Theorie - Sympathikus-Therapie
Theorie - Sympathikus-Therapie
Theorie - Sympathikus-Therapie
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Heesch / Steinrücken<br />
<strong>Sympathikus</strong>therapie<br />
Die Wirbelsäule im Zentrum der Medizin<br />
1. Auflage<br />
Mit 43 größtenteils farbigen Abbildungen<br />
2013<br />
Heestein Verlag
© 2013<br />
Dr. med. Dieter Heesch<br />
Dr. med. Heiner Steinrücken<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
1. Auflage<br />
ISBN 978-3-9816066-0-7<br />
Med. wiss. Leitung, Texte und Bilder:<br />
Dr. med. Dieter Heesch<br />
praxis@dheesch.de<br />
www.sympathikus-therapie.de<br />
www.sympathofit.de<br />
Dr. med. Heiner Steinrücken<br />
sympathikustherapie@gmail.com<br />
www.orthopaedie-im-holzhaus.de<br />
www.sympathikustherapie.de<br />
Konzeption, Textbearbeitung, Redaktion:<br />
Dr. med. Heiner Steinrücken<br />
Heestein Verlag Heidelberg<br />
Lektorat: Dr. med. Heiner Steinrücken, Rheurdt<br />
Covergestaltung: zebra-artdesign.de, Rheinberg<br />
Buchumschlag (Bildnachweis): © psdesign1, © cliparea.com (fotolia.com)<br />
Druck: Amazon<br />
Printed in Germany<br />
Hinweis des Verlags:<br />
Die fachlichen Inhalte in diesem Buch sind sorgfältig recherchiert und geprüft worden.<br />
Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autoren noch Verlag können für<br />
eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den hier erteilten praktischen Hinweisen<br />
resultieren, eine Haftung übernehmen. Der Inhalt ersetzt dem interessierten Laien den<br />
Besuch bei einem entsprechenden Facharzt oder Heilpraktiker nicht.
III<br />
Vorwort<br />
Dieses Buch stellt eine neue Methode zur <strong>Therapie</strong> akuter und chronischer Leiden<br />
vor, die schon seit Jahren erfolgreich eingesetzt wird. Wir nennen sie <strong>Sympathikus</strong>therapie,<br />
weil sie das vegetative Nervensystem beeinflusst. Im Zentrum steht zwar der<br />
<strong>Sympathikus</strong>, aber auch die Wirbelsäule.<br />
Die <strong>Therapie</strong> hat sich über viele Jahre ganz allmählich aus einem Konzept zu einem<br />
festen <strong>Therapie</strong>regime entwickelt. Sie ist inzwischen täglicher Bestandteil unserer praktischen<br />
Arbeit am Patienten geworden. Bei mindestens 50% von ihnen können wir die<br />
Beschwerden sofort beseitigen oder wesentlich bessern.<br />
Wir halten es für wichtig, unsere Erfahrungen mit anderen Therapeuten zu teilen<br />
und haben versucht, diese <strong>Therapie</strong> so darzustellen und an Beispielen zu erklären, dass<br />
Ärzte, Physiotherapeuten und Heilpraktiker sie auch ohne große manualtherapeutische<br />
Kenntnisse anwenden können. Die <strong>Sympathikus</strong>therapie kommt gleichzeitig dem<br />
Wunsch vieler Patienten entgegen, mit einer sanften Methode behandelt zu werden.<br />
Wir sind uns bewusst, dass die <strong>Sympathikus</strong>therapie bei weitem kein ausgereiftes<br />
System darstellt und es sicher noch vieler Korrekturen bedarf. Deswegen nutzen wir die<br />
Möglichkeiten moderner Kommunikationsformen und veröffentlichen unser Werk auch<br />
im Internet unter sympathikustherapie.de (Steinrücken) und sympathikus-therapie.de<br />
(Heesch), um einen regen Informationsaustausch zur Optimierung dieser neuen <strong>Therapie</strong><br />
zu ermöglichen.<br />
Ein solches Werk neben der täglichen Praxis zu schaffen, wäre für uns ohne fremde<br />
Hilfe in der vorgegebenen Zeit nicht möglich gewesen. Wir bedanken uns deshalb sehr<br />
herzlich bei allen, die uns auf grammatikalische Fehler und stilistische Schwachstellen<br />
hinwiesen, insbesondere Christa Liekmann, Irmi Steinrücken, Cornelia Baumann, Cornelia<br />
Meins, Harald Padelt und Ernst Schaack. Für die fachliche Kritik bedanken wir uns bei<br />
Dr. Gernot Plato. Außerdem sind wir Herrn Preller sehr verbunden, der die Filme für<br />
YouTube drehte, und Susanne Köhler, die bei der Erstellung der Videos der Rippenbewegung<br />
half. Ein ganz besonderer Dank geht noch an Birgit Sauter für die Umschlaggestaltung<br />
und die wertvollen Tipps sowie an die vielen „Models“ und PatientInnen, die<br />
sich von uns für das Buch fotografieren ließen.
IV<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort........................................................................................................................................................... III<br />
Einleitung........................................................................................................................................................ 1<br />
<strong>Theorie</strong> ............................................................................................................................................................ 5<br />
Modell der vertebro-vegetativen Koppelung.............................................................................5<br />
Allgemeine Vorbemerkungen.....................................................................................................5<br />
Mechanik............................................................................................................................................ 7<br />
Verschlechterung in Ruhe............................................................................................................9<br />
<strong>Sympathikus</strong> ......................................................................................................................................... 10<br />
Funktion........................................................................................................................................... 10<br />
Efferenz und Minor Sudeck ......................................................................................................11<br />
Afferenz (direkter Schmerz und Parästhesien)...................................................................12<br />
Schmerz- und Krankheitsentstehung....................................................................................13<br />
Indirekte Schmerzentstehung............................................................................................13<br />
Schwellentheorie.................................................................................................................... 13<br />
Dauerschmerzen..................................................................................................................... 15<br />
Kribbelgefühle (Kribbelparästhesien)..............................................................................15<br />
Schlussfolgerungen............................................................................................................................ 16<br />
Auswirkungen von Wirbelsäulenblockierungen ...............................................................16<br />
Konsequenzen................................................................................................................................ 17<br />
<strong>Therapie</strong>........................................................................................................................................................ 19<br />
Allgemeines........................................................................................................................................... 19<br />
Behandlungsprinzip..................................................................................................................... 20<br />
Hausärztliche Kassenpraxis.......................................................................................................21<br />
Ärztliche Privatpraxis................................................................................................................... 22<br />
Heilpraktiker................................................................................................................................... 22<br />
Physiotherapeutische Praxis......................................................................................................22<br />
Diagnostisches und therapeutisches Werkzeug......................................................................23<br />
Untersuchungs- und Behandlungstechniken............................................................................25<br />
Orientierung................................................................................................................................... 25<br />
Punktsuche und Punktbehandlung........................................................................................26<br />
Mikropressur................................................................................................................................... 27<br />
Tenderpoints als Folge von Blockierungen...................................................................28<br />
Tenderpoints als Folge muskulärer Verspannungen.................................................29<br />
Technik der Mikropressur....................................................................................................30<br />
Mikrosysteme........................................................................................................................... 31
V<br />
Setzen von Akupunktur-Dauernadeln (Akuperm)............................................................32<br />
Akuperm in der Sportmedizin...........................................................................................32<br />
Dorn-<strong>Therapie</strong>................................................................................................................................ 32<br />
Stellungsdiagnostik am Becken nach Dorn..................................................................34<br />
Stellungsdiagnostik der Iliosakralgelenke in Rückenlage........................................35<br />
<strong>Therapie</strong> des Iliosakralgelenkes........................................................................................35<br />
Chirotherapie.................................................................................................................................. 36<br />
„Manufit“-Methode nach Dr. Hack.........................................................................................36<br />
Fernpunkte in Mikrosystemen..................................................................................................36<br />
<strong>Therapie</strong>hindernisse........................................................................................................................... 38<br />
Synoptische Handlungsanleitung..................................................................................................39<br />
Krankheitsbilder - praktisches Vorgehen..........................................................................................41<br />
Allgemeine Vorgehensweise am Beispiel der Migräne.........................................................41<br />
Anamnese........................................................................................................................................ 41<br />
Untersuchung ................................................................................................................................ 41<br />
Prüfung bei Rotation des Kopfes............................................................................................41<br />
Behandlung..................................................................................................................................... 42<br />
Suche nach Tenderpoints....................................................................................................42<br />
Chirotherapie........................................................................................................................... 43<br />
Wiedereinbestellung.............................................................................................................43<br />
Ausbleibende Besserung.....................................................................................................44<br />
Validierung der therapeutischen Ergebnisse ..............................................................44<br />
Vorgehen bei Schulterschmerzen rechts....................................................................................45<br />
Restless-Legs-Syndrom und Wadenkrämpfe............................................................................46<br />
