertungen vorgenommen werden,<br />

ist gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit notwendig, etc.<br />

Die Lehrerbildung ist derzeit schwach, weil sie nirgendwo gemeinsame<br />

Interessen und Anliegen vertritt. Die Interessen sind zersplittert<br />

und gegensätzlich. Thematisch ist die Lehrerbildung abhängig von<br />

bildungspolitischen Konjunkturen, die sich mit ganz unterschiedlichen<br />

Profiten und Verlusten für die einzelnen Einheiten der Lehrerbildung<br />

verbinden. Soll die Selbststeuerungsfähigkeit der Lehrerbildung<br />

verstärkt oder überhaupt erst geschaffen werden, ist Leitung unerlässlich.<br />

Für die Ausgestaltung der Leitungsfunktionen sind verschiedene Modelle<br />

denkbar:<br />

1) Die Einrichtung einer Leitungsgruppe mit gewählten Vertretern<br />

aus allen drei Phasen.<br />

2) Die Einsetzung eines Sekretariats mit einer paritätisch besetzten<br />

Aufsichtskommission.<br />

3) Die Stärkung der lokalen Leitungen und deren Profilierung für die<br />

Lehrerbildung mit gleichzeitiger Einrichtung eines Gremiums für<br />

den wechselseitigen Austausch und für gegenseitige Abstimmung.<br />

4) Die Stärkung der Kooperation der jetzigen Leitungen.<br />

5) Die Einrichtung einer Leitungs- und Managementstelle mit eigenen<br />

Kompetenzen.


80 Neugestaltung der Organisation<br />

Diese fünf Modelle lassen sich wie folgt spezifizieren und problematisieren:<br />

Die Leitungsgruppe würde die drei Phasen repräsentieren und hätte<br />

auf diese Weise die größte Nähe zum Gesamtauftrag. Allerdings würden<br />

sich damit kaum lösbare Probleme des Verfahrens und der Parität<br />

ergeben, die Interessengegensätze würden sich in die Leitungsgruppe<br />

verlagern und als Ergebnis wäre je ein minimaler Konsens zu erwarten.<br />

Ein Sekretariat wäre vor allem zur effizienten Gestaltung der Koordinations-<br />

und Abstimmungsprobleme dienlich, wäre aber kein eigentliches<br />

Leitungsgremium. Die dazu gehörige Aufsichtskommission<br />

könnte eine gewisse Kontrollmacht ausüben, nicht zuletzt dann, wenn<br />

die Abnehmer der Lehrerbildung beteiligt werden würden. Insgesamt<br />

ist aber auch eine solche Aufsichtskommission kein Leitungsgremium.<br />

Die lokalen Leitungen wären die Fachbereiche und Institute sowie<br />

die Gremien des Studienseminars. Sie könnten, besonders in der Universität,<br />

stärker für die Belange der Lehrerbildung profiliert werden,<br />

hätten aber die üblichen Entscheidungsgremien vor bzw. über sich.<br />

Wenn für sie eigene Gremien eingerichtet würden, gäbe es unmittelbar<br />

einen hohen Organisationsaufwand und erhebliche zeitliche Mehrbelastungen.<br />

Zudem wäre angesichts der divergierenden Interessen der<br />

Effekt erneut unklar. Demgegenüber wäre es einfach und ohne großen<br />

Aufwand möglich, die jetzigen Leitungen der Institutionen – Rektor,<br />

Prorektor, Direktion Studienseminar, Leitung IfL - verstärkt auf die<br />

Koordination der Lehrerbildung auszurichten. Allerdings wäre diese<br />

Leitung wenig spezifisch und hätte kaum andere Abstimmungsprobleme.<br />

Eine eigene Leitungs- und Managementstelle für die Lehrerbildung<br />

wäre unabhängig und hätte Entscheidungskompetenz, aber<br />

wäre zu wenig in den Institutionen verankert, um durchsetzungsfähig<br />

und innovativ wirken zu können.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt aus diesen Gründen keine Gesamtleitung,<br />

wohl aber die deutliche Benennung und Besetzung von Leitungsfunktionen.<br />

Die hohe Autonomie der heutigen Ausbildungsphasen<br />

und -elemente lässt sich nur mit kooperativen Verfahren der Leitung<br />

verändern und im Sinne der Gesamtverantwortung ausgestalten.<br />

Die Schwierigkeit besteht darin, Leitungsfunktionen


Neugestaltung der Organisation 81<br />

auf Teilbereiche zu beziehen und zugleich das Gesamt der Ausbildung<br />

im Auge zu behalten. Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, bei der Einführung<br />

von Leitungsstrukturen pragmatisch zu verfahren. Notwendig<br />

ist zunächst, den Sinn von Leitungsfunktionen in der Lehrerbildung<br />

kenntlich zu machen und dann die vor Ort besten Weg zu finden.<br />

Für den Aufbau von Leitungsstrukturen empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />

die Einrichtung von neuen Gremien auf drei verschiedenen Ebenen:<br />

1) auf politischer Ebene das Kuratorium,<br />

2) auf Koordinationsebene die Initiativgruppe und die Geschäftsstelle<br />

Lehrerbildung und<br />

3) auf Kooperationsebene die phasenübergreifenden Sozietäten.<br />

Das Kuratorium ist zuständig für den Gesamtauftrag Lehrerbildung<br />

und sollte aus den drei genannten Institutionen bestehen, nämlich der<br />

Universität, der Behörde für Wissenschaft und Forschung und der Behörde<br />

für Schule, Jugend und Berufsbildung. Es sollte die Leitungsebene<br />

bilden mit den Senatorinnen/Staatsräten und mit den leitenden<br />

Beamten, sowie dem Universitätspräsidenten, mit dem Kanzler und<br />

einigen Dekanen (je einer aus den geistes-, sozial- und naturwissenschaftlichen<br />

Bereichen). Es können Vertreterinnen und Vertreter anderer<br />

Institutionen mit beratender Stimme zugelassen werden.<br />

Von Seiten des Kuratoriums könnten Anregungen erarbeitet und<br />

formuliert werden, die als Projekte bzw. Pilotprojekte getestet und<br />

durchgesetzt werden sollten. Das Budget, das für die Geschäftsstelle<br />

und für die Projektfinanzierung notwendig ist, sollten die beteiligten<br />

Institutionen beim politischen Senat einwerben. Es sollte nicht durch<br />

Kürzung zum Beispiel vom Universitätshaushalt gewonnen werden.<br />

Im Kuratorium werden Anregungen, die aus der Initiativgruppe und<br />

von Seiten der Geschäftsstelle Lehrerbildung (IGeL) stammen, besprochen<br />

und kommentiert werden. Ebenso sollten im Kuratorium<br />

Anträge für Projekte, die von Seiten der Arbeitsebene (phasenübergreifende<br />

Sozietäten) gestellt worden sind, besprochen und entschieden<br />

werden.


82 Neugestaltung der Organisation<br />

Auf der politischen Ebene des Kuratoriums werden die Leistungsvereinbarungen<br />

sowie die behördlichen Aufträge in der Lehrerbildung<br />

gesamthaft behandelt. Im Einzelnen trifft die Behörde für Wissenschaft<br />

und Forschung Leistungsvereinbarungen mit den Präsidenten<br />

der Universitäten, die Präsidenten treffen Leistungsvereinbarungen<br />

mit den Dekanen und die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung<br />

erteilt Aufträge an Studienseminar und Institut für Lehrerfortbildung.<br />

Das Kuratorium stimmt diese Vereinbarungen und Aufträge<br />

politisch ab und entscheidet abschließend.<br />

Auf der Koordinationsebene werden eine Initiativgruppe und eine<br />

Geschäftsstelle eingerichtet. Die Initiativgruppe ist in Form eines<br />

Beirats einzurichten und die Mitglieder der Initiativgruppe werden<br />

gewählt bzw. abgeordnet (Mitglieder des Beirats siehe Grafik unten).<br />

Die Initiativgruppe hat die Aufgabe, Anregungen, die von politischer<br />

Ebene gegeben werden, zu diskutieren und nach Umsetzungen zu suchen.<br />

Umgekehrt sollen Anträge aus der Arbeitsebene besprochen und<br />

priorisiert werden. Die Initiativgruppe hat zudem die wichtige Aufgabe,<br />

notwendige Projekte und Vorhaben zu entwickeln und diese mit<br />

der Arbeitsebene und der politischen Ebene soweit abzustimmen, dass<br />

sie ggf. ergänzt und entsprechend umgesetzt werden können.<br />

Die Geschäftsstelle ist ein Koordinationsorgan und sichert die<br />

Verbindung zwischen der Arbeitsebene und der politischen Ebene. Sie<br />

stellt das Organ dar, das für eine kontinuierliche Koordination, Beratung,<br />

Information und Unterstützung zuständig ist. Die Geschäftsstelle<br />

übernimmt alle Tagesgeschäfte und wird vom Kuratorium dazu<br />

in die Lage versetzt, Entscheidungen auszuführen und durchzusetzen.<br />

Dazu bedarf es einer Ausstattung mit Personal und Finanzmitteln.<br />

Die Initiativgruppe und die Geschäftsstelle sind zuständig für die<br />

Abstimmung und Realisierung der Teilaufträge:<br />

Aufbau und Etablierung von Kern-Curricula in allen Teilbereichen<br />

der Lehrerbildung (erste und zweite Phase) bis 2003;<br />

Neugestaltung des Prüfungswesens, Aufbau und Abstimmung der<br />

Studienangebote nach dem System ECTS sowie Entwicklung persönlicher<br />

Portfolios für die Studierenden bis 2004;<br />

Kooperationsprojekte in Forschung und Lehre;


Neugestaltung der Organisation 83<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Fortbildung und Personalaustausch;<br />

fortlaufende Abstimmung des Lehrangebots;<br />

Festlegung von Prioritäten und Entwicklungsaufgaben in Abstimmung<br />

mit dem Kuratorium;<br />

Entscheidung in Konfliktfällen.<br />

Die phasenübergreifenden Sozietäten sind auf der Arbeitsebene für<br />

die Weiterentwicklung der fachlichen und thematischen Angebote der<br />

Lehrerbildung zuständig. Sie gliedern sich nach Fächern oder Fachgruppen,<br />

soweit diese im Blick auf das Berufsfeld einschlägig verknüpft<br />

sind. Die Mitglieder rekrutieren sich aus allen Phasen und Institutionen,<br />

die an der Lehrerbildung beteiligt sind (Fachwissenschaften/Fachdidaktiken,<br />

Studienseminar, Behörde für Schule, Jugend und<br />

Berufsbildung sowie Institut für Lehrerfortbildung). Die Mitglieder<br />

werden für einen bestimmten Zeitraum gewählt, bzw. abgeordnet. Die<br />

inhaltlichen Programme und Vorschläge der Sozietäten werden der<br />

gemeinsamen <strong>Kommission</strong> vorgelegt und von ihr entschieden. Das<br />

Kuratorium sorgt für die fortlaufende Anpassung der Leistungsvereinbarungen<br />

und der amtlichen Aufträge.<br />

Die Sozietäten sind feste Einheiten, deren Mitglieder für jeweils<br />

drei Jahre aus den jeweiligen Bereichen heraus gewählt werden. Die<br />

Sozietäten bilden sich nach dem Prinzip der Fachorientierung und der<br />

Themenorientierung. Fächerorientierte Sozietäten sollen für alle Unterrichtsfächer<br />

eingesetzt werden und sind dauerhaft einzurichten. Die<br />

themenorientierten Sozietäten sollen bestimmte prioritäre Themen<br />

aufnehmen und sind i.d.R. zeitlich begrenzt. Die Sozietäten sind deswegen<br />

von besonderer Bedeutung, weil in ihnen die unterschiedlichen<br />

Bereiche der Lehrerbildung durch Personen vertreten sind. Als permanente<br />

Aufgaben sollen die Sozietäten planen und durchführen, für<br />

einen Personalaustausch zwischen den Institutionen der Lehrerbildung<br />

Vorschläge unterbreiten und in Lehre und Forschung Kooperationsprojekte<br />

ausarbeiten und für eine Umsetzung zu sorgen. Diese permanent<br />

zu erfüllenden Aufgaben sind durch zeitlich begrenzte Aufgabenstellungen<br />

zu ergänzen, z. B. die Ausarbeitung von Kerncurricula<br />

in den verschiedenen Bereichen der Lehrerbildung.


84 Neugestaltung der Organisation<br />

Innovationsfonds


Neugestaltung der Organisation 85<br />

7.2. Leistungsvereinbarungen<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt mit Nachdruck die Verwendung und Ausgestaltung<br />

von Leistungsvereinbarungen 42 im Bereich der Lehrerbildung.<br />

Auch dieses Instrument ist neu, bislang waren gesetzliche Bestimmungen<br />

und Erlasse Grundlage der Ausbildung. Sie legten keine<br />

spezifischen Leistungen fest, sondern wiesen pauschal Zuständigkeiten<br />

bzw. Verantwortlichkeiten zu und beschrieben Erwartungen, die<br />

nicht oder nur allgemein und vage auf Leistungen bezogen waren. Die<br />

Ausbildung aber muss spezifische Leistungen erbringen, wenn sie<br />

gemäß ihren Zielen erfolgreich sein will. Vertragliche Leistungsvereinbarungen<br />

regeln zwischen Auftraggeber und Anbietern, aber auch<br />

zwischen verschiedenen Anbietern, was in bestimmten Teilen der<br />

Ausbildung in welcher Zeit erreicht werden soll, welche Mittel eingesetzt<br />

werden, wie die Überprüfung und Bewertung der Leistungen erfolgt<br />

und wie die Weiterentwicklung der Angebote gesichert werden<br />

soll. Im Falle der Nichterfüllung von Vereinbarungen werden Sanktionen<br />

bestimmt.<br />

Erste Erfahrungen mit dem Instrument von Leistungsvereinbarungen<br />

liegen vor, wenngleich nicht bezogen auf die Belange der Lehrerausbildung.<br />

Seit 1999 bestehen zwischen der Behörde für Wissenschaft<br />

und Forschung (BWF) und den <strong>Hamburg</strong>er Hochschulen sowie<br />

der Staats- und Universitätsbibliothek Ziel- und Leistungsvereinbarungen,<br />

in denen verbindliche Verabredungen über Ziele, Leistungen<br />

und deren Finanzierung getroffen werden. 43 In der Vereinbarung mit<br />

der Universität <strong>Hamburg</strong> wird etwa die „besondere Bedeutung“ einer<br />

„mehrjährigen finanziellen Planungssicher-<br />

42<br />

Leistungsvereinbarungen werden gelegentlich auch „Leistungsverträge“genannt.<br />

Der juristische Status solcher wechselseitigen Abmachungen<br />

ist nicht genau geregelt. Es handelt sich um vertragliche (schriftliche und<br />

mit Unterschrift beglaubigte) Vereinbarungen verbindlichen Inhalts. Die<br />

<strong>Kommission</strong> empfiehlt, von „Leistungsvereinbarungen“ zu spechen, auch<br />

weil <strong>dieser</strong> Terminus in <strong>Hamburg</strong> inzwischen in Gebrauch ist.<br />

43<br />

Behörde für Wissenschaft und Forschung: Ziel und Leistungsvereinbarungen<br />

zwischen der Behörde für Wissenschaft und Forschung und den <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Hochschulen sowie der Staats- und Universitätsbibliothek <strong>Hamburg</strong><br />

vom 2. März 1999.


86 Neugestaltung der Organisation<br />

heit“ hervorgehoben. „Die BWF verpflichtet sich, im Rahmen der von<br />

Senat und Bürgerschaft beschlossenen Ermächtigung die finanzielle<br />

Ausstattung der Hochschulen für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu gewährleisten“<br />

(Behörde für Wissenschaft und Forschung 1999, S. 3).<br />

Unter Punkt III <strong>dieser</strong> Vereinbarung, die Lehre und Studium betrifft,<br />

verpflichtet sich die Universität, dafür Sorge zu tragen, dass „im<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaft eine mit BWF und Behörde für<br />

Schule, Jugend und Berufsbildung abgestimmte, bedarfsgerechte Kapazität<br />

vorgehalten und die Reform der Lehrerausbildung fortgeführt<br />

wird“ (ebd., S. 5).<br />

Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, diese sehr allgemein formulierte Zielund<br />

Leistungsvereinbarung aufzugreifen und im Hinblick auf die<br />

Neugestaltung der Lehrerausbildung zu präzisieren. Im Sinne des von<br />

der <strong>Kommission</strong> vertretenen Gesamtauftrages Lehrerbildung müssen<br />

abgestimmte Leistungsvereinbarungen auch mit den anderen Phasen<br />

und Institutionen der Lehrerbildung getroffen werden. Zu unterscheiden<br />

sind behördliche Aufträge und spezielle Leistungsvereinbarungen.<br />

Das Instrument der Leistungsvereinbarung lässt<br />

sich in zweifacher Hinsicht einsetzen. Im Rahmen von Teilaufträgen<br />

können die Behörden mit den Anbietern, die Anbieter können aber<br />

auch untereinander Leistungsvereinbarungen treffen. Je nach Beschaffenheit<br />

der Leitung muss die effizienteste Form gewählt werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, dass zunächst die Universität mit beiden<br />

Behörden eine Leistungsvereinbarung für die Lehrerausbildung<br />

der ersten Phase trifft. Diese Vereinbarung ist die Grundlage weiterer<br />

Vereinbarungen. Die Leistungen im Blick auf Übergänge und Anschlüsse<br />

zwischen der ersten und der zweiten Phase werden anschließend<br />

zwischen Universität und Studienseminar vereinbart. Studienseminar<br />

und Institut für Lehrerfortbildung schließen je eigene Leistungsvereinbarungen<br />

mit der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung.<br />

Im Blick auf das Institut für Lehrerfortbildung wird dabei<br />

die Berufseingangsphase neu geregelt. Studienseminar und IfL regeln<br />

in den Leistungsvereinbarungen mit der Behörde auch die Kooperationen<br />

und Koordinationen untereinander. Es gibt keine gesamthafte<br />

Leistungsvereinbarung, da sie zu schwerfällig und zu unflexibel wäre,<br />

um auf die komplexen Anforderungen ei-


Neugestaltung der Organisation 87<br />

ner in Entwicklung begriffenen Lehrerbildung reagieren zu können.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt den Abschluss <strong>dieser</strong> Leistungsvereinbarungen<br />

für das Jahr 2001. Die Dauer aller Vereinbarungen sollte<br />

zunächst auf fünf Jahre befristet sein. Die Vereinbarungen setzen voraus,<br />

dass die Lehrerbildung Leitungsstrukturen erhält. Anders können<br />

die einzelnen Vereinbarungen nicht abgestimmt und koordiniert werden.<br />

Das Ziel der Vereinbarungen ist, zwischen allen an der Lehrerbildung<br />

beteiligten Institutionen verbindliche Verabredungen über Inhalte,<br />

Ausbildungsleistungen und Verfahrensabläufe zu treffen, die eine<br />

zuverlässige Planungsgrundlage für alle Beteiligten schaffen. In<br />

diesem Sinne enthalten die Vereinbarungen gegenseitige Verpflichtungen,<br />

deren Einhaltung regelmäßig evaluiert und bewertet wird.<br />

Gegenstand der Vereinbarungen werden die Beschreibung, Abgrenzung<br />

und Spezifika der Beiträge der Institutionen zur Lehrerbildung.<br />

Sie beinhalten insbesondere:<br />

Abstimmung der Ziele und Übergänge zwischen den Phasen,<br />

Angaben über die verlässlichen Inhalte der Ausbildung,<br />

Informationen über Kapazitätsplanungen und Ressourcennutzung,<br />

Kooperationsmöglichkeiten und Personalaustausch zwischen den<br />

Institutionen<br />

und Informationen über Verfahrensabläufe und Termingestaltungen.<br />

Die beteiligten Institutionen verpflichten sich, dem Leitungsgremium<br />

der Lehrerbildung zur Fortschreibung der Ziel-, Leistungs- und Verfahrensvereinbarung<br />

regelmäßig und rechtzeitig die notwendigen Daten<br />

zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise kann die Lehrerbildung<br />

insgesamt eine wirksame Steuerung erfahren, die die Stärken der beteiligten<br />

Institutionen zu nutzen versteht.<br />

Die <strong>Kommission</strong> nimmt nachfolgend nur zum ersten Bereich der<br />

Leistungsvereinbarungen Stellung, weil sie hier die größten Probleme<br />

sieht und mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung rechnet.


88 Neugestaltung der Organisation<br />

Die Ziel-, Leistungs- und Verfahrensvereinbarung zwischen der<br />

Universität, der BWF und der BSJB<br />

Die Universität leistet in vier Lehramtsstudiengängen im FB 06 Erziehungswissenschaft<br />

mit rund 130 hauptamtlichen Lehrenden bei etwa<br />

6700 Studierenden die Vorbereitung auf eine wissenschaftlich<br />

fundierte professionelle Tätigkeit in den Schulen oder anderen Praxisfeldern<br />

pädagogischen Handelns. Auch andere Fachbereiche der Universität,<br />

die TU Harburg, die Hochschule für Musik und die Hochschule<br />

für bildende Künste sind in zum Teil erheblichem Umfang an<br />

der Lehrerausbildung beteiligt. Die Bedeutung der Lehramtsstudiengänge<br />

ist mindestens in quantitativer Hinsicht und so im Blick auf die<br />

Ressourcenausstattung beträchtlich. Insgesamt stellt die Ausbildung<br />

von Lehrkräften an der Universität <strong>Hamburg</strong> eine vorrangige Aufgabe<br />

dar, wie sich allein an der Verteilung der Studierenden zeigen lässt.<br />

Gemessen an der Gesamtzahl der Studentinnen und Studenten des<br />

jeweiligen Fachbereiches betrug 1998 der Anteil der für ein Unterrichtsfach<br />

im Lehramt eingetragenen Studierenden: 44<br />

FB 01 Evangelische Theologie 50 %<br />

FB 03 Wirtschaftswissenschaften 11 %<br />

FB 05 Philosophie und Sozialwissenschaften 27 %<br />

FB 06 Erziehungswissenschaft 91 %<br />

FB 07 Sprachwissenschaften 43 %<br />

FB 08 Geschichtswissenschaft 44 %<br />

FB 11 Mathematik 49 %<br />

FB 12 Physik 17 %<br />

FB 13 Chemie 36 %<br />

FB 14 Biologie 37 %<br />

FB 15 Geowissenschaften 39 %<br />

FB 19 Sportwissenschaft 67 %<br />

44<br />

Daten aus dem Vorlesungsverzeichnis der Universität <strong>Hamburg</strong>, Sommersemester<br />

2000. Die Daten betreffen den Zeitraum 1998/1999. Es fehlen die<br />

Zahlen für die Fachbereiche FB 10 Orientalistik, FB 16 Psychologie und FB<br />

18 Informatik.


Neugestaltung der Organisation 89<br />

Die Übersicht zeigt, welches Gewicht die Lehrerbildung in den fachwissenschaftlichen<br />

Ausbildungen hat. Die <strong>Kommission</strong> stellt dieses<br />

Gewicht nicht in Frage, verweist aber auf zum Teil gravierende Probleme<br />

der Koordination und Abstimmung, die allenfalls schleppende<br />

Bearbeitung gefunden haben. Leistungsvereinbarungen sind aus der<br />

Sicht der <strong>Kommission</strong> eine Möglichkeit der präzisen Problembestimmung<br />

sowie der fortlaufenden Problemlösung. Traditionell gehören in<br />

<strong>Hamburg</strong> die Fachdidaktiken zum Fachbereich Erziehungswissenschaften<br />

(„<strong>Hamburg</strong>er Modell“). Die diesem Modell zugeschriebenen<br />

Vorteile gehen einher mit einem hohen Bedarf an fachbereichsübergreifenden<br />

Absprachen und Vereinbarungen. Die <strong>Kommission</strong> sieht<br />

nach Auswertung der Anhörungen diesen Anspruch erst ansatzweise<br />

und insgesamt nicht befriedigend eingelöst. Dieser Eindruck deckt<br />

sich mit der Externen Beratungskommission zur Struktur und Entwicklungsplanung<br />

der Universität <strong>Hamburg</strong>. Diese <strong>Kommission</strong> hatte<br />

1997 festgehalten, dass die Universität „organisatorische Maßnahmen<br />

für eine verbesserte Abstimmung zwischen den Fachbereichen über<br />

den Lehrplan und die Ausbildungsanforderungen der Lehrerausbildung“<br />

vorzunehmen habe (Externe Beratungskommission 1997, S.<br />

21).<br />

Ein Koordinationsausschuss für Studienreform im Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

(KA1) 45 arbeitet seit längerer Zeit an einer klareren<br />

Strukturierung des Studiums, der Einführung von Zwischenprüfungen<br />

und einer stärkeren Verzahnung von Studium und Referendariat.<br />

Die Kooperation der Fachbereiche ist demgegenüber deutlich zu<br />

schwach und überwiegend kaum vorhanden. Die <strong>Kommission</strong> verweist<br />

auf den Tatbestand, dass es für die Belange der Lehrerausbildung<br />

weder ein gemeinsames Verständnis noch ein universitäres Leitbild<br />

gibt. Die Universität <strong>Hamburg</strong> stellt keine Website „Lehrerausbildung“<br />

zur Verfügung, die kenntlich machen würde, dass es sich um<br />

ein prioritäres Anliegen der Universität in kooperativer Gestaltung<br />

handeln würde. Ähnlich fehlen gemeinsa-<br />

45<br />

Seit dem Sommersemester 1999 sind die Koordinationsausschüsse für Studienreform<br />

(KA 1) und Lehrangebot (KA 2) zu einem Ausschuss zusammengelegt.<br />

Dieser Koordinationsausschuss für Lehre und Studienreform (KA<br />

LuSt) besorgt beide bisher getrennten Aufgabenbereiche gemeinsam.


90 Neugestaltung der Organisation<br />

me Programme oder ein integriertes Veranstaltungsangebot. Insgesamt<br />

ist die Behandlung der Lehrerbildung nicht offensiv und ohne<br />

strategisches Konzept. Die <strong>Kommission</strong> verweist nochmals nachdrücklich<br />

auf<br />

die fehlende Stringenz und Verbindlichkeit der Beiträge der Fachbereiche,<br />

die Koordinationsprobleme zwischen Fachwissenschaften und<br />

Fachdidaktiken,<br />

die unklare Stellung der Lehramtsstudiengänge,<br />

die Verlagerung der Verantwortung auf den Fachbereich Erziehungswissenschaft,<br />

die fehlenden Leitungsstrukturen<br />

und Ähnliches mehr. 46<br />

Die <strong>Kommission</strong> hat sich in ihren Anhörungen davon überzeugen können,<br />

dass die fachbereichsübergreifende Koordination sowohl für eine effektive<br />

und transparente Erfüllung des Leistungsauftrages „Erste Phase“ wie auch<br />

des Gesamtauftrages Lehrerbildung von ausschlaggebender Bedeutung ist.<br />

Die Vorschläge der <strong>Kommission</strong> zur Ausgestaltung der Leistungsvereinbarung<br />

mit der Universität stellen deswegen deutlich auf eine Verstärkung<br />

und größere Verbindlichkeit der Koordination zwischen den an der Lehrerbildung<br />

46<br />

Die im Oktober 1998 verabschiedete „Selbstbeschreibung des Fachs Erziehungswissenschaft“<br />

erwähnt unter der Fragestellung der „Vernetzung“ der<br />

Angebote des Fachbereichs Erziehungwissenschaft mit „anderen Studiengängen“<br />

die Verzahnung der Lehramtstudiengänge ausdrücklich nicht. Erwähnt<br />

werden die dreisemestrige Zusatzausbildung (Aufbaustudiengang) für Lehrer<br />

von Schülern verschiedener Muttersprache, die gemeinsam mit dem Fachbereich<br />

Sprachwissenschaft angeboten wird, das Studienprogramm „Intercultural<br />

Studies“, eine Kooperation zwischen der Pädagogischen Psychologie und<br />

dem Fachbereich Psychologie, das Graduiertenkolleg „Ästhetische Bildung<br />

sowie das „Labor Wissenschaft und Kunst“. Im übrigen heisst es: „Die Fachdidaktiken<br />

sind der Ort, an dem Erziehungswissenschaft und Bezugsdisziplinen<br />

systematisch aufeinander bezogen werden. Hier gibt es auch Kooperationen<br />

zwischen Vertretern und Vertreterinnen der Fachwissenschaft und der<br />

Fachdidaktik“ (Universität <strong>Hamburg</strong>/Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

1998, S. 17f.).


Neugestaltung der Organisation 91<br />

beteiligten Fachbereichen ab. Hier liegt ein weiteres Kernstück der<br />

Reform.<br />

Die Vorschläge der <strong>Kommission</strong> berühren auch die Tätigkeit des<br />

früher im Fachbereich Erziehungswissenschaft tätigen Koordinationsausschusses<br />

für das Lehrangebot (KA 2). Dieser Ausschuss war verantwortlich<br />

für die Erstellung des Lehrangebotes, ohne in der Lage<br />

gewesen zu sein, das Angebotsaufkommen wirksam steuern zu können.<br />

Der Aufbau eines verbindlichen und verlässlich angebotenen erziehungswissenschaftlichen<br />

Kerncurriculums schafft erstmalig die<br />

Möglichkeit, das Lehrangebot mindestens in Teilen anschlussfähig zu<br />

halten für andere Teile der Lehrerausbildung. Das gilt speziell für das<br />

Studienseminar, aber kann auch auf Fachdidaktiken oder schulpraktische<br />

Studien ausgedehnt werden. Stärkere Abstimmung wären auch<br />

zwischen den Fachbereichen anzustreben.<br />

Aus Sicht der <strong>Kommission</strong> bedarf es mit der Universität vertraglicher<br />

Vereinbarungen, die neben Absprachen über die phasenübergreifende<br />

Koordination hinaus auch die Zusammenarbeit der Fachbereiche<br />

bei der Realisierung der ersten Phase der Lehrerbildung betreffen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, dass mindestens die folgenden Aspekte<br />

Beachtung finden:<br />

1) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft hat mit der Schaffung<br />

des Kerncurriculum eine Grundlage zur inhaltlichen Reform der<br />

Lehramtsstudiengänge bereitgestellt. Das Kerncurriculum muss in<br />

einer Entwicklungsphase getestet und evaluiert werden. Die<br />

Evaluation muss in einer Form erfolgen, dass andere Fachbereiche<br />

davon profitieren können. Entsprechende Mittel sind von der<br />

Universität zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich um ein Pilotprojekt<br />

zur Etablierung von Kerncurricula in allen Lehramtsstudiengängen.<br />

2) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft muss in Absprache mit<br />

anderen Fachbereichen sowie dem Studienseminar die drei prioritären<br />

Themen der Lehrerausbildung 47 profilieren und mit dem<br />

Gesamtangebot abstimmen.<br />

47<br />

Neue Medien, Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität und Schulentwicklung.


92 Neugestaltung der Organisation<br />

3) Die Universität nutzt die besondere Struktur des „<strong>Hamburg</strong>er Modells“ und sorgt<br />

für eine Koordination der Lehrangebote der Fachdidaktiken zum erziehungswissenschaftlichen<br />

Kernstudium bzw. der Beiträge der Fachbereiche zur<br />

Lehrerbildung in der ersten Phase. Mit Hilfe der neuen Leitungsstrukturen der<br />

Lehrerausbildung wird die Grundlage geschaffen für eine verbesserte<br />

Abstimmung zwischen den Fachbereichen und die Sicherung der qualitativen<br />

und quantitativen Ausbildungsanforderungen der Lehrerausbildung.<br />

4) Die Fachbereiche stellen sicher, dass in angemessener Weise für den<br />

Berufsfeldbezug des Angebotes gesorgt wird. Im Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

werden die Praxisanteile effektiviert und mit der Ausbildung im<br />

Studienseminar abgestimmt.<br />

5) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft entwickelt - unter Einbeziehung der<br />

einschlägigen Fachbereiche - Vorschläge für eine Neustrukturierung der<br />

Prüfungen, die das erziehungswissenschaftliche Kernstudium einschließlich der<br />

prioritären Themen angemessen berücksichtigen. Diese Vorschläge sollen auch<br />

Auskunft darüber geben, welche Studienbestandteile studienbegleitend geprüft<br />

werden können und die Möglichkeiten einer Anerkennung von Leistungen<br />

beschreiben, die außerhalb des Lehramtsstudiums erbracht wurden (siehe 9).<br />

6) Die Universität stellt sicher, dass die Mitwirkung an der Lehrerausbildung und<br />

die hochschuldidaktische Qualifizierung zukünftig zum Bestandteil jeder<br />

Stellendenomination der Fachbereiche wird, die mit Lehrerbildung befasst sind.<br />

7) Der Fachbereich Erziehungswissenschaft kann mit dem vorhandenen<br />

Personal nicht die von ihm zu erbringende Lehre bereitstellen.<br />

Daraus resultiert ein hoher Anteil von Lehraufträgen 48 . Der Fachbereich<br />

reduziert den ihm auferlegten hohen Anteil an Lehraufträgen 49<br />

zu Gunsten eines Personalaustausches bzw. gezielter Beauftragungen<br />

im Hauptamt mit dem Studienseminar, dem IfL und - vermittelt<br />

über das IfL - der Schulpraxis. An der Beseitigung bestehender<br />

48<br />

Der Fachbereich wurde im Rahmen des HSP II gehalten, zusätzliche Lehrauftragsmittel<br />

zu Steigerung der Zulassungszahlen zu akzeptieren.<br />

49<br />

Bislang rund 200 pro Semester; auch das ist bundesweit ohne Beispiel. Der<br />

Anteil macht im Schnitt 25% des gesamten Lehrangebots aus.


Neugestaltung der Organisation 93<br />

rechtlicher und organisatorischer Hemmnisse für einen solchen Personalaustausch<br />

beteiligt sich die Universität und der Fachbereich.<br />

8) Die Universität sorgt dafür, dass ein regelmäßiger Austausch auch<br />

in umgekehrter Hinsicht möglich wird, etwa indem Forschungssemester<br />

auch als Halbjahrespraktikum Anerkennung finden oder<br />

Teile des Stundendeputats von hauptamtlich Lehrenden im Schulbereich<br />

unter Voraussetzung gemeinsamer Projekte absolviert<br />

werden können.<br />

9) Die Universität stellt sicher, dass der Anteil der Lehramtsstudenten sich in<br />

einer angemessenen anteilsmäßigen Verwendung der sachlichen und<br />

personellen Ressourcen der Fachbereiche niederschlagen kann.<br />

10) Die Universität beteiligt sich an der Leitung der Lehrerbildung in<br />

angemessener Form.<br />

Die übrigen Leistungsvereinbarungen bzw. zu übernehmenden Teilaufträge und<br />

Verbindlichkeiten in der Koordination erfolgen auf Grund einer Aufgabenmodifikation.<br />

Hier ist insofern nicht von autonomen Institutionen auszugehen, die etwa gleichermaßen<br />

wie die Universität mit BWF und BSJB über ihre Beiträge „verhandeln“. Das gilt nicht<br />

für die Vereinbarungen zwischen Universität und Studienseminar. Die <strong>Kommission</strong><br />

empfiehlt die rechtliche Abklärung <strong>dieser</strong> Strategie.<br />

7.3. Evaluation<br />

Unter „Evaluation“ kann nach dem heutigen Stand der Diskussion im Blick auf Schule,<br />

Schulentwicklung und Lehrerbildung mindestens das Folgende verstanden werden:<br />

1) interne Beratungen des Kollegiums,<br />

2) externe Beratungen der Schule,<br />

3) empirische Datenerhebungen für einzelne Schulen.


94 Neugestaltung der Organisation<br />

Interne Evaluationen unterscheiden sich von normaler Kommunikation<br />

innerhalb und außerhalb einzelner Schulen durch größere Formalisierung,<br />

also festgelegte Ziele, definierte Standards und präzisierte<br />

Verfahren. Die Schule beschreibt sich regelmäßig selbst und dies folgenhaft.<br />

Interne Beratungen sind ziel- und lösungsorientiert. Vielfach<br />

aber stoßen sie an Grenzen der Kollegialität oder verfügen nicht über<br />

ausreichend Potenziale der Problemlösung. Daher sind externe Beratungen<br />

notwendig, etwa solche der veränderten Schulaufsicht. Beratungsteams<br />

evaluieren Schulen in regelmäßigen Abständen nach genauen<br />

Kriterien und Verfahren. Die Schulen erhalten Stärke/Schwäche-Profile<br />

und einen darauf abgestimmten Entwicklungsauftrag.<br />

Diese Form der Expertenbeurteilung von Außen erweckt Serviceerwartungen,<br />

so dass Beratungs- und Entwicklungsdienste aufgebaut<br />

werden müssen.<br />

Davon sind empirische Evaluationen zu unterscheiden. Sie sind<br />

derzeit zweifach möglich, als Datenerhebungen für einzelne Schulen<br />

und als vergleichende Leistungsmessungen von Typ TIMMS oder<br />

PISA. Die Einzelerhebungen betreffen spezifische Probleme und Reformvorhaben,<br />

die sich nicht ohne fremderhobene Daten beurteilen<br />

lassen. Die Forschung ist in dem Sinne nicht repräsentativ, als einzelne<br />

Schulen beschrieben werden, was Vergleiche zwischen einzelnen<br />

Schulen nicht ausschließt. Größere Erhebungen sind repräsentativ, allerdings<br />

ist mit der Größe der Erhebung das Problem verbunden, den<br />

Einzelfall kaum noch erfassen zu können. Daher muss der Zweck der<br />

Erhebung unterschieden und die Erwartungen auf den Zweck ausgerichtet<br />

werden.<br />

Die heutige Praxis der Schulevaluation hat sich nicht aus der Lehrerausbildung<br />

entwickelt. Maßgebend für die Gestaltung waren behördliche<br />

Aufträge und schulpraktische Erfordernisse, die bis heute<br />

wesentlich von der Fort- und Weiterbildung organisiert werden. Die<br />

Idee ist, Schulen und überhaupt Bildungsorganisationen stärker an<br />

Leistungsvereinbarungen zu binden und diese Vereinbarungen besser<br />

zu kontrollieren. Zu diesem Zweck sind Datenerhebungen, insbesondere<br />

auch Erhebungen von Fremddaten, unerlässlich. Ausgehend von<br />

diesem Befund sind Evaluationen, aus Sicht der <strong>Kommission</strong>, auf allen<br />

vier genannten Ebenen ein wesentliches Steuerungsinstrument der<br />

Zukunft. Dies gilt umso mehr, wenn


Neugestaltung der Organisation 95<br />

tatsächlich die Schulautonomie erhöht wird, also Schulen eigene Budgets<br />

erhalten, ihr Personal einstellen können und curricular wie zeitlich<br />

eine größere Flexibilität entwickeln. Derartige Ziele setzen fortlaufende<br />

interne Anpassungen voraus, erzeugen einen hohen externen<br />

Beratungsbedarf und sind ohne regelmäßige Datenerhebungen nicht<br />

kontrollierbar.<br />

Aus diesen Gründen muss „Evaluation“ im Rahmen von Schulund<br />

Organisationsentwicklung zu einem vorrangigen Thema der<br />

Lehrerbildung werden. Wenn die Lehrkräfte nicht gelernt haben, wie<br />

Evaluationsdaten und -instrumente sinnvoll einzusetzen sind, werden<br />

Schulen davon nicht profitieren. Davon zu unterscheiden ist die<br />

Evaluation der Lehrerbildung selbst. Für sie gilt ein ähnlicher Befund<br />

wie für die Schule: Evaluationen sind heute weder erprobt noch<br />

üblich. Die Entwicklung ist zaghaft, auch weil die universitäre Seite<br />

bislang nicht über verbindliche Standards verfügt. Die für 2000/2001<br />

vorgesehenen Expertenbegehungen in einigen Bundesländern betreffen<br />

bestimmte Fächer und Teilaufträge, nicht die Lehrerbildung insgesamt<br />

50 . Empirische Datenerhebungen über Expertenbegehungen und<br />

<strong>Kommission</strong>sarbeit hinaus sind bislang nicht vorgesehen. Das entspricht<br />

dem historischen Bild: Die Lehrerbildung ist in Deutschland<br />

nie vergleichend und extern evaluiert worden.<br />

Die heutige zersplitterte Lehrerbildung ist auf Leistungsbeschreibungen<br />

noch weniger eingestellt als das Schulfeld, das seit Mitte der<br />

Neunzigerjahre begonnen hat, die Instrumente und Formen der Evaluation<br />

zu nutzen. Die Lehrerbildung dagegen hat<br />

kein gemeinsames Leitbild,<br />

kein abgestimmtes Profil,<br />

keine darauf bezogenen Zielsetzungen,<br />

keine regelmäßigen Datenerhebungen und<br />

kein oder nur ein schwaches Bewusstsein der Notwendigkeit.<br />

50<br />

Expertenaufträge gibt es inzwischen in Niedersachsen (Zentrale Evaluationsund<br />

Akkreditierungsagentur Hannover), Bayern (Wissenschaftsministerium)<br />

und Berlin (Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur).


