Das Gesamtwerk habe ich übrigens in einer PDF ... - Spielverlagerung
Das Gesamtwerk habe ich übrigens in einer PDF ... - Spielverlagerung
Das Gesamtwerk habe ich übrigens in einer PDF ... - Spielverlagerung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Periodisierungstechniken – und ihre Anwendung im<br />
Fußball<br />
Rene Maric / RM auf <strong>Spielverlagerung</strong>.de mit e<strong>in</strong>em Gastbeitrag von<br />
Marco Hensel<strong>in</strong>g / vangaalsnase bei spox.com<br />
Januar 2014
In den letzten Wochen, Monaten und fast schon Jahren <strong>habe</strong>n wir viele Anfragen erhalten, ob<br />
wir uns der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gstheorie stärker widmen würden. Persönl<strong>ich</strong> würde <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong><br />
über e<strong>in</strong>e Fokussierung unserer Seite darauf freuen, doch die Recherche gestaltet s<strong>ich</strong> hier oft<br />
schwierig, der zeitl<strong>ich</strong>e Aufwand ist enorm und viele Ideen aus anderen Sportarten s<strong>in</strong>d im<br />
Fußball unerprobt und/oder umstritten.<br />
Auch e<strong>in</strong>zelne Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen jegl<strong>ich</strong>er Art würden nach sportwissenschaftl<strong>ich</strong>en und<br />
empirischen Maßstäben darum nie e<strong>in</strong> ausre<strong>ich</strong>endes Maß an Objektivität erre<strong>ich</strong>en, würde<br />
<strong>ich</strong> diese hier veröffentl<strong>ich</strong>en. Gle<strong>ich</strong>zeitig ist bei e<strong>in</strong>zelnen Übungen oftmals eher der<br />
Geschmack gefragt, obgle<strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>ige Grundpr<strong>in</strong>zipien unumstößl<strong>ich</strong> s<strong>in</strong>d oder se<strong>in</strong><br />
sollten.<br />
Sie können diesen zum<strong>in</strong>dest annähern oder auf tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswissenschaftl<strong>ich</strong>en Erkenntnissen<br />
basieren, aber leider fehlt uns dann dennoch das Wissen, wie genau es im Leistungssport<br />
gehandhabt wird. Dazu möchte <strong>ich</strong> aber kurz anführen: Es wird auch Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen und<br />
theoretische Artikel <strong>in</strong> Zukunft geben.<br />
In dieser Serie möchte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>em gröberen und übergeordneterem Konzept widmen: Der<br />
Periodisierung. Die Periodisierung beze<strong>ich</strong>net dabei das Verb<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es Zeitablaufs mit<br />
gewissen Zielen, Entwicklungswünschen und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halten, um den Erfolg und<br />
Fortschritt zu optimieren. Dabei gibt es e<strong>in</strong>ige Ideen aus der Le<strong>ich</strong>tathletik, welche <strong>ich</strong><br />
aufgreifen möchte. Diese Ideen s<strong>in</strong>d aber nur bed<strong>in</strong>gt auf den Fußball anwendbar; im Fußball<br />
gibt es nur wenige klare Konzepte dazu.<br />
Aber, Obacht, es gibt sogar e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> für den Fußball entwickeltes, näml<strong>ich</strong> die taktische<br />
Periodisierung, zu der wir sogar e<strong>in</strong>en wunderbaren Gastbeitrag mit e<strong>in</strong>er praktischen Idee<br />
<strong>habe</strong>n werden.<br />
Diese Serie soll also zuerst die Grundkonzepte der Le<strong>ich</strong>tathletik ausführen, die wenigen<br />
Umsetzungen anderer Periodisierungsarten im Fußball – meist aber eher auf<br />
Spielerentwicklung im Jugendalter bezogen – näher erläutern und danach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Abschlussdiskussion alle diese Artikel vere<strong>in</strong>en und kurz diskutieren. In diesem Beitrag am<br />
Ende möchte <strong>ich</strong> noch kurz mögl<strong>ich</strong>e Anstöße für e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung geben, obgle<strong>ich</strong><br />
hier natürl<strong>ich</strong> obige Kritikpunkte zu solchen Artikeln umso mehr zutreffen.<br />
Der Rahmenplan sieht wie folgt aus:<br />
• Morgen beg<strong>in</strong>nen wir mit der klassischen und blockartigen Periodisierung, welche<br />
beide als fundamental für die Le<strong>ich</strong>tathletik gelten, aber nur lose schon im Fußball<br />
Anklang gefunden <strong>habe</strong>n. Sie s<strong>in</strong>d eher theoretischer Natur.<br />
2
• Übermorgen widmen wir uns e<strong>in</strong>er neuartigen Periodisierung der Zerstückelung e<strong>in</strong>es<br />
Wettbewerbs und gehen dann mit e<strong>in</strong>em Artikel zur Coerver-Methode zu den<br />
Entwicklungsstufen über.<br />
• Daraufh<strong>in</strong> widmen wir uns am Folgetag der Theorie zur taktischen Periodisierung<br />
sowie e<strong>in</strong>em Beitrag zur praktischen Umsetzung derselben.<br />
• Am vierten Tag diskutieren wir noch die Inhaltskonzeption des DFB <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Gesamtheit und schließen mit der Abschlussdiskussion ab.<br />
Inhaltsverze<strong>ich</strong>nis:<br />
1. Klassische Periodisierung Seite 4<br />
2. Blockperiodisierung Seite 10<br />
3. Wellenförmige Periodisierung Seite 17<br />
4. Coerver-Methode Seite 21<br />
5. Taktische Periodisierung Seite 27<br />
6. Taktische Periodisierung ~ E<strong>in</strong> Praxisbeispiel Marco Hensel<strong>in</strong>gs Seite 36<br />
7. Diskussion der DFB-Inhaltskonzeption Seite 51<br />
8. Abschlussdiskussion Seite 64<br />
3
Periodisierungstechniken: Die klassische<br />
Periodisierung<br />
In diesem Artikel wird die klassische Periodisierung oder auch gemixte Periodisierung e<strong>in</strong>es<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs beschrieben.<br />
Bei der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsperiodisierung wird das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong> unterschiedl<strong>ich</strong>e Zyklen oder Bere<strong>ich</strong>e<br />
geteilt, welche nache<strong>in</strong>ander abgearbeitet werden. E<strong>in</strong>e Periodisierungsart stellt dabei die<br />
klassische Periodisierung dar, welche <strong>in</strong> vielen Sportarten nach wie vor führend ist.<br />
Die klassische Periodisierung gibt es bereits seit den 40er-Jahren, wobei s<strong>ich</strong> das gängige<br />
Konzept <strong>in</strong> den 60er-Jahren <strong>in</strong> der Le<strong>ich</strong>tathletik entwickelte. Verantwortl<strong>ich</strong> dafür waren,<br />
wie sollte es anders se<strong>in</strong>, die Sowjets. Tudor Bompa gilt als der geistige Vater dieser<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethode, die bis heute noch genutzt wird. Neben systematischer Talentauslese,<br />
Dop<strong>in</strong>g und Diszipl<strong>in</strong> gilt auch diese Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodik als Mitgrund für die Dom<strong>in</strong>anz der<br />
Sowjets.<br />
Doch auch im Fußball wurde periodisiert; Valeriy Lobanovskiy erarbeitete fußballspezifische<br />
Periodisierungen für se<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskonzept, um für europäische Aufgaben immer frisch und<br />
fit zu se<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong>e Erfolge und se<strong>in</strong>e Ansätze gelten bis heute als Meilenste<strong>in</strong> des modernen<br />
Fußballs. Auch R<strong>in</strong>us M<strong>ich</strong>els oder Arsene Wenger s<strong>in</strong>d Verfechter e<strong>in</strong>er Periodisierung im<br />
Fußball.<br />
Wie geht man im Allgeme<strong>in</strong>en vor?<br />
Die Umsetzung ist, wenn man n<strong>ich</strong>t besonders <strong>in</strong> Detail geht, sehr e<strong>in</strong>fach. Unabhängig vom<br />
Fußball, wird zuerst e<strong>in</strong> meist jährl<strong>ich</strong>er Plan entworfen; bei Olympia-Teilnehmern existiert<br />
sogar e<strong>in</strong> vierjähriger Plan, e<strong>in</strong> sogenanntes Quadriennal. In diesem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsplaner werden<br />
dann die w<strong>ich</strong>tigsten Ziele, Turniere und Ruhephasen organisiert.<br />
Diese E<strong>in</strong>teilung erzeugt letztl<strong>ich</strong> drei, manchmal auch vier Zyklen.<br />
Die erste ist die sogenannte Vorbereitungsperiode. In dieser Phase geht es um den<br />
grundlegenden physiologischen und mentalen Wiederaufbau. Der Körper soll wieder <strong>in</strong><br />
R<strong>ich</strong>tung Höchstleistungen geführt werden, im Grunde könnte man es als Vorbereiten des<br />
Körpers auf das spätere <strong>in</strong>tensive Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g beze<strong>ich</strong>nen. Diese Periode dauert meistens e<strong>in</strong> bis<br />
zwei Monate; je nachdem, wie <strong>in</strong>tensiv danach belastet wird und wie stark der Körper <strong>in</strong> der<br />
vorhergehenden Pause verfiel.<br />
Meistens wird dies mit e<strong>in</strong>em großen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsvolumen und wenig Intensität gemacht. Die<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gstechnik wird wieder e<strong>in</strong>tra<strong>in</strong>iert, der Körper aktiviert und der Sportler mental auf die<br />
kommende Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszeit vorbereitet.<br />
4
Der darauffolgende Zyklus ist die erste Übergangsperiode. Hier wird der Sportler <strong>in</strong> R<strong>ich</strong>tung<br />
Höchstleistungen angetrieben. <strong>Das</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wird <strong>in</strong>tensiviert und die Anforderungen erhöht.<br />
E<strong>in</strong>ige sehen diese Periode bereits als Bestandteil der Wettkampfperiode, wobei <strong>ich</strong> diese eher<br />
ause<strong>in</strong>anderhalten würde.<br />
Als Wettkampfperiode würde <strong>ich</strong> jene unmittelbare Zeit vor dem Wettkampf beze<strong>ich</strong>net, wo<br />
noch e<strong>in</strong>mal verstärkt auf grundlegende Aspekte e<strong>in</strong>gegangen wird, der Körper die potenziell<br />
erre<strong>ich</strong>bare Leistungsspitze erre<strong>ich</strong>t und der Sportler auch mental und taktisch auf die<br />
anstehende Herausforderung e<strong>in</strong>gestimmt wird. Die Wettkampfperiode ist also e<strong>in</strong>e<br />
Spezifizierung auf die unmittelbaren Umstände des Wettkamps, welche n<strong>ich</strong>t unbed<strong>in</strong>gt weit<br />
im Voraus geplant werden kann (Leistungse<strong>in</strong>bußen <strong>in</strong> bestimmten Bere<strong>ich</strong>en durch bspw.<br />
Verletzung), Adaption an e<strong>in</strong>en bestimmten Gegner oder sonstige Umstände, wie<br />
Höhenbed<strong>in</strong>gungen oder das Wetter).<br />
Der letzte Zyklus ist dann die zweite Übergangsperiode. Diese f<strong>in</strong>det nach dem Wettkampf<br />
statt. Der Körper erholt s<strong>ich</strong> von den hohen Anforderungen des Spitzensports, es gibt e<strong>in</strong>e<br />
aktive Regeneration und der Sportler erholt s<strong>ich</strong> auch mental von den fordernden Erlebnissen<br />
der letzten Wochen. Persönl<strong>ich</strong> würde <strong>ich</strong> <strong>in</strong> dieser Zeit e<strong>in</strong> sehr e<strong>in</strong>faches Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit vielen<br />
unterschiedl<strong>ich</strong>en Aspekten empfehlen. Dadurch würde man dem Abschwächen der<br />
körperl<strong>ich</strong>en Leistung <strong>in</strong> der Ruhephase entgegenwirken, gle<strong>ich</strong>zeitig aber eventuell<br />
vernachlässigte Aspekte zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> puncto Technik und Taktik le<strong>ich</strong>t tra<strong>in</strong>ieren können und<br />
dadurch e<strong>in</strong>e bessere Basis für die kommende Übergangsperiode schaffen.<br />
Beispiel für e<strong>in</strong>e klassische Periodisierung nach Matveyev<br />
Allerd<strong>in</strong>gs ist es dann doch n<strong>ich</strong>t so e<strong>in</strong>fach, wie es hier gemacht wird.<br />
Von Zyklen <strong>in</strong> Zyklen<br />
Innerhalb dieser Perioden gibt es bestimmte Zyklen. Wann <strong>in</strong>tensivere <strong>ich</strong> denn was genau?<br />
Welche Aspekte muss <strong>ich</strong> überhaupt tra<strong>in</strong>ieren? Und wie gehe <strong>ich</strong> dabei vor?<br />
5
Um diese Aspekte zu gewährleisten, gibt es drei Zyklen. Der erste und kle<strong>in</strong>ste Zyklus<br />
heißt Mikrozyklus. <strong>Das</strong> ist letztl<strong>ich</strong> die Planung e<strong>in</strong>zelner Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten und dem Ablauf<br />
dieser <strong>in</strong> den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswochen. In jedem Mikrozyklus wird festgelegt, wie das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g genau<br />
aufgebaut wird und welche kurzfristigen Ziele man <strong>in</strong> diesen E<strong>in</strong>heiten und Wochen erhalten<br />
will.<br />
Der nächstgrößere Zyklus wird als Mesozyklus beze<strong>ich</strong>net. In dieser wird auf e<strong>in</strong><br />
Zwischenziel h<strong>in</strong>gearbeitet. Mehrere Mikrozyklen werden zu e<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heitengruppe<br />
verbunden, welche den Mesozyklus bilden, sie stehen für die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswochen als solche.<br />
Hier geht es auch um die Harmonien <strong>in</strong>nerhalb der unterschiedl<strong>ich</strong>en Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten, die<br />
im Normalfall e<strong>in</strong>em Ziel zuarbeiten.<br />
Der Abschluss e<strong>in</strong>es Mesozyklus bed<strong>in</strong>gt meist die Erfüllung e<strong>in</strong>es Ziels. Wenn man also von<br />
Boxern oder Le<strong>ich</strong>tathleten hört, man läge mit der Vorbereitung „voll <strong>in</strong> der Zeit“, bedeutet<br />
dies, dass die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziele der bisherigen Mesozyklen allesamt rechtzeitig erfüllt werden<br />
konnten.<br />
Die Mesozyklen werden letztl<strong>ich</strong> zum Makrozyklus zusammengefasst. Dieser umfasst das<br />
endgültige Ziel; e<strong>in</strong>en Wettkampf oder Turnier, auf welches h<strong>in</strong>gearbeitet wurde. Der<br />
Makrozyklus entspr<strong>ich</strong>t dabei n<strong>ich</strong>t unbed<strong>in</strong>gt dem gesamten Periodisierungszyklus von oben.<br />
So ist beispielsweise e<strong>in</strong>e doppelte Periodisierung mögl<strong>ich</strong>, welche e<strong>in</strong> Kalenderjahr oder<br />
e<strong>in</strong>e Saison <strong>in</strong> zwei Periodisierungen unterteilt.<br />
Dadurch erhält der Körper mehr Ruhe, der Athlet ist geistig und dadurch auch im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
frischer, während die Verfallphasen ger<strong>in</strong>ger gehalten werden. Der russische Wissenschaftler<br />
Matveyev sagte für Spr<strong>in</strong>ter dabei e<strong>in</strong>e 1,55%ige Leistungssteigerung im Vergle<strong>ich</strong> zu n<strong>ich</strong>tperiodisierend<br />
tra<strong>in</strong>ierenden Athleten vorher [1]; relativ zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Periodisierung<br />
waren es nur 0,96%. Bei Hochspr<strong>in</strong>gern waren es zum Beispiel sogar mehr (5,05% und 2,4%<br />
respektive).<br />
Allerd<strong>in</strong>gs gibt es noch weitere Differenzierungsmögl<strong>ich</strong>keiten bei der klassischen<br />
Periodisierung.<br />
L<strong>in</strong>ear, non-l<strong>in</strong>ear/konjugiert und gewellt<br />
In der genauen Art der Periodisierung, also dem Aufbau <strong>in</strong>nerhalb der jeweiligen Perioden,<br />
gibt es wiederum drei Unterschiede.<br />
Die l<strong>in</strong>eare Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsweise geht dabei auf den bereits erwähnten Matveyev zurück. Hier<br />
werden e<strong>in</strong>zelne Bere<strong>ich</strong>e gesondert tra<strong>in</strong>iert, bis das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziel <strong>in</strong> diesem Bere<strong>ich</strong> erre<strong>ich</strong>t<br />
ist. Der Bere<strong>ich</strong> als solcher kann aber sowohl sehr eng als auch sehr weit def<strong>in</strong>iert werden.<br />
Dennoch gab und gibt es Kritik an dieser Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsart. Indem mit gle<strong>ich</strong>en oder zum<strong>in</strong>dest<br />