Spezielle Vorgehensweise ...............................................................................................................47<br />
Schmerzsyndrome am Kopf......................................................................................................47<br />
Weitere Syndrome am Kopf......................................................................................................48<br />
Heberdenarthrose, Handekzem, Parästhesie der Finger................................................48<br />
Schmerzen am Daumensattelgelenk, Karpaltunnelsyndrom........................................50<br />
Tennisellenbogen und Golferellenbogen............................................................................50<br />
Asthma und Reizhusten..............................................................................................................51<br />
Kribbelparästhesien am Unterarm..........................................................................................51<br />
Herzrhythmusstörungen in Ruhe............................................................................................52<br />
Gallenbeschwerden, Gallensteine...........................................................................................52<br />
Schulterschmerzen.......................................................................................................................52<br />
Schultereckgelenkschmerzen...................................................................................................53<br />
Sodbrennen in Ruhe, morgendliche Magenbeschwerden............................................53<br />
Reizdarmsyndrom.........................................................................................................................54<br />
Verspannungen am M. trapezius, pars transversa............................................................55<br />
Fersenschmerz, Schmerzen bei Fersensporn......................................................................56
VI<br />
Sprunggelenksbeschwerden, Achillodynie..........................................................................57<br />
Kniegelenkschmerzen................................................................................................................. 57<br />
Wadenkrämpfe, Restless-Legs-Syndrom.............................................................................57<br />
Hüftgelenkschmerzen, seitlicher Hüftschmerz...................................................................58<br />
Schmerzen im Beckenbereich..................................................................................................59<br />
Fallbeispiele................................................................................................................................................. 61<br />
Erkrankungen und Beschwerden am Kopf.................................................................................61<br />
Entzündung an der Unterlippe................................................................................................61<br />
Lippenherpes.................................................................................................................................. 62<br />
Idiopathische Fazialisparese.....................................................................................................62<br />
Trockenes Auge............................................................................................................................. 62<br />
Heiserkeit (und Störfeldgeschehen).......................................................................................62<br />
Trigeminusneuralgie nach Herpes..........................................................................................63<br />
Post-Zoster-Neuralgie mit Fazialis- und Abduzensparese............................................64<br />
Parästhesien.................................................................................................................................... 66<br />
Cluster-Kopfschmerz (1).............................................................................................................66<br />
Cluster-Kopfschmerz (2).............................................................................................................66<br />
Beschwerden an Schulter und Arm...............................................................................................67<br />
Schulterschmerzen ...................................................................................................................... 67<br />
Schulterschmerzen bei Zahnproblemen (Störfeldgeschehen).....................................67<br />
Kalkschulter..................................................................................................................................... 68<br />
Herpes am Arm.............................................................................................................................. 69<br />
Tennisellenbogen (Epicondylitis)............................................................................................69<br />
Tennisellenbogen (Störfeldgeschehen)................................................................................69<br />
Rhizarthrose.................................................................................................................................... 70<br />
Heberdenarthrose (1).................................................................................................................. 70<br />
Heberdenarthrose (2).................................................................................................................. 70<br />
Morbus Sudeck (1)....................................................................................................................... 71<br />
Morbus Sudeck (2)....................................................................................................................... 72<br />
Nacken-Schulter-Arm-Schmerzen..........................................................................................72<br />
Ganglion am Mittelfinger...........................................................................................................72<br />
Erkrankungen und Beschwerden am Rumpf.............................................................................73<br />
Herzrhythmusstörungen............................................................................................................73<br />
Asthma ............................................................................................................................................. 73<br />
Reizhusten ...................................................................................................................................... 73<br />
Hyperhidrosis................................................................................................................................. 74<br />
Cholelithiasis................................................................................................................................... 74<br />
Magenbeschwerden ...................................................................................................................74<br />
Lichen amyloidosus...................................................................................................................... 74<br />
Reizdarm.......................................................................................................................................... 75<br />
Erkrankungen an der Wirbelsäule.................................................................................................76
VII<br />
Berührungsschmerz an der Halswirbelsäule.......................................................................76<br />
Schmerzen nach Versteifungsoperation an der Lendenwirbelsäule..........................76<br />
Unspezifisches Lumbalsyndrom..............................................................................................77<br />
Beschwerden an Becken und Bein................................................................................................77<br />
Gesäßschmerzen........................................................................................................................... 77<br />
Hodenschmerzen.......................................................................................................................... 77<br />
Kreuz- und Beinschmerzen nach Operation.......................................................................78<br />
Hüftschmerzen mit „verdrehtem“ Bein.................................................................................78<br />
Kniegelenkschmerzen mit Knacken bei Bewegung..........................................................79<br />
Kniegelenkschmerzen im Liegen.............................................................................................79<br />
Kniegelenkschmerzen unklarer Genese................................................................................80<br />
<strong>Therapie</strong>resistente Sprunggelenksverletzung....................................................................80<br />
Knöchelödem................................................................................................................................. 80<br />
Hauterkrankungen.............................................................................................................................. 81<br />
Pustulosis palmoplantaris..........................................................................................................81<br />
chronisches Handekzem (1)......................................................................................................81<br />
chronisches Handekzem (2)......................................................................................................82<br />
Fußekzem, chronisch .................................................................................................................. 83<br />
Unterschenkelekzem...................................................................................................................84<br />
Bakerzyste ...................................................................................................................................... 85<br />
Spreizfußbeschwerden ...............................................................................................................85<br />
Morton-Tarsalgie..........................................................................................................................86<br />
Achillodynie.................................................................................................................................... 86<br />
Periostalgie an beiden Füßen...................................................................................................86<br />
Chronische Schmerzsyndrome.......................................................................................................87<br />
Chronische Beinschmerzen beim Kind..................................................................................87<br />
Chronische Kreuzschmerzen.....................................................................................................87<br />
Dauerschmerzen in der Schulter.............................................................................................88<br />
Dauerschmerzen im Oberarm .................................................................................................88<br />
Schlussbetrachtungen ............................................................................................................................ 89<br />
Autoren.......................................................................................................................................................... 92<br />
Dr. med. Dieter Heesch..................................................................................................................... 92<br />
Dr. med. Heiner Steinrücken...........................................................................................................93<br />
Literaturverzeichnis................................................................................................................................... 96
VIII
IX<br />
Marcel Proust:<br />
Die besten Entdeckungen macht man<br />
nicht in fremden Ländern, sondern<br />
indem man die Welt mit anderen<br />
Augen betrachtet.
