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Busse – das missverstandene Wort - Ethos

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GLAUBE UND LEBEN<br />

<strong>Busse</strong>.<br />

Das <strong>missverstandene</strong> <strong>Wort</strong><br />

Unser Unbehagen, über <strong>Busse</strong> zu<br />

sprechen, liegt auch daran, <strong>das</strong>s<br />

dieser Begriff oft missverstanden<br />

wird. <strong>Busse</strong> ist Abkehr vom Bösen<br />

und Umkehr zu Gott. Sie ist keine<br />

herbeigezwungene emotionale<br />

Erfahrung, sondern eine entschlossene<br />

Haltung gegenüber Gott und<br />

der Sünde.<br />

Als es blitzte, wusste ich: zu schnell gefahren!<br />

Ich habe <strong>das</strong> Gesetz übertreten<br />

und werde eine <strong>Busse</strong> bekommen.<br />

Nachdem ich sie bezahlt hatte, war die<br />

Sache wieder in Ordnung.<br />

In unserem Sprachgebrauch bedeutet<br />

<strong>Busse</strong> <strong>das</strong> Abzahlen oder Begleichen von<br />

Schuld. Das ist vermutlich der Grund,<br />

weshalb viele Menschen die Bibel in diesem<br />

Punkt gründlich missverstehen. Wir<br />

dürfen biblische <strong>Busse</strong> nicht mit «abbüssen»<br />

verwechseln. Menschen geisseln sich<br />

bis aufs Blut, rutschen auf ihren Knien<br />

über steinige Treppen, sprechen endlose<br />

Rosenkränze, Spenden riesige Geldbeträge<br />

und meinen, diese Selbstkasteiung<br />

und Opfer seien ein «Abbüssen» von<br />

Schuld und besänftigten Gott. Was für ein<br />

Irrtum! Solches «Abbüssen» ist ein Versuch,<br />

etwas zu tun, um <strong>das</strong> Böse auszugleichen<br />

oder wiedergutzumachen. Aber<br />

<strong>das</strong> ist nicht <strong>das</strong>, was die Bibel über <strong>Busse</strong><br />

lehrt.<br />

In Wikipedia wird <strong>Busse</strong> gut definiert:<br />

«In der religiösen Bedeutung ist <strong>Busse</strong> die<br />

Umkehr des Menschen zu Gott, von dem<br />

er sich durch die Sünde entfernt hat. Dieser<br />

Begriff ist so unterschiedlich vom Alltagsgebrauch<br />

des <strong>Wort</strong>es <strong>Busse</strong>, <strong>das</strong>s er<br />