sehr ähnl<strong>ich</strong>en Übungen und <strong>in</strong>nerhalb klar abgesteckter Rahmen tra<strong>in</strong>iert wird, können<br />
6
e<strong>in</strong>zelne Aspekte des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs vernachlässigt werden. Gle<strong>ich</strong>zeitig kann der jeweilige<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsaspekt zu stark vere<strong>in</strong>facht werden, was zu geistiger wie körperl<strong>ich</strong>er<br />
Unterforderung führt.<br />
Der Athlet gewöhnt s<strong>ich</strong> an die jeweiligen Abläufe, se<strong>in</strong> Körper ebenfalls und die Effektivität<br />
sowie Motivation nehmen ab.<br />
Darum entwickelte Verkhoshansky die nonl<strong>in</strong>eare bzw. konjugative Methode. Hier werden<br />
zwei, oftmals nur <strong>in</strong>direkt mite<strong>in</strong>ander verbundene Bere<strong>ich</strong>e des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs direkt mite<strong>in</strong>ander<br />
verbunden. Beispielsweise wird Schnellkrafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit Muskelaufbau verbunden oder<br />
Ausdauer mit Schnelligkeitsausdauer; dadurch soll der Körper stärker gefördert werden und<br />
Automatismen sollen s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t zu sehr e<strong>in</strong>schleifen.<br />
L<strong>in</strong>ear ist diese Umsetzung des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs n<strong>ich</strong>t, weil die Übungen naturgemäß etwas variiert<br />
werden, um die jeweiligen unterschiedl<strong>ich</strong>en Aspekte mögl<strong>ich</strong>ste effektiv zu tra<strong>in</strong>ieren.<br />
Sowohl Intensität als auch Dauer werden immer wieder verändert, manchmal auch die Übung<br />
als solche. Auch <strong>in</strong> der Mai-Ausgabe aus dem Jahr 2002 vom „The Journal of Strength and<br />
Condition<strong>in</strong>g Research” wurden die Effekte geschildert; bis zu 50% waren die damit<br />
tra<strong>in</strong>ierenden Athleten <strong>in</strong> puncto Kraft der Kontrollgruppe überlegen.<br />
Wieso ist das so? Nun, der Körper reagiert auf die unterschiedl<strong>ich</strong>en Reize mit veränderter<br />
Ausschüttung der Hormone und ähnl<strong>ich</strong>em. Vorteilhaft ist somit auch der veränderte<br />
physiologische wie psychologische Reiz, der das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g effektiver macht. Dieses Pr<strong>in</strong>zip<br />
wurde bei der Entwicklung der Blockperiodisierung ebenfalls genutzt, Verkhoshansky gilt mit<br />
Issul<strong>in</strong> als Pionier dieser Periodisierungsvariante.<br />
Der ehemalige Gew<strong>ich</strong>theber-Tra<strong>in</strong>er JV Askem nutzte beispielsweise ebenfalls e<strong>in</strong>e solche<br />
Periodisierung, die er sogar noch etwas variierte. Er wählte die konjugative Methode und<br />
entwickelte dazu l<strong>in</strong>eare Abläufe, um e<strong>in</strong> Übertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g bzw. e<strong>in</strong>e körperl<strong>ich</strong>e Überlastung zu<br />
verh<strong>in</strong>dern, <strong>in</strong>dem er dem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e größere Planbarkeit gab. Gle<strong>ich</strong>zeitig verband er<br />
trotzdem mehrere Aspekte mite<strong>in</strong>ander, wodurch s<strong>ich</strong> se<strong>in</strong>e Sportler besser entwickelten.<br />
Die gewellte Methode ist e<strong>in</strong>e Mischung der beiden großen Methoden und wird teilweise auch<br />
als effektiver beze<strong>ich</strong>net.<br />
<strong>Das</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g als solches wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Umsetzung zusätzl<strong>ich</strong> noch erweitert. Bei der<br />
gewellten Methode werden unterschiedl<strong>ich</strong>e Aspekte mite<strong>in</strong>ander im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g verbunden und<br />
gle<strong>ich</strong>zeitig <strong>in</strong>nerhalb des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs variiert; Dauer, Belastung, genaue Umsetzung oder<br />
Intensität s<strong>in</strong>d veränderl<strong>ich</strong>. Selbst wenn man die l<strong>in</strong>eare Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsausr<strong>ich</strong>tung als Fundament<br />
nimmt, ist es mögl<strong>ich</strong> dadurch <strong>in</strong>teressante Wechselwirkungen zu erzeugen.<br />
Der Körper und auch der Geist werden also immer wieder neu gefordert. Sie müssen<br />
unterschiedl<strong>ich</strong>e Aspekte mite<strong>in</strong>ander verb<strong>in</strong>den, gle<strong>ich</strong>zeitig erhält der Körper n<strong>ich</strong>t nur<br />
7
durchgehend e<strong>in</strong>en Reiz, sondern immer wieder e<strong>in</strong>en neuen. In der Theorie wird damit<br />
der Superkompensationseffekt verstärkt und das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wird effektiver.<br />
Als letzte Alternative sei noch das unidirectional load<strong>in</strong>g, am besten vielle<strong>ich</strong>t als „e<strong>in</strong>seitige<br />
Belastung“ übersetzt, genannt. Hierbei wird e<strong>in</strong>fach progressiv und ohne langfristigen Plan<br />
tra<strong>in</strong>iert; dies wird <strong>in</strong>sbesondere bei E<strong>in</strong>steigern im Bodybuildung aus vorwiegend<br />
psychologischen Gründen empfohlen. Im Leistungssport spielt diese Methode aber kaum e<strong>in</strong>e<br />
Rolle, weil sie zu unproduktiv und wenig zielger<strong>ich</strong>tet ist.<br />
Fazit: Wie kann man diese Pr<strong>in</strong>zipien und die klassische Periodisierung im Fußball<br />
nutzen?<br />
Im Fußball könnte die klassische Periodisierung zum Beispiel im Übergang von<br />
Sommerpause bis zum Wettkampf genutzt werden; und wird es auch. E<strong>in</strong>erseits kann das<br />
körperl<strong>ich</strong>e Nachlassen über den Sommer mit Hausaufgaben, wie es unter anderem <strong>in</strong><br />
Nationalmannschaften gemacht wird, etwas kompensiert werden. Andererseits kann <strong>in</strong> der<br />
Vorbereitung gezielt so tra<strong>in</strong>iert werden, dass die konditionelle Grundlage über die gesamte<br />
Saison (oder <strong>in</strong> Deutschland bis zur W<strong>in</strong>terpause) gegeben ist.<br />
Die Spieler bleiben also idealerweise über das gesamte Jahr fit und erre<strong>ich</strong>en womögl<strong>ich</strong> auch<br />
im Frühjahr ihr Hoch. E<strong>in</strong> solches Periodisierungskonzept wurde beispielsweise von<br />
Lobanovskiy praktiziert und auch Jürgen Kl<strong>in</strong>smann beim FC Bayern München wollte so<br />
etwas e<strong>in</strong>führen. E<strong>in</strong> konditioneller Aufbau ist während der Saison kaum mögl<strong>ich</strong>.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs müssen hierbei auch die neuesten tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodischen Erkenntnisse bedacht<br />
werden. Aktuell wird sehr viel über Spielformen und Komplexübungen tra<strong>in</strong>iert, welche dabei<br />
auch die Physis tra<strong>in</strong>ieren, ohne den Spieler zu sehr zu erschöpfen. E<strong>in</strong>e klassische<br />
Periodisierung sollte also dosiert genutzt werden; <strong>in</strong>teressanterweise ist sie mit e<strong>in</strong>er anderen<br />
Periodisierungsart, der wir uns noch widmen werden, vere<strong>in</strong>bar.<br />
Die klassische Periodisierung könnte aber weiterh<strong>in</strong> genutzt werden. Arsene Wenger bei<br />
Arsenal und auch Sir Alex Ferguson tun dies näml<strong>ich</strong> ebenso wie Jupp Heynckes <strong>in</strong> der<br />
Bundesliga. Sie periodisieren die E<strong>in</strong>satzzeiten ihrer Spieler und nutzen dabei die Rotation.<br />
Die Spieler bleiben fitter und werden weniger belastet.<br />
Jupp Heynckes äußerte s<strong>ich</strong> dabei vor e<strong>in</strong>igen Wochen noch, dass im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslager die<br />
Grundlagen gesetzt wurden und s<strong>ich</strong> die Stammelf danach e<strong>in</strong>spielen müsste. Erst nach dieser<br />
E<strong>in</strong>spielphase könne wieder stärker rotiert werden, was dann auch so umgesetzt wurde. Dies<br />
kl<strong>in</strong>gt nach e<strong>in</strong>er klassischen Periodisierung der E<strong>in</strong>satzzeiten und nur teilweise des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs,<br />
welche aber wohl ideal zum Fußball passt.<br />
Die Wettkampfperiode nimmt hierbei näml<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t nur den größten Teil e<strong>in</strong>, sondern gut und<br />
gerne drei Viertel der gesamten Zeit <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en. Man kann s<strong>ich</strong> davor n<strong>ich</strong>t verschließen<br />
8
und glauben, man könne mit e<strong>in</strong>igen wenigen Wochen e<strong>in</strong>e monatelange physische Basis<br />
setzen. Stattdessen kann die E<strong>in</strong>satz- und Regenerationszeit von Schlüsselspielern periodisiert<br />
werden und im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g die Wettkampfperiode mit der ersten Übergangsperiode gemischt<br />
werden – e<strong>in</strong>er von mehreren Gründen, wieso <strong>ich</strong> persönl<strong>ich</strong> die Periodisierung eher <strong>in</strong> vier<br />
statt <strong>in</strong> drei Teile unterscheide.<br />
Praktisch heißt es: Die Spieler werden <strong>in</strong> Basisaspekten durchgehend geschult, während man<br />
s<strong>ich</strong> immer wieder <strong>in</strong> bestimmten Phasen auf die jeweiligen Gegner anpasst. An bestimmten<br />
Tagen <strong>in</strong> englischen Wochen und an wiederum anderen <strong>in</strong> normalen Wochen hat man also<br />
e<strong>in</strong>e festgelegte Anzahl an Regeneration, gegnerspezifischer Anpassung und weitergeführtem<br />
Grundlagentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Dies kann aber kurzfristig verändert werden, wenn gewisse Resultate<br />
oder Leistungsziele n<strong>ich</strong>t erre<strong>ich</strong>t werden.<br />
Literaturverze<strong>ich</strong>nis:<br />
[1]: Leonid Matveyev (1977): Fundamentals of Sports Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />
9
Periodisierungstechniken: Die<br />
Blockperiodisierung<br />
In diesem Artikel wird die Blockperiodisierung als Alternative zur klassischen Periodisierung<br />
behandelt.<br />
Matveyev formulierte 1964[1] basierend auf Grundideen aus den 40er-Jahren se<strong>in</strong>e klassische<br />
bzw. gemixte Periodisierung. Er stellte dabei Schaubilder nach dem<br />
Superkompensationspr<strong>in</strong>zip mit e<strong>in</strong>facher, zweifacher und dreifacher Periodisierung da. Der<br />
Athlet braucht se<strong>in</strong>e Pausen, wird dann zurück an se<strong>in</strong>e übl<strong>ich</strong>e Leistung herangeführt und<br />
tritt dann wieder <strong>in</strong> die Wettkampfphase e<strong>in</strong>.<br />
Der Erfolg der klassischen Periodisierung sorgte aber auch für Kritik. Im gle<strong>ich</strong>en Jahrzehnt<br />
wurden ebenfalls <strong>in</strong> der Sowjetunion wegen Matveyevs Forschungen die Grundpr<strong>in</strong>zipien für<br />
e<strong>in</strong>e alternative Periodisierung gelegt. Führend dabei waren der uns bereits aus dem<br />
vorherigen Artikel bekannte Yuri Verkhoshansky, der erfolgre<strong>ich</strong>e Sportler Anatoliy<br />
Bondarchuk und der womögl<strong>ich</strong> populärste und aktuellste Vertreter, Vladimir Issur<strong>in</strong>.<br />
Was spr<strong>ich</strong>t gegen die klassische Periodisierung?<br />
Stageman formulierte 1981 folgenden Leitsatz: „Gemischtes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g erzeugt gemischte<br />
Resultate.“<br />
Weil <strong>in</strong> der klassischen Periodisierung die unterschiedl<strong>ich</strong>en Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsaspekte zumeist<br />
parallel und nur teilweise seriell angelegt s<strong>in</strong>d, verzerrt s<strong>ich</strong> angebl<strong>ich</strong> der Effekt. In der<br />
klassischen Periodisierung wird ja der Körper auf Wettkampfniveau zurückgeführt und dann<br />
mit unterschiedl<strong>ich</strong>en Übungen, welche nur <strong>in</strong> grobe Kategorien geteilt s<strong>in</strong>d, tra<strong>in</strong>iert.<br />
Dadurch kommt man auf das nötige Wettkampfniveau und kann nach den Wettkämpfen den<br />
Körper wieder regenerieren.<br />
Hier f<strong>in</strong>det s<strong>ich</strong> aber der zweite Kritikpunkt. Vladimir B. Issur<strong>in</strong> führt an, dass die<br />
Stundenzahl an vorbereitendem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Laufe der Jahre immer stärker heruntergeht, aber<br />
die Wettbewerbe immer schwieriger und gle<strong>ich</strong>zeitig häufiger werden. Außerdem entsteht für<br />
den Körper durch die vielen unterschiedl<strong>ich</strong>en Belastungen e<strong>in</strong> enormer Stress durch<br />
gegensätzl<strong>ich</strong>e physiologische Reaktionen.<br />
Anstatt also e<strong>in</strong>en synergetischen Effekt zwischen Aufbau und Entlastung herzustellen, wird<br />
das Gegenteil versucht. Man will den Körper vor Übertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g schützen, kann ihm aber durch<br />
die Vere<strong>in</strong>fachung der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskomplexität im physischen S<strong>in</strong>ne) mehr zumuten. Im<br />
Gegensatz zur klassischen Periodisierung kann der Athlet also durchaus an mehreren<br />
Wettbewerben teilnehmen und ist öfter <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „Peak<strong>in</strong>g“-Phase.<br />
10
Weil die Befürworter der Blockperiodisierung davon ausgehen, dass der Körper eben n<strong>ich</strong>t<br />
mehrere Aspekte ordentl<strong>ich</strong> verknüpfen und tra<strong>in</strong>ieren kann, wird das<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsschemaverändert.<br />
Unterschiede der Blockperiodisierung zur gemixten Methode<br />
„The so called “classic periodization” presupposes the division of the annual cycle <strong>in</strong>to<br />
relatively long periods of complex, mixed tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g where the athletes develop many abilities<br />
simultaneously. In this case, augmentation of tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g stimulation is obta<strong>in</strong>ed mostly with the<br />
<strong>in</strong>crease of the workloads magnitude. As a result, the tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g volumes of world class athletes<br />
reached an enormous level <strong>in</strong> the 1980′s.<br />
The block periodization system presupposes the adm<strong>in</strong>istration of highly concentrated<br />
workloads directed to a m<strong>in</strong>imal number of abilities, or targets with<strong>in</strong> relatively short tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
cycles, <strong>in</strong> tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g blocks. Thus, each block is focused on the proper comb<strong>in</strong>ation of athletic<br />
abilities, wh<strong>ich</strong> are develop<strong>in</strong>g mostly consecutively but not concurrently. The benefits of<br />
block periodization are associated with more selective and highly concentrated tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
stimulation such as possibilities to design multi-peak preparations, reasonable reductions of<br />
total tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g volume, and possibilities to avoid negative <strong>in</strong>teractions between restrictedly or<br />
non-compatible tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g workloads.” – Issur<strong>in</strong> [2]<br />
<strong>Das</strong> Blocktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ist also letztl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts anders als e<strong>in</strong> hochspezialisierter Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszyklus.<br />
Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsaspekte werden stärker unterteilt und <strong>in</strong> drei große Zyklen unterteilt.<br />
Die drei Phasen lauten hierbei „Grundlage“, „Anpassung“ und Taper<strong>in</strong>g. In der ersten Phase<br />
lautet das Ziel Akkumulation. Bei der Akkumulation werden die motorischen und<br />
