Professor Dipl. Ing. Karl-Dieter Bodack... ...im Gespräch mit ... - Twoday
Professor Dipl. Ing. Karl-Dieter Bodack... ...im Gespräch mit ... - Twoday
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Interview <strong>mit</strong> <strong>Professor</strong> <strong>Dipl</strong>. <strong>Ing</strong>. <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong><br />
http://www.interview-<strong>mit</strong>-bahnexperte-bodack-zu-stuttgart-21.de/<br />
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22.11.2011<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Dipl</strong>. <strong>Ing</strong>. <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>...<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Dipl</strong>. <strong>Ing</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong> arbeitete rund 30 Jahre für die Deutsche Bahn. Dabei vor<br />
allem für den Vorstand. 1938 in Stuttgart geboren, erwarb <strong>Bodack</strong> sein Lokführer-Patent auf der Strecke<br />
Ulm-Stuttgart. Der ehemalige Student der „Hochschule für Gestaltung“ (HfG) Ulm entwickelte die<br />
Interregio-Züge <strong>mit</strong>. <strong>Bodack</strong> zählt zu den kundigsten Kritikern von „Stuttgart 21“.<br />
...<strong>im</strong> Gespräch <strong>mit</strong> Julian Aicher<br />
Julian Aicher, geboren 1958 in Ulm und seit 1972 <strong>im</strong> Allgäu aufgewachsen, befürwortete „Stuttgart 21“<br />
noch Anfang 2010. Nachdem er mehrere Aufsätze von <strong>Bodack</strong> gelesen und <strong>mit</strong> dem Bahnexperten<br />
mehrfach gesprochen hat, st<strong>im</strong>mt Aicher „Stuttgart 21“ seit Jahresanfang 2011 nicht mehr zu.<br />
Aicher befragte <strong>Bodack</strong> am 16. November noch einmal. Hier der Wortlaut des Interviews:<br />
„WIR STEUERN DA AUF EINE KATASTROPHE ZU“
Interview <strong>mit</strong> <strong>Professor</strong> <strong>Dipl</strong>. <strong>Ing</strong>. <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong><br />
http://www.interview-<strong>mit</strong>-bahnexperte-bodack-zu-stuttgart-21.de/<br />
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22.11.2011<br />
Julian Aicher:<br />
Herr <strong>Professor</strong> <strong>Bodack</strong> – welche Vorteile bringt uns „Stuttgart 21“?<br />
Julian Aicher:<br />
Wie kommen Sie zu dieser Behauptung?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Wenig. Im Schnitt unterm Strich und <strong>im</strong> Durchschnitt sind die Fahrgäste in den Zügen eine halbe Minute schneller in<br />
Stuttgart.<br />
30 Sekunden schneller. Das muss man in Relation zu mindestens 10 Milliarden Kosten einschließlich der<br />
Neubaustrecke Ulm-Stuttgart sehen. Zehn Milliarden für eine halbe Minute.<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Die frühere Stuttgarter Umweltministerin Tanja Gönner hat noch vor der letzten Landtagswahl bei SMA eine Studie in<br />
Auftrag gegeben. Und dort hat man extrem gründlich, umfangreich und genau gerechnet. Da wurde dann nicht gelobt,<br />
dass ein leerer Zug schneller ankommt – das bringt ja nichts. SMA ging bei seinen Berechnungen von den Fahrgästen<br />
aus. Also Bahnfahrenden, die aus <strong>Karl</strong>sruhe, Mannhe<strong>im</strong>, Horb, Crailshe<strong>im</strong> oder Ulm nach Stuttgart rein fahren.<br />
Manche dieser Züge – zum Beispiel aus Ulm – sind tatsächlich schneller. Manche Fahrgäste kämen aber dank<br />
„Stuttgart 21“ aber auch deutlich später in Stuttgart an, weil es aus diesen Richtungen teils nur eingleisige<br />
Verbindungen gibt. Horb zum Beispiel. Oder Aalen. Alles <strong>mit</strong> allem verrechnet brächte „Stuttgart 21“ 30 Sekunden<br />
Zeiteinsparung. „K 21“ – also der verbesserte Kopfbahnhof, brächte 54 Sekunden Beschleunigung. Mit einem sinnvoll<br />
sparsamen Ausbau ganz weniger, kurzer Neubaustrecken südlich von Stuttgart bräuchte man diese Bauten wie in<br />
„Stuttgart 21“ und „K 21“ geplant, gar nicht.<br />
Diese Strecken – darunter vor allem vom Flughafen Stuttgart nach Wendlingen, wäre für 200 Millionen Euro zu bauen<br />
– ohne teure Tunnels.<br />
Man kann sich gut vorstellen, dass dieses SMA-Gutachten bei Frau Gönner damals blankes Entsetzen ausgelöst hat.<br />
Ministerin Gönner hat die Studie deshalb sofort in ihrem Giftschrank verschwinden lassen.<br />
Nun kann man diese Studie auf der Website des Verkehrsministeriums Stuttgart nachlesen.<br />
Julian Aicher:<br />
Aber das hieße doch: Wieder neue Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren über Jahre?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Nein. Die wichtige Neubaustrecke Flughafen Stuttgart nach Wendlingen, ist bereits genehmigt. Sie läge neben der<br />
Autobahn, wäre also sehr umweltverträglich. Dazu käme für weitere 50 Millionen die Rohrer Kurve. Also alles in<br />
allem 250 Millionen. In drei bis vier Jahren könnte man diese neuen Strecken befahren.<br />
Und nicht erst lange nach 2020, wie „Stuttgart 21“. Der Effekt für die Fahrgäste wäre in beiden Fällen etwa der selbe.
