Grau ist alle Theorie - AGEH
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4 –– Thema<br />
<strong>Grau</strong><br />
<strong>ist</strong> <strong>alle</strong> <strong>Theorie</strong><br />
Sabine Kolping gibt SozialarbeiterInnen<br />
bei Don Bosco<br />
Fambul für die Praxis den letzten<br />
Schliff. Die Organisation<br />
in Freetown, der Hauptstadt<br />
von Sierra Leone, macht sich<br />
seit Jahren stark für Straßenkinder.<br />
Die Unterstützung im<br />
Arbeitsalltag kommt gut an,<br />
denn das Studium in Sierra<br />
Leone <strong>ist</strong> kurz und sehr theoretisch<br />
ausgerichtet. Für eine<br />
gute pädagogische Arbeit mit<br />
den Kindern von der Straße<br />
braucht es mehr.<br />
Text: Peter Beyer / Fotos: Jörg Löffke<br />
Attacke! Neugierig steckt der erste Jungspund den Kopf durch die Tür zum Büro von Sabine<br />
Kolping. Im Nu bekommt er an beiden Seiten Verstärkung, und Sekunden später stürmt ein<br />
ganzes Dutzend dunkelhäutiger Racker auf die groß gewachsene Weiße zu, um sie zu umarmen.<br />
Wie ein Fels in der Brandung lässt Sabine Kolping die stürmischen Zuwendungen über<br />
sich ergehen. Bis vor wenigen Monaten lebten diese Kinder <strong>alle</strong>ine auf den Straßen von Freetown<br />
– und konnten keine Kinder sein. Seit Oktober sind sie im Resozialisierungsprogramm<br />
von Don Bosco Fambul in Freetown – dem Arbeitsplatz von Sabine Kolping.<br />
Als <strong>AGEH</strong>-Fachkraft im Personalprogramm Ziviler Friedensdienst betreut die Fünfzigjährige<br />
36 einheimische Sozialarbeiter. Eine wahre Pionierarbeit in Sierra Leone, denn noch vor<br />
wenigen Jahren ex<strong>ist</strong>ierte ein solcher Beruf dort überhaupt nicht. Mittlerweile gibt es an den<br />
wenigen Universitäten des Landes zwar entsprechende Studiengänge. Doch die Vorlesungen<br />
finden in riesigen Gruppen statt, und das Studium <strong>ist</strong> theoretisch und dauert lediglich zwei<br />
Jahre. Qualifizierte Sozialarbeiter sind daher nach wie vor Mangelware – werden aber beim<br />
Wiederaufbau des ausgebluteten Landes dringend benötigt. Vor diesem Hintergrund organisiert<br />
die Deutsche regelmäßig Fortbildungen für die bei Don Bosco Fambul beschäftigten<br />
Sozialarbeiter. Bei ihren Übungen und Rollenspielen erlernen die Berufsanfänger das nötige<br />
Rüstzeug für ihren beruflichen Alltag, die erfahreneren können ihre Fähigkeiten verbessern.