X<br />
Erklärungen<br />
Zur besseren Übersicht wurde Text farbig gestaltet.<br />
• Blau sind die Bezüge zum Internet markiert.<br />
• Rote Textstellen bedeuten, dass es hierzu Videos bei Youtube gibt (dort Suche<br />
nach <strong>Sympathikus</strong>therapie).<br />
• Grün bedeutet, dass hierzu Literatur existiert.<br />
• Wichtige Textpassagen sind in farblich gekennzeichneten Boxen untergebracht.<br />
Die meisten lateinischen Begriffe wurden zusätzlich ins Deutsche übersetzt, so dass das<br />
Buch auch für Laien verständlich sein wird.
1<br />
Einleitung<br />
Der <strong>Sympathikus</strong> als wesentlicher Teil des vegetativen Nervensystems spielt in der<br />
Medizin noch eine untergeordnete Rolle. Der Grund dafür ist, dass <strong>Sympathikus</strong> bedingte<br />
Erkrankungen wenig bekannt sind und es bisher außer der Neuraltherapie kaum<br />
eine effektive Behandlungsmethode gibt. Wir betreten damit fast Neuland.<br />
Die <strong>Sympathikus</strong>therapie beschreibt Kombinationen von Reflextherapie und sanften<br />
Formen der Chirotherapie, die sanft, ungefährlich und leicht zu erlernen sind. Die Anamnese<br />
kann zunächst auf zwei Fragen reduziert werden. Werden diese Fragen bejaht,<br />
kann direkt mit der Diagnostik in einem eingegrenzten engen Areal begonnen werden.<br />
Wesentlich ist hierbei die Suche nach Blockierungen und das Auffinden eines (oder<br />
mehrerer) Tenderpoints. Die <strong>Therapie</strong> ergibt sich unvermittelt aus der Diagnostik und<br />
kann sofort angewandt werden. In vielen Fällen stellt sich ein sofortiger Erfolg ein.<br />
Für viele Fachrichtungen, insbesondere auch für die Orthopädie, könnte diese <strong>Therapie</strong><br />
eine wesentliche Bereicherung bedeuten, da Orthopäden, neben dem Hausarzt,<br />
am häufigsten von Patienten mit vegetativ verursachten Krankheitsbildern aufgesucht<br />
werden. Hals- und Lendenwirbelsäule – in der Orthopädie die bevorzugten Behandlungsobjekte<br />
– sind für die <strong>Sympathikus</strong>therapie allerdings nicht wichtig. Wie aus den<br />
späteren Ausführungen hervorgehen wird, hat das sogenannte „Cervicobrachialsyndrom“<br />
eher selten etwas mit der Halswirbelsäule zu tun. Überwiegend erübrigt sich, zumindest<br />
zu Anfang, die bisher von Seiten der Patienten gewünschte und von manchen<br />
Therapeuten forcierte Imagomanie; damit ist die Überzeugung gemeint, ausschließlich<br />
Röntgenuntersuchung, Computertomografie und Magnetresonanztomografie könnten<br />
Wesentliches über Pathomechanismen des muskuloskeletalen Systems aussagen. Vielmehr<br />
sind wir der Überzeugung, dass nicht statische, sondern funktionelle Befunde<br />
wichtige Hinweise zur Genese einer Erkrankung liefern.<br />
Mit der <strong>Sympathikus</strong>therapie werden vor allem Kopfgelenke, Brustwirbelsäule und<br />
Iliosakralgelenke sowie schmerzhafte Hautpunkte behandelt. Hierbei kann auf bildgebende<br />
Verfahren zunächst verzichtet werden, vorausgesetzt, man erhebt eine für “sympathisch”<br />
ausgelöste Beschwerden typische Anamnese. Die mit der <strong>Sympathikus</strong>therapie<br />
behandelten pathologischen Substrate sind ausschließlich Blockierungen 1 , die<br />
1 Blockierung wird hier verstanden als eine reversible Störung des physiologischen<br />
Gelenkspiels.
2<br />
durch bildgebende Verfahren kaum erfassbar sind. Die Diagnostik der Blockierung ist<br />
vielmehr eine Domäne der Palpation und der Funktionsprüfung. Sie wird also mit der<br />
Hand (chiral) durchgeführt. Damit sind Diagnostik und <strong>Therapie</strong> (Chirotherapie) unmittelbar<br />
in einer Hand.<br />
In einer Zeit, in der die Ärzte ihre Patienten aus Angst, etwas zu übersehen, zu anderen<br />
Fachrichtungen (insbesondere Radiologen) weiterleiten, könnte das Wissen um die<br />
Krankheitsbilder des <strong>Sympathikus</strong> zu einem Umdenken in der Medizin anregen. Hier<br />
wird ein Weg von statischen Befunden wie Bandscheibenvorfall und Spondylarthrose<br />
(Verschleiß der Wirbelgelenke) hin zur Diagnostik und <strong>Therapie</strong> von Funktionsstörungen<br />
aufgezeigt. Denn nicht selten werden nach der Durchführung bildgebender Verfahren<br />
Erkrankungen behandelt, die nichts mit den geklagten Beschwerden der Patienten<br />
zu tun haben.<br />
Wird die eigentliche Ursache der Schmerzen nicht behandelt, droht eine Chronifizierung<br />
bis hin zur „Schmerzkrankheit“. Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges<br />
Krankheitsbild, bei dem der Körper mit nachgewiesenen Veränderungen der Neurotransmitter,<br />
des Zellaufbaus, Zellstoffwechsels und mehr reagiert. Im weiteren Verlauf<br />
kommt es zu Umbauvorgängen im kollagenen Bindegewebe und zu einem nicht immer<br />
reversiblen Umbau von phasischen in tonische Muskelfasern. Doch auch in dieser Phase<br />
kann der Schmerz mit der <strong>Sympathikus</strong>therapie gemildert oder sogar beseitigt werden,<br />
wie uns viele Fallbeispiele gezeigt haben. Inwieweit sich die Veränderungen im<br />
Körper wieder zurückbilden, wird die Zukunft zeigen, Forschungen dazu gibt es bisher<br />
noch nicht.<br />
Alle vertebragenen Erkrankungen waren bisher mit dem somatischen Nervensystem<br />
und durch Rückkoppelungsmechanismen mit dem Zentralnervensystem erklärt worden.<br />
Unseren Vorstellungen nach hat die Wirbelsäule jedoch einen sehr viel größeren Einfluss<br />
auf das vegetative Nervensystem, speziell den <strong>Sympathikus</strong>. Der <strong>Sympathikus</strong><br />