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Vorteil: 200.000 Leute, die auf den Fildern leben, hätten schnellere Verbindungen.<br />
Übrigens: Derjenige Streckenbereich von „Stuttgart 21“ am und be<strong>im</strong> Flughafen Stuttgart ist bisher nicht<br />
planfestgestellt also noch nicht genehmigt. Und das ist der Mittelteil. Das heißt: Ohne diesen Teil sind die anderen<br />
„Stuttgart 21“-Strecken völlig sinnlos. Das ist in etwa so, wenn Sie ein Haus bauen wollen, für das zwar das<br />
Erdgeschoss und das Dachgeschoss genehmigt worden sind, nicht aber das erste Obergeschoss dazwischen. Kein<br />
vernünftiger Mensch würde anfangen, so etwas bauen!<br />
Und ganz wichtig: Die Deutsche Bahn AG hat für diesen <strong>mit</strong>tleren Streckenabschnitt am und nahe Stuttgart Flughafen<br />
seit 2002 mehrere Bauanträge gestellt. Keiner davon ist in der Vorprüfung be<strong>im</strong> Eisenbahn-Bundesamt angenommen<br />
worden. Daher kann niemand seriös sagen, was diese Strecken <strong>mit</strong> dem neuen Tiefbahnhof am Ende kosten soll.<br />
Julian Aicher:<br />
Trotzdem: Hand aufs Herz – wie teuer wird „Stuttgart 21“ aus Sicht des erfahrenen Bahnexperten?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Seriös kann Ihnen das keiner sagen. Nach dem was man heute weiß, kosten Stuttgart 21 und die Neubaustrecke<br />
mindestens 10, eher 11 Milliarden; Stuttgart 21 allein dürfte 6 Milliarden kosten. Veranschlagt war dieses Projekt <strong>mit</strong><br />
3,1 Milliarden zuzüglich Kostensteigerungen durch Unvorhersehbares von 1,4 Milliarden. So kamen die bekannten<br />
4.5 Milliarden zusammen.<br />
Inzwischen werden die kalkulierbaren reinen Baukosten – ohne spätere Preissteigerungen! – <strong>mit</strong> 4,5 Milliarden<br />
genannt. Bei der ersten Planung, die ja Grundlage des Vertrags zwischen dem Land Baden-Württemberg und der<br />
Deutschen Bahn AG war, waren <strong>mit</strong> 1,4 Milliarden aber 47% zur Abdeckung von Preissteigerungen während der<br />
jahrelangen Bauzeit eingerechnet worden. Jetzt sind es 0%. Geht man von den 47% des Vertrags aus, müssten aber<br />
seriös gerechnet heute mindestens 2,1 Milliarden mehr für solche Preissteigerungen <strong>mit</strong> einberechnet werden. Also 4,5<br />
Milliarden heute fest kalkulierbar und 2,1 Milliarden – also zusammen nur für „Stuttgart 21“ – ohne die neue Strecke<br />
Stuttgart-Ulm ! – 6,6 Milliarden. Da kommen Sie nie und n<strong>im</strong>mer <strong>mit</strong> 10 Milliarden hin, wenn Sie die Strecke Ulm-<br />
Stuttgart noch <strong>mit</strong> einberechnen.<br />
Julian Aicher:<br />
Das mag ja alles richtig sein. Aber aus Ulm freuen sich doch viele darauf, <strong>mit</strong> der Neubaustrecke und „Stuttgart 21“<br />
eine halbe Stunde schneller in Ulm zu sein. Darf man ihnen das verübeln?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Nein, natürlich nicht. Würde man also für<br />
wenige hundert Millionen Euro die bestehende Strecke Stuttgart-Ulm sanieren und den Fahrplan ähnlich opt<strong>im</strong>ieren<br />
wie er um 1990 schon mal war, könnten Ulm in etwa 45 Minuten und München in weniger als 2 Stunden erreicht<br />
werden.<br />
Dabei muss erwähnt werden, das „Stuttgart 21“ laut SMA-Studie ja für manche Verbindungen Fahrtverlängerungen<br />
bringt.