körperl<strong>ich</strong>en Grundfähigkeiten tra<strong>in</strong>iert und e<strong>in</strong>e stabile Basis gesetzt. Bei Spr<strong>in</strong>tern könnte<br />
zum Beispiel an der Maximalkraft gearbeitet werden, bevor man <strong>in</strong> die zweite Phase übergeht.<br />
In der Anpassungsphase lautet das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziel Transmutation. Die gesetzten Fundamente<br />
werden nun an die Sportart angepasst. Bei e<strong>in</strong>em Spr<strong>in</strong>ter könnte <strong>in</strong> dieser Phase die<br />
Höchstgeschw<strong>in</strong>digkeit gezielt tra<strong>in</strong>iert und die Technik beim Antritt angepasst werden.<br />
Immerh<strong>in</strong> ist jetzt die Grundlage gesetzt und <strong>in</strong> dieser, zumeist kürzeren Phase, werden die<br />
erworbenen physischen Fähigkeiten technisch verfe<strong>in</strong>ert. Wie der Begriff „Transmutation“<br />
werden letztl<strong>ich</strong> die angehäuften Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsergebnisse <strong>in</strong> die eigene Sportart und ihre<br />
Anforderungen adaptiert.<br />
In der letzten Phase geht es um die „Realization“. Diese beze<strong>ich</strong>net das Erholen unmittelbar<br />
vor dem Wettkampf und die letzten taktischen wie technischen Vorbereitungen des Athleten.<br />
Dadurch sorgt man für e<strong>in</strong> Peak<strong>in</strong>g <strong>in</strong>nerhalb des Peak<strong>in</strong>gs; der Körper und der Athlet werden<br />
<strong>in</strong> ihrer Hochphase noch e<strong>in</strong>mal extra auf den Wettkampf fokussiert.<br />
11
„The block periodization concept assumes the subdivision of athletic abilities <strong>in</strong>to “basic”<br />
and “specific” ones. The basic abilities usually conta<strong>in</strong> general endurance, muscle strength,<br />
and basic coord<strong>in</strong>ation for certa<strong>in</strong> sports. The basic abilities are the targets <strong>in</strong> proper<br />
mesocycle blocks termed “accumulation.” The specific abilities relate to any k<strong>in</strong>d of sportspecific<br />
endurance, sport-specific strength (<strong>in</strong>clud<strong>in</strong>g explosive strength), and event-specific<br />
skills. They are concentrated <strong>in</strong> another mesocycle block termed “transmutation.” The third<br />
type of mesocycle blocks are focused on full recuperation, maximal speed, and event-specific<br />
tactics (<strong>in</strong>clud<strong>in</strong>g all technical demands). They are co<strong>in</strong>ed “realization.” – Issul<strong>in</strong> [2]<br />
Wissenschaftl<strong>ich</strong>er H<strong>in</strong>tergrund<br />
Der biologische H<strong>in</strong>tergrund bei der Blockperiodisierung wird zumeist auf zieml<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>fache<br />
Aspekte zurückgeführt. Weil ke<strong>in</strong> paralleles, sondern e<strong>in</strong> serielles und aufe<strong>in</strong>anderfolgendes<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g unterschiedl<strong>ich</strong>er Aspekte vollführt wird, kann die Intensität enorm hoch gepusht<br />
werden.<br />
Als weiterer w<strong>ich</strong>tiger Aspekt gibt es e<strong>in</strong>en w<strong>ich</strong>tigen biologischen Faktor, welcher der<br />
gesamten Blockperiodisierungsidee zu Grunde liegt. So <strong>habe</strong>n Studien festgestellt, dass auch<br />
nach e<strong>in</strong>em Monat s<strong>ich</strong> der Körper noch auf e<strong>in</strong>em fast identischem Leistungsstand bef<strong>in</strong>det,<br />
wenn er zuvor ordentl<strong>ich</strong> tra<strong>in</strong>iert wurde.<br />
Vladimir Issur<strong>in</strong> nimmt dabei Studien von Pivarnik (1986), Coyle (1985), Allen (1989) und<br />
Wibom (1992) <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Forschungen auf. Dort wurde festgestellt, dass die körperl<strong>ich</strong>e Kraft<br />
nach zwei Wochen (Mujika & Padilla, 2000) nur e<strong>in</strong>en sehr ger<strong>in</strong>gen Rückschritt verze<strong>ich</strong>net<br />
und die Ausdauer nach vier Wochen erst um 4-5% abnimmt. Bei schlechter tra<strong>in</strong>ierten<br />
Personen liegt dieser Rückschritt bei 5-8%.<br />
Diese Nachhaltigkeit wird genutzt. Indem extrem fokussiert die Basis tra<strong>in</strong>iert wird, s<strong>in</strong>d<br />
diese nachhaltenden Effekte noch größer. Der Körper behält fast alle körperl<strong>ich</strong>en und<br />
motorischen Veränderungen aus der ersten Phase bei, desweiteren wird er ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />
zweiten Phase gefordert, wenn auch auf e<strong>in</strong>e andere Art und Weise.<br />
In der ersten Phase wird außerdem die homöostatische Regulation und das<br />
Superkompensationspr<strong>in</strong>zip genutzt, um die körperl<strong>ich</strong>en Grundlagen mögl<strong>ich</strong>st stark zu<br />
verändern. <strong>Das</strong> <strong>in</strong>tensive und konzentrierte Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sollen die von Claude Bernard und<br />
Walter Cannon formulierte homöostatische Regulation auf e<strong>in</strong> mögl<strong>ich</strong>st hohes Grundniveau<br />
erhöhen.<br />
Der Körper kann s<strong>ich</strong> desweiteren dank se<strong>in</strong>es erhöhten Grundniveaus besser an den<br />
folgenden Stress anpassen und die Sekretion von Stresshormonen wird im Transmutations-<br />
Mesozyklusblock genutzt. Issur<strong>in</strong> führt auch aus, dass bei gemischtem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong> der<br />
klassischen Periodisierung die Faktoren der Stresshormonausschüttung und homöostatischen<br />
Regulation gegene<strong>in</strong>ander wirken, wodurch der erhöhte Metabolismus des Körpers die<br />
Fortschritte der homöostatischen Regulation verh<strong>in</strong>dert („Übertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g“).<br />
12
„The prom<strong>in</strong>ent coaches and researchers noticed that traditional mixed tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g produced<br />
conflict<strong>in</strong>g tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g responses and excessive fatigue. At that time, I was work<strong>in</strong>g with the<br />
USSR canoe-kayak national team, wh<strong>ich</strong> executed a huge volume of tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g workloads.” –<br />
Vladimir Issur<strong>in</strong><br />
Faustregeln und Erfolge<br />
Die von Issur<strong>in</strong> angeführten Faustregeln s<strong>in</strong>d folgende:<br />
- Hohe Konzentration der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
- M<strong>in</strong>imale Nummer von zu tra<strong>in</strong>ierenden Aspekten <strong>in</strong>nerhalb der Blocks<br />
- Aufe<strong>in</strong>anderfolgendes Entwickeln der Fähigkeiten<br />
- Zusammenstellung und Nutzen spezialisierter Mesozyklus-Blöcke<br />
Welche Erfolge man damit feiern kann, ist noch unklar. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d viele erfolgre<strong>ich</strong>e<br />
Sportler, vorrangig aus dem Osten, aber auch aus dem Westen, davon überzeugt. E<strong>in</strong>er der<br />
großen Verfechter, Anatoliy Bondarchuk, schrieb 1986 und 1988 zwei Abhandlungen dazu,<br />
die später zu e<strong>in</strong>em lesenswerten Buch wurden. 1988 und 1992 gewann er dann passend dazu<br />
e<strong>in</strong> paar Medaillen bei Olympia.<br />
Der Schwimmer Gennadi Touretski schaffte ähnl<strong>ich</strong>es, wie auch weitere osteuropäische<br />
Athleten. Interessant ist der von Jesus G. Pallares geschilderte Fall von Carlos Perez und Saul<br />
Craviotto. Diese beiden Kanufahrer mussten s<strong>ich</strong> erst für Olympia qualifizieren und dafür<br />
mussten zuerst e<strong>in</strong>mal zur EM kommen; bis Januar 2008 hatten sie noch ke<strong>in</strong>en K-2-<br />
Wettbewerb bestritten. Im Mai wurden sie Zweiter bei der EM <strong>in</strong> Mailand und im August<br />
wurden sie Olympiasieger. Tra<strong>in</strong>er Pallares me<strong>in</strong>te, die Blockperiodisierung brachte den<br />
Erfolg, welcher <strong>in</strong>sbesondere auf zwei so nah ane<strong>in</strong>ander liegende „Peaks“ zurückzuführen<br />
war.<br />
Ob diese Periodisierungsart der klassischen Periodisierung wirkl<strong>ich</strong> klar überlegen ist, bleibt<br />
aber zu bezweifeln. In e<strong>in</strong>er Studie von Fröhl<strong>ich</strong>, Müller, Schmidtble<strong>ich</strong>er und Emr<strong>ich</strong> [4]<br />
wurde bei e<strong>in</strong>er Meta-Analyse festgestellt, dass die e<strong>in</strong>zelnen Modelle (das konjugative<br />
Modell und das Blockperiodisierungsmodell) unterschiedl<strong>ich</strong>e Stärken <strong>in</strong> bestimmten<br />
Adaptionen <strong>habe</strong>n, aber ke<strong>in</strong>es dem anderen überlegen ist.<br />
13
E<strong>in</strong> Bild aus “Blockperiodization: Breakthrough <strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g” von Issur<strong>in</strong>, welches Matveyevs<br />
Aufbau lose übernimmt und e<strong>in</strong> Beispiel zeigt.<br />
Nutzung im Fußball<br />
Dieses Modell der Blockperiodisierung könnte im Fußball beispielsweise <strong>in</strong> der Vermittlung<br />
von Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halten ebenso wie im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslager stattf<strong>in</strong>den. Beim ersten Zielpunkt, der<br />
Akkumulation, wird ihnen die nötige Physis e<strong>in</strong>getr<strong>ich</strong>tert. Wer laufen kann, der kann<br />
zum<strong>in</strong>dest irgendetwas sche<strong>in</strong>t hierbei der vorherrschende Gedanke zu se<strong>in</strong>.<br />
Die nun vorhandene und auf höchstem Niveau vorhandene Laufstärke wird dafür e<strong>in</strong>gesetzt,<br />
um s<strong>ich</strong> <strong>in</strong> der nächsten Phase, der Transmutation, komplett auf spielerische und taktische<br />
Aspekte zu konzentrieren. In der Realisation würde dann die Endanpassung an die Saison und<br />
den Gegner sowie Erholung vor Beg<strong>in</strong>n der Saison geschehen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs ist auch e<strong>in</strong>e andere Aufteilung mögl<strong>ich</strong>. Beispielsweise könnten Spieler nach<br />
Gruppen segmentiert werden, die aus den Fitnesswerten erhoben wird. Manche Spieler<br />
tra<strong>in</strong>ieren dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Block e<strong>in</strong>e physische (oder auch spielerische) Schwäche, e<strong>in</strong>e andere<br />
Gruppe tra<strong>in</strong>iert etwas anderes und es gibt e<strong>in</strong>e zusätzl<strong>ich</strong>e geme<strong>in</strong>same Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heit zum<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g von mannschafts- und gruppentaktischen Aspekten.<br />
Passend dazu hat Javier Mallo <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Studie[3] sogar die Auswirkung auf e<strong>in</strong> spanisches<br />
Profiteam untersucht, die Blockperiodisierung wurde auch auf den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halt <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Saison und die Mesozyklen angewandt.<br />
14
Der serbische FK Rad unter ihrem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsexperten Milan Jovanovic h<strong>in</strong>gegen hat re<strong>in</strong> die<br />
physischen Aspekte im Kollektiv vor der Saison aufgeteilt, die taktischen und technischen<br />
wurden im Verbund ebenfalls kollektiv zu den physischen Aspekten tra<strong>in</strong>iert, wie folgendes<br />
Bild aus Jovanovics „Physical Preparation for Soccer“ zeigt.<br />
Milan Jovanovics Konzept beim FC Rad<br />
<strong>Das</strong> Blocktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g müsste nach eigenem Selbstverständnis eigentl<strong>ich</strong> gut zu Fußball passen.<br />
Issur<strong>in</strong> führte zum Beispiel aus, dass die klassische Periodisierung s<strong>ich</strong> auf zu viele Ziele<br />
konzentriert. Dadurch kann sie schwächeren Athleten wie beispielsweise Anfängern genug<br />
Reize geben, um sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er breiten Anzahl an Fähigkeiten schnell zu verbessern, ist aber für<br />
Hochleistungsathleten suboptimal.<br />
Issur<strong>in</strong> führte auch aus, dass es Diskrepanzen zwischen der klassischen Periodisierung und der<br />
Praxis gäbe. Als Beispiele nennt er die Unmögl<strong>ich</strong>keit für mehrere „Peaks“, langfristige<br />
Nachteile, mangelnde Reiz<strong>in</strong>tensität und negative Interaktionen bei der Belastung des Körpers<br />
15
<strong>in</strong> unterschiedl<strong>ich</strong>en physischen Aspekten, wie er im „Journal of sports medic<strong>in</strong>e and physical<br />
fitness“ aus dem Jahre 2008, Volume 48, Ausgabe 1, Seite 65-75 erklärt.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs hat man im Fußball e<strong>in</strong>e Art „durchgehenden Peak“ und e<strong>in</strong>e Vielzahl komplexer<br />
Eigenschaften, weswegen die Blockperiodisierung maximal <strong>in</strong> der Anfangsphase im<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslager praktikabel wäre. Aber auch hier ist sie mit der modernen Art zu tra<strong>in</strong>ieren,<br />
näml<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>er mögl<strong>ich</strong>st realitätsnahen Abbildung des Spielgeschehens <strong>in</strong> Spielformen und<br />
E<strong>in</strong>zelsituationen, unvere<strong>in</strong>bar. E<strong>in</strong>zig e<strong>in</strong> Vorgehen, wo über die Saison h<strong>in</strong>weg bestimmte<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziele immer wieder <strong>in</strong> blockartigen Mesozyklen angeordnet werden, wäre wohl mit<br />
Erfolg mögl<strong>ich</strong>, wie auch die Studie Mallos zeigt.<br />
Literaturverze<strong>ich</strong>nis:<br />
[1]: Матвеев, Л. П. (1964). Проблема периодизации спортивной тренировки [Problem of periodization<br />
of sport practice]. Moscow, RU: Физкультура и спорт<br />
[2]: Issur<strong>in</strong>, VB. (2010). New horizons for the methodology and physiology of tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g periodization.<br />
Sports Med 40 (3): 189-206.<br />
[3]: Mallo, J. (2011). Effect of block periodization on performance <strong>in</strong> competition <strong>in</strong> a soccer team dur<strong>in</strong>g<br />
four consecutive seasons: A case study. International Journal of Performance Analysis <strong>in</strong> Sport, 11(3), pp.<br />
476-485.<br />
[4]: Fröhl<strong>ich</strong>, M., Müller, T., Schmitble<strong>ich</strong>er, D., & Emr<strong>ich</strong>, E. (2009). Outcome-Effekte verschiedener<br />
Periodisierungsmodelle im Krafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Deutsche Zeitschrift für Sportmediz<strong>in</strong> (10). 2009<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Issur<strong>in</strong>, VB. (2008). Block Periodization: Breakthrough <strong>in</strong> Sport Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />
Seiler, S. (2010). What is best practice for tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong>tensity and duration distribution<br />
<strong>in</strong> endurance athletes?. Int J Sports Physiol Perform 5(3): 276-291<br />
16
Periodisierungstechniken: Die<br />
Wellenperiodisierung<br />
Im Krafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g gibt es e<strong>in</strong>en aktuell sehr populären Trend <strong>in</strong> der Periodisierung: Die<br />
Wellenperiodisierung. Vors<strong>ich</strong>t vor e<strong>in</strong>em false-friend: Auf englisch heißt es „Undulat<strong>in</strong>g<br />
model“, die „wave periodiziation“ beze<strong>ich</strong>net näml<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>e Variante der klassischen<br />
Periodisierung. Diese Art der Periodisierung ist verwandt mit der Multi-Stufen-Periodisierung<br />
(von Peter Coe im Lang- und Mittelstreckenlauf <strong>in</strong> den frühen 70ern entwickelt) und beides<br />
wird auch oft als <strong>in</strong>nere<strong>in</strong>heitl<strong>ich</strong>e Periodisierung“ beze<strong>ich</strong>net.<br />
Bei der wellenförmigen Periodisierung wird <strong>in</strong>nerhalb von sehr kurzen Abständen, oft von<br />
