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94 95 max baumann an dreas heddergott ju lia - Wüstenrot Stiftung

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dem Wirklichkeitssinn immer auch den Möglichkeitssinn mit. Neben der<br />

Welt der Tatsachen gibt es auch jene der Vorstellungen. Erst der Figur des<br />

modernen Fotokünstlers wird es gelingen, die Deckungsgleichheit von<br />

Realismus als Abbildungseigenschaft und Realismus als Stilform wieder<br />

aufzubrechen. Walker Ev<strong>an</strong>s Diktum vom documentary style, das <strong>an</strong> die<br />

Stelle des fotografischen Dokuments den Dokumentarstil setzt, verweist<br />

auf eben dieses Dilemma. Seit Walker Ev<strong>an</strong>s ist das Dokumentarische<br />

mehr eine Angelegenheit der künstlerischen Haltung und der Gebrauchsweisen<br />

denn eine Frage der Technik. Was zuvor als rein apparativ bedingt<br />

galt, wird bei ihm zu einer Frage der Haltung. 4<br />

4 Vgl. dazu Olivier Lugon, Le »style documentaire«<br />

d’August S<strong>an</strong>der à Walker Ev<strong>an</strong>s 1920 – 1<strong>94</strong>5, Macula,<br />

Paris 2001.<br />

ARNO GISINGER<br />

Betrachtet m<strong>an</strong> die internationalen Entwicklungen in der Dokumentarfotografie,<br />

und im speziellen die Preisträger der <strong>Wüstenrot</strong> <strong>Stiftung</strong>, so<br />

wird deutlich, mit welcher Selbstverständlichkeit die zeitgenössische<br />

Fotografie diese Position der Moderne internalisiert hat. Die Einschätzung,<br />

die Ute Eskildsen bereits im ersten Katalog der »Dokumentarfotografie<br />

Förderpreise 19<strong>94</strong>/<strong>95</strong>« formulierte, nämlich »daß insgesamt jene<br />

Arbeiten besonders überzeugten, die am deutlichsten eine persönliche<br />

Haltung zum Gegenst<strong>an</strong>d formulierten«, hat sich bestätigt. Die Dokumentarfotografie<br />

ist mehr denn je eine Frage des St<strong>an</strong>dpunktes und der<br />

Weltsicht, selbst und gerade in jenen Arbeiten, die mit dem Dokumentarstil<br />

operieren. Das verg<strong>an</strong>gene Jahrzehnt war geprägt durch den tiefgreifendsten<br />

technischen Umbruch seit der Erfindung der Fotografie. Die<br />

endgültige Durchsetzung des Digitalen und der damit einhergehende<br />

Kollaps der <strong>an</strong>alogen fotografischen Bildproduktion hat dem dokumentarischen<br />

Ansatz jedoch nichts <strong>an</strong>haben können. Im Gegenteil: Nach einigen<br />

heilsamen Debatten um die vermeintliche Authentizität des <strong>an</strong>alogen<br />

Bildes scheint heute mehr denn je klar zu sein, dass das fotografische<br />

Paradigma gegenüber technischen Revolutionen vergleichsweise resistent<br />

ist. So wie im übrigen das Aussterben der Daguerreotypie nicht das<br />

Ende der Fotografie bedeutete.<br />

Sieht m<strong>an</strong> das Dokumentarische im Fotografischen weniger aus einer<br />

technischen als vielmehr aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive, so<br />

stellt sich aber auch und gerade die Frage der Rezeption. Kein Bild ohne<br />

Betrachter, keine Botschaft ohne Rezipient. Folgerichtig setzt sich die<br />

Suche nach dem Wahrheitsgehalt in der Wahrnehmung des Rezipienten<br />

fort. Im folgenden inneren Monolog formuliert der Privatgelehrte Fr<strong>an</strong>z-<br />

Josef Murau seine Kritik <strong>an</strong> der Erfindung der Fotografie und seine skeptische<br />

Haltung gegenüber der natürlichen Darstellung in der Fotografie:<br />

»Der Erfinder der fotografischen Kunst ist der Erfinder der menschenfeindlichsten<br />

aller Künste. Ihm verd<strong>an</strong>ken wir die endgültige Verzerrung<br />

der Natur und des in ihr existierenden Menschen zu ihrer und seiner perversen<br />

Fratze. Ich habe noch auf keiner Fotografie einen natürlichen und

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