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Die Strecke Stuttgart-Ulm könnte man übrigens ohne große Kosten sofort entlasten, würde man Teile des<br />
Güterverkehrs auf die Strecke über Nördlingen schicken. Die geht großenteils durch dünn besiedeltes Land.<br />
Julian Aicher:<br />
Wollen Sie da<strong>mit</strong> sagen, Ihre ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von der Deutschen Bahn können nicht rechnen?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Selbstverständlich kann die DB AG rechnen und tut das intensiv. Aber schauen Sie sich mal die Verträge an, die die<br />
Deutsche Bahn AG <strong>mit</strong> der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg gemacht hat. Da finden Sie nirgends<br />
eine Verpflichtung drin, dass die Deutsche Bahn AG „Stuttgart 21“ auch f e r t i g baut. B a u e n ja, aber f e r t i g b a<br />
u e n, nein. ‚Heißt: Das jetzt geplante Geld reicht voraussichtlich 5 Jahre – und dann stehen da Bauruinen. Dann<br />
müssen das<br />
Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart wieder Milliarden nachschießen.<br />
Der Bund hält sich da heraus: Der hat nur 560 Millionen fix zugesagt.<br />
Julian Aicher:<br />
Aber die Deutsche Bahn AG ist doch Bauherrin von „Stuttgart 21“?<br />
Julian Aicher:<br />
Glauben Sie das wirklich?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Die DB AG baut, finanziert aber Stuttgart 21 de facto nicht, verwendet nur Mittel von Stadt, Land und Bund. Weil<br />
derzeit keine Reserven <strong>im</strong> Budget ist, werden Stadt und Land in fünf, sechs Jahren noch ein bis zwei Milliarden Euro<br />
zusätzlich aufwenden müssen, um die Anlagen fertig stellen zu lassen.<br />
Die Deutsche Bahn AG darf aus eigenen Mitteln „Stuttgart 21“ ganz einfach deshalb nicht finanzieren, weil das<br />
Projekt betriebswirtschaftlich unwirtschaftlich ist.<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Das hat nichts <strong>mit</strong> glauben zu tun. Es gibt Streckenneubauten der Deutschen Bahn, zum Beispiel in Thüringen, da<br />
stehen Millionen teure Brücken in der Landschaft – ohne jeden Gleisanschluss. Seit Jahren. Das ist die Wirklichkeit.<br />
Die Bahn selbst braucht ja „Stuttgart 21“ und Stuttgart-Ulm neu gar nicht. Die kann ja auf den bestehenden Strecken<br />
weiterfahren.<br />
Julian Aicher:<br />
Warum macht die Deutsche Bahn AG überhaupt solche Projekte?