steuert alle vegetativen Vorgänge, hat aber auch Kontakt zu den Rezeptoren des somatischen<br />
Nervensystems und kann diese direkt beeinflussen.<br />
Die Irritation des <strong>Sympathikus</strong> kann unterschwellig bleiben und erst dann eine klinische<br />
Relevanz bekommen, wenn ein neuer Faktor dazu kommt, z.B. ein Trauma. Diese<br />
Verletzung kann jetzt chronifizieren, die normale Heilung wird verzögert oder sogar negativ<br />
beeinflusst. Die Folgen sind überschießende vegetative Zeichen mit Schwitzen,<br />
Bindegewebsschwellung, Wassereinlagerung, Überwärmung und Überempfindlichkeit<br />
in unterschiedlicher Ausprägung. Unbehandelt führt die <strong>Sympathikus</strong>-Störung nicht<br />
selten zu einem chronischen Schulter-Arm-Syndrom, einem Morbus Sudeck oder anderen<br />
chronischen Leiden.<br />
Wir glauben inzwischen, dass in dieser Irritation überhaupt die Ursache dafür zu sehen<br />
ist, dass aus einer akuten Verletzung ein chronisches Geschehen wird. Da der Kranke<br />
den Therapeuten überwiegend wegen des chronischen Verlaufs aufsucht, kümmern<br />
wir uns primär um die Ursache der Chronifizierung. Das heißt, dass zuerst die Sympa-
3<br />
thikusirritation behoben wird, was im Allgemeinen recht einfach ist. Wenn die Behandlung<br />
kein zufriedenstellendes Ergebnis bringt, werden wir am Ort der Verletzung tätig.<br />
Der Patienten ist oft irritiert, dass wir nicht direkt dort mit der <strong>Therapie</strong> beginnen, wo er<br />
seinen Schmerz verspürt, aber schnell beruhigt, wenn er eine rasche Linderung seines<br />
Leidens feststellen kann. Natürlich entbindet diese Vorgehensweise nicht von der Verpflichtung<br />
zu einer sorgfältigen Anamnese und Untersuchung.<br />
Eine chronische Dysfunktion des <strong>Sympathikus</strong> kann aber auch zu weiteren pathologischen<br />
Veränderungen führen: Tachykarde Herzrhythmusstörungen, Gallenwegsdyskinesien<br />
bis hin zu Gallensteinen, auch Störungen der Funktion von Spinkteren (Refluxösophagitis).<br />
Eine durch einen erhöhten Sympathikotonus erzeugte dystrophische Störung<br />
in dem von ihm versorgten Gebiet kann den Ausbruch anderer Erkrankungen an<br />
diesem Ort auslösen, wie zum Beispiel Restless-Legs-Syndrom, Wadenkrämpfe, chronische<br />
Ekzeme, Pustulosis palmoplantaris, die idiopathische Fazialisparese oder einen rezidivierenden<br />
Herpes. Durch die <strong>Sympathikus</strong>therapie können die Symptome oft innerhalb<br />
weniger Tage verschwinden.<br />
Ein wesentlicher Vorteil der <strong>Sympathikus</strong>therapie ist, dass das Ergebnis der Behandlung<br />
sofort geprüft werden kann – vorausgesetzt, der Patient leidet aktuell unter entsprechenden<br />
Beschwerden. In vielen Fällen stehen die Patienten von der Behandlungsliege<br />
auf und melden sofortige Beschwerdefreiheit, auch wenn sie vorher durch die<br />
Schmerzen lange Zeit stark beeinträchtigt waren. Erst bei einem ausbleibenden Erfolg<br />
muss nach anderen Ursachen gefahndet werden.<br />
Im Gegensatz zur Apparatemedizin kann die <strong>Sympathikus</strong>therapie mit geringstem<br />
Aufwand durchgeführt werden, da sie als diagnostische und therapeutische Mittel nur<br />
Finger, Suchstifte und winzige Dauernadeln benötigt. Dennoch sind nach unserer Erfahrung<br />
damit viele Krankheitsbilder (z.B. Cluster-Kopfschmerzen, Post-Zoster-Neuralgien<br />
oder Reizdarmbeschwerden) wesentlich zu bessern oder gar zu beseitigen.
5<br />
<strong>Theorie</strong><br />
Modell der vertebro-vegetativen Koppelung<br />
Allgemeine Vorbemerkungen<br />
Manualtherapeuten machen oft die Erfahrung, dass nach einer erfolgreichen Manipulation<br />
an der Wirbelsäule internistische Erkrankungen gelindert werden. Aber auch<br />
regelmäßig auftretende Wirbelblockierungen in definierten Segmenten waren bei bestimmten<br />
internistischen Grunderkrankungen anzutreffen.<br />
Auffällig ist nun, dass der Versuch, die genannten Erfahrungen in Kartografien zu<br />
systematisieren, je nach Schule zum Teil sehr genaue Übereinstimmungen und dann<br />
aber auch wieder sehr differente Zuordnungen erbringt. Lassen sich Erfahrungen nicht<br />
deckungsgleich reproduzieren, hat ihre Vermittlung wenig Sinn und vermindert ihre<br />
Glaubwürdigkeit.<br />
Der Autor Heesch entwickelte bereits in den 80er Jahren eine eigene Kartografie, die<br />
jedoch nur für die Extremitäten anwendbar ist. Ihren Ursprung fand diese in der Feststellung,<br />
dass immer eine ipsilaterale Iliosakralgelenksblockierung vorlag, wenn der Patient<br />
morgens mit einem einseitigen Schmerz im Bereich des Gesäßes oder entlang des<br />
„Generalstreifens“ an der Außenseite des Beins erwachte. Diese einseitigen morgendlichen<br />
Schmerzen waren derart pathognomonisch 2 für die schmerzhafte Iliosakralgelenksblockierung,<br />
dass zur Differentialdiagnose des einseitigen Kreuzschmerzes immer<br />
sofort die Frage nach der nächtlichen Verschlechterung gestellt wurde. Wurde diese<br />
bejaht, war fast ausnahmslos das Iliosakralgelenk zu behandeln und der Schmerz sicher<br />
zu lindern.<br />
Da auch das Schulter-Arm-Syndrom sowie das Karpaltunnelsyndrom eine Verschlechterung<br />
besonders in der Nacht erfuhr, war auch hier eine Wirbelgelenksblockie-<br />
2 krankheitskennzeichnend, bezeichnet in der Medizin ein Symptom, das bereits für sich<br />
alleine genommen ausreicht, um eine sichere Diagnose zu stellen.