fast im Gegensatz dazu steht.» Das in der<br />

22 ethos 11 I 2011


Sünde ist fehlende<br />

Übereinstimmung mit<br />

Gottes heiligem Wesen.<br />

Bibel verwendete griechische <strong>Wort</strong> für<br />

<strong>Busse</strong>, metanoia, meint eine Sinnesänderung,<br />

eine völlige Umgestaltung der eigenen<br />

inneren Haltung.<br />

Wenn ein Mensch im biblischen Sinn<br />

<strong>Busse</strong> tut, dann ändert sich seine Haltung<br />

gegenüber sich selbst, gegenüber der<br />

Sünde, gegenüber Gott und Jesus Christus.<br />

<strong>Busse</strong> ist Abkehr vom Bösen und Umkehr<br />

zu Gott. Es ist keine herbeigezwungene<br />

emotionale Erfahrung, sondern eine<br />

neue Haltung, die man entschlossen gegenüber<br />

Gott und der Sünde einnimmt.<br />

Die meisten Menschen meinen, man<br />

werde zum Sünder, sobald man sündige<br />

Taten begeht. Die Bibel sieht <strong>das</strong> genau<br />

umgekehrt. Sie lehrt, <strong>das</strong>s der Mensch<br />

von Natur aus Sünder ist. Das menschliche<br />

Herz neigt von seiner Geburt an zum<br />

Bösen. Es sucht nicht den Willen Gottes.<br />

Also hat ein Mensch von seinem inneren<br />

Wesen her schon «<strong>das</strong> Ziel verfehlt», noch<br />

bevor er mit Absicht beschliesst, ein bestimmtes<br />

Gebot zu übertreten. Aus der<br />

verunreinigten Quelle unseres Herzens<br />

fliessen Bäche unsauberen Verhaltens. Im<br />

Grunde ist Sünde die fehlende Übereinstimmung<br />

mit Gottes heiligem Wesen.<br />

Und Gott verurteilt die Sünde wegen seines<br />

eigenen Wesens.<br />

Heiligkeit bedeutet: Gott ist getrennt<br />

von der Sünde und damit von jedem<br />

Menschen. Und der Zahltag der Sünde,<br />

sagt die Bibel, ist der Tod, danach aber<br />

<strong>das</strong> Gericht. Wir alle müssen sterben,<br />

aber Gott gewährt uns in seiner Gnade<br />

die Jahre unseres Lebens, um die Wahl<br />

der ersten Menschen nach Unabhängigkeit<br />

von ihrem Schöpfer wieder aufzuheben<br />

und heimzukommen in Gottes liebende<br />

Arme. Keiner weiss, wie viele Jahre<br />

ihm zugemessen sind! Die Entscheidung<br />

muss gefällt werden, für oder gegen Christus.<br />

Wird die Gnade Gottes bis zuletzt abgelehnt,<br />

dann bedeutet <strong>das</strong> Gericht <strong>–</strong> endgültige<br />

Trennung von Gott.<br />

Das Neue Testament beginnt mit einem<br />

Ruf zur <strong>Busse</strong>. Johannes der Täufer<br />

war dazu bestimmt, den Weg des Messias<br />

vorzubereiten, indem er die Menschen<br />

zur Umkehr rief. Der Weg sollte geebnet<br />

werden, damit sich die, die zutiefst beunruhigt<br />

würden über ihre Verlorenheit,<br />

nach der Erlösung ausstrecken, die Jesus<br />

Christus ihnen anbietet.<br />

Die Botschaft des Johannes lautet, wie<br />

sie Matthäus in prägnanter Weise zusammenfasst:<br />

«Tut <strong>Busse</strong>, denn <strong>das</strong> Reich der<br />

Himmel ist nahe gekommen» (Matth. 3,2).<br />

Auch Jesus hat zu Beginn seines Wirkens<br />

diesen Ruf zur <strong>Busse</strong> aufgenommen und<br />

Petrus und Paulus lehren nichts anderes.<br />

Ohne Sinnesänderung keine Erlösung!<br />

Weshalb scheuen sich viele Christen<br />

unserer Zeit, diese für <strong>das</strong> Heil unabdingbare<br />

Botschaft weiterzusagen? Unser<br />

Unbehagen, über <strong>Busse</strong> zu sprechen, liegt<br />

Umkehren!<br />

«Abbüssen», um Gott günstig<br />

zu stimmen, ist nicht, was die<br />

Bibel unter <strong>Busse</strong> versteht.<br />

ethos 11 I 2011 23


unter anderem daran, <strong>das</strong>s dieser Begriff,<br />

oft völlig missverstanden wird. Zudem<br />

stösst der Ruf nach Umkehr auf heftigen<br />

Widerstand, denn der Mensch möchte<br />

sein eigener Herr und Meister sein, tun<br />

und lassen, was ihm gefällt.<br />

<strong>Busse</strong> darf nicht mit Reue verwechselt<br />

werden. Reue kann man empfinden, weil<br />

uns eine bestimmte Sünde leid tut. Das<br />

sehen wir deutlich beim Verrat des Ju<strong>das</strong>.<br />

Seine Reue half ihm jedoch nicht aus dem<br />

Verderben. Ganz anders bei Petrus: Nachdem<br />

er Jesus verleugnet hat, sehen wir bei<br />

ihm Reue nach Gottes Sinn; sie bewirkt<br />

<strong>Busse</strong> zum Heil.<br />

Noch nie ist ein Mensch durch etwas<br />

anderes als durch Gnade vor dem Gericht<br />

Gottes gerettet worden. Weder Opfer<br />

noch Werke konnten jemals dazu<br />

beitragen, einen Ungerechten zu rechtfertigen.<br />

Und noch nie wurde ein Sünder gerettet,<br />

ehe er <strong>Busse</strong> getan hatte. Trotzdem<br />

scheuen wir uns oft, nicht an Gott glaubende<br />

Menschen über ihre Lage vor Gott<br />

aufzuklären. Wir sprechen von der Liebe<br />

Gottes und von der Gnade des Evangeliums.<br />

Warum aber sollte sich ein Mensch<br />

nach Gnade sehnen, wenn ihm die unüberbrückbare<br />

Kluft, die zwischen ihm<br />

und Gott besteht, nicht bewusst ist? Unsere<br />

Gesellschaft kennt den göttlichen<br />

Massstab nicht mehr, die Gewissen sind<br />

abgestumpft. Das <strong>Wort</strong> Sünde existiert<br />

kaum mehr im heutigen Sprachgebrauch,<br />

und wenn man es benutzt, dann höchstens<br />

im Zusammenhang mit zu viel oder<br />

falschem Essen, <strong>das</strong> der Linie schadet.<br />

<strong>Busse</strong> kommt, ebenso wie der Glaube<br />

selbst, durch <strong>das</strong> Hören des <strong>Wort</strong>es Gottes.<br />