96 Neugestaltung der Organisation<br />

Traditionell sind akademische Ausbildungen in Deutschland nicht<br />

zielgesteuert, aber nur Ausbildungen mit klaren Zielsetzungen können<br />

evaluiert werden oder sich selbst evaluieren. „Ziele“ lassen sich unterscheiden<br />

in idealtypische Aussagen und darauf mehr oder weniger bezogene<br />

Ausbildungsprogramme. Evaluationen können den ideal formulierten<br />

Ausbildungskonsens und seine Entwicklung betreffen, aber<br />

vor allem müssen die Ausbildungsprogramme und ihre Praxis untersucht<br />

werden.<br />

Das sollte zunächst nach der Ausbildung sowie nach Fort- und<br />

Weiterbildung unterschieden werden. Eine Gesamtevaluation<br />

„Lehrerbildung“ 51 würde langfristig angelegte Datensätze voraussetzen,<br />

die derzeit nicht vorhanden sind. Die <strong>Kommission</strong> hält solche<br />

Datensätze im Sinne der längerfristigen Systembeobachtung für wünschenswert,<br />

insbesondere im Blick auf die Beteiligung der Abnehmer,<br />

also der Schulen und im weiteren des Berufsfeldes, deren Erfahrungen<br />

verstärkt in die Beurteilung der Lehrerausbildung einbezogen werden<br />

müssen.<br />

Im Blick auf die <strong>Hamburg</strong>er Verhältnisse wäre als erster Schritt erforderlich,<br />

dass die beiden Phasen der Lehrerausbildung ein gemeinsames<br />

Leitbild entwickeln, ihre Ausbildungsprogramme abstimmen<br />

und überprüfbare Ziele formulieren, die mit Evaluationsdaten korrigiert<br />

werden können. Das Gleiche gilt für die Anbieter und Institutionen<br />

der Fort- und Weiterbildung. Ist dies geschehen, müssen interne<br />

und externe Evaluationsverfahren festgelegt werden. Dafür kommen<br />

in Frage:<br />

interne und individuelle Zielüberprüfungen durch standardisierte<br />

Erhebungen, etwa vor und nach Lehrveranstaltungen,<br />

interne und kollegiale Zielüberprüfungen gemäß festgelegter Verfahren<br />

und Standards,<br />

externe Qualitätseinschätzungen durch Experten der gleichen Fächer<br />

oder Phasen,<br />

externe Datenerhebungen,<br />

vergleichende externe Datenerhebungen.<br />

51<br />

Alle Phasen und Anbieter.


Neugestaltung der Organisation 97<br />

Weil Lehrerbildung auf ein praktisches Berufsfeld abzielt, sind Transferdaten<br />

wesentlich. Transferdaten sind von Zufriedenheitserhebungen<br />

einzelner Veranstaltungen oder bestimmter Personen, bzw. Kohorten zu<br />

unterschieden. Die Evaluation bezieht auf die Verwendung des Ausbildungswissens<br />

und im weiteren der Ausbildungserfahrung im anschließenden<br />

Berufsfeld. Diese Erhebungen haben besondere Bedeutung, weil<br />

das Angebot der Ausbildung nur dann einen realistischen „Praxisbezug“<br />

hat, wenn im Sinne der <strong>Kommission</strong>sempfehlung die Absolventen und<br />

Abnehmer die Effekte beurteilen. Nur so sind folgenreiche Korrekturen<br />

der Ausbildungsideale und der damit verbundenen Programme möglich.<br />

Konkret heißt das,<br />

Absolventen, die eine Lehrerstelle erhalten, auf die Effekte der Ausbildung<br />

hin zu befragen,<br />

diese Befragungen zu wiederholen,<br />

sie mit berufserfahrenen Lehrkräften zu vergleichen und<br />

zugleich diejenigen zu befragen, die keine oder nicht sofort eine<br />

Stelle erhalten,<br />

weil es Effekte der Ausbildung geben kann, die sich nicht auf das Berufsfeld<br />

beziehen und trotzdem Verwendung finden oder die sich auf<br />

Berufsfeld beziehen sollen, aber anderweitig genutzt werden.<br />

Eine solche Evaluationskultur setzt voraus, dass ausreichend Mittel<br />

vorhanden sind, eine fortlaufend gesicherte Organisation zur Verfügung<br />

steht und Entwicklungsarbeit geleistet werden kann. Zu diesem Zweck<br />

müssen Verlagerungen und Umwidmungen vorgenommen werden. Die<br />

<strong>Kommission</strong> empfiehlt den Aufbau einer Evaluationsagentur, die sich<br />

mit einer Grundausstattung durch öffentliche sowie zusätzliche private<br />

Drittmittel finanziert 52 . Diese Agentur übernimmt die Projektentwicklung<br />

„Evaluation der Lehrerbildung“ 53 , entwickelt also Vorschläge für<br />

Leitbilder, Leistungs-<br />

52<br />

Wie das Kompetenzzentrum für Evaluationsforschung und Leistungsmessung<br />

der Universität Zürich.<br />

53<br />

Nur mit einer solchen Agentur ist zu gewährleisten, dass nicht jede Institution<br />

der Lehrerbildung eigene und für sie günstige Formen der Evaluation entwikkelt.<br />

Außerdem ist nur so eine gemeinsame Vorgehensweise und Terminologie<br />

möglich.


98 Neugestaltung der Organisation<br />

profile, Zielkataloge und Kontrollformen der beiden großen Bereiche<br />

Lehrerausbildung sowie Fort- und Weiterbildung. Die Vorschläge müssen<br />

dann im abgestimmten Konsens realisiert werden. Die Durchführung der<br />

externen Evaluationen muss als Außenauftrag vergeben werden. Dagegen<br />

können alle einschlägigen Lehrangebote von der Evaluationsagentur<br />

übernommen werden. Außerdem kann die Evaluationsagentur einen Teil<br />

der Servicedienste übernehmen, nämlich zusammen mit Studierenden<br />

Evaluations- oder Entwicklungsarbeit leisten.<br />

7.4. Personalentwicklung<br />

Fortschritte und Veränderungen in der Lehrerbildung verlangen besondere<br />

Maßnahmen im Bereich der Personalentwicklung. Die allgemeine<br />

These der <strong>Empfehlungen</strong> muss in dreifacher Hinsicht spezifiziert<br />

werden. „Personalentwicklung“ ist kein Prozess linearer Graduierung,<br />

daher kann von den Problemen des Personals der Ausbildung<br />

nicht auf solche des Lehrpersonals in den Schulen oder des Personals<br />

der Bildungsverwaltung geschlossen werden. Zweitens müssen die je<br />

besonderen Kontexte und Interessen in Rechnung gestellt werden.<br />

Das Lehrpersonal der Ausbildung agiert in spezifischen Situationen<br />

und unter spezifischen Anforderungen, die sich nicht mit einer einfachen<br />

Analogie zur Schulpraxis erfassen lassen 54 . Schließlich verlangen<br />

die Karrierebedingungen Wechsel zwischen verschiedenen Systemen,<br />

die sich – wie Wissenschaft und Praxis – nicht einfach von<br />

selbst aufeinander beziehen.<br />

Unter diesen Voraussetzungen macht die <strong>Kommission</strong> Aussagen in<br />

drei Bereichen:<br />

1) Anreizsysteme in der Lehrerbildung,<br />

2) Qualifikation, Mobilität und Austausch des schulischen Personals<br />

und<br />

3) Personalentwicklung im Ausbildungsbereich.<br />

54<br />

Etwa auf der Linie, dass alle Lehrkräfte unterrichten und allein aus diesem<br />

Grunde über größtmögliche Gemeinsamkeiten verfügen.


Neugestaltung der Organisation 99<br />

Die Anreizsysteme werden zunächst allgemein bestimmt, auch um die<br />

verschiedenen Kontexte angemessen berücksichtigen zu können. Danach<br />

werden unter der Voraussetzung der aktuellen Schul-entwicklung<br />

besondere Anreize für das schulische Personal dargelegt, soweit diese<br />

mit Ausbildung und Ausbildungsbelohnung zu haben. Schließlich gibt<br />

die <strong>Kommission</strong> <strong>Empfehlungen</strong> über die Entwicklung des Personals der<br />

Ausbildung ab, wobei sie sich wesentlich auf die zweite und dritte Phase<br />

konzentriert. Hier besteht der größte Handlungsbedarf.<br />

7.4.1. Anreizsysteme in der Lehrerbildung<br />

Unter „Anreizsysteme“ kann verstanden werden die Motivation und<br />

Belohnung von Leistungen. Die Lehrerbildung kennt in der jetzigen Organisation<br />

verschiedene Anreizsysteme mit ganz unterschiedlichen<br />

Funktionen und Möglichkeiten. Der Charakter der Anreize ist allerdings<br />

nicht spezifisch für die Lehrerbildung, sondern ergibt sich aus den Besonderheiten<br />

der an der Lehrerbildung 55 beteiligten Institutionen und<br />

Phasen. Dabei sind zu unterscheiden<br />

Wissenschaft und Forschung,<br />

Universität,<br />

Studienseminar,<br />

Fort- und Weiterbildung,<br />

Selbststudium.<br />

Wissenschaft und Forschung bieten starke Anreizsysteme, etwa in kompetitiver<br />

und zunehmend internationaler Projektförderung, in der nach<br />

Rang gestuften Kommunikation, in der Belohnung von Originalität, der<br />

Kritik der wissenschaftlichen Leistungen und Ähnlichem mehr. Auch<br />

die Universität bietet Anreize, denkt man an die Muster von Karrieren,<br />

die Belohnung verschiedener Rufe oder den Rang bestimmter Institute.<br />

Hohe Qualifikationen werden mit großen Freiheiten belohnt, etwa solche<br />

der Themenwahl, der Zeitgestaltung oder der Unabhängigkeit des<br />

Urteils. Maßgeblich<br />

55<br />

Einschließlich Fort- und Weiterbildung.


100 Neugestaltung der Organisation<br />

dafür ist die scientific community, also weder ein bestimmter Auftrag<br />

noch eine spezifische Erwartung.<br />

Außerhalb der Universität und im Blick auf Lehrerbildung gibt es<br />

den Anreiz der Stelle oder des besonderen Auftrages. Die Unkündbarkeit<br />

der Beamtenstelle ist ein hoher, wenngleich nur schematisch genutzter<br />

Anreiz, der die zunehmenden und ungleich verteilten Belastungen<br />

nicht ausgleicht. In der Fortbildung werden oft mehr oder weniger<br />

attraktive Aufträge erteilt, dies in zunehmend kompetitiver Form, ohne<br />

ein geeignetes System an Anreizen zur Verfügung zu haben, das zur<br />

ständigen Fortbildung anhalten würde. Die Weiterbildung für neue<br />

Schulfächer oder erweiterte Schulstufen ist ein traditionell starker Anreiz,<br />

der allerdings zu wenig genutzt wird. Anreize zum Selbststudium<br />

56 über das individuelle Pflichtgefühl hinaus bestehen nicht.<br />

Die Lehrerbildung hat faktisch keine eigenen Anreizsysteme. Sie<br />

benutzt die vorhandenen Systeme etwa der wissenschaftlichen Karrieren<br />

oder der eher flachen Schullaufbahnen, ohne sie in ihrem Sinne<br />

beeinflussen zu können. Für besondere Leistungen in der Lehrerbildung<br />

wird niemand besonders belohnt, das Engagement einzelner<br />

Personen wird nicht sichtbar, irgendeine Entwicklungsperspektive, die<br />

Leistungen anreizen würde, besteht nicht. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />

den Aufbau und die Erprobung einer solchen Perspektive. Sie umfasst<br />

Anreize auf verschiedenen Niveaus und in unterschiedlichen Funktionen.<br />

Zu unterscheiden wären etwa<br />

materielle Belohnungen, etwa Prämien als Lohnzulage für besondere<br />

Leistungen,<br />

symbolische Belohnungen, etwa die Herausstellung besonders erfolgreicher<br />

Ausbildungsformen oder die Auszeichnung einzelner<br />

Lehrender 57 ,<br />

inhaltliche Anreize,<br />

Anreize in der Karrieregestaltung.<br />

56<br />

Etwa fortlaufende Lektüre fachwissenschaftlicher oder fachdidaktischer Zeitschriften.<br />

57<br />

Wie Teacher of the Year.


Neugestaltung der Organisation 101<br />

Weiter muss unterschieden werden zwischen Anreizen der Lehrerbildung,<br />

solchen der Schul- und Personalentwicklung sowie Anreizen,<br />

die Lehrerbildung mit Schul- und Personalentwicklung verknüpfen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist zunächst auf inhaltliche Aspekte. Dabei<br />

sollten mindestens die folgenden Punkte berücksichtigt werden:<br />

1) Anreiz von spezifischen Forschungen im Umkreis des Leistungsauftrages<br />

„Lehrerbildung“.<br />

2) Aufbau von Servicefunktionen der Forschung.<br />

3) Verzahnung von Leistungsauftrag und Schulentwicklung.<br />

4) Präzisierung der Qualitätsansprüche für das Ausbildungspersonal.<br />

5) Anreiz von berufslangem Lernen.<br />

6) Maßnahmen zur Qualitätssicherung.<br />

Wissenschaftliche Disziplinen sind Teil der Lehrerbildung, allerdings<br />

oft nur im Sinne eines Auftrags in der Lehre. Der Leistungsauftrag<br />

„Lehrerbildung“ besagt deutlich mehr, nämlich den Anreiz spezifischer<br />

Forschungen, die im Curriculum der Lehrerbildung Anwendung<br />

finden können. Denkbar sind Forschungen<br />

im Bereich der Wissensdynamiken einzelner Disziplinen und<br />

Schulfächer,<br />

zur Entkoppelung von Schulwissen und wissenschaftlichem Wissen<br />

(Spezialisierungsfolgen),<br />

zum Erwartungsaufkommen der Gesellschaft gegenüber Schule<br />

und Bildung,<br />

über Erzeugung und Abschleifen der Berufsmotive,<br />

zum Verhältnis und zu den Entwicklungsaussichten einzelner<br />

Lehrämter,<br />

über Erfahrungen mit Lehrerbildungsreform.<br />

Soll die Ausbildung einen Forschungsbezug erhalten, dann ist das nur<br />

möglich, wenn spezifische Forschung angereizt wird. Andernfalls<br />

wiederholt sich das Beliebigkeitsproblem. Die Forschung muss in<br />

Teilen so spezifisch gehalten werden, dass sie für die Bearbeitung<br />

praktischer Probleme anschlussfähig ist. Dazu dient auch der Aufbau<br />

von Servicefunktionen, etwa im Bereich der Schulevaluation oder der<br />

Bildungsberatung. Forschung muss einerseits angefordert


102 Neugestaltung der Organisation<br />

werden können, andererseits bei Anfragen zur Verfügung stehen 58 ,<br />

aber ein solcher service publique entsteht nicht von selbst, sondern<br />

muss als besondere Herausforderung der Lehrerbildung verstanden<br />

werden, für die ausreichend Anreize zur Verfügung stehen.<br />

Wenn die Ausbildung 59 etwas Signifikantes zur Schulentwicklung<br />

beitragen soll, muss sie sich auf Schule (und nicht lediglich auf Lehrpersonen)<br />

beziehen können. Ausbildung wäre so Teil der Personalentwicklung.<br />

Vor allem die Fortbildung der Berufspersonen ist vielfach<br />

beliebig und zu wenig auf die Bedürfnisse der Schul-entwicklung<br />

bezogen. Die erhöhte Schulautonomie verlangt eine fortlaufende<br />

Schulung des Personals nach Anforderungen der Einzelschule, die ein<br />

je bestimmtes Kontingent an Ausbildung für ihre Zwecke abrufen<br />

können muss. Für den Aufbau solcher Assessment Center 60 , die sehr<br />

flexibel auf Nachfrage reagieren, bedarf es besonderer Anreize. Die<br />

bisherigen Formen der nur thematisch spezifischen Kurssysteme müssen<br />

überprüft werden zu Gunsten eines nachfrageorientierten Verhaltens.<br />

Einerseits kann Ausbildung auf Probleme des Feldes bedürfnisgerecht<br />

reagieren, andererseits können derartige Zentren mit ihren<br />

Angeboten Nachfrage auch selbst erzeugen. Dabei spielt auch die Kooperation<br />

mit Universität und Studienseminar sowie weiteren Anbietern<br />

eine Rolle. Sie ist nicht erprobt und muss mit besonderen Anreizen<br />

entwickelt werden.<br />

Das Ausbildungspersonal der ersten Phase wird akademisch rekrutiert,<br />

die zweite Phase rekrutiert ihr Personal aus der Praxis der jeweiligen<br />

Lehrämter, die Fort- und Weiterbildung vergibt überwiegend<br />

Lehraufträge, für die Berufseingangsphase ist bislang kein spezifisch<br />

ausgebildetes Personal vorhanden. Die Qualitätsanforderungen sollten<br />

für die Phasen möglichst einheitlich und vergleichbar gehalten werden.<br />

Es müssen Anreize geschaffen werden, das Personal der zweiten<br />

Phase besonders zu qualifizieren, ähnlich müssen die Aufträge der<br />

Fort- und Weiterbildung an besondere Personalprofile gebunden werden.<br />

58<br />

In Form eigener Projekte oder als Datenbank.<br />

59<br />

Alle Phasen.<br />

60<br />

Ausbau des IfL in <strong>dieser</strong> Richtung.


Neugestaltung der Organisation 103<br />

Der wichtigste Ausbildungseffekt muss im Anreiz berufslangen Lernens<br />

gesehen werden. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier den zentralen Paradigmenwechsel:<br />

„Lehrerbildung“ ist permanente Ausbildung, aber dafür<br />

gibt es weder geeignete Organisationsformen noch überzeugende<br />

Programme. Weder die Anstellungsbedingungen noch die Ausbildungsverhältnisse<br />

sind auf ständiges und belohntes Weiterlernen eingestellt.<br />

Auch die Lehrkräfte verstehen sich überwiegend nicht als<br />

ständige Lerner, die ihr Können unablässig weiterentwickeln müssen<br />

und so auf je neue Problemlagen in ihrem Feld reagieren können. Zur<br />

Entwicklung von Einstellungen und Organisationsformen berufslangen<br />

Lernens, schlägt die <strong>Kommission</strong> vor, das IfL zum Assessment<br />

Center auszubauen. Das Center soll in enger Kooperation mit Universität<br />

und Studienseminar für neue Angebote permanenter Fortbildung<br />

sorgen. Von der Nachfrage nach solchen Angeboten wird die Schulentwicklung<br />

wesentlich abhängen. Daneben müssen Rotationen angereizt<br />

werden, Aufenthalte der Lehrkräfte an anderen Schule oder im<br />

Ausland, die mit Ausbildungsaufträgen verbunden sind. Zuständig dafür<br />

sind die erweiterten Schulleitungen, die gezielt und langfristig<br />

Personalentwicklung betreiben können (und müssen). Das Instrument<br />

der Abordnungen wäre weiterzuentwickeln, insbesondere in Verbindung<br />

mit Forschungsprojekten.<br />

Auch Qualitätssicherung in der Lehrerbildung muss sich lohnen.<br />

Es gibt damit kaum Erfahrungen, auch weil bislang erhebliche Unklarheit<br />

darüber besteht, was als Qualität der Lehrerbildung angesehen<br />

werden soll und was nicht. Die von der <strong>Kommission</strong> vorgeschlagenen<br />

Maßnahmen wie Entwicklung eines Kerncurriculums, Abstimmung<br />

der Angebote, enge Kooperation zwischen den Phasen oder<br />

Veränderung des Prüfungswesens sind geeignet, das Qualitätskonzept<br />

präziser zu fassen. Die Qualitätssicherung braucht aber auch eine spezifische<br />

Organisation, also Verfahren der Kommunikation, den Aufbau<br />

von Feedback-Systemen im unter 7.3 genannten Sinne, bestimmte<br />

Zyklen der Datenerhebung und der Rückmeldung ins Kollegium,<br />

Aussprachen über die Erfahrungen und Kontrolle der Ziele. Soll das<br />

entwickelt werden, müssen Anreize bestehen.


104 Neugestaltung der Organisation<br />

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung<br />

des Personalaustausches zwischen den Phasen. Neben dem<br />

bisher Gesagten verweist die <strong>Kommission</strong> auf folgende Notwendigkeiten:<br />

1) Der Austausch muss grundsätzlich in beide Richtungen möglich<br />

sein, von den Phasen der Ausbildung zur Praxis und umgekehrt.<br />

2) Abordnungen müssen sich mit bestimmten Aufträgen und Qualifizierungsleistungen<br />

verbinden.<br />

3) Innerhalb der Phasen müssen neue Möglichkeiten der Kooperation<br />

und Rotation geschaffen werden.<br />

4) Der Personalaustausch muss als Teil koordiniert und zielgerecht<br />

entwickelt werden.<br />

5) Für neue Formen muss es Erprobungsphasen und anschließende<br />

Generalisierungen geben.<br />

Im Einzelnen hält die <strong>Kommission</strong> fest: In der Universität muss es<br />

Anreize geben, sich speziell für die Belange der Lehrerbildung zu engagieren.<br />

Über das zur Forschung Gesagte hinaus ist etwa denkbar,<br />

dass die Praxisabordnung von Dozenten bei der Mittelzuweisung Berücksichtigung<br />

findet. Entsprechend müssen die Kennzahlen verändert<br />

werden. Von nachhaltiger Bedeutung sind Austauschprojekte in<br />

den Fachwissenschaften, die bisher weitgehend unüblich sind und besonders<br />

angereizt werden müssen. Bei der Abordnung von Lehrkräften<br />

an die Universität sind Karriereschritte durch akademische Qualifizierungen<br />

zu berücksichtigen. Dabei ist auch Wert auf den wechselseitigen<br />

Nutzen zu legen, etwa mit Evaluationsprojekten, die der Forschung<br />

und der Schulentwicklung zugute kommen. Rotationen erhöhen<br />

die Attraktivität des Lehrerberufs, insbesondere dann, wenn sie<br />

mit persönlichen Qualifizierungen verbunden sind, die sich materiell<br />

wie symbolisch auswirken.<br />

Die Personalgestaltung der außeruniversitären Phasen der Lehrerbildung<br />

stellt ein spezifisches Problem dar, auf das unter 7.5. näher<br />

eingegangen werden soll. An <strong>dieser</strong> Stelle verweist die <strong>Kommission</strong><br />

darauf, dass die Besetzung von Stellen und die Vergabe von Aufträgen<br />

im Lehrerbildungsbereich an Qualifikationen und Standards gebunden<br />

werden muss.


Neugestaltung der Organisation 105<br />

7.4.2. Qualifikation, Mobilität und Austausch des<br />

schulischen Personals<br />

In den nächsten Jahren wird sich an den <strong>Hamburg</strong>er Schulen ein Generationswechsel<br />

vollziehen. Etwa 30 % der Lehrerinnen und Lehrer<br />

sind derzeit 55 Jahre und älter, zwei Drittel aller Lehrkräfte muss in<br />

den kommenden 15 Jahren ersetzt werden, allein bis zum Jahr 2006<br />

werden pro Jahr durchschnittlich um die 800 Lehrkräfte ausscheiden.<br />

Hieraus ergeben sich sowohl in quantitativer als auch in qualitativer<br />

Hinsicht hohe Anforderungen an die Lehrerausbildung. Die <strong>Kommission</strong><br />

misst deshalb einer Veränderung der Personalentwicklung und<br />

der Gestaltung der Berufslaufbahn von Lehrkräften eine besondere<br />

Bedeutung zu. Dies gilt gleichermaßen für die Ausbildung von Lehrerinnen<br />

und Lehrern, für die Gestaltung der Berufseingangsphase und<br />

für den Einsatz von Lehrkräften an Schulen. Die für die <strong>Kommission</strong><br />

entscheidenden Prinzipien der Effizienz und die Leitziele der Professionalisierung<br />

sowie des berufslangen Lernens sind gerade auch für<br />

den Bereich der Personalentwicklung von ausschlaggebender Bedeutung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> orientiert sich für den Einsatz von Maßnahmen<br />

der Personalentwicklung an folgenden Leitzielen und Prinzipien:<br />

Schaffung von Anreizen für den Aufstieg von Lehrkräften,<br />

regelhafte Beurteilung der Lehrkräfte,<br />

vorlaufende Qualifizierung des Leitungs- und Ausbildungspersonals,<br />

Transfer von Personal zwischen den an der Lehrerbildung beteiligten<br />

Institutionen.<br />

Für die Umsetzung <strong>dieser</strong> Leitziele und Prinzipien ist die Verstärkung<br />

der Kooperation der an der Lehrerbildung beteiligten Institutionen<br />

und Personen eine notwendige Voraussetzung (vgl. Kapitel Kooperationen).<br />

Das <strong>Hamburg</strong>ische Schulgesetz hat der Stärkung der schulischen<br />

Eigenständigkeit eine Schlüsselfunktion bei der Konkretisierung und<br />

Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrags zugemessen. Der<br />

einzelnen Schule kommt die Aufgabe zu, die ihr gegebenen


106 Neugestaltung der Organisation<br />

Möglichkeiten zur eigenständigen Gestaltung von Unterricht und<br />

Schulleben aktiv und offensiv zu nutzen. Maßgebend hierfür sind die<br />

besonderen Voraussetzungen und Merkmale ihrer Schülerschaft sowie<br />

die spezifischen Gegebenheiten der Schule, ihres Bildungsauftrages<br />

und ihres regionalen Umfeldes. Die aktive Beteiligung der Schulen an<br />

der Ausbildung des Nachwuchses ist eine wichtige Aufgabe im Zusammenhang<br />

der Qualifizierung und Professionalisierung junger<br />

Lehrkräfte und im Rahmen der Sicherung der Qualität des pädagogischen<br />

Nachwuchses. Die <strong>Kommission</strong> verweist auf das unter 6.1. Gesagte.<br />

Um die aus den Anforderungen des Schulgesetzes abgeleiteten besonderen<br />

Ziele, Schwerpunkte und Organisationsformen der pädagogischen<br />

Arbeit verwirklichen zu können, bedarf es flankierender<br />

Maßnahmen und zum Teil neuer Entwicklungen im Personalbereich.<br />

Dabei zeigt sich, dass zentral geplante und gesteuerte Maßnahmen<br />

allein nicht ausreichen, um eine den konkreten Anforderungen vor Ort<br />

optimal entsprechende Qualifizierung und somit die gezielte Verstärkung<br />

des pädagogischen Personals gewährleisten zu können. Vielmehr<br />

sind die Schulen in die Planung und Durchführung der Personalentwicklung<br />

einzubeziehen. Dies gilt auch für die Ausbildung von<br />

Lehrkräften und für die Gestaltung der Berufseingangsphase. Die<br />

Formel, Schulentwicklung sei Personalentwicklung, findet in diesem<br />

Sinne die ausdrückliche Bestätigung durch die Gesetzeslage.<br />

Die im Schulgesetz verankerten anspruchsvollen und komplexen<br />

Aufgaben im Bereich von Schule, Unterricht und Schulentwicklung<br />

erfordern von Lehrerinnen und Lehrern hohe fachliche und pädagogische<br />

Qualifikationen sowie die Fähigkeit, auf veränderte Bedingungen<br />

angemessen und zielorientiert zu reagieren. Voraussetzung dafür ist<br />

die Bereitschaft, ständig weiterzulernen und die eigenen Kompetenzen<br />

weiter zu entwickeln. Die <strong>Kommission</strong> verweist nochmals auf die<br />

Notwendigkeit, die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen schon im<br />

Rahmen der Ausbildung von Lehrkräften zu verankern. Dies verlangt,<br />

dass Studierende und Referendare anhand von Konzepten der Erwachsenenbildung<br />

ausgebildet werden, da nur so eine forschende und<br />

aktive Haltung in der Berufstätigkeit von Lehrkräften aufgebaut werden<br />

kann.


Neugestaltung der Organisation 107<br />

Schulentwicklung hat in diesem Zusammenhang die strukturellen<br />

Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der Lehrerschaft ermöglichen,<br />

ihre Kompetenzen und Fähigkeiten neuen Zielen und veränderten<br />

Aufgaben fortlaufend anzupassen. Besondere Bedeutung erhalten<br />

Maßnahmen der Personalentwicklung, weil auf Grund eines unbefristet<br />

eingestellten Personalkörpers auf neue bzw. veränderte Aufgaben<br />

einerseits zwar mit neu eingestelltem Personal mit entsprechenden<br />

Qualifikationsprofilen reagiert werden kann, andererseits aber insbesondere<br />

der vorhandene Personalkörper den neuen Aufgaben entsprechend<br />

qualifiziert werden muss. Auf Grund der anstehenden Pensionierungen<br />

in den nächsten Jahren ist darüber hinaus ein hoher Ersatzbedarf<br />

an Lehrkräften und Leitungspersonal zu erwarten.<br />

Die <strong>Kommission</strong> erkennt die Notwendigkeit, die Mitverantwortung<br />

von Schulen bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern zu<br />

erweitern, um eine stärkere Mitwirkung der Schulen bei der Wahrnehmung<br />

von Aufgaben der Ausbildung von Lehrkräften und im<br />

Rahmen der Berufseingangsphase zu sichern. Die Steuerung der Qualifizierung<br />

von Lehrkräften, die im Rahmen der Ausbildung von Referendaren<br />

eingesetzt werden (Mentoren), sollte in einer stärkeren Kooperation<br />

zwischen Schule und Studienseminar weiterentwickelt werden.<br />

Die Mentorenausbildung sollte von den Schulen unterstützt und<br />

als vorlaufende Qualifizierungsmaßnahmen zwischen Schulen, Studienseminar,<br />

IfL und Universität abgestimmt werden. Die Tätigkeit<br />

als Mentor sollte durch karriereförderliche Maßnahmen und ein System<br />

von Anreizen in ihrer Bedeutsamkeit herausgehoben werden.<br />

Die Erkenntnis, dass weder die Lehrkräfte als „Einzelkämpfer“<br />

noch die zentrale Schulverwaltung, sondern vielmehr die einzelne<br />

Schule das Zentrum und der „Motor“ der Schulentwicklung ist, hat in<br />

den zurückliegenden Jahren zu Konsequenzen geführt, die auch in anderen<br />

Organisationsbereichen zu beobachten sind: Detailsteuerung<br />

durch die Zentrale wird tendenziell durch Ziel- und Rahmenvorgaben<br />

abgelöst, deren konkrete Ausfüllung nach den jeweiligen Anforderungen<br />

und Kompetenzen vor Ort geschieht. Die Herausbildung eines<br />

spezifischen, der jeweiligen Schülerschaft angemessenen und dem<br />

jeweiligen Bildungsauftrag entsprechenden


108 Neugestaltung der Organisation<br />

Profils bringt auch im Personalbereich spezifische Anforderungen mit<br />

sich, die nur vor Ort eingelöst werden können: Identifizierung entsprechender<br />

Kompetenzen im Kollegium, gezielte Personalauswahl,<br />

Teambildung, Entwicklung von gemeinsamen Qualifizierungssequenzen,<br />

Übertragung besonderer Funktionen auf einzelne Lehrkräfte,<br />

Gewinnung von außerschulischen Kooperationspartnern. Demgemäß<br />

wird künftig der einzelnen Schule – der Schulleitung und dem Kollegium<br />

– eine besondere Rolle bei der Personalentwicklung zukommen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> hat sich in einer Anhörung über das Personalentwicklungskonzept<br />

der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung<br />

informiert. Sie unterstützt das vorgestellte Konzept und die skizzierten<br />

Maßnahmen ausdrücklich. Die <strong>Kommission</strong> hält im Rahmen<br />

einer Reform der Lehrerbildung folgende Punkte für unverzichtbar,<br />

die im Zusammenhang mit der Personalentwicklung nochmals hervorgehoben<br />

werden sollen:<br />

eine insgesamt stärker am Berufsfeld und seine Entwicklung ausgerichtete<br />

Ausbildung,<br />

eine Qualitätssorge für die Betreuungsarbeit von Referendaren in<br />

den Schulen,<br />

eine verbesserte Organisation und Berechenbarkeit der schulischen<br />

Personalversorgung und<br />

eine Einstellungspolitik der Behörde, die Anforderungen der Einzelschulen,<br />

insbesondere deren Qualifizierungsprofile, systematisch<br />

berücksichtigt.<br />

Der letzte Punkt ist von ausschlaggebender Bedeutung. Er bedeutet<br />

einen tatsächlichen Paradigmenwechsel, der Rückwirkungen hat auf<br />

die Ausbildung insgesamt. Wenn einzelne Schulen nach ihrem Bedarf<br />

Lehrkräfte einstellen, mindestens aber bei Einstellung ihre Belange<br />

nachhaltig geltend machen können, impliziert das eine Abkehr der<br />

bisherigen Verteilung nach statistischem Bedarf und Notendurchschnitt.<br />

Der akute und auf die individuelle Entwicklung hin berechnete<br />

schulische Bedarf wird zum zentralen, wenn nicht ausschlaggebenden<br />

Einstellungskriterium, was die Einführung von Qualifikationsnachweisen<br />

über den Notenschnitt hinaus unabdingbar werden<br />

lässt. In diesem Zusammenhang sollte auch


Neugestaltung der Organisation 109<br />

Zusatzqualifikationen zu prioritären Themen eine angemessene Bedeutung<br />

zukommen. Der Ausbildungsort Schule kann nur dann gestärkt<br />

und mit der Einstellungspraxis verknüpft werden, wenn das<br />

Prüfungswesen darauf eingestellt ist. Die <strong>Kommission</strong> plädiert aus der<br />

Perspektive einer Stärkung des Ausbildungsortes Schule für eine<br />

deutlichere Profilierung von Lehramtsstudiengängen und die Verzahnung<br />

der beiden Staatsexamina durch die Einführung einer gemeinsamen<br />

Kreditierung von Prüfungsleistungen (siehe 9).<br />

Aufgabe der Schulverwaltung ist es, die strukturellen Voraussetzungen<br />

zu schaffen, die den Schulen eine stärkere Eigenverantwortung<br />

im personellen Bereich sowie Maßnahmen der Personalentwicklung<br />

ermöglichen, und dafür geeignete Unterstützungsleistungen<br />

anzubieten. Die Einführung eines credit-point-system soll Vergleichbarkeiten<br />

im Leistungsprofil von Lehrerinnen und Lehrern herstellen,<br />

die aussagekräftiger sind als die herkömmlichen Noten von<br />

Staatsexamina. Bei Maßnahmen der Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung<br />

schlägt die <strong>Kommission</strong> analoge Verfahren der Kreditierung vor.<br />

Darüber hinaus empfiehlt sie die Stützung der bereits eingeleiteten<br />

Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Instituts für Lehrerfortbildung<br />

zu einem nachfrageorientierten Dienstleistungsunternehmen und<br />

Assessment Center (siehe 7.4.).<br />

Die Schulen übernehmen im Hinblick auf die Einstellungsverfahren<br />

einen Großteil der Verantwortung. Die entsprechenden Anforderungen<br />

bei der Auswahl der Lehrkräfte bzw. deren berufsbegleitender<br />

Qualifizierung, können die Schulen nur durch die Entwicklung von<br />

spezifischen, für sie dienlichen Konzepten erfüllen. Dabei müssen zugleich<br />

die Interessen des optimalen Lehrereinsatzes (Perspektive der<br />

Behörde) und die Interessen der Schulen an der Ausgestaltung eigener<br />

Profile (Perspektive der Einzelschule) berücksichtigt werden. Zur<br />

Umsetzung müssen geeignete Verfahren entwickelt werden. Die Aufgabe<br />

wiederum ist neu und verlangt Entwicklungsarbeit. Die <strong>Kommission</strong><br />

verweist auf die Notwendigkeit von entsprechenden Versuchen,<br />

die insbesondere die Verzahnung mit der Lehrerbildung betreffen.<br />

Eine integrative und zugleich dynamische Personalentwicklung im<br />

Schulwesen muss die Entwicklungsziele sowie die strategischen Aufgaben<br />

in Einklang zu bringen mit den individuellen Kompeten-


110 Neugestaltung der Organisation<br />

zen, Erwartungen und Bedürfnissen der vorhandenen und künftigen<br />

Lehrerinnen und Lehrer. Auch wenn man auf Grund der bisherigen<br />

Erfahrungen von einem grundsätzlichen Interesse und der Bereitschaft<br />

der einzelnen Lehrkraft wie auch der Schulen insgesamt an ihrer<br />

Weiterentwicklung ausgehen darf, die sich unter anderem in einer<br />

vergleichsweise hohen Beteiligung an Fortbildungsangeboten und<br />

Schulentwicklungsmaßnahmen zeigt, kann es bei den zur Verfügung<br />

stehenden bzw. geplanten Instrumenten und Maßnahmen zu Differenzen<br />

zwischen dem Einzel- und Gesamtinteresse kommen.<br />

Die erwartbaren Konflikte müssen offensiv behandelt werden, insbesondere<br />

im Blick auf Belastungsgrenzen und die pragmatische Kanalisierung<br />

der neuen Aufgaben. Für das Gelingen aller Personalentwicklungsmaßnahmen<br />

ist es wichtig, dass die Ziele klar und einsichtig<br />

sind, über ihre Umsetzung ein intensiver horizontaler wie vertikaler<br />

Austausch stattfindet und die Betroffenen bzw. ihre Vertretungsorgane<br />

zu Beteiligten werden, die sich hinter die grundsätzlichen Ziele der<br />

Schulentwicklung und so der Entwicklung der Lehrerbildung stellen<br />

können. Ziele sind oft nicht klar, vielfach werden sie unzureichend<br />

kommuniziert und oft erreichen sie die Adressaten nicht. Eine sinnvolle<br />

Personalentwicklung ist aber nur dann möglich, wenn neue Ziele<br />

nicht mit zusätzlichen und eigentlich überflüssigen Belastungen<br />

gleichgesetzt werden.<br />

Zur Erhöhung der Mobilität und zur Erweiterung der Kompetenzen<br />

der Lehrkräfte schlägt die <strong>Kommission</strong> vor, von neu eingestellten<br />

Lehrkräften in einem angemessenen Rhythmus Schulwechsel zu verlangen.<br />

Die Sicherung der Vergleichbarkeit und Qualität schulischer<br />

Arbeit und der notwendige professionelle Austausch von Erfahrungen<br />

aus Schulentwicklungsprozessen zwischen Einzelschulen erfordern<br />

eine größere und vergleichbar gehaltene Mobilität. Dabei sollten den<br />

Lehrerinnen und Lehrern Anreize für Mobilität geboten werden, die<br />

eine frühe und dauerhafte Ortsansässigkeit ausschließen. Berufliche<br />

Mobilität wird zukünftig deutlicher als bisher bei allen Beförderungen<br />

und Besetzungen von Leitungs- und Funktionsstellen ein wichtiges<br />

Auswahlkriterium sein. Um den Mobilitätsgedanken auch auf Funktionsträger<br />

auszuweiten, sollte er im Schulgesetz verankert werden. Die<br />

BSJB sollte


Neugestaltung der Organisation 111<br />

in ihren zukünftigen Maßnahmen zur Personalentwicklung der Begründung<br />

beruflicher Mobilität so viel Bedeutung beimessen, dass eine<br />

hohe Akzeptanz und Freiwilligkeit zum Wechsel des Arbeitsplatzes<br />

bei den Lehrkräften gesichert ist.<br />

Auf Grund der Altersstruktur der amtierenden schulischen Leitungskräfte<br />

werden in den nächsten Jahren in erheblichem Umfang<br />

Leitungsstellen nachzubesetzen sein. Dies gilt sowohl für Schulleitungen<br />

als auch für Haupt- und Fachseminarleitungen im Studienseminar.<br />

Demzufolge wird es wichtig, das Leitungspotenzial interessierter<br />

Lehrkräfte zu ermitteln und zu erproben. Hierbei sollten auch<br />

geeignete Lehrkräfte bereits in ihren beruflichen Anfangsjahren einbezogen<br />

werden (siehe 3.3. und 6.1). Dafür sind Qualifizierungsmaßnahmen<br />

zu entwickeln, die eine schrittweise Erprobung des Leitungspotenzials<br />

von Lehrkräften ermöglichen. Einzelne Elemente einer gezielten<br />

Nachwuchsförderung werden derzeit erarbeitet, für interessierte<br />

Leitungskräfte sind Qualifizierungsseminare bereits in der Erprobung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Erfahrungen nach Auswertung<br />

zu generalisieren und für dauerhafte Maßnahmen in der Lehrerbildung<br />

nutzbar zu machen.<br />

Die Anforderungen an schulische Leitungskräfte werden durch die<br />

Ausweitung ihres Aufgabenbereichs auf die innere und äußere Schulverwaltung,<br />

durch die Maßnahmen im Rahmen der stärkeren Eigenverantwortlichkeit<br />

der Einzelschule wie auch durch die geplanten<br />

Schritte der Personalentwicklung deutlich erhöht und erfordern zunehmend<br />

Managementkompetenzen. Es ist zu prüfen, inwiefern<br />

Strukturen schulischer Leitung zu verändern sind, damit diese ihre<br />

Aufgaben gegenüber der Lehrer-, Schüler- und Elternschaft weiterhin<br />

kompetent wahrnehmen können. Darüber hinaus sollten die bisherigen<br />

Angebote zur Qualifizierung des Leitungspersonals auf Bedarfsnähe<br />

und Effektivität hin überprüft und insgesamt ausgeweitet werden.<br />

Hier besteht in der Lehrerfort- und Weiterbildung erheblicher<br />

Handlungsbedarf. Zudem ist die Lehrerausbildung gefordert, im<br />

Rahmen des prioritären Themas „Schul-entwicklung“ Grundlagen zu<br />

liefern und Forschungsarbeit zu animieren.<br />

Dienstliche Beurteilungen haben zum Ziel, ein aussagefähiges<br />

Bild der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitar-


112 Neugestaltung der Organisation<br />

beiter zu gewinnen. Sie sind unter anderem Entscheidungsgrundlage<br />

für Maßnahmen des Personaleinsatzes und der Personalwirtschaft<br />

(zum Beispiel Übertragung höherwertiger Dienstposten, Beförderungen,<br />

die Vergabe monetärer Leistungsanreize). Die Beurteilungen<br />

können <strong>dieser</strong> Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn sie ein zutreffendes<br />