–– 5
6 –– Thema<br />
„Ich habe den Eindruck, dass wir die Kinder hier stark<br />
machen“, sagt sie.<br />
Wöchentliches Treffen der Teamleiter: Kollegiale Beratung hilft Situationen<br />
neu oder anders zu sehen und zu lösen.<br />
Jedes Jahr im Oktober nimmt Don Bosco Fambul 60<br />
Straßenkinder auf – je jünger, ärmer und wehrloser, desto<br />
größer die Chance, dass sie einen Platz im Programm<br />
bekommen.<br />
In Absprache mit der Familie des Ausreißers wird dessen<br />
zehnmonatiger Aufenthalt dazu genutzt, eine Möglichkeit<br />
zur Rückführung zu finden – ob zu den Eltern, Großeltern,<br />
anderen Familienmitgliedern oder in eine Pflegefamilie.<br />
Auf dem Stundenplan der Jungen steht neben Lesen und<br />
Schreiben vor <strong>alle</strong>m Konflikttraining. Dabei gehen die<br />
Erzieher mit gutem Beispiel voran: An Sabine Kolpings<br />
Arbeitsstätte gibt es keinen Stock, wird keine Gewalt<br />
angewendet, brüllt niemand den anderen an.<br />
Diese in Sierra Leone ungewöhnliche Regeln müssen <strong>alle</strong><br />
Sozialarbeiter unterschreiben.<br />
„Zu 99,9 Prozent klappt<br />
das mit den Kindern“, sagt<br />
Sabine Kolping.<br />
„Zwischen denen, die im Oktober zu uns kommen und denen,<br />
die wir im August zurückführen, <strong>ist</strong> ein Unterschied<br />
wie Tag und Nacht“, berichtet sie aus ihrer bald dreijährigen<br />
Erfahrung. „Die ersten Monate sind aber immer der<br />
Wahnsinn. Die Jungen veranstalten einen Heidenlärm,<br />
prügeln sich ohne Ende.<br />
Dann werden sie ruhiger, lernen lachen, trauen sich ihre<br />
Meinung zu sagen. Es gilt, sie ihre Hobbys und Talente<br />
entdecken zu lassen und diese dann zu fördern.“ Die<br />
Chancen dafür stehen nicht schlecht. Denn auf 50 Kinder<br />
kommen hier im Haus vier Lehrer, während sich in staatlichen<br />
Schulen bis zu 180 Kinder in einer Klasse drängen.<br />
In einer solchen landen zwar auch die Kinder aus dem<br />
Programm in ihrem „Leben danach“, kommen dort nach<br />
Sabine Kolpings Erfahrungen aber besser zurecht.<br />
Zudem arrangieren „ihre“ Sozialarbeiter den Schulbesuch<br />
der Jungen im Vorfeld, besuchen diese danach mindestens<br />
einmal im Monat. Schulgebühr, -uniform sowie Lehrmaterial<br />
werden bis zum 18. Lebensjahr übernommen.<br />
Nicht zuletzt die intensive Nachbetreuung führt dazu,<br />
dass nach Sabine Kolpings Schätzung nur etwa jeder siebte<br />
Junge wieder auf die Straße geht.<br />
Bestens beraten<br />
Einer der von Sabine Kolping betreuten Mitarbeiter <strong>ist</strong><br />
Joe Conteh. Joe, selbst ein ehemaliges Straßenkind, hatte<br />
nicht die Möglichkeit, die Schule zu beenden, geschweige<br />
denn zu studieren. Umso dankbarer <strong>ist</strong> er für die Chance,<br />
sich als Sozialarbeiter zu bewähren.<br />
Die Workshops seiner deutschen Beraterin helfen ihm dabei.<br />
„Früher gab ich den Jungen schlaue Ratschläge. Heute<br />
weiß ich, dass ich nicht für sie entscheiden, sondern<br />
einfach für sie da sein soll, nicht Partei ergreifen, sondern<br />
Streithähne dazu bringen soll, selbst eine Lösung zu finden.“<br />
Sein Kollege Abdullay Mansaray ergänzt: „Ich kam<br />
2010 als ‚Rohmaterial‘ von der Uni. Dinge wie Teamge<strong>ist</strong>,<br />
Vertraulichkeit, Hilfsbereitschaft, Kommunikation habe<br />
ich erst bei Sabine gelernt. Sie war immer auf Augenhöhe<br />
mit uns, nicht nur Autoritätsperson.“<br />
Viele der von Sabine Kolping betreuten Sozialarbeiter<br />
haben während ihres Studiums ein Praktikum bei ihr<br />
absolviert. So auch Francis Kamara, mittlerweile stellvertretender<br />
Leiter des Projekts „Mobil“. Bei diesem geht<br />
es darum, vor Ort mit Straßenkindern Kontakt zu halten.<br />
„Bei Sabine gelernt habe ich zum Beispiel positive<br />
Kommunikation“, sagt Francis und führt aus: „Also nicht<br />
„Rauchen verboten!“ in die Runde zu trompeten, sondern<br />
sachlich darauf hinzuweisen: ‚Hier <strong>ist</strong> rauchfreie Zone.‘<br />
Schon <strong>alle</strong>in damit hat sich mein Verhältnis zu den Jungen<br />
verbessert.“ Viermal die Woche, so auch am heutigen<br />
Dienstag, fährt Francis zu einem unbebauten Grundstück<br />
hinaus, fester Treffpunkt mit den Straßenkindern. Als<br />
erstes bittet Francis die Jungen zu erzählen, was sie am<br />
Vortag erlebt haben.<br />
Dann sollen sie Dampf ablassen, eine erlebte Streitsituation<br />
spielerisch darstellen. „Wie man Rollenspiele organisiert,<br />
hat mich Sabine auch gelehrt“, kommentiert Francis<br />
das lautstarke, aber gewaltfreie Treiben der Kontrahenten.