Deshalb ist der Mensch verantwortlich,<br />

<strong>das</strong> Reden Gottes ernst zu nehmen und<br />

ihm zu gestatten, <strong>das</strong>s es sein Werk an unserem<br />

Gewissen und Herz tun kann. Der<br />

Aufruf zur <strong>Busse</strong> führt zur Kapitulation<br />

vor Gott und bereitet den Menschen vor,<br />

allein auf <strong>das</strong> vollbrachte Werk Christi zu<br />

vertrauen, damit er durch die freie, unverdiente<br />

Gnade gerettet werden kann.<br />

Wenn wir lesen, mit welcher Schärfe<br />

Johannes die selbstgerechten religiösen<br />

Führer seiner Zeit zurechtwies, die immerhin<br />

kamen, um sich von ihm taufen<br />

zu lassen, heben wir irritiert unsere<br />

Augenbrauen. «Schlangenbrut!», ruft<br />

er. «Weshalb glaubt ihr, dem zukünftigen<br />

Zorn Gottes entrinnen zu können?<br />

Seht zu, <strong>das</strong>s ihr rechtschaffene Früchte<br />

der <strong>Busse</strong> bringt.» Wieso diese Härte?<br />

Da die Zuhörer die Nachkommen Abrahams<br />

waren, wiegten sie sich in einer falschen<br />

Sicherheit. Sie glaubten, durch ihre<br />

Zugehörigkeit automatisch zum auserwählten<br />

Volk zu gehören. Aber nicht die<br />

natürliche, sondern allein die geistliche<br />

Verwandtschaft nimmt uns hinein in den<br />

Bund der Verheissung. Nicht die äussere<br />

Beschneidung, sondern die Beschnei-<br />

«Ich sage euch:<br />

Genauso wird im Himmel<br />

mehr Freude sein über<br />

einen einzigen Sünder,<br />

der umkehrt, als über<br />

neunundneunzig Gerechte,<br />

die es nicht nötig haben,<br />

umzukehren.»<br />

Lukas 15,7<br />

Kinder Gottes und die <strong>Busse</strong><br />

Wenn wir uns mit <strong>Busse</strong> beschäftigen,<br />

dann in der Regel mit ihrer<br />

Bedeutung zu Beginn des Glaubenslebens.<br />

Aber es wäre falsch zu übersehen,<br />

<strong>das</strong>s die durch Christus erlösten Menschen,<br />

die Kinder Gottes, ebenso viel Anlass<br />

zur <strong>Busse</strong> haben wie jeder andere.<br />

Wir sollten nie vergessen, <strong>das</strong>s die Begnadigten<br />

trotz allem noch Sünder sind. Das<br />

hört sich zwar an wie ein Widerspruch,<br />

ist es aber nicht. Je enger ein Glaubender<br />

mit dem Herrn verbunden ist, desto mehr<br />

wird er sich bewusst, <strong>das</strong>s ihm seine alte<br />

Adamsnatur immer wieder zu schaf-<br />

fen macht. Heiligung bedeutet nicht, <strong>das</strong>s<br />

man die alte Natur reinigt. Vielmehr müssen<br />

wir, dank des in uns wohnenden Heiligen<br />

Geistes, nicht mehr der Sünde dienen.<br />

Trotzdem werden wir immer wieder schuldig,<br />

durch die Schwachheit des Fleisches <strong>–</strong><br />

und wir werden immer wieder fallen, wenn<br />

wir nicht nahe beim Herrn bleiben.<br />

Du rühmst dich vielleicht, nichts Böses<br />

zu tun. Aber kann der sich rühmen, der<br />

nichts tut? Der Feigenbaum wurde vom<br />

Herrn nicht darum verflucht, weil er Böses<br />

tat, sondern weil er keine Frucht brachte.<br />