Bild der Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

zeichnen. Leistungen, Fähigkeiten und dienstliches Verhalten werden<br />

bewertet, Stärken hervorgehoben und Hindernisse in der beruflichen<br />

Entwicklung angesprochen. Die Beurteilten sollen dadurch ihren Leistungsstand<br />

besser einschätzen können und Kenntnis erhalten, in welchen<br />

Bereichen sie sich weiterentwickeln müssen. Je nach Beurteilung<br />

sind Ausbildungsmaßnahmen möglichst passgenau anzuschließen,<br />

die wiederum in die Beurteilung eingehen.<br />

Im Zusammenhang mit dem Konzept der Personalentwicklung<br />

sollte geprüft werden, ob im Rahmen der Dienstrechtsreform monetäre<br />

Leistungsanreize (schnelleres oder langsameres Aufrücken in den<br />

Leistungsstufen, Vergabe von Leistungszulagen und Leistungsprämien)<br />

möglich sind. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass im Rahmen<br />

der Personalentwicklung und der Bestimmung des Einsatzes von<br />

Lehrkräften die Beurteilungsanlässe zunehmen werden. Zu diesem<br />

Zweck sollte die BSJB die Verfahren der Personalbeurteilung überprüfen<br />

und effiziente Wege zur Stärkung der inhaltlichen Aussagekraft<br />

von Beurteilungen beschreiten. Ohne neue und flexibel gehaltene<br />

Verfahren ist eine Engführung vor Schul-entwicklung und fortlaufender<br />

Qualifizierung des Personals nicht in angemessener Weise<br />

möglich.<br />

7.4.3. Personalentwicklung im Ausbildungsbereich<br />

Es gibt für den Ausbildungskomplex Lehrerbildung keine eigene, einheitliche<br />

Ausbildung. Die Zugänge sind nicht nur hochgradig verschieden,<br />

sie sind auch im Anforderungsniveau sowie in den Funktionsbestimmungen<br />

heterogen. Habilitierte Professoren arbeiten neben<br />

abgeordneten Lehrkräften im gleichen Feld und gelegentlich sogar am<br />

gleichen Projekt. Die <strong>Kommission</strong> erkennt in


Neugestaltung der Organisation 113<br />

<strong>dieser</strong> Diversität zunächst keinen Nachteil, weil die Ausbildung vielfältig<br />

angelegt ist, in der Vielfalt ihren Vorteil hat und dann aber unterschiedliche<br />

Aufgaben zu erfüllen hat, für die es kein einheitliches<br />

Personal geben kann. Die an der Lehrerbildung beteiligten Wissenschaften<br />

haben andere Karrieremuster und Anreizsysteme als die<br />

schulpraktischen Disziplinen, ohne dass dies im Blick auf den Gesamtauftrag<br />

unverträglich wäre.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist nachfolgend auf Probleme, die sich unterhalb<br />

der in Kauf zu nehmenden und an sich vorteilhaften Heterogenität<br />

von Zugängen und Karrieren für die Personalentwicklung im Bereich<br />

der Lehrerbildung stellen. Neu ist zunächst, dass überhaupt von<br />

einer solchen Personalentwicklung gesprochen werden kann. Bislang<br />

ist das Personal beauftragt und/oder abgeordnet worden. Die Ausbildungsfunktionen<br />

wurden auf der Basis gesetzlicher Regelungen übernommen,<br />

ohne sie mit einer gezielten Personalentwicklung zu verbinden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass von einer Entwicklungsperspektive<br />

in der Lehrerbildung kaum die Rede sein kann, wenn das<br />

dazu zur Verfügung stehende Personal nicht selbst <strong>dieser</strong> Perspektive<br />

unterworfen ist. Unter <strong>dieser</strong> Voraussetzung macht die <strong>Kommission</strong><br />

Aussagen über die Personalentwicklung im universitären Bereich, im<br />

Studienseminar sowie in der Fort- und Weiterbildung.<br />

Die Personalentwicklung im Bereich von Wissenschaft und Forschung<br />

ist an die Regeln akademischer Karrieren gebunden. Die<br />

<strong>Kommission</strong> verweist in diesem Zusammenhang auf drei Probleme,<br />

die die Lehrerbildung tangieren:<br />

1) Professuren in verschiedenen Fächern, die vergleichbar an der<br />

Lehrerausbildung beteiligt sind, unterscheiden sich im Anforderungsprofil<br />

zum Teil erheblich.<br />

2) Die akademischen Belohnungssysteme sind nicht oder zu wenig<br />

auf Belange der Lehrerausbildung eingestellt.<br />

3) Der Forschungsertrag wird zu wenig für die Ausbildung genutzt.<br />

Die Tatsache, dass sich Lehrerbildung auf ein Berufsfeld richtet, hat<br />

zur Folge, dass Professuren, die dieses Berufsfeld sehr unmittelbar<br />

tangieren, etwa solche der Schulpädagogik, der Berufs- und Son-


114 Neugestaltung der Organisation<br />

derpädagogik und besonders auch der Fachdidaktik, neben den akademischen<br />

Abschlüssen und der wissenschaftlichen Publizistik Berufsfelderfahrung<br />

voraussetzen, in diesem Zusammenhang an die<br />

Staatsexamen der Lehrerbildung gebunden sind und im Falle der<br />

Fachdidaktik auch noch ein Fachstudium nachweisen müssen. Der<br />

Qualifizierungsweg ist also länger als der anderer Professuren, er hat<br />

aber den Vorteil des Systemwechsels und so der Außenperspektive,<br />

ohne dass sich das heute in der Anstellungsbewertung niederschlagen<br />

würde. Der Vorteil ist also vielfach ein Handicap, weil Berufsfelderfahrung<br />

wissenschaftssoziologisch nicht qualifizierbar ist. Der Systemwechsel<br />

von der Universität zum Berufsfeld und zurück hat bislang<br />

keinen Karrierevorteil für Professuren, ausgenommen, dass er<br />

formal abverlangt wird. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass die von<br />

ihr empfohlene verstärkte Wissenschaftsorientierung von Schul- und<br />

Berufsentwicklung sowie die besonderen Studienangebote für Lehrkräfte<br />

Synergien schaffen, die zu neuen Karrieremustern führen können.<br />

Grundsätzlich besteht das Problem der einseitigen Bewertung. Für<br />

wissenschaftliche Disziplinen gibt es einzig wissenschaftliche Anreize<br />

und Belohnungen. Die <strong>Kommission</strong> stellt dieses Prinzip nicht in Frage,<br />

verweist aber auf zusätzliche Anreize, die zum wechselseitigen<br />

Vorteil entwickelt werden müssen. Engagement in der Lehrerbildung<br />

muss sich für die Forschung lohnen, gleichzeitig müssen Forschungsprojekte<br />

verstärkt in der Ausbildung wirksam werden und müssen<br />

Forschungsergebnisse die Entwicklung des Berufsfeldes steuern. Bisher<br />

kann die Lehrerbildung mit ihrem spezifischen Praxisverständnis<br />

zu wenig mit Forschung anfangen, sie nutzt die vorhandenen Potenziale<br />

nicht ausreichend oder zu unspezifisch. Im Blick auf die Entwicklung<br />

des akademischen Personals muss verstärktes Gewicht darauf<br />

gelegt werden, von der bloßen Repräsentation von Fächern oder<br />

Teildisziplinen wegzukommen und eine projektförmige und möglichst<br />

interdisziplinäre Forschungsorganisation anzustreben. Ein Einstellungsindikator<br />

wäre Forschungserfahrung und publizistischer Erfolg<br />

in <strong>dieser</strong> Hinsicht 61 .<br />

61<br />

Bislang ist das Literaturverzeichnis im Blick auf Fächer oder Einzeldisziplinen<br />

maßgebend, dazu Gutachten und allgemeine Einschätzungen, die sich auf


Neugestaltung der Organisation 115<br />

Auf der anderen Seite wäre die Qualifizierung abgeordneter Lehrerinnen<br />

und Lehrer etwa in Dissertationsprojekten oder postgradualen<br />

Studiengängen gezielt aufzubauen.<br />

Die Lehrerbildung hat nicht nur fachwissenschaftliche Ausbildungsaufgaben.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass bereits heute<br />

für verschiedene Funktionen unterschiedliche Qualifikationen eingesetzt<br />

werden. Das Problem ist eher, die Kriterien nicht immer trennscharf<br />

zu halten, also „Forschung“ zu nennen, was nur Schulentwicklung<br />

sein kann. Ein Habitus forschendes Lernen kann sich aber<br />

nur ausbilden, wenn tatsächlich Forschungserfahrungen vermittelt<br />

werden, die den üblichen Standards entsprechen 62 . Der Lehrkörper<br />

muss auf diese Unterscheidungen ausgerichtet sein, die Organisation<br />

von Praktika, die Vermittlung erster Felderfahrungen für Studierende,<br />

die Einführung in Problemlagen des Berufsfeldes, das Management<br />

Lehrerbildung oder die Requirierung von Forschungsprojekten sind je<br />

verschiedene Aufgaben, die kein einheitliches Personal verlangen.<br />

Diese Situation ist in den Fachwissenschaften nochmals verschieden,<br />

was wiederum dafür spricht, funktionsdifferent vorzugehen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist auf folgende Probleme, die sich aus der<br />

Besonderheit der <strong>Hamburg</strong>er Situation ergeben: Bei der Besetzung<br />

von Professuren in den Fachdidaktiken und beruflichen, bzw. sonderpädagogischen<br />

Fachrichtungen wird eine ausgewiesene erziehungswissenschaftliche<br />

Qualifikation gefordert. Die Ausschreibung der<br />

Stellen erfolgt generell als „Erziehungswissenschaft unter besonderer<br />

Berücksichtigung von ...“. Das erschwert Berufungen, weil diese<br />

Qualifikationen beim entsprechenden Nachwuchs an anderen Universitäten<br />

oft nicht besonders ausgebildet sind. In den Fachwissenschaften<br />

wird vielfach das Ideal der „integrierten Ausbildung“ vertreten,<br />

das heißt die Studierenden der Lehrämter ab-<br />

Erfolgsprognosen im Fach beziehen. Die Folge davon ist, die Referenzen einzig<br />

auf das jeweilige Fach zu beziehen, also zusätzliche Kriterien wie eine besondere<br />

Form von Forschungsorganisation erst gar nicht in Betracht zu ziehen.<br />

62<br />

Das gilt entsprechend für die wissenschaftliche Begleitung von Schulentwicklung.


116 Neugestaltung der Organisation<br />

solvieren das gleiche Studienprogramm wie Diplom- oder Magisterstudierende<br />

63 . Das ist quantitativ ein Problem, weil der Stundenanteil<br />

der „Hauptfachstudierenden“ sehr viel höher liegt, es ist auch qualitativ<br />

ein Problem, weil der Berufsfeldbezug im Lehrangebot keine Rolle<br />

spielt. Das gilt auch dann, wenn die Unterrichtsfächer als Nebenfachstudium<br />

absolviert werden können 64 . Wenn es spezifische Angebote<br />

für Lehramtsstudierende gibt, dann werden sie oft von Lehrbeauftragten<br />

oder Dozenten wahrgenommen, um das hauptsächliche Fachpersonal<br />

zu entlasten. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, bei der Entwicklung<br />

von Kerncurricula in den Fachwissenschaften diese Probleme<br />

besonders zu beachten.<br />

Von Problemen des universitären Personals sind die der anderen<br />

Phasen schon aus Gründen der Anstellungsbedingungen unterschieden.<br />

Das schließt nicht aus, dass bestimmte Qualifikationen des Personals<br />

der anderen Phasen durch universitäre Ausbildungen erworben<br />

werden können. Die Praxis der bloßen Beauftragung sollte abgelöst<br />

werden durch gezielte, wenngleich differenzierte Qualifizierungsmaßnahmen,<br />

die wiederum den Ausbildungsfunktionen entsprechen<br />

müssen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Personalentwicklung am<br />

Studienseminar in ein umfangreiches und attraktives Konzept einzubinden.<br />

Für alle im Studienseminar angebotenen Lehrämter gilt,<br />

wenngleich unterschiedlich akzentuiert, dass in Zukunft nur unter erheblich<br />

veränderten Bedingungen qualifizierte Seminarleiterinnen und<br />

Seminarleiter gewonnen werden können. Derzeit gibt es für geeignete<br />

Lehrkräfte zu wenig wirkliche Anreize, eine Tätigkeit im Studienseminar<br />

anzustreben. Diese für beide Seiten unbefriedigende Situation<br />

könnte sich verschärfen, wenn die Tätigkeit des Seminarleiters befristet<br />

wird.<br />

Gerade im Hinblick auf die Personalsituation ist das Studienseminar<br />

noch kein sich entwickelndes System. Die <strong>Kommission</strong><br />

schlägt vor, bei der Personalentwicklung von folgenden Prämissen<br />

auszugehen:<br />

63<br />

Im Lehramt an der Oberstufe Allgemeinbildende Schulen stehen 60 SWS im<br />

Fach 160 SWS im Diplom gegenüber, in den übrigen Lehrämter werden 40<br />

SWS im Unterrichtsfach abverlangt.<br />

64<br />

Wie Chemie für Biologen.


Neugestaltung der Organisation 117<br />

1) Tätigkeiten für die Lehrerausbildung in Schule und Studienseminar<br />

sind herausgehobene Tätigkeiten, die spezifische Qualifikationen<br />

verlangen, welche besonders ausgebildet und honoriert<br />

werden müssen.<br />

2) Die Tätigkeit am Studienseminar ist befristet. Sie muss im Rahmen<br />

eines Personalentwicklungskonzepts für Leitungstätigkeiten<br />

einen Schritt in der persönlichen Karriereplanung des Leitungsnachwuchses<br />

darstellen.<br />

3) Die Tätigkeit am Studienseminar darf nicht als Dauertätigkeit<br />

oder berufliche Sackgasse verstanden werden noch zu beliebigem<br />

Einsatz an anderen Dienstorten führen.<br />

4) Der Einsatz der Seminarleiterinnen und Seminarleiter muss wie<br />

die Entwicklung des schulischen Personals selbst am Grundsatz<br />

der Flexibilität orientiert sein, aber mit dem besonderen Engagement<br />

müssen sich besondere Chancen verbinden.<br />

5) Vorlaufende und begleitende Qualifizierung der Seminarleiterinnen<br />

und Seminarleiter gehört zum Berufsverständnis und ist orientiert<br />

am Bedarf der Dienststelle sowie den Anforderungen des<br />

Studienseminar-Programms.<br />

Die inhaltlichen Qualifikationen müssen im Blick auf das Programm<br />

fortlaufend angepasst werden. Insbesondere müssen die Seminarleiterinnen<br />

und Seminarleiter auf die Ausbildungsprogramme der ersten<br />

Phase hin qualifiziert werden. Sie müssen imstande sein,<br />

ihre Programme auf die Kerncurricula der ersten Phase zu beziehen,<br />

die Portfolios der ersten Phase - und entsprechend die Leistungsnachweise<br />

- soweit weit wie möglich anschlussfähig zu halten,<br />

den Habitus forschendes Lernen zu fördern und<br />

davon ausgehend ein eigenes Profil der Ausbildung im Studienseminar<br />

auszubauen und zu entwickeln.


118 Neugestaltung der Organisation<br />

Die Besonderheit der Aufgaben und Leistungen zeigt sich aber erst in der<br />

Verbindung mit der Praxis. Die Seminarleiterinnen und Seminarleiter der<br />

zweiten Phase sind ein zentrales Bindeglied zwischen wissenschaftlicher<br />

und berufspraktischer Ausbildung der ersten Phase und der konkreten<br />

Berufspraxis am Ort der Schule. Diese Vermittlerfunktion können sie nur<br />

dann erfüllen, wenn sie selbst regelmäßig unterrichten und am schulischen<br />

Erfahrungsprozess teilhaben. Gegenüber der Universitätsausbildung ist dies<br />

ein Personalvorteil, der nicht preisgegeben werden darf. Daher ist für die<br />

Tätigkeit von Seminarleiterinnen und Seminarleitern sicherzustellen, dass<br />

ihr Einsatz sinnvoll ist im Blick auf die spezifischen Aufgaben des<br />

Studienseminars,<br />

der Einsatz für beide Dienstorte, Schule wie Studienseminar, in organisatorischer<br />

Hinsicht verlässlich erfolgt,<br />

Regelungen entwickelt werden, einschließlich transparenter Arbeitszeitberechnungen,<br />

die den Einsatz von Seminarleiterinnen und Seminarleitern<br />

an den beiden Dienstorten beschreiben,<br />

die Befristung der Tätigkeit im Falle der Bewährung verlängert werden<br />

kann, ohne Dauerstellen einzurichten,<br />

bei erfolgreicher Ausübung der Aufgaben der Seminarleitung als<br />

zweiter Dienstort vorübergehend auch eine Tätigkeit in der Behörde 65 ,<br />

im Institut für Lehrerfortbildung oder an der Universität möglich ist und<br />

die Arbeit an zwei Ausbildungsorten unter der Voraussetzung besonderer<br />

Qualifizierungen im Blick auf Beförderungen oder Gehaltszulagen<br />

angemessen gewürdigt wird.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, das Personalentwicklungskonzept für Schulen<br />

dahingehend zu präzisieren, dass Tätigkeiten in der Lehrerbildung als<br />

Bonusfaktor besondere Berücksichtigung erfahren. Die Behörde sollte<br />

Qualifizierungsmaßnahmen anbieten, die als Bewerbungsvoraussetzung für<br />

eine Tätigkeit am Studienseminar angesehen werden. Zu überlegen wäre,<br />

ob derartige Maßnahmen im Zuge der Weiterbildung erfolgen sollen, was<br />

nochmals die Tätigkeit am Studienseminar aufwerten würde. Mindestens<br />

ist von einem bestimmten Qualifikationsprofil „Seminarleitung Studienseminar“<br />

auszugehen, für das Ausbildung zur Verfügung gestellt wer-<br />

65<br />

BSJB (etwa in der Rahmenplanentwicklung).


Neugestaltung der Organisation 119<br />

den muss. Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, dem Studienseminar einen entsprechenden<br />

Auftrag zu erteilen, der bis Mitte 2001 vorgelegt werden soll.<br />

Gleichzeitig erhält das Studienseminar den Auftrag, Vorschläge zu entwickeln, die<br />

die Beauftragung sowie den bedarfsdeckenden Einsatz von Seminarleiterinnen und<br />

Seminarleitern an anderen Dienstorten regeln. Diese Vorschläge sollen berücksichtigen,<br />

dass die Qualität der Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren erhalten und<br />

verbessert werden kann sowie die Ausbildungs- und Prüfungsveranstaltungen<br />

organisierbar sind, ohne die Arbeit am anderen Dienstort zu beeinträchtigen. Zudem<br />

muss im Rahmen einer transparenten Arbeitszeitrechnung die Mitarbeit der<br />

Seminarleiterinnen und Seminarleiter an der konzeptionellen Weiterentwicklung des<br />

Studienseminars gesichert sein.<br />

Im Blick auf das Personal der Fort- und Weiterbildung stellt sich das Problem,<br />

angesichts heterogener Aufgaben und uneinheitlicher Anforderungen mit einem<br />

beauftragten Personal arbeiten zu müssen, das ganz unterschiedlichen<br />

Qualifikationskontexten entstammt. Die dezidierte Abnehmer- oder Kundenorientierung<br />

in der Neuorganisation des Instituts für Lehrerfortbildung wird von der<br />

<strong>Kommission</strong> ausdrücklich begrüßt. Dieses Konzept verlangt Projektarbeit mit<br />

wechselnden Teams, die imstande sind, zielgenau auf Nachfrage zu reagieren. Die<br />

Personalentwicklung des Instituts sollte vor allem auf diesen Sektor ausgerichtet<br />

werden. Das herkömmliche Kurssystem mit Lehrbeauftragten ist in vielen Fällen zu<br />

unspezifisch und zu unsicher im Transfer, als dass hier nochmals eine<br />

Personalentwicklung ansetzen sollte. Hinderlich ist auch die weitgehend<br />

unkontrollierte Dauerbeauftragung bestimmter Personen. Demgegenüber ist<br />

aussichtsreich, mit besonderen, auf den konkreten Bedarf abgestimmten Angeboten auf<br />

reale Problemlagen der Schulentwicklung reagieren zu können. Die Erfahrungen in<br />

diesem Bereich müssen für Personalentwicklung genutzt werden, wobei verstärkt auch<br />

freiberufliche Angebote berücksichtigt werden sollen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> denkt insbesondere an<br />

Teams für neue Aufgaben in der Schulaufsicht,<br />

Teams für die Verbesserung und Intensivierung schulfachbezogener<br />

Kursangebote,


120 Neugestaltung der Organisation<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Trainer für die Bewältigung spezifischer Probleme der schulischen<br />

Erziehungsarbeit,<br />

Coaching der Öffentlichkeitsarbeit von Schulen, insbesondere der<br />

Stadtteilarbeit,<br />

Personal für sozialpädagogische Serviceangebote und<br />

Beratungsangebote für die persönliche Präsentation von Lehrkräften.<br />

Das Personal für diese Aufgaben muss kurzfristig zur Verfügung stehen<br />

können, ohne auf Dauerstellen zurückzugreifen. Die Entwicklung<br />

des Instituts für Lehrerfortbildung in Richtung eines Assessment<br />

Centers verlangt mobiles Personal, das auf bewegliche Vorgaben zu<br />

reagieren versteht und entsprechend gut honoriert werden muss. Zudem<br />

sind komplexe Management-Aufgaben zu bewältigen, für die<br />

felderfahrenes Führungspersonal notwendig ist. Die <strong>Kommission</strong><br />

empfiehlt auch hier eine Anrechnung erfolgreicher Tätigkeiten auf die<br />

Karriere, soweit Aufgaben oder Projekte in der Fort- und Weiterbildung<br />

von amtierenden Lehrkräften übernommen werden. Daneben<br />

entsteht bereits heute ein freier Markt für Ausbildungsleistungen, der<br />

in Anspruch genommen werden sollte, soweit die Qualitätsstandards<br />

der Lehrerbildung dies zulassen. Das Institut für Lehrerfortbildung ist<br />

gehalten, im Rahmen der Evaluationsmaßnahmen Kriterien für Standardsicherung<br />

zu entwickeln, die zugleich als Mindestanforderungen<br />

für die Personalanstellung gelten können.<br />

7.5. Kommunikation und fortlaufende Abstimmung<br />

Die <strong>Kommission</strong> hat bereits mehrfach darauf verwiesen, dass zur<br />

Verwirklichung eines Gesamtauftrages Lehrerbildung enge Formen<br />

der Kommunikation sowie verbindliche Abstimmungen innerhalb der<br />

Universität sowie zwischen den Phasen der Lehrerbildung unabdingbar<br />

sind. Generell gilt, dass es je nach Fach und Fachdidaktik unterschiedliche<br />

Wege einer verstärkten und möglichst gleich starken Kooperation<br />

geben sollte, dass aber gleichermaßen die Einhaltung von<br />

Minimalstandards für den Informationsfluss innerhalb


Neugestaltung der Organisation 121<br />

der Universität und zwischen den drei Phasen der Lehrerbildung notwendig<br />

ist. Für verstärkte Kommunikation und Kooperation sind entsprechende<br />

Organe und Gremien zu schaffen. Grundlegend ist davon<br />

auszugehen, dass sehr heterogene Verhältnisse bestehen, die nicht<br />

einheitlich bedient oder entwickelt werden können.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt im Sinne des Berufsfeldbezuges eine<br />

starke, wenngleich nicht ausschließliche Orientierung an den Schnittlinien<br />

Fachwissenschaft,<br />

Fachdidaktik,<br />

Fachseminar zweite Phase,<br />

Schulpädagogik,<br />

Schulfächer und Aufgabengebiete und<br />

schulfachbezogene Fortbildung.<br />

Auf <strong>dieser</strong> Linie bestehen die größten Gemeinsamkeiten, insbesondere<br />

im Blick auf das Problemverständnis sowie die fachlichen Entwicklungshorizonte.<br />

Der Austausch kann Fachverständnis voraussetzen<br />

und erleichtert die Teilnahme jener Teile der Fachwissenschaften,<br />

die der Lehrerbildung bislang eher fern stehen. Außerdem sind inhaltliche<br />

Entwicklungen der Schulfächer nur dann zu erwarten, wenn die<br />

Reduzierung der Ausbildung auf Unterrichtsmethoden vermieden<br />

wird. Die <strong>Kommission</strong> wiederholt diesen wichtigen Punkt, auch weil<br />

sie der Meinung ist, dass künftige Lehrplan- sowie Lehrmittelentwicklungen<br />

den dezidierten Einsatz der Fachwissenschaften verlangen.<br />

Ohne Bindung in schulische Interessenfelder und Organisationsformen<br />

der Lehrerbildung wird das nicht möglich sein. An der Neudefinition<br />

von „Schulfächern“ müssen die Fachwissenschaften nachhaltig<br />

beteiligt werden, ihr hoher zeitlicher Anteil an der Ausbildung<br />

sollte gerade auch in <strong>dieser</strong> Hinsicht genutzt werden. Dort, wo Distanz<br />

zur Lehrerausbildung gegeben ist, sollte sie durch Einbindung<br />

und Nutzen der besonderen Kompetenzen überwunden werden. Das<br />

gelingt vornehmlich dort, wo fachliche Anschlüsse gegeben sind.<br />

Das setzt spezifische Forschung voraus, die mit Nachdruck zwischen<br />

Fachwissenschaft und Fachdidaktik entwickelt werden muss.<br />

Fachdidaktiken müssen als Forschungsdisziplinen profiliert


122 Neugestaltung der Organisation<br />

und weiterentwickelt werden. 66 Gemeinsame Projekte zwischen<br />

Fachwissenschaften und Fachdidaktiken wird es nur geben, wenn<br />

Forschungsinteressen ausgebildet werden. Die <strong>Kommission</strong> verweist<br />

auf die zum Teil bereits erwähnten, vordringlichen Forschungsthemen<br />

im Bereich<br />

der historischen Lehrplanentwicklung der einzelnen Schulfächer,<br />

der Mechanismen des Wissenstransfers zwischen Wissenschaft<br />

und Schule,<br />

des Interesses für naturwissenschaftliche Fächer und so der schulischen<br />

Steuerungsmechanismen,<br />

der Anschlüsse zwischen Schulwissen und beruflicher Verwendung,<br />

dem Verhältnis von Allgemeinbildung und fachlicher Spezialisierung,<br />

der schulstufen-, bzw. schulformangemessenen Qualifizierung der<br />

Lehrkräfte in inhaltlicher Hinsicht.<br />

Für den Bereich der Universität gilt auch, dass ein verstärkter Informationsaustausch<br />

und eine wesentlich verbesserte Kooperation zwischen<br />

Allgemeiner Erziehungswissenschaft, den Fachdidaktiken und<br />

den Fächern stattfinden muss. Hierzu gehören die Abstimmung des<br />

Lehrangebots oder der Austausch über Pilotprojekte, die eine engere<br />

Verzahnung zwischen Fachdidaktiken und Fächern oder zwischen<br />

Fachdidaktiken und erziehungswissenschaftlichen Projekten beinhalten.<br />

Zudem erscheint es als notwendig, dass auftretende Schwierigkeiten<br />

zwischen Fachdidaktiken und Fächern in regelmäßigen Abständen<br />

angesprochen und geklärt werden können. Notwendig für diese<br />

Ziele sind Treffen, die für alle Vertreter der Fachdidaktiken sowie<br />

die Beauftragten der Fächer an der Universität durchgeführt werden.<br />

Für eine stärkere strukturelle Verzahnung einzelner Fächer und<br />

Fachdidaktiken sind folgende Vorhaben anzustreben:<br />

66<br />

Übersicht in: MANGOLD/OELKERS 2000.


Neugestaltung der Organisation 123<br />

1) Für die Besetzung von Berufungskommissionen in Fachdidaktiken sollte<br />

jeweils eine Vertreterin, bzw. ein Vertreter aus den jeweiligen Fächern<br />

hinzugezogen werden. Umgekehrt sollte bei der Berufung von Professuren<br />

in den Fächern, die sich in besonderer Form der Lehrerbildung widmen,<br />

jeweils ein Mitglied aus den Fachdidaktiken in die <strong>Kommission</strong> berufen<br />

werden. Professuren in den Fächern, die einen Schwerpunkt in der Lehrerbildung<br />

haben, sollten schon in der Ausschreibung als solche zu erkennen<br />

sein.<br />

2) In das Veranstaltungsangebot sollten verstärkt kooperative Seminare<br />

aufgenommen werden. Als Gratifikation für den erhöhten Aufwand sollten<br />

die betreffenden Dozenten jeweils den Gesamtumfang der Lehre auf ihr<br />

Lehrdeputat angerechnet bekommen.<br />

3) Gemeinsame Forschungsprojekte, an denen Fachdidaktiker und Fachdidaktikerinnen<br />

sowie Vertreter der Fächer teilnehmen, sollten ausgearbeitet und<br />

in besonderer Form unterstützt werden. Hierfür kämen studentische Hilfskraftstunden,<br />

befristete Doktorandenstellen (24.3-Stellen) und Druckkostenzuschüsse<br />

für die Publikation von Ergebnissen in Betracht.<br />

4) Für eine stärkere wechselseitige Abstimmung zwischen Fächern und<br />

Fachdidaktiken sollte verbindlich festgelegt werden, dass bei der Erstellung<br />

von Studienplänen und Lehrplänen sowie für eine Überarbeitung der<br />

Lehrerprüfungsordnung jeweils Vertreterinnen und Vertreter der Fachdidaktiken<br />

und der Fächer mitarbeiten.<br />

5) Weiterhin ist anzustreben, dass sowohl für den Bereich Erziehungswissenschaft/Fachdidaktik<br />

als auch in den Fächern die Abstimmung der Kerncurricula<br />

durchgesetzt wird.<br />

Das letzte Postulat ist von grundlegender Bedeutung. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />

die Abstimmung von Kerncurricula zwischen den einzelnen Anbietern zu einer<br />

verbindlichen Aufgabe aller lehrerbildenden Fachbereiche zu machen. Für die<br />

Ausarbeitung und Realisierung eines Kerncurriculums ist ein umfassender<br />

Verständigungsprozess unerlässlich. Die <strong>Kommission</strong> sieht es aber als möglich<br />

an, in zwei Jahren zur Einrichtung abgestimmter Kerncurricula


124 Neugestaltung der Organisation<br />

der Lehrerbildung zu gelangen. Die Kerncurricula bilden eine wesentliche<br />

Grundlage für die Anschlussfähigkeit der nachfolgenden Phasen.<br />

Für eine stärkere Kooperation zwischen den drei Phasen sind weitere<br />

Maßnahmen notwendig, die nicht abschließend aufgelistet werden<br />

können. Ohne der Erprobung vorzugreifen, verweist die <strong>Kommission</strong><br />

aber auf bestimmte Maßnahmen im Bereich des Personalaustausches,<br />

die das bisher Gesagte ergänzen und fortführen können:<br />

Bei der Auswahl von Lehrbeauftragten am Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

sollen das Studienseminar und das Institut für<br />

Lehrerfortbildung in geeigneter Weise beteiligt werden. Zudem<br />

sind Praxislehrkräfte stärker zu berücksichtigen. Die Lehraufträge<br />

selbst wären entsprechend zu profilieren und für die Personalentwicklung<br />

zu nutzen.<br />

Die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Abordnung von Lehrerinnen<br />

und Lehrern an die Universität sollte verstärkt genutzt werden<br />

mit dem Ziel der Erfahrung von universitärer Lehre sowie der<br />

wissenschaftlichen Weiterqualifikation. Diese Möglichkeit sollte<br />

besonders für diejenigen Lehrkräfte genutzt werden, die im Studienseminar<br />

und im Institut für Lehrerfortbildung tätig sind.<br />

Das integrierte Schulpraktikum sowie die Forschungspraktika<br />

können zusätzlich für Projekte zwischen Universität, den anschließenden<br />

Phasen der Lehrerbildung sowie der Schulpraxis genutzt<br />

werden.<br />

Umgekehrt ist es unentbehrlich, dass die Vertreterinnen und Vertreter<br />

aus dem Bereich der Erziehungswissenschaft/ Fachdidaktik<br />

einen stärkeren und verbindlicheren Eindruck in das Leben an der<br />

Schule bekommen. Dies ist im Zusammenhang mit den integrierten<br />

Schul- und Forschungspraktika möglich, wobei die Ausarbeitung<br />

eines Leitfadens für eine angemessene Kooperation förderlich<br />

wäre.<br />

Die Vertreterinnen und Vertreter der universitären Fachdidaktik,<br />

darüber hinaus auch andere Mitglieder des Fachbereichs Erziehungswissenschaft<br />

sowie interessierte Fachwissenschaftler sollten<br />

die Möglichkeit erhalten, in einem Mindestabstand von


Neugestaltung der Organisation 125<br />

vier Jahren für die Dauer eines Schulhalbjahres 2 Stunden pro Woche<br />

an einer Schule zu unterrichten oder verantwortlich an der Planung<br />

und Durchführung einer Projektwoche mitzuarbeiten. Diese Einbindung<br />

für eine begrenzte Zeit in der Schule könnte auch gekoppelt<br />

werden mit Forschungsvorhaben und Evaluationsprojekten, in die<br />

Studierende eingebunden sind.<br />

Weiterhin erscheint es als notwendig, dass kooperative Seminare angeboten<br />

werden, an denen Lehrerkräfte sowie Studierende und Referendare<br />

gemeinsam teilnehmen. Hierbei sollte die Einrichtung von<br />

Tandembildungen, an denen jeweils eine Lehrkraft, ein Studierender<br />

oder eine Studierender sowie ein Referendar oder eine Referendarin<br />

gemeinsam teilnehmen, erwogen werden.<br />

Für die Ermöglichung bzw. Sicherung einer strukturell angelegten<br />

dauerhaften Kooperation zwischen den an der Aus- und Fortbildung<br />

beteiligten Vertreterinnen und Vertretern der ersten, zweiten und dritten<br />

Phase der Lehrerbildung ist eine Institutionalisierung der Kommunikation<br />

unabdingbar. Die <strong>Kommission</strong> schlägt hierfür die Einrichtung<br />

von „Sozietäten“ vor. Diese Sozietäten sollen sich zusammensetzen<br />

aus Mitgliedern der jeweiligen Fachdidaktik, des Faches,<br />

des jeweiligen Referenten, bzw. der Referentin aus dem Studienseminar,<br />

dem Institut für Lehrerfortbildung, dem entsprechenden Lehrerverband<br />

sowie der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung.<br />

Sozietäten sollen auch unabhängig von den Fächern zu schulpädagogisch<br />

relevanten „Querfragen“ gebildet werden, beispielsweise zu<br />

Fragen der Schulentwicklung, der interkulturellen Bildung und der<br />

Medienpädagogik. Die Zusammensetzung <strong>dieser</strong> Sozietäten ist phasen-<br />

und institutsübergreifend zu gestalten. Die Arbeit der Sozietäten<br />

ist organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Zwei bis vier Treffen<br />

im Jahr sollen stattfinden, die dem wechselseitigen Informationsaustausch<br />

und der Besprechung sowie Konzipierung von Kooperationsprojekten<br />

dienen. Die Sozietäten sollen mit ihren Sprechern, bzw.<br />

ihren Sprecherinnen an den Entwicklungsarbeiten der Lehrerbildung<br />

beteiligt werden und insbesondere für die fachlichen Abstimmungsprozesse<br />

sowie für ein spezifisches Forschungsaufkommen zuständig<br />

sein.


126 Neugestaltung der Organisation<br />

Zusätzlich zu den angeführten Kooperationsvorhaben sollen gemeinsame<br />

Lehrerfortbildungsveranstaltungen geplant werden. Hierfür<br />

sollen die Sozietäten eine besondere Veranstaltung in der Vorplanung<br />

übernehmen und entscheidendes Gewicht bei notwendigen Priorisierungen<br />

erhalten 67 . Da die <strong>Kommission</strong> davon ausgeht, dass Lehrerinnen<br />

und Lehrer in regelmäßigen Abständen an Fortbildungsveranstaltungen<br />

teilnehmen, sollte es darüber hinaus eine Reihe weiterer<br />

Fortbildungsveranstaltungen in regelmäßigen Abständen geben.<br />

67<br />

Ein Beispiel hierfür ist die bereits bestehende Einrichtung der „Novemberakadamie“.<br />

Hier wird in einer größeren, in der Regel auf zwei Tage angelegten<br />

Fortbildungsverstaltung ein wissenschaftlich relevantes und für die Schulpraxis<br />

wichtiges Thema aufgegriffen und in Kooperation zwischen den Phasen<br />

der Lehrerbildung, praktizierenden Lehrkräften sowie Referendaren und Studierenden<br />

angeboten. Die Einrichtung einer solchen Novemberakademie ist<br />

1999 erprobt worden und findet im November 2000 eine Fortsetzung (vgl.<br />

WEISSE/DOEDENS 2000).