–– 7<br />
Übungen und Rollenspiele<br />
unterstützen den<br />
Berufsalltag und werden<br />
von den Mitarbeiter-<br />
Innen bei Don Bosco<br />
Fambul sehr geschätzt.
8 –– Thema<br />
Bange machen gilt nicht<br />
Lautstark, aber keinesfalls gewaltfrei hingegen stellt sich<br />
für Sabine Kolping das Land dar, in dem sie als <strong>AGEH</strong>-<br />
Fachkraft tätig <strong>ist</strong>.<br />
Nach wie vor leidet Sierra Leone unter den Auswirkungen<br />
des bis 2002 grausam geführten Bürgerkriegs. „Viele<br />
Eltern sind schwer traumatisiert, prügeln ihre Kinder,<br />
statt mit ihnen zu reden. Zahlreiche ehemalige Rebellen<br />
verdingen sich heute als Okada - Mopedtaxifahrer – und<br />
lassen ihre Aggressionen nun im Straßenverkehr an<br />
ihren Mitmenschen aus“, berichtet die <strong>AGEH</strong>-Fachkraft.<br />
„Sierra Leone, das <strong>ist</strong> Afrika für Fortgeschrittene“, urteilt<br />
die Deutsche, die zuvor acht Jahre Entwicklungsarbeit in<br />
Togo gele<strong>ist</strong>et hat.<br />
Joe Conteh, der selbst früher auf der Straße lebte, gibt keine schlauen<br />
Ratschläge sondern <strong>ist</strong> für die Jungs da.<br />
Vier Mal in der Woche<br />
können die Jungs von<br />
der Straße zum mobilen<br />
Treffpunkt der Don<br />
Bosco’s kommen.<br />
Ihr Arbeitstag in Freetown beginnt und endet mit dem<br />
ganz normalen Wahnsinn: anderthalb Stunden Geholper,<br />
Gehupe, Geschrei, Gewirr auf den von tiefen Schlaglöchern<br />
zerfurchten Straßen. Und dann die Frage: Gibt es<br />
heute Strom? „Am Anfang hatte ich mal zwölf Tage am<br />
Stück keinen Strom und wegen der ausgef<strong>alle</strong>nen Pumpe<br />
bald auch kein fließendes Wasser. Da war ich extrem<br />
genervt und dachte ans Aufgeben“, gesteht Sabine.<br />
Mit der Zeit jedoch gelang es ihr, sich einen gesunden<br />
Ausgleich zu den anstrengenden Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
zu verschaffen. So besucht sie mehrmals<br />
im Monat die International Church und tauscht sich mit<br />
Gläubigen aus <strong>alle</strong>r Herren Länder aus. Zudem schwingt<br />
sie frühmorgens regelmäßig den Tennisschläger.<br />
Vor <strong>alle</strong>m aber hat sie sich in dem Haus mit Terrasse,<br />
das sie in Freetown bewohnt, eine Oase aus Pflanzen und<br />
Bildern geschaffen. Hier entspannt sie abends, indem<br />
sie ihrem Mann Angelo beim Malen eben dieser Bilder<br />
zuschaut und sich von Kater Monfils umschleichen lässt.<br />
Sierra Leone <strong>ist</strong> eines der<br />
ärmsten Länder der Welt.<br />
Trotz eines enormen Ressourcenreichtums war das westafrikanische<br />
Land nach dem „Human Development Index“<br />
2011 unter den letzten acht von 187 bewerteten Ländern.<br />
Ausufernde Verarmung, Arbeitslosigkeit und Ungerechtigkeit,<br />
Verletzung der Grundrechte, zunehmende<br />
Korruption und daraus resultierende Perspektivlosigkeit<br />
für breite Bevölkerungsschichten waren die Ursachen für<br />
einen Bürgerkrieg, der Sierra Leone 1991-2002 verheerte.<br />
Während der blutigen Kämpfe zwischen der sierraleonischen<br />
Armee und der Rebellenorganisation Revolutionary<br />