e<strong>in</strong>em Tag auf den anderen, das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g variiert. Es verändert s<strong>ich</strong> dabei bei den Übungen,<br />
bei der Intensität, dem Volumen und dem jeweiligen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziel (bspw. Wechsel von<br />
Maximalkraft auf Schnellkraft). <strong>Das</strong> kl<strong>in</strong>gt erst e<strong>in</strong>mal unlogisch, hat aber e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>teressante<br />
Aspekte.<br />
Entstehung der wellenförmigen Periodisierung<br />
Erstmals erwähnt wurde die wellenförmige Periodisierung von Poliqu<strong>in</strong> im Jahre 1988. Se<strong>in</strong><br />
Werk „Five ways to <strong>in</strong>crease the effectiveness of your strength tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g program” im National<br />
Strength & Condition<strong>in</strong>g Association Journal, 10(3), Seite 30-33, erwähnte dabei die Vorteile<br />
e<strong>in</strong>es mögl<strong>ich</strong>en andauernden Wechsels der Belastung <strong>in</strong> ihren Aspekten.<br />
Diese Vorteile s<strong>in</strong>d re<strong>in</strong> logisch schon klar ers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>. Durch e<strong>in</strong>e Variation der Übungen, der<br />
Intensität und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziele kann der Körper n<strong>ich</strong>t nur öfter, sondern auch variabler gefordert<br />
werden. Dies erzeugt e<strong>in</strong>e größere Schockreaktion und tra<strong>in</strong>iert den Körper, da dieser s<strong>ich</strong><br />
n<strong>ich</strong>t so simpel anpassen kann. Da oftmals auch unterschiedl<strong>ich</strong>e Systeme angesprochen und<br />
gereizt werden, kann bei Berücks<strong>ich</strong>tigung der jeweiligen Wechselwirkungen durchaus auch<br />
etwas öfter tra<strong>in</strong>iert werden. Man merkt e<strong>in</strong>en (versuchten) Paradigmenwechsel: Die<br />
Blockperiodisierung geht davon aus, dass man durch die Fokussierung, das Erlernen der<br />
Technik und die schnelle Erhöhung des Niveaus besser tra<strong>in</strong>ieren kann, die<br />
Wellenperiodisierung geht eher von e<strong>in</strong>er biologischen Seite daran heran und kommt zu<br />
e<strong>in</strong>em anderen Schluss.<br />
So argumentierten Baker et al. 1994 <strong>in</strong> ihrem Werk “Periodization: the effect on strength of<br />
manipulat<strong>in</strong>g volume and <strong>in</strong>tensity” im Journal of Strength and Condition<strong>in</strong>g Research, 8(4),<br />
Seite 235-242 mit e<strong>in</strong>er Prävention neuraler Erschöpfung. E<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>eare Periodisierung<br />
betrachtet Ermüdung spezifisch für e<strong>in</strong>en Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halt und baut deshalb von e<strong>in</strong>em<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsreiz auf den anderen auf; dies kann zu ger<strong>in</strong>gerem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gseffekt führen.<br />
E<strong>in</strong>e Variation zwischen hoch<strong>in</strong>tensivem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit großem Volumen sowie<br />
Veränderung der jeweiligen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziele kann diesem vorbeugen und bei stärkerer<br />
Beanspruchung unterschiedl<strong>ich</strong>er Systeme zu mittelfristig und langfristig größeren<br />
17
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gseffekten <strong>in</strong> der Gesamtheit der Fähigkeiten führen. E<strong>in</strong>e größere Belastung des<br />
neuromuskulären Systems gilt als die Ursache für körperl<strong>ich</strong>e Verbesserungen, bei der<br />
wellenförmigen Periodisierung wird diese am größten.<br />
E<strong>in</strong>e Studie von Rhea et al. aus dem Jahre 2002 namens „ A Comparison of L<strong>in</strong>ear vs.<br />
Undulat<strong>in</strong>g Periodized Porgrams with Equated Volume and Intensity for Strength“ im<br />
„Journal of Strength and Condition<strong>in</strong>g“, Seite 250-55, bewies positive Befunde für e<strong>in</strong>e<br />
größere Steigerung bei der wellenförmigen Periodisierung.<br />
Die Gruppe mit dem tägl<strong>ich</strong> variierenden Programm verbesserte s<strong>ich</strong> z.B. beim Bankdrücken<br />
um beachtl<strong>ich</strong>e 28,78% Prozent, während die l<strong>in</strong>ear tra<strong>in</strong>ierende Gruppe s<strong>ich</strong> um nur 14,37%<br />
verbesserte. Der erhöhte Stress und die Variabilität der Übung sorgen nach dieser Studie für<br />
erhöhte Effekte, anstatt wie bei e<strong>in</strong>er monatl<strong>ich</strong>en Veränderung und zuvor l<strong>in</strong>ear<br />
aufsteigendem Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />
Theoretisch könnte allerd<strong>in</strong>gs bei l<strong>in</strong>earen Verfahren etwas mehr E<strong>in</strong>fachheit für Anfänger<br />
ausgemacht werden. Wird längerfristig ohne größere Veränderungen tra<strong>in</strong>iert, dann entsteht<br />
natürl<strong>ich</strong> mehr Rout<strong>in</strong>e bei der Ausführung. Technische Fehler dürften dadurch seltener<br />
werden, was die Effektivität der Ausführung und damit der Wirkung erhöht.<br />
Beim Krafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g hat s<strong>ich</strong> die wellenförmige Periodisierung auf höchstem Niveau aber<br />
durchgesetzt. Powerlifter Ed Coan oder der vierfache Mr. Olympia Jay Cutler oder auch Mr.<br />
Olympia Phil Heath tra<strong>in</strong>ieren damit, sie verändern ihre Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsweise nahezu von e<strong>in</strong>er<br />
Übung zur anderen.<br />
Der Vorteil ersche<strong>in</strong>t logisch: Sie bef<strong>in</strong>den s<strong>ich</strong> bereits auf so e<strong>in</strong>em hohen Niveau, dass e<strong>in</strong>e<br />
Blockperiodisierung nur für kle<strong>in</strong>e Fortschritte sorgt, diese aber während der anderen Blocks<br />
schneller abnehmen, als bei „normal“ tra<strong>in</strong>ierten Athleten. E<strong>in</strong>e klassische Periodisierung zur<br />
Wettkampfphase hätte e<strong>in</strong> ähnl<strong>ich</strong>es Problem. Es dürfte fragl<strong>ich</strong> se<strong>in</strong>, trotz muskulärer<br />
Er<strong>in</strong>nerungseffekte, zur jeweiligen Peak-Zeit auf das wirkl<strong>ich</strong> optimale Niveau zu kommen,<br />
obgle<strong>ich</strong> diese Art der Periodisierung weitestgehend genutzt wird; sie ist auch mit der<br />
wellenförmigen Periodisierung vere<strong>in</strong>bar, wie <strong>ich</strong> später noch ausführen möchte.<br />
Mit der wellenförmigen Periodisierung können Kraftathleten das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g variieren und<br />
unterschiedl<strong>ich</strong>e Aspekte jeweils verschieden fordern. Fleck et al. 2001 vergl<strong>ich</strong>en dafür<br />
wellenförmige Periodisierung mit Blocktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Jene Athleten im Kraftbere<strong>ich</strong>, die e<strong>in</strong>e<br />
wellenförmige Periodisierung nutzten, hatten signifikant höhere Werte. Beim Blocktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
wurde auf diesem Niveau nach 3-6 Monaten e<strong>in</strong> Deckeneffekt erre<strong>ich</strong>t.<br />
18
E<strong>in</strong>e wellenförmige Periodisierung im Rugby, genommen von dieser Seite. Fokus liegt auch<br />
hier auf Kraft.<br />
Wie genau lässt s<strong>ich</strong> das jedoch abseits des Kraftsports nutzen?<br />
Nutzung im Fußball<br />
<strong>Das</strong> Ziel der wellenförmigen Periodisierung ist im Grunde ähnl<strong>ich</strong> wie bei der Multi-Stufen-<br />
Periodisierung e<strong>in</strong>e multidiszipl<strong>in</strong>äre Schulung des Körpers. Coe tra<strong>in</strong>ierte dafür gle<strong>ich</strong><br />
mehrere Aspekte auf e<strong>in</strong>mal, beim Krafttra<strong>in</strong><strong>in</strong>g wird ähnl<strong>ich</strong>es durch schnelle Abfolge von<br />
variablen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gszielen im Tages- und Wochenrhythmus erzielt. Insbesondere beim<br />
Laufsport liegen die Vorteile auf der Hand: Wechsel zwischen den jeweiligen<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsgruppen und körperl<strong>ich</strong>en Systemen gehen e<strong>in</strong>facher vonstatten, da ke<strong>in</strong>es zeitweise<br />
unterentwickelt ist. Überbelastung und Verletzungen verr<strong>in</strong>gern s<strong>ich</strong>.<br />
Interessant: Die wellenförmige Periodisierung ist theoretisch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e klassische Periodisierung<br />
e<strong>in</strong>zubetten. Der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halt <strong>in</strong> Mesozyklen wird dabei variiert, die Intensität und das<br />
Volumen fluktuieren ebenfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Rahmen auf und ab, dieser Rahmen wird<br />
aber nach e<strong>in</strong>em Pr<strong>in</strong>zip der klassischen Periodisierung nach oben oder nach unten geschoben.<br />
<strong>Das</strong> bedeutet, dass über e<strong>in</strong>en Jahres- bzw. Saisonverlauf mit der Intensität und dem Volumen<br />
19
gespielt wird. Metaphorisch gesprochen: Die Wellen schlagen manchmal weiter nach oben<br />
aus.<br />
Normalerweise könnte dies im Fußball praktiziert werden. E<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> wellenförmige<br />
Periodisierung dürfte <strong>in</strong> Sportarten wie dem Radsport oder der Le<strong>ich</strong>tathletik eher seltener<br />
verwendet werden, da man zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt topfit se<strong>in</strong> soll und bei e<strong>in</strong>er<br />
wellenförmigen Periodisierung eventuell daran vorbei tra<strong>in</strong>ieren, noch n<strong>ich</strong>t <strong>in</strong> Topform se<strong>in</strong><br />
oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en unpassenden Biozyklus kommen könnte. Beim vorher schon erwähnten<br />
Bodybuild<strong>in</strong>g h<strong>in</strong>gegen lässt s<strong>ich</strong> der Körper durch die Eigenheit dieser Sportart nahezu<br />
ganzjährl<strong>ich</strong> mit ähnl<strong>ich</strong>er Intensität tra<strong>in</strong>ieren und es gibt ledigl<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>e Art „Taper<strong>in</strong>g“-<br />
Phase unmittelbar vor Wettkampfbeg<strong>in</strong>n.<br />
Beim Fußball wäre es aber mögl<strong>ich</strong>, da hier die Periodisierung ohneh<strong>in</strong> stark durch den<br />
Spielplan und die Natur der Sportart vorgegeben ist; eigentl<strong>ich</strong> jeder Vere<strong>in</strong> muss <strong>in</strong> der Liga<br />
ohneh<strong>in</strong> so viele Punkte wie mögl<strong>ich</strong> schaffen, die Pause ist für alle gle<strong>ich</strong>, e<strong>in</strong>e besondere<br />
kurze Wettkampfphase gibt es n<strong>ich</strong>t. E<strong>in</strong>e Wellenperiodisierung über die Saison mit e<strong>in</strong>zelnen<br />
physischen Blockaspekten zuvor wäre hierbei e<strong>in</strong>e Variante.<br />
Wer mehr zum Thema erfahren möchte: Hierzulande gilt Professor Dietmar Schmidtble<strong>ich</strong>er<br />
als e<strong>in</strong> prom<strong>in</strong>enter Vertreter der wellenförmigen Periodisierung <strong>in</strong> der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswissenschaft.<br />
Literaturverze<strong>ich</strong>nis:<br />
Baker, D., Wilson, G., & Carlyon, R. (1994). Periodization: the effect on strength of manipulat<strong>in</strong>g volume<br />
and <strong>in</strong>tensity. Journal of Strength and Condition<strong>in</strong>g Research, 8(4), 235-242.<br />
Rhea M., Ball, S., Phillips, W., & Burkett, L. (2002). A Comparison of L<strong>in</strong>ear VS Undulat<strong>in</strong>g Periodized<br />
Programs with Equated Volume and Intensity for Strength. Journal of Strength and Condition<strong>in</strong>g, 16(2),<br />
250–255.<br />
Poliqu<strong>in</strong>, C. (1988). Five ways to <strong>in</strong>crease the effectiveness of your strength tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g program. National<br />
Strength & Condition<strong>in</strong>g Association Journal, 10(3), 30-33.<br />
20
Periodisierungstechniken: Die Coerver-<br />
Methode<br />
Bei der pyramidalen Periodisierung wollen wir uns den dafür bekanntesten Vertreter<br />
vornehmen: Die Coerver-Methode.<br />
Was ist die Coerver-Methode?<br />
Für viele ist die Coerver-Methode e<strong>in</strong> abstrakter Begriff; jeder hört davon, aber was genau<br />
praktiziert wird oder wie sie entstanden ist, dürfte weitestgehend unbekannt se<strong>in</strong>. Die<br />
Coerver-Methode ist e<strong>in</strong>erseits als Komponente andererseits auch als Gegenstück zur Zeister-<br />
Vision zu sehen, welche <strong>in</strong> den Niederlanden das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g seit der Zeit R<strong>in</strong>us M<strong>ich</strong>els<br />
dom<strong>in</strong>ierte. Bei der Zeister-Vision geht es um die Spielerentwicklung durch Spielformen und<br />
implizites Lernen mit e<strong>in</strong>er sehr freien Ausübung und ohne größere Anleitung.<br />
Die Coerver-Methode hat durchaus auch diese impliziten Aspekte und Spielformen <strong>in</strong> s<strong>ich</strong>,<br />
baut diese aber hierarchisch auf. Wiel Coerver entwickelte <strong>in</strong> den späten 70ern und frühen<br />
80ern diese Methode, <strong>in</strong> der die Basisfähigkeiten des Fußballs unterteilt und als Fundament<br />
komplexerer und abstrakterer Fähigkeiten ausgebildet werden. Alfred Galustian und Charlie<br />
Cook lernten Wiel Coerver 1983 <strong>in</strong> Philadelphia kennen. Sie griffen dessen<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden auf und entwickelten ab 1984 daraus mit der Coerver-Methode e<strong>in</strong>e<br />
Techniktra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethode zur Förderung von Jugendspielern.<br />
Theoretisch wäre es mögl<strong>ich</strong>, die Zeister-Vision als Fokussierung des Straßenfußballs zu<br />
sehen, während die Coerver-Methode die dafür benötigten Fähigkeiten extrahiert und e<strong>in</strong>en<br />
Zielfokus dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>baut. Bis heute gilt die Coerver-Methode als e<strong>in</strong>e der w<strong>ich</strong>tigsten<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden <strong>in</strong> der Jugendausbildung. Sie bildet Spieler hervorragend <strong>in</strong>dividuell aus,<br />
tra<strong>in</strong>iert Technik, Koord<strong>in</strong>ation, Press<strong>in</strong>gresistenz und Umsetzung dieser Fähigkeiten sehr<br />
präzise. Zwar werden ihr Schwächen beziehungsweise weniger ausgeprägte Stärken im<br />
Hochleistungssport unterstellt, sie wird jedoch von e<strong>in</strong>igen Tra<strong>in</strong>ern – <strong>in</strong>sbesondere aus den<br />
Niederlanden – auch im Hochleistungssport als s<strong>in</strong>nvolle Ergänzung verwendet. Viele<br />
Übungen und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskonzepte werden dabei <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit europäischen<br />
Topklubs entwickelt.<br />
Ähnl<strong>ich</strong> der Coerver-Methode entwickelte beispielsweise Johan Cruyff bei Ajax <strong>in</strong> den 80ern<br />
e<strong>in</strong> eigenes Modell. Diese dort entwickelte Skill-Box wird bis heute verwendet und wurde mit<br />
der Coerver-Methode <strong>in</strong>tegriert. Diese Skill-Box be<strong>in</strong>haltet Technik, Taktik, Fitness und<br />
Mentalität als Teilaspekte,wobei der maßgebl<strong>ich</strong>eFokus auf Technik liegt. Die Übungen<br />
selbst s<strong>in</strong>d dabei bei Ajax <strong>in</strong> e<strong>in</strong> repetitives Techniktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>en bestimmten Block zur<br />
Ergänzung und e<strong>in</strong>e Spielform mit e<strong>in</strong>em bestimmten mannschaftl<strong>ich</strong>en<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsschwerpunkt untergliedert.<br />
21
Bei Ajax wird im Jugendbere<strong>ich</strong> dann auch blockartig (sh. Blockperiodisierung) jeweils e<strong>in</strong><br />
Block für drei Wochen als Makrozyklus fokussiert, woraufh<strong>in</strong> im fünften Block (nach<br />