Prioritäre Themen 127<br />

8. Prioritäre Themen für die<br />

Ausbildung<br />

Die <strong>Kommission</strong> geht von der Notwendigkeit aus, für die Lehrerbildung<br />

prioritäre Themen zu bestimmen, die neben und in Verbindung mit den<br />

Kerncurricula der ersten und zweiten Phase verbindlich angeboten werden.<br />

Kerncurricula sind entweder fachbestimmt oder zielen auf spezifische<br />

Qualifikationen ab, die sich anhand verschiedener Inhalte und Themen erreichen<br />

lassen. Prioritäre Themen stellen demgegenüber bestimmte inhaltliche<br />

Anforderungen dar, die in der ersten und/oder zweiten Phase der<br />

Ausbildung verbindlich studiert werden müssen. Dabei ist nicht ein Fach<br />

oder ein Fachbereich maßgebend, vielmehr muss gesichert sein, dass diese<br />

Themen im Gesamtangebot präsent sind. Die Priorität ergibt sich aus Einschätzungen<br />

der gesellschaftlichen Entwicklungen, des damit verbundenen<br />

Bildungsbedarfs sowie der darauf zugeschnittenen Anforderungen der<br />

künftigen Lehrerbildung. Prioritäre Themen können auf verschiedene Weise<br />

in das Aus- und Fortbildungsangebot eingearbeitet werden, als inhaltliche<br />

Querdimension, als Vertiefung der erziehungswissenschaftlichen,<br />

fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Studien und ggf. auch als Ergänzungsstudiengänge<br />

mit entsprechenden Anschlüssen in der zweiten<br />

Phase und der Fortbildung.<br />

Weder die KMK-<strong>Empfehlungen</strong> noch die überwiegende Zahl der neueren<br />

Veröffentlichungen formulieren thematische Prioritäten. Die Vorschläge<br />

in der einschlägigen Reformliteratur sind eher ein Katalog von Vorlieben,<br />

der sich beliebig verlängern lässt, ohne die Ausbildung mindestens in<br />

Teilen thematisch zu konzentrieren. Genau das, eine thematische Konzentration,<br />

schlägt die <strong>Kommission</strong> vor. Sie hat also zwei verschiedene Instrumente<br />

zur Reduktion des Beliebigkeitsproblems, die Kerncurricula und<br />

die prioritären Themen als Querdimension wie als Ergänzungsangebot. Die<br />

<strong>Kommission</strong> empfiehlt, die beiden Instrumente unterschieden zu halten,<br />

nicht nur aus Gründen der kategorialen und curricularen


128 Prioritäre Themen<br />

Differenz, sondern vor allem weil die Struktur der Kerncurricula längerfristig<br />

stabil zu halten ist. Der Vorschlag impliziert nicht, dass die gesamte<br />

oder auch nur die überwiegende Ausbildung auf die prioritären Themen<br />

abgestellt sein muss. Andererseits geht die <strong>Kommission</strong> davon aus, dass<br />

diese Themen verstärkt Lehre und Forschung bestimmen, interdisziplinäre<br />

Bearbeitung finden und auch über die Lehrerbildung hinaus anerkannte<br />

Bedeutung haben.<br />

Das Auswahlproblem – welche Priorität bei übermäßig vielen Möglichkeiten?<br />

- löst die <strong>Kommission</strong> durch begründete Setzung. Sie geht davon<br />

aus, dass für die künftige Entwicklung von Lehrerbildung und Schule die<br />

folgenden drei Themen auf absehbare Zeit unbedingten Vorrang haben<br />

werden:<br />

1) Neue Medien als Mittel und Gegenstand von Lehren und Lernen,<br />

2) Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität und<br />

3) Schulentwicklung.<br />

Die Setzung <strong>dieser</strong> Themen wird von der <strong>Kommission</strong> wie folgt begründet:<br />

Die Nutzung neuer Medien für Lehr- und Lernprozesse sowie die Auseinandersetzung<br />

mit ihren Möglichkeiten und Grenzen bzw. ihren Chancen<br />

und Risiken stellen mittlerweile selbstverständliche Forderungen für alle<br />

Schulstufen und Bildungsgänge dar. Grund dafür ist die Einschätzung, dass<br />

den Medien und Informationstechnologien schon heute und noch mehr in<br />

der Zukunft für Wirtschaft und Politik, Individuum und Gesellschaft, Freizeit<br />

und berufliches Handeln eine eminente Bedeutung zukommt. Die reflektierte<br />

Nutzung und Fähigkeit zur kritischen Einschätzung von Medieninformationen<br />

wird angesichts der Tatsache, dass Medien und Informationstechnologien<br />

immer mehr Lebensbereiche durchdringen und beeinflussen<br />

für die Teilhabe am beruflichen, kulturellen und gesellschaftlichen<br />

Leben immer bedeutsamer.<br />

Umso erstaunlicher ist es, dass der Bereich Medien und Informationstechnologien<br />

in der Lehrerbildung bisher nur relativ wenig Beachtung gefunden<br />

hat. Abgesehen von einzelnen bildungspolitischen Forderungen<br />

(vgl. KMK 1995, 1997; Ministerium für Schule und Weiterbildung 2000)<br />

und einzelnen Modellvorhaben (etwa: TULODZIECKI/ BLÖMEKE 1997;<br />

SCHULZ-ZANDER 1999) hat die Frage der


Prioritäre Themen 129<br />

neuen Medien noch lange nicht den Stellenwert in der Lehrerbildung, der<br />

ihr angesichts der bildungspolitischen Diskussion und gesellschaftlichen<br />

Bedeutung zukommen müsste. Selbst im Abschlussbericht der KMK-<br />

<strong>Kommission</strong> zu den „Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland“ ist<br />

dem Thema nur ein kurzer Abschnitt gewidmet (TERHART 2000, S. 73ff.),<br />

der wohl auf mediale Veränderungen in der Schule eingeht, aber nicht sagt,<br />

wie sich mit den neuen Medien die Lehrerbildung verändern soll. Aus der<br />

Sicht der <strong>Kommission</strong> ist es nicht vertretbar, dass Mediennutzung und Medienkompetenz,<br />

bzw. mediale Bildung ins Zentrum der allgemeinen und<br />

beruflichen Bildung rücken, die Lehrerbildung sich aber insgesamt mit<br />

dem Thema nur sehr zögerlich auseinander setzt.<br />

Das Grundbild für die Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern ist<br />

immer noch stark vom herbartianischen Modell der unterrichtenden einzelnen<br />

Lehrkraft bestimmt, die wesentlich mit sich und ihren situativ präsentierbaren<br />

Kompetenzen Wissen und Können vermittelt. Die <strong>Kommission</strong><br />

ist der entschiedenen Auffassung, dass dieses historische Leitbild aufgelöst<br />

und ersetzt werden muss durch ein neues Leitbild, das von den Möglichkeiten<br />

medialer Lehr- und Lernprozesse geprägt ist. Zu diesem Leitbild gehören<br />

unter anderem<br />

das Lernen mit und über Medien,<br />

die professionelle Nutzung des Internet,<br />

die Konzeption und Bereitstellung computerbasierter Lernumgebungen,<br />

das Lernen in virtuellen Welten,<br />

die Reflexion des Lernens mit Medien im Rahmen einer kritischen<br />

Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken neuer Informationsund<br />

Kommunikationstechnologien,<br />

die Abstimmung von selbstgesteuerten und lehrergeleiteten Lernphasen,<br />

die Verbindung von schulischem und außerschulischem Lernen mit<br />

neuen Modellen zur Lehr- und Lernzeit sowie Lehr- und Lernorganisation,<br />

eine neue Bestimmung von grundlegendem Wissen und Können sowie<br />

der Bedeutung von Informationsangebot und Informationsbeschaffung<br />

sowie Informationsbewertung.


130 Prioritäre Themen<br />

Die Lehrerbildung muss entsprechende Anforderungen aufnehmen und sicherstellen,<br />

dass die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer Medien und Informationstechnologien<br />

bereits in ihrer Ausbildung als Mittel und Gegenstand<br />

von Lehren und Lernen erfahren sowie mit den neuen Formen der<br />

Lehr- und Lernorganisation umgehen lernen. Sie sollen so die Möglichkeit<br />

erhalten, sich auf der Basis eigener Erfahrungen auf die lerntechnologischen<br />

Entwicklungen ihres Berufsfeldes einzustellen.<br />

Das Berufsfeld wird sich unter dem Druck der neuen Möglichkeiten<br />

weitgehend verändern. Bislang haben Lehrerbildung und Schule es sich<br />

leisten können, die Entwicklung nicht forciert voran zu bringen und eher<br />

zögerlich oder auch abwehrend zu reagieren. Der Druck des internationalen<br />

Bildungswettbewerbs, der sich wesentlich medial vollzieht, wird das<br />

innerhalb kurzer Zeit ändern. Die klassische Einstellung, dass neue Medien<br />

nichts grundsätzlich an der herbartianischen Grundsituation des Unterrichtens<br />

ändern (CUBAN 1986), lässt sich nicht länger halten. Das Internet<br />

ist kein zweiter Fall „programmierter Unterricht“. Diese Feststellung<br />

schließt nicht aus, dass die neuen Medien auch klassische Unterrichtsaufgaben<br />

abverlangen wie<br />

Stärkung der elementaren Kompetenzen etwa im Bereich des Lesens,<br />

Übersicht und Einordnung der medialen Informationsangebote,<br />

Einsicht in die Herstellung und Kommunikation des Wissens.<br />

Zurückgenommen reagiert die Lehrerbildung bis heute auch auf ein zweites<br />

dominantes Thema der gesellschaftlichen Entwicklung, das der zunehmenden<br />

kulturellen und sozialen Heterogenität. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier<br />

eine weitere inhaltliche Priorität der künftigen Lehrerbildung, nicht zuletzt,<br />

weil ein erheblicher Steuerungsbedarf besteht. Schulen richten ihre Aufmerksamkeit<br />

auf dieses Thema und verstärken ihre Anstrengungen zumeist<br />

nur dann, wenn die konkreten Verhältnisse vor Ort dazu zwingen oder unvermeidlich<br />

Anlass geben (ALLEMANN-GHIONDA 1999). Die zentrale Aufgabe<br />

des demokratischen Schulwesens, für die Integration von sprachlich,<br />

ethnisch und kulturell heterogenen Gruppen unter Anerkennung ihrer Differenz<br />

zu sorgen, bestimmt weder schulische


Prioritäre Themen 131<br />

Leitbilder noch die Programmatik der Lehrerbildung. Das Ausbildungsverständnis<br />

ist nach wie vor bestimmt von Annahmen kultureller Einheit und<br />

Identität. Differenz als Leitkategorie und zunehmende Erfahrungswirklichkeit<br />

der sozialen Entwicklung wird von der Lehrerbildung allenfalls am<br />

Rande berührt.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die prioritäre Ausgestaltung dieses Themas<br />

nicht nur im Blick auf die Multikulturalität und Vielsprachigkeit der weitaus<br />

meisten schulischen Verhältnisse. Sie sieht hier großen Handlungsbedarf,<br />

verweist aber auf darüber hinausgehende Fragestellungen der zunehmend<br />

lebensbestimmenden Erfahrungen von Differenz<br />

in der Realisierung von Bildung und Ausbildung,<br />

der beruflichen Karrieren,<br />

der Ausgestaltung von sozialen und individuellen Lebensentwürfen,<br />

der geschlechtlichen Kommunikation und Beziehungsgestaltung,<br />

der kulturellen Verhältnisse.<br />

Künftige Lehrkräfte werden sich, ähnlich wie beim Thema neue Medien,<br />

auf eine grundlegend veränderte gesellschaftliche und schulische Wirklichkeit<br />

einstellen müssen, die nicht nach Maßgabe pädagogischer Einheitsideale<br />

erwartet werden darf. Kulturelle Vielfalt ist ebenso wenig ein Phänomen,<br />

das durch geeignete staatliche Maßnahmen zum Verschwinden gebracht<br />

werden kann, wie die Vielfalt von Familienformen oder die Nichtlinearität<br />

künftiger beruflicher Tätigkeiten. Viele Lehrkräfte und Studierende<br />

sind von der Erwartung bestimmt, dass die früheren Verhältnisse die richtigen<br />

gewesen seien und die Zukunft an der Vergangenheit der monokulturellen<br />

Verschulung gemessen werden könne 68 . Letztlich geht es bei dem<br />

Thema Heterogenität und Differenz um die Frage, auf welche gesellschaftliche<br />

Zukunft die Schule und mit ihr die Lehrerbildung eingestellt werden<br />

soll. Und es spricht für die Macht<br />

68<br />

Eine solche Praxis hat es historisch nie gegeben, wenn man Milieudifferenzen, Arbeits-<br />

oder Armutsmigrationen, konfessionelle Abgrenzungen und ähnliche Faktoren<br />

in Rechnung stellt.


132 Prioritäre Themen<br />

des Themas, dass das wiederum nur plural und different bestimmt werden<br />

kann.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die offensive Behandlung dieses Themas.<br />

Künftige Lehrerinnen und Lehrer müssen auf eine Schule vorbereitet werden,<br />

die nicht nur ein kulturell wie sozial weitgehend verändertes Umfeld<br />

voraussetzt, sondern auch sich selbst verändert. Mit den Prozessen der<br />

Globalisierung der Bildung verschärft sich der Wettbewerb, erhöht sich der<br />

Qualifizierungsdruck und reagiert zugleich das Umfeld anders als die<br />

staatliche Schule dies bislang erwartet. Bildungswettbwerb erzeugt Differenz,<br />

die die bisherigen Formen der Verschulung nachhaltig verändern<br />

werden. Die Studierenden müssen darauf vorbereitet werden, dass Schulen<br />

nicht mehr wie Einheitskulturen verstanden werden können. Die vorherrschende<br />

Ausbildungstheorie dagegen geht von der Fiktion der „einen“<br />

Schule oder der „einen“ Bildung aus, die auch und gerade theoretisch<br />

maßgebend ist. Das Thema Umgang mit kultureller und sozialer Differenz<br />

ist daher zugleich ein eminentes Theorieproblem, auf das die Selbstreflexion<br />

von Lehrerbildung noch kaum annähernd eingestellt ist.<br />

Die Veränderung des Systems ist nur durch gezielte Schulentwicklung<br />

möglich. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt dieses Thema als Priorität, weil künftige<br />

Lehrkräfte ein grundlegend anderes Selbstbild entwickeln müssen.<br />

Auch hier geht es um die Beseitigung der Dominanz herbartianischer Ausbildungserwartungen,<br />

die nicht zuletzt die Studierenden bestimmen. Die<br />

starke Nachfrage nach Methoden des Unterrichts ist verständlich im Blick<br />

auf die Bewältigung von anfänglichen Unsicherheiten in einem sehr ideal<br />

erwarteten Berufsfeld, aber sie steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen<br />

Notwendigkeiten der Ausbildung. Die Prozesse der Medialisierung<br />

und der sozialen wie kulturellen Differenzierung betreffen unmittelbar die<br />

Ausübung des Lehrberufes, und sie verweisen nicht auf den Vorrang von<br />

Methoden in der Beherrschung von mehr oder weniger standardisierten<br />

Unterrichtssituationen, die überdies weit mehr von Lehrmitteln als von<br />

eklektischen Handlungsmethoden der Lehrkräfte bestimmt sind.<br />

Die professionelle Kompetenz wird also nicht einzig dadurch bestimmt,<br />

dass Lehrkräfte fähig sind zu unterrichten, so zentral


Prioritäre Themen 133<br />

Unterricht auch für das Zustandekommen und die Differenz der Schulleistungen<br />

ist (MOSER/RHYN 2000). Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass<br />

künftige Lehrkräfte imstande sein müssen,<br />

ihre Schule als Lern- und Entwicklungsfeld zu begreifen,<br />

ihre professionelle Kompetenz auf unterrichtliche wie schulische Entwicklungsarbeit<br />

zu beziehen,<br />

die Lehrtätigkeiten auf neue Anforderungen einzustellen,<br />

das Rollenverständnis dynamisch zu halten,<br />

den Erfolg der eigenen Tätigkeit mit Leistungsnachweisen abzuschätzen<br />

und<br />

als Maßstab dafür die fortlaufende Qualifizierung der Schülerinnen und<br />

Schüler anzunehmen.<br />

Die Schule mit den drei Zentren des Unterrichts, des Kollegiums und der<br />

Öffentlichkeitsarbeit ist als lernendes System zu verstehen, eine Forderung,<br />

die angesichts der Realitäten (RÜEGG 1999) nur mit großen Ausbildungsanstrengungen<br />

realisiert werden kann. Die Veränderung des Selbstbildes<br />

von Lehrkräften ist ebenso wenig eine beiläufig anzugehende Aufgabe wie<br />

die Etablierung neuer diskursiver Formen, neuer Planungs- und Evaluationsschemata<br />

sowie neuer Leitungsstrukturen. In diesem Sinne müssen Studierende<br />

in verbindlicher Weise mit Prinzipien, Praktiken und Erfahrungen<br />

der Schulentwicklung bekannt sein, bevor sie sich auf das Berufsfeld einlassen.<br />

Nur so gewinnen sie auch ein realistisches Bild der steigenden Belastungen,<br />

die sich mit einer lernenden Organisation unweigerlich verbinden.<br />

Andererseits sind nur lohnende Projekte für Lehrkäfte wirklich motivierend,<br />

so dass Schulentwicklung auch als Mittel gegen die Abnutzungsprozesse<br />

der Schulpraxis verstanden werden muss.<br />

8.1. Neue Medien<br />

Die folgenden <strong>Empfehlungen</strong> stellen zunächst die neuen Medien als Mittel<br />

und Gegenstand von Lehren und Lernen vor, formulieren dann Zielvorstellungen<br />

für die Lehrerbildung, skizzieren die Um-


134 Prioritäre Themen<br />

setzungen der Ziele für die Phasen der Lehrerausbildung und gehen<br />

schließlich auf die Entwicklung förderlicher Rahmenbedingungen für diese<br />

Umsetzungsprozesse ein.<br />

8.1.1. Neue Medien als Mittel und Gegenstand von Lehren<br />

und Lernen 69<br />

Medienverwendung, Medienerziehung und Medienbildung müssen sich an<br />

dem allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule orientieren.<br />

Dieser ist mit dem Anspruch verknüpft, dass Schülerinnen und Schüler die<br />

Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, die ihnen eine selbstbestimmte Gestaltung<br />

des persönlichen Lebens, die Mitgestaltung sozialer Zusammenhänge,<br />

eine verantwortliche Tätigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt, Mitbestimmung<br />

in Gesellschaft und Politik, Teilhabe an der kulturellen Welt<br />

und solidarisches Handeln ermöglichen. Dies bedeutet, dass in die schulischen<br />

Erziehungs- und Bildungsprozesse auch die Auseinandersetzung mit<br />

den neuen Medienentwicklungen in kritischer und reflexiver Absicht integriert<br />

werden sollte.<br />

In so verstandenen Erziehungs- und Bildungsprozessen sollen Schülerinnen<br />

und Schüler die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

für ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches<br />

Handeln in einer von Medien beeinflussten Welt erwerben können.<br />

In diesem Rahmen stellen sich für Lehrerinnen und Lehrer folgende<br />

Anforderungen:<br />

Nutzung der Medien und Informationstechnologien für Lehren und<br />

Lernen,<br />

Wahrnehmung von Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Medienbereich,<br />

Mitgestaltung medienpädagogischer Konzepte in der Schule.<br />

69<br />

In die folgenden <strong>Empfehlungen</strong> fließen Überlegungen aus dem Rahmenkonzept<br />

„Zukunft des Lehrens – Lernen für die Zukunft. Neue Medien in der Lehrerausbildung“<br />

ein (Ministerium für Schule und Weiterbildung 2000).


Prioritäre Themen 135<br />

Die unterrichtliche Mediennutzung soll zur Entwicklung und Unterstützung<br />

handlungsorientierter, selbst gesteuerter Lernprozesse und kooperativer Arbeitsformen<br />

beitragen. Die Potenziale neuer Medien kommen im Sinne eines<br />

lern- und entwicklungsfördernden Unterrichts besonders dann zur Geltung,<br />

wenn sie in ein problem-, entscheidungs-, gestaltungs- und beurteilungsorientiertes<br />

Vorgehen eingebunden sind. Dabei können Medien als Mittel der Präsentation<br />

von Aufgaben, als Informationsquelle und Lernhilfe, als Werkzeug<br />

und Instrument für Aufgabenlösungen, als Gegenstand von Analysen und zur<br />

Unterstützung von Planung sowie als Mittel der Darstellung von Lernergebnissen<br />

und Austausch dienen.<br />

Neben der reflektierten Nutzung von Medien geht es in der Schule um die<br />

Wahrnehmung der - mit den Medienentwicklungen verbundenen - Erziehungsund<br />

Bildungsaufgaben. Diese sollen sich sowohl auf die Nutzung vorhandener<br />

Medienangebote, z.B. von Büchern, Radio, Fernsehen, Computern und vernetzten<br />

Informations- und Kommunikationssystemen für verschiedene Zwekke,<br />

als auch auf die eigene Gestaltung von Medienprodukten, z.B. die Erstellung<br />

einer Zeitung, eines Hörbeitrags, einer Videodokumentation oder einer<br />

Internetpräsentation beziehen.<br />

Um in solchen Zusammenhängen sachgerecht, selbstbestimmt, kreativ und<br />

sozialverantwortlich handeln zu können, benötigen die Schülerinnen und<br />

Schüler Kenntnisse sowie Analyse- und Urteilsfähigkeit in mindestens drei<br />

inhaltlichen Bereichen:<br />

im Bereich der Gestaltungsmöglichkeiten, die in Medien Verwendung<br />

finden: vom realitätsnahen Foto eines berühmten Bauwerks bis zur grafischen<br />

Darstellung der Bevölkerungsentwicklung auf unserem Planeten, von<br />

filmischen Gestaltungstechniken wie Einstellungsperspektiven und Montage<br />

bis zu computerbasierten Techniken der Bildbearbeitung,<br />

im Bereich der Nutzungsvoraussetzungen und -wirkungen von Medien: von<br />

individuellen Einflüssen auf Gefühle, Vorstellungen und Verhaltensorientierungen<br />

bis zur Bedeutung der Maßen- und Individualkommunikation für die<br />

öffentliche Meinungs- und die politische Willensbildung,<br />

im Bereich der Bedingungen von Medienproduktion und -verbreitung: von<br />

technischen Voraussetzungen für die Nutzung


136 Prioritäre Themen<br />

von Medien bis zu personalen Bedingungen in einer Rundfunkanstalt, von<br />

rechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz bis zu wirtschaftlichen Interessen<br />

der Computerindustrie und der Netzprovider bzw. der dahinter stehenden Konzerne.<br />

Mit Blick auf die erwähnten Handlungs- und Inhaltsbereiche geht es in der<br />

Medienerziehung und Medienbildung insgesamt um die Fähigkeit und Bereitschaft,<br />

Medienangebote sinnvoll auszuwählen und zu nutzen,<br />

eigene Medienbeiträge zu gestalten und zu verbreiten,<br />

Mediengestaltungen zu verstehen und zu bewerten,<br />

Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten,<br />

Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung zu durchschauen<br />

und zu beurteilen (vgl. TULODZIECKI 1997).<br />

Bei der Umsetzung <strong>dieser</strong> Inhalte bzw. Aufgaben sollte in besonderer Weise<br />

berücksichtigt werden, dass es Differenzen zwischen den Geschlechtern<br />

beim Zugang zum Computer, beim Nutzungsverhalten und bei Einstellungen<br />

und Interessen gibt. Insofern kommt es darauf an, für beide Geschlechter<br />

geeignete Zugänge bei der Nutzung und bei der Auseinandersetzung<br />

mit Medien und Informationstechnologien zu finden und zu praktizieren.<br />

Mediennutzung sowie Medienerziehung und Medienbildung werden im<br />

schulischen Rahmen allerdings nur dann dauerhaft verankert sein, wenn<br />

Schulen diese Anforderungen systematisch als fächerübergreifende Aufgabe<br />

ansehen. Dies kann sich darin ausdrücken, dass die Schulen jeweils –<br />

unter Beachtung der schulspezifischen Bedingungen – ein medienpädagogisches<br />

Konzept als Bestandteil ihres Schulprofils bzw. Schulprogramms<br />

entwerfen und umsetzen. Auch im Hinblick darauf kommt der Qualifizierung<br />

der Lehrerinnen und Lehrer eine besondere Bedeutung zu.


Prioritäre Themen 137<br />

8.1.2. Zielvorstellungen im Bereich neuer Medien für die<br />

Lehrerbildung<br />

• Auf fünf Zielbereiche ist besonderes Gewicht zu legen:<br />

1) Stärkung der Medienkompetenz einschließlich der angemessenen<br />

technischen Handhabung von Medien und Informationstechnologien,<br />

2) Erwerb von Kenntnissen zur und Sensibilität für die Bedeutung von<br />

Medien für Kinder und Jugendliche,<br />

3) Befähigung zur reflektierten Nutzung von Medien und Informationstechnologien<br />

für Lehren und Lernen,<br />

4) Befähigung zur Wahrnehmung von Erziehungs- und Bildungsaufgaben<br />

im Bereich von Medien und Informationstechnologien,<br />

5) Befähigung zur Mitwirkung an der Gestaltung medienpädagogischer<br />

Konzepte in der Schule.<br />

Dieser Zielkatalog beschreibt einen allgemeinen Rahmen für die Lehrerbildung.<br />

In diesem Rahmen können unterschiedliche Akzente für die verschiedenen<br />

Phasen der Lehrerbildung gesetzt werden. In der ersten Phase<br />

der Lehrerausbildung sollten die Akzente bei der Weiterentwicklung der<br />

Medienkompetenz, bei dem Erwerb wissenschaftlicher Grundlagen für die<br />

verschiedenen Felder medienpädagogischer Kompetenz und bei ersten<br />

Entwürfen und ihrer Umsetzung sowie bei Reflexionen mit Bezug auf berufliche<br />

Aufgaben liegen. In der zweiten Phase der Ausbildung können<br />

dann die Einordnung und die Umsetzung der Kenntnisse und Fähigkeiten<br />

im Kontext unterrichtlichen und schulischen Handelns im Mittelpunkt stehen.<br />

In der Lehrerfortbildung könnte es auf <strong>dieser</strong> Basis vorrangig um die<br />

Weiterentwicklung der Kenntnisse und Fähigkeiten und eine systematische<br />

Verbindung mit Prozessen der Schulentwicklung gehen.<br />

Im Folgenden werden zunächst Hinweise für die universitäre Lehrerausbildung<br />

gegeben, ehe die Frage der Umsetzung in Studienseminar, Berufseingangsphase<br />

und Lehrerfortbildung aufgegriffen wird.


138 Prioritäre Themen<br />

8.1.3. Umsetzung in der ersten Phase der Lehrerausbildung<br />

Das Lehrangebot an den Hochschulen sollte - im Rahmen der Aufgaben des<br />

Lehramtsstudiums - Veranstaltungen mit folgenden Themen umfassen:<br />

• Theorien und Konzepte zu Fragen von Medien und Informationstechnologien:<br />

In einer solchen Veranstaltung sollten die Medienlandschaft und ihre Bedeutung für<br />

Sozialisation, Erziehung und Bildung sowie medientheoretische, mediendidaktische<br />

und medienerzieherische Grundlagen, Konzepte der informations- und kommunikationstechnologischen<br />

Grundbildung im Rahmen der Aufgaben von Schule im<br />

Bereich von Medien und Informationstechnologien thematisiert werden.<br />

• Auswahl und Nutzung von Medien und Informationstechnologien für<br />

unterschiedliche Funktionen:<br />

Hier sollte es um Merkmale von Medien und Software, um Nutzungsmöglichkeiten<br />

für Information und Lernen, für Problemlösen und Kooperation, für Kommunikation<br />

und Unterhaltung sowie um die Analyse und Kritik von Medienangeboten,<br />

Rezeptionssituationen und Produktionsbedingungen gehen.<br />

• Entwicklung, Gestaltung und Produktion von Medien und Software:<br />

Im Mittelpunkt sollten Gestaltungsmöglichkeiten bei Medien und Software, bei<br />

Kriterien für die Nutzung verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten, bei informatischen<br />

Grundlagen, bei Schritten der Medienentwicklung und -verbreitung und bei<br />

Möglichkeiten der Präsentation und Verbreitung selbsterstellter Medien stehen.<br />

• Grundlagen der Verwendung von Medien und Informationstechnologien<br />

in Lehr- und Lernprozessen:<br />

Schwerpunktmäßig sollten lehr-lerntheoretische Grundlagen der Medienentwicklung,<br />

Konzepte der Verwendung von Medien und Software in unterrichtlichen<br />

Zusammenhängen, Analyse und Bewertung von Unterrichtsmedien, Fragen der<br />

Entwicklung von Unterrichtseinheiten und Projekten mit Medienverwendung, neue<br />

Formen des Lehrens und Lernens, Veränderungen von Unterrichts- und<br />

Schulstrukturen durch Medienverwendung behandelt werden.


Prioritäre Themen 139<br />

• Nutzung von Medien und Informationstechnologien im fachlichen und<br />

überfachlichen Unterricht:<br />

Hier sollten fachrelevante Gestaltungselemente von Medien und Software,<br />

das fachbezogene und fächerübergreifende Angebot sowie dessen Analyse<br />

und Bewertung, der Entwurf von fachlichen Unterrichtseinheiten und fächerübergreifenden<br />

Projekten mit Nutzung von Medien, Software und informationstechnischen<br />

Systemen besprochen werden.<br />

• Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Bereich von Medien und Informationstechnologien:<br />

Besonders zu thematisieren sind „Medienwelten“ und „Medienhandeln“<br />

von Kindern und Jugendlichen im Lichte der Rezeptionsforschung unter<br />

Beachtung von Geschlechterdifferenzen, Prinzipien und Konzepte der Medienerziehung<br />

und informations- und kommunikationstechnologischen<br />

Grundbildung, die Analyse und Bewertung sowie der Entwurf von Unterrichtseinheiten<br />

und Projekten, die Einbettung von Medienerziehung und informations-<br />

und kommunikationstechnologischer Grundbildung in den curricularen<br />

Zusammenhang von Schule sowie Beispiele gemeinsamer Projekte<br />

mit der außerschulischen Jugend-, Sozial- und Kulturarbeit.<br />

• Medienerziehung und Medienbildung im fachlichen und fächerübergreifenden<br />

Unterricht:<br />

Thema solcher Veranstaltungen sollten Veränderungen im herkömmlichen<br />

Gegenstandsbereich des Faches und die Reflexion struktureller und systematischer<br />

Veränderungen des Faches durch die Entwicklungen im Bereich<br />

von Medien und Informationstechnologien, die Analyse und Bewertung<br />

sowie der Entwurf fachrelevanter Unterrichtseinheiten und fächerübergreifender<br />

Projekte sein.<br />

Außer den oben genannten Veranstaltungen sollte es - je nach den an<br />

der jeweiligen Hochschule vertretenen Disziplinen - ein erweiterndes<br />

Wahlangebot geben, z.B. zur Medienethik, zur Medienpsychologie, zur<br />

Mediensoziologie, zur Kommunikationswissenschaft oder zur Informatik.<br />

Im Hinblick auf den Stellenwert der Veranstaltungen im Rahmen des<br />

Lehramtsstudiums sollte eine angemessene Verankerung


140 Prioritäre Themen<br />

im Pflicht-, Wahlpflicht- und Wahlbereich der Studienordnungen angestrebt<br />

werden. Diese Veranstaltungen können in Form von Vorlesungen,<br />

Seminaren, Übungen oder Projekten konzipiert und mit angemessenen<br />

Phasen individuellen und kooperativen Lernens durchgeführt werden. Aus<br />

den Veranstaltungen können jeweils verschiedene Seminararbeiten zu Fragen<br />

von Medien und Informationstechnologien oder auch bestimmte Medienprodukte<br />

erwachsen. Außerdem sollten in den Veranstaltungen - soweit<br />

es möglich ist - Bezüge zur Schulpraxis hergestellt und Umsetzungen,<br />

z.B. im Rahmen schulpraktischer Studien, vorbereitet werden. Des Weiteren<br />

können die medienbezogenen Veranstaltungen auch in die Wahl von<br />

Medienthemen für die Prüfung, unter Umständen auch in schriftliche<br />

Hausarbeiten im Rahmen des Ersten Staatsexamens einmünden.<br />

Zusatzqualifikation als erweiternde Möglichkeit:<br />

Wenn die Universität <strong>Hamburg</strong> ein geeignetes Lehrangebot im Zusammenwirken<br />

von Erziehungswissenschaft und Fachdidaktiken sowie Fachwissenschaften<br />

zusammenstellen kann, empfiehlt es sich zu prüfen, ob die<br />

Einrichtung eines Studiengangs für den Erwerb einer Zusatzqualifikation<br />

zu „Medien und Informationstechnologien in Erziehung, Unterricht und<br />

Bildung“ sinnvoll ist. Bei der Konzeption eines entsprechenden Studiengangs<br />

sollte erwogen werden, Studienleistungen im Fern- oder Selbststudium<br />

mit Studienleistungen in Präsenzveranstaltungen zu kombinieren.<br />

Eine solche Zusatzqualifikation könnte für Studierende vorgesehen<br />

werden, die über einen möglichst großen Teil der studienintegriert angebotenen<br />

Lehrveranstaltungen zu Medien und Informationstechnologien<br />

hinaus weitere Studienleistungen erbringen und damit einen besonderen<br />

Schwerpunkt im Bereich neuer Medien setzen. Absolventinnen und Absolventen<br />

mit entsprechenden Qualifikationen sind zum einen für die Weiterentwicklung<br />

von medienbezogenen Aktivitäten in den Studienseminaren<br />

wichtig und zum anderen für die Umsetzung der medienbezogenen Erziehungs-<br />

und Bildungsaufgaben in den Schulen. Insbesondere sollen


Prioritäre Themen 141<br />

Absolventinnen und Absolventen mit der Zusatzqualifikation in schulischen<br />

Gruppen arbeiten können, die ein medienpädagogisches Konzept für<br />

die jeweilige Schule entwickeln und ggf. die Arbeit mit Medien und Informationstechnologien<br />

als Bestandteil des Schulprofils bzw. Schulprogramms<br />

gestalten. Darüber hinaus soll die Zusatzqualifikation ggf. den<br />

Zugang zu anderen beruflichen Tätigkeiten erleichtern und die Chancen<br />

auf dem Arbeitsmarkt generell erhöhen.<br />

Für die Zusatzqualifikation sollten Studienleistungen im Umfang von<br />

ca. 30 Semesterwochenstunden (SWS) und eine mündliche Prüfung gefordert<br />

werden.<br />

Die geforderten Studienleistungen sollten sich beziehen auf<br />

theoretische Grundlagen zu Medien und Informationstechnologien in<br />

Erziehung, Bildung und Gesellschaft sowie auf Medienverwendung und<br />

Medienproduktion,<br />

Grundlagen und Konzepte der Verwendung von Medien in Lehr- und<br />

Lernprozessen,<br />

Grundlagen und Konzepte für Erziehungs- und Bildungsaufgaben im<br />

Medienbereich und ihrer Einbettung in die Schule sowie auf<br />

ein vierwöchiges Praktikum in einer Medieninstitution.<br />

8.1.4. Umsetzung in der zweiten Phase der Lehrerausbildung<br />

Im Zuge der Seminarprogrammentwicklung sollen die Studienseminare<br />

Ausbildungselemente ausweisen, die sich gezielt auf die Förderung medienpädagogischer<br />

Kompetenz der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter<br />

ausrichten. Im Rahmen des jeweiligen Seminarprogramms sind bestimmte<br />

Arbeitsformen und Ausbildungsinhalte der Obligatorik zuzuordnen, andere<br />

können als Möglichkeiten zur individuellen Schwerpunktsetzung angeboten<br />

werden.<br />

In Veranstaltungen des Hauptseminars sollte es darum gehen, an der<br />

Hochschule erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten aufzugreifen und systematisch<br />

in den Kontext beruflicher Aufgaben zu stellen.


142 Prioritäre Themen<br />

In den Fachseminaren sollten Inhalte folgender Art thematisiert werden:<br />

Nutzung von Medien und Informationstechnologien bei der Bearbeitung fachlicher<br />

Aufgaben:<br />

Die Bearbeitung fachspezifischer Aufgaben kann durch den Einsatz von Medien<br />

und Informationstechnologien in vielfältiger Weise unterstützt werden. In<br />

Fachseminaren sollten entsprechende Möglichkeiten aufgezeigt, diskutiert,<br />

erprobt und Ideen zur unterrichtlichen Einbettung gesammelt werden. Dabei ist<br />

an den Einsatz des Computers als Werkzeug (etwa zur Messwerterfassung und<br />

Modellbildung im naturwissenschaftlichen Unterricht), aber auch als Hilfsmittel<br />

zur Informationsgewinnung, -verarbeitung und -präsentation zu denken.<br />

Die Einführung in die fachspezifische Nutzung von Medien und Informationstechnologien<br />

sollte stets begleitet sein von einer Reflexion der Vor- und<br />

Nachteile des Computereinsatzes bei der Lösung der jeweiligen Aufgaben.<br />

Planung und Auswertung des Einsatzes von Medien und Informationstechnologien<br />

im Fachunterricht:<br />

Über Erfahrungen und Reflexionen zur Verwendung von Medien und Informationstechnologien<br />

für die Lösung fachspezifischer Aufgaben hinaus muss es<br />

im Fachseminar um die Feststellung von Rahmenbedingungen für den konkreten<br />

Einsatz im Fachunterricht, um die exemplarische Planung entsprechender<br />

Unterrichtseinheiten und deren Durchführung und Auswertung gehen.<br />

Dabei sind besonders solche Lehr- und Lernformen von Interesse, die die<br />

Selbsttätigkeit und Aktivierung der Schülerinnen und Schüler unterstützen und<br />

fördern.<br />

Diskussion von Fachsoftware:<br />

Der Markt der Fachsoftware sollte von den Fachleiterinnen und Fachleitern<br />

sorgsam beobachtet und im Fachseminar durch Sichtung und Erprobung ausgewählter<br />

Programme thematisiert werden. Dabei ist die didaktische Eignung,<br />

Leistung und Einbindung von Software im Vergleich zu anderen Medien kritisch<br />

zu diskutieren. In diesem Zusammenhang sollten auch die unterrichtsorganisatorischen<br />

Voraussetzungen, die Lernvoraussetzungen sowie die Ziele der<br />

Softwarenutzung erörtert und in exemplarische Unterrichtsplanungen umgesetzt<br />

werden.


Prioritäre Themen 143<br />

• Beiträge des jeweiligen Faches zur Medienerziehung bzw. zur informations-<br />

und kommunikationstechnologischen Grundbildung:<br />

Der Beitrag der einzelnen Fächer zur Medienerziehung bzw. zur informations-<br />

und kommunikationstechnologischen Grundbildung sollte durch die<br />

Information über deren Ziele und Ansätze sowie durch die Diskussion ausgewählter<br />

Beispiele und Ideen ausgelotet werden. Außer solchen Veranstaltungen<br />

sollen im Studienseminar die Möglichkeiten von Studientagen,<br />

Projektphasen, Arbeitsgemeinschaften, Schulgruppenarbeit und Lehrübungen<br />

sowie Hausarbeiten für die Medienerziehung genutzt werden.<br />

8.1.5. Umsetzung in der Berufseingangsphase und in der<br />

Lehrerfortbildung<br />

Wenn die erste und zweite Phase der Lehrerausbildung gemäß den Vorschlägen<br />

der <strong>Kommission</strong> gestaltet werden, können die Akzente in der Berufseingangsphase<br />

und in der Lehrerfortbildung auf die Frage gerichtet<br />

sein, wie Medienverwendung und Medienerziehung bzw. informationsund<br />

kommunikationstechnologische Grundbildung unter schulischen Bedingungen<br />

realisiert, medienpädagogische Aktivitäten in der Schule intensiviert<br />

sowie schulspezifische medienpädagogische Konzepte entwickelt<br />

und erprobt werden können.<br />

Derzeit kann die Lehrerfortbildung jedoch noch nicht von entsprechenden<br />

Voraussetzungen ausgehen. Demgemäß sollten die zurzeit laufenden<br />

Fortbildungsaktivitäten drei wichtige Orientierungen haben: Es geht bei<br />

den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern um die Entwicklung von Medienkompetenz<br />

im Bereich neuer Medien, um den Aufbau von medienpädagogischer<br />

Kompetenz und um die Umsetzung in der Schule.<br />

Insgesamt sollten Aktivitäten im Bereich von Medien und Informationstechnologien<br />

in der Berufseingangsphase und in der Fortbildung von<br />

den individuellen Voraussetzungen der Lehrerinnen und Lehrer und<br />

vorhandenen schulischen Bedingungen


144 Prioritäre Themen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

für die Medienbildung ausgehen und bedarfsgerecht konzipiert werden,<br />

persönliche Qualifizierungen und die Entwicklung schulspezifischer<br />

Konzepte zur Medienbildung und ihre Realisierung als Ziel haben,<br />

in Abstimmung zwischen beteiligten Schulen sowie Lehrergruppen aus<br />

den Schulen unter Einbindung der Schulaufsicht geplant, durchgeführt<br />

und evaluiert werden,<br />

einen Wechsel von gemeinsamen Veranstaltungen mit geeigneten medienpädagogischen<br />

Qualifizierungsmöglichkeiten und unterrichtlichen<br />

sowie schulspezifischen Bestandsaufnahmen, Planungs- und Umsetzungsphasen<br />

ermöglichen,<br />

verschiedene Lern-, Arbeits- und Kommunikationsformen unter besonderer<br />

Nutzung von Medien und Informationstechnologien sowie unter<br />

Einbindung lokaler Medieninstitutionen umfassen,<br />

in ein regionales Beratungs- und Unterstützungssystem eingebunden<br />

sein und eigene Beiträge zu dessen Weiterentwicklung erbringen.<br />

8.1.6. Entwicklung förderlicher Rahmenbedingungen<br />

Zur Umsetzung der Ziele und der genannten Themen im Rahmen der<br />

Lehrerbildung sind folgende Entwicklungen vorrangig:<br />

Entwicklung im Bereich der Lehr-, Lern- und Arbeitsformen,<br />

im Bereich der technischen Infrastruktur,<br />

im Bereich der Personal- und Organisationsstruktur.<br />

Entwicklungen im Bereich der Lehr-, Lern- und Arbeitsformen:<br />

Bei der Durchführung von Veranstaltungen sollten Medien und Informationstechnologien<br />

sowohl Gegenstand als auch Mittel des Lehrens und Lernens<br />

sein. Werden Medien und Informationstechnologien auch als Mittel<br />

des Lehrens und Lernens verwendet, erfahren die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer deren Möglichkeiten und


Prioritäre Themen 145<br />

Grenzen im eigenen Tun. Modelllernen kann als Basis für die spätere eigene<br />

Praxis stattfinden. Insbesondere sollten folgende Möglichkeiten entwikkelt<br />

und genutzt werden:<br />

Präsentationen von Software mit festinstallierten oder mobilen Geräten,<br />

Lernen und Arbeiten mit Lerngruppen in Computerlaboren bzw. Multimedia-Seminarräumen,<br />

eigenes Gestalten von Software an betreuten Einzelarbeitsplätzen und<br />

Einbringen der Produkte in die Gruppendiskussion,<br />

Analyse und Bewertung von Lernsoftware an Einzelarbeitsplätzen und<br />

Diskussion der Ergebnisse in Lerngruppen,<br />

entdeckendes und kooperatives Lernen in Arbeitsgruppen und Tutorien<br />

in einer multimedialen Lernwerkstatt bzw. einem pädagogischen Computerzentrum,<br />

Teilnahme bzw. Mitwirkung an virtuellen Seminaren,<br />

Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von unterrichtlichen Erprobungen<br />

mit Schülergruppen,<br />

Planung und Durchführung von Projekten zur Lernforschung,<br />

Vor- und Nacharbeiten vom häuslichen Computer aus.<br />

Bei solchen Lern-, Arbeits- und Kommunikationsformen kann u.a. auf Angebote<br />

aus Bildungsservern sowie auf weitere Bildungs-, Informationsund<br />

Kommunikationsangebote im Netz zugegriffen werden.<br />

Die technischen Möglichkeiten können darüber hinaus genutzt werden,<br />

um in einen Austausch mit Lernenden und Lerngruppen an anderen deutschen,<br />

europäischen oder außereuropäischen Institutionen der Lehrerbildung<br />

zu treten. Dozenten und Lernende an verschiedenen Standorten können<br />

gemeinsame Veranstaltungen durchführen oder Lerngemeinschaften<br />

bilden. Des Weiteren ist es denkbar, einzelne Studienmodule aus dem Angebot<br />

nationaler oder internationaler Universitäten wahrzunehmen und in<br />

die jeweiligen Lernaktivitäten zu integrieren.<br />

Mit der Realisierung solcher Lern-, Arbeits- und Kommunikationsformen<br />

können Aus- und Fortbildung im Sinne eines stärker selbstständigen<br />

und selbstverantworteten und zugleich kooperativen Lernens gestaltet werden.<br />

Allerdings sollten entsprechende


146 Prioritäre Themen<br />

Wandlungen durch ein geeignetes Beratungs- und Unterstützungssystem<br />

sowie durch ein angemessenes Verhältnis von selbständigen und angeleiteten<br />

sowie von individuellen und sozialen Lernphasen gekennzeichnet<br />

sein. Unter diesen Voraussetzungen lässt sich die Studien- und Lernkultur<br />

in der Lehrerbildung in förderlicher Weise weiterentwickeln.<br />

Entwicklung einer geeigneten technischen Infrastruktur:<br />

Die Frage einer geeigneten (technischen) Infrastruktur ist eng verknüpft<br />

mit der Gestaltung der Lehr-Lern-Situationen. Die etablierte bzw. zu entwickelnde<br />

Infrastruktur sollte unterstützend für die verschiedenen Lehrund<br />

Lernformen sein und entsprechend umfassend ausgerichtet werden.<br />

Dabei sind mit der Infrastruktur nicht nur technische Systeme gemeint,<br />

sondern ebenso die räumlichen Bedingungen, die Softwareausstattung, einschlägige<br />

Literatur und Unterrichtsmaterialien. Der Ausbau der Infrastruktur<br />

kann sich auf die Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

konzentrieren - vorausgesetzt, die herkömmlichen Medienbereiche, z.B.<br />

Video, sind in den zurückliegenden Jahrzehnten an den Institutionen der<br />

Lehrerbildung durch eine hinreichende technische Ausstattung in zufrieden<br />

stellender Weise berücksichtigt worden.<br />

Im Hinblick auf den Aufbau oder die Weiterentwicklung einer geeigneten<br />

technischen Infrastruktur – sollte ausgehend von den Anforderungen,<br />

die sich aus dem jeweiligen konzeptionellen Rahmen ergeben – eine Bestandsaufnahme<br />

erfolgen. Auf <strong>dieser</strong> Grundlage sollten Schritte geplant<br />

und Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden, die letztlich zu einem<br />

breiten Spektrum von Lern- und Arbeitsmöglichkeiten führen.<br />

Im Folgenden werden die dafür notwendigen Ausstattungen und Einrichtungen<br />

sowie Räume kurz skizziert. Wichtig ist, dass die jeweiligen<br />

Funktionalitäten verfügbar sind. Dabei können in einzelnen Räumen unter<br />

Umständen mehrere Funktionen bereitgestellt werden. Die Frage, wo sich<br />

die verschiedenen technischen Einrichtungen bzw. Räume befinden, muss<br />

für die jeweiligen Institutionen bedingungsgerecht entschieden werden.