6<br />
rung zu vermuten. Die fand sich auch regelmäßig beim Karpaltunnelsyndrom bei Th2,<br />
beim Schulter-Arm-Syndrom bei Th5 und immer ipsilateral.<br />
Es folgte dann eine Überprüfung der Zusammenhänge anderer chronischer Syndrome<br />
der Extremitäten. Diese wurden auch gefunden und folgende Kartografie erstellt:<br />
Abbildung 1: Erste Kartografie der<br />
Brustwirbelsäule<br />
Abbildung 2: Erste Kartografie des<br />
Kreuzbeins<br />
Von dieser Kartografie gab es seit ihrer Entdeckung so gut wie nie eine Abweichung,<br />
d.h. in 26 Jahren fünf Ausnahmen bei vielen tausend chirotherapeutisch behandelten<br />
Patienten.<br />
Auffällig war, dass die obigen Syndrome nur über die Brustwirbelsäule und das Iliosakralgelenk<br />
zu behandeln waren. An Hals- und Lendenwirbelsäule konnte nie die oben<br />
beschriebene konstante Zuordnung einer Wirbelgelenksblockierung gefunden worden.<br />
Es wurden besonders an der Halswirbelsäule immer wieder Blockierungen mit wechselnder<br />
Lokalisation gefunden. Die chirotherapeutische Lösung dieser Blockierung erbrachte<br />
jedoch nicht die sofortige, mindestens aber eine 40-prozentige Erleichterung,<br />
die zum Beispiel durch das Lösen der Blockierung von Th5 bei Schulterschmerzen<br />
(Omarthralgie) zu erzielen ist.<br />
Diese Erfahrungen waren zwar generell wiederholbar, blieben jedoch mangels Erklärbarkeit<br />
durch einen Pathomechanismus anekdotisch und damit im Bereich der Erfahrungsheilkunde.<br />
Ein Blick in den Anatomieatlas Mitte der 90-er Jahre brachte dann<br />
endlich den Durchbruch. Wir kannten zwar den Grenzstrang als der Wirbelsäule ventral<br />
und mit seinen Ganglien direkt den Rippenköpfen aufliegend, die Bedeutung einer<br />
möglichen Irritation durch die Rippe war jedoch unbekannt und wurde uns erst durch<br />
das Verständnis manualtherapeutischer Zusammenhänge bewusst. Eine Skizze zur Dar-
7<br />
stellung der anatomischen Verhältnisse finden Sie auf der Webseite<br />
http://sympathikus-therapie.de in dem Artikel „Die Manualtherapeutische Behandlung<br />
von Zoster und Post-Zoster-Neuralgie“.<br />
Wichtig: Es ist zwischen Blockierung ohne und mit peripherer chronischer Symptomatik<br />
zu unterscheiden. Hier steht ein blockierungsbedingtes Krankheitsbild, das seine<br />
Symptomatik mit Schmerz überwiegend bei Bewegung auslöst. Es generiert jedoch keine<br />
chronischen peripheren Syndrome. Dazu gehören auch Symptome, die sich in Ruhe<br />
nicht bessern, sondern konstant bleiben. Hier seien beispielhaft die periostalen Irritationen<br />
genannt, die durch einen dauerhaften Muskelzug zwischen zwei Rippen verursacht<br />
werden. Diese wird fälschlicherweise als “Interkostalneuralgie” bezeichnet. Eine Reposition<br />
der durch eine Wirbelfehlstellung kranialisierten oder kaudalisierten Rippe bringt<br />
die “Neuralgie” rasch zum Verschwinden. Die Blockierung mit peripherer Symptomatik<br />
ist das Thema der <strong>Sympathikus</strong>therapie und die Mechanik wird im folgenden Kapitel<br />
dargestellt.<br />
Mechanik<br />
Schon bei einer geringen Rotationsblockierung eines Wirbels im Bereich der Brustwirbelsäule<br />
(hier beispielhaft die Rotation des Dornfortsatzes nach rechts) wird die<br />
rechte Rippe durch die erhebliche Hebelwirkung des Querfortsatzes kranialisiert, die<br />
linksseitige kaudalisiert. Dabei wird der Rippenkopf auf der linken Seite retrahiert (nach<br />
hinten gezogen) und in das Gelenk gepresst. Der Kopf der rechten kranialisierten Rippe<br />
wird ventralisiert (nach vorne geschoben) und tendenziell aus seinem Gelenk luxiert<br />
(herausgehebelt). Dazu gibt es Videos bei YouTube 3 .<br />
Eine Schwellung der Gelenkkapsel ist aus anatomischen Gründen in der Tiefe nicht<br />
palpabel, jedoch in Analogie zur Schwellung des perikapsulären Bindegewebes bei Blockierungen<br />
der kleinen Wirbelgelenke auch hier anzunehmen. Eine Bedrängung der davor<br />
liegenden Strukturen durch den Rippenkopf ist dabei sehr wahrscheinlich. Direkt<br />
vor dem Rippenkopf liegt das Grenzstrang-Ganglion des <strong>Sympathikus</strong> (siehe Abbildung<br />
3 Seite 8), das durch die Membrana vertebralis auf der Wirbelsäule fixiert wird und deswegen<br />
der Bedrängung nicht ausweichen kann.<br />
3 Zu mehreren Behandlungstechniken gibt es Videos bei www.youtube.com, die man dort mit<br />
der Suche nach „<strong>Sympathikus</strong>therapie“ leicht finden kann.
8<br />
Abbildung 3: Darstellung des Grenzstrangs nach Entfernung der Membrana vertebralis<br />
(aus Sobotta: Atlas der Anatomie des Menschen, Band 2, Abdruck mit freundlicher<br />
Genehmigung des Elsevier Verlags)
9<br />
Aus diesen Erkenntnissen der Rippenmechanik bei Blockierungen im Bereich der<br />
Brustwirbelsäule ist das Modell der vertebro-vegetativen Koppelung entstanden. Es hypothetisiert<br />
die chronische Irritation eines sympathischen Grenzstrang-Ganglions durch<br />
eine im Rahmen der oben beschriebenen Rotationsblockierung entstandene dauerhafte<br />
tendenzielle Subluxation des zugehörigen Rippenkopfes – analog der Einwirkung eines<br />
Bandscheibenprolapses auf das somatische Nervensystem.<br />
Diese Mechanik ist im Bereich der Brustwirbelsäule leicht verständlich, im Bereich<br />
anderer Wirbelsäulensegmente ist sie jedoch nicht zu erkennen. Wir verwenden deshalb<br />
für diese Regionen den Begriff “rippenanaloge Strukturen”. Beim Kopfgelenk waren<br />
wir nicht in der Lage, den Mechanismus des Modells der vertebro-vegetativen Koppelung<br />
nachzuvollziehen, da in den Lehrbüchern keine Darstellung des <strong>Sympathikus</strong> zu<br />
finden ist, aus denen sich eine mögliche Bedrängung durch die Occiputkondylen ergibt.<br />
Gleiches gilt für das Iliosakralgelenk, an dem das Os ilium zwar ebenfalls eine rippenanaloge<br />
Struktur darstellt, aber der Grenzstrang nicht direkt über dem Gelenk lokalisiert<br />
ist und damit von einer Schwellung der Gelenkkapsel nicht bedrängt werden<br />
kann. Eine Irritation des Grenzstrangs wäre nur über eine Verspannung von Bandstrukturen<br />
durch eine Beckenverwringung vorstellbar.<br />
Dennoch haben wir im Verlauf der letzten 25 Jahre festgestellt, dass die Anwendung<br />
des Modells der vertebro-vegetativen Koppelung im Bereich von Kopfgelenk und Iliosakralgelenk<br />
genauso zuverlässig ist wie an der Brustwirbelsäule. Besonders die Lokalisation<br />
des Zosters 4 , der durch eine Irritation des Grenzstrangs entsteht und hervorragend<br />
mit der <strong>Sympathikus</strong>therapie behandelbar ist, unterstützt folgende Hypothese:<br />
Nur Abschnitte der Wirbelsäule mit Rippen und/oder rippenanalogen Strukturen wie<br />
Kopfgelenke und Os sacrum können den Grenzstrang bedrängen und regionale sympathogene<br />
Erkrankungen verursachen. 5<br />
Das Modell der vertebro-vegetativen Koppelung wird also auf Kopfgelenk und Iliosakralgelenk<br />
nur im Rahmen eines Analogieschlusses angewendet, weist jedoch auch<br />
hier dieselbe Realitätstüchtigkeit auf wie im Bereich der Brustwirbelsäule.<br />
Verschlechterung in Ruhe<br />
Schon vor 25 Jahren war in der Anamnese die wichtigste, da immer zielführende<br />
Frage: „Verschlechterung in Ruhe?“ Wurde sie bejaht, lag sehr sicher die Blockierung eines<br />
Gelenkes mit <strong>Sympathikus</strong>irritation vor. Wir haben auch hier aus einem Analogieschluss<br />
eine Modellvorstellung erarbeitet, die neurophysiologisch bisher nicht untersucht<br />
und deshalb nicht abgesichert werden konnte.<br />
4 Die Effloreszenzen sind fast ausnahmslos im Bereich des Kopfes, des Thorax, der Arme, des<br />
Beckens und der Beine zu finden.<br />
5 Bis auf zwei Ausnahmen waren bei mittlerweile über 250 Fällen nie Blockierungen der Halsund<br />
Lendenwirbelsäule die Ursache des Zosters.