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<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Ganz einfach: weil die Deutsche Bahn AG eine Aktiengesellschaft ist. Und der Eigentümer, also die Bundesregierung,<br />
erwartet von der Deutschen Bahn AG Gewinne. Woher kommt ein Großteil dieser Gewinne? Nicht von den vielen<br />
Auslandsgeschäften oder von der weltweiten Logistik, die die Deutsche Bahn AG betreibt. Nein: Den größten Teil<br />
ihres Gewinns zieht die Deutsche Bahn AG aus Geschäftsfeldern, die weitgehend aus Steuergeldern finanziert werden.<br />
Bei Neubauvorhaben, die der Bund finanziert, darf sie 17% für Eigenleistungen einbehalten. Deshalb baut die Bahn<br />
lieber Großprojekte, anstatt sinnvolle Umbauten zu viel geringeren Kosten zu verwirklichen.<br />
Julian Aicher:<br />
Wie wirkt sich das auf das Land Baden-Württemberg insgesamt aus?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Auch da gebietet es sich, bereits bekannte Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Zum Beispiel die Folgen des Strecken-<br />
Neubaus <strong>Ing</strong>olstadt-Nürnberg. Diese Strecke hat viel Geld gekostet. Also ist ihre Benutzungsgebühr entsprechend<br />
teurer. Jedes Bundesland erhält einen gewissen Betrag, <strong>mit</strong> dem dieses bei Bahnanbietern wie der Deutschen Bahn AG<br />
Zugfahrten bestellen kann. Fahren Züge auf Strecken, die teurer sind, müssen entweder die Fahrpreise für die<br />
Endkunden – also uns alle, die <strong>mit</strong>fahren – erhöht werden, oder das jeweilige Bundesland muss mehr für jeden<br />
gefahrenen Zugkilometer bezahlen.<br />
Julian Aicher:<br />
Das heißt, sie meinen, wenn „Stuttgart 21“ und Stuttgart-Ulm mal neu gebaut sein würden, würden auf anderen<br />
Strecken <strong>im</strong> Land weniger Züge fahren.<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Genau. Das Land erhält fix vom Bund 700 Millionen Euro: Werden die Zugfahrten nach Stuttgart teurer, kann des<br />
Land weniger Zugkilometer bestellen.<br />
Julian Aicher:<br />
Herr <strong>Professor</strong>, wenn man Ihnen da so zuhört, wird’s einem Angst um die Finanzierung der Staatshaushalte. Dann liegt<br />
Griechenland vielleicht irgendwann doch nicht so weit weg, wie man sich’s zur Zeit wünscht.<br />
Aber wir Baden-Württemberger, wir zahlen doch ohnehin so viel in die Bundeskasse. Warum soll man sich da nicht<br />
mal was vom Bund zurückholen. Zum Beispiel jetzt für „Stuttgart 21“?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Weil der Bund sich vertraglich verpflichtet hat, nur 560 Millionen Euro zu „Stuttgart 21“ bei zu steuern. Mehr nicht,<br />
also nicht mal 10 Prozent heute bekannten Gesamtkosten von „Stuttgart 21“!<br />
Den überwiegenden Teil zahlt das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart. Das spüren letztlich alle, denn<br />
diese Milliarden müssen ja an anderer Stelle wieder eingespart werden.
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Julian Aicher:<br />
„Stuttgart 21“ also als Schwabenstreich, den zwar die Bevölkerung bitter bezahlen muss, während die heute und gestern<br />
verantwortlichen Politiker bei einer erhofften Fertigstellung in mehr als zehn Jahren längst in Ruhe ihre Pensionen<br />
kassieren und von aktueller Politik mehr oder weniger nichts mehr wissen möchten?<br />
Julian Aicher:<br />
Trotzdem die Frage: Wo bleibt das Positive?<br />
Stuttgart bekommt doch durch „Stuttgart 21“ 100 Hektar Bauland in bester Innenstadtlage?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Da<strong>mit</strong> wäre dann wohl zu rechnen.<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Eine schöne Illusion. Und eine teure, für die die Stadt Stuttgart <strong>im</strong> voraus schon mal ganze 450 Millionen Euro an die<br />
Deutsche Bahn AG gezahlt hat. Für was?<br />
Damals, als 1995 „Stuttgart 21“ geplant wurde und man viele Geleise in Tunnels verschwinden lassen wollte, da hat<br />
die Deutsche Bahn AG die Stadt Stuttgart offensichtlich nicht richtig informiert. Der „Wissenschaftliche Dienst“ des<br />
