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November 2014

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weil es sonst plötzlich sehr teuer werden kann. Man konnte viel über<br />

das Tonableseverfahren lernen, wie Tonspuren aufgebaut sind oder wie<br />

die elektrischen Einrichtungen funktionieren. Als ich mich bei einem<br />

Kinobetreiber in Zürich um eine Stelle bewarb, lag einer der Operateure<br />

zuhause krank im Bett, ein weiterer war beim Plakate-Hängen von<br />

einem Hund gebissen worden, und ein dritter war bei derselben Arbeit<br />

von einem Stuhl heruntergefallen und hatte sich eine Rippe gebrochen.<br />

Ich kam also genau zur richtigen Zeit. Meinen ersten Job hatte ich im<br />

Kino Movie in der Zürcher Altstadt, in welchem sehr oft ausgesuchte,<br />

gescheite Filme gezeigt wurden. Dort hat es zwei Kinosäle mit zwei<br />

Vorführkabinen mit damals halbautomatischen Projektoren aus den<br />

70er Jahren. Dort lag der fertig montierte Film auf Tellern mit einem<br />

Durchmesser von etwa 180 cm. Darauf hatten knapp drei Stunden Film<br />

Platz. Wenn der Film länger dauerte, brauchte es einen zweiten Teller<br />

mit dem zweiten, fertig zusammengesetzten Teil des Films. Diese<br />

Teller-Halbautomaten kamen in den 70er Jahren neu in die Kinos. Sie<br />

stellten einen riesigen Fortschritt dar, weil es möglich wurde, Filme in<br />

sehr kurzen zeitlichen Abständen ohne Rückspulzeiten vorzuführen.<br />

Dadurch wurde der Betrieb von Duplex- und Multiplex-Kinos mit nur<br />

einem Operateur erst möglich. Viele Kinos führten aber bis zur Digitalisierung<br />

der Projektion in «Handbetrieb» vor. Dabei bestand die Gefahr,<br />

dass der Film riss oder der Rollenwechsel verpasst wurde – was für<br />

einen Operateur natürlich der ganz grosse «Schämer» war. Das Publikum<br />

sass dann vor einer weissen Leinwand. Zudem gingen im Saal<br />

die Lichter an, was damit zu tun hatte, dass die Projektoren stoppten,<br />

wenn kein Film mehr durchlief und die Zuschauer nicht im Dunkeln<br />

sitzen sollten.<br />

Es wird oft von Zelluloid geredet. Das stimmt insofern, dass das<br />

Filmband, auf welches der Film kopiert ist, ähnlich zusammengesetzt<br />

ist wie das Celluloid, das wir von Verpackungen kennen. Das Filmmaterial<br />

bestand aus Zellulosenitrat. Während der Projektion ging von<br />

der Filmrolle stetig ein wenig Gas aus. Da genügte ein Funke, dass es<br />

sich explosionsartig entzündete und das Filmmaterial sofort lichterloh<br />

brannte. Man steckte die Filmrollen deshalb für die Projektion in Metallbehälter.<br />

Frei durchgelaufen waren dann vielleicht noch 40 cm. Der<br />

Film konnte auch Feuer fangen, wenn der Projektor blockierte, was<br />

allerdings selten vorkam. Die Projektoren besassen eine Automatik, die<br />

bewirkte, dass bei einem Brand in der Vorführkabine die Metallschieber<br />

an den Sichtfenstern herunterklappten, damit das Feuer nicht auf den<br />

Zuschauersaal übergreifen konnte. Ab den 50er Jahren hatte sich zunächst<br />

ein Filmmaterial aus Azetat, dann aus Polyester etabliert. Diese<br />

trocknen nicht so schnell aus und sind sehr reissfest.<br />

Man sollte nicht meinen, dass Operateure einfach einen Film laufen<br />

lassen und den Rest der Zeit den Film schauen. Ein fest angestellter<br />

Hauptoperateur arbeitet viel und ist auch für alles verantwortlich. Es<br />

fängt manchmal schon morgens um zehn Uhr an, weil dann die Vorführungen<br />

für die Presse stattfinden. Manchmal sind die Filme erst kurz<br />

davor eingetroffen. Man muss der Film zuerst noch zusammensetzen,<br />

für die Projektion vorbereiten und unmittelbar nach der Projektion wieder<br />

auseinandernehmen. In den beiden Sälen vom Kino Movie gab es<br />

damals Vorstellungen um 15, 17, 19, und 21 Uhr. Zu meiner Zeit war oft<br />

gerade 15 Minuten Zeit, um zwei Filmstarts zu machen und unter der<br />

Woche, bei den Nachmittagsvorstellungen, auch noch die Zuschauerinnen<br />

und Zuschauer in Empfang zu nehmen. Manchmal rannte ich wie<br />

ein Derwisch zwischen den Kinosälen hin und her. Kino-Operateure<br />

waren dauernd daran, Filmkopien zu wechseln, zusammenzusetzen<br />

und auseinanderzunehmen. Sie nahmen die neuen Filme<br />

in Empfang und kontrollierten deren Zustand, ob beispielsweise<br />

Kratzer vorhanden waren. Damit konnten sich Kinobesitzer gegen<br />

eventuelle Schadenersatzforderungen der Filmverleiher absichern.<br />

Wenn ein Film kaputt ging, von dem es landesweit nur eine einzige<br />

Kopie gab, konnte dies bis zu 18‘000 Franken kosten.<br />

Die Programmation der Filme hat sich stark verändert. Es hat<br />

eine Verschiebung stattgefunden in der Art und Weise, wie die Filme<br />

hergestellt werden. Heute werden Filme fürs Mainstream-Kino<br />

produziert, die zuvor zur sogenannten Studiothematik gezählt<br />

wurden. Filme über Randgruppen verschiedenster Art findet man<br />

heute auch im Hollywood-Kino. Heute kannst du die DVD schon<br />

kurz nachdem der Film in die Kinos gekommen ist, kaufen oder<br />

die Filme aus dem Netz herunterladen. Und die Sehgewohnheiten<br />

der Leute haben sich verändert. Heute wachsen alle mit dem<br />

Fernsehen und YouTube-Filmchen auf. Gut daran ist, dass man<br />

sich bedienen kann. Es hat jedoch zur Folge, dass Filme als ein<br />

auswechselbares Konsumgut wahrgenommen werden. Man muss<br />

keinen Ort mehr aufsuchen, der speziell für die Vorführung eines<br />

Films eingerichtet ist. Ein gut ausgestattetes Kino ermöglicht den<br />

Zuschauerinnen und Zuschauern, sich voll auf einen Film zu konzentrieren.<br />

Leinwand und Projektion gehören zu den wichtigsten<br />

technischen Einrichtungen. Auch da hat sich, wie zu erwarten war,<br />

ein Wandel vollzogen. Die Zürcher Kinos haben um 2010 praktisch<br />

alle auf Digitalprojektion umgestellt. Das hat zur Folge, dass der<br />

ganze Spulen- und Rollen-Bereich weggefallen ist. Es gibt noch<br />

einige Liebhaber-Kinos, wie das Movie, wo noch 35mm-Filme vorgeführt<br />

werden können. Das sind meistens Filme, die nicht auf<br />

DVD erhältlich sind.<br />

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