10<br />
Nehmen wir als Beispiel Herzrhythmusstörungen, die nur in Ruhe entstehen. Der Patient<br />
klagt besonders über eine Zunahme der Störungen im Sitzen oder im Bett (wenn<br />
ein EKG geschrieben wird, ist der Patient aufgeregt oder zumindest angespannt und<br />
das EKG ist unauffällig). Hier entsteht die Symptomatik über eine dauerhafte Bedrängung<br />
des Grenzstrangs durch den Rippenkopf der vierten Rippe links. Tagsüber werden<br />
die Rippengelenke immer wieder durch wechselnde Atmung und Rotationen in der<br />
Wirbelsäule bewegt. In dieser Situation ist der Grenzstrang weniger bedrängt. Vermutlich<br />
reichen diese kurzen Entlastungspausen zur Erholung des <strong>Sympathikus</strong> aus.<br />
In der Nacht, beim längeren Sitzen und Autofahren ist die Rippenbewegung nicht<br />
nur durch eine geringere Bewegung, sondern auch durch eine Reduktion der Thoraxatmung<br />
gemindert. Der Druck auf den Grenzstrang ist anhaltend. Die Irritation wird dadurch<br />
überschwellig und löst eine entsprechende Symptomatik, z.B. Herzrhythmusstörungen<br />
aus.<br />
<strong>Sympathikus</strong><br />
Funktion<br />
Der <strong>Sympathikus</strong> versorgt als ein Teil des vegetativen Nervensystems vor allem die<br />
glatte Muskulatur der Blutgefäße und Drüsen. Wie die übrigen Anteile des vegetativen<br />
Nervensystems steuert er lebenswichtige Vorgänge. Willentlich kann er nicht beeinflusst<br />
werden, die Regulation läuft unbewusst ab. Er besteht aus übergeordneten Zentren<br />
im Zentralnervensystem, Umschaltneuronen im Rückenmark und aus zwei sogenannten<br />
Grenzsträngen, die auf jeder Körperseite neben den Wirbelkörpern von der<br />
oberen Halswirbelsäule bis zum Kreuzbein verlaufen. Im Verlauf der beiden Grenzstränge<br />
liegen Nervenknoten (Ganglien), die direkt vor den proximalen Köpfen der Rippengelenke<br />
liegen. Die beiden Grenzstränge vereinigen sich vor dem Kreuzbein im Ganglion<br />
impar.<br />
Die Aufgabe des <strong>Sympathikus</strong> ist eine Leistungssteigerung des Organismus mit dem<br />
Ziel, ihn auf Stressreaktionen (Angriff, Flucht, Anstrengung) vorzubereiten. Außerdem<br />
hat der <strong>Sympathikus</strong> Einfluss auf die Empfindlichkeit aller Rezeptoren im menschlichen<br />
Körper, z.B. Schmerznerven, Berührungs- und Tastsinn. Im Gegenzug hemmt der <strong>Sympathikus</strong><br />
Funktionen, die nicht primär lebensnotwendig sind.<br />
Hieraus lässt sich schon ablesen, dass bei einer krankhaft veränderten Funktion des<br />
<strong>Sympathikus</strong> Störungen in vielen Organsystemen zu erwarten sind. Dabei muss berücksichtigt<br />
werden, dass der <strong>Sympathikus</strong> nicht nur den ganzen Körper, sondern auch nur<br />
bestimmte Körperregionen oder eine Körperhälfte beeinflussen kann. Weiterhin ist zu
11<br />
beachten, dass er sich bei einer Irritation je nach Ort oder Intensität der Beeinflussung<br />
sogar antagonistisch zu seiner eigentlichen Funktion verhalten kann [Barop].<br />
Der <strong>Sympathikus</strong> hat Einfluss auf:<br />
● Herzleistung<br />
● Muskelleistung<br />
● Lungenfunktion<br />
● Schwitzen<br />
●Stoffwechsel (Glucoseproduktion)<br />
●Darmtätigkeit<br />
●Wasserlassen<br />
● Sehvermögen<br />
● Schmerz- und Gefühlsnerven<br />
Efferenz und Minor Sudeck<br />
Durch seine Lage vor den Rippenköpfchen ist der <strong>Sympathikus</strong> einer mechanischen<br />
Bedrängung ausgesetzt. Er reagiert im Bereich efferenter Fasern darauf mit einer dauerhaften<br />
Stimulierung. Barop schreibt, die Relationspathologie von Ricker zitierend, eine<br />
anhaltende Stimulierung des perivasalen <strong>Sympathikus</strong> führe zu einer nach proximal zunehmenden<br />
Vasokonstriktion und weiterhin zu einer engrammatischen Sensibilisierung<br />
des <strong>Sympathikus</strong>. Eine Störung der Trophik im regionalen Versorgungsgebiet mit einer<br />
Minorform des Morbus Sudeck ist die Folge. Der Morbus Sudeck wird heutzutage als<br />
komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS = Complex Regional Pain Syndrom) bezeichnet,<br />
wobei beim von uns so genannten Minor Sudeck überwiegend die Efferenz<br />
betroffen ist. Wesentlich ist besonders der Begriff regional, eine conditio sine qua non<br />
(unbedingte Voraussetzung) für die Anwendbarkeit des Modells der vertebro-vegetativen<br />
Koppelung. Denn nur die vom irritierten <strong>Sympathikus</strong> nerval versorgte Region wird<br />
dystrophisch und kann deswegen erkranken.<br />
Beim Lichen amyloidosus oder dem Karpaltunnelsyndrom entwickeln sich im Bereich<br />
der dauerhaft stimulierten Efferenzen amyloide Eiweißdegenerationen. Andererseits<br />
entstehen im Bereich der Schulter im Rahmen der gestörten Trophik Kalkablagerungen.<br />
Im internistischen Bereich wird die Reizleitung des Herzens oder die Motorik<br />
innerer Organe beeinflusst. Barop beschreibt eine Dauerstase im Gefäßsystem zum Beispiel<br />
des Magens, die dann eine Gastritis erzeugt. Herzrhythmusstörungen (die nur in<br />
Ruhe auftreten), Refluxösophagitis, Gastritis oder Gallensteinbildung können die Folge
12<br />
sein. Bei lang bestehender sympathikogener Hyperämie beschreibt Barop, sich wieder<br />
auf Ricker beziehend, die Ausbildung von Adenomen als Ausdruck einer “paratypischen”<br />
Hyperplasie. So wird die Entstehung von Heberdenknoten durch Bedrängung<br />
des sympathischen Grenzstrangs bei einem Rundrücken („Witwenbuckel“) verständlich.<br />
Das Modell der vertebro-vegetativen Koppelung unterstützt die sogenannte „Zweitschlagtheorie“<br />
der Neuraltherapie. Nur wenn ein Gewebe durch eine <strong>Sympathikus</strong>irritation<br />
trophisch unterversorgt ist, kann ein Trauma chronifizieren. Beim chronischen,<br />
durch einen Sturz entstandenen Schulter-Arm-Syndrom wäre also eine schon vorbestehende<br />
Blockierung von Th5 die Ursache für die Chronifizierung. Ohne die <strong>Sympathikus</strong>irritation<br />
würde die Verletzung je nach Alter und Schweregrad normalerweise innerhalb<br />
weniger Wochen ausheilen.<br />
Afferenz (direkter Schmerz und Parästhesien)<br />
Wie aus der Skizze in dem oben erwähnten Zosterartikel 6 ersichtlich ist, durchzieht<br />
ein sensibler Nerv aus dem Hinterhorn kommend den Grenzstrang und begleitet sympathische<br />
Fasern zu deren Erfolgsorganen. Er wird von mancher Seite als „sympathische<br />
Afferenz“ bezeichnet [Barop]. Jaenig hingegen definiert ihn als eindeutig dem somatisches<br />
Nervensystem zugehörig. Nach seiner Auffassung gibt es keine sympathischen<br />
Afferenzen. 7 Demnach kann es bei der oben beschriebenen Bedrängung des Grenzstrangs<br />
zu chronischen Irritationen kommen. Sie lösen im Versorgungsgebiet sensible<br />
Sensationen wie Schmerzen, Parästhesien, Brenngefühl und Juckreiz aus.<br />
Und so ist auch bei der Afferenz die Verschlechterung in oder durch Ruhe pathognomonisch.<br />
Typisch sind die Parästhesien in der Hand bei längerer angehobenen<br />
Lagerung des Arms, zum Beispiel beim Autofahren oder beim Fernsehen, oder der<br />
Juckreiz auf dem Rücken, der nur im Bett auftritt. Wahrscheinlich können über diesen<br />
Mechanismus auch Durchschlafstörungen entstehen.<br />
Die Verschlechterung neuropathischer Syndrome in der Nacht wie zum Beispiel<br />
beim Zoster weist auf das Modell der vertebro-vegetativen Koppelung hin. Die Interkostalneuralgie<br />
hingegen ist wohl eher ein lokales Geschehen auf der Basis einer Periostalgie,<br />
verursacht durch den chronischen Zug eines durch die Rippenkranialisierung (Bewegung<br />
in Kopfrichtung) gedehnten Muskels. Denn sowohl eine Infiltrationsanästhesie<br />
als auch eine Deblockierung des zugehörigen Wirbels schafft rasch Erleichterung. Die<br />
6 Siehe Webseite http://sympathikus-therapie.de in dem Artikel „Die Manualtherapeutische<br />
Behandlung von Zoster und Post-Zoster-Neuralgie“.<br />
7 Unklar ist, in welchem Ganglion sich der Hinterhornnerv dem <strong>Sympathikus</strong> anschließt und ob<br />
er dann zufällig oder regelmäßig zum selben Erfolgsorgan zieht. Ebenfalls nicht bekannt ist<br />
die Situation beim Lichen amyloidosus, in der subjektiv primär der Juckreiz bemerkt wird<br />
(=Afferenz) und später die Amyloidose als Ausdruck einer Störung der Efferenz hinzutritt.