Prioritäre Themen 147<br />

Für Veranstaltungen können neue Medien zur Präsentation multimedialer<br />

Dokumente, als Werkzeuge oder als Analysegegenstand genutzt werden.<br />

Da eine Vollversorgung aller Räume mit entsprechenden Geräten nicht abzusehen<br />

ist, bieten mobile Einheiten - bestehend aus einem multimediaund<br />

netzwerkfähigen Notebook, einem mobilen Datenprojektor (Beamer)<br />

sowie Aktivlautsprechern - eine sinnvolle Alternative.<br />

Ein sinnvolles Arbeiten in Multimedia-Seminarräumen ist nur dann sichergestellt,<br />

wenn für maximal zwei Lernende ein Arbeitsplatzrechner zur Verfügung<br />

steht. Die Arbeitsplatzrechner müssen in einem lokalen Netzwerk<br />

miteinander und mit dem Internet verbunden sein. Um für das Arbeiten in<br />

Kleingruppen nicht durch die Monitore zu stören, ist es sinnvoll, die Monitore<br />

unter einer Glasplatte zu montieren oder die Möglichkeit einzurichten,<br />

sie zu versenken.<br />

Eine Multimedia-Lernumgebung sollte Informationen bereitstellen, Recherchemöglichkeiten<br />

bieten, individuelles, kommunikatives und kooperatives<br />

Arbeiten unterstützen. Zu den wichtigsten Kommunikationsmöglichkeiten<br />

gehören E-Mail, Diskussionsforen (News-Groups) und Konferenzoder<br />

Chat-Foren. Es sollte ein Kommunikationsserver vorhanden sein, der<br />

als Plattform für gängige Kommunikationsprotokolle und -dienste im Internet<br />

bzw. Intranet dient, Datenschutz und -sicherheit gewährleistet sowie<br />

wesentliche Groupware-Funktionalitäten unterstützt (shared workspaces,<br />

Dokumentenverwaltung, hierarchische Zugriffsrechte, group-awareness<br />

und Projektplanungstools). Akustische Kommunikationsformen (Telefonkonferenz)<br />

oder bildliche Unterstützungen (Bildtelefon, Videokonferenzen)<br />

sind wünschenswert. Weiter sollten Möglichkeiten gegeben sein, eigene<br />

Webseiten zu erstellen oder aufzubereiten. Dies setzt zusätzlich einige Peripheriegeräte<br />

voraus. Dazu gehören ein Scanner, eine Digitalkamera und<br />

ggf. eine Videokamera sowie entsprechende Bearbeitungswerkzeuge.<br />

Neben solchen Multimedia-Seminarräumen für angeleitetes Lernen in<br />

Lerngruppen sollte eine Medienwerkstatt eingerichtet werden. Bei ähnlicher<br />

Ausstattung sollten dort vor allem Workshops, eigenständige Einzel-,<br />

Partner- und Kleingruppenarbeiten sowie Erprobungen mit Lerngruppen<br />

aus Schulen möglich sein.


148 Prioritäre Themen<br />

Über solche Übungsmöglichkeiten in Multimedia-Seminarräumen oder<br />

Medienwerkstätten hinaus sollten Lehrende und Lernende, die Medienangebote<br />

mit höheren technischen Anforderungen analysieren oder auch<br />

selbst multimediale Materialien, inklusive der Einbindung von Video, erstellen<br />

wollen, auf eine hochwertige Ausstattung mit kompetenter technischer<br />

Beratung und Unterstützung zurückgreifen können.<br />

Um Lernenden und Lehrenden die Möglichkeit zu bieten, sich für die<br />

Analyse von Medienprodukten und für die Erstellung von Unterrichtsplanungen<br />

mit Softwareangeboten auseinander zu setzen, ist es notwendig,<br />

ausgewählte, exemplarische Unterrichtssoftware bereitzustellen. Bei der<br />

Auswahl der Produkte sollten die verschiedenen Softwaretypen (z. B. Tutorials<br />

und Übungsprogramme, spielerische Lernprogramme, Computerspiele,<br />

Simulationsprogramme, Datenbestände und Datenbanken, Werkzeuge,<br />

Programmiersysteme, Hypermedia-Arbeitsumgebungen) vertreten<br />

sein. Eine geeignete Dokumentation sollte den Zugriff für Lehrende und<br />

Lernende unterstützen.<br />

Für die Entwicklung der technischen Infrastruktur sollte eine Zusammenarbeit<br />

mit medienrelevanten Einrichtungen innerhalb – gegebenenfalls<br />

auch außerhalb – der jeweiligen Institution, zum Beispiel mit Medienzentren<br />

oder Rechenzentren, angestrebt werden. Für die Finanzierung sind in<br />

der Regel Antragstellungen im Rahmen geeigneter Programme notwendig.<br />

Entwickeln einer geeigneten Personal- und Organisationsstruktur:<br />

Für Institutionen der Lehrerbildung, die ein Veranstaltungsangebot zur<br />

Medienverwendung und zur Medienerziehung bzw. Medienbildung entwickeln<br />

möchten, gibt die <strong>Kommission</strong> folgende <strong>Empfehlungen</strong>: Als erster<br />

Schritt zur Entwicklung und zur Erprobung eines Veranstaltungsangebots<br />

sowie geeigneter Veranstaltungsformen sollte an der jeweiligen Institution<br />

eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Der Arbeitsgruppe sollten (möglichst)<br />

Mitglieder aus verschiedenen Bereichen angehören, die innerhalb<br />

und außerhalb der jeweiligen Institution für die Lehrerbildung und Medienfragen<br />

wichtig sind.


Prioritäre Themen 149<br />

Für die Bildung der Arbeitsgruppe ist es günstig, wenn es mindestens eine<br />

Stelle in der Institution gibt, zu deren Arbeitsgebiet die Medienpädagogik<br />

gehört. Unter Umständen muss eine entsprechende Stelle eingerichtet werden.<br />

Von <strong>dieser</strong> Stelle aus könnten die Kontakte und Arbeitszusammenhänge<br />

mit den anderen Bereichen aufgebaut werden. Daneben ist die Sicherstellung<br />

medientechnischer Unterstützung außerordentlich wichtig.<br />

In der Arbeitsgruppe sollte eine Verständigung herbeigeführt werden über<br />

medienpädagogische Grundlagen, z.B. Leitideen und Aufgabenbereiche<br />

der Medienverwendung und Medienerziehung bzw. Medienbildung in<br />

Schule und Lehrerbildung,<br />

Aufgaben und Zielsetzungen der Arbeitsgruppe, insbesondere über die<br />

Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens, über den Aufbau oder die<br />

Weiterentwicklung der Infrastruktur, über die Entwicklung von Kooperationsformen,<br />

mögliche Evaluationen.<br />

Für die Entwicklung des Lehrangebots sollte sich die Arbeitsgruppe regelmäßig<br />

treffen. Als Instrumente für die Planung haben sich Veranstaltungsankündigungen<br />

bzw. -kommentare und ihre Besprechung mit der Prüfung<br />

hinsichtlich der notwendigen Breite und Tiefe des Angebots bewährt.<br />

Für die Dokumentation eignen sich Kurzbeschreibungen. Die Diskussion<br />

der Erfahrungen kann zugleich der Evaluation dienen.<br />

Für die Evaluation empfiehlt es sich – außer Rückmeldungen und Diskussionen<br />

– auch Befragungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und<br />

einzelne veranstaltungsbezogene Tests oder Klausuren sowie eine Auswertung<br />

von schriftlichen Ausarbeitungen oder von anderen Formen der<br />

Leistungserbringung durchzuführen. Die Arbeitsgruppe sollte den gesamten<br />

Prozess der Entwicklung des Lehrangebots und der technischen Infrastruktur<br />

begleiten und evaluieren. Dabei sollten auch eigene Qualifizierungsmaßnahmen<br />

geplant und realisiert werden. Außer regelmäßigen Arbeitssitzungen<br />

empfiehlt es sich, während des Entwicklungsprozesses von<br />

Zeit zu Zeit einen ganztägigen Workshop durchzuführen, in dem - neben<br />

Qualifizierungsmaßnahmen - auch weiter gehende inhaltliche Fragen diskutiert<br />

werden können.


150 Prioritäre Themen<br />

Im Laufe des Entwicklungsprozesses sollte eine Kontaktaufnahme, die<br />

möglichst in kooperative Aktivitäten einmünden sollte, mit anderen lehrerbildungs-<br />

und medienrelevanten Einrichtungen der Region erfolgen, z. B.<br />

mit Medienzentren, Ausbildungsschulen, mit dem Schulamt und mit Medienzentren.<br />

Dabei sollte möglichst ein regionales Unterstützungs- und Beratungssystem<br />

– getragen von einem regionalen Beirat – entstehen.<br />

8.2 Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität<br />

Zu den dominanten Diskursen in den Geistes- und Sozialwissenschaften<br />

gehört die Auseinandersetzung über ein neues Verständnis von Pluralität,<br />

Heterogenität und Alterität. Pluralität, so die Forderung, sei als „allgemeine<br />

Grundverfassung der Gesellschaft“ anzuerkennen, da „plurale Sinn- und<br />

Aktionsmuster [...] von wirklicher Demokratie untrennbar“ sind (WELSCH<br />

1997, S. 5). In die Lehrerausbildung hat diese Diskussion vornehmlich über<br />

verschiedene, seit den 1970er Jahren innerhalb der Erziehungswissenschaft<br />

herausgebildete Spezialisierungen Eingang gefunden, insbesondere über die<br />

„Interkulturelle Pädagogik“, die sich an nicht wenigen Standorten der<br />

Lehrerbildung inzwischen auch als eigenes Studienangebot etabliert hat.<br />

Zentral ist die Frage nach einer Neubestimmung des Verhältnisses von<br />

Differenz und Gleichheit in einer Schule, deren Schülerschaft sich in den<br />

letzten Jahrzehnten unübersehbar ausdifferenziert hat, vor allem sprachlich,<br />

ethnisch/national und kulturell. Zwar ist die Erkenntnis, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler sich je nach sozialer Herkunft, Geschlecht, Religion,<br />

Sprache usw. unterscheiden, nicht neu, wohl aber die Anerkennung von<br />

Heterogenität als Normalfall, verbunden mit der Forderung nach Überwindung<br />

der bisherigen homogenisierenden und zielgruppenspezifisch ausgerichteten<br />

kompensatorischen Strategien im Umgang mit Differenz. In diesem<br />

Sinne wird ein Perspektivwechsel bzw. ein Paradigmenwechsel in der<br />

Lehrerbildung gefordert 70 .<br />

70<br />

Zum Perspektivwechsel vgl. die Arbeiten im Forschungsschwerpunktprogramm<br />

„Folgen der Arbeitsmigration für Bildung und Erziehung“, FABER 1990 und<br />

GOGOLIN 2000; ferner KMK 1996; zum Paradigmenwechsel vgl. u.a. Lehrerinnen<br />

und Lehrer für das „Haus des Lernens“ 1996.


Prioritäre Themen 151<br />

8.2.1. Interkulturelle Bildung als Querschnittaufgabe<br />

In einer Reihe der schon auf Bundes- und Landesebene vorliegenden Vorschlägen<br />

zur Reform der Lehrerbildung wird interkulturelle Bildung als<br />

„Schlüsselkompetenz“, als „integraler Bestandteil der Lehrerbildung“ und<br />

als „Querschnittaufgabe“ qualifiziert (Lehrerinnen und Lehrer für das<br />

„Haus des Lernens“ 1996; KMK 1996; TERHART 2000). Bei sorgfältiger<br />

Lektüre <strong>dieser</strong> Texte zeigt sich jedoch, dass die angesprochenen Reformpapiere<br />

folgendes Problem kennzeichnet: Die sich aus der Globalisierung<br />

ergebenden Veränderungen im Gegenstandsfeld der im Lehramtsstudium<br />

involvierten Fachwissenschaften (einschließlich Erziehungswissenschaft)<br />

werden nicht als tief greifende, die historisch herausgebildeten Normalitätskonstrukte<br />

in Frage stellende Veränderungen wahrgenommen. Statt dessen<br />

werden sie als einzelne, voneinander getrennte „neue“ Phänomene und<br />

„neue Herausforderungen“ vorgestellt und für jede(s) wird eine „neue“<br />

pädagogische Antwort erwartet, sei es „interkulturelle Erziehung“, „Europäische<br />

Dimension im Bildungswesen“, „reflexive Koedukation“; „Integrationspädagogik“;<br />

„Medienerziehung“; „Umwelterziehung“ usw.<br />

Auf diese Weise entsteht der Eindruck, es gebe (beliebig) viele, miteinander<br />

nicht oder kaum zusammenhängende „neue“ Aufgaben, für die es<br />

scheinbar zusätzlicher Angebote bedürfe. „Neu“ wird hier viel zu schnell<br />

mit „zusätzlich“ gleichgesetzt. Die Folge ist, dass die neuen Aufgaben als<br />

Belastung oder gar Überforderung von Schule und Lehrern wahrgenommen<br />

und nicht selten abgewehrt werden 71 .<br />

71<br />

Auf diesem Mißverständnis beruht auch die Warnung der Gemischten <strong>Kommission</strong>,<br />

in deren Text es am Schluss des Abschnitts „Neue Problemlagen und Herausforderungen“<br />

(in dem sie verschiedene Phänomene der gesellschaftlichen Veränderungen<br />

anspricht) heißt: „Schule und Lehrerberuf können nicht zu einem universell beanspruchten<br />

Instrument der Vorbereitung auf Modernisierung wie auch des Ausgleichens<br />

von individuellen und gesellschaftlichen Folgeschäden sich beschleunigender<br />

Modernisierung werden. Es wäre ebenso utopisch wie ideologisch, dem Bildungssystem<br />

wie auch den Bildungsberufen die Bewältigung gesellschaftlich-kultureller<br />

Probleme zu übertragen und diese eben damit zu überfordern. Insofern geht die<br />

<strong>Kommission</strong> von einem inhaltlich begrenzten, realistischen Mandat der Lehrerschaft<br />

und damit von einem spezifischen Verständnis von Professionalität im<br />

Lehrerberuf aus: Der Kernbereich der professionellen Kompetenz ist die Organisation<br />

von Lehren und Lernen“ (Terhart 2000, S. 38).


152 Prioritäre Themen<br />

Eine Reform der Lehrerbildung hingegen, die interkulturelle Bildung konsequent<br />

als Querschnittaufgabe zu fassen sucht, ist<br />

zu denken als ein langfristiger Prozess, der auf eine Veränderung der<br />

Lehrerbildung im Kern zielt, und<br />

zu beginnen mit einer kritischen Befragung der bisherigen, eng mit der<br />

Geschichte der nationalstaatlich verfassten Schule und Lehrerbildung<br />

verbundenen Ausbildungsgegenstände und - strukturen.<br />

In diesem Sinne ist von drei weit verbreiteten Erklärungs- und Denkmustern<br />

Abschied zu nehmen:<br />

erstens von der Vorstellung, interkulturelle Bildung sei eine „Reparaturpädagogik“<br />

für (ausländische resp. zugewanderte) Kinder und ein<br />

„Toleranztraining“ für (inländische) Kinder zwecks Bewahrung des sozialen<br />

Friedens in der Schule und in der Gesellschaft 72 ;<br />

zweitens von der Vorstellung, dass es sich bei interkultureller Bildung<br />

und europäischer Dimension im Bildungswesen um voneinander getrennte<br />

„neue“ Aufgaben handele;<br />

drittens von der Auffassung, interkulturelle Bildung sei eine passagere<br />

Aufgabe neben vielen anderen.<br />

Damit interkulturelle Bildung tatsächlich als Querschnittsaufgabe begriffen<br />

und in die Reform der Lehrerbildung eingebracht werden kann, ist<br />

klarzustellen, dass und wie die so genannten neuen Aufgaben untereinander<br />

zusammenhängen. Der für alle gemeinsame Ansatzpunkt ist ein „gesteigertes<br />

Pluralitätsbewusstsein“ (WELSCH 1994); alle verweisen darauf,<br />

dass ein neuer Umgang mit Heterogenität und mit der Frage nach dem<br />

Verhältnis von Differenz und<br />

72<br />

Vgl. Lehrerinnen und Lehrer für das „Haus des Lernens“ 1996, S. 68.


Prioritäre Themen 153<br />

Gleichheit gefordert ist. Dies schließt zwingend die Frage nach dem bisherigen<br />

Umgang mit Heterogenität ein und danach, wie <strong>dieser</strong> „alte Umgang“<br />

die Inhalte und Strukturen des „Arbeitsplatzes Schule“ und der Lehrerbildung<br />

bestimmt hat und noch bestimmt, um so den Ansatzpunkt für die gewünschte(n)<br />

Reform(en) herausfinden zu können 73 . Dies wird im Folgenden<br />

für <strong>Hamburg</strong> ausgeführt: Nach einer Skizze der sprachlichen und kulturellen<br />

Heterogenität in den Schulen folgt eine Bestandsaufnahme der<br />

schon gegebenen Ansätze interkultureller Bildung in der <strong>Hamburg</strong>er Lehreraus-<br />

und -fortbildung. Den Abschluss bilden die <strong>Empfehlungen</strong> der<br />

<strong>Kommission</strong> zur Ergänzung und Weiterentwicklung <strong>dieser</strong> Ansätze.<br />

8.2.2 Skizze der aktuellen sprachlichen, nationalen/ ethnischen<br />

und kulturellen Vielfalt in den <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schulen<br />

Der Statistik nach hat die <strong>Hamburg</strong>er Schülerschaft sich in den letzten 35<br />

Jahren sprachlich-kulturell deutlich ausdifferenziert. Allein zwischen 1980<br />

und 1999 hat sich der Anteil passausländischer Schülerinnen und Schüler<br />

an der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler mehr als verdoppelt: von<br />

9, 1 % auf 21, 5%. Die passausländischen Schülerinnen und Schüler verteilen<br />

sich auf alle Schulformen und (fast) alle Schulen. Im Schnitt stellen<br />

sie einen Anteil zwischen 18% und 25%. Auffällig hoch ist ihre Zahl in<br />

den Hauptschulen (34,9%) und in den Sonderschulen (25%); auffällig<br />

niedrig ist sie an den Gymnasien, aber auch dort sind es noch 10,1%. Was<br />

die Verteilung auf die einzelnen Schulen angeht, so bietet sich folgendes<br />

Bild: 10 <strong>Hamburg</strong>er Schulen haben keine passausländischen Schülerinnen<br />

und Schüler; 14 haben zwischen 60% und 85%; 69 Schulen zwischen 40%<br />

und 59%; 142 zwischen 20% und 39% und 96 Schulen zwischen 10% bis<br />

19%; die restlichen 101 Schulen haben einen Ausländeranteil von bis zu<br />

9%. Eine neuere Statistik der<br />

73<br />

Vgl. hierzu die Ergebnisse verschiedener Projekte im Rahmen des FABER-<br />

Forschungsschwerpunktprogramms, u.a. dargestellt in GOGOLIN/NAUCK 2000; vgl.<br />

auch KRÜGER-POTRATZ/JASPER/KNABE 1998.


154 Prioritäre Themen<br />

Familiensprachen der Schülerinnen und Schüler in den Vorbereitungsklassen<br />

und in den Klassen 1 bis 10 weist 88 Sprachen aus, die in den <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schulen gesprochen werden. 74 Zur kulturellen Vielfalt in den Schulen<br />

gibt es leider keine speziellen Angaben, aber aus der Tatsache, dass es<br />

in <strong>Hamburg</strong> über 100 verschiedene Konfessionen und Religionen gibt,<br />

lässt sich auf eine entsprechende Vielfalt religiöser und weltanschaulicher<br />

Bindungen der Schülerschaft schließen . 75<br />

Doch selbst wenn man diese Angaben um weitere - im Prinzip vorhandene<br />

statistische Daten (Religion, Geschlecht, Aufenthaltsstatus, Migrationsform)<br />

- ergänzt, so erlauben sie letztlich keine hinreichend genaue Beschreibung<br />

der tatsächlichen Heterogenität der Schülerschaft. Denn: Von<br />

der Nationalität kann nicht auf die Familiensprache 76 und schon gar nicht<br />

auf die Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler in <strong>dieser</strong> und/oder<br />

in Deutsch geschlossen werden. Ausländischer Pass und Deutsch als Erstsprache<br />

schließen einander ebenso wenig aus wie deutscher Pass und eine<br />

nichtdeutsche Muttersprache oder Zweisprachigkeit 77 . Auch gibt der ausländische<br />

Pass keine Auskunft über die Migrationserfahrungen der Schülerinnen<br />

und Schüler, weder darüber, wie lange eine Familie in der Bundesrepublik<br />

resp. in <strong>Hamburg</strong> lebt, noch darüber, wie und wo sie ihre Zukunft<br />

plant.<br />

74<br />

Mutter-Erstsprachen: Schüler nach Muttersprachen, Schuljahr 1999/2000; eine<br />

weitere gute Möglichkeit, präzise Daten zur Sprachenvielfalt zu gewinnen, würde<br />

die Beteiligung an dem Projekt des Europarats (unter Leitung von GUUS EXTRA,<br />

Tilburg) bieten: Multilingual Cities Project 2000. Zur Frage des Umgangs mit<br />

sprachlicher Pluralität in Europa, vgl. Declaration of Oegstgeest 2000.<br />

75<br />

Grünberg, W./Salbaugh, D.L./Meister-Karanikas: Lexikon der <strong>Hamburg</strong>er Religionsgemeinschaften.<br />

Religionsvielfalt in der Stadt von A-Z, <strong>Hamburg</strong> 1994.<br />

76<br />

Die Sprachenvielfalt reicht von Türkisch und Russisch über die Sprachen aus den<br />

Gebieten resp. Staaten des ehemaligen Jugoslawien, Farsi, Dari, Polnisch bis zu den<br />

„klassischen“ Arbeitsmigrantensprachen Griechisch, Portugiesisch, Spanisch, Italienisch<br />

usw.<br />

77<br />

Einen ersten Eindruck vermittelt die von der Universität Landau durchgeführte<br />

Untersuchung zum Sprachstand türkisch–deutscher Schulanfänger, vgl. <strong>Hamburg</strong>er<br />

Erhebung 2000.


Prioritäre Themen 155<br />

Aber: So unzureichend die statistischen Daten sein mögen, sie belegen<br />

zweifelsfrei, dass angefangen von den Praktika während der ersten Ausbildungsphase<br />

über die zweite Phase bis zur Berufstätigkeit jede (zukünftige)<br />

Lehrkraft (auch) in sprachlich-kulturell heterogenen Klassen unterrichtet,<br />

ganz abgesehen von der Heterogenität hinsichtlich Geschlecht, sozialem<br />

und kulturellem Kapital der Familie, Migrationserfahrung, physische/psychische<br />

Gesundheit, Alter usw. Sie lassen darüber hinaus den<br />

Schluss zu, dass die Zusammensetzung der <strong>Hamburg</strong>er Lehrerschaft keineswegs<br />

diese Heterogenität spiegelt. Zwar gibt es „ausländische Lehrerinnen<br />

und Lehrer“ für den muttersprachlichen Unterricht, die zum Teil<br />

auch im Rahmen der Schulsozialarbeit eingesetzt werden, aber für alle<br />

weiteren Fächer fehlen „Lehrkräfte mit Migrationshintergrund“.<br />

Zielsetzung der von der <strong>Kommission</strong> erarbeiteten <strong>Empfehlungen</strong> ist es<br />

daher, sicherzustellen, dass zukünftig alle <strong>Hamburg</strong>er Lehrerinnen und<br />

Lehrer angemessen auf diese Situation vorbereitet und mehr Studierende<br />

mit „Migrationshintergrund“ für eine pädagogische Ausbildung gewonnen<br />

werden können.<br />

8.2.3. Zu den bestehenden Ansätzen interkultureller<br />

Lehreraus- und –fortbildung in <strong>Hamburg</strong><br />

Es gibt in <strong>Hamburg</strong> ausbaufähige Ansätze im Bereich interkultureller<br />

Lehrerbildung, mit ersten auch institutionell abgesicherten Schnittstellen<br />

zwischen erster, zweiter und dritter Phase. Die bestehenden Studien- und<br />

Ausbildungsangebote reichen von der Möglichkeit thematischer Schwerpunktbildungen<br />

über Spezialisierungen im Fachstudium bis hin zu zertifizierten<br />

Zusatzausbildungen. Dennoch ist eine Aus- und Fortbildung ohne<br />

Berührung mit diesen Fragen auch aktuell nicht nur möglich, sondern -<br />

nicht zuletzt angesichts der großen Zahl von Lehramtsstudierenden - auch<br />

wahrscheinlich! Vor allem besteht die Gefahr der Marginalisierung des bestehenden<br />

Angebots, sofern es nicht konsequent so weiterentwickelt wird,<br />

dass<br />

<br />

der geforderte Perspektivwechsel in der Lehrerbildung generell eingeleitet<br />

wird (also „Neudenken“ der Lehrerbildung im Ausgang von<br />

„Heterogenität als Normalfall“),


156 Prioritäre Themen<br />

<br />

<br />

weitere notwendige Spezialisierungen (Zusatz- resp. Ergänzungsstudiengänge)<br />

entwickelt und - mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet -<br />

angeboten werden, und<br />

Anreize für die Rekrutierung von „Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund“<br />

entwickelt werden.<br />

Als erstes sind die durch die „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“ koordinierten<br />

Angebote zu nennen. Den Kern bildet die Zusatzausbildung<br />

„Lehrer für Kinder verschiedener Muttersprachen“, ein 1980 etabliertes<br />

und zwischenzeitlich weiterentwickeltes Zusatzstudienangebot, dass von<br />

den Fachbereichen Erziehungswissenschaft und Sprachwissenschaft getragen<br />

wird. 30 Studienplätze stehen pro Semester zur Verfügung. Zulassungsvoraussetzung<br />

ist das Erste Staatsexamen für ein Lehramt. Die Zusatzausbildung<br />

ist auf drei Semester ausgelegt; zu studieren sind vier Themenbereiche:<br />

(1) Deutsch als Zweitsprache, (2) Mehrsprachigkeit sowie<br />

Erfahrungen mit einer „zugewanderten“ Sprache 78 ; (3) interkulturelle Erziehung<br />

und (4) soziale und politische Bedingungen des Lebens im Einwanderungsland<br />

Deutschland.<br />

Diese Zusatzausbildung ist interdisziplinär angelegt und weist schon<br />

jetzt erste vertraglich abgesicherte Verbindungen zur Zweiten und Dritten<br />

Phase sowie zu verschiedenen Teilen des grundständigen Studiums auf.<br />

Von hier aus sind auch Impulse zur Installierung neuer Fachstudien, so<br />

zum Studiengang „Intercultural Studies“ im Rahmen des „International<br />

Center for Advanced Studies“ ausgegangen 79 .<br />

Die Zusatzausbildung ist mit der Dritten Phase insofern verbunden, als<br />

pro Semester fünf Lehrkräfte, die als Beamte im <strong>Hamburg</strong>er Schuldienst<br />

beschäftigt sind, mit der Hälfte ihrer Unterrichtszeit für die Zusatzausbildung<br />

„Lehrer für Schüler verschiedener Muttersprachen“ freigestellt werden<br />

können; bisher haben mehr als 180 Lehrkräfte davon Gebrauch gemacht.<br />

Eine Verbindung zur Zweiten Phase ist seit 1996 in Form eines Wahlbereichs<br />

in den Ausbildungsrichtlinien verankert: Referendare<br />

78<br />

Hier wird vor allem Türkisch angeboten.<br />

79<br />

Die „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“ ist am Lehrangebot dieses Studiengangs<br />

beteiligt.


Prioritäre Themen 157<br />

und Referendarinnen haben die Möglichkeit, als individuelle Schwerpunktsetzung<br />

die Didaktikseminare der Zusatzausbildung zu besuchen.<br />

Die Verschränkungen der Zusatzausbildung „Lehrer für Kinder verschiedener<br />

Muttersprachen“ mit Studienangeboten in der Ersten Phase<br />

sind vielfältiger.<br />

• Fakultative Schwerpunksetzungen im erziehungswissenschaftlichen<br />

Studium<br />

Aufgrund der Freiheiten, die die Studien- und Prüfungsordnungen den Studierenden<br />

gewähren, steht es allen Studierenden offen, unabhängig von ihren<br />

Fächern, einen Schwerpunkt „interkulturelle Bildung“ zu setzen und<br />

zwar im erziehungswissenschaftlichen Studium, in einigen wenigen Fachdidaktiken<br />

und auch im Fach Deutsch. Diese Angebote werden nicht gesondert<br />

zertifiziert. Mögliche thematische Schwerpunkte sind z.B.:<br />

Geschichte und Theorie der Migration, Multikulturalität der Gesellschaft<br />

und Monolingualität der Schule,<br />

Erziehung und Bildung in Klassen mit Schülerinnen und Schülern mit<br />

unterschiedlichem sprachlichen und kulturellen Hintergrund,<br />

Lernprozesse unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit,<br />

Deutsch als Zweitsprache und<br />

Didaktik einzelner Unterrichtsfächer in interkultureller Perspektive,<br />

z.B. interreligiöses Lernen.<br />

Ein weiteres Angebot sind die von der „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“<br />

regelmäßig angebotenen Seminare „Praxisorientierte Einführung“<br />

unter interkultureller Perspektive. Sie sollen die Lehramtsstudierenden<br />

frühzeitig dazu anregen, sich explizit mit der in den Schulen gegebenen<br />

Heterogenität auseinander zu setzen. Doch: Es handelt sich hierbei (a) um<br />

Angebote, die an einzelne Lehrende gebunden sind und vor allem bedeutet<br />

(b) Wahlfreiheit, dass Studierende diese Möglichkeiten - formal folgenlos -<br />

ignorieren können!


158 Prioritäre Themen<br />

Schwerpunktsetzungen und Ergänzungsstudien in einzelnen Fachwissenschaften<br />

Deutsch als Zweitsprache<br />

„Deutsch als Zweitsprache“ ist ein Studienschwerpunkt, den Studierende<br />

des Faches Deutsch prüfungsrelevant studieren können. Hierzu liegt vom<br />

Amt für Schule eine in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen Erziehungswissenschaft<br />

und Sprachwissenschaft ausgearbeitete Interpretation<br />

der Prüfungsordnung vor. Auch hier gilt: Studierende des Faches Deutsch<br />

können diese Möglichkeit nutzen oder ignorieren, die Anerkennung und<br />

der „Wert“ ihrer Deutschfakultas bleibt davon unberührt.<br />

„Religionsunterricht für alle“<br />

Seit Jahrzehnten gibt es in <strong>Hamburg</strong> einen „Religionsunterricht für alle“, in<br />

dem nicht nach Konfession und Religion getrennt wird. 80 Für eine entsprechende<br />

Lehrerausbildung ist ein in diese Richtung weisender, ausbaufähiger<br />

Ansatz die Initiative zur Einrichtung eines Lehrstuhl für Islamische<br />

Theologie. Um die entsprechenden Lehrerinnen und Lehrer angemessen<br />

auf den „Religionsunterricht für alle“ vorzubereiten, sollten die Überlegungen<br />

langfristig dahin gehen, auch Angebote zu anderen nichtchristlichen<br />

Religionen im Sinne einer neuen Fachorientierung, die von religiöser<br />

Pluralität als Normalfall ausgeht, zu institutionalisieren (vgl. WEIßE/<br />

DOEDENS 2000).<br />

Türkisch als Unterrichtsfach<br />

Zwei bis drei (!) Studienplätze stehen im Fachbereich Orientalistik für<br />

„Türkisch als Unterrichtsfach“ zur Verfügung. Rechtlich abgesichert ist<br />

das Angebot durch einen Zusatz zur Prüfungsordnung von 1982 (§ 22,<br />

Abs. 3). Außer in der Sonderpädagogik kann Türkisch wie jede andere<br />

Philologie gewählt werden. Je nach den sprachlichen Vorkenntnissen (im<br />

Türkischen) umfasst das Fachstudium 32 - 40 SWS; verpflichtend ist ein<br />

dreimonatiger Sprachaufenthalt in der Türkei. Hier fehlt - so auch die Auf-<br />

80<br />

Vgl. Weisse, W./Doedens, F. (Hrsg.): Religiöses Lernen in einer pluralen Welt. Religionspädagogische<br />

Ansätze in <strong>Hamburg</strong>: Novemberakademie 1999. Münster/New<br />

York/München/Berlin 2000.


Prioritäre Themen 159<br />

fassung des Fachbereichs Orientalistik 81 - ein eigenständiger Lehrstuhl für<br />

türkische Sprache und Literatur und ihre Didaktik.<br />

8.2.4 Vorschläge der <strong>Kommission</strong><br />

Bislang gibt es bundesweit kein Modell für Lehrerbildung, das strukturell<br />

und inhaltlich die Frage gelöst hätte, wie die neue Querschnittaufgabe, die<br />

letztlich interdisziplinäre Strukturen verlangt, wahrgenommen werden<br />

kann. Für <strong>Hamburg</strong> empfiehlt die <strong>Kommission</strong> daher, bestehende Ansätze<br />

zu stärken und auszubauen, mit dem Ziel, dass zukünftig eine Lehrerausund<br />

-fortbildung ohne Berührung mit Fragen sprachlicher, ethnischer, kultureller<br />

Heterogenität ausgeschlossen ist (interkulturelle Bildung als<br />

„Querschnittaufgabe“, Abschnitt 8.2.4.1), und neue Fachangebote resp.<br />

Fachschwerpunktsetzungen etabliert resp. abgesichert werden können (Abschnitt<br />

8.2.4.2).<br />

Darüber hinaus empfiehlt die <strong>Kommission</strong> zu prüfen, inwieweit die<br />

Modularisierung der Studiengänge eine gute Möglichkeit zur Einleitung<br />

von Strukturveränderungen im Sinne des hier angesprochenen Perspektivwechsels<br />

in allen Anteilen und Phasen der Lehrerbildung darstellt.<br />

8.2.4.1 Weiterentwicklung und Ergänzung interkultureller<br />

Angebote für alle Lehrerinnen und Lehrer:<br />

Querschnittaufgabe<br />

Hier steht - bezogen auf alle Ausbildungsanteile und -phasen - die kritische<br />

Auseinandersetzung mit den gegebenen Inhalten und Strukturen im Mittelpunkt.<br />

Die Leitfrage lautet: Warum sind Differenzen (in Bezug auf Sprache,<br />

Ethnizität, Geschlecht, Gesundheit/Behinderung usw.) als Defizite<br />

oder Sonderprobleme übersetzt worden, für die dann nur Teile der Lehrerschaft<br />

verantwortlich wa<br />

81<br />

Der Fachbereich Orientalistik empfindet dieses Studienangebot als Überforderung.