Das war seine Schuld.<br />

24 ethos 11 I 2011


Warum sollte sich ein Mensch<br />

nach Gnade sehnen, wenn<br />

ihm die unüberbrückbare<br />

Kluft, die zwischen ihm und<br />

Gott besteht, nicht wirklich<br />

bewusst ist?<br />

dung, die an unseren Herzen geschieht,<br />

macht uns zu Kindern Gottes!<br />

In vielen christlichen Kreisen ist man<br />

hauptsächlich bemüht, die schlechten<br />

Früchte, die sich in unserem Leben zeigen,<br />

abzuschneiden. Man versucht, durch<br />

Veränderung der Situation, durch Verständnis<br />

oder durch religiöse Unterweisung<br />

gute Früchte zu erzeugen. Aber alles<br />

Herumexperimentieren nützt nichts<br />

<strong>–</strong> der Baum ist schlecht, deshalb bringt<br />

er schlechte Frucht. Auch wenn sich ein<br />

Mensch im Griff hat und es versteht, seine<br />

Motive zu kaschieren <strong>–</strong> seine Absichten<br />

sind geprägt von Egoismus. Deshalb ist<br />

der Ruf zur Umkehr buchstäblich lebensnotwendig.<br />

Das ist die Pflicht jedes Predigers,<br />

aber die Verantwortung liegt bei<br />

jedem einzelnen Zuhörer. Wir wundern<br />

uns manchmal, wenn sich Gemeindeglieder<br />

plötzlich von Gott abwenden und der<br />

Gemeinschaft den Rücken kehren. Oftmals,<br />

und davon bin ich überzeugt, ist<br />

der Grund ein Fehlstart. Die Bekehrung<br />

geschah nicht um 180, sondern um 360<br />

Grad und endete wieder bei sich selbst.<br />

Falsche Vorstellungen und Erwartungen,<br />

wie Gott im eigenen Leben handeln sollte,<br />

führten zu Enttäuschungen. Es hat keine<br />

alles durchdringende Wiedergeburt stattgefunden.<br />

Bevor ein Mensch neues, ewiges Leben<br />

aus Gott empfängt, muss er sich und seinen<br />

zutiefst sündigen Zustand erkannt<br />

haben. Wem der Heilige Geist seine Verderbtheit<br />

aufdeckt, fragt und überlegt<br />

nicht mehr endlos: «Was bringt’s mir,<br />

wenn ich Christ werde?» Er weiss: «Es<br />

ist nichts als Gnade, wenn ich Vergebung<br />

und Annahme finde.»<br />

Ein Lippenbekenntnis macht noch<br />

keinen zum Gotteskind. Erst die Frucht<br />

macht offenbar, wer wir wirklich sind.<br />

Ein Evangelist beobachtete einmal<br />

eine junge Frau, die während seiner Predigt<br />

mit dem Nachbarn schwatzte und<br />

kicherte. Am Ende des Abends hielt ein<br />

übereifriger junger und wenig weiser<br />

Seelsorgehelfer die Frau an der Tür auf<br />

und fragte sie: «Möchten Sie nicht heute<br />

Abend Jesus annehmen?» Überrascht<br />

antwortete sie: «Ja, <strong>das</strong> möchte ich.» Er<br />

zeigte ihr den wohl bekannten Vers aus<br />

Johannes 3,16 und las ihn ihr vor: «Denn<br />

so sehr hat Gott die Welt geliebt, <strong>das</strong>s er<br />

seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder,<br />

der an ihn glaubt, nicht verloren gehe,<br />

sondern ewiges Leben habe.» <strong>–</strong> «Glauben<br />

Sie <strong>das</strong>?», fragte er. «Sicher glaube ich <strong>das</strong><br />

