November 2014
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
weil es sonst plötzlich sehr teuer werden kann. Man konnte viel über<br />
das Tonableseverfahren lernen, wie Tonspuren aufgebaut sind oder wie<br />
die elektrischen Einrichtungen funktionieren. Als ich mich bei einem<br />
Kinobetreiber in Zürich um eine Stelle bewarb, lag einer der Operateure<br />
zuhause krank im Bett, ein weiterer war beim Plakate-Hängen von<br />
einem Hund gebissen worden, und ein dritter war bei derselben Arbeit<br />
von einem Stuhl heruntergefallen und hatte sich eine Rippe gebrochen.<br />
Ich kam also genau zur richtigen Zeit. Meinen ersten Job hatte ich im<br />
Kino Movie in der Zürcher Altstadt, in welchem sehr oft ausgesuchte,<br />
gescheite Filme gezeigt wurden. Dort hat es zwei Kinosäle mit zwei<br />
Vorführkabinen mit damals halbautomatischen Projektoren aus den<br />
70er Jahren. Dort lag der fertig montierte Film auf Tellern mit einem<br />
Durchmesser von etwa 180 cm. Darauf hatten knapp drei Stunden Film<br />
Platz. Wenn der Film länger dauerte, brauchte es einen zweiten Teller<br />
mit dem zweiten, fertig zusammengesetzten Teil des Films. Diese<br />
Teller-Halbautomaten kamen in den 70er Jahren neu in die Kinos. Sie<br />
stellten einen riesigen Fortschritt dar, weil es möglich wurde, Filme in<br />
sehr kurzen zeitlichen Abständen ohne Rückspulzeiten vorzuführen.<br />
Dadurch wurde der Betrieb von Duplex- und Multiplex-Kinos mit nur<br />
einem Operateur erst möglich. Viele Kinos führten aber bis zur Digitalisierung<br />
der Projektion in «Handbetrieb» vor. Dabei bestand die Gefahr,<br />
dass der Film riss oder der Rollenwechsel verpasst wurde – was für<br />
einen Operateur natürlich der ganz grosse «Schämer» war. Das Publikum<br />
sass dann vor einer weissen Leinwand. Zudem gingen im Saal<br />
die Lichter an, was damit zu tun hatte, dass die Projektoren stoppten,<br />
wenn kein Film mehr durchlief und die Zuschauer nicht im Dunkeln<br />
sitzen sollten.<br />
Es wird oft von Zelluloid geredet. Das stimmt insofern, dass das<br />
Filmband, auf welches der Film kopiert ist, ähnlich zusammengesetzt<br />
ist wie das Celluloid, das wir von Verpackungen kennen. Das Filmmaterial<br />
bestand aus Zellulosenitrat. Während der Projektion ging von<br />
der Filmrolle stetig ein wenig Gas aus. Da genügte ein Funke, dass es<br />
sich explosionsartig entzündete und das Filmmaterial sofort lichterloh<br />
brannte. Man steckte die Filmrollen deshalb für die Projektion in Metallbehälter.<br />
Frei durchgelaufen waren dann vielleicht noch 40 cm. Der<br />
Film konnte auch Feuer fangen, wenn der Projektor blockierte, was<br />
allerdings selten vorkam. Die Projektoren besassen eine Automatik, die<br />
bewirkte, dass bei einem Brand in der Vorführkabine die Metallschieber<br />
an den Sichtfenstern herunterklappten, damit das Feuer nicht auf den<br />
Zuschauersaal übergreifen konnte. Ab den 50er Jahren hatte sich zunächst<br />
ein Filmmaterial aus Azetat, dann aus Polyester etabliert. Diese<br />
trocknen nicht so schnell aus und sind sehr reissfest.<br />
Man sollte nicht meinen, dass Operateure einfach einen Film laufen<br />
lassen und den Rest der Zeit den Film schauen. Ein fest angestellter<br />
Hauptoperateur arbeitet viel und ist auch für alles verantwortlich. Es<br />
fängt manchmal schon morgens um zehn Uhr an, weil dann die Vorführungen<br />
für die Presse stattfinden. Manchmal sind die Filme erst kurz<br />
davor eingetroffen. Man muss der Film zuerst noch zusammensetzen,<br />
für die Projektion vorbereiten und unmittelbar nach der Projektion wieder<br />
auseinandernehmen. In den beiden Sälen vom Kino Movie gab es<br />
damals Vorstellungen um 15, 17, 19, und 21 Uhr. Zu meiner Zeit war oft<br />
gerade 15 Minuten Zeit, um zwei Filmstarts zu machen und unter der<br />
Woche, bei den Nachmittagsvorstellungen, auch noch die Zuschauerinnen<br />
und Zuschauer in Empfang zu nehmen. Manchmal rannte ich wie<br />
ein Derwisch zwischen den Kinosälen hin und her. Kino-Operateure<br />
waren dauernd daran, Filmkopien zu wechseln, zusammenzusetzen<br />
und auseinanderzunehmen. Sie nahmen die neuen Filme<br />
in Empfang und kontrollierten deren Zustand, ob beispielsweise<br />
Kratzer vorhanden waren. Damit konnten sich Kinobesitzer gegen<br />
eventuelle Schadenersatzforderungen der Filmverleiher absichern.<br />
Wenn ein Film kaputt ging, von dem es landesweit nur eine einzige<br />
Kopie gab, konnte dies bis zu 18‘000 Franken kosten.<br />
Die Programmation der Filme hat sich stark verändert. Es hat<br />
eine Verschiebung stattgefunden in der Art und Weise, wie die Filme<br />
hergestellt werden. Heute werden Filme fürs Mainstream-Kino<br />
produziert, die zuvor zur sogenannten Studiothematik gezählt<br />
wurden. Filme über Randgruppen verschiedenster Art findet man<br />
heute auch im Hollywood-Kino. Heute kannst du die DVD schon<br />
kurz nachdem der Film in die Kinos gekommen ist, kaufen oder<br />
die Filme aus dem Netz herunterladen. Und die Sehgewohnheiten<br />
der Leute haben sich verändert. Heute wachsen alle mit dem<br />
Fernsehen und YouTube-Filmchen auf. Gut daran ist, dass man<br />
sich bedienen kann. Es hat jedoch zur Folge, dass Filme als ein<br />
auswechselbares Konsumgut wahrgenommen werden. Man muss<br />
keinen Ort mehr aufsuchen, der speziell für die Vorführung eines<br />
Films eingerichtet ist. Ein gut ausgestattetes Kino ermöglicht den<br />
Zuschauerinnen und Zuschauern, sich voll auf einen Film zu konzentrieren.<br />
Leinwand und Projektion gehören zu den wichtigsten<br />
technischen Einrichtungen. Auch da hat sich, wie zu erwarten war,<br />
ein Wandel vollzogen. Die Zürcher Kinos haben um 2010 praktisch<br />
alle auf Digitalprojektion umgestellt. Das hat zur Folge, dass der<br />
ganze Spulen- und Rollen-Bereich weggefallen ist. Es gibt noch<br />
einige Liebhaber-Kinos, wie das Movie, wo noch 35mm-Filme vorgeführt<br />
werden können. Das sind meistens Filme, die nicht auf<br />
DVD erhältlich sind.<br />
13