160 Prioritäre Themen<br />

ren/sind - eine Frage, die auch hinsichtlich der Entscheidung darüber, was<br />

zukünftig jede Lehrkraft wissen und was weiterhin Aufgabe von Experten<br />

bleiben muss, zu stellen ist. In diesem Sinne sind die - ohne Anspruch auf<br />

Vollständigkeit - nachstehend aufgelisteten Fragen zu verstehen:<br />

Welchen Kräftekonstellationen und Denkfiguren verdanken sich die<br />

bisherigen Strukturen der Lehramtsausbildung?<br />

Welche Strategien, Ordnungsprinzipien, Denk-, Handlungs- und Entscheidungsmuster<br />

sind historisch herausgebildet worden, um in der<br />

„Massenschule“ die kulturelle und soziale Integration der nachwachsenden<br />

Generation im Nationalstaat zu sichern?<br />

Wie resp. wo bestimmen diese Strategien und Denkmuster bis heute<br />

Ausbildung und Unterricht?<br />

Wie sind sie in den bildungspolitischen Entscheidungen und rechtlichen<br />

Regelungen verankert?<br />

Wie und wo haben sie Eingang in Theorien (Theorien der Schule,<br />

Theorien des Lehrens und Lernens, entwicklungspsychologische Ansätze,<br />

Anthropologien, usw.) gefunden? Wie haben sie die „innere Ordnung“<br />

der Schule (Verhaltensregeln, Schulordnungen, Rollenbeschreibungen)<br />

mit bestimmt?<br />

Welche Gegenentwürfe hat es historisch gegeben und warum sind sie<br />

„gescheitert“?<br />

Diese Fragen, die ihren Platz insbesondere in den Kerncurricula der erziehungswissenschaftlichen,<br />

fachdidaktischen wie fachwissenschaftlichen<br />

Ausbildung haben, führen dazu, dass (zukünftige) Lehrkräfte sich in allen<br />

Teilen der Ausbildung mit der Geschichte ihres „Arbeitsplatzes“ und ihrer<br />

Profession auseinander setzen müssen, mit dem Ziel der Bewusstmachung<br />

von Normalitätskonstrukten, und somit mit den Strukturen sowie Strategien<br />

von Inklusion/Exklusion.<br />

Darüber hinaus - und dies ist neu - gehört zur Installierung der Interkulturellen<br />

Bildung als Querschnittaufgabe, dass alle Lehrkräfte, Gelegenheit<br />

bekommen müssen, sich Grundkenntnisse in Fragen von Spracherwerb,<br />

Zweitspracherwerb (Deutsch als Zweitsprache) und innersprachliche<br />

Heterogenität anzueignen, mit dem


Prioritäre Themen 161<br />

Ziel eines bewussten und zielgruppengerechten Einsatzes der Unterrichtssprache<br />

Deutsch in jedem Fach: Ein wesentlicher Inhalt eines derartigen<br />

Ausbildungsangebots ist außerdem das Erlernen von Strategien, um (a)<br />

sich in mehrsprachigen Situationen professionell bewegen zu können, ohne<br />

mehrere Sprachen tatsächlich sprechen zu können und (b) die gegebene<br />

Mehrsprachigkeit allen Lernern als Ressource zugänglich zu machen.<br />

In <strong>dieser</strong> Perspektive empfiehlt die <strong>Kommission</strong> zu prüfen, wie das gemeinsame<br />

Studium der Lehramtsstudenten, das bisher nur in Erziehungswissenschaft/Sozialwissenschaften<br />

erfolgt, um ein vier- bis sechsstündiges<br />

Angebot (zeugnis- resp. prüfungsrelevant) „Deutsch als Arbeits- resp. Unterrichtssprache“,<br />

„Strategien der Kommunikation in Situationen sprachlicher<br />

Pluralität“ ergänzt werden kann. Zu denken ist an ein interdisziplinäres<br />

Angebot, bereitgestellt von den Arbeitsbereichen, resp. Fächern/Fachbereichen:<br />

Erziehungswissenschaft (Interkulturelle Bildung), Germanistik<br />

(Deutsch als Zweitsprache), Linguistik (Spracherwerb/Zwei- und Mehrsprachigkeit)<br />

und von den Fachdidaktiken zusammen mit den Fachwissenschaften<br />

(Unterrichtssprache/Fachsprache Deutsch).<br />

8.2.4.2 Weiterentwicklung und Ergänzung bestehender Angebote<br />

interkultureller Bildung: Spezialisierungen<br />

Deutsch als Zweitsprache: Spezialisierung<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt den Ausbau des Ergänzungsstudiums „Deutsch<br />

als Zweitsprache“ (DaZ) zu installieren - unabhängig von der oben ausgesprochenen<br />

Empfehlung für die Einrichtung eines Angebots in DaZ (Spracherwerb/Mehrsprachigkeit)<br />

für alle Lehrkräfte. Die für Deutsche als<br />

Zweitsprache speziell qualifizierten Lehrkräfte könnten in den Schulen<br />

(Förderklassen), aber auch in der Weiterbildung eingesetzt werden. Denn<br />

alle bekannten Daten weisen darauf hin, dass (1) in der Bundesrepublik<br />

Zuwanderung ein wichtiger demographischer und ökonomischer Faktor<br />

bleibt und dass (2) auch Kinder aus Zuwandererfamilien, die in der Bundesrepublik<br />

geboren werden, primär in der Sprache ihrer Familie aufwachsen<br />

und die deutsche Sprache nicht in der Weise in die


162 Prioritäre Themen<br />

Schule „mitbringen“ wie diese es - traditionell - als „normal“ voraussetzt.<br />

Integrierter Religionsunterricht<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt die Weiterentwicklung eines Studien- und<br />

Weiterbildungsangebots für Lehrerinnen und Lehrer des Faches Religion<br />

(integrierter Religionsunterricht). Ein erster Schritt zur Realisierung könnte<br />

die Einrichtung eines Lehrstuhls für Islamische Theologie sein. Gleichzeitig<br />

ist ein Konzept zu entwickeln, das sicherstellt, dass - über Christentum<br />

und Islam hinaus - andere Weltreligionen ihren Platz in der Aus- und Fortbildung<br />

finden, ohne für jede einen neuen Lehrstuhl vorzusehen. Anzustreben<br />

ist ein fachliches Ausbildungskonzept für ein integriertes Studium der<br />

Weltreligionen und für interreligiöses Lernen.<br />

Türkisch als Unterrichtsfach<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt den Ausbau des Studienangebots „Türkisch als<br />

Unterrichtsfach“ durch die Einrichtung eines Lehrstuhls für Türkische<br />

Sprache und Literatur und ihre Didaktik in der Lehrerausbildung und die<br />

Anerkennung sowie den Ausbau des Türkischen als gleichberechtigte<br />

Philologie.<br />

Zusatzstudium „Lehrer für Kinder verschiedener Muttersprachen“<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, die Fortentwicklung des Zusatzstudiums „Lehrer<br />

für Kinder verschiedener Muttersprachen“ auf mehreren Ebenen und<br />

bezogen auf verschiedene Adressaten 82 :<br />

die Entwicklung eines interdisziplinären Aufbaustudiengangs für Lehrkräfte,<br />

die ihre Fakultas in einem anderen (europäischen) Land erworben<br />

und ggf. nur ein Fach studiert haben; Ziel ist es, dafür Sorge zu tragen,<br />

dass in einer heterogenen Lehrerschaft einheitliche Standards gewahrt<br />

bleiben;<br />

82<br />

Hierzu liegen Vorschläge der Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung vor, deren Ziel es<br />

ist, eine effizientere Nutzung der vorhandenen Lehr- und Forschungskapazitäten,<br />

einen flexiblen Einsatz des Lehrangebotes und eine Verbindung des Ausbildungsangebotes<br />

für pädagogisches Personal in der Schule und in weiteren pädagogischen<br />

Arbeitsfeldern zu gewährleisten.


Prioritäre Themen 163<br />

<br />

<br />

die Etablierung eines Schwerpunktbereiches Interkulturelle Bildung in<br />

Fort- und Weiterbildung für pädagogisches Personal, für die sich dasselbe<br />

Problem des produktiven Umgangs mit sprachlicher, ethnischer<br />

und kultureller Pluralität in anderen (nicht-schulischen) pädagogischen<br />

Handlungsfeldern stellt;<br />

den Ausbau der Mitarbeit im Studiengang „Intercultural Studies“.<br />

Konzept für eine veränderte Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt ferner, ein Konzept zur Veränderung der<br />

Fremdsprachenlehrerinnen- und -lehrerausbildung zu erarbeiten: Noch<br />

steht die Fremdsprachenlehrerausbildung zu stark in der Tradition des Erlernens<br />

einer anderen (fremden) Nationalsprache und Nationalkultur. Ziel<br />

sollte es sein, die gesamte sprachliche Bildung eines Kindes (Deutsch, ggf.<br />

eine andere Familiensprache und in der Schule gelernte Fremdsprachen) in<br />

ein integriertes Konzept sprachlichen Lernens zu übertragen. Die in <strong>Hamburg</strong><br />

schon gegebenen ersten Ansätze der Verbindung von Sprachen und<br />

„Verwertungszusammenhängen“, z.B. Englisch als Arbeitssprache, Englisch<br />

als lingua franca oder Französisch der Frankophonie, sollten weiterentwickelt<br />

werden.<br />

Ein weiterer Ansatzpunkt für eine Veränderung der Fremdsprachenbildung<br />

im Sinne des integrierten sprachlichen Lernens könnte ein für alle<br />

Fachstudierenden verpflichtendes Angebot in einer sprachübergreifenden<br />

Fachdidaktik sein. Hierzu sollte eine spezielle Arbeitsgruppe eingesetzt<br />

werden, an der Fachdidaktiker und Fachwissenschaftler verschiedener<br />

Philologien und Vertreter der Ersten und Zweiten Phase beteiligt sind .<br />

Lehrkräfte für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, ein strukturiertes Studienangebot (mit Entsprechungen<br />

in der Zweiten Phase) für die Ausbildung der Lehrkräfte einzurichten,<br />

die für den frühen Fremdsprachenunterricht in der Grundschule<br />

zuständig sind. Hierzu sollte eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe unter<br />

Beteiligung der „Arbeitsstelle Interkulturelle Bildung“ eingerichtet werden.


164 Prioritäre Themen<br />

Lehrkräfte für bilinguale Bildungsgänge<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine Arbeitsgruppe einzurichten, die ein Konzept<br />

für die Ausbildung von Lehrkräften für bilinguale Bildungsgänge ab<br />

Sekundarstufe I und/oder - wie schon in Berlin und anderen Städten - ab 1.<br />

Klasse Grundschule entwickelt. In diesen Ausbildungsgängen sollte die<br />

Frage der Mehrsprachigkeit eine zentrale Stelle einnehmen, und die in Frage<br />

kommenden Sprachen sollten sich nicht auf die „anerkannten“ Fremdsprachen<br />

(Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch) beschränken.<br />

8.3 Schulentwicklung<br />

Die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> betrachtet die Notwendigkeit, Schule im Sinne<br />

einer Qualitätssicherung permanent weiterzuentwickeln, als zentrale<br />

Orientierung beim Neudenken von Lehrerbildung. Dabei kann Bezug genommen<br />

werden auf die internationale Debatte um die Autonomie von<br />

Bildungsinstitutionen. Diese findet ihren Niederschlag im <strong>Hamburg</strong>ischen<br />

Schulgesetz, das an entscheidenden Stellen von einer sich eigenständig<br />

entwickelnden Schule ausgeht.<br />

Von Bedeutung in normativer Hinsicht sind in <strong>Hamburg</strong> in diesem Zusammenhang<br />

die veränderten oder neuen Vorgaben (<strong>Hamburg</strong>er Schulgesetz<br />

und verschiedene Richtlinien)<br />

zur Schulprogrammentwicklung,<br />

zur schulinternen Evaluation,<br />

zur schulinternen Standardreflexion durch Entwicklung von Vergleichsarbeiten,<br />

zu Partizipations- und Mitentscheidungsrechten der schulischen Gruppen,<br />

zur Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Schulleitungen und<br />

zu Zielen, Gestaltung und Organisation der Ausbildung im Vorbereitungsdienst<br />

für die Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> ist der Ansicht, dass in <strong>Hamburg</strong> insgesamt günstige<br />

Rahmenbedingungen für eine langfristig angelegte Schulentwicklung gegeben<br />

sind. Die Rahmenbedingungen sollten gestärkt,


Prioritäre Themen 165<br />

weiter ausgebaut und in den Institutionen der Lehrerbildung mit hohem<br />

Verbindlichkeitsgrad aufgenommen werden. Gleichzeitig werden hier auch<br />

im Zuge der relativ fortgeschrittenen Entwicklung die Anforderungen sehr<br />

konkret sichtbar, die sich aus diesem Kontext für Lehrerinnen und Lehrer<br />

ergeben. Sie betreffen die Arbeitssituation der Lehrerinnen und Lehrer und<br />

der Schulleitungen, die Neuorientierungen ihrer Berufstätigkeit, die beruflichen<br />

Leitbilder sowie die Aufgabenfelder. Damit geht es um Neufassung<br />

pädagogischer Professionalität mit den sich daraus ergebenden Folgen für<br />

die Bildung eines professionellen Selbst von Lehrerinnen und Lehrern.<br />

8.3.1 Arbeitsperspektive im Lehrberuf<br />

Schulen müssen sich einer Vielzahl von Veränderungen stellen. Mit Hilfe<br />

von gezielter Schulentwicklung kann <strong>dieser</strong> Veränderungsdruck in zukunftsweisende<br />

Gestaltungsaktivitäten umgeleitet werden. Wenn die Einzelschulen<br />

in diesem Zusammenhang als ‚Motoren der Entwicklung‘ betrachtet<br />

werden, so muss gleichzeitig ihr Eingebundensein in vorgegebene<br />

Strukturen berücksichtigt werden. Schulen als hochkomplexe soziale Systeme,<br />

die sich durch hierarchische Strukturen und ein traditionelles Verordnungswesen<br />

von beachtlicher Haltekraft auszeichnen, können sich –<br />

häufig auch mit externer Unterstützung – weiterentwickeln. Andererseits<br />

müssen Schulentwickler und -entwicklerinnen mit der Trägheit der Systeme<br />

sowie mit antinomischen Spannungen des Lehrerhandelns rechnen, die<br />

im Zuge der Aufforderung zur permanenten Weiterentwicklung leicht zu<br />

Überforderungen führen können.<br />

So ergibt sich als Arbeitsperspektive für Lehrerkräfte ein widersprüchliches<br />

setting: Einerseits entstehen mit Bildungsplänen, Rahmenrichtlinien<br />

und sonstigen Vorgaben neue Freiräume im pädagogischen, finanziellen,<br />

personellen und administrativen Bereich, andererseits bestehen eine hohe<br />

Regelungsdichte sowie traditionelle Verwaltungsstrukturen, die auf die<br />

Verknüpfung des Lehrberufs mit der staatlichen Gewährleistungsaufgabe<br />

für das Schulsystem insgesamt verweisen.


166 Prioritäre Themen<br />

Klug wäre die Berücksichtigung sowohl der historisch erworbenen Sicht<br />

als auch der aktuell zu entwickelnden Arbeitsperspektive. Schulentwicklung<br />

gründet demnach sowohl auf elementaren Aufgabenfeldern des Lehrberufs,<br />

wie dem Unterrichten, Erziehen, Diagnostizieren und Beurteilen,<br />

als auch auf innovativen Potentialen der Lehrkräfte, die sich in schärfer zu<br />

fassender Schulentwicklungskompetenz der Akteure niederschlägt.<br />

8.3.2 Berufliches Leitbild<br />

Die <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong> Lehrerbildung betrachtet Schulentwicklung<br />

neben Unterricht, Erziehung, Diagnostik und Beurteilung als gleich zu gewichtendes<br />

Thema bei der Entwicklung eines neuen beruflichen Leitbildes.<br />

Umrisse eines beruflichen Leitbildes, in dem das zentrale Thema ‚Schulentwicklung‘<br />

berücksichtigt wird, gründen auf dem Einverständnis der<br />

‚professionals‘, sich auf Wandel einzulassen und dabei normative Orientierungen<br />

und Standards, Einbindungen in die Organisation Schule und das<br />

Schulsystem zu reflektieren. Es geht insofern um Prozessbereitschaft und<br />

eine Offenheit für Entwicklungen, die sich in aktiver Teilnahme an Schulentwicklungsprozessen<br />

niederschlägt. Dabei mag die Akzentuierung von<br />

Veränderung als stabilem Element des Lehrberufs einen anstehenden Bewusstseinwandel<br />

in einem traditionell verwalteten Berufsfeld umreißen.<br />

Die Wandlungsperspektive zeichnet sich dabei einerseits durch Offenheit<br />

für zukünftige Schulentwicklungen ab; andererseits ist sie gebunden an die<br />

Vision einer guten Schule, die kooperativ erarbeitet werden kann und die<br />

die Pädagogen auf Prozessstandards verpflichtet.<br />

Ausgehend von der Leitvorstellung einer autonomisierten Schule unterstreicht<br />

die <strong>Kommission</strong> folgende Orientierungen in Schulentwicklungsprozessen:<br />

eigenverantwortliche Wahrnehmung pädagogischer Freiräume,<br />

Verbesserung der Qualität des Unterrichts,<br />

Aufbau einer Schulkultur,<br />

kooperative Vernetzung der Mitglieder,


Prioritäre Themen 167<br />

<br />

<br />

systematische Evaluation von Arbeitsprozessen und Arbeitsergebnissen,<br />

schulorganisatorische Gestaltungskompetenz.<br />

Die eigenverantwortliche Wahrnehmung pädagogischer Freiräume ergibt<br />

sich aus dem erweiterten Handlungsspielraum der Schulen, der sich in der<br />

eigenständigen Gestaltung des Unterrichts und der Wahl von Schwerpunkten,<br />

die der Heterogenität der Schülerschaft entsprechen, niederschlägt.<br />

Ziel der kooperativ zu erarbeitenden Orientierungen ist die Verbesserung<br />

des Unterrichts als zentralem Anliegen aller Schulreform. Sie setzt<br />

tragfähige kommunikative Vernetzungen unter den Mitgliedern des Kollegiums<br />

voraus. Mit dem Einlassen auf Schulentwicklungsprozesse werden<br />

Beiträge zum Aufbau einer Schulkultur, zu der selbstverständlich evaluative<br />

Verfahren gehören, geleistet. Die hier auf der Basis von Daten entwikkelten<br />

Visionen müssen im Zuge einer Implementation in den Schulalltag<br />

eingefügt werden und erfordern damit Geschick im schulorganisatorischen<br />

Bereich.<br />

8.3.3. Führung und Management<br />

In Schulentwicklungsprozessen kommt der Schulleitung eine herausragende<br />

Bedeutung zu. Für die Prozessentwicklung der Organisation trägt sie die<br />

Gesamtverantwortung, was Verpflichtungen und Aufgaben sowohl innerhalb<br />

der Schule als auch gegenüber Außeninstanzen (Schulaufsicht, Ausund<br />

Fortbildungsinstitutionen, außerschulische Kooperationspartner) mit<br />

sich bringt. In der Orientierung sind ihre Aktivitäten insgesamt als Beitrag<br />

zur corporate identity zu betrachten. Dabei liegen die Aufgaben und Verantwortlichkeiten<br />

der Schulleitung in der Wahrung der Gemeinsamkeit der<br />

Initiativen und der Sicherung von Qualitätsstandards vor dem Hintergrund<br />

der allgemeinen Richtlinien. In der Übernahme der Gesamtverantwortung<br />

übernimmt sie vorbildhaft eine Schlüsselfunktion bezüglich der oben angegebenen<br />

Orientierungen. Sie sichert dabei Dialogizität durch Transparenz<br />

und Verankerung von


168 Prioritäre Themen<br />

innovativen Schritten im Kollegium. Darüber hinaus sichert sie Standards<br />

und vertritt die Schule nach außen.<br />

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass durch das Führungshandeln<br />

der Schulleitung<br />

die schulische Auftragserfüllung gestützt,<br />

die Gemeinsamkeit und Ergebnisorientierung der Entwicklungsinitiativen<br />

verbürgt,<br />

förderliche Arbeitsbedingungen für das pädagogische Personal hergestellt<br />

und<br />

das Erreichen von Qualitätsstandards vor dem Hintergrund existierender<br />

Vorgaben thematisiert wird.<br />

Da schulische Entwicklungsprozesse in hohem Maß von unterstützendem<br />

Führungshandeln der Schulleitungen abhängen, sollten nach Auffassung<br />

der <strong>Kommission</strong> die existierenden Fort- und Weiterbildungsstrukturen für<br />

Leitungskräfte, die zurzeit von einem Angebotscharakter im Bausteinsystem<br />

geprägt sind, in einer Weise weiterentwickelt und ergänzt werden,<br />

dass<br />

die praxisbegleitende Fortbildung und Unterstützung der Problemlösekapazität<br />

im Organisationskontext der Einzelschule akzentuiert wird,<br />

kooperative Fortbildungskontexte etabliert werden, die arbeitsplatznahes<br />

individuelles Lernen und Gruppenlernen ermöglichen,<br />

systematisch pädagogische Schul-, Team- und Managemententwicklung<br />

verknüpft werden,<br />

die Schulleitungsqualifizierung sich stimmig in ein schuleigenes Fortbildungsprogramm<br />

einbettet.<br />

8.3.4. Professionalisierung durch und für Schulentwicklung<br />

Im Sinne eines fortlaufend zu überprüfenden Gesamtauftrages Lehrerbildung<br />

in <strong>Hamburg</strong> wird das reflexive Umgehen mit innovativen Prozessen,<br />

die auf einer Reform der Unterrichtsprozesse basieren, empfohlen. Die Akzentuierung<br />

reflexiver Haltungen kann dabei vor Innovationseuphorie und<br />

Überforderung schützen. Die pragmatische Begrenzung von innovativen<br />

Vorhaben und eine


Prioritäre Themen 169<br />

flankierende Fortbildung und Beratung können als günstige Voraussetzung<br />

für das Gelingen schulischer Entwicklungsprojekte betrachtet werden.<br />

Als Voraussetzung für professionelle Schulentwicklungsarbeit kann<br />

gelten die Fähigkeit und Bereitschaft<br />

zur experimentellen Gestaltung von Arbeitsprozessen,<br />

zum Aufbau kooperativer Vernetzungen im Schulkollegium entlang der<br />

Fächer, fächerübergreifend und in Projekten,<br />

zum kontinuierlichen Erheben, Auswerten und Bewerten planungs- und<br />

entscheidungsrelevanter Daten,<br />

zum Perspektivwechsel, der auch systemische Einbindungen der individuellen<br />

schulischen Praxis freilegt,<br />

zur reflexiven Distanz zum Berufsfeld.<br />

In moderierten und evaluativ begleiteten Verfahren können Pädagoginnen<br />

und Pädagogen auf der Basis solcher Fähigkeiten und Bereitschaften Professionalität<br />

entwickeln wie umgekehrt die Entwicklungsprozesse selbst<br />

das Medium sind, professionelle Bereitschaften und Fähigkeiten auszubilden,<br />

zu orientieren und auf die Probe zu stellen. Schulentwicklung wäre in<br />

diesem Sinn als Ausdruck kontinuierlicher Professionalisierung zu verstehen.<br />

8.3.5. Schulentwicklung in den Phasen der Lehrerbildung<br />

Im Studium, im Referendariat, in der Berufseingangsphase und in der Fortund<br />

Weiterbildung gilt die Beschäftigung mit Schulentwicklung als prioritäres<br />

Thema. Dabei verlagern sich die Schwerpunkte entsprechend den<br />

Feldern der Ausbildung und beruflichen Erfahrung.<br />

Im Studium, in dem es um den Aufbau von Theoriewissen und die Entwicklung<br />

eines forschenden Habitus gegenüber der Praxis geht, sollten neben<br />

schultheoretisch orientierten Seminaren und Vorlesungen unter Anknüpfung<br />

an bestehende Strukturen folgende Angebote einen besonderen<br />

Stellenwert erhalten:<br />

praxisbezogene Veranstaltungen zum Thema „Schulentwicklung“,


170 Prioritäre Themen<br />

<br />

<br />

<br />

Beteiligung von Studierenden an Forschungsprojekten zur Schulentwicklung,<br />

Beteiligung von Studierenden an schulinternen Projekten der Schulprogrammentwicklung<br />

und Evaluation,<br />

kooperative Veranstaltungen mit Lehrenden der Universität, des Studienseminars,<br />

des Instituts für Lehrerfortbildung und der Schulen.<br />

Im Studienseminar, in dem es um die systematische Reflexion der Lehrertätigkeit<br />

und die Dokumentation von Praxis geht, sollte das Thema „Schulentwicklung“<br />

neben der Aneignung grundlegender Kompetenzen zur Planung,<br />

Durchführung und Evaluation von Unterricht in folgender Art und<br />

Weise berücksichtigt werden:<br />

Evaluation von Seminar- und Unterrichtsprozessen,<br />

Dokumentation und Reflexion von Schulentwicklungsprozessen,<br />

Einführung in kooperative Unterrichtsplanung und Teamteaching.<br />

Voraussetzung für die erfolgreiche Organisation diesbezüglicher Lernprozesse<br />

der Referendarinnen und Referendare ist einerseits ihre Einbindung<br />

in Schulentwicklungsprozesse ihrer Ausbildungsschulen, andererseits auf<br />

Seiten des Ausbildungspersonals eine aktuelle, erfahrungsgesättigte Vertrautheit<br />

mit Prozessschritten der Schulentwicklung und die Anwendung<br />

der Prinzipien von Schul-entwicklung (Zielklarheit, Transparenz von Planung,<br />

Praxisreflexion, Rechenschaft, Evaluation) auf die eigene Ausbildungstätigkeit.<br />

In der Berufseingangsphase, in der der Aufbau von Handlungssicherheit<br />

und der Erwerb eines tragfähigen beruflichen Habitus im Vordergrund<br />

stehen, nimmt Schulentwicklung vor dem Hintergrund eines ausgebauten<br />

Unterstützungssystems für Novizen eine wesentliche Rolle ein.<br />

Zu denken ist hier an<br />

experimentelle Gestaltung von Unterrichtsprozessen,<br />

kollegiale Fallbesprechungen und Supervision,<br />

Heranführung an Planungs- und Moderationsaufgaben,<br />

Übernahme von Verantwortlichkeiten in Schulentwicklungsprozessen.


Prioritäre Themen 171<br />

In der Fort- und Weiterbildung, die sich kontinuierlicher Qualifizierung<br />

verpflichtet weiß, erfordert der Fokus auf Qualitätsentwicklung für und<br />

durch eigenständige Schulen die Revision gängiger Konzepte. Die Definition<br />

dessen, was die souveräner werdende Schule in diesem Bereich<br />

braucht, wird in vielen Bereichen immer weniger zentral vorgedacht werden<br />

können. Die Angebote nehmen den Charakter eines Service an, der<br />

abgerufen werden kann und imstande ist, auf ad hoc gegebene Probleme<br />

wirkungsvoll zu reagieren. Schulferne Kurse werden demgegenüber an<br />

Bedeutung verlieren.<br />

Es besteht breiter Konsens, dass traditionelle Fortbildungsansätze erhebliche<br />

Schwächen aufweisen, da sie<br />

Lehrkräfte nur unzureichend bei ihrer professionellen Entwicklung unterstützen,<br />

Qualifikationserweiterungen, weil sie Ergebnis individueller Wahlentscheidungen<br />

sind, ungleichmäßig auf das Personal verteilen,<br />

aufgrund der Arbeitsplatzferne den Transfer, d. h. die Übertragung des<br />

Gelernten in den schulischen Alltag, erschweren,<br />

die Bedarfslage der Schule als Organisation und Handlungseinheit mit<br />

spezifischer Ausgangslage und Zielsetzung nicht wirksam genug erfassen,<br />

individuelle Lernergebnisse von Lehrern nicht verbindlich rückbinden<br />

und verknüpfen mit innerschulischen Kooperationszusammenhängen.<br />

Fort- und Weiterbildung für Lehrkräfte haben sich deshalb in ähnlicher<br />

Weise wie die für Leitungskräfte weiterzuentwickeln, indem<br />

sie Akzente auf Praxisbegleitung und Unterstützung der Problemlösekapazität<br />

im Organisationskontext der Einzelschule setzen,<br />

Lehrerinnen und Lehrer in kooperative Fortbildungskontexte hineinzieht,<br />

die arbeitsplatznahes individuelles Lernen und Gruppenlernen<br />

ermöglichen,<br />

die individuelle und gruppenbezogene Qualifizierung stimmig in ein<br />

schuleigenes Fortbildungsprogramm einbettet.


172 Prioritäre Themen<br />

Dies setzt wie beim Ausbildungspersonal auch theoretische Kenntnis und<br />

reflektierte praktische Vertrautheit mit Schulentwicklung verbindlich voraus.


Studienstruktur 173<br />

9. Studienstruktur und Prüfungswesen<br />

Die Ziel- und Leistungsvereinbarung zwischen der Behörde für Wissenschaft und<br />

Forschung und der Universität <strong>Hamburg</strong> sieht zur Qualitätssicherung der universitären<br />

Lehre unter anderem vor, dass die Universität<br />

für ein zeitlich angemessen begrenztes Prüfungsverfahren Sorge trägt,<br />

in grundständigen Studiengängen Elemente der Internationalisierung und Modularisierung<br />

sowie Möglichkeiten eines studienbegleitenden Prüfungssystems<br />

in Abstimmung mit dem European Credit Transfer System (ECTS) einführt,<br />

die Einrichtung gestufter Studienabschlussmöglichkeiten in ausgewählten Studiengängen<br />

erprobt und<br />

den Einsatz von Multimedia in der Lehre fördert.<br />

(Behörde für Wissenschaft und Forschung 1999, S. 5).<br />

Die <strong>Kommission</strong> unterstützt diese Maßnahmen nachhaltig und schlägt vor, sie in<br />

Richtung auf die Lehrerbildung weiterzuentwickeln. Die universitäre Lehrerausbildung<br />

wird in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen nicht gesondert erwähnt,<br />

aber die vorgesehenen Maßnahmen der Modularisierung und Stufung des Studiums,<br />

der Effektivierung des Prüfungswesens und des Einsatzes neuer Medien zur<br />

Intensivierung des Lehre sind ohne weiteres auf die Belange der Lehrerbildung<br />

anwendbar, sofern deren Besonderheiten in Rechnung gestellt werden. Gegenüber<br />

grundständigen Studiengängen, die einen universitären Abschluss 83 vorsehen,<br />

unterscheidet sich die Lehrerbildung durch<br />

das Studium verschiedener Fächer für einen berufsqualifizierenden Abschluss<br />

84 ,<br />

die Bestätigung dieses Abschlusses durch eine Staatsprüfung,<br />

83<br />

Diplom, Magister, direkter Zugang zum Doktorat etc.<br />

84<br />

„Die erste Staatsprüfung ist der berufsqualifizierende Abschluss eines wissenschaftlichen<br />

Studienganges“ (Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schulen vom 18. Mai 1982 § 2, 1).


174 Studienstruktur<br />

<br />

<br />

die Erteilung der beruflichen Berechtigung durch eine Erste und eine Zweite<br />

Staatsprüfung<br />

die Berechtigung für staatliche Lehrämter.<br />

Die <strong>Kommission</strong> schlägt grundsätzlich vor, am Staatsexamen festzuhalten, also<br />

die Lehrerbildung nicht, wie in der jüngeren Diskussion gelegentlich vorgeschlagen<br />

wurde, in ein grundständiges Studium mit einem universitären Abschluss<br />

und eine anschließende berufspraktische Ausbildung zu verwandeln 85 . Am<br />

Grundsatz des berufsqualifizierenden Abschlusses eines wissenschaftlichen Studienganges<br />

ist also festzuhalten. Das schließt aber Stufungen ebenso wenig aus<br />

wie Modularisierungen, die Einführung eines persönlichen Portfolios der Studierenden<br />

oder die Neugestaltung des Prüfungswesens. Die Beibehaltung des Staatsexamens<br />

sanktioniert auch nicht die bestehenden Regelstudienzeiten. Die Einführung<br />

studienbegleitender Prüfungen schafft die Möglichkeit zur Flexibilisierung,<br />

was zur Kürzung der faktischen Studiendauer beitragen soll. Die Studiengänge<br />

müssen so angelegt werden, dass sie in der vorgesehenen Regelstudienzeit studier-<br />

und abschließbar sind. Eine Kürzung der Regelstudienzeit unter den Zeitraum<br />

von acht Semestern wird von der <strong>Kommission</strong> nicht empfohlen.<br />

Bisher eröffnen zwei Staatsexamen den Zugang zum Schuldienst. Die beiden<br />

Examen werden nacheinander absolviert, ohne miteinander verbunden zu sein.<br />

Weil die Studienteile der beiden Phasen der Lehrerbildung nicht aufeinander abgestimmt<br />

sind, werden die Prüfungen voneinander isoliert je am Ende der beiden<br />

Phasen abgenommen 86 . Die Prüfungsorganisation der ersten Phase<br />

85<br />

Das zentrale, systemtheoretische Argument, Wissenschaft (Universität) und Praxis (Schule)<br />

seien zwei getrennte Funktionsbereiche und müssten so auch unabhängig voneinander bearbeitet<br />

werden, überzeugt nicht. Der beschleunigte Wissenstransfer und die hohen Lerngeschwindigkeiten<br />

verlangen umgekehrt eine stärkere Verzahnung von Forschung, Ausbildung<br />

und Praxis. Was für die Technologieentwicklung selbstverständlich ist, sollte für den<br />

Zusammenhang von Bildungsforschung, Lehrerbildung und Berufspraxis nicht in Frage gestellt<br />

werden.<br />

86<br />

Für die Zweite Staatsprüfung ist vorgesehen, dass „die Prüfung ... mit dem ersten Tage des<br />

letzten Ausbildungshalbjahres (beginnt“) (Verordnung über den Vorbereitungsdienst und<br />

die Zweite Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen vom 3. Juli 1973, zuletzt<br />

geändert am 11. Oktober 1995, § 16, 1).


Studienstruktur 175<br />

bezieht sich auf getrennte Fächer, die durch unterschiedliche Prüfungskulturen<br />

charakterisiert sind. Die <strong>Kommission</strong> hält im Anschluss an die Anhörung des<br />

Lehrerprüfungsamtes 87 Folgendes fest:<br />

1) Für die Übernahme in den <strong>Hamburg</strong>er Schuldienst ist die ganzzahlige Note<br />

des Zweiten Staatsexamens entscheidend und nur im Zweifelsfalle (bei Notengleichheit)<br />

wird auf die Note des ersten Staatsexamens zurückgegriffen.<br />

2) Im Abschlusszeugnis nach Bestehen der Zweiten Staatsprüfung, in dem auch<br />

die studierten Fächer nicht ausgewiesen sind, erscheint nur eine ganzzahlige<br />

Note, was dazu führt, dass es fast nur „gute und sehr gut ausgebildete Lehrer“<br />

gibt.<br />

3) Die einzelnen Prüfungsteile der Ersten Staatsprüfung werden ganzzahlig benotet,<br />

für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst ist aber eine Dezimalnote<br />

entscheidend.<br />

4) Traditionen im Prüfungswesen setzen wirksamere Akzente als Prüfungsordnungen.<br />

Oft werden Themen gewählt, die Vorlieben der Prüfer darstellen. Ein<br />

Berufsfeldbezug auch im weiteren Sinne ist bei der Themengestaltung nicht<br />

zu erkennen.<br />

5) Insgesamt leidet das Prüfungswesen darunter, dass es kein verlässliches Curriculum<br />

gibt. Die Folge sind Prüfungsabsprachen, die ganz unterschiedlich<br />

getroffen werden und zu Wettbewerbs- und Ergebnisverzerrungen führen.<br />

6) Die Prüfungspraxis wird nicht evaluiert, es sind keine Daten vorhanden, die<br />

zu Zwecken der Steuerung und Korrektur eingesetzt werden können.<br />

Im Blick auf die Prüfungsformen hält die <strong>Kommission</strong> fest, dass es bei der Durchführung<br />

von Prüfungen eine Reihe von Problemen<br />

87<br />

Referat des Leiters des Lehrerprüfungsamtes und anschließende Befragung durch die<br />

<strong>Kommission</strong> auf der 5. Sitzung am 20. März 2000 (Wiedergabe nach dem genehmigten<br />

Protokoll). Das Lehrerprüfungsamt ist für die Durchführung beider Staatsexamen sowie<br />

weiterer Prüfungen zuständig. Pro Jahr werden zwischen 900 und 950 Erste und zwischen<br />

450 und 500 Zweite Staatsprüfungen abgenommen.


176 Studienstruktur<br />

gibt, die genauerer Klärung bedürfen. Sie verweist insbesondere auf die Absprache<br />

von Klausurthemen bzw. -themengebieten, soweit diese individuell erfolgen<br />

und durch die Prüfungsordnung nicht abgedeckt sind 88 . Ein weiteres Problem ist<br />

die Gestaltung der mündlichen Prüfungen als echte Prüfungsgespräche im Unterschied<br />

zu vorbereiteten Vorträgen der Prüflinge oder inszenierten Gesprächen<br />

zwischen Prüfer und Prüfling. Zudem stellt sich die Frage, wie verhindert werden<br />

kann, dass Prüflinge Hausarbeiten abgeben, die nicht von ihnen selbst angefertigt<br />

wurden. Dabei scheinen auch mediale Dienste eine Rolle zu spielen, die fertige<br />

Hausarbeiten anbieten. Generell ist festzustellen, dass die Notenskala bei weitem<br />

nicht ausgenutzt wird und oft nur Noten in den beiden obersten Rängen erteilt<br />

werden (HEIMER 2000). Die Anforderungen insgesamt sind unterschiedlich, und<br />

dies zwischen Fächern einerseits, Lehrämtern andererseits. Zudem sind explizite<br />

Standards außerhalb der oft großzügig ausgelegten Studienpläne nicht vorhanden.<br />

Geprüft wird das vom Prüfer verantwortete Fachwissen, das einen Transfer auf<br />

das Berufsfeld vielfach nur nominell zulässt.<br />

Die Vorbereitung auf Prüfungen gehört zu den intensivsten Studienleistungen.<br />

Dieser Aufwand wird im Blick auf das Ausbildungsziel schlecht genutzt, vor allem<br />

weil die Themenwahl vielfach beliebig ist und oft nur die Interessen der Lehrenden,<br />

bzw. der Studierenden berücksichtigt. Ein Steuerung gemäß beruflicher<br />

Standards, Kerncurricula oder prioritäre Themen erfolgt nicht oder nur zufällig.<br />

Die punktuellen Prüfungen sind auf den Abschluss von<br />

88<br />

„Sofern die Prüfungsanforderungen Schwerpunktgebiete vorsehen, sollen Vorschläge des<br />

Bewerbers berücksichtigt werden. Die Schwerpunktgebiete müssen einen angemessenen<br />

Umfang haben. Die mündliche Prüfung darf sich nicht auf diese Gebiete beschränken, sondern<br />

muss im Zusammenhang mit ihnen die für das jeweilige Fach erforderlichen Grundkenntnisse<br />

des Bewerbers deutlich werden lassen“ (Verordnung über die Erste Staatsprüfung<br />

für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 3,6). Zwischen dem Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

und dem Lehrerprüfungsamt gibt es eine Vereinbarung über Klausuren<br />

im Rahmen der Ersten Staatsprüfung. Die Vereinbarung sieht vor, dass Absprachen über<br />

Gebiete der Prüfung sinnvoll seien, die konkrete Aufgabenstellung aber durch den Prüfer<br />

erfolgen müsse. Sie dürfe nicht mit dem Prüfling abgesprochen werden.