Deutschen Bundestags hat geprüft, ob die Gleisanlagen <strong>mit</strong> der Genehmigung bei Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs<br />
automatisch entwidmet, d.h. für andere Zwecke benutzt werden können.<br />
Ergebnis: Nein: Der Käufer muss das Gelände dieser Geleise weiter zum Bahnverkehr so lange nutzen lassen, bis die<br />
Stilllegung und Entwidmung genehmigt sind. Diese können nur ausgesprochen werden, wenn kein anderer Nutzer<br />
bereit ist, die Anlagen zu übernehmen und wenn langfristig kein Verkehrsbedarf zu erwarten ist.<br />
Julian Aicher:<br />
Aber es gab doch in den letzten Jahrzehnten viele Streckenstilllegungen?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Richtig. Aber nicht mehr seit der Bahnreform 1994. Zumindest dort nicht, wo irgend ein Anbieter sagt: „Ich nutze die<br />
Geleise für Bahnverkehr.“<br />
Dann muss ihm das gewährt werden. So steht’s <strong>im</strong> Gesetz. Und zwar aus gutem Grund. Stünde das so nicht <strong>im</strong> Gesetz,<br />
könnte die Deutsche Bahn AG zum Beispiel das Gelände des Münchner Hauptbahnhofs für Milliarden verkaufen und<br />
die Züge halt nur über Pasing und den Ostbahnhof fahren lassen.<br />
Julian Aicher:<br />
Gut – das verhindert das Gesetz, sagen Sie. Aber in Stuttgart hat doch die Deutsche Bahn AG der Stadt Stuttgart rund<br />
100 Hektar Gleisgelände verkauft?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Richtig. Aber erstens steht nicht in den Verträgen, wann die Deutsche Bahn AG das Gelände der Stadt Stuttgart
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überlässt.<br />
Und zweitens: Es hat sich bereits eine Gesellschaft gegründet, die die jetzt bestehenden Bahngleise in Stuttgart für<br />
Zugverkehr nutzen wollen. Folge: Die Gleise müssen bleiben.<br />
Und jetzt kommt der Clou: Da die bestehenden Anlagen weniger Nutzungsentgelte kosten als die neuen, wird auch<br />
jede Zugfahrt in den bestehenden Kopfbahnhof weniger kosten als die Fahrten in den Tiefbahnhof.<br />
Julian Aicher:<br />
Meinen Sie da<strong>mit</strong>, Herr <strong>Bodack</strong>, das die Grundstücke also für ein neues Innenstadtviertel gar nicht zur Verfügung<br />
stehen werden?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Zu einem großen Teil sicherlich nicht. Es sei denn, das neue Stadtviertel wird über die bestehenden Geleise gebaut,<br />
wie die Bahn-Büros über dem neuen Hauptbahnhof Berlin.<br />
Das könnte man bereits jetzt tun und die Bahnanlagen lassen wie sie sind!<br />
Julian Aicher:<br />
Sie, Herr <strong>Professor</strong> <strong>Bodack</strong>, lassen also kein gutes Haar an „Stuttgart 21“.<br />
Was wäre denn Ihr Gegenvorschlag:<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Wie bereits gesagt: Die bereits genehmigte Neubaustrecke entlang der Autobahn vom Flughafen Stuttgart nach<br />
Wendlingen für 200 Millionen Euro ohne ein einzigen Tunnel und die Rohrer Kurve für 50 Millionen Euro, die halte<br />
ich für sinnvoll und notwendig.<br />
Und dann kommt es darauf an, einen gut durchdachten Taktfahrplan zu entwickeln.<br />
Und zwar so einen wie in der Schweiz. In der Schweiz bekommen Sie zu jedem Zug an den Knotenbahnhöfen<br />
Anschluss.<br />
In Stuttgart und der Ballungs-Region läuft das <strong>mit</strong> der S-Bahn schon ganz gut. Da bekommen sie tagsüber alle<br />
Viertelstunde an die wichtigsten Orte. Bei Ihnen, Herr Aicher, in Leutkirch, bekommen Sie in eine Richtung<br />
bestenfalls einmal je Stunde irgendwohin und müssen oft sogar auf Anschlüsse unnötig warten. Wenn Sie bequem,<br />
sicher und schnell <strong>mit</strong> der Bahn vorankommen wollen, kommt es auch darauf an,wie lange sie am Umsteige-Bahnhof<br />
auf den nächsten Anschlusszug warten. Und genau dieses Problem löst „Stuttgart 21“ nicht.<br />
Julian Aicher:<br />
Haaalt, Herr <strong>Professor</strong> <strong>Bodack</strong> – Sie vergessen offenbar die Kosten, die das Land Baden-Württemberg unter anderem<br />
der Deutschen Bahn AG zurück erstatten muss, wenn „Stuttgart 21“ nun doch nicht gebaut werden würde. 1,5<br />