United Front (RUF) mussten Zehntausende flüchten,<br />
wurden vergewaltigt, versklavt oder getötet. In der Zeit<br />
des mit „Blutdiamanten“ finanzierten Krieges – an dem<br />
mehr als 5.000 Kinder aktiv beteiligt waren – wurden<br />
20.000 Menschen die Hände abgehackt.<br />
Zehn Jahre nach Kriegsende sind Fragilität und Armut,<br />
Hauptsursachen für den Konflikt, immer noch auf dem<br />
gleichen, niedrigen Niveau. Dienstle<strong>ist</strong>ungen, vor <strong>alle</strong>m<br />
im Bereich Ausbildung/Erziehung und Gesundheitswesen<br />
sind praktisch nicht vorhanden.<br />
Westsahara<br />
Senegal<br />
Gambia<br />
Sierra<br />
Leone<br />
Mauretanien<br />
Marokko<br />
Mali<br />
Algerien<br />
Tunesien<br />
Niger<br />
Burkina<br />
Guinea<br />
Elfenbeinküste<br />
Benin<br />
Nigeria<br />
Liberia<br />
Ghana<br />
Togo<br />
Kamerun<br />
Gabun<br />
Lybien<br />
Kongo<br />
Tschad<br />
Zentralafrikan.<br />
Republik<br />
Ägypten<br />
Sudan<br />
Eritrea<br />
Uganda<br />
Kenia<br />
Ruanda<br />
Demokratische<br />
Äthopien<br />
Somalia
Abdullay Mansaray<br />
schätzt an Sabine<br />
Kolping, dass sie nicht<br />
als Autoritätsperson<br />
auftritt.<br />
–– 9
10 –– Thema<br />
Das Sorgentelefon<br />
„Child line“ <strong>ist</strong> ein neues<br />
Angebot von Don Bosco<br />
Fambul. 7.000 Anrufe<br />
werden mittlerweile im<br />
Jahr beantwortet.<br />
Der Zivile Friedensdienst<br />
Hinzu kommen lieb gewonnene Rituale.<br />
„In Deutschland habe ich mir keine Stunksitzung<br />
entgehen lassen“, erzählt Sabine.<br />
Seit sie im karnevalsfreien Afrika lebt, bekommt<br />
sie das närrische Treiben auf DVD<br />
aus der Heimat zugeschickt – und schaut<br />
es sich keinesfalls nur in der fünften Jahreszeit<br />
an.<br />
„Mein Humor und die Fähigkeit, Dinge<br />
auch von der positiven Seite zu betrachten,<br />
haben mir hier sehr geholfen“, sagt<br />
die Rheinländerin.<br />
Engagement im Gepäck<br />
Im Beruf gelingt es Sabine Kolping immer<br />
wieder aufs Neue sich zu motivieren.<br />
„Die gegenseitige Unterstützung gibt mir<br />
Kraft“, berichtet sie. „Ich habe gute Workshops<br />
auf die Beine gestellt, konnte immer<br />
wieder neue Ideen vorbringen.“ Ideen, die<br />
zu konkreten Projekten und messbaren<br />
Erfolgen führten. Zum Beispiel Child Line,<br />
eine Telefonseelsorge für Kinder in Not.<br />
Diese können kostenlos und landesweit<br />
unter der Rufnummer 116 von Sabine ausgebildeten<br />
Beratern ihr Leid klagen und<br />
erhalten weiterführende Hilfe. Auch das<br />
2011 in Freetown eröffnete Mädchenhaus,<br />
das einzige im ganzen Land, hat Sabine<br />
maßgeblich mitaufgebaut.<br />
„Wenn meine Kollegen nur halb so viel von<br />
mir profitiert haben wie ich von ihnen,<br />
dann <strong>ist</strong> schon vieles gewonnen“, resümiert<br />
sie. „Einige fangen richtig Feuer,<br />
wollen mehr erfahren, tanken Mut und<br />
Selbstvertrauen. Überhaupt bin ich stolz<br />
auf meine Jungs“, sagt Sabine Kolping<br />
mit Blick auf ihren männlich dominierten<br />
Kollegenkreis. „Die sind offen für <strong>alle</strong> Anregungen,<br />