Studienstruktur 177<br />

Studienfächern bezogen. Die Themenwahl geht aber nicht oder nicht zwingend<br />

aus den Studienleistungen hervor, das heißt, die Prüfungen beziehen sich nicht auf<br />

die Inhalte und Anforderungen des vorgängigen Studiums. Gleichwohl wird der<br />

Abschluss von Fachstudien bescheinigt. Die Noten bezeichnen nicht einzelne<br />

Leistungen, sondern bescheinigen pauschal Fachkompetenz, die nicht differenziert<br />

beschrieben werden muss.<br />

Staatsexamen beziehen sich auf staatliche Prüfungsordnungen. Dieses Steuerungsinstrument<br />

wird wiederum nicht optimal genutzt, weil zum einen die staatlichen<br />

Vorgaben eher vage und offen, oft nur mit Stichworten, formuliert sind, zum<br />

anderen Kontrollen nicht stattfinden und im jetzigen System auch nur schwach<br />

möglich wären. Die einzelnen Prüfungsfächer vertreten zwischen den Lehrämtern<br />

zum Teil unterschiedliche, zum Teil identische Anforderungen, obwohl die Regelstudienzeit<br />

nicht unterschiedlich ist. Die allgemeine Zweckbestimmung der Prüfung,<br />

gefasst als „gemeinsame Vorschrift“ für alle Lehrämter, ist nur nominell mit<br />

den Anforderungen der Prüfungsfächer abgestimmt. Zugleich werden so allgemeine<br />

und umfassende Anforderungen vertreten, dass sie unmöglich mit einer<br />

Prüfung zu erfüllen sind. Die Zweckbestimmung der Ersten Staatsprüfung<br />

schreibt vor:<br />

„In der Prüfung soll festgestellt werden, ob der Bewerber Gegenstände und Fragen<br />

aus seinen Prüfungsfächern selbständig und methodisch angemessen zu bearbeiten<br />

und zu beurteilen sowie angemessen darzustellen vermag und ob er die<br />

wissenschaftliche und gegebenenfalls die künstlerische oder praktische Befähigung<br />

als Voraussetzung für die schulpraktische Ausbildung zu dem von ihm gewählten<br />

Lehramt besitzt“ (Verordnung über die erste Staatsprüfung für Lehrämter<br />

an <strong>Hamburg</strong>er Schulen vom 18. Mai 1982, § 2, 1; Hervorhebungen von der<br />

<strong>Kommission</strong>).<br />

Letztlich ist jedes Thema unterzubringen, ohne das Niveau oder die Relevanz für<br />

den Ausbildungszweck nachhaltig und vergleichbar bestimmen zu können. Die<br />

Examen beschreiben kein persönliches Könnensprofil, sondern spiegeln die Praxis<br />

der Notenverteilung. Zudem berechtigen sie nicht wirklich, weil die tatsächliche<br />

Anstellung sich nach der Stellenknappheit richtet. Je nach Stellensituation<br />

kann der zugangsberechtigende Notendurchschnitt ab-


178 Studienstruktur<br />

gesenkt oder angehoben werden, ohne mit dem Durchschnitt ein persönliches<br />

Profil angeben zu können.<br />

Angesichts <strong>dieser</strong> Situation empfiehlt die <strong>Kommission</strong><br />

1) die Beibehaltung des ersten Staatsexamens am Ende der ersten Phase, aber<br />

die Ausstellung eines integralen Staatsexamenszeugnisses am Ende der<br />

zweiten Phase unter Einbeziehung der Leistungen der ersten Phase;<br />

2) die Organisation beider Ausbildungsphasen nach dem ECTS-Modell;<br />

3) damit verbunden eine konsekutive und flexible Prüfungsorganisation, die auch<br />

studienbegleitend verfährt;<br />

4) die Ausrichtung der Prüfungen an fachliche und berufsfeldbezogene Themen<br />

und Standards;<br />

5) die Beschreibung der Studienleistungen und Prüfungsergebnisse in einem<br />

persönlichen Portfolio.<br />

Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass für staatliche Lehrämter grundsätzlich<br />

Staatsexamen vorzusehen sind. „Staatsexamen“ sind Anforderungsprofile, die eine<br />

Behörde vorschreibt. Der Zweck des Profils geht dahin, die einzelnen Studienelemente<br />

auf einen abgestimmten Berufsfeldbezug einzustellen. Faktisch sind<br />

die Standards und Auffassungen der an der Lehrerbildung beteiligten Fächer oder<br />

Fachangebote zu heterogen und zu unterschiedlich auf das Ziel der Ausbildung<br />

eingestellt, um aus sich heraus den Berufsfeldbezug der Lehrerbildung zu gewährleisten.<br />

Staatsexamen sind in diesem Sinne Steuerungsinstrumente, die für<br />

Themenerzeugung und Beschreibung der beruflichen wie fachlichen Standards<br />

sorgen.<br />

Die beiden getrennten Examen der heutigen Studienorganisation sollen aufeinander<br />

bezogen und so verzahnt werden, dass ein integrales Staatsexamen die<br />

Lehrerausbildung beschließt. Die heutige Praxis gewichtet für die Einstellung das<br />

zweite Examen bereits heute so, dass eine Prüfung ausschlaggebend ist, mit dem<br />

Nachteil, die Prüfungsergebnisse der ersten Phase faktisch nur im Ausnahmefall<br />

überhaupt in Rechnung zu stellen. Die Erste Staatsprüfung hat aber auch keinen<br />

anderen Verwendungszweck, es wird zur Einstellungsvoraussetzung für den Vorbereitungsdienst<br />

entwertet und


Studienstruktur 179<br />

enthält - anders als Universitätsdiplome - faktisch keine anderen Berechtigungen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> hält diesen Zustand für untragbar. Wenn gleichwohl aus guten<br />

Gründen am Staatsexamen festgehalten wird, dann muss dieses als Abschluss der<br />

Lehrerausbildung insgesamt verstanden werden. Es berechtigt zur Ausübung bestimmter<br />

Lehrämter, indem und soweit es die dafür notwendigen Qualifikationen<br />

gesamthaft darstellt und bescheinigt. Aus Gründen der Anerkennung zwischen<br />

den Bundesländern hält es die <strong>Kommission</strong> für notwendig, das erste Staatsexamen<br />

am Ende der ersten Phase formell zu bescheinigen.<br />

Die Verzahnung beider Examen ist möglich, wenn darauf verzichtet wird,<br />

sämtliche Prüfungen integral am Ende der einen und der anderen Ausbildungsphase<br />

zu konzentrieren. Dieses System ist offenkundig nicht erfolgreich, obwohl<br />

es einen hohen Aufwand verlangt. Künftig sollten Prüfungsteile im Laufe des<br />

Studiums bzw. der Ausbildung im Studienseminar absolviert werden können, die<br />

sich mit den Gesamtanforderungen verrechnen lassen. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt<br />

auch zu diesem Zweck die Einführung einer modularisierten Studienorganisation<br />

nach dem ECTS-Modell. Prüfungen der unterschiedlichsten Art können an verschiedenen<br />

Stellen des Studiums erfolgen. Vorausgesetzt ist nur, dass sie im<br />

Punktesystem definiert sind und dieses System für beide Phasen der Lehrerausbildung<br />

gilt.<br />

Das ECTS-System sieht vor, dass sämtliche Studienleistungen nach einem bestimmten<br />

Punkteschlüssel verteilt und gewichtet werden. Dieses System erlaubt,<br />

universitäre und berufsbezogene Anforderungen aufeinander zu beziehen, zeitlich<br />

wie niveaumäßig zu bewerten und flexibel zu organisieren. Dabei können sehr<br />

unterschiedliche Prüfungsformen gewählt werden, die je nach Zeitaufwand und<br />

Anforderungsprofil unterschiedliche Kreditpunkte erhalten. Die <strong>Kommission</strong><br />

denkt zusätzlich zu den bisherigen Prüfungsformen an veranstaltungsbegleitende<br />

Prüfungen, Prüfungsleistungen, die aus Forschungsprojekten erwachsen und Prüfungen<br />

nach praxisbezogenen Lehrsequenzen. Das Modulsystem erlaubt, dass die<br />

Studierenden nach eigenem Zeitplan verfahren können, wobei eine Regelstudienzeit<br />

vorgegeben ist. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass mit der modularisierten<br />

Studienorganisation die


180 Studienstruktur<br />

Regelstudienzeit eingehalten und die faktische Studiendauer abgesenkt werden<br />

kann.<br />

Die bisherigen drei Prüfungsformen wären zu entwickeln und anzureichern.<br />

Die jetzige Praxis ist uneffektiv und kontraproduktiv. Die Erste Staatsprüfung in<br />

der jetzigen Form beginnt mit der Hausarbeit, deren Thema so gestellt sein soll,<br />

dass die Arbeit in drei Monaten abgeschlossen werden kann. Danach beginnt ein<br />

aufwändiges Bewertungsverfahren, das nicht auf vorgängige Bewertungen zurückgreifen<br />

kann. Die Hausarbeit wird ähnlich nicht an Studienleistungen gekoppelt.<br />

Nach Annahme der Arbeit werden obligatorisch Arbeiten unter Aufsicht geschrieben<br />

und mündliche Prüfungen absolviert. Beides muss aufwändig organisiert<br />

werden 89 . Die Prüfung insgesamt schließt mit der mündlichen Prüfung ab,<br />

die einzelnen Teile können nicht unabhängig und zeitlich verschoben absolviert<br />

werden. Die Zweite Staatsprüfung ist vergleichbar organisiert. Sie umfasst zwei<br />

Lehrproben, eine schriftliche Hausarbeit sowie eine mündliche Prüfung. Die in<br />

der Verordnung genannten Gegenstände der Hausarbeit und der mündlichen Prüfung<br />

beziehen sich nicht auf die Ausbildung der ersten Phase 90 , obwohl die Anforderungen<br />

der Prüfungsfächer im Ersten Staatsexamen<br />

89<br />

Für die mündliche Prüfung ist ein Vorsitzender, ein Beisitzer und der Prüfer vorgesehen<br />

(Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen vom 18.<br />

Mai 1982, § 12, 3). In der Anhörung des Lehrerprüfungsamtes ist darauf hingewiesen worden,<br />

dass die Qualitätssicherung des Prüfungswesens dadurch belastet werde, dass die Rekrutierung<br />

von Vor- und Beisitzern immer schwieriger werde (Protokoll der 5. Sitzung. S.<br />

4).<br />

90<br />

Die Hausarbeit soll dem Referendar „Gelegenheit geben, einzelne Gegenstände aus seiner<br />

Unterrichts- und Erziehungsarbeit selbständig, methodisch einwandfrei, klar und folgerichtig<br />

darzustellen und zu beurteilen“ (Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite<br />

Staatsprüfung an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 20). In der mündlichen Prüfung sind Kenntnisse<br />

nachzuweisen in der „Didaktik und Methodik der Schulstufen und Unterrichtsfächer entsprechend<br />

den Ausbildungssschwerpunkten des Referendars“, „allgemeine Fragen der Erziehungs-<br />

und Unterrichtspraxis“ sowie „rechtliche und organisatorische Voraussetzungen der<br />

Arbeit in der Schule“ (ebd., § 21).


Studienstruktur 181<br />

Anschlüsse zulassen würden und die allgemeine Zweckbestimmung der Prüfung<br />

sie eigentlich zwingend vorschreibt.<br />

Der Prüfungsaufwand insgesamt ist zu hoch und der Ertrag zu gering. Eine<br />

Verzahnung der Phasen im Sinne eines Kreditsystems und einer modularisierten<br />

Studienorganisation hätte gegenüber heutigen Praxis folgende Vorteile:<br />

1) Effektivierung des Prüfungsaufwandes und Konzentration auf die Ausbildungsziele,<br />

2) Vermeidung von Wiederholungen und Doppelspurigkeiten und<br />

3) Abstimmung der Phasen auf ihre Aufgaben und Schwerpunkte hin.<br />

Denkbar wäre aus der Sicht der <strong>Kommission</strong> eine Konzentration der Hausarbeit<br />

auf die erste Phase, wenn gewährleistet ist, dass die oft hervorragenden Arbeiten<br />

anschließend genutzt werden. Sie können die wissenschaftliche Basis darstellen<br />

für Projekte der Referendarausbildung, wobei auch an eine Prämierung und Veröffentlichung<br />

der besten Arbeiten in eigenen Reihen gedacht werden kann 91 . Die<br />

heutige Praxis sieht eine Nutzung <strong>dieser</strong> vielfach mit hohem Aufwand erstellten<br />

Arbeiten gar nicht vor, weil die Themen, obwohl häufig von erheblicher Relevanz<br />

für Schulfächer und Schulentwicklung, unabhängig von denkbarer Verwendung<br />

formuliert werden. Die Erstellung der Hausarbeit sollte auf Studienleistungen<br />

aufbauen, etwa in der Fortentwicklung von Seminararbeiten. Zu vermeiden wäre,<br />

dass zum Abschluss des Studiums neue und im Blick auf das Ausbildungsziele irrelevante<br />

Themen vergeben werden. Überdies wäre eine Themensteuerung nötig,<br />

die Beliebigkeit ausschließt. Die Themen sollten in der Regel aus Forschungsprojekten<br />

erwachsen und nicht einfach Vorlieben darstellen.<br />

Klausuren und mündliche Prüfungen sollen wie die Hausarbeit an Studienleistungen<br />

gebunden werden. Denkbar wäre, die Abschlussprüfungen der ersten<br />

Phase an die Hausarbeit zu binden, weil sie die zentrale Studienleistung darstellt.<br />

Dabei muss sicherge-<br />

91<br />

Beispiele dafür gibt es im Ausland, etwa die Reihe des Höheren Lehramtes der Universität<br />

Bern.


182 Studienstruktur<br />

stellt sein, dass diejenigen Fächer, die von <strong>dieser</strong> Regelung nicht betroffen sind,<br />

angemessen geprüft werden. Hier wäre an eine Kombination von Klausur und<br />

mündlicher Prüfung zu denken. Die Zweite Staatsprüfung sollte auf die Zielsetzung<br />

der Ausbildung konzentriert werden 92 , also darauf verzichten, nochmals allgemeines<br />

Wissen abzuprüfen, sofern garantiert ist, dass die Ausbildung der ersten<br />

Phasen gemäß Kerncurriucula erfolgt. Im Gegenzug muss die praktische Beurteilung<br />

verbessert werden. Das bedeutet einen Übergang von dem klassischen<br />

Prüfungsmittel der Lehrproben zu einer ausbildungsbegleitenden Qualifikationsbewertung.<br />

Sie erfolgt nicht punktuell durch eine wenig aussagekräftige und oft<br />

künstliche Situation „Lehrprobe“, die oft unter beliebigen Bewertungen leidet,<br />

sondern summativ und fortlaufend, konzentriert auf Unterrichtsarbeit und Schultätigkeit.<br />

Die Prüfungen beziehen sich so auf tatsächliche Studienleistungen, nicht auf<br />

fiktive Fachlehrpläne. Bescheinigt wird der erfolgreiche Abschluss von unterschiedlichen<br />

Studienelementen, die in ein persönliches Portfolio Eintrag finden.<br />

Die Studienleistungen sind nicht starr festgelegt, sondern können auf wechselnde<br />

Anforderungen reagieren, etwa im Blick auf Schwerpunktverschiebungen auf<br />

Grund von Veränderungen der Zielstufe. Die Staatsexamen sind nach Lehrämtern<br />

unterschieden, weil die jeweiligen Schulstufen oder Schulformen unterschiedliche<br />

Profile abverlangen. Aber die flexible Organisation erlaubt einen Austausch über<br />

die heutigen Möglichkeiten hinaus. Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass sämtliche<br />

erfolgreichen Studienleistungen in der Lehrerbildung Berufseignung bescheinigen,<br />

was nicht ausschließt, dass besondere Beratungen angeboten werden.<br />

Die Prüfungsorganisation verlangt eine Veränderung des heutigen Lehrerprüfungsamtes.<br />

Unter „Staatsprüfung“ wird neu verstanden<br />

92<br />

„Der Referendar soll auf der Grundlage seines Studiums mit der Praxis der Erziehung und<br />

des Unterrichts so vertraut gemacht werden, dass er zu selbständiger und erfolgreicher Arbeit<br />

in der Schule fähig ist“ (Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite<br />

Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 6, 2).


Studienstruktur 183<br />

<br />

<br />

<br />

ein integrales Staatsexamen, das am Ende der Lehrerausbildung erteilt wird,<br />

zwei reduzierte und konzentrierte Abschlussprüfungen am Ende der ersten und<br />

der zweiten Phase,<br />

verschiedene Teilprüfungen im Laufe der Ausbildung.<br />

Das Lehrerprüfungsamt erteilt das Staatsexamen, wobei die Übergabe zusammen<br />

mit der Universität und dem Studienseminar gestaltet werden sollte. Das erfolgreiche<br />

Ende der Lehrerausbildung sollte in einer eigenen Zeremonie Darstellung<br />

finden. Das Lehrerprüfungsamt ist zuständig für die beiden Abschlussprüfungen,<br />

deren Organisationsaufwand sichtlich verringert werden muss. Die Teilprüfungen<br />

nehmen die Lehrenden in eigener Verantwortung ab, das Lehrerprüfungsamt kann<br />

Zielsetzungen und Qualifizierungsstandards vorgeben. Studienleistungen und Prüfungen<br />

werden nach dem ECTS-System gewichtet. Die Fachbereiche und das<br />

Studienseminar erarbeiten entsprechende Ordnungen und stimmen sie untereinander<br />

ab. Das Lehrerprüfungsamt arbeitet auf der Grundlage <strong>dieser</strong> Ordnungen<br />

und kontrolliert deren Einhaltung mit Blick auf Prüfungen. Da das Amt bereits<br />

heute für beide Staatsprüfungen zuständig ist, ergibt sich kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist auf den hohen Aufwand, den die Bestellung von<br />

Prüfungskommissionen mit sich bringt. Derartige <strong>Kommission</strong>en sollten nur dann<br />

gebildet werden, wenn der Prüfungszweck und die Form der Prüfung dies erforderlich<br />

macht. Standardwissen sollte während des Studiums geprüft werden. Zwischenprüfungen<br />

können in Form von mündlichen Prüfungen oder Klausuren erfolgen,<br />

ohne dass staatliche Ausschlüsse gebildet werden. Kerncurricula der ersten<br />

Phase sind prüfungsrelevant, weil sie für die anschließende Ausbildung<br />

nachgewiesen werden müssen. Dafür müssen geeignete Formen gefunden werden,<br />

etwa solche der veranstaltungsbegleitenden Prüfungen. Die Abschlussprüfungen<br />

werden von Standardwissen entlastet und konzentrieren sich auf die wissenschaftliche<br />

Spezialisierung, wie sie etwa die Hausarbeit sichtbar macht, einerseits,<br />

die praktischen Qualifikationen andererseits.


184 Studienstruktur<br />

Die <strong>Kommission</strong> hält an der Benotung der Prüfung fest, empfiehlt aber, von<br />

pauschalen Fachnoten abzurücken. Die Leistungsbewertung bezieht sich auf einzelne<br />

Leistungen in bestimmten Themengebieten und Teilbereichen, die im persönlichen<br />

Portfolio nachgewiesen werden. Die Neuordnung der Einstellung von<br />

Lehrkräften verlangt einen detaillierten Leistungsnachweis und nicht pauschalisierende<br />

Noten für ganze Fächer. Die Qualitätseinschätzung der Abnehmer, also<br />

der anstellenden Schulen, erhält auf diese Weise neue Möglichkeiten, die differenzierte<br />

Urteile erlauben und sich auf die gesamte Ausbildungszeit beziehen<br />

können, ohne durch die Zuspitzung der guten bis sehr guten Noten dazu gezwungen<br />

zu werden, eine Qualität anzunehmen, die auch die beste Ausbildung umöglich<br />

schaffen kann.<br />

Die Beibehaltung von Staatsexamen hat nicht nur Steuerungsvorteile. Vielmehr<br />

wird damit auch die Verantwortung und Zuständigkeit des Staates für die<br />

Belange der öffentlichen Bildung dokumentiert. Ein modularisiertes System erlaubt<br />

sehr verschiedene Konstruktionen. Die <strong>Kommission</strong> hält in Zusammenfassung<br />

ihrer <strong>Empfehlungen</strong> für wesentlich, dass<br />

beide Phasen der Lehrerbildung im Prüfungswesen verzahnt sind,<br />

staatliche Standards vorgegeben werden und<br />

ein definierter Berufsfeldbezug die fachlichen und praktischen Anteile der<br />

Ausbildung bestimmt.<br />

Diese Essenzials schließen aus, dass bestimmte Teile der Ausbildung als B.A.<br />

oder M.A. ohne Berufsfeldbezug angeboten werden. Sie schließen nicht aus, dass<br />

eine gewisse Konsekution erfolgt oder die Anforderungen nach Lehrämtern und<br />

so nach erwartbarer Verwendung abgestuft werden. Grundlegend ist nicht die Bezeichnung<br />

des Abschlusses, sondern die Organisation des Studiums und mit ihm<br />

des Prüfungswesens. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt eine Flexibilisierung beider<br />

Elemente, vor allem um die Ausbildungseffizienz zu verbessern, sie empfiehlt<br />

nicht einen radikalen Systemwechsel. Ein konsekutives System von fachlichen<br />

Abschlüssen und daran anschließenden erziehungswissenschaftlich-praktischen<br />

hätte keine andere Problemsituation als die heutige Ausbildung, wäre aber


Studienstruktur 185<br />

außerstande ein gemeinsames Leitbild „Lehrerbildung“ zu verwirklichen.<br />

9.1. <strong>Empfehlungen</strong> für die Zweite Staatsprüfung<br />

Ziel der <strong>Empfehlungen</strong> für die Zweite Staatsprüfung ist, die vorwiegend punktuellen<br />

Prüfungen auf ein ausbildungsbegleitendes Credit Point-System im Sinne<br />

des ECTS umzustellen. Die Prüfungsteile sollen in möglichst direktem und natürlichem<br />

Zusammenhang zu den schulischen Tätigkeiten der Referendarinnen und<br />

Referendare stehen. Die Leistungsanforderungen der verschiedenen Prüfungsteile<br />

müssen detailliert beschrieben werden. Der Systemwechsel hat Folgewirkungen,<br />

die noch nicht genau absehbar sind. Die <strong>Kommission</strong> schlägt daher vor, dass das<br />

Studienseminar in Kooperation mit dem Lehrerprüfungsamt Vorschläge auf der<br />

Basis <strong>dieser</strong> <strong>Empfehlungen</strong> bis Mitte 2001 entwickelt.<br />

Dabei ist besonders zu berücksichtigen,<br />

dass durch die Umstellung von punktuellen auf begleitende Prüfungsteile nicht<br />

ein Mehr an Belastung für Referendarinnen und Referendare entsteht sowie<br />

die beratende Ausbildungstätigkeit nicht durch einen unangemessen hohen<br />

zeitlichen Einsatz der Ausbilder bei begleitenden Prüfungsteilen verkürzt<br />

wird,<br />

dass Beratung und Beurteilung getrennt wird soweit dies inhaltlich sinnvoll<br />

ist,<br />

dass die Anerkennung in <strong>Hamburg</strong> erworbener Abschlüsse auch in anderen<br />

Bundesländern gewährleistet ist.<br />

Die vorgeschlagenen Veränderungen beziehen sich auf Prüfungsteile und Kompetenzbereiche<br />

wie sie auch in der geltenden Verordnung über den Vorbereitungsdienst<br />

(VVZS) verankert sind. Durch die Veränderungen soll die derzeit zu Recht<br />

kritisierte Diskrepanz zwischen den schulischen Bedürfnissen und den Prüfungsanforderungen<br />

reduziert werden. Die Prüfungsleistungen sind auf Grund <strong>dieser</strong><br />

Diskrepanz nicht spezifisch genug und haben oft wenig zu tun mit den tatsächlichen<br />

Aufgaben und Tätigkeiten der Praxis. Mit


186 Studienstruktur<br />

der präziseren Fassung der Prüfungsanforderungen soll auch auf eine schulgenaue<br />

Bewerbung vorbereitet werden. Die Prüfungsleistungen werden in Reflexionsdokumenten<br />

und im persönlichen Portfolio erfasst.<br />

Grundsätzlich schlägt die <strong>Kommission</strong> eine höhere Gewichtung der Praxisanteile<br />

vor. Folgende Verteilung könnte dabei zu Grunde gelegt werden:<br />

(A) Unterrichts- und Erziehungskompetenz;<br />

Unterrichtspraxis 60%<br />

(B) Erschließungs- und Darstellungskompetenz 20%<br />

(C) Kommunikations- und Reflexionskompetenz 20%<br />

Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass durch die Transparenz und Präzisierung<br />

der Anforderungen, objektivierte Beurteilungsgrundlagen und strukturierte Berichte,<br />

Trennung von Beratung und Beurteilung, sowie durch eine veränderte Zusammensetzung<br />

der <strong>Kommission</strong>en eine größere Aussagekraft der Noten erreicht<br />

werden kann. Die Studienleistungen der ersten Phase sollen dabei soweit wie<br />

möglich berücksichtigt werden.<br />

Die inhaltliche Präzisierung der Prüfungsanforderungen muss zügig vorgenommen<br />

werden und sollte im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Rahmenpläne<br />

und der Entwicklung von Standards geschehen. Im Einzelnen schlägt<br />

die <strong>Kommission</strong> im Blick auf die drei Kompetenzbereiche Folgendes vor:<br />

(A)<br />

Unterrichts- und Erziehungskompetenz;<br />

Unterrichtspraxis 60 %<br />

Bisher: Lehrproben und Bewährungsberichte aus Schule<br />

und Seminar (50%)<br />

Vorschlag: 4-6 bewertete Hospitationen,strukturierte Berichte93,<br />

hinzu kommen etwa 6 Hospitationen mit überwiegend<br />

beratendem Charakter<br />

93<br />

Entwürfe liegen vor.


Studienstruktur 187<br />

(B) Erschließungs- und Darstellungskompetenz 20 %<br />

Bisher: Schriftliche Hausarbeit von 30 Seiten zu<br />

Gegenständen aus Unterricht und Erziehung (25%)<br />

Vorschlag: Wahlmöglichkeit zwischen Schriftlicher Hausarbeit von<br />

30 Seiten zu Gegenständen aus den Bereichen III-V des Kerncurriculums<br />

oder ausbildungsbegleitende Reflexionsdokumentation:<br />

Ausarbeitungen aus zwei der Qualifikationsbereichen III-V und ein<br />

weiteres Dokument nach freier Wahl (zum Beispiel Schülerarbeiten,<br />

Unterrichtsvorbereitungen, Förderpläne)<br />

(C) Kommunikations- und Reflexionskompetenz 20 %<br />

Bisher: Mündliche Prüfung (25 %)<br />

Vorschlag: Wahlweise Veranstaltung aus den Qualifikationsbereichen<br />

IV oder V oder abschließendes Prüfungsgespräch auf der<br />

Grundlage der ausbildungsbegleitenden Reflexionsdokumentation.<br />

In der folgenden Übersicht sind die Prüfungsteile dem Kerncurriculum zugeordnet.<br />

Grundlage: systematische Reflexion der Lehrertätigkeiten und ihre Dokumentation<br />

als Ausbildungsbestandteil aller Seminare


188 Studienstruktur<br />

Ziele/Qualifikationen<br />

Prüfungsteile<br />

Die Referendarinnen und Referendare sollen lernen,<br />

1. ... unter Berücksichtigung der Bezugswissenschaften und<br />

der geltenden Bestimmungen Unterricht zu planen, durchzuführen<br />

und auszuwerten...<br />

... in zwei Fächern/Lernbereichen sowohl fachbezogen als<br />

auch fächerverbindend<br />

... selbständig sowie kooperativ<br />

... unter besonderer Berücksichtigung der lerngruppenbedingten<br />

Voraussetzungen ...<br />

2. ... im Rahmen des Erziehungsauftrags Vorhaben des Klassen-<br />

oder Schullebens so zu gestalten, dass die Schülerinnen<br />

und Schüler sich persönlich entfalten sowie verantwortliches<br />

soziales Verhalten entwickeln können<br />

... im Rahmen alltäglicher Unterrichtsstrukturen<br />

... im Rahmen eines außerschulischen Lernortes oder, z.B.<br />

Schulfahrt, Betriebspraktikum ...<br />

... im Rahmen eines klassen-/stufeninternen Kommunikations-<br />

oder Beteiligungsangebots im soz., künstl./ sportl. Bereich<br />

bzw. in einem Aufgabengebiet, z.B. Schulfest, AG, Elternnachmittag,<br />

Mediation ...<br />

(A): bewertete<br />

Hospitationen<br />

(A): bewertete<br />

Hospitationen


Studienstruktur 189<br />

Ziele/Qualifikationen<br />

Prüfungsteile<br />

Die Referendarinnen und Referendare sollen lernen,<br />

3. ... Unterrichtsqualität zu bewerten und die eigene Lehrerentwicklung<br />

entsprechend zu steuern und dafür folgende<br />

Rückmeldungsformen für die Reflexion systematisch zu nut-<br />

(C): als mdl. Abschlussgespräch<br />

auf der Grundlage<br />

der ausbildungsbe-<br />

zen<br />

<br />

... gezielte Selbstbeobachtung und Auswertung der<br />

Lehrer- und Schüleraktivitäten<br />

... Ableitung, Formulierung und Bearbeitung von Arbeitsschwerpunkten<br />

... Auswertung von Schülerprodukten in Bezug zum<br />

eigenen Lehrangebots<br />

... Schülerevaluation<br />

... Rückmeldungen aus Unterrichtsbesuchen (KGH,<br />

Mentoren/Schulleiter, SL) ...<br />

4. ... die eigene und gemeinsame Weiterbildung unter Berücksichtigung<br />

der Veränderungen in der Gesellschaft (Sozial,<br />

wirtschaftlich, ökologisch, wissenschaftlich, ...) zu planen<br />

und für die Tätigkeitsfelder des Lehrers zu nutzen ...<br />

... durch den Einsatz neuer Medien zur Aneignung von<br />

Wissen und Fertigkeiten<br />

... bei der Weiterarbeit an den eigenen Arbeitsschwerpunkten<br />

... durch die Präsentation von Wissen, Fragen und Erfahrungen<br />

sowie deren kooperative Bearbeitung im Seminar<br />

und/oder im Kollegium...<br />

5. ... mit dem Kollegium und in Kooperation mit den Eltern,<br />

Schülerinnen und Schülern und Gremien die Schule zu gestalten<br />

und weiterzuentwickeln<br />

... durch die aktive Teilnahme an schulischer Gremienarbeit<br />

... durch die Planung, Leitung und Auswertung einer<br />

Veranstaltung mit Schülern, Eltern und/oder Kollegen<br />

gleitenden Reflexionsdokumentation<br />

(B): als Hausarbeit<br />

alten Typs<br />

(B): schr. ausgearbeitet<br />

als ein Teil der ausbildungsbegleitenden<br />

Reflexionsdokumentation<br />

(C): z.B. Gestaltung<br />

einer Seminarsequenz<br />

mit Ref. im Wahlbereich,<br />

in der Schule<br />

(B): Hausarbeit alten<br />

Typs<br />

(B): schr. ausgearbeitet<br />

als Teil der ausbildungsbegleitenden<br />

Reflexionsdokumentation<br />

(C): als mdl. Prüfungsteil:<br />

z.B. Leitung einer<br />

Veranstaltung für Koll.,<br />

Eltern, Schüler<br />

(B): schr. ausgearbeitet<br />

als Teil der ausbildungsbegleitenden<br />

Reflexionsdokumentation<br />

(statt<br />

Hausarbeit)


190 Differenzierung<br />

10. Differenzierung der<br />

<strong>Empfehlungen</strong> nach Lehrämtern<br />

Die Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schulen betrachtet ihren Gegenstand, die Lehrämter, grundsätzlich<br />

einheitlich, an verschiedenen Stellen aber auch different. So unterscheiden<br />

sich bestimmte Anforderungskataloge in den Prüfungsfächern qualitativ,<br />

und dies zum Teil erheblich 94 , sind unterschiedliche Strukturierungsprinzipien<br />

gewählt, 95 kommen bestimmte Fächer nur in bestimmten<br />

Prüfungsordnungen 96 vor und sind Gewichte je nach Schulstufe oder<br />

Schultyp unterschiedlich. Die Erziehungswissenschaft hat einen im Kern<br />

identischen, aber auf die jeweiligen Lehrämter hin variierten Anforderungskatalog<br />

97 .<br />

94<br />

Als Beispiel für viele: Französisch für das Lehramt Oberstufe/Allgemeinbildende<br />

Schulen verlangt einen „Überblick über die historische Entwicklung des Französischen<br />

mit bezug zum heutigen Sprachstand“ sowie „vertiefte sprachwissenschaftliche<br />

Kenntnisse“ (dargestellt an „ausgewählten Beispielen“). Diese Anforderungen<br />

tauchen an gleicher Stelle im Lehramt an der Grund- und Mittelstufe nicht auf<br />

(Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen,<br />

Anl. 3 und 1).<br />

95<br />

Prüfungsfächer sind nicht nur Unterrichtsfächer, sondern auch durchgehend und<br />

Erziehungswissenschaft, zusätzlich Grundschulpäagogik und sonderpädagogische<br />

Fachrichtungen sowie Fachrichtungen des beruflichen Schulwesens. Unterrichtsfächer<br />

haben einen grundsätzlich anderen Adressatenbezug als Erziehungswissenschaft<br />

oder Grundschulpädagogik.<br />

96<br />

Wie Informatik im Lehramt Oberstufe berufliche Schulen. Es gibt also keine Informatikausbildung<br />

für Lehrkräfte aller anderen Lehrämter.<br />

97<br />

Ohne Kuriosa geht das nicht ab: Im Lehramt an der Grund- und Mittelstufe sind<br />

unter Prüfungsanforderungen „vertiefte Kenntnisse in zwei Gebieten der Erziehungswissenschaft“<br />

gefordert. Im Blick darauf ist die „Fähigkeit“ verlangt, „Gegenstände<br />

und Probleme <strong>dieser</strong> Gebiete an geeigneten Beispielen darzustellen, zu<br />

analysieren und zu beurteilen“. Das Lehramt für die Oberstufe allgemeinbildende<br />

Schulen schreibt vor, „Gegenstände und Probleme <strong>dieser</strong> Gebiete an geeigneten<br />

Beispielen unter verschiedenen Aspekten darzustellen, zu analysieren und zu be-


Offene Fragen 191<br />

Das Verhältnis von Einheit und Differenz bestimmt mit der Prüfungsordnung<br />

die Studien in der ersten Phase der Lehrerausbildung. Der Vorbereitungsdienst<br />

unterscheidet nach Lehrämtern und die darauf bezogene<br />

schulpraktische Ausbildung, die nach dem eher Allgemeinen und dem<br />

eher Besonderen differenziert ist 98 .<br />

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die Prüfungsordnung für<br />

das Lehramt an der Grund- und Mittelstufe als besonderes Fach die<br />

Grundschulpädagogik aufführt, das Lehramt an der Oberstufe allgemeinbildender<br />

Schulen aber kein Fach Gymnasialpädagogik abverlangt. Auch<br />

das Lehramt an der Oberstufe beruflicher Schulen verlangt kein Fach<br />

Wirtschafts- oder Berufspädagogik, obwohl dafür Professuren im Fachbereich<br />

06 vorhanden sind. Professuren für Gymnasialpädagogik gibt es<br />

demgegenüber nicht 99 . Die Sonderbehandlung der Grundschulpädagogik<br />

hat schulpraktische Gründe, alle Lehrkräfte, die dieses Lehramt wählen,<br />

sollen über hinreichende Kenntnisse in der Didaktik und Methodik des<br />

muttersprachlichen und mathematischen Anfangsunterrichts sowie weiterer<br />

Lernbereiche verfügen. Derartige Spezifizierungen ließen sich allerdings<br />

auch für die anderen Lehrämter ausmachen und mit Studiennotwendigkeiten<br />

verbinden. Berufspädagogik etwa ist eine etablierte Forschungsdisziplin,<br />

deren Befunde auf Grund der Logik der Prüfungsordnung<br />

nicht systematisch berücksichtigt werden.<br />

urteilen“ (Verordnung über die Erste Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schulen, Anl. 1, 3; Hervorhebung d. Komm.). Die beiden anderen Lehrämter<br />

übernehmen die Formulierung „unter verschiedenen Aspekten“.<br />

98<br />

Aufgabe der Hauptseminare ist es, „allgemeine Fragen der Erziehung, des Unterrichts<br />

sowie des Schulwesens im Zusammenhang mit den praktischen Erfahrungen<br />

der Referendare“ zu behandeln. Fach- und Gruppenseminare behandeln -<br />

ebenfalls „im Zusammenhang mit den praktischen Erfahrungen der Referendare“-<br />

„die didaktischen und methodischen Probleme und gegebenenfalls ausgewählte<br />

Inhalte des Unterrichts in den jeweiligen Fächern sowie einzelne pädagogische<br />

Probleme der jeweiligen Schulstufen“ (Verordnung über den Vorbereitungsdienst<br />

und die Zweite Staatsprüfung für Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er Schulen, § 8).<br />

99<br />

Es gibt eine Professur für „Schulpädagogik mit dem besonderen Schwerpunkt Sekundarstufen“.<br />

Sie verfolgt entsprechende Forschungsschwerpunkte, etwa die<br />

wissenschaftliche Begleitung eines Schulversuchs zur „Profiloberstufe“.


192 Differenzierung<br />

Auch die Tätigkeit an Gesamtschulen, obwohl eine spezifische Aufgabe,<br />

wird nirgendwo in besonderer Weise thematisiert.<br />

Die <strong>Kommission</strong> erkennt im hohen Anteil Erziehungswissenschaft eine<br />

Besonderheit und grundsätzlich auch einen Vorteil des <strong>Hamburg</strong>er<br />

Modells. Sie geht aber davon aus, dass pauschale Anforderungen zu vermeiden<br />

sind und der notwendige allgemeine Anteil in einem ausgewogenen<br />

Verhältnis zur Spezialisierung für die jeweiligen Lehrämter stehen<br />

muss. Für diesen Zweck müssen spezialisierte Forschungsrichtungen vorhanden<br />

sein, bzw. ausgebaut werden. Sie wären in der Prüfungsordnung<br />

angemessen zu berücksichtigen. Zu denken wäre etwa an eine empirisch<br />

orientierte Didaktik der Oberstufe, die das Lernen junger Erwachsener in<br />

einer Ausbildung mit wissenschaftspropädeutischer Schwerpunktsetzung<br />

thematisiert. Hier wie auch im Blick auf die schulpraktischen Anforderungen<br />

etwa des Anfangsunterrichts oder der Übergänge zwischen allgemeinbildenden<br />

Schulen und Berufsschulen empfiehlt die <strong>Kommission</strong> eine<br />

engere Kooperation mit dem Studienseminar.<br />

Zu der Ausbildung von Lehrkräften für die unteren Schulstufen 100<br />

nimmt die <strong>Kommission</strong> grundsätzlich wie folgt Stellung: Die Wissenschaftlichkeit<br />

der Lehrerausbildung richtet sich weder nach dem Lebensalter<br />

der Schülerinnen und Schüler noch nach der Höhe der Schulstufe. Es<br />

ist irreführend und fahrlässig, von Lehrkräften der Grundschule weniger<br />

oder reduzierte wissenschaftliche Ansprüche zu verlangen als von Lehrkräften,<br />

die an höheren Schulstufen unterrichten. Die Wissenschaftlichkeit<br />

der Ausbildung wächst nicht mit den Stoffanforderungen der Schule,<br />

eine Auffassung, die von der Hierarchie des Lehrplans bestimmt ist und<br />

außer Acht lässt, dass jüngere Schulkinder Lernprobleme eigener Art zu<br />

bewältigen haben. Für sie ist schwierig und anspruchsvoll, was für ältere<br />

Schülerinnen und Schüler bereits bewältigt ist. Daher kann nicht die<br />

Lehrplanhierarchie maßgebend sein. Die Ausbildung für die unteren<br />

Schulstufen hat ein anspruchsvolles Berufsfeld vor sich, das<br />

100 In <strong>Hamburg</strong> wird kein eigenes Lehramt „Grundschule“ unterschieden. Das Lehramt<br />

an der Grund- und Mittelstufe schließt die ersten vier Jahrgänge mit ein. Die<br />

nachstehenden Bemerkungen beziehen sich auf „Grundschule“ im Sinne <strong>dieser</strong><br />

Jahrgänge.


Offene Fragen 193<br />

nicht infantilisiert werden darf, weil von seinem Erfolg der Gesamterfolg<br />

des allgemeinbildenden Schulwesens wesentlich bestimmt ist.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist insbesondere auf<br />

den kognitiven Aufbau im Elementarbereich,<br />

die Einübung und Beherrschung von grundlegenden Lerntechniken,<br />

das frühe Lernen einer Fremdsprache 101 ,<br />

frühe mediale Kompetenzen,<br />

soziale und persönlichkeitsbildende Lernprozesse sowie<br />

selbstverständlicher Umgang mit kultureller Heterogenität, dabei insbesondere<br />

die Förderung von Deutsch als Zweitsprache und<br />

Kommunikationsförderung zwischen Schülern unterschiedlicher Erstsprachen.<br />

Wenn diese Anforderungen in der Breite und unter der Voraussetzung eines<br />

allgemeinbildenden Schulwesens realisiert werden sollen, sind verstärkte<br />

Anstrengungen in Forschung und Lehre notwendig. Gerade der<br />

Grundschulbereich muss Thema und Objekt für eine international ansetzende<br />

empirische Forschung werden, die im Schnittbereich von Entwicklungsalter,<br />

Lernpotenzialen und Schulstufe anzusetzen hat. Die<br />

<strong>Kommission</strong> verkennt nicht, dass die jetzige Ausbildung die damit verbundenen<br />

Chancen zu wenig nutzt. Das Forschungsaufkommen ist zu gering<br />

und muss deutlich gesteigert werden. Zudem muss der Forschungsbezug<br />

der Ausbildung verstärkt werden, während heute eher pragmatische<br />

Themen das Angebot bestimmen. Die Grundschulpädagogik muss als<br />

wissenschaftliche Disziplin weiterentwickelt werden. Wenn der Grundschulunterricht<br />

durch Anfangsunterricht und Lernbereiche bestimmt wird,<br />

dann muss dafür ein angemessenes Forschungsaufkommen bereitstehen.<br />

Auch hier kann weder das Lebensalter noch die Schulstufe einen Einwand<br />

darstellen.<br />

101<br />

In <strong>Hamburg</strong> wie in anderen Bundesländern sowie im deutschsprachigen Ausland<br />

zumeist Englisch.