13<br />
von anderer Seite diagnostizierte Pleuritis hat sich bisher immer als Folge einer Wirbelgelenksblockierung<br />
herausgestellt.<br />
Schmerz- und Krankheitsentstehung<br />
Indirekte Schmerzentstehung<br />
Eine chronische Irritation des efferenten <strong>Sympathikus</strong> führt zu einer Schmerzinduktion.<br />
Die dadurch ausgelöste Exprimierung von Noradrenalin führt an den sympathischen<br />
Endverzweigungen zur Stimulation der α 2 -Rezeptoren des sensiblen Nervensystems.<br />
Ob durch dieses System oder andere (katabole 8 ) Ereignisse die nächtliche<br />
Schmerzgenese zum Beispiel bei der chronischen Omarthralgie (Schulterschmerz) entstehen,<br />
ist noch ungeklärt.<br />
Schwellentheorie<br />
Ein weiteres Problem bei der Schmerzentstehung ergibt sich aus der Schwellentheorie:<br />
Damit eine Krankheit oder ein Schmerz zum Ausbruch kommt, müssen normalerweise<br />
mehrere Faktoren gleichzeitig vorliegen. Die Abbildung 4 Seite 14 soll dies verdeutlichen.<br />
Jeder Mensch hat eine gewisse genetische Veranlagung für bestimmte Erkrankungen<br />
(hellblaue Linie). Außerdem liegen oft Stressfaktoren vor, welche die Aktivität<br />
des <strong>Sympathikus</strong> schwanken lassen, seien es familiäre Probleme, Infekte oder Stress<br />
im Beruf. Wenn dann noch Schwankungen des Sympatikotonus (Verschlechterung<br />
während der Nachtruhe, siehe Abbildung Seite 14) dazu kommen, dann kann eine Erkrankung<br />
plötzlich und oft ohne erkennbaren Grund ausbrechen. Hierbei ist alles denkbar,<br />
Herzinfarkt, Virusinfekt, Nervenzusammenbruch oder, wie in der Abbildung 4, eine<br />
Migräne.<br />
Daraus folgt aber auch, dass es bei komplexer Krankheitsentstehung allein durch die<br />
Beseitigung eines Faktors möglich ist, ein Syndrom zum Verschwinden zu bringen.<br />
Denn durch den jetzt fehlenden Faktor wird die Schwelle, die zum Ausbruch einer Erkrankung<br />
führt, unter Umständen nicht mehr überschritten.<br />
Wir kennen Ähnliches aus der Schmerztherapie mit Antidepressiva. Hier werden<br />
allerdings nicht einzelne krankheitsauslösende Faktoren reduziert, sondern der<br />
Schwellenwert für die Schmerzempfindung angehoben.<br />
8 Mit „katabol“ ist gemeint, dass in diesem Gewebe keine Regeneration stattfindet.
14<br />
Abbildung 4: Einfluss verschiedener Faktoren auf die Auslösung eines<br />
Migräneanfalls. Man beachte die genetische Veranlagung (blaue Linie)
15<br />
Dauerschmerzen<br />
Ein weiterer wichtiger Hinweis auf eine Beteiligung des <strong>Sympathikus</strong> am Schmerzgeschehen<br />
sind unserer Meinung nach Dauerschmerzen. Ein Dauerschmerz liegt immer<br />
dann vor, wenn ein Patient nie schmerzfrei ist, also morgens schon mit Schmerzen aufwacht,<br />
tagsüber immer den Schmerz verspürt, am Abend damit ins Bett geht und auch<br />
nachts, wenn er aufwacht, unter den Schmerzen leidet. Die subjektive Schmerzstärke<br />
kann wechseln. In diesen Fällen hat der Schmerz keine Warnfunktion mehr.<br />
Dauerschmerzen sind mit der <strong>Sympathikus</strong>therapie in vielen Fällen behandelbar,<br />
wobei die Suche nach der Ursache und dem Tenderpoint zur Behandlung nicht immer<br />
ganz einfach ist, da sie manchmal entfernt von der Wirbelsäule liegen können. Gründe<br />
sehen wir auch hier in einer anhaltenden Reizung des Vegetativums durch Verletzungen<br />
und Infektionen, kombiniert mit der Fehlstellung von Wirbeln. Denkbar ist auch,<br />
dass der <strong>Sympathikus</strong> einen direkten und gleichzeitigen Einfluss auf alle lokalen Rezeptoren<br />
ausübt.<br />
Kribbelgefühle (Kribbelparästhesien)<br />
Wenn es in den Gliedmaßen "kribbelt", wird üblicherweise primär an eine Bedrängung<br />
einer Nervenwurzel durch einen Bandscheibenprolaps oder die Verengung eines<br />
Foramen intervertebrale gedacht, auch wenn die neurologische Untersuchung keinen<br />
krankhaften Befund ergibt. Bei genauer Betrachtung ist diese Symptomverteilung nicht<br />
typisch für eine segmentale Nervenschädigung, da die Symptome so gut wie nie den<br />
Dermatomen 9 entsprechen. Vielmehr finden sich die Gefühlsstörungen oft beidseits<br />
oder sind keinem einzelnen Nerv zuzuordnen, da sie in der ganzen Hand oder in allen<br />
Fingerspitzen auftreten. Der Zeigefinger wird jedoch von einem anderen Nerv (N.<br />
medianus) versorgt als der Kleinfinger (N. ulnaris).<br />
Nach unseren Erfahrungen liegen den reinen Gefühlsstörungen fast immer Blockierungen<br />
im Bereich der Brustwirbelsäule oder des Iliosakralgelenkes zu Grunde, besonders<br />
wenn sie zeitlich begrenzt auftreten, also in Ruhe ausgelöst werden und in Bewegung<br />
wieder verschwinden. Die Parästhesien entstehen vermutlich dann durch eine<br />
Kompression des Grenzstrangs durch einen Rippenkopf oder im Bereich der Kopf- und<br />
Iliosakralgelenke durch eine analoge Struktur. Hier wird jedoch möglicherweise nicht<br />
der sympathische Nerv, sondern der aus dem Hinterhorn über den sogenannten Ramus<br />
albus kommende sensible Nerv im Grenzstrang bedrängt.<br />
Kribbelparästhesien in den Beinen sind seltener und können auch durch eine Polyneuropathie<br />
verursacht werden. Diese ist eine stoffwechselbedingte, oft nicht heilbare<br />
Nervenschädigung. Als Ursache kommen am häufigsten die Zuckerkrankheit (Diabetes<br />