machen die herausforderndsten<br />
Übungen mit – und lernen aus deren Auswertung.<br />
Insgesamt <strong>ist</strong> es auch deshalb<br />
toll, weil es hier im Haus sehr offen und<br />
transparent zugeht. Man findet immer ein<br />
offenes Ohr für Fragen, kann aber selbst<br />
auch jederzeit beratend zur Seite stehen.“<br />
Seit 1999 vermittelt die <strong>AGEH</strong> qualifiziertes Personal für den Zivilen Friedensdienst<br />
(ZFD). Das Programm wurde von der Bundesregierung eingerichtet, um in den Krisengebieten<br />
der Welt zivilgesellschaftliches Engagement beim Aufbau von friedlichen<br />
Gesellschaften zu stärken. Die Grundidee: Es genügt nicht, die Symptome<br />
zu bekämpfen. Die Strukturen, die Gewalt und Zerstörung hervorbringen, müssen<br />
von innen verändert werden. Ziel <strong>ist</strong> die gewaltfreie und konstruktive Bearbeitung<br />
von Konflikten bzw. die Verhinderung ihrer gewaltsamen Austragung. Insgesamt<br />
unterstützen 64 <strong>AGEH</strong>-Fachkräfte lokale Partnerorganionen bei ihrem Engagement<br />
für ein friedlicheres Zusammenleben in der Gesellschaft, sechs davon arbeiten in<br />
Sierra Leone.<br />
Engagement bringt Sabine Kolping schon<br />
seit jeher mit ins Rennen. „Ich war Schulsprecherin<br />
und in Sachen Frauen, Frieden<br />
und Anti-AKW unterwegs. Mit 18 wollte<br />
ich unbedingt nach Lateinamerika, um<br />
Ernesto Cardenal bei der Alphabetisierung<br />
der Indios zu helfen.“<br />
Nach ihrem Studium an der katholischen<br />
FH in Aachen war Sabine Kolping in der<br />
Gemeindepsychiatrie tätig und baute ein<br />
Sozialpsychiatrisches Zentrum auf. Dessen<br />
Leiterin zu werden und bleiben, reichte<br />
der Macherin aber nicht aus. Eher zufällig<br />
und im Urlaub übernahm sie eine Reiseleitung<br />
nach Ghana und begann sich für<br />
Entwicklungszusammenarbeit zu interessieren.<br />
Heraus kam dabei eine mehrjährige<br />
Tätigkeit für die <strong>AGEH</strong> in Togo.<br />
Bis 2006 betreute Sabine dort ein Projekt<br />
für ge<strong>ist</strong>ig behinderte Kinder und Jugendliche.<br />
Danach blieb sie im Land und zeichnete<br />
verantwortlich für ein Projekt von<br />
PLAN INTERNATIONAL, um schließlich<br />
anderthalb Jahre für Chr<strong>ist</strong>ian Blind Mission<br />
(CBM) zu arbeiten. Auch privat fand<br />
Sabine in Togo ihr Glück, lernte 2001 den<br />
Künstler Angelo kennen, mit dem sie seit<br />
2003 verheiratet <strong>ist</strong>. Er hat sie nach Sierra<br />
Leone begleitet und hilft ihr als ruhender<br />
Pol die Hürden zu überwinden, die sich ihr<br />
Tag für Tag stellen.<br />
Und was macht sie nach Ende 2012,<br />
wenn ihr Arbeitsvertrag für Sierra Leone<br />
ausläuft? Lange braucht Sabine nicht zu<br />
überlegen. „Erst mal nach Deutschland<br />
und Stille genießen! Mich um meine Eltern<br />
kümmern! Ins Kino gehen! Fahrradfahren!“<br />
Nachholbedarf sieht sie zudem in Sachen<br />
Theater und Konzerte. Und freut sich auf<br />
einen Friseur, der nicht nur krauses Afrikanerhaar<br />
zu scheren weiß.<br />
Zuhause mit<br />
Ehemann Angelo<br />
kann Sabine Kolping<br />
vollkommen<br />
abschalten.