194 Differenzierung<br />

Die <strong>Kommission</strong> plädiert unter <strong>dieser</strong> Voraussetzung für den Erhalt einer<br />

gesamthaft universitären Lehrerausbildung, also spricht sich gegen die<br />

Verlagerung von Ausbildungsteilen an die Fachhochschulen aus. Sie verweist<br />

zugleich auf die Folgen ihrer Empfehlung für die Rekrutierung des<br />

Forschungsnachwuchses, die Orientierung der Ausbildung an Standards<br />

sowohl der Forschung als auch der Profession. Die Ausbildung im<br />

Grundschulbereich muss deutlich in den Ansprüchen gesteigert und spezifiziert<br />

werden, was nur möglich ist, wenn die Orientierung an pragmatischen<br />

Aufgaben des Grundschulunterrichts ergänzt und unterstützt wird<br />

durch geeignete Forschungen, die internationalen Standards entsprechen.<br />

Die vorherrschende reformpädagogische Orientierung in diesem Bereich<br />

muss durch empirische Aussagen getestet werden, ohne das gesamte Setting<br />

auf Prüfungen im Bereich der MONTESSORI-Pädagogik 102 zu reduzieren.<br />

Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus, dass die vorliegenden <strong>Empfehlungen</strong><br />

für sämtliche Lehrämter der Universität <strong>Hamburg</strong> Geltung finden. Sie<br />

hat sich anlässlich der Anhörungen über die besonderen Probleme des<br />

Lehramtes an Sonderschulen und des Lehramtes an der beruflichen Oberstufe<br />

informiert 103 , sieht aber keine grundsätzlichen Hindernisse, die <strong>Empfehlungen</strong><br />

auch in diesen Lehrämtern zur Anwendung zu bringen. Das<br />

schließt Abweichungen im Detail und nach besonderen Notwendigkeiten<br />

nicht aus. Die Grundlagen der <strong>Empfehlungen</strong> wie<br />

verstärkter Berufsfeldbezug,<br />

bessere Ressourcennutzung,<br />

neue Kooperationsformen zwischen den Fächern und den Phasen,<br />

Effektivierung der Studienorganisation oder<br />

Neuordnung des Prüfungswesens<br />

102<br />

Dieses Beispiel wird gewählt, weil es sich um das mutmaßlich häufigste Prüfungsthema<br />

handelt. Eine Polemik ist damit nicht verbunden. Die Frage ist lediglich,<br />

was angehende Lehrkräfte lernen und können, wenn sie dieses Prüfungsthema<br />

wählen.<br />

103<br />

Anhörungen von Prof. TRAMM (Berufs- und Wirtschaftspädagogik) und Prof.<br />

SCHUCK (Behindertenpädagogik) auf der 6. Sitzung am 17. April 2000.


Offene Fragen 195<br />

sind übertragbar und können daher die Lehrerausbildung insgesamt neu<br />

bestimmen. Die Einzelanpassung muss nach Graden der Verträglichkeit<br />

unterschieden werden, ohne dadurch die Grundidee einer bei aller Differenz<br />

einheitlichen Lehrerausbildung in Frage zu stellen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verkennt allerdings nicht, dass zwischen den Reformintentionen<br />

im Lehramt für die Beruflichen Schulen Oberstufe und denen<br />

im Lehramt an Sonderschulen erhebliche Differenzen bestehen, die<br />

auf allgemeine Probleme der Schulentwicklung verweisen. Als Ergebnisse<br />

der Anhörung und nach Durchsicht der einschlägigen Reformpapiere 104<br />

ist von folgenden Problemen und Entwicklungen auszugehen:<br />

1) Die besondere Zusammensetzung der Studentenschaft ist ein Grund<br />

dafür, dass Wirtschafts- und Berufspädagogik spezifische, von der<br />

Schulpädagogik unterscheidbare Angebote entwickeln. Damit soll<br />

stärker auf die Wünsche der studentischen Klientel reagiert werden.<br />

2) Die Entwicklung des Integrationsunterrichts ist ein Grund dafür, dass<br />

die Sonderpädagogik eher den umgekehrten Weg einschlägt, die Annäherung<br />

an die Schulpädagogik sucht bis hin zur Empfehlung eines<br />

gemeinsamen Grundstudiums.<br />

3) Die Ausbildung in Berufs- und Wirtschaftspädagogik ist nicht nur auf<br />

das Lehramt für die berufsbildenden Schulen bezogen, die Disziplinen<br />

der Sonderpädagogik bilden nahezu ausschließlich für das Lehramt<br />

an Sonderschulen aus.<br />

Anforderungen der allgemeinbildenden Schulen verbinden, berufs- und<br />

wirtschaftspädagogisches Wissen ist demgegenüber spezifischer und<br />

verlangt eigene Verwendungskontexte.<br />

Das generelle Verhältnis von Allgemeinbildung und Berufsbildung<br />

muss neu bestimmt werden, insbesondere die Anschlüsse müssen neu geklärt<br />

werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, eine Expertise in Auftrag zu geben, die das<br />

Verhältnis von Allgemeinbildung und Berufsbildung neu bestimmt. In<br />

diesem Zusammenhang können auch die Probleme<br />

104<br />

Wie BECK/SCHUCK (1999) oder TRAMM (2000).


196 Differenzierung<br />

der Annäherung oder Distanzierung von Einzeldisziplinen wie Berufsund<br />

Wirtschaftspädagogik oder Sonderpädagogik diskutiert werden.<br />

Grundsätzlich ist zu vermuten, dass die strikte, institutionenbezogene<br />

Trennung von Allgemeinbildung und Berufsbildung, die die Differenz<br />

der Lehrämter und so der Studienordnungen bestimmt, zunehmend<br />

fraglich wird. Die <strong>Kommission</strong> sieht hier ein entscheidendes Entwicklungsproblem<br />

der Lehrerausbildung insgesamt, das sich an so unterschiedlichen<br />

Phänomenen wie den Kanonverlust der schulischen Allgemeinbildung,<br />

die Passungsprobleme zwischen Berufsschule und beruflichem<br />

Lernfeld, die parallel dazu sich vollziehende Auflösung der<br />

Berufe oder die zunehmende Zerfallsdauer des Wissens diskutieren<br />

lässt. Schulentwicklung wie Lehrerbildung müssen auf diese Trends<br />

eingestellt werden.


Offene Fragen 197<br />

11. Offene Fragen<br />

Die <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Kommission</strong> beziehen sich auf einen sehr komplexen<br />

und überaus heterogenen Gegenstand, der bislang fast ausschließlich<br />

in seinen Teilbereichen betrachtet und analysiert worden ist. Ein Gesamtkonzept<br />

„Lehrerbildung“ liegt zwar den KMK-<strong>Empfehlungen</strong> „Perspektiven<br />

der Lehrerbildung in Deutschland“ zu Grunde, ist aber bislang<br />

nicht auf konkrete Verhältnisse hin entwickelt worden. Die <strong>Hamburg</strong>er<br />

<strong>Kommission</strong> Lehrerbildung hat einen solchen gesamthaften Auftrag<br />

übernommen und musste dabei an sehr verschiedenen Stellen Neuland<br />

betreten. Es war dabei nicht zu vermeiden, auch angesichts des Forschungsstandes,<br />

dass verschiedene Fragen offen bleiben müssen. Die<br />

<strong>Kommission</strong> unterscheidet zwischen Problemen, die in den <strong>Empfehlungen</strong><br />

angesprochen sind, aber keinen Lösungsvorschlag erhalten haben,<br />

und Problemen, die nicht angesprochen sind, aber für die Entwicklung<br />

der Lehrerbildung nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Angesprochene,<br />

aber nicht mit einem präzisen Lösungsvorschlag versehene Probleme<br />

sind etwa<br />

das Verhältnis von Kerncurricula und prioritären Themen in der universitären<br />

Lehrerausbildung,<br />

die aufeinander bezogene Entwicklung von Fachwissen und professionellen<br />

Kompetenzen,<br />

die Gewichtung der prioritären Themen,<br />

die Passung von praktischen Studien in der Universitätsausbildung<br />

und der schulpraktischen Ausbildung im Studienseminar,<br />

die Neuregelung des Verhältnisses zwischen Hauptseminar und Fachseminar<br />

oder Gruppenseminar in der Referendarausbildung,<br />

die möglichen Formen der Kooperation zwischen Studienseminar und<br />

Institut für Lehrerfortbildung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt im Blick auf das erste Problem, die Entwicklung<br />

der Kerncurricula mit der Gestaltung der prioritären


198 Offene Fragen<br />

Themen zu verbinden. Sie wiederholt ihre Auffassung, dass prioritäre<br />

Themen nicht lediglich Themen der Erziehungswissenschaft sind, sondern<br />

in der gesamten Ausbildung erprobt und entwickelt werden müssen.<br />

Die Verknüpfung mit Teilen der Kerncurricula ist grundsätzlich möglich,<br />

zugleich stellen sich komplexe Fragen der Anrechenbarkeit und Verbindlichkeit,<br />

die von der <strong>Kommission</strong> weder konkret abgesehen noch beantwortet<br />

werden können.<br />

Das zweite Problem ist sehr grundsätzlicher Natur. Die „Kompetenzorientierung“<br />

der Lehrerausbildung (ARNING 2000) geht auf Fragestellungen<br />

und Resultate der Expertenforschung (wie: BROMME 1992) zurück,<br />

ohne sehr klar zwischen Wissen und Können zu unterscheiden und die<br />

Frage bereits hinreichend zu beantworten, wie aus Reflexionswissen oder<br />

theoretischen Verallgemeinerungen professionelle Kompetenz entsteht.<br />

Die <strong>Empfehlungen</strong> der <strong>Kommission</strong> berühren diese Problematik an verschiedenen<br />

Stellen, etwa<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

in der Orientierung der erziehungswissenschaftlichen Studien an case<br />

studies,<br />

im qualifikationsbezogenen Kerncurriculum des Studiensseminars,<br />

in der Themenerzeugung aus schulpraktischen Studien,<br />

in der phasenübergreifenden Verwendung der Hausarbeit.<br />

Aber der gesamte Bereich der Ausbildung für Unterrichtsfächer ist davon<br />

nicht berührt, ebenso wenig die Anteile der Psychologie, der Allgemeinen<br />

Erziehungswissenschaft oder der verschiedenen Einzelpädagogiken, die<br />

sehr unterschiedliche Generalisierungsformen vertreten. Die verstärkte<br />

Forschungsorientierung im Bereich der Erziehungswissenschaft/Grundschulpädagogik<br />

kann zudem leicht als Bewegung gedeutet<br />

werden, die praktische Fragen aus den Augen verliert. Generell ist die<br />

Praxiserwartung ein neu zu bearbeitendes Problem, auf das die <strong>Kommission</strong><br />

mit Nachdruck verweist, ohne eine allgemeine Lösung zur Verfügung<br />

zu haben.<br />

Die Lehrerausbildung ist mit Paradoxien und Dilemmata konfrontiert,<br />

die sich nicht durch <strong>Kommission</strong>sberichte auflösen lassen. Die Bearbeitung<br />

kann nur ausbildungspraktisch erfolgen, und sie betrifft mindestens<br />

die folgenden Bereiche:


Offene Fragen 199<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Erwartungen der Studierenden,<br />

Anforderungen des Berufsfeldes,<br />

Fachverständnisse,<br />

Theorie-Praxis-Definitionen des Ausbildungsfeldes,<br />

Zieldiskrepanzen in Ausbildungsteilen.<br />

Es wäre viel gewonnen, wenn die Lehrerbildung sich mit einem homogenen<br />

Leitbild darstellen könnte, das Leistungsvereinbarungen und klare<br />

Zielvorgaben enthielte, Anforderungen mit Angaben über den Arbeitsaufwand<br />

festlegte oder klar über die Chancen und Risiken der Ausbildung informieren<br />

würde. Die <strong>Kommission</strong> wiederholt ihren Hinweis, dass insbesondere<br />

die Kommunikation der Ausbildungsziele nachhaltig verbessert<br />

oder überhaupt erst entwickelt werden muss. Oft sind die Studierenden<br />

nicht darüber informiert, welche Ziele ihre Ausbildung anstrebt, was genau<br />

Ziele sind und wie sie erreicht werden sollen. Ein Grund dafür ist, dass<br />

Ziele der Lehrerbildung unpräzise gefasst und oft von allgemeinen Wünschen<br />

nicht zu unterscheiden sind.<br />

Die Gewichtung der prioritären Themen ist deswegen ein Problem,<br />

weil die öffentlichen Erwartungen an Schule und Lehrerbildung die Themen<br />

implizit längst gewichtet haben. Die <strong>Kommission</strong> geht davon aus,<br />

dass alle drei Themen gleich wichtig sind, sieht also Entwicklungsbedarf<br />

in der Lehrerbildung nicht nur, wie Teile der Öffentlichkeit, im Bereich<br />

der neuen Medien. Andererseits ist die Entwicklung in diesem Bereich<br />

besonders rasant und besonders sichtbar, so dass die Ausbildung darauf<br />

zu achten hat, nicht lediglich zu reagieren. Es könnte eine Lösung sein,<br />

Schnittstellen der prioritären Themen darzustellen und die Entwicklungsarbeit<br />

hier anzusetzen. Schulentwicklung etwa lässt sich leicht auf alle<br />

drei Themen beziehen.<br />

Die anderen drei Probleme sind Teil der Organsationsentwicklung.<br />

Die <strong>Kommission</strong> verweist darauf, dass gerade die schulpraktischen Anteile<br />

der Lehrerausbildung entwickelt und konzentriert werden müssen.<br />

Hier sind Beziehungen zu den Qualifikationsanforderungen der Ausbildung<br />

im Studienseminar anzustreben, damit Doppelungen vermieden<br />

werden. Das sollte auch Auswirkungen haben auf die Aufgabenteilungen<br />

zwischen Haupt- und Fach-


200 Offene Fragen<br />

seminar in der Referendarausbildung. Die <strong>Kommission</strong> schlägt vor, die<br />

thematische Gestaltung der Arbeit im Studienseminar an die Kerncurricula<br />

der Universität anzuschließen, ohne dafür schon genauere Wege angeben<br />

zu können. Hier ist dezidierte Entwicklungsarbeit erforderlich.<br />

Das Gleiche gilt für die kooperativen Anpassungen zwischen Studienseminar<br />

und Institut für Lehrerfortbildung sowie die Rückwirkungen der<br />

Fort- und Weiterbildung auf die universitären Angebote. Die <strong>Kommission</strong><br />

hat mehrfach erwähnt, dass die Universität sich verstärkt in der Fort- und<br />

Weiterbildung der Lehrkräfte engagieren sollte, kann dafür aber nur allgemeine<br />

Begründungen zur Verfügung stellen. Konkret muss in Kooperation<br />

mit dem Institut für Lehrerfortbildung eine Bündelung und ein gezielter<br />

Einsatz der Kräfte erreicht werden. Eine Option für das Verhältnis<br />

der Institutionen der nach-universitären Lehrerbildung ist auch, Studienseminar<br />

und Institut für Lehrerfortbildung organisatorisch zu vereinheitlichen.<br />

Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt nicht 105 , angesichts der gut ausgebauten<br />

und übersichtlichen Verhältnisse in <strong>Hamburg</strong>, die Einrichtung eines<br />

„Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung“. Sie empfiehlt aber ein<br />

stärkeres Forschungsengagement im Bereich der Schul- und Bildungsevaluation.<br />

Zu den nicht näher angesprochenen Problemen der Lehrerausbildung<br />

gehört die Frage der Berufseignung. Angesichts der von der <strong>Kommission</strong><br />

deutlich skizzierten Situation im Prüfungswesen kann heute im Prinzip<br />

jeder Lehrer werden, der das universitäre Studium abschließt, das zweite<br />

Staatsexamen besteht und über einen für die spezifische Bewerbung geeigneten<br />

Notendurchschnitt verfügt. Die Prüfung der Eignung für den Beruf<br />

im Sinne der Erfüllung von Kriterien wie<br />

hohe Belastbarkeit bei rasch wechselnden Anforderungen,<br />

Stressbewältigung ohne hohe persönliche Abnutzung,<br />

Gestaltung der beruflichen Lernsituationen,<br />

Bewahrung von Sinnüberzeugungen oder<br />

Balancen zwischen Schüler- und Fachorientierungen<br />

105<br />

Wie der KMK-Bericht (TERHART 2000, S. 109ff.).


Offene Fragen 201<br />

ist damit nicht möglich. Zugleich ist es schwierig, derartige Kriterien vor<br />

Ausübung des Berufes verlässlich abzuklären. Die Entscheidung für das<br />

Studium der verschiedenen Lehrämter hat oft andere Motive als diejenigen,<br />

die zur Bewältigung des Berufes erforderlich sind. Andererseits unterscheiden<br />

sich die Fähigkeiten und Talente der Lehrkräfte, was schon in<br />

der Ausbildung sichtbar ist. Die Ausbildung hat aber nicht die geeigneten<br />

Instrumente, die Erfahrung der Unterschiede im Vermögen der Studierenden<br />

zu einer Klärung ihrer Eignung für den Beruf zu nutzen.<br />

Dieser Befund gilt für die universitären Studien und Prüfungen mehr<br />

als für die Ausbildung im Studienseminar, weil es dort erhebliche griffigere<br />

Beurteilungskriterien gibt, die aus der Beobachtung und Bewertung<br />

von längeren Unterrichtssequenzen sowie von schulischem Engagement<br />

erwachsen. Demgegenüber fehlen weitgehend Standards und Kriterien,<br />

mit denen die universitäre Ausbildung beurteilen könnte, wie sich etwa<br />

die fachwissenschaftlichen Studien mit Berufseignung verknüpfen lassen.<br />

Insgesamt wird auf die Frage der Eignung zu wenig Gewicht gelegt, obwohl<br />

grundlegend ein Konsens darüber vorhanden ist, dass sehr unterschiedlich<br />

berufstaugliche Lehrkräfte die Ausbildung verlassen. Die<br />

<strong>Kommission</strong> empfiehlt zur Lösung <strong>dieser</strong> dringlichen Frage wiederum die<br />

Erstellung einer Expertise, die auch klären muss, welche Folgen sich mit<br />

der Veränderung der Lehrereinstellungen für die Selektion der Berufstauglichkeit<br />

verbinden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> hat sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, wie<br />

mehr Studierende mit Migrationshintergrund für die Lehramtsstudiengänge<br />

gewonnen werden können. Sie misst <strong>dieser</strong> Frage aber eine erhebliche<br />

Bedeutung bei, nicht zuletzt im Blick auf die Schulentwicklung. Die<br />

Ausbildung ist faktisch immer noch weitgehend monoethnisch, während<br />

die Schulen zunehmend mehr einen multiethnischen und multikulturellen<br />

Charakter erhalten. Zur Veränderung dieses monoethnischen Tatbestandes<br />

sind besondere Anreize zu schaffen, was auch für die Zusammensetzung<br />

des Lehrkörpers gilt. Die Lehrberufe insgesamt müssen für neue Gruppen<br />

erschlossen und attraktiv gemacht werden. Die Universität als Verantwortliche<br />

für die erste Phase sowie alle anderen Verantwortlichen müssen<br />

hier erhebliche Anstrengungen unternehmen.


202 Offene Fragen<br />

Weitere, von der <strong>Kommission</strong> nicht näher behandelte Probleme sind<br />

schulische Ausbildungszentren,<br />

Entwicklung von Standards in den Fachdidaktiken,<br />

Verhältnis Allgemeine Didaktik und Fachdidaktiken,<br />

Mangelsituationen in einzelnen Lehrämtern, vor allem in der Ausbildung<br />

von Berufsschullehrern,<br />

allgemein die Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs,<br />

die Gleichstellung von Frauen und Männern in Lehrberufen,<br />

Aufgaben und Stellung der Fachwissenschaften,<br />

genügende Berücksichtigung des rechtlichen Rahmens und Verträglichkeit<br />

der <strong>Empfehlungen</strong> mit Entwicklungen in anderen Bundesländern<br />

sowie der Beschlusslage der KMK.<br />

Die <strong>Kommission</strong> würde die Entwicklung von schulischen Ausbildungszentren<br />

im Prinzip begrüßen, wenn sich dadurch Verbesserungen der<br />

schulpraktischen Ausbildungen für beide Phasen der Lehrerausbildung erreichen<br />

ließen. Allerdings sind besondere Schwierigkeiten in Rechnung<br />

zu stellen. Der bedarfsdeckende Unterricht kann nicht in Ausbildungszentren<br />

erfolgen, die Schulpraktika der ersten Phase können nicht einzig<br />

auf diese Zentren konzentriert sein, etc. Notwendig ist an <strong>dieser</strong> Stelle<br />

weitere Arbeit am Konzept. Zur Entwicklung der Fachdidaktiken verweist<br />

die <strong>Kommission</strong> auf die Arbeitsgruppe Lehrerbildung des Wissenschaftsrates,<br />

die sich <strong>dieser</strong> Fragen annehmen wird. Die Attraktivität des<br />

Lehrerberufs ist eine gravierende bildungspolitische Aufgabe, der die<br />

<strong>Kommission</strong> nicht vorgreifen kann oder will. Sie ist aber der Auffassung,<br />

dass ihre <strong>Empfehlungen</strong> dazu beitragen können, die Attraktivität zu erhöhen<br />

und die bestehenden Mängel zu reduzieren. Beispielsweise sollte die<br />

Lehrerausbildung unreflektiertes Geschlechtsrollenverhalten bewusst machen.<br />

Teilzeitarbeit und der Arbeitsplatz Grundschule sollten für Männer,<br />

die Vollarbeitszeit in der Sekundarschule II sowie die Übernahme von<br />

Leitungsfunktionen sollte für Frauen attraktiver gemacht werden. Insgesamt<br />

muss dem Imageverlust der Lehrberufe entgegengewirkt werden.<br />

Die <strong>Kommission</strong> bedauert, dass sie keine genügenden Aussagen zur<br />

Stellung und zum Aufgabenkatalog der Fachwissenschaften im


Offene Fragen 203<br />

Blick auf die Ausbildung für Unterrichtsfächer oder Lernbereiche der<br />

Schule machen kann. Sie empfiehlt allgemein den Aufbau und die Entwicklung<br />

von Kerncurricula, die interdisziplinäre Gestaltung der prioritären<br />

Themen, die Stärkung des Forschungsbezuges in allen Teilen der universitären<br />

Lehrerausbildung, den konsequenten Aufbau eines Habitus<br />

„forschendes Lernen“, aber sie ist sich im Klaren darüber, dass damit allein<br />

die künftige und weiterhin für die Ausbildung zentrale Rolle der<br />

Fachwissenschaften nicht hinreichend bestimmt ist. Hier ist eine erhebliche<br />

Entwicklungsarbeit notwendig, die von der Neugestaltung des Prüfungsordnung<br />

bis zur Leitung der Lehrerbildung eine Reihe von schwerwiegenden<br />

Problemen lösen muss. Die <strong>Kommission</strong> empfiehlt, hier möglichst<br />

rasch geeignete Gremien einzusetzen.<br />

Der Auftrag der <strong>Kommission</strong> bestand nicht darin, auf Entwicklungen<br />

in anderen Bundesländern einzugehen oder sie abzuwarten. Die <strong>Kommission</strong><br />

hat sich mit einer eigenen Umfrage bemüht, den Stand der Entwicklung<br />

im Bereich Lehrerausbildung zu evaluieren, aber sie konnte diese<br />

Daten nicht mehr für die <strong>Empfehlungen</strong> berücksichtigen. Die <strong>Empfehlungen</strong><br />

sind an bestimmten Stellen, verglichen mit dem Status Quo der<br />

Lehrerbildung, sehr weitgehend, so dass ihre Verträglichkeit mit Entwicklungen<br />

auf KMK-Ebene abgeklärt werden muss. Auftrag der <strong>Kommission</strong><br />

war es, Optionen für die Reform der Lehrerbildung in <strong>Hamburg</strong><br />

zu entwickeln. Daraus folgte, dass die besonderen Probleme und Chancen<br />

der <strong>Hamburg</strong>er Ausbildung die <strong>Empfehlungen</strong> bestimmt haben.


204 Literatur<br />

12. Literatur<br />

ALLEMANN-GHIONDA, CHR.: Schule, Bildung und Pluralität. Sechs Fallstudien<br />

im europäischen Vergleich. Bern u.a. 1999. (= Explorationen. Studien<br />

zur Erziehungswissenschaft, hrsg. v. J. OELKERS, Bd. 24)<br />

ARNING, F.: Kompetenzorientierung der Lehrerausbildung. In: M. BAYER/F.<br />

BOHNSACK/B. KOCH-PRIEWE/J. WILDT (Hrsg.): Lehrerin und Lehrer<br />

werden ohne Kompetenz? Professionalisierung durch eine andere Lehrerbildung.<br />

Bad Heilbrunn/Obb. 2000, S. 302-315.<br />

Ausschuss zur LehrerInnenausbildung in Mathematik und Mathematikdidaktik:<br />

Zwischenbilanz: Probleme des Studiums der Lehrämter mit dem Unterrichtsfach<br />

Mathematik. Ms. <strong>Hamburg</strong> 2000.<br />

BAYER, M./BOHNSACK, F./KOCH-PRIEWE, B./WILDT, J. (Hrsg.): Lehrerin<br />

und Lehrer werden ohne Kompetenz? Professionalisierung durch eine andere<br />

Lehrerbildung. Bad Heilbrunn/Obb. 2000.<br />

BECK, CHR./HELSPER, W./HEUER, B/STELMASZYK, B/ULLRICH, H: Fallarbeit in<br />

der universitären LehrerInnenbildung. Professionalisierung durch fallrekonstruktive<br />

Seminare? Eine Evaluation. Opladen 2000.<br />

BECK, I./SCHUCK, K.D.: Lehrerbildung in der Zukunft. In: O. MARSAND<br />

(Hrsg.): Zukunftsperspektiven der Lehrerbildung. vds-Materialien 1999,<br />

S. 18-40.<br />

BEHÖRDE FÜR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG: Ziel- und Leistungsvereinbarungen<br />

zwischen der Behörde für Wissenschaft und Forschung und den<br />

<strong>Hamburg</strong>ischen Hochschulen sowie der Staats- und Universitätsbibliothek<br />

<strong>Hamburg</strong> vom 2.3.1999. Vervielf. Ms. <strong>Hamburg</strong> 1999.<br />

Bericht der Lehrerarbeitszeitkommission. Internes Papier der Behörde für<br />

Schule, Jugend und Berufsbildung. <strong>Hamburg</strong> 1999.<br />

BROMME, R.: Der Lehrer als Experte. Bern/Göttingen/Toronto 1992.


Cloer, E./Klika, D./Kunert, H. (Hrsg.): Welche Lehrer braucht das Land?<br />

Notwendige und mögliche Reformen der Lehrerbildung. Weinheim/München<br />

2000.<br />

ConceptaTeam: Expertise über die Organisationsstruktur des Staatlichen Studienseminars<br />

<strong>Hamburg</strong> in der Fassung vom 19.02.1997. Vervielf. Ms.<br />

Kutenholz 1999.<br />

CRIBLEZ, L./HOFER, CHR.: Pädagogik als Unterrichtsfach. Einige Thesen zur<br />

Einleitung einer notwendigen Diskussion. In: Bildungsforschung und<br />

Bildungspraxis 18 (1996), S. 217-233.<br />

CUBAN, L.: Teachers and Machines. The Classroom Use of Technology Since<br />

1920.New York/London: Teachers College Press 1986.<br />

Declaration of Oegstgeest (The Netherlands): „moving away from a monolingual<br />

habitus“, approved on 30 January 2000 at the international conference<br />

on regional, minority and immigrant languages in multicultural Europe,<br />

convened by the European Cultural Foundation (Amsterdam).<br />

Oegstgeest/Amsterdam 2000.<br />

European Cultural Foundation in cooperation with Babylon, Tilburg University:<br />

Multilingual Cities Project on the status of immigrant minority languages<br />

at home and at school. Pilot cities: Brussels, <strong>Hamburg</strong>, Lyon, Madrid,<br />

Rotterdam. Amsterdam 2000.<br />

Evaluation von Studium und Lehre im Verbund Norddeutscher Universitäten:<br />

Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität <strong>Hamburg</strong>. Bericht<br />

und <strong>Empfehlungen</strong> der externen Gutachter. März 1999. Vervielf. Ms.<br />

<strong>Hamburg</strong> 1999.<br />

Externe Beratungskommission zur Struktur- und Entwicklungsplanung der<br />

Universität <strong>Hamburg</strong>: Struktur- und Entwicklungsplanung der Universität<br />

<strong>Hamburg</strong>. Feststellungen, Analysen und <strong>Empfehlungen</strong>. Februar 1997.<br />

Vervielf. Ms. Hannover 1997.<br />

Faber: Folgen der Arbeitsmigration für Bildung und Erziehung. Kurzfassung<br />

des Antrags an die DFG. Verf. von INGRID GOGOLIN, MARIANNE<br />

KRÜGER-POTRATZ, URSULA NEUMANN, HANS-HEINZ REICH. In: Deutsch<br />

lernen 1990, H. 1, S. 70-88.<br />

Literatur 205


206 Literatur<br />

FREISEL, L./SJUTS, J. (Hrsg.): Lernende Lehrer für lernende Schulen. Evaluation<br />

in Schule und Seminar. Befunde – Methoden - Konzepte. Leer<br />

2000.<br />

GOGOLIN, I./NAUCK, B. (Hrsg.): Migration, gesellschaftliche Differenzierung<br />

und Bildung. Opladen 2000.<br />

GOGOLIN, I.: Minderheiten, Migration und Forschung. Ergebnisse des DFG-<br />

Schwerpunktprogramms FABER. In: I. GOGOLIN/B. NAUCK (Hrsg.):<br />

Migration, gesellschaftliche Differenzierung und Bildung. Opladen 2000,<br />

S. 15-35.<br />

GOODLAD, J.: Teachers For Our Nation’s Schools. San Francisco/Oxford:<br />

Jossey-Bass Publishers 1991.<br />

GRÜNBERG, W./SALBAUGH, D.L./MEISTER-KARANIKAS: Lexikon der <strong>Hamburg</strong>er<br />

Religionsgemeinschaften. Religionsvielfalt in der Stadt von A-Z,<br />

<strong>Hamburg</strong> 1994.<br />

<strong>Hamburg</strong>er Erhebung zum Sprachstand türkisch-deutscher Schulanfänger im<br />

Schuljahr 1999/2000. Bericht über die Erhebung mündlicher Sprachkenntnisse<br />

im Sommer 1999 von HANS-H. REICH. Universität Landau 18.<br />

März 2000 (Typoskript).<br />

HEIMER, W.: Leistungsbewertung im Ersten Staatsexamen im Fach Erziehungswissenschaft.<br />

In: EWIREPORT 21 (2000), S. 18/19.<br />

JURT, U. et.al.: Aktuelle Stoffinhalte und verwendete Lehrmittel in Allgemeiner<br />

Didaktik an Seminarien. In: Beiträge zur Lehrerbildung 12 (1994),<br />

S. 288-293.<br />

Keuffer, J./Krüger, H.-H./Reinhardt, S./Weise, E./Wenzel, H. (Hrsg.): Schulkultur<br />

als Gestaltungsaufgabe. Partizipartion - Management – Lebensweltgestaltung.<br />

Weinheim 1998.<br />

KMK-Beschluss „Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule. Beschluss<br />

der Kultusministerkonferenz vom 25. Oktober 1996. KMK 671.1<br />

KMK-Kultusministerkonferenz: Medienpädagogik in der Schule. Bonn 1995.<br />

KMK-Kultusministerkonferenz: Neue Medien und Telekommunikation im<br />

Bildungswesen. Bonn 1997.<br />

KRÜGER-POTRATZ, M./JASPER, D./KNABE, F.: „Fremdsprachige Volksteile“<br />

und deutsche Schule. Schulpolitik für die Kinder der autochthonen Minderheiten<br />

in der Weimarer Republik. Münster u.a. 1998.


KRÜGER-POTRATZ, M.: Stichwort: Erziehungswissenschaft und kulturelle<br />

Differenz. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft H. 2 (1999). S. 149-<br />

165.<br />

Lehrerinnen und Lehrer für das „Haus des Lernens“. In: Gemeinsame <strong>Kommission</strong><br />

für die Studienreform im Lande Nordrhein–Westfalen (Hrsg.):<br />

Perspektiven: Studium zwischen Schule und Beruf. Analysen und <strong>Empfehlungen</strong><br />

zum Übergang Schule - Hochschule, zur Lehrerbildung, zur<br />

Ingenieurausbildung. Neuwied/Berlin 1996, S. 61-119.<br />

MANGOLD, M./OELKERS, J.: Expertise zum Stand der Fachdidaktik. Ms.<br />

Bern 2000.<br />

MESSMER, R.: Orte und Nicht-Orte der Lehrerbildung. Eine historische und<br />

empirische Untersuchung zur Handlungs- und Wissensorientierung und<br />

der damit verbundenen Mythen in der Lehrerbildung. Bern u.a. 1999. (=<br />

Explorationen. Studien zur Erziehungswissenschaft, hrsg. v. J. OELKERS,<br />

Bd. 26)<br />

Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Zukunft des Lehrens – Lernen für<br />

die Zukunft. Neue Medien in der Lehrerausbildung. Rahmenkonzept.<br />

Frechen 2000.<br />

MOSER, U./RHYN, H.: Lernerfolg in der Primarschule. Eine Evaluation am<br />

Ende der Primarschule. Aarau 2000.<br />

OSER, F./OELKERS, J. (Hrsg.): Die Wirksamkeit der Lehrerbildungssysteme<br />

in der Schweiz. Chur/Zürich 2000. (im Druck)<br />

OSER, F.: Standards in der Lehrerbildung. In: F. OSER/J. OELKERS (Hrsg.):<br />

Die Wirksamkeit der Lehrerbildung in der Schweiz. Chur/Zürich 2000.<br />

RÜEGG, S.: Weiterbildung und Schulentwicklung. Eine Studie zur Zusammenarbeit<br />

von Lehrerinnen und Lehrern an Schulen des Kantons Bern.<br />

Diss. phil. Universität Bern (Institut für Pädagogik) Ms. Bern 1999.<br />

SCHULZ-ZANDER, R. (Hrsg.): Medien und Informationstechnologien in der<br />

Lehrerausbildung - Lernen mit Multimedia. Dortmund 1999.<br />

TERHART, E. (Hrsg.): Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland. Abschlussbericht<br />

der von der Kultusministerkonferenz eingesetzten <strong>Kommission</strong>.<br />

Weinhein/Basel 2000.<br />

Literatur 207


208 Literatur<br />

Theorie-Praxis-Vermittlung in der Lehrerbildung unter besonderer Berücksichtigung<br />

der ersten Phase. Bilanz und Perspektiven für <strong>Hamburg</strong>., Abschlussbericht<br />

der Theorie-Praxis-Arbeitsgruppe vom 18. März 1999. Redaktion<br />

M. MEYER/L. KÜSTER Vervielf. Ms. <strong>Hamburg</strong> 1999.<br />

TRAMM, T.: Probleme und Perspektiven der Handeslehrerausbildung. Ms.<br />

<strong>Hamburg</strong> 2000.<br />

TULODZIECKI, G./BLÖMEKE, S. (Hrsg.): Neue Medien – neue Aufgaben für<br />

die Lehrerausbildung. Tagungsdokumentation. Gütersloh 1997.<br />

TULODZIECKI, G.: Medien in Erziehung und Bildung. Grundlagen und Beispiele<br />

einer handlungs- und entwicklungsorientierten Medienpädagogik.<br />

Bad Heilbrunn/Obb. 1997.<br />

Universität <strong>Hamburg</strong>/Fachbereich Erziehungswissenschaft: Selbstbeschreibung<br />

des Faches „Erziehungswissenschaft“ 1998 im Rahmen des Projektes<br />

Evaluation von Studium und Lehre des Verbundes Norddeutscher<br />

Hochschulen. Verabschiedet vom Fachbereichsrat des Fachbereichs Erziehungswissenschaft<br />

auf seiner 488. Sitzung am 21. 10. 1998. Vervielf.<br />

Ms. <strong>Hamburg</strong> 1998.<br />

WEISSE, W./DOEDENS, F. (Hrsg.): Religiöses Lernen in einer pluralen Welt.<br />

Religionspädagogische Ansätze in <strong>Hamburg</strong>: Novemberakademie ‘99.<br />

Münster/New York/München/Berlin 2000.<br />

WELSCH, W.: Einleitung. In: W. WELSCH (Hrsg.): Wege aus der Moderne.<br />

Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. 2. durchgs. Aufl. Berlin<br />

1994.<br />

WELSCH, W.: Unsere postmoderne Moderne. 5. Aufl. Berlin1997.


Verzeichnis Mitglieder 209<br />

13 Verzeichnis der Mitglieder der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung<br />

Name Institution Funktionen in der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung (HKL)<br />

Prof. Dr. Jürgen Oelkers Universität Zürich Vorsitzender der Kom<br />

mission; Experte für Konzepte<br />

der Lehrerbildung und<br />

Evaluation<br />

Prof. Dr. Wolfram Weiße<br />

Prof. Dr. Hans Christoph<br />

Koller<br />

Prof. Dr. Barbara Schenk<br />

Sybille Daviter<br />

Alfred Ruppel<br />

Otfried Börner<br />

Dr. Mareile Krause<br />

Hans-Günther Dittrich<br />

Universität<br />

<strong>Hamburg</strong><br />

Universität<br />

<strong>Hamburg</strong><br />

Universität<br />

<strong>Hamburg</strong><br />

Staatliches Studienseminar<br />

für die<br />

Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schulen<br />

Staatliches Studienseminar<br />

für die<br />

Lehrämter an <strong>Hamburg</strong>er<br />

Schulen<br />

Institut für<br />

Lehrerfortbildung<br />

(IfL)<br />

Institut für<br />

Lehrerfortbildung<br />

(IfL)<br />

Schulen<br />

in <strong>Hamburg</strong><br />

Dekan des FB Erziehungswissenschaft<br />

u. Vertreter für<br />

den Bereich Fachdidaktik<br />

Prodekan für Lehre und<br />

Studium und Vertreter für<br />

den Bereich Allgemeine<br />

Erziehungswissenschaft<br />

Vertreterin für den Bereich<br />

Fachdidaktik u. für Theorie-<br />

Praxis in der Lehrerbildung<br />

Vertreterin für den Bereich<br />

Ausbildung im Referendariat<br />

/ Vorbereitungsdienst<br />

Vertreter für den Bereich<br />

Ausbildung im Referendariat/Vorbereitungsdienst<br />

Vertreter für den Bereich<br />

Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung<br />

Vertreterin für den Bereich<br />

Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung<br />

Vertreter Berufsschulen


210 Verzeichnis Mitglieder<br />

Name Institution Funktionen in der<br />

<strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung (HKL)<br />

Aart Pabst<br />

Dr. Mechthild Uhle<br />

Prof. Dr. Gerhard<br />

Tulodziecki<br />

Prof. Dr. Marianne<br />

Krüger-Potratz<br />

Prof. Dr. Wolfgang<br />

Einsiedler 106<br />

Schulen in<br />

<strong>Hamburg</strong><br />

Schulen in<br />

<strong>Hamburg</strong><br />

Universität-GH<br />

Paderborn<br />

Universität<br />

Münster<br />

Universität<br />

Nürnberg<br />

Vertreter Gesamtschulen/Sekundarstufe<br />

I/II<br />

u. Primarstufe<br />

Vertreterin Gymnasien/ Sekundarstufe<br />

I/II<br />

Experte im Bereich Neue<br />

Medien und Lehrerbildung<br />

Expertin im Bereich Interkulturelles<br />

Lernen und<br />

Lehrerbildung<br />

Experte im Bereich Grundschullehrerausbildung<br />

Prof. Dr. Sibylle Beetz<br />

Dr. Hans-Joachim Schulz<br />

Hans-Jürgen Brackmann<br />

Prof. Dr. Michel E.<br />

Domsch<br />

Universität<br />

Bamberg<br />

Beratungsstelle für<br />

Technologiefolgen<br />

u. Qualifizierung<br />

(BTQ)<br />

Bundesvereinigung<br />

der deutschen<br />

Arbeitgeberverbände<br />

(BDA)<br />

Universität der<br />

Bundeswehr<br />

<strong>Hamburg</strong><br />

Expertin für den Bereich<br />

Schulentwicklung<br />

Experte für den Bereich<br />

Personalentwicklung<br />

(Perspektive Beschäftigte)<br />

Experte für den Bereich<br />

Personalentwicklung<br />

(Perspektive Unternehmen)<br />

Experte für Forschung im<br />

Bereich Personalwesen<br />

und Internationales<br />

Management<br />

106<br />

Prof. Einsiedler schied im April 2000 aus Krankheitsgründen aus.


Über die Herausgeber<br />

Josef Keuffer, Dr. phil., Jg. 1958, ist Referent für Lehrerbildung in<br />

der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Freien und<br />

Hansestadt <strong>Hamburg</strong>. Zuvor 1. und 2. Staatsexamen, Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />

der Universität Münster (1993-1994) und Geschäftsführender Leiter<br />

des Zentrums für Schulforschung und Fragen der Lehrerbildung<br />

der Universität Halle-Wittenberg (1994-1999). Publikationen zur<br />

Schul- und Unterrichtsforschung, Didaktik, Schulkultur und<br />

Lehrerbildung.<br />

Jürgen Oelkers, Dr. phil., Jg. 1947, ist Professor für Allgemeine<br />

Pädagogik an der Universität Zürich. Zuvor Professor für Allgemeine<br />

Pädagogik an der Universität Lüneburg (1979-87) und o.<br />

Prof. für Allgemeine Pädagogik an der Universität Bern (1987-<br />

1999). Forschungsgebiete: Geschichte der Pädagogik (18. und 19.<br />

Jahrhundert), Reformpädagogik, Bildungstheorie, Lehrerbildung,<br />

analytische Erziehungsphilosophie. Mitherausgeber der Zeitschrift<br />

für Pädagogik. Er war Vorsitzender der <strong>Hamburg</strong>er <strong>Kommission</strong><br />

Lehrerbildung.

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