9 Ein Dermatom ist das von einem Rückenmarksnerven innervierte segmentale Hautgebiet.
16<br />
mellitus), andere Stoffwechselerkrankungen sowie Medikamentennebenwirkungen in<br />
Frage.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Auswirkungen von Wirbelsäulenblockierungen<br />
1. Unbemerkte schmerzfreie Bewegungseinschränkung: Die Blockierung ist klinisch<br />
„stumm“, d.h. vom Betroffenen unbemerkt. Von der blockierungsbedingten<br />
Einschränkung fühlt er sich nicht beeinträchtigt.<br />
2. Schmerzfreie Funktionseinschränkung: Man merkt eine Bewegungseinschränkung,<br />
z.B. in der Halswirbelsäule beim Autofahren, es bestehen aber keine<br />
Schmerzen.<br />
3. Die Blockierung verursacht lokale Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule<br />
(Facetten-Schmerz, „Hexenschuss“).<br />
4. Die Blockierung erzeugt Myalgien in der zugehörigen Muskulatur (zum Beispiel<br />
beim Piriformissyndrom).<br />
5. Periostschmerzen durch Muskelverspannungen (Beispiel „Interkostalneuralgie“).<br />
6. Dystrophie unterhalb der subjektiven Krankheitsschwelle. Es besteht eine Minderdurchblutung.<br />
7. Dystrophie plus Noxe (Diabetes mellitus, Übersäuerung, Störfeldgeschehen)<br />
führt zum Überschreiten der Krankheitsschwelle. Zum Beispiel tritt nach einer<br />
Verletzung keine endgültige Heilung wegen der zugrunde liegenden Dystrophie<br />
ein.<br />
8. Dystrophie mit Degeneration (Karpaltunnelsyndrom, Lichen amyloidosus,<br />
Heberdenarthrose, Rhizarthralgie).<br />
9. Morbus Sudeck.<br />
10. Auswirkung auf Steuerungsfunktionen der inneren Organe (Herz → Tachykardie,<br />
Magen → Refluxösophagitis, Galle → Steinbildung und Kolik, Darm →<br />
Motilität, Spasmen → Reizdarm).<br />
11. Irritation des sensiblen, den Grenzstrang passierenden Hinterhornnervs mit der<br />
Folge von Parästhesien in Armen und Beinen, Juckreiz oder dem Triggern eines<br />
Zosterausbruchs.
17<br />
Konsequenzen<br />
Das somatische Nervensystem ist bis auf die relativ seltenen primären Nervenkompressionssyndrome<br />
10 für die Entstehung von wirbelsäuleninduzierten Erkrankungen unwichtig.<br />
Hauptsächlich ist das sympathische Nervensystem hierfür verantwortlich. Auch<br />
von anderer Seite als „neuropathisch“ definierte Schmerzsyndrome haben ihre primären<br />
Ursprung überwiegend im vegetativen Nervensystem. Durch Behebung dieser<br />
Ursache kann der Schmerz beseitigt werden.<br />
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Wirbelsäule zwar eine Irritation des vegetativen<br />
Nervensystems mit entsprechenden peripheren chronischen Syndromen verursachen<br />
kann, Erkrankungen von Organen jedoch nicht Ursache von Wirbelgelenksblockierungen<br />
sein können. Auch wenn der Augenschein in der Chronologie (z. B. eine<br />
Verletzung) deutlich auf die periphere Erkrankung als Ursache hinweist, ist die zuvor<br />
bestehende Wirbelgelenksblockierung die primäre Ursache für die Entstehung des<br />
chronischen Leidens. Zum Beispiel bricht der Morbus Sudeck nach einem Knochenbruch<br />
des Handgelenkes nur aus, wenn gleichzeitig eine Blockierung an den oberen<br />
Rippen mit begleitender <strong>Sympathikus</strong>irritation vorliegt.<br />
Da die Wirbelgelenksblockierung nicht von endogenen Faktoren erzeugt wird, beruhen<br />
Rezidive bis auf wenige Ausnahmen in einer fehlerhaften Statik der Wirbelsäule.<br />
Diese kann in seltenen Fällen auch durch Erkrankungen innerer Organe verursacht oder<br />
unterhalten werden, z.B. durch Operationen an der Lunge sowie Verwachsungen und<br />
Narben im Bauchraum.<br />
Es gibt eine ganze Reihe von Störungen, die bisher nur schlecht zu behandeln waren<br />
oder manchmal operativ angegangen wurden, teils auf Drängen der Schmerzgeplagten,<br />
teils in guter Hoffnung, die Ursache des Schmerzes zu finden. Durch die Kenntnisse<br />
über den <strong>Sympathikus</strong> als Verursacher solcher Syndrome kann in diesen Fällen Zeit für<br />
eine aufwändige weitere Diagnostik und stationäre Behandlungszeit eingespart und sofort<br />
mit der <strong>Therapie</strong> begonnen werden. Denn gerade diejenigen Störungen, bei denen<br />
im Allgemeinen auch die Ursache der Entstehung im Unklaren liegt, sind überwiegend<br />
mit der <strong>Sympathikus</strong>therapie sehr schnell zu lindern, wenn nicht gar zu beseitigen.<br />
10 Das Karpaltunnelsyndrom ist unserer Erfahrung nach sekundär und kann mit der<br />
<strong>Sympathikus</strong>therapie gut behandelt werden.
18<br />
Blockierungen an der Wirbelsäule können<br />
symptomfrei bleiben oder Störungen bis hin zu<br />
extremen anhaltenden Schmerzen im<br />
Versorgungsgebiet der vegetativen Nerven auslösen.<br />
Hinweise auf eine <strong>Sympathikus</strong>irritation:<br />
● Bindegewebsschwellung<br />
● Dysfunktionen in Ruhe<br />
● Ruheschmerzen<br />
● Schmerzen nach Ruhephasen<br />
● Dauerschmerzen<br />
● Kribbelparästhesien<br />
Die Anamnese reduziert sich auf drei Fragen:<br />
1. Wo sind die Beschwerden lokalisiert?<br />
2. Besteht eine Verschlechterung in Ruhe?<br />
3. Besteht eine Kontraindikation gegen eine Manipulation<br />
der Wirbelsäule (Osteoporose, Knochenmetastasen)?<br />
Die Diagnostik reduziert sich auf die Suche eines oder einiger<br />
weniger Tenderpoints, da die Lokalisierung der Wirbelblockierung<br />
durch den Ort der Erkrankung vorgegeben ist.