Milliarden Euro.<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Ob es wirklich 1,5 Milliarden Euro sind, ist sehr umstritten. Da werden zum Teil Äpfel <strong>mit</strong> Birnen. Zumindest hat das
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Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Baden-Württemberg berechnet, dass es statt 1,5 Milliarden nur 350 Millionen<br />
sind. Denn die wesentlichen Posten, die die Bahn da auflistet, haben <strong>mit</strong> „Stuttgart 21“ gar nichts zu tun oder sind gar<br />
keine Kosten, wie z.B. die Rückzahlung des Kaufpreises für die Grundstücke an die Stadt Stuttgart.<br />
Und dann gilt doch ganz klar: Lieber 350 Millionen zahlen als mehrere Milliarden und Steuer<strong>mit</strong>tel ausgeben für ein<br />
Großprojekt, dessen Nutzen für den Bahnverkehr und die Bahnkunden negativ sein werden.<br />
Julian Aicher:<br />
Verstehe ich Sie also richtig Herr <strong>Professor</strong> <strong>Bodack</strong>: Die Strecke Flughafen Stuttgart-Wendlingen und Rohrer Kurve für<br />
250 Millionen. Dann Ertüchtigung der vorhandenen Strecke Stuttgart-Ulm für verkürzte Fahrzeit und <strong>mit</strong> Schallschutz<br />
für etwa 700 Millionen Euro. Zusammen <strong>mit</strong> anderen Verbesserungen, vor allem neue Glashallen über den Bahnsteigen<br />
des Kopfbahnhofs kommt man auf 1,4 Milliarden Euro. Dann muss man die Ausstiegskosten für Stuttgart21<br />
dazurechnen: dann sind es 1,75 Milliarden statt voraussichtlich 11 für die jetzigen Pläne!<br />
Also nicht mal ein Sechstel von dem, was die Deutsche Bahn jetzt <strong>mit</strong> „Stuttgart 21“ und Ulm-Stuttgart neu verbauen<br />
will?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Genau so ist es: Dabei entstehen weit weniger Schäden für die Stadt und die Umwelt, die Leistungsfähigkeit wäre<br />
größer, die Anschlüsse besser… <strong>mit</strong> dem einzigen Nachteil einer etwas längeren Fahrzeit nach Ulm!<br />
Julian Aicher:<br />
Herr <strong>Professor</strong> <strong>Bodack</strong>. Ihre Äußerungen machen doch sehr nachdenklich.<br />
Nur: Was sagt eigentlich die Deutsche Bahn AG dazu?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Was ich Ihnen hier sage, habe ich Fachzeitschriften veröffentlicht und <strong>im</strong>mer wieder vorgetragen – auch <strong>im</strong> Beisein<br />
kompetenter Vertreter der DB. Ich habe bisher keinen Widerspruch erfahren.<br />
Julian Aicher:<br />
Herr <strong>Professor</strong> <strong>Bodack</strong>, Sie sind ja doch offenbar leidenschaftlich Eisenbahner. Was treibt Sie an, so massiv gegen ein<br />
Großprojekt auf zu treten, das von der Deutschen Bahn AG verwirklicht werden soll und an dem sie doch wohl auch<br />
gut verdient?<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Mir geht es um einen besseren Bahnverkehr aber gleichzeitig auch um unsere horrenden Staatsschulden. Je mehr sich<br />
der Staat – und hier vor allem das Land-Baden-Württemberg – in Großprojekte versteigt, die die Schulden erhöhen<br />
und dem Steuerzahler <strong>im</strong>mense Folgekosten bescheren, rückt der Tag näher, an dem der Staat seine Ausgaben nicht<br />
mehr bezahlen kann. Und da ich weiß, wie unsinnig „Stuttgart 21“ für den Steuerzahler und wie nachteilig es für die<br />
Bahnkunden wird, muss ich ihn warnen. Diese Verpflichtungen treibt mich an.
Interview <strong>mit</strong> <strong>Professor</strong> <strong>Dipl</strong>. <strong>Ing</strong>. <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong><br />
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Mit „Stuttgart 21“ steuern wir auf eine Katastrophe zu – auch weil die Risiken der gigantischen Baumaßnahmen<br />
unübersehbar sind und die exorbitanten Kosten dazu beitragen, die Staatshaushalte zu ruinieren.<br />
Julian Aicher:<br />
Herr <strong>Professor</strong> <strong>Bodack</strong>- danke für das hochinteressante Gespräch.<br />
<strong>Professor</strong> <strong>Karl</strong>-<strong>Dieter</strong> <strong>Bodack</strong>:<br />
Gerne.<br />
© Julian Aicher 2011<br />
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