–– 11<br />
Bruder Lothar, Sabine Kolping<br />
und Samuel Bojohn im Gespräch<br />
„Was habt ihr mit unserem<br />
Jungen gemacht?“<br />
Wie Bruder Lothar Wagner, Leiter von Don Bosco Fambul in<br />
Freetown, und sein Stellvertreter Samuel Bojohn den Einsatz<br />
der <strong>AGEH</strong>-Fachkraft Sabine Kolping bewerten.<br />
Der Vertrag von Sabine Kolping läuft<br />
zum Jahresende 2012 aus. Wie <strong>ist</strong> das<br />
bisherige Resumee?<br />
Bruder Lothar: „Dank Sabines Mitarbeiterausbildung<br />
hat sich Don Bosco sehr gut<br />
entwickelt. Qualität und Professionalität<br />
unserer Sozialarbeiter sind deutlich gestiegen.<br />
Sabine <strong>ist</strong> bald drei Jahre bei uns, in<br />
dieser Zeit kann man eine Strategie fahren<br />
und etwas bewirken.<br />
Konfliktlösung <strong>ist</strong> für mich ohnehin viel<br />
besser als hoch bezahlte ausländische<br />
Fachkräfte, die nur Berichte schreiben und<br />
schnell wieder weg sind.“<br />
Was hat der Einsatz für Don Bosco<br />
Fambul konkret bewirkt?<br />
Bruder Lothar: „Sabine zeigt unseren Mitarbeitern,<br />
wie sie das Gelernte praktisch<br />
umsetzen können. Durch ihre Anregungen<br />
bekommen sie tagtäglich Erfolgserlebnisse.<br />
Von diesem Motivationsschub wiederum<br />
profitieren die Straßenkinder und schlussendlich<br />
deren Familien. Nach der Rückkehr<br />
ihres verlorenen Sohnes fragen die uns<br />
manchmal ungläubig: ‚Was habt ihr mit<br />
unserem Jungen gemacht?‘<br />
Aus Straßenkindern Streitschlichter machen,<br />
die in ihren Dörfern oder Schulen<br />
gewaltfreie Konfliktlösungen weitervermit-<br />
teln - das <strong>ist</strong> für mich Impact. Das <strong>ist</strong> ein<br />
großer Schub, und zwar nicht nur für Don<br />
Bosco, sondern für ganz Freetown.“<br />
Wie hat die Zusammenarbeit mit<br />
Sabine Kolping und den einheimischen<br />
SozialarbeiterInnen funktioniert?<br />
Samuel Bojohn: „Wir kommen hier von<br />
der Uni und haben feste Vorstellungen,<br />
sind aber mit Straßenkindern noch nie<br />
richtig in Berührung gekommen. Mit ihrer<br />
sehr persönlichen Art hat Sabine enormes<br />
Vertrauen bei ihren Kollegen aufgebaut.<br />
Sie nimmt sie mit ins Boot, kann aber auch<br />
Verantwortungen delegieren, damit es<br />
auch in ihrer Abwesenheit optimal läuft.“<br />
Welche Herausforderungen gab es?<br />
Samuel Bojohn: „Als Sabine kam, musste<br />
sie sich an das Land, aber auch an unser<br />
Management anpassen, sich zudem<br />
im Networking beweisen, also Hilfe von<br />
außen zu organisieren. Gleich zu Anfang<br />
bat sie mich, ihr einen bestimmten Satz<br />
zu sagen, falls sie mal völlig überdrehen<br />
würde.<br />
Mit „The sun is hot today!“ sollte ich sie<br />
wieder auf den Boden bringen. In den<br />
bald drei Jahren musste ich den Satz nie<br />
sagen.“