Technik, Taktik, Fitness und Mentalität als je e<strong>in</strong>em Block) e<strong>in</strong>e Mischung mit<br />
Individualtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong> kategorisierten Gruppen praktiziert wird, um bestimmte Stärken <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
„master class“ noch effektiver zu tra<strong>in</strong>ieren.<br />
Solche Mischungen gelten auch als Mitgrund der erfolgre<strong>ich</strong>en niederländischen<br />
Jugendarbeit, welche s<strong>ich</strong> <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en breitflächig auf die Coerver-Methode (<strong>in</strong>klusive<br />
eigener Methoden zur Erweiterung) zur Ausbildung ihrer Spieler verlässt. Auch der FC<br />
Bayern bildete se<strong>in</strong>e Jugendtra<strong>in</strong>er über 15 Jahre lang mit halbjährl<strong>ich</strong>en Sem<strong>in</strong>aren <strong>in</strong> der<br />
Coerver-Methode weiter bzw. aus und e<strong>in</strong> bekannter Vertreter im Hochleistungssport war<br />
lange Zeit im Profibere<strong>ich</strong> tätig: René Meulensteen, der langjährige Co-Tra<strong>in</strong>er von Sir Alex<br />
Ferguson und aktuelle Tra<strong>in</strong>er von Fulham, welcher auch e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen<br />
auf se<strong>in</strong>er Internetseite präsentiert.<br />
Wie sieht die Coerver-Methode aus?<br />
Wie angedeutet konzentriert s<strong>ich</strong> die Coerver-Methode vorrangig auf die Spielerausbildung<br />
und hat Grundaspekte des Fußballspiels hierarchisch unterteilt. Dafür gibt es bei der Coerver-<br />
Methode e<strong>in</strong>e Pyramide mit sechs Stufen, welche <strong>in</strong> 1997 e<strong>in</strong>geführt wurde und von Galustian<br />
etabliert wurde. Sie zeigt die Hierarchie der Fähigkeiten. Diese werden <strong>übrigens</strong> n<strong>ich</strong>t immer<br />
<strong>in</strong> dieser Reihenfolge und isoliert tra<strong>in</strong>iert, sondern an die jeweiligen Bedürfnisse der<br />
Mannschaft angepasst und/oder mite<strong>in</strong>ander verbunden.<br />
Bild der Coerver-Pyramide von deren Homepage<br />
Auf der untersten Stufe steht die Ballbeherrschung. Diese gilt logischerweise als die Basis für<br />
alle darauffolgenden spielerischen Handlungen im Fußball. Gelehrt werden motorische<br />
Aspekte bei der Ballführung, die r<strong>ich</strong>tige Technik dabei, die koord<strong>in</strong>ativen Fähigkeiten und<br />
die Präzision der Ballführung. Tra<strong>in</strong>iert werden auch solche D<strong>in</strong>ge wie Jonglieren oder<br />
zahlre<strong>ich</strong>e andere Übungen.<br />
22
Primär geht es um die Ballbeherrschung. Der Spieler soll s<strong>ich</strong> mit dem Ball selbst verbessern,<br />
dazu gibt es über 100 verschiedene Übungen, abhängig vom Alters- und Leistungsniveau.<br />
Vorrangig werden diese Übungen im Aufwärmteil genutzt, wenn die jeweiligen Stufen der<br />
Pyramide n<strong>ich</strong>t isoliert tra<strong>in</strong>iert werden.<br />
Es geht hauptsächl<strong>ich</strong> um das Kennenlernen des Balles und jene Fähigkeiten, welche e<strong>in</strong>en<br />
Umgang mit dem Ball überhaupt erst ermögl<strong>ich</strong>en.<br />
Die zweite Stufe ist die Ballannahme und das Passspiel. Hier sollen die zuvor erworbenen<br />
technischen Fähigkeiten auf die Interaktion mit e<strong>in</strong>em Mitspieler und die dazugehörigen<br />
Eigenschaften ausgeweitet werden. Mit welcher Fußseite werden Pässe gespielt, wie und wo<br />
muss man den Ball treffen oder wie soll dieser s<strong>ich</strong> bewegen? Dies s<strong>in</strong>d die zentralen<br />
Fragestellungen des zweiten Lehrplans. Zuvor wurde die Basis gesetzt, überhaupt mit dem<br />
Ball umgehen zu können, jetzt gibt es e<strong>in</strong>en ersten Schritt zum r<strong>ich</strong>tigen Umgang. Von „wie<br />
<strong>habe</strong> <strong>ich</strong> den Ball grundsätzl<strong>ich</strong> bei mir?“ geht es über zu „wie stoppe <strong>ich</strong> mir den Ball auf<br />
Basis der Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und wie löse <strong>ich</strong> die Situation?“.<br />
Im dritten Teil geht es um das 1-gegen-1 <strong>in</strong> unterschiedl<strong>ich</strong>sten Formen. E<strong>in</strong> großer Fokus<br />
liegt auf Zweikämpfen, offensiv und defensiv, dazu <strong>in</strong>dividualtaktische Fähigkeiten wie zum<br />
Beispiel F<strong>in</strong>ten und die präzise Anwendung dieser. Die dritte Phase wird mitunter als die<br />
prägendste der gesamten Pyramide gesehen. Sie hat zwar ke<strong>in</strong> explizites<br />
Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal, aber wird sehr detailliert <strong>in</strong> Theorie und Praxis ausgearbeitet.<br />
Zusätzl<strong>ich</strong> ist sie wohl jener Teil, welches für den Laien am Auffälligsten ist.<br />
Der E<strong>in</strong>fluss des Coaches ist hier ebenfalls besonders groß. Jeder Coach erhält bei der<br />
Coerver-Ausbildung e<strong>in</strong>e Schulung darüber, wie genau welche F<strong>in</strong>ten umgesetzt werden. Wie<br />
sieht die Körperhaltung aus, wie wird angelaufen, welche Teilsegmente hat diese Bewegung,<br />
wo können Variationen entstehen und wann wendet man sie an? Diese Fragen und noch<br />
e<strong>in</strong>ige mehr werden beantwortet. Später wird dies <strong>in</strong> statischen Situationen mit Hütchen, <strong>in</strong><br />
Trockenübungen, <strong>in</strong> repetitiven dynamisch-koord<strong>in</strong>ativen Übungen sowie <strong>in</strong> Spielformen<br />
tra<strong>in</strong>iert.<br />
Geht es n<strong>ich</strong>t gerade um die Skill-Akquise bei jungen Spielern, wird im Hochleistungssport<br />
oder generell auf höherem Niveau vermehrt wettkampfnah und mit Abbildungen von realen<br />
Spielsituationen tra<strong>in</strong>iert. <strong>Das</strong> 1-gegen-1 gilt dabei als jene Fähigkeit, die benötigte Raum und<br />
Zeit zum Passen, Schießen und Laufen zu kreieren.<br />
Schnelligkeit ist die vierte Stufe. Dies ist n<strong>ich</strong>t ausschließl<strong>ich</strong> die Schnelligkeit im klassischen<br />
S<strong>in</strong>ne, sondern auch jene bei gle<strong>ich</strong>bleibender Präzision der genannten spielerischen<br />
Fähigkeiten. Sie umfasst auch Aspekte wie mentale Dynamik und Handlungsschnelligkeit.<br />
Oftmals werden hier Schnelligkeitsspiele mit Ball oder Parcours mit dynamischen<br />
Zweikampfsituationen verbunden. W<strong>ich</strong>tig ist das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g der Schnellkraft, der schnellen<br />
Auffassung und e<strong>in</strong>er präzisen Anwendung der vorher gelernten Fähigkeiten <strong>in</strong> dynamischen<br />
Situationen.<br />
In der fünften Stufe, dem „Abschluss“, werden die bisher errungenen Eigenschaften auf das<br />
Tor und den Abschluss fokussiert. Die Spieler lernen mit den Techniken aus dem 1-gegen-1<br />
23
s<strong>ich</strong> <strong>in</strong> Zweikämpfen durchzusetzen und daraufh<strong>in</strong> zum Abschluss zu kommen sowie diesen<br />
erfolgre<strong>ich</strong> zu gastalten. Dabei sollen die Spieler teilweise auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Gruppen mit<br />
Komb<strong>in</strong>ationen und eben der erwähnten Nutzung des 1-gegen-1 zum Abschluss zu kommen.<br />
Dies wird speziell deswegen praktiziert, weil s<strong>ich</strong> vor dem Tor durch den Zugriff auf das<br />
ultimative Ziel des Spiels taktische Begebenheiten, wie zum Beispiel die Ausr<strong>ich</strong>tung der<br />
Bewegungen oder auch die Art der Raumdeckung verändern.<br />
Bei Bedarf wird beim Abschluss auch auf die genaue Art des Schießens geachtet und e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>haltung der zuvor erstellten Normen und Bewegungen beim Fokus auf diese aus<br />
strategisch-taktischer H<strong>in</strong>s<strong>ich</strong>t etwas spezielle Situation.<br />
Auf dieser Gesamtheit basiert dann das gruppentaktische Spiel. Hier gibt es n<strong>ich</strong>t nur 1-<br />
gegen-1-Situationen oder M<strong>in</strong>i-Spielformen, sondern die Spieler lernen im Verbund<br />
Aufgaben zu lösen, Kämpfe um den Ball mit mehr als zwei Leuten zu gew<strong>in</strong>nen. Dies umfasst<br />
komplexere taktische Komponenten sowie natürl<strong>ich</strong> das Komb<strong>in</strong>ationsspiel <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en<br />
Gruppen und Spielformen. Hier wird die passende Umsetzung der offensiven und defensiven<br />
Zweikämpfe sowie der technischen Fähigkeiten gefördert.<br />
Nach Ans<strong>ich</strong>t der Coerver-Methode ist e<strong>in</strong> Fußballspiel n<strong>ich</strong>ts anderes als die<br />
Ane<strong>in</strong>anderreihung von 1-gegen-1, 2-gegen1, 1-gegen-2, 2-gegen-2, 3-gegen-2 und ähnl<strong>ich</strong>en<br />
Situationen, bei der jeweils nur e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Gruppe von Spielern an e<strong>in</strong>er Aktion beteiligt ist<br />
und s<strong>ich</strong> die Spielsituation nach e<strong>in</strong>em Ortswechsel ändert (Rafael Wieczorek, 2014), wonach<br />
s<strong>ich</strong> auch die Konzeption der Spielformen ausr<strong>ich</strong>tet.<br />
Interessant ist, dass bei der Coerver-Methode das explizite Lernen e<strong>in</strong>en großen Teil<br />
e<strong>in</strong>nimmt. Der Spieler erhält dafür vorgeplante Bewegungsabläufe, die er <strong>in</strong> se<strong>in</strong> natürl<strong>ich</strong>es<br />
Bewegungsrepertoire aufnehmen kann. Die Bewegungen werden oftmals angeleitet und<br />
gelehrt, e<strong>in</strong> diplomierter Coerver-Lehrer erlernt beispielweise die genauen Bewegungsmuster<br />
bei e<strong>in</strong>zelnen Bewegungen und F<strong>in</strong>ten, damit er sie dann so weitergeben kann.<br />
Insgesamt gibt es <strong>in</strong> diesem Programm 47 verschiedene Ausspielbewegungen. Dem Spieler<br />
werden diese vermittelt, um ihm Mögl<strong>ich</strong>keiten im Wettkampf aufzuzeigen. Die Wahl bleibt<br />
letztl<strong>ich</strong> dem Spieler selbst überlassen und soll situativ r<strong>ich</strong>tig angewandt werden.<br />
Der ideale Coerver-Fußballer sollte darum auch im Stande se<strong>in</strong>, dass er Bewegungen abrupt<br />
abruft, dass er e<strong>in</strong> großes Repertoire an Bewegungen besitzt und diese variabel mite<strong>in</strong>ander<br />
verb<strong>in</strong>den kann. Die Kritik an der Coerver-Methode r<strong>ich</strong>tete s<strong>ich</strong> aber auch weitestgehend an<br />
der Umsetzung dieses Idealbilds. Vielen mangelt es nach dieser Kritik <strong>in</strong> der Ausbildung<br />
dieser Bewegungsmuster an den nötigen situationsbed<strong>in</strong>gten Begebenheiten und e<strong>in</strong>em<br />
Gegneraspekt, wodurch – so die Kritik – diese Fähigkeiten n<strong>ich</strong>t immer korrekt im Bezug auf<br />
die Situation und den Druck umgesetzt werden können.<br />
Dabei muss gesagt werden, dass die Coerver-Methode <strong>in</strong> den vergangenen Jahren und<br />
Jahrzehnten immer wieder gewisse Veränderungen durchlebt hat. N<strong>ich</strong>t nur die Bewegungen,<br />
F<strong>in</strong>ten und die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodik werden überarbeitet, sondern es gibt auch e<strong>in</strong>e<br />
Veränderung. Spielformen wie das 3-gegen-3 werden deutl<strong>ich</strong> früher und <strong>in</strong>tensiver<br />
e<strong>in</strong>gearbeitet, zusätzl<strong>ich</strong> gibt es e<strong>in</strong>ige „Geheimnisse“ <strong>in</strong> der Vermittlung von<br />
24
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsaspekten und Bewegungsmustern. Teilweise wird dann explizit erklärt, wann genau<br />
diese Fähigkeit anwendbar ist, die F<strong>in</strong>ten werden <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelschritte zergliedert und es gibt e<strong>in</strong><br />
„Positive Push<strong>in</strong>g“, welches s<strong>ich</strong> an die spielpsychologische Komponente r<strong>ich</strong>tet (generell<br />
viel Lob für das Selbstbewusstse<strong>in</strong>, re<strong>in</strong> konstruktive Kritik, Ansporn durch Lob).<br />
Beim modernen Coerver Coach<strong>in</strong>g geht es verstärkt um das „Erlernen und effektive E<strong>in</strong>setzen<br />
technischer Fähigkeiten“. N<strong>ich</strong>t nur das 1-gegen-1 gilt als e<strong>in</strong>e solche technische Fähigkeit,<br />
sondern verstärkt auch das Passspiel, die Ballannahme oder die Koord<strong>in</strong>ation der Ballführung.<br />
In den Spielformen wird den Spielern darum auch die Mögl<strong>ich</strong>keit zur freien Entscheidung<br />
zwischen diesen Aktionen gegeben.<br />
Beim 1-gegen-1 wird auch gesondert auf gruppentaktische Aspekte geachtet: Wo steht der<br />
Gegenspieler? Wie bewege <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> gerade? In welcher strategischen Position b<strong>in</strong> <strong>ich</strong>? Viele<br />
Vere<strong>in</strong>e nutzen die Coerver-Methode heutzutage darum n<strong>ich</strong>t zur Vermittlung von F<strong>in</strong>ten und<br />
Bewegungsmustern, sondern zur Erlernung der gezielten Umsetzung dieser im Wettkampf.<br />
<strong>Das</strong> Fortschreiten <strong>in</strong>nerhalb dieser Pyramide läuft zumeist gle<strong>ich</strong> ab. In der jeweiligen Stufe<br />
wird die Basis erlernt und perfektioniert. Daraufh<strong>in</strong> werden die Anforderungen und die<br />
Komplexität gesteigert, wieder perfektioniert und man steigt zur nächsten Stufe auf. Nach<br />
oben gibt es kaum Interaktionen, damit Fehler n<strong>ich</strong>t mitgenommen werden.<br />
Nach unten wiederum gibt es durch die hierarchische Aufteilung wiederum viele<br />
Interaktionen, was dafür sorgt, dass die jeweiligen fundamentalen Fähigkeiten weiter gefestigt<br />
werden und n<strong>ich</strong>t im Laufe der Zeit abnehmen. Dies ermögl<strong>ich</strong>t e<strong>in</strong> sehr großes Repertoire an<br />
potenziell präzise und schnell abrufbaren Bewegungsmustern. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es dennoch e<strong>in</strong><br />
paar kritische Betrachtungen an der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodik.<br />
E<strong>in</strong>ordnung der Coerver-Methode<br />
Neben dem Aspekt der praktischen Umsetzung <strong>in</strong> Drucksituationen oder der korrekten<br />
Entscheidungsf<strong>in</strong>dung gibt es auch andere Kritikpunkte an der Coerver-Methode. E<strong>in</strong>e oft<br />
erwähnte Kritik bezieht s<strong>ich</strong> dabei vorrangig auf die enorme Repetition von e<strong>in</strong>zelnen<br />
Bewegungen. Wie effektiv können diese se<strong>in</strong>? Und <strong>in</strong>wiefern geben sie den K<strong>in</strong>dern<br />
Fähigkeiten auf Kosten von mögl<strong>ich</strong>er Langeweile? Außerdem wird kritisiert, dass der<br />
Teamaspekt vernachlässigt wird und die Tra<strong>in</strong>er enorme Fähigkeiten <strong>in</strong> der<br />
Bewegungskorrektur, <strong>in</strong> verbaler Kompetenz sowie bei ihrer dynamischen Auffassungsgabe<br />
besitzen müssen. Auch die Komplexität e<strong>in</strong>zelner Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen ist oft Gegenstand von<br />
Kritik.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs ist auch nach der Coerver-Methode Fußball e<strong>in</strong> Teamsport. Es wird jedoch im<br />
S<strong>in</strong>ne des Teamgedankens auch <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die <strong>in</strong>dividuelle Verbesserung gedacht.<br />
Frei nach V<strong>in</strong>cente del Bosque „Sofern Spieler technisch n<strong>ich</strong>t perfekt ausgebildet, ist das<br />
System und die Taktik egal. Auf dem höchsten Level wird man vorauss<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> immer<br />
verlieren“ wird darum auf die E<strong>in</strong>zelspieler geachtet. Nach Rafael Wieczorek, Coerver<br />
Coach<strong>in</strong>g Director für Deutschland und Österre<strong>ich</strong>, macht die Stärke e<strong>in</strong>es Teams die Summe<br />
25
der <strong>in</strong>dividuellen Fähigkeiten nach e<strong>in</strong>em ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz (technisch, physisch,<br />
psychisch, etc.) aus.<br />
Persönl<strong>ich</strong> würde <strong>ich</strong> auch eher davon ausgehen, dass die Kritik an diesen Aspekten und<br />
<strong>in</strong>sbesondere an der Komplexität des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs eher e<strong>in</strong>e Kritik an der Umsetzbarkeit und<br />
Umsetzung ist. Bei e<strong>in</strong>em kompetenten Tra<strong>in</strong>er bzgl. Vermittlung, Zerlegung der Übung und<br />
Fähigkeiten zur schnellen konstruktiven Korrektur sollten ke<strong>in</strong>erlei Probleme bestehen.<br />
Komplexe Passübungen können zu Beg<strong>in</strong>n zum Beispiel <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelübungen aufgeteilt werden.<br />
Ich würde eher die große Kommerzialisierung kritisieren und möchte noch anführen, dass<br />
nahezu jeder Nachwuchstra<strong>in</strong>er, der e<strong>in</strong>e sehr junge Mannschaft übernimmt und diese plant<br />
langfristig zu begleiten, naturgemäß e<strong>in</strong>e pyramidale Hierarchisierung se<strong>in</strong>er<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethode aufbaut (fundamentale Koord<strong>in</strong>ation für Technik und zum Laufen selbst –<br />
Technik und Physis – Kollektivspiel und Übergang <strong>in</strong>s Wettkampfalter z.B.). Gle<strong>ich</strong>zeitig<br />
obliegt es natürl<strong>ich</strong> jedem Tra<strong>in</strong>er selbst, ob und wie viel Geld er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Weiterbildung<br />
aufwendet und diese ist leider <strong>in</strong> fast allen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden, n<strong>ich</strong>t nur beim Coerver-<br />
Coach<strong>in</strong>g, gegeben.<br />
Der große Vorteil liegt <strong>in</strong> dem geplanten Konzept der Coerver-Methode, der Vielfalt an<br />
Bewegungsmustern und der Analyse von zahlre<strong>ich</strong>en Fußballspielern, um ihre Effektivität zu<br />
ergründen und die dazugehörigen Bewegungen präzise vermitteln zu können. Zum Beispiel<br />
werden die Tra<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Bewegungen und F<strong>in</strong>ten von großen Spielern so ausgebildet, dass sie<br />
diese vorzeigen und erklären können. Ob sie aber wirkl<strong>ich</strong> <strong>in</strong>-depth-Analysen von Messi wie<br />
bei uns zum Lesen verteilen, ist n<strong>ich</strong>t überliefert.<br />
Mögl<strong>ich</strong> wäre es auch noch stärkere und mehr Interaktionen zwischen den jeweiligen<br />
Pyramiden aufzubauen. Auch Arsene Wenger passte die Coerver-Methode bei Arsenal an<br />
se<strong>in</strong>e eigenen Maßstäbe und e<strong>in</strong>e größere Spielphilosophie an. Auch, wie <strong>in</strong> diesem<br />
lesenswerten Alternativartikel zur Coervermethode erklärt, gibt es womögl<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>en zu<br />
großen Fokus auf den Zweikampf <strong>in</strong> der <strong>in</strong>haltl<strong>ich</strong>en Vermittlung und Ausbildung.<br />
Dazu sagt aber Rafael Wieczorek, dass das Coerver-Coach<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Techniktra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethode<br />
und ke<strong>in</strong>e 1-gegen-1-Methode ist. Es gibt beispielsweise Schulungen zu Themen wie<br />
„Passspiel <strong>in</strong> Spanien“ oder „Fast Break wie Deutschland“ als Schwerpunkte und Sem<strong>in</strong>are zu<br />
Gruppentaktik.<br />
Die Brazilian Soccer Schools schlagen <strong>übrigens</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ähnl<strong>ich</strong>e Kerbe wie die Coerver-<br />
Methode.<br />
26
Periodisierungstechniken: Die taktische<br />
Periodisierung<br />
Periodisierungsarten gibt es <strong>in</strong> allen Varianten und Formen, wie die letzten Artikel gezeigt<br />
<strong>habe</strong>n. In diesem Artikel wollen wir das Grundpr<strong>in</strong>zip der „taktischen Periodisierung“ unter<br />
die Lupe nehmen. Bei der taktischen Periodisierung handelt es s<strong>ich</strong> um e<strong>in</strong>e<br />
fußballspezifische Periodisierung des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halts.<br />
Die Ursprünge<br />
<strong>Das</strong> Konzept der taktischen Periodisierung lässt s<strong>ich</strong> ursprüngl<strong>ich</strong> weit zurückverfolgen.<br />
Bereits Ernst Happel hatte unterschiedl<strong>ich</strong>e Konzepte im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsspiel, bei denen jeweils<br />
unterschiedl<strong>ich</strong>e Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gssituationen und der Übergang dazwischen tra<strong>in</strong>iert werden sollten.<br />
Auch Bill Shankly konzentrierte s<strong>ich</strong> bei se<strong>in</strong>en Übungen auf Spielformen, welche<br />
spielerische und taktische Situationen replizierten.<br />
Louis van Gaal entwickelte ebenfalls e<strong>in</strong>e eigene Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gslehre, <strong>in</strong> der das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und die<br />
Spielerentwicklung <strong>in</strong> vier Themenkomplexe aufgeteilt werden. Diese bestehen aus Pass- und<br />
Ballspielformen, Positionsspielformen, Systemübungen und Mannschaftsspielen. Volker<br />
F<strong>in</strong>ke hatte ebenfalls e<strong>in</strong> penibel ausgearbeitetes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskonzept, welches auf dem<br />
entdeckenden und impliziten Lernen basierte, die Taktik stark <strong>in</strong> den Vordergrund rückte und<br />
vorrangig auf Spielformen basierte. In diesem Interview während se<strong>in</strong>er Zeit bei den Urawa<br />
Reds lässt er ansatzweise etwas durchblicken.<br />
Als bekanntester Vertreter e<strong>in</strong>es solchen Konzepts gilt allerd<strong>in</strong>gs José Mour<strong>in</strong>ho. Der Begriff<br />
der „taktischen Periodiosierung“ wird meistens mit ihm verbunden. Dieses Konzept dient als<br />
das am meisten durchgeplante von allen. Ursprüngl<strong>ich</strong> basiert die „periodização tática“<br />
allerd<strong>in</strong>gs auf jemand anderem. Der Sportwissenschaftler Vitor Frade hatte dieses Konzept <strong>in</strong><br />
den späten 90ern entwickelt, vor José Mour<strong>in</strong>ho hatte schon Guus Hidd<strong>in</strong>k diese Methodik<br />
angewandt.<br />
Heute arbeiten viele danach. André Villas-Boas, Brendon Rodgers und e<strong>in</strong>ige<br />
niederländische, sehr viele portugiesische oder auch skand<strong>in</strong>avische Tra<strong>in</strong>er nutzen sie. Doch<br />
was genau ist die periodização tática?<br />
<strong>Das</strong> Konzept dah<strong>in</strong>ter<br />
Bei der taktischen Periodisierung liegt – wie der Name es schon sagt – die Taktik im<br />
Vordergrund. Die Taktik wird dabei als das w<strong>ich</strong>tigste Element des Fußballs verstanden und<br />
nach diesem Grundgedanken wurde das Konzept entwickelt.<br />
Dabei teilt die taktische Periodisierung das Spiel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e vier Phasen auf und baut danach die<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen. Diese vier Phasen kennen wir bereits als die vier Phasen nach Van Gaal.<br />
27
Grafik zu den vier Spielphasen nach Louis van Gaal<br />
Nach dem Grundpr<strong>in</strong>zip der taktischen Periodisierung geht es im Fußball um das Verhalten <strong>in</strong><br />
Ballbesitz, bei gegnerischem Ballbesitz, im offensiven und im defensiven Umschaltmoment.<br />
Jede Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübung soll dabei so aufgebaut werden, dass sie m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>en dieser<br />
Aspekte be<strong>in</strong>haltet, um e<strong>in</strong>e mögl<strong>ich</strong>st spielnahe Abbildung des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs zu gewährleisten.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs werden n<strong>ich</strong>t nur nach diesen vier Phasen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen entwickelt, sondern<br />
auch nach vier weiteren Schlüsselelementen. Diese liegen auf der Hand: Sie s<strong>in</strong>d die Physis,<br />
die Technik, die Psychologie und eben die Taktik. Die W<strong>ich</strong>tigkeit der Aspekte liegt dabei <strong>in</strong><br />
umgekehrter Reihenfolge; die Taktik liegt auf Platz 1, die Physis auf Platz 4. Im Idealfall<br />
werden jedoch bei allen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen alle vier Aspekte mite<strong>in</strong>ander verbunden und<br />
tra<strong>in</strong>iert, wobei die taktische Spielsituation das Grundgerüst bildet.<br />
Ziel dieser Methodik ist es auch, dass e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> auf Ballarbeit basierendes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ermögl<strong>ich</strong>t<br />
wird. Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen sollen immer mit Ball und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em taktischen Kontext stattf<strong>in</strong>den.<br />
Dabei sollen ganz nach e<strong>in</strong>em ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen auch so konzipiert<br />
28
werden, dass es ke<strong>in</strong>e „Leerphasen“ gibt, sondern durch die Vermischung der vier<br />
Schlüsselelemente (Physis, Technik, Psychologie, Taktik) alle Aspekte tra<strong>in</strong>iert werden und<br />
die nötige Kondition über das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit dem Ball erarbeitet wird.<br />
Wie schon erwähnt werden dafür zumeist Spielformen genutzt, bei denen Regeln, Intensität,<br />
Raumdimension und ähnl<strong>ich</strong>es variiert werden. W<strong>ich</strong>tig ist aber auch die Festlegung, welche<br />
taktischen Pr<strong>in</strong>zipien verfolgt werden; immerh<strong>in</strong> gibt es ja potenziell unendl<strong>ich</strong> viele.<br />
Die genaue Organisation des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskonstrukts<br />
Um e<strong>in</strong> effektives Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zu ermögl<strong>ich</strong>en ist es w<strong>ich</strong>tig e<strong>in</strong> „Spielmodell“ zu erstellen.<br />
Dabei werden eben nach der Gliederung <strong>in</strong> den vier Phasen die jeweils erwünschten<br />
taktischen Bewegungen und Ziele hierarchisch im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er größeren Spielphilosophie<br />
untergliedert. E<strong>in</strong>e solche Hierarchie kann z.B. so aussehen:<br />
- Maxime: Hohes aggressives Press<strong>in</strong>g mit Raumdeckung<br />
- Subpr<strong>in</strong>zip: Gegner bei diesem Press<strong>in</strong>g auf die Seite lenken und isolieren<br />
- Subsubpr<strong>in</strong>zip: Beim Isolieren verschieben die Sechser <strong>in</strong> den Halbraum, der<br />
Flügelstürmer manndeckt n<strong>ich</strong>t, sondern spr<strong>in</strong>tet aus e<strong>in</strong>er tieferen Position nach vorne und<br />
sorgt für Dynamik<br />
oder so<br />
- Maxime: Spiel mit raumdeckender Viererkette<br />
- Subpr<strong>in</strong>zip: Antizipatives Herausrücken e<strong>in</strong>es Spielers <strong>in</strong>s defensive Mittelfeld wird<br />
erwünscht (e<strong>in</strong>es von potenziell vielen Subpr<strong>in</strong>zipien)<br />
- Subsubpr<strong>in</strong>zip: Bei diesem Herausrücken sollen im S<strong>in</strong>ne der Zentrumskontrolle die<br />
umgebenden Spieler positionsorientiert <strong>in</strong> das entstehende Loch rücken und wenn nötig dafür<br />
sogar die Flügelräume öffnen<br />
Basierend darauf wird e<strong>in</strong>e Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübung gebastelt, welche den Spielern implizit dieses Ziel<br />
beibr<strong>in</strong>gen soll und die vier Komponenten erhält. Diese Organisation der taktischen<br />
Bewegungen <strong>in</strong> hierarchischer Ordnung nach Spielphasen wird dann auch weiter segmentiert.<br />
29
Beispiel für e<strong>in</strong>e takt. Periodisierung von Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halten. (Bild vom Blog “Valeriy<br />
Formenkov”)<br />
Es gibt Übungen, welche s<strong>ich</strong> auf die Individualtaktik, die Gruppentaktik, die<br />
Wechselwirkungen mit dem Gegner oder die Mannschaftstaktik konzentrieren, aber allesamt<br />
be<strong>in</strong>halten sie e<strong>in</strong>e der vier Spielphasen und die vier Schlüsselelemente. Die<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodik verfolgt dabei weitere Pr<strong>in</strong>zipien, um neben dem entdeckenden und<br />
implizitem Lernen, expliziten Korrekturen durch „Freez<strong>in</strong>g“, also das Anhalten der<br />
Spielsituation, und anderen sportwissenschaftl<strong>ich</strong>en Methoden e<strong>in</strong>e Leistungssteigerung zu<br />
garantieren.<br />
In der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodik der taktischen Periodisierung gibt es dabei mehrere Pr<strong>in</strong>zipien,<br />
welche für diese Garantie sorgen sollen.<br />
Die methodologischen Pr<strong>in</strong>zipien<br />
E<strong>in</strong>es davon ist das Pr<strong>in</strong>zip der Spezifizität. Bei diesem Pr<strong>in</strong>zip geht es darum, dass die<br />
jeweilige Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübung die Sportart, die Situationen <strong>in</strong> dieser Sportart und die<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziele abbilden soll. Darum s<strong>in</strong>d beispielweise sehr abstrakte oder sehr simple<br />
Übungen verpönt, da dies durch sie n<strong>ich</strong>t erre<strong>ich</strong>t wird. <strong>Das</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g soll bestenfalls e<strong>in</strong>e<br />
Simulation von taktischen Spielsituationen se<strong>in</strong>. Dafür werden dann auch die Ziele, e<strong>in</strong>e hohe<br />
Konzentration, e<strong>in</strong>e adäquate Belastung und Coach<strong>in</strong>gkompetenzen benötigt.<br />
30
W<strong>ich</strong>tigstes Ziel ist die Operationalisierung des Spielmodells. <strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der<br />
Operationalisierung der taktischen Pr<strong>in</strong>zipien ist somit wechselwirkend mit dem Pr<strong>in</strong>zip der<br />
Spezifität verbunden. <strong>Das</strong> nächste Pr<strong>in</strong>zip, jenes der hierarchischen Gliederung der taktischen<br />
Systeme und Subsysteme, ist e<strong>in</strong> weiterer Schritt zur Operationalisierung der Taktik und dient<br />
dem Verständnis der jeweiligen Umsetzungsmögl<strong>ich</strong>keiten. Damit ist die schon erläuterte<br />
Unterteilung <strong>in</strong> „Maximen“, „Pr<strong>in</strong>zipien“ und „Subpr<strong>in</strong>zipien“ geme<strong>in</strong>t. Diese Art der<br />
hierarchischen Gliederung soll die Organisation der taktischen Pr<strong>in</strong>zipien stabilisieren.<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der horizontalen Variation der Spezifizität ist im Grunde e<strong>in</strong>e Periodisierung der<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>tensität und –übungen <strong>in</strong>nerhalb der taktischen Periodisierung. Meistens gibt es<br />
hier e<strong>in</strong>en bestimmten Mesozyklus, der aus Aufbautagen umgeben von Erholungstagen, um<br />
die Spiele am Wochenende, besteht. Diese Aufbautage <strong>in</strong>nerhalb der Mitte bei n<strong>ich</strong>tenglischen<br />
Wochen werden dann ebenfalls <strong>in</strong> Teilziele segmentiert. Theoretisch entspr<strong>ich</strong>t<br />
dies e<strong>in</strong>er wellenförmigen Periodisierung mit Erholungstagen vor den Wettkämpfen.<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der Leistungsstabilisation hängt mit diesem Pr<strong>in</strong>zip zusammen. Die Leistungen<br />
sollen durch e<strong>in</strong>en tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodisch <strong>in</strong>telligenten und konsistenten Plan stabil bleiben und<br />
n<strong>ich</strong>t <strong>in</strong>nerhalb der Saison variieren, sondern konstant auf e<strong>in</strong>em festen Niveau bleiben. Auch<br />
diese Idee entspr<strong>ich</strong>t <strong>in</strong> der Theorie e<strong>in</strong>er wellenförmigen Periodisierung.<br />
Beim Pr<strong>in</strong>zip der konditionierten Übung geht es um e<strong>in</strong>e weitere Konsequenz und Maxime<br />
der situationsnahen Abbildung des Spiels. Die Bewegung, die im Spiel vollführt werden soll,<br />
soll mögl<strong>ich</strong>st häufig im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g auftauchen. Dabei soll sie auch öfter auftauchen als<br />
Bewegungen, die seltener gemacht werden. Dies soll gewährleisten, dass man im Spiel<br />
danach handelt. Die Idee dah<strong>in</strong>ter ist, dass die Spieler s<strong>ich</strong> an dies gewöhnen und <strong>in</strong> ihren<br />
natürl<strong>ich</strong>en Bewegungsablauf e<strong>in</strong>bauen.<br />
Welche Bewegungen tra<strong>in</strong>iert werden, entstehen somit im Spiel und s<strong>in</strong>d dann auch präziser<br />
ausgeführt. Taktisch bedeutet dies, dass viele Defensivübungen zu verstärktem Fokus auf die<br />
Defensive und zu besonders stabilen Abläufen <strong>in</strong> der Defensive führen. Physiologisch gibt es<br />
e<strong>in</strong>e ähnl<strong>ich</strong>e Konsequenz. Wird immer das langsame Verschieben tra<strong>in</strong>iert und n<strong>ich</strong>t das<br />
<strong>in</strong>tensive Press<strong>in</strong>g mit Spr<strong>in</strong>t<strong>in</strong>tervallen, dann wird im Spiel auch öfters langsam ohne<br />
Forecheck<strong>in</strong>g verschoben.<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der komplexen Progression bezieht s<strong>ich</strong> auf das Voranschreiten <strong>in</strong>nerhalb der<br />
Periodisierung des Spielmodells und e<strong>in</strong>er Gliederung der Themenkomplexe. Dabei wird der<br />
geplante Fortschritt segmentiert. Wie tra<strong>in</strong>iere <strong>ich</strong> über die Saison, wo will <strong>ich</strong> h<strong>in</strong>? Wie<br />
mache <strong>ich</strong> das im Wochenzyklus? Wie setze <strong>ich</strong> das im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g genau um?<br />
E<strong>in</strong> w<strong>ich</strong>tiger Aspekt dieses Pr<strong>in</strong>zips ist das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g der Defensive als fixem Ausgangspunkt,<br />
woraufh<strong>in</strong> die Umschaltmomente kommen. Die Logik dah<strong>in</strong>ter: Steht die Null, kann man<br />
immer e<strong>in</strong> Tor machen. Gle<strong>ich</strong>zeitig gilt die Offensive als etwas schwieriger und abstrakter zu<br />
tra<strong>in</strong>ieren, während die Defensive ohneh<strong>in</strong> das Fundament darstellt.<br />
31
<strong>Das</strong> letzte Pr<strong>in</strong>zip, näml<strong>ich</strong> jenes der taktischen Ermüdung und Konzentration, ist e<strong>in</strong>e<br />
Variation der Intensität und des Volumens <strong>in</strong> den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten. Auch hier werden nach<br />
dem Pr<strong>in</strong>zip der Leistungsstabilität die Intensität und das Volumen nach e<strong>in</strong>em vorher<br />
festgelegten Plan variiert. Der Grundgedanke ist, dass die Spieler körperl<strong>ich</strong> und geistig<br />
überfordert werden, wenn immer mit hoher Intensität tra<strong>in</strong>iert wird. Darum gibt es e<strong>in</strong>zelne<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren Belastung taktischer Natur und andere mit e<strong>in</strong>er<br />
größeren Belastung, um e<strong>in</strong>e ideale Anpassung an die Belastungsmögl<strong>ich</strong>keiten der Spieler zu<br />
erre<strong>ich</strong>en. Fehler gibt es auch, die wir <strong>in</strong> folgender Grafik aufgelistet sehen:<br />
Methodologische Fehler bei der Nutzung der takt. Periodisierung.<br />
Was bedeutet die taktische Periodisierung?<br />
<strong>Das</strong> Ziel und der Nutzen e<strong>in</strong>er taktischen Periodisierung ist die Konzeptualisierung der<br />
Umsetzung e<strong>in</strong>er Spielidee. Dabei wird durch e<strong>in</strong>e Mischung aus taktisch-strategischen und<br />
tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs-/sportwissenschaftl<strong>ich</strong>en Erkenntnissen e<strong>in</strong> klares Konzept geschaffen, welches zu<br />
mögl<strong>ich</strong>st hoher Effektivität führen soll. Mit diesem Konzept sollen die Grundpr<strong>in</strong>zipien<br />
vermittelt werden.<br />
Praktisch gesehen bedeutet dies: Der Spieler lernt die Antworten auf jene Fragen, die er auf<br />
dem Spielfeld beantworten muss. Wie reagiere <strong>ich</strong> <strong>in</strong> welcher Situation? Was mache <strong>ich</strong>? Was<br />
machen die anderen?<br />
E<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong>er, der diese tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodische Philosophie verfolgt, muss dabei unterschiedl<strong>ich</strong>e<br />
Eigenschaften mitbr<strong>in</strong>gen. Zuerst muss er die theoretischen Aspekte der taktischen<br />
Periodisierung beherrschen und die methodologischen Pr<strong>in</strong>zipien verstehen. Auch e<strong>in</strong>e<br />
32
angemessene Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsplanung der Morpho- beziehungsweise Mesozyklen, also der<br />
Periodisierung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswoche, muss vorhanden se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong> orig<strong>in</strong>aler Morphozyklus nach Mour<strong>in</strong>ho<br />
Kommt der Tra<strong>in</strong>er mit diesem Wissen zu e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong>, dann wird e<strong>in</strong>e Ist-Analyse<br />
durchgeführt. Wo steht der Vere<strong>in</strong>? Welche Spieler hat er? Wie sieht es mit den taktischen<br />
Grundlagen aus? Mour<strong>in</strong>ho sprach zum Beispiel davon, dass die aktuellen Chelsea-Spieler<br />
n<strong>ich</strong>t zu se<strong>in</strong>em geplanten Spielmodell passten, da sie zuvor e<strong>in</strong>en zu hohen und unpassenden<br />
Defensivfokus hatten. Diese Strukturen müssen darum aufgebrochen und nach den eigenen<br />
Maximen neu erstellt werden.<br />
33
In diesem Bild sehen wir auch, wieso Mour<strong>in</strong>ho dies sagte; die Mögl<strong>ich</strong>keiten und<br />
Charakteristiken s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Teil des umgesetzten Modells. (Bild vom Blog “Valeriy<br />
Formenkov”)<br />
Nach dieser Bestandsaufnahme wird e<strong>in</strong> Spielmodell erstellt, welches e<strong>in</strong>erseits die<br />
Philosophie von Tra<strong>in</strong>er und Vere<strong>in</strong>, andererseits auch die Mögl<strong>ich</strong>keiten der Mannschaft und<br />
den kontextuellen Umständen (taktische und strategische Kultur <strong>in</strong> der Liga) widerspiegeln<br />
soll.<br />
Danach werden die Morphozyklen praktisch vorbereitet, u.a. mit e<strong>in</strong>er Analyse des Spielplans<br />
und mit unterschiedl<strong>ich</strong>en Schwerpunkten der jeweiligen Spielphasen. Daraufh<strong>in</strong> kann mit der<br />
Umsetzung der Spielidee im S<strong>in</strong>ne der taktischen Periodisierung begonnen werden.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübung kann beispielweise so aussehen: Aufwärmen mit Arbeit<br />
am Ball, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g der Athletik im Verbund mit positionellen Bewegungen und e<strong>in</strong>er<br />
Spielform, daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Spielform mit Fokus auf die Spielphase „Ballbesitz“, e<strong>in</strong>er Spielform<br />
zum Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g des Umschaltmoments, Schussübungen im Verbund mit e<strong>in</strong>er der Spielphasen<br />
und e<strong>in</strong>e Cool-Down-Phase, normalerweise ebenfalls mit Ball.<br />
Wie man sehen kann ist bei e<strong>in</strong>er solchen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethodik mehr Nähe zur praktischen<br />
Situation gegeben. Die Fitnessaspekte werden n<strong>ich</strong>t isoliert betrachtet und werden im<br />
Verbund mit Taktik und Technik tra<strong>in</strong>iert. Die Vorteile e<strong>in</strong>es Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs im Verbund mit dem<br />
Ball <strong>habe</strong>n wir bereits <strong>in</strong> der ersten Ausgabe unseres Ballnah-Magaz<strong>in</strong>s unter dem<br />
ThemaFußballtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit Ballfokus diskutiert.<br />
Ganz neu s<strong>in</strong>d die Grundpr<strong>in</strong>zipien aber n<strong>ich</strong>t. Auch <strong>in</strong> den Niederlanden ist es ansatzweise<br />
vorhanden. <strong>Das</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nach den vier Phasen ist auch dort Bestandteil der Vermittlung, hat<br />
aber e<strong>in</strong>e andere Konzeptualisierung.<br />
Letztl<strong>ich</strong> ist die taktische Periodisierung <strong>in</strong> ihrer Art und Weise wohl e<strong>in</strong>zigartig. Sie<br />
verb<strong>in</strong>den den ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz nach Louis van Gaal mit e<strong>in</strong>em variablen Spielmodell,<br />
welches die vier Aspekte der Psychologie, Technik, Taktik und Physis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er untrennbaren<br />
E<strong>in</strong>heit verb<strong>in</strong>den.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs stimmen n<strong>ich</strong>t alle dieser Methodik völlig zu. Jürgen Klopp, se<strong>in</strong>es Ze<strong>ich</strong>ens<br />
erfolgre<strong>ich</strong>er Tra<strong>in</strong>er und diplomierter Sportwissenschaftler, äußerte s<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>st wie folgt:<br />
„E<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit Ball ist e<strong>in</strong> Mythos. N<strong>ich</strong>ts tra<strong>in</strong>iert Laufstärke besser als Laufen,<br />
Laufen, Laufen.“<br />
Auf dem Blog von Valeriy Formenkov gibt es noch viele weitere lesenswerte<br />
Artikel,lesenswert s<strong>in</strong>d unter anderem auch folgende Zitate von José Mour<strong>in</strong>ho, der s<strong>ich</strong> <strong>in</strong><br />
gewisser Weise für e<strong>in</strong>e Art wellenförmige Periodisierung ausspr<strong>ich</strong>t (Zitat 5). Interessante<br />
34
Literatur f<strong>in</strong>det man dort ebenfalls mit Quellen, geistiger Urvater s<strong>in</strong>d die (leider vorrangig<br />
portugiesischen) Werke von Rui Faria, wie zum Beispiel:<br />
Frade, V. (2003). Entrevista <strong>in</strong> F. Mart<strong>in</strong>s, (2003). A “Periodização Táctica“ segundo Vítor<br />
Frade: Mais do que um conceito, uma forma de estar e de reflectir o futebol. Porto: F.<br />
Mart<strong>in</strong>s. Dissertação de Licenciatura apresentada à Faculdade de Desporto da Universidade<br />
do Porto.<br />
Für alle, die ke<strong>in</strong> Portugiesisch können, gibt es die Ausgabe des Soccer Journal von May/Juni<br />
2012. Die taktische Periodisierung wird dort auf Seite 28-34 behandelt, wo es dann auch e<strong>in</strong><br />
schönes Literaturverze<strong>ich</strong>nis gibt.<br />
35
Taktische Periodisierung | Praxisbeispiel Marco<br />
Hensel<strong>in</strong>gs<br />
Der ganzheitl<strong>ich</strong>e Ansatz der „tactical periodization“<br />
In der Saison 2005/06 der UEFA Champions League stellten die Viertelf<strong>in</strong>alisten <strong>in</strong>sgesamt<br />
51 Südamerikaner, was etwa e<strong>in</strong>em Viertel aller Spieler der besten Acht Teams entsprach.<br />
Von diesen 51 Südamerikanern stammten 27 aus Brasilien und 15 aus Argent<strong>in</strong>ien.<br />
Insbesondere auf den h<strong>in</strong>teren Positionen, sowie im Zentrum wurden Südamerikaner<br />
bevorzugt e<strong>in</strong>gesetzt.[1] Südamerikanische Spieler s<strong>in</strong>d regelmäßig überdurchschnittl<strong>ich</strong><br />
Balls<strong>ich</strong>er und waren <strong>in</strong> Europa lange Zeit für die kreativen Elemente im Aufbauspiel<br />
verantwortl<strong>ich</strong>. Diese Spielertypen auf den h<strong>in</strong>teren und zentralen Positionen s<strong>in</strong>d nötig, um<br />
die technisch und taktisch anspruchsvollen Offensivkonzepte der Teams umzusetzen.<br />
Während die Südamerikaner mit f<strong>in</strong>alen Pässen und per Dribbl<strong>in</strong>g für die Abschlussaktionen<br />
sorgen, galt es für die Europäer, s<strong>ich</strong> <strong>in</strong> Zweikämpfen zu behaupten. Die physischen und<br />
defensivtaktischen Aspekte waren hier dom<strong>in</strong>ant.<br />
Durch das seit 2008 fortschreitende Bewusstse<strong>in</strong> über e<strong>in</strong> kontrolliertes Aufbauspiel setzte<br />
s<strong>ich</strong> auch <strong>in</strong> Europa die Erkenntnis durch, Jugendspieler vermehrt technisch derart<br />
auszubilden, dass sie s<strong>ich</strong> <strong>in</strong> hohem Tempo und unter großem Druck behaupten können, um<br />
auf diese Weise das Spiel zu diktieren. So waren es <strong>in</strong> der Spielzeit von 2011/12 nur noch 42<br />
(27 aus Brasilien, 11 aus Argent<strong>in</strong>ien) und 2012/13 ledigl<strong>ich</strong> noch 35 Akteure, die aus<br />
Südamerika kamen (16 aus Brasilien, 9 aus Argent<strong>in</strong>ien). Die <strong>in</strong> diesem Zeitraum<br />
dom<strong>in</strong>ierenden Mannschaften des FC Bayern München, Real Madrid und Barcelona<br />
wurden/werden dabei im zentralen Mittelfeld von Europäern geprägt; um genau zu se<strong>in</strong>: von<br />
Spaniern (Xabi Alonso, Busquets, Mart<strong>in</strong>ez, Iniesta, Xavi) und Deutschen (Schwe<strong>in</strong>steiger,<br />
Khedira, Özil, Kroos, Müller).<br />
In Spanien wird seit e<strong>in</strong>igen Jahrzehnten der Fokus auf wesentl<strong>ich</strong>e Elemente des<br />
Kurzpassspiels gelegt, wobei es <strong>in</strong>sbesondere die h<strong>in</strong>teren Spieler s<strong>in</strong>d, von denen die ersten<br />
Impulse für e<strong>in</strong>en konstruktiven Spielaufbau ausgehen. In Deutschland hat dah<strong>in</strong>gehend<br />
spätestens nach der EM 2000 e<strong>in</strong> Umdenken stattgefunden. Fortan wurde auch hier<br />
zunehmend auf technische und taktische Aspekte geachtet, die n<strong>ich</strong>t über „Kampf und<br />
Willen“ verbessert werden können, sondern durch <strong>in</strong>novative Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmodelle.<br />
I. Grundüberlegungen<br />
Vorreiter für die neuen Methoden <strong>in</strong> der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsarbeit waren – wie so häufig <strong>in</strong> der<br />
Gesch<strong>ich</strong>te des Fußballs – die Niederländer und die Iberer. Bee<strong>in</strong>flusst von Louis van Gaal<br />
und gestützt von den wissenschaftl<strong>ich</strong>en Erkenntnissen des portugiesischen Sportprofessors<br />
Vitor Frade, nutzt Jose Mour<strong>in</strong>ho die Methode der taktischen Periodisierung. Diese basiert auf<br />
36
dem von van Gaal gepredigten ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz, nach welchem die e<strong>in</strong>zelnen Aspekte<br />
von Technik, Taktik und Kondition n<strong>ich</strong>t getrennt vone<strong>in</strong>ander tra<strong>in</strong>iert werden, sondern<br />
simultan.[2] Unter Kondition werden physische Ges<strong>ich</strong>tspunkte<br />
(Kraft, Ausdauer,Schnelligkeit, Bewegl<strong>ich</strong>keit und Koord<strong>in</strong>ation) sowie psychische Aspekte<br />
(Motivation undMentalität) verstanden.[3]<br />
Jede e<strong>in</strong>zelne Spielsituation, die im Laufe e<strong>in</strong>er Partie entstehen kann, erfordert e<strong>in</strong>e<br />
Entscheidung (taktischer Aspekt), e<strong>in</strong>e daran anschließende motorische Fertigkeit<br />
(technischer Aspekt), welche e<strong>in</strong>e entsprechende Bewegung verlangt (physischer Aspekt), die<br />
wiederum durch e<strong>in</strong>e bewusst gewollte Emotion gesteuert wird (psychischer Aspekt).[4] Aus<br />
dieser logischen Verknüpfung von Technik, Taktik und Kondition lässt s<strong>ich</strong> schließen, dass<br />
ke<strong>in</strong> Aspekt e<strong>in</strong>zeln und losgelöst tra<strong>in</strong>iert wird oder überhaupt tra<strong>in</strong>iert werden kann. Alle<br />
drei s<strong>in</strong>d untrennbar mite<strong>in</strong>ander verbunden, was <strong>in</strong> der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gspraxis adäquat<br />
berücks<strong>ich</strong>tigt werden muss.<br />
Van Gaal und Mour<strong>in</strong>ho erfassen dafür zunächst vier Spielmomente: den gegnerischen<br />
Ballbesitz (Defensive), den eigenen (Offensive) und die Übergangsphasen bzw.<br />
Umschaltmomente von Defensive auf Offensive und umgekehrt.[5] Jeder e<strong>in</strong>zelne<br />
Spielmoment ze<strong>ich</strong>net s<strong>ich</strong> durch typische Anforderungen aus, die entsprechend eigene<br />
Beanspruchungen h<strong>in</strong>s<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> Taktik, Technik und Kondition <strong>habe</strong>n.<br />
Die vier Phasen<br />
Jeder Moment kann auf unterschiedl<strong>ich</strong>e Art und Weise umgesetzt werden; je nach<br />
strategisch-taktischer Vorgabe. So können etwa die Höhe und Intensität des Press<strong>in</strong>gs, sowie<br />
Orientierung h<strong>in</strong>s<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> Ball, Raum und Gegner bei der Deckung während des gegnerischen<br />
Ballbesitzes variieren. In der Offensive wird grundsätzl<strong>ich</strong> entweder e<strong>in</strong> Positions- oder<br />
Vertikalspiel genutzt. Beim Umschalten von Offensive auf Defensive wird entweder direkt<br />
<strong>in</strong>s Gegenpress<strong>in</strong>g gegangen oder s<strong>ich</strong> sofort nach h<strong>in</strong>ten orientiert. All diese Mögl<strong>ich</strong>keiten,<br />
die e<strong>in</strong>zelnen Spielmomente zu lösen oder umzusetzen, erfordern eigene technische, taktische<br />
und konditionelle Elemente.<br />
So wird s<strong>ich</strong> etwa im Umschaltspiel schneller bewegt; Pässe und Laufwege s<strong>in</strong>d überwiegend<br />
vertikal ausger<strong>ich</strong>tet, was neben besonderen technischen Anforderungen auch konditionelle<br />
Folgen hat, weil <strong>in</strong>tensiver Gelaufen wird. Im Positionsspiel h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d die Bewegungen<br />
regelmäßig langsamer, der Ball wird <strong>in</strong> alle R<strong>ich</strong>tungen rotiert, wodurch das Spielfeld<br />
<strong>in</strong>sgesamt besser wahrgenommen und überblickt werden kann, während die technische<br />
Umsetzung des Passspiels grundsätzl<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>facher ist als beim Konter. Die Folge ist zwar e<strong>in</strong><br />
37
vorerst weniger druckvolles, dafür aber kontrollierteres Spiel als das beim schnellen<br />
Umschalten der Fall ist.<br />
II. Vermittlung der Lern<strong>in</strong>halte<br />
Um e<strong>in</strong>en gewissen Spielstil zu vermitteln (z.B. schnelles Umschaltspiel), werden im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
für den jeweiligen Stil typische Situationen extrahiert und verschärft, die von s<strong>ich</strong> aus<br />
bestimmte technische, taktische und konditionelle Verhaltensweisen erfordern. Dafür bedient<br />
s<strong>ich</strong> die taktische Periodisierung zunächst der differenziellen Lehrmethode und dem<br />
impliziten Lernen.<br />
1. Differenzielle Lernmethode<br />
Jede Sportart ze<strong>ich</strong>net s<strong>ich</strong> durch bestimmte Bewegungen bzw. Bewegungsabläufe zur<br />
Vornahme diszipl<strong>in</strong>spezifischer Handlungen aus. Diese Bewegungen sollen durch Technikund<br />
Koord<strong>in</strong>ationstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g verbessert werden, sodass der Sportler die nötigen Handlungen<br />
technisch korrekt ausführt. Je besser die Technik des Athleten ist, desto größer wird der<br />
Erfolg, auch im H<strong>in</strong>blick auf die Umsetzung der Taktik, se<strong>in</strong>.[6]<br />
Unter der Technik versteht man ausgebildete motorische Fähig- oder Fertigkeiten, die zur<br />
r<strong>ich</strong>tigen Ausübung e<strong>in</strong>er Handlung unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen notwendig s<strong>in</strong>d.[7] Mit<br />
der Technik <strong>in</strong> der Defensive s<strong>in</strong>d Handlungen wie das Tackl<strong>in</strong>g, Abwehrf<strong>in</strong>ten oder das<br />
Laufen und Abdrängen <strong>in</strong> Bezug auf den gegnerischen Ballführer geme<strong>in</strong>t. In der Offensive<br />
werden der Pass, das Dribbl<strong>in</strong>g, sowie die allgeme<strong>in</strong>e Ballkontrolle unter dem Begriff der<br />
Technik verstanden. Grundsätzl<strong>ich</strong> ist e<strong>in</strong>e gute Koord<strong>in</strong>ation und Bewegl<strong>ich</strong>keit<br />
ausschlaggebend für die Technik. In Verb<strong>in</strong>dung mit Erfahrungswerten werden so<br />
ökonomische Lauf- und Krafte<strong>in</strong>sätze bei Angriffs- und Abwehrhandlungen gewährleistet.<br />
a) theoretische Vorüberlegungen<br />
Zur Verbesserung der Technik gibt es zwei vorherrschende Lehrmethoden, die<br />
unterschiedl<strong>ich</strong>en Ansätzen folgen. Der differenzielle Lernansatz bildet das Gegenmodell zu<br />
der konservativen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethode des motorischen Wiederholens; das sogenannte<br />
„E<strong>in</strong>schleifen“. Während es beim ständigen motorischen Wiederholen darum geht, e<strong>in</strong><br />
bestimmtes technisches Bewegungsideal ohne Fehler anzutra<strong>in</strong>ieren, kommt es beim<br />
differenziellen Lernansatz <strong>in</strong>sbesondere zu e<strong>in</strong>er Neubewertung ebenjener Bewegungsfehler<br />
(Schwankungen). Diese Fehler, die nach traditionellen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden zu vermeiden s<strong>in</strong>d,<br />
werden bewusst <strong>in</strong> den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsprozess <strong>in</strong>tegriert.<br />
Der differenzielle Lernansatz folgt dabei zwei Grundideen: Bewegungen unterliegen<br />
ständigen Schwankungen und können n<strong>ich</strong>t (exakt) wiederholt werden. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d<br />
Bewegungen <strong>in</strong>dividuell bzw. personenspezifisch, was bedeutet, dass s<strong>ich</strong> niemand auf die<br />
gle<strong>ich</strong>e Weise bewegt wie e<strong>in</strong> anderer Mensch.<br />
38
Bei traditionellen Lernmethoden h<strong>in</strong>gegen wird e<strong>in</strong>e schrittweise Annäherung an e<strong>in</strong><br />
vorgegebenes Ziel durch entsprechend hohe Wiederholungszahlen mit ständigem Soll-Ist-<br />
Vergle<strong>ich</strong> angestrebt. Dabei soll die Abwe<strong>ich</strong>ung vom Ideal nach und nach verr<strong>in</strong>gert werden,<br />
bis die Zieltechnik erre<strong>ich</strong>t ist. Diese angestrebte Zieltechnik muss jedoch im Fußball <strong>in</strong><br />
Bezug auf die ständig wechselnden Anforderungen von Raum-, Gegner- und Zeitdruck, sowie<br />
äußerer Umstände (Bsp.: Wetter, Platzverhältnisse) angepasst werden und lässt ferner die<br />
<strong>in</strong>dividuelle Motorik außer Acht, sodass die Anwendung der re<strong>in</strong>en Zieltechnik nur selten<br />
oder nie stattf<strong>in</strong>det.<br />
Zwar werden gute Bewegungsleistungen zweifellos mit sämtl<strong>ich</strong>en Lern- und<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsansätzen erzielt. Entscheidende Unterschiede ergeben s<strong>ich</strong> aber <strong>in</strong> Bezug auf die<br />
Dauer, bis das Ziel erre<strong>ich</strong>t wird – die so genannte Lernrate (Lernfortschritt pro Zeit) – und<br />
die Dauer, über die das Gelernte behalten wird. Ausschließl<strong>ich</strong>es Wiederholen enthält dabei<br />
immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß an Verbesserungen, dafür jedoch auch auf die Dauer nur e<strong>in</strong>e<br />
relativ ger<strong>in</strong>ge Lernrate und nur e<strong>in</strong>en stark begrenzten Zeitraum, <strong>in</strong> dem das Gelernte<br />
weiterh<strong>in</strong> im Gedächtnis bleibt. Sowohl die Verbesserungen als auch die Lernraten nehmen<br />
laut bisheriger Studien beim differenziellen Lernen zu.[8]<br />
Durch das ständige Konfrontieren mit unterschiedl<strong>ich</strong>en Aufgaben (Differenzen) soll die<br />
Fähigkeit, s<strong>ich</strong> an neue Situationen im Bere<strong>ich</strong> des Lösungsraums schneller adäquat zu<br />
reagieren, erlernt werden. Bei der differenziellen Lernmethode handelt es s<strong>ich</strong> demnach um<br />
e<strong>in</strong>en Ansatz, der die Adaptionsfähigkeit auf sämtl<strong>ich</strong>en Ebenen von Technik, aber auch<br />
Taktik und Kondition <strong>in</strong> ganzheitl<strong>ich</strong>er Form ausbildet und fördert.<br />
Der Zielbere<strong>ich</strong> der jeweiligen Technik wird bei der differenziellen Lernmethode also n<strong>ich</strong>t<br />
mehr als eng und stabil betrachtet, sondern als weiter Lösungsraum, <strong>in</strong>nerhalb dessen s<strong>ich</strong> die<br />
optimale Lösung <strong>in</strong> jeder Situation ändert und niemals wiederholt. Durch den differenziellen<br />
Lernansatz wird auch der Randbere<strong>ich</strong> des Lösungsraums abgetastet, was dazu führt, dass<br />
mehrere Aspekte von technisch-taktischen Bere<strong>ich</strong>en automatisch (mit)geübt werden. Somit<br />
wird n<strong>ich</strong>t die theoretisch optimale und konkrete Lösung (Idealtechnik) geübt und „gegen<br />
Lösungen anderer Bewegungsgegenstände stabil gemacht“, sondern e<strong>in</strong> mögl<strong>ich</strong>er<br />
Lösungsraum umkreist, der es dann erlaubt, die auf jeden Fall neue und situativ optimale<br />
Lösung auszuführen.[9]<br />
Ferner muss man davon ausgehen, dass e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Befolgung der klassischen Lehr- und<br />
Lernmodelle weniger zu Neuerungen <strong>in</strong> den technischen Aspekten des jeweiligen Sports<br />
führen,[10] weil man eben kaum oder gar n<strong>ich</strong>t vom Schema abwe<strong>ich</strong>t. Da immer e<strong>in</strong><br />
allgeme<strong>in</strong>gültiger Soll-Zustand angestrebt wird, f<strong>in</strong>det vom strikten Weg dorth<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e<br />
Abwe<strong>ich</strong>ung statt, sodass auch ke<strong>in</strong>e neuen – und mögl<strong>ich</strong>erweise besseren – Lösungsansätze<br />
gesucht werden. Innovative Neuerungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Bewegungslehre jedoch häufig dann<br />
erfolgt, wenn die Athleten s<strong>ich</strong> eben n<strong>ich</strong>t an die klassischen Lernmodelle gehalten <strong>habe</strong>n.<br />
b) praktische Anwendung<br />
39
In Torschussübungen können dem Schützen unterschiedl<strong>ich</strong>e Vorgaben gemacht werden, die<br />
bewusste Fehler/Schwankungen <strong>in</strong> den Bewegungsabläufen bedeuten sollen. Dabei werden<br />
sechs Kategorien zur Erzeugung von Schwankungen erfasst:<br />
1. Anlauf: Sidesteps, Anfersen, Kniehebelauf, Hopserlauf, Zick-Zack, Schlusssprung (mit<br />
Koord<strong>in</strong>ations-/Konditionsformen verb<strong>in</strong>den)<br />
2. Situation: Ball ruht, Ball rollt (von vorne entgegen, von der Seite here<strong>in</strong>), Ball wird<br />
gedribbelt, Gegnerdruck (Gegner läuft von der Seite e<strong>in</strong>, greift frontal an), Ball spr<strong>in</strong>gt<br />
3. Standbe<strong>in</strong>: vor oder h<strong>in</strong>ter dem Ball, Fußspitze zeigt nach <strong>in</strong>nen oder außen, auf Ballen<br />
oder Ferse stehen<br />
4. Oberkörper: Armhaltung (nach oben, unten, vorne, h<strong>in</strong>ten, zur Seite gestreckt; kreisend;<br />
Komb<strong>in</strong>ation), Kopfhaltung (zur Seite geneigt), Oberkörperlage (bei hohen Schüssen<br />
Oberkörper nach vorne beugen & umgekehrt)<br />
5. Schussbe<strong>in</strong>: Ausholbewegung nach h<strong>in</strong>ten außen, gestrecktes Kniegelenk, nach Schuss<br />
sofort abstoppen, nur zur Hälfte ausholen<br />
6. Zusatz: e<strong>in</strong> Auge schließen, Bl<strong>in</strong>zeln, Trefferzone am Tor vorgeben<br />
Ke<strong>in</strong>e Vorgabe soll wiederholt werden, sondern kommt nur e<strong>in</strong>mal vor.<br />
Schwankungen können darüber h<strong>in</strong>aus auch und vor allem <strong>in</strong> Spielformen erzeugt werden. In<br />
solchen herrscht stets Gegnerdruck, der dafür sorgt, dass die theoretische Idealtechnik<br />
praktisch n<strong>ich</strong>t umgesetzt werden kann. Es werden also spielnahe Schwankungen erzeugt, die<br />
zu e<strong>in</strong>er entsprechend spielnahen und -relevanten Technik führen. Zu diesen gemäß dem<br />
differenziellen Lernansatz die Technik bee<strong>in</strong>flussenden Faktoren gesellt s<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>e<br />
automatische, zum Teil unbewusste, Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den taktischen Gegebenheiten<br />
und Erfordernissen des Spiels, wodurch e<strong>in</strong>e simultane Förderung von Technik und Taktik<br />
stattf<strong>in</strong>det.<br />
2. implizites Lernen<br />
Unter implizitem Lernen wird die unbewusste oder spielerische Aneignung von Fertigkeiten<br />
und Wissen beim Ausüben e<strong>in</strong>er Tätigkeit verstanden. <strong>Das</strong> Lernen f<strong>in</strong>det dabei <strong>in</strong> Situationen<br />
statt, <strong>in</strong> denen Strukturen e<strong>in</strong>er komplexen Reizumgebung verarbeitet und aufgefasst werden,<br />
ohne dass dies vom Lernenden notwendigerweise bewusst wahrgenommen oder beabs<strong>ich</strong>tigt<br />
wird. <strong>Das</strong> daraus resultierende Wissen ist schwer zu verbalisieren.[11]Demgegenüber steht<br />
das explizite Lernen. Dieses erfolgt durch bewusste Aufnahme von Informationen;<br />
regelmäßig verbal.<br />
40
Um Spielern e<strong>in</strong>e Spielidee, e<strong>in</strong>e bestimmte Strategie oder taktische Elemente zu vermitteln,<br />
re<strong>ich</strong>t es n<strong>ich</strong>t, sie theoretisch und explizit zu <strong>in</strong>struieren bzw. zu schulen. Die Praxis ist zu<br />
komplex, als dass jede Situation e<strong>in</strong>zeln erfasst und verbal ausgewertet werden könnte. Die<br />
Spieler sollen im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g vielmehr e<strong>in</strong>er großen Anzahl an Spielsituationen ausgesetzt<br />
werden, um entsprechende Probleme und Herausforderungen praxisnah zu lösen. Dabei<br />
obliegt es dem Tra<strong>in</strong>er, die Umstände und Parameter der e<strong>in</strong>zelnen Übungs- und Spielformen<br />
derart zu bee<strong>in</strong>flussen, dass die gewünschte Strategie und die situative Umsetzung der<br />
Taktiken von den Spielern ver<strong>in</strong>nerl<strong>ich</strong>t werden. Dies sollte optimalerweise überwiegend<br />
praktisch durch implizites Lernen der Spieler stattf<strong>in</strong>den, wobei nur punktuell gecoacht, also<br />
explizit korrigiert wird.<br />
a) allgeme<strong>in</strong>e Variationen<br />
Gibt man etwa den kontrahierenden Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmannschaften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Spielform vor, sie<br />
sollen10 Sekunden nach Ballgew<strong>in</strong>n zum Torabschluss kommen, wird damit das schnelle<br />
Spiel <strong>in</strong> die Spitze, sowie das schnelle Umschalten beider Teams forciert. <strong>Das</strong> konternde<br />
Team wird dadurch <strong>in</strong> Situationen „gezwungen“, <strong>in</strong> denen sie vorwiegend vertikale Pässe<br />
spielen. Solche <strong>habe</strong>n e<strong>in</strong> schlechteres Blickfeld des Ballempfängers und e<strong>in</strong>e schwierigere<br />
Passverarbeitung zur Folge, weshalb er vorab se<strong>in</strong> Umfeld wahrnehmen muss. Erforderl<strong>ich</strong> ist<br />
zudem e<strong>in</strong> hohes Tempo, sodass auch die konditionellen Komponenten des schnellen<br />
Umschaltspiels tra<strong>in</strong>iert werden. E<strong>in</strong> höheres Tempo führt ferner zu e<strong>in</strong>er schwierigeren<br />
Ballbehandlung, was gemäß dem differenziellen Lernansatz Schwankungen zur Folge hat, die<br />
s<strong>ich</strong> direkt auf die Technik auswirken. Auf diese Weise werden die für Kontersituationen<br />
typischen technischen, taktischen und konditionellen Anforderungen geschult.<br />
Die Begrenzung der Anzahl <strong>in</strong>dividueller Ballkontakte <strong>in</strong> den Spielformen soll das Passspiel<br />
forcieren, weil die Spieler ohne Ball zw<strong>in</strong>gend dazu angehalten s<strong>in</strong>d, Lösungen schneller<br />
anzubieten, während der Spieler <strong>in</strong> Ballbesitz <strong>in</strong> die Lage versetzt wird, Lösungen schneller<br />
zu f<strong>in</strong>den. Die Änderung der Anzahl an <strong>in</strong>dividuellen Ballkontakten bee<strong>in</strong>flusst demnach das<br />
allgeme<strong>in</strong>e Passspiel h<strong>in</strong>s<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> Technik (Ausführung des Passes) und Taktik (Anbieten zