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Vom Aussterben bedroht: Der Arzt - DIE NOVUM

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4 die novum<br />

Hochschule und Wissenschaft<br />

25. Mai 2011<br />

Jeder Mensch braucht Licht zum<br />

Leben – das leuchtet ein. Nicht<br />

nur das lebenswichtige Vitamin D,<br />

sondern auch Glückshormone werden<br />

durch natürliches Licht im menschlichen<br />

Körper produziert. Wenn keine<br />

Sonne scheint, weiß der Mensch Abhilfe:<br />

Stecker rein – Licht an. Doch so<br />

sehr künstlich produziertes Licht den<br />

Alltag auch erleichtert, so sehr trügt<br />

auch der Schein: Leuchtreklame, Straßenlaternen<br />

und Gebäudebeleuchtungen<br />

sorgen vor allem in Städten für<br />

eine unnatürlich helle Nacht. Wissenschaftler<br />

sprechen dabei von Lichtverschmutzung.<br />

„Es ist ein Irrglaube, anzunehmen,<br />

es sei doch nur ein Problem der Wissenschaftler“,<br />

so Dr. Andreas Hänel,<br />

Leiter der Fachgruppe „Dark Sky“,<br />

gegenüber der Novum. Schließlich sei<br />

die Lichtverschmutzung von Satelliten<br />

aus zu beobachten und nachweislich<br />

binnen der letzten Jahre kontinuierlich<br />

gestiegen.<br />

„Wir warnen vor dem sogenannten<br />

Lichtsmog, da er erhebliche Auswirkungen<br />

auf die Gesundheit von Mensch<br />

und Tier hat“, sagt Dr. Hänel. <strong>Der</strong><br />

natürliche Tag-Nacht-Rhythmus wird<br />

durcheinander gebracht. Die künstliche<br />

Streckung der Lichtphasen beeinflusst<br />

die menschliche Zirbeldrüse,<br />

die in Folge dessen weniger Melatonin<br />

produziert – so entstehen Schlaf- und<br />

Gedächtnisstörungen. Wissenschaftler<br />

Ein Mensch gibt jedes Jahr circa 100<br />

Kilowattstunden an Wärme- und<br />

Bewegungsenergie an die Umgebung<br />

ab. Das ist genug, um einen großen<br />

Plasmabildschirm etwa 50 Stunden<br />

laufen zu lassen. Verschwendete Leistung,<br />

meinen Forscher – vor allem in<br />

Zeiten in denen ständig nach alternativen<br />

und erneuerbaren Energiequellen<br />

gesucht wird. Deswegen wollen sie diese<br />

Energie nutzbar machen. „Ambient<br />

Energy Harvesting“ nennt sich diese<br />

Technik – auf Deutsch bedeutet das<br />

„Umgebungsenergie ernten“.<br />

Um Bewegungsenergie zu erzeugen,<br />

werden Piezo-Kristalle verwendet. Sie<br />

erzeugen eine elektrische Spannung,<br />

wenn sie Druck oder Vibrationen<br />

ausgesetzt werden. Baut man solche<br />

piezo-elektronischen Elemente in den<br />

Boden ein, erzeugt ein Schritt circa<br />

sechs Watt. Verteilt man die vibrationsempfindlichen<br />

Bodenplatten zum<br />

Beispiel in einem Bahnhofsgebäude,<br />

lässt sich das hohe Besucheraufkommen<br />

zur Stromgewinnung nutzen.<br />

Leuchtende Umweltverschmutzung<br />

Künstliches Licht beeinträchtigt Gesundheit, Natur und Kulturgüter<br />

vermuten außerdem, dass sich dadurch<br />

langfristig Veränderungen des Verdauungstraktes,<br />

sowie Herz- und Kreislauferkrankungen<br />

entwickeln könnten.<br />

Doch auch für die Tierwelt hat<br />

Lichtsmog weitreichende Folgen. So<br />

verändern sich gehäuft natürliche<br />

Verhaltensmuster wie das Zugverhalten<br />

von Vögeln, die stundenlang um<br />

erleuchtete Hochhäuser kreisen, anstatt<br />

ihrem natürlichen Zuginstinkt zu<br />

folgen. Künstliches Licht beeinflusst<br />

auch frisch geschlüpfte Meeresschildkröten:<br />

Ihr Instinkt führt sie Richtung<br />

Meer, das durch die Reflektion von<br />

Sternen und Mond der hellste Punkt<br />

am nächtlichen Strand ist. Durch die<br />

grellen Lichter der Strandpromenaden<br />

verlieren sie die Orientierung und laufen<br />

in die falsche Richtung.<br />

Besonders deutlich wirkt sich der<br />

Lichtsmog auf die Insektenwelt aus.<br />

Nachtfalter, Mücken oder Fliegen –<br />

sie werden vom künstlichen Licht der<br />

Straßenlaternen oder von Skybeamern,<br />

die von Diskotheken aus in den nächtlichen<br />

Himmel strahlen, angezogen<br />

und verenden in Folge der künstlichen<br />

Hitze. So entsteht eine Art Dominoeffekt:<br />

Im Ökosystem sind vor allem<br />

diese kleinen Tierchen als Nahrungsquelle<br />

und als Bestäuber für Pflanzen<br />

von existenzieller Bedeutung.<br />

„Auch ein klarer Blick auf den Sternenhimmel<br />

ist in manchen Ballungsgebieten<br />

heute kaum noch möglich.“<br />

Besucher unserer Sternwarte in Osnabrück<br />

bemerken immer öfter selbst,<br />

dass der Sternenhimmel nicht mehr so<br />

gut sichtbar ist wie früher“, stellt Dr.<br />

Hänel fest. „Dies sollte zu denken geben,<br />

schließlich ist der freie Blick auf<br />

den Sternenhimmel eines der ältesten<br />

Kulturgüter der Menschheit. Die Ent-<br />

<strong>Der</strong> Mensch – Kraftwerk der Zukunft<br />

Umgebungsenergie versorgt Fitnessstudios, Straßenbeleuchtung und Überwachungsanlagen mit Strom<br />

Als alleinige Energiequelle ist es nicht<br />

ausreichend, aber der Verbrauch von<br />

konventionellem Strom wird gesenkt.<br />

Auch Discos und Fitnessstudios können<br />

dieses System verwenden. Im „California-Fitness“-Club<br />

in Hongkong<br />

erzeugen die Trainierenden bereits so<br />

viel Strom, dass damit die Elektronik<br />

der Trainingsgeräte, die Beleuchtung<br />

und die Musikanlage betrieben werden<br />

können.<br />

Nicht nur Menschen, auch Gebäude<br />

bewegen sich: Eine Firma aus Oberhaching<br />

hat eine Technik entwickelt,<br />

die ständig leichten Vibrationen von<br />

Gebäuden zu nutzen. Diese Schwingungen<br />

werden bei Hochhäusern<br />

durch Wind verursacht, entstehen<br />

aber auch durch menschliche Einflüsse<br />

wie Straßenverkehr oder Bewegung<br />

im Gebäude. Die Vibrationsenergie<br />

wird eingefangen und mit Hilfe eines<br />

Energiewandlers für das Betreiben von<br />

Sensoren bereitgestellt. Diese Sensoren<br />

können zum Beispiel zur Steuerung<br />

von Bewegungsmeldern oder Über-<br />

wachungsanlagen genutzt werden.<br />

Die externe Stromversorgung enfällt<br />

so komplett, sodass diese Geräte nicht<br />

verkabelt werden müssen. Dadurch<br />

verringert sich der Planungsaufwand<br />

bei der Gebäudeverkabelung und der<br />

Materialaufwand.<br />

Die erzeugte Energie wird in Akkus<br />

gespeichert. Das entlastet die Umwelt<br />

zusätzlich, da Batterien extreme<br />

Energieverschwender sind. Bei ihrer<br />

Produktion wird, abhängig von der<br />

Art der Batterie, 40 bis 500 mal mehr<br />

Leuchtreklame,<br />

Straßenbeleuchtung<br />

und Verkehrslichter<br />

machen die<br />

Nacht zum Tag.<br />

deckung der Kontinente wurde so erst<br />

möglich.“<br />

Für das Problem Lichtverschmutzung<br />

gibt es keine einfache Lösung. Das<br />

vollständige Ausschalten ist nur in<br />

wenigen Fällen möglich, denn Licht<br />

bedeutet auch Sicherheit. Deswegen<br />

sollte nur Außenbeleuchtung eingesetzt<br />

werden, die nötig ist. „Außerdem<br />

sollten Lichtquellen und Werbemittel<br />

so ausgerichtet werden, dass sie nicht<br />

zu weit in den Nachthimmel hinaus<br />

strahlen“, so Dr. Hänel. Dies spare<br />

zusätzlich Energie. Dr. Hänel und<br />

die von ihm gegründete Vereinigung<br />

„Dark Sky“ wollen noch einen Schritt<br />

weiter gehen. Mit der Einrichtung von<br />

sogenannten „Dark Sky Parks“ sollen<br />

in Zukunft Schutzgebiete entstehen, in<br />

denen die nächtliche Dunkelheit nicht<br />

künstlich erleuchtet wird.<br />

Michèle Richter<br />

Passanten und fahrende Autos geben Energie an die Umgebung ab, die in Strom umgewandelt wird.<br />

Raika Heidemann<br />

Energie verbraucht, als sie später an die<br />

Endgeräte abgeben.<br />

Umgebungsenergie ist begehrt. Auch<br />

fahrende Autos oder Wärmeunterschiede<br />

zwischen Metallen sollen in<br />

Zukunft als Energielieferanten genutzt<br />

werden. Umgebungsenergie kommt<br />

zwar nicht zur alleinigen, täglichen<br />

Stromversorgung in Frage, hat aber<br />

wegen der vielfältigen Gewinnungsmöglichkeiten<br />

sehr viel Potential als<br />

Kombinationslösung.<br />

Lisa Kästner<br />

Peter Schilling

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