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AUSBILDUNG<br />
<strong>Text</strong>: Gisela Rau<br />
Fotos: Lothar Lenz<br />
(www.pferdefotoarchiv.de)<br />
Wahrscheinlich kann es Ihr<br />
Pferd inzwischen kaum noch<br />
erwarten, dass Sie endlich mit<br />
dem Training weitermachen. Es ist<br />
ganz typisch für «clicker-trainierte»<br />
Pferde, dass Sie mit sehr viel Motivation<br />
und Begeisterung mitarbeiten. Bitten<br />
Sie es noch um einen Moment Geduld<br />
– wir müssen noch einmal kurz<br />
zur Theorie zurück!<br />
Das Prinzip der<br />
variablen Bestärkung<br />
Jetzt, wo Ihr Pferd die Bedeutung des<br />
Clickers kennt und die ersten «Zielobjekt-Übungen»<br />
mit unserer Fliegenklatsche<br />
erfolgreich absolviert hat, ist<br />
es Zeit, ein weiteres wichtiges Grundprinzip<br />
des Lernens durch positive Bestärkung<br />
kennen zu lernen: Die variable<br />
Bestärkung. Das fortgeschrittene<br />
Pferd erhält nicht mehr für jede richtige<br />
Reaktion «Klick» und Belohnung,<br />
sondern nur noch für jede zweite, dritte,<br />
fünfte oder x-te, und zwar ohne für<br />
das Pferd erkennbare Reihenfolge und<br />
voraussehbares System. Der Sinn des<br />
Ganzen ist zweierlei: Das Spiel wird<br />
für das Pferd noch viel spannender und<br />
es wird sich mehr anstrengen, folglich<br />
wird sich seine Leistung weiter verbessern!<br />
Belohnen wir das Pferd über<br />
lange Zeit immer wieder für eine Sache,<br />
die es schon kann und verstanden<br />
Eine Schwierigkeitsstufe<br />
höher:<br />
Führen Sie das<br />
Pferd mit der<br />
Fliegenklatsche im<br />
Slalom um Pylonen.<br />
hat, lässt die Genauigkeit seiner Ausführung<br />
irgendwann nach. Es wird sozusagen<br />
schlampig und deutet die richtige<br />
Reaktion irgendwann vielleicht<br />
nur noch gerade so an, weil es ja weiss,<br />
dass die Belohnung ohnehin gleich<br />
kommt. Auch wird es verständlicherweise<br />
irgendwann langweilig, wenn<br />
man ständig für etwas gelobt wird, das<br />
man ja schon kann. Stellen Sie sich ein<br />
kleines Kind vor, das gerade Fahrradfahren<br />
lernt: Unser begeistertes Lob<br />
für die ersten erfolgreichen Versuche<br />
lassen es strahlen, machen es stolz und<br />
überglücklich. Wenn wir aber nach<br />
vier Wochen immer noch «toll!»<br />
schreien, wo das Kind inzwischen doch<br />
schon ganz alleine souverän über den<br />
Hof radelt, findet es seine Eltern wahrscheinlich<br />
irgendwann ziemlich komisch.<br />
Da es dem Pferd nicht anders<br />
geht, belohnen wir eine Übung, die es<br />
schon gut beherrscht, ab sofort nur<br />
noch unregelmässig. Bleibt die gewohnte<br />
Belohung (zum Beispiel für das<br />
Berühren der Fliegenklatsche mit der<br />
Nase) nun zum ersten Mal aus, ist das<br />
Pferd vermutlich überrascht oder sogar<br />
unmutig. «Nanu», wird es sich fragen,<br />
«was ist nun los, das hat doch<br />
sonst immer funktioniert?» Die Wahrscheinlichkeit<br />
ist sehr hoch, dass es die<br />
Fliegenklatsche nun überdeutlich mit<br />
der Nase anstupft, als wollte es sagen:<br />
«Hast du denn das eben nicht gesehen,<br />
dass ich es richtig gemacht habe?<br />
Schau mal, so!» Jetzt bekommt es seine<br />
Belohnung – und wir haben eine<br />
bessere Leistung bestärkt. Wenn das<br />
Pferd nicht weiss, wann die nächste Belohnung<br />
kommt, wird das «Spiel» für<br />
es auch sehr viel spannender. In<br />
Büchern über positive Bestärkung<br />
wird oft das anschauliche Beispiel vom<br />
Spielautomaten zitiert: Regelmässige<br />
Bestärkung ist wie ein Getränkeautomat.<br />
Wir werfen Geld hinein und wissen<br />
bzw. erwarten, dass Kaffee herauskommt.<br />
Das ist weder spannend<br />
noch erwähnenswert, es sei denn, es<br />
kommt einmal kein Kaffee – dann werden<br />
wir wütend. Sicher möchten Sie<br />
von Ihrem Pferd nicht behandelt werden<br />
wie der Kaffeautomat, den man<br />
mit Fusstritten traktiert, wenn der bezahlte<br />
Kaffee aufgrund einer Störung<br />
einmal nicht kommt. Ein Spielautomat<br />
im Casino hingegen basiert auf dem<br />
Prinzip der variablen Bestärkung –<br />
man weiss nie, wann man einen Treffer<br />
landet. Es könnte immer beim<br />
nächsten Mal sein. Genau dies ist<br />
spannend, macht so schnell süchtig<br />
und ist der beste Beweis für die Kraft<br />
der variablen Bestärkung! Spätestens,<br />
wenn Sie diese in das Training mit<br />
Ihrem Pferd einbauen, werden Sie erleben,<br />
wie auch Tiere nach dieser Art<br />
von Arbeit regelrecht süchtig werden<br />
können!<br />
Das Pferd wird Ihnen unter variabler<br />
Bestärkung Reaktionen von höherer<br />
Intensität anbieten, als wenn Sie es regelmässig<br />
bestärken würden, denn es<br />
Wichtig: Aufhören, wenn es am schönsten ist.<br />
Beenden Sie eine Übungseinheit immer dann, wenn Ihr<br />
Pferd noch motiviert ist. Warten Sie nicht ab,<br />
bis Langeweile oder Überforderung einkehrt!<br />
strengt sich besonders an, um beim<br />
nächsten Mal die ersehnte Belohnung<br />
zu bekommen. Die ganz besonders gut<br />
gelungenen Ausführungen sollten Sie<br />
mit einem «Jackpot» belohnen, das<br />
heisst einer besonders guten und<br />
schmackhaften Belohnung. Statt einer<br />
PEGASUS 12/05 33