alles», antwortete sie bereitwillig. «Dann<br />

verstehen Sie doch sicher auch, <strong>das</strong>s Gott<br />

Ihnen <strong>das</strong> ewige Leben gegeben hat?» <strong>–</strong><br />

«Das muss ich dann ja wohl haben», war<br />

die lässige Antwort und sie ging zur Tür<br />

hinaus. Voller Freude eilte der Mann zum<br />

Evangelisten und berichtete ihm: «Die<br />

junge Frau hat heute Frieden gefunden!»<br />

<strong>–</strong> «Frieden?», fragte der Evangelist. «Hatte<br />

sie jemals Unfrieden?»<br />

Das ist eine berechtigte Frage. Vielen<br />

wird vorschnell ein falscher Friede durch<br />

schlecht in der Bibel bewanderte Menschen<br />

zugesprochen. Nur ein im Herzen<br />

aufgewühlter Mensch findet bei Christus<br />

Ruhe.<br />

«Es ist schon die Axt den Bäumen an<br />

die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht<br />

gute Frucht bringt, wird abgehauen und<br />

ins Feuer geworfen», sagt Johannes messerscharf.<br />

Haue deshalb den schlechten<br />

Du rühmst dich, nichts Böses zu tun. Aber kann der sich rühmen, der nichts tut?<br />

Als wiedergeborene Menschen werden<br />

wir entdecken, <strong>das</strong>s wir nicht nur sündhaft<br />

handeln, sondern auch sündhaft sind. Die<br />

Unruhe packt uns nicht nur über unsere<br />

Taten, sondern auch über unser Sein. Wenn<br />

wir am Abend über die Verfehlungen des<br />

Tages nachdenken, dann fällt uns auf, <strong>das</strong>s<br />

wir so manches Mal gegen <strong>das</strong> Gebot der<br />

Liebe verstossen haben: Wir haben jemanden<br />

vergessen, der uns gebraucht hätte;<br />

vielleicht waren wir aufbrausend, herrisch,<br />

rechthaberisch, schlecht gelaunt und unfreundlich.<br />

Wir entschuldigen uns vielleicht<br />

damit, wir seien müde gewesen und hätten<br />

nicht in böser Absicht gehandelt. Sicher ist<br />

<strong>das</strong> ein mildernder Umstand.<br />

Auf der andern Seite zeigt unsere Reaktion<br />

auf etwas Unvorhergesehenes oft<br />

viel deutlicher, was für einen Charakter wir<br />

wirklich haben. Was uns herausrutscht, bevor<br />

wir unsere Maske aufsetzen können, ist<br />

nicht <strong>das</strong> unser wahres Gesicht?<br />

Meine Handlungen kann ich bis zu einem<br />

bestimmten Grad kontrollieren, doch<br />

über mein Temperament habe ich keine<br />

unmittelbare Kontrolle. Die Veränderung,<br />

die ich am dringendsten brauche, kann ich<br />

nicht durch eigene, direkte, von meinem<br />

Willen gesteuerte Anstrengungen hervorbringen.<br />

Das gilt auch für meine so<br />

genannten «guten Taten». Wie viele von<br />

ihnen wurden aus dem richtigen Motiv<br />

heraus getan? Wie viele geschahen nicht<br />

aus Liebe, sondern aus Angst vor der Meinung<br />

anderer oder aus dem Wunsch, sich<br />

zu produzieren?<br />

Wir spüren immer mehr, <strong>das</strong>s in unserem<br />

Fleisch nichts Gutes wohnt, und unsere<br />

einzige Chance heisst: Christus in<br />

uns!<br />

<br />

Yvonne Schwengeler<br />

ethos 11 I 2011 25


Noch nie ist ein Mensch<br />

durch etwas anderes als<br />

durch Gnade vor dem<br />

Gericht Gottes gerettet<br />

worden.<br />

Baum ab, um Platz für den neuen zu machen,<br />

den der himmlische Vater pflanzt!<br />

<strong>Busse</strong>, wie die Heilige Schrift sie meint,<br />

ist die ausdrückliche Anerkennung, <strong>das</strong>s<br />

Gottes Urteil über den verderbten Zustand<br />

unseres Herzens richtig ist. Was wir<br />

brauchen, ist ein neues Herz und einen<br />

neuen Geist.<br />

Durch den Ruf zur <strong>Busse</strong> bereitete Johannes<br />

den Weg für <strong>das</strong> Kommen des<br />

Gottessohnes vor. Ganz gleich, mit wem<br />

er es zu tun hatte, er versuchte, <strong>das</strong> verborgene<br />

Böse in den Herzen der Menschen<br />

aufzudecken, und zeigte ihnen,<br />

wie sehr sie es nötig hatten, sich selbst<br />

zu richten. Menschenfurcht fand man<br />

bei Johannes nicht. Selbst Herodes, der<br />

damalige König, der in schlimmen Ausschweifungen<br />

und im Inzest lebte, wurde<br />

von Johannes mit seiner Schuld konfrontiert.<br />

Johannes wies auf Herodias, die eigentlich<br />

die Frau seines Bruders war, und<br />

sagte furchtlos: «Es ist nicht recht, <strong>das</strong>s du<br />

sie hast» (Matth. 14,4). Eine Gefängniszelle<br />

und später <strong>das</strong> Schwert konnten den<br />

Bussruf des Johannes zwar zum Schweigen<br />

bringen, aber seine <strong>Wort</strong>e werden die<br />

Gottlosen am Tag des Gerichts verklagen.<br />

Denken wir an Ju<strong>das</strong> Iskariot, der Jesus<br />

aus Habgier verriet. Die Pharisäer werden<br />

ihm auf die Schulter geklopft und gesagt<br />

haben: «Wenn du <strong>das</strong> für uns tust, ist <strong>das</strong><br />

wunderbar. Das werden wir dir nie vergessen.»<br />

Ju<strong>das</strong> beschloss, den Verrat zu begehen.<br />

Als er später zur Besinnung kam und<br />

begriff, was er getan hatte, war er tief betrübt.<br />

Darum ging er zu den Hohepriestern<br />

und Ältesten und sagte: «Ich will euer<br />

Geld nicht mehr, es brennt in meinen Taschen,<br />

nehmt es zurück. Ich bin verzweifelt.<br />

Was soll ich nur tun?» Sie antworteten:<br />

«Das ist deine Sache, nicht unsere.»<br />

Sie überliessen ihn sich selbst, einsam<br />

und verzweifelt, so<strong>das</strong>s er keinen Ausweg<br />

mehr wusste und sich erhängte. So ist <strong>das</strong><br />

immer, wenn wir uns von Gott abwenden.<br />

Auch die sogenannten Freunde des verlorenen<br />

Sohnes waren nicht mehr an ihm<br />

interessiert, als er ihnen nicht mehr nützlich<br />

war.<br />

Einer der grössten Dichter Deutschlands<br />

war sicherlich Goethe. Er lehnte<br />

die christliche Lehre ab. Goethe hatte einen<br />

scharfen Verstand, kannte die Philosophen<br />

und hatte alle Klassiker gelesen.<br />

Er dachte, <strong>das</strong> genüge. Doch nun lag er<br />

auf seinem Sterbebett. Wisst ihr, was seine<br />

letzten <strong>Wort</strong>e waren? «Mehr Licht!» Goethe<br />

rief nach Licht. Warum? Er steckte<br />

in einer undurchdringlichen Dunkelheit<br />

und sein scharfer Verstand, seine Gelehrsamkeit<br />

und sein Wissen und alle seine<br />

prominenten Freunde konnten ihm nicht<br />

helfen! Der Einzige, der ihm <strong>das</strong> ersehnte<br />

Licht hätte geben können, den kannte er<br />

nicht.<br />

Der Gegensatz zwischen der Sünde<br />

und dem Evangelium ist, <strong>das</strong>s die Sünde<br />

uns zum Narren hält, uns beraubt und<br />

hoffnungs- und hilflos zurücklässt, während<br />

<strong>das</strong> Evangelium uns <strong>das</strong> gibt, was<br />

unseren wahren Hunger und Durst stillt.<br />

Johannes der Täufer wird als der letzte<br />

Prophet des Alten Testaments bezeichnet.<br />

Er kam, um den harten Herzensboden<br />

aufzubrechen, damit die Botschaft des<br />

Evangeliums Aufnahme finden konnte.<br />

Die vordringlichste Aufgabe eines<br />

Nachfolgers Jesu ist es, den Menschen die<br />

Augen zu öffnen und sie von der Dunkelheit<br />

ins Licht zu bringen. Sie brauchen<br />

eine Botschaft, die sie aufschreckt, damit<br />

sie erkennen, in welcher Schuld und Gefahr<br />

sie leben. Ohne dies kann sie auch die<br />

süsseste Botschaft des Evangeliums nicht<br />

aus der Gleichgültigkeit reissen.<br />

Wer die Bibel aufmerksam liest, der<br />

sieht, <strong>das</strong>s Menschen, nachdem sie den<br />

Bussruf vernommen haben, häufig ausrufen:<br />

«Was sollen wir denn tun?»<br />

So war es auch bei der Bekehrung von<br />

Paulus. Noch war er der selbstgerechte<br />

Pharisäer, der wirklich dachte, <strong>das</strong>s es<br />

Gottes Wille wäre, wenn er die Nachfolger<br />

Jesu bis aufs Blut bekämpfte. Doch<br />

wenige Augenblicke später war er völlig<br />

verändert. Er hörte die herausfordernde<br />

Stimme vom Himmel: «Ich bin Jesus,<br />

den du verfolgst» (Apg. 9,5). Von seiner<br />

Schuld überführt schrie er: «Was soll ich<br />

tun, Herr?» Das war und ist bis heute die<br />

Frage eines wahrhaft bussfertigen Menschen,<br />

dessen ganze Haltung sich verändert,<br />

wenn er erkennt, wer er in den Augen<br />

Gottes ist.<br />

Der Kerkermeister von Philippi erhielt<br />

keine solche Botschaft, denn die ganze<br />

Haltung des Mannes zeigte, <strong>das</strong>s er in<br />

seinem Herzen schon <strong>Busse</strong> getan hatte.<br />

Deshalb galt für ihn, wie für jeden andern<br />

Sünder, der seine Schuld eingesteht:<br />

«Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst<br />

errettet werden!» (Apg.16,31). In dieser<br />

Haltung dürfen wir die Verheissung in<br />

Anspruch nehmen: «Da wir nun gerechtfertigt<br />

worden sind aus Glauben, so haben<br />

wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn<br />

Jesus Christus» (Röm. 5,1). In seiner Predigt<br />

sagt Petrus unmissverständlich (Apg.<br />

3,19): «So tut nun <strong>Busse</strong> und bekehrt euch,<br />

<strong>das</strong>s eure Sünden getilgt werden.» <strong>Busse</strong><br />

und Vergebung der Sünden sind die zwei<br />

Seiten einer Medaille. Das eine ist ohne<br />

<strong>das</strong> andere nicht zu haben.<br />

Nur wenig später lesen wir in der Apostelgeschichte<br />

(5,30<strong>–</strong>31): «Der Gott unserer<br />

Väter hat Jesus auferweckt, den ihr an<br />

<strong>das</strong> Holz gehängt und getötet habt. Den hat<br />

Gott durch seine rechte Hand erhöht zum<br />

Fürsten und Retter, um Israel <strong>Busse</strong> und<br />

Vergebung der Sünden zu gewähren.»<br />

In Jesus allein finden Menschen <strong>das</strong><br />

Heil. Durch Gnade und durch Vertrauen<br />

und Gehorsam. <br />

n<br />

<br />

I Yvonne Schwengeler<br />

26 ethos 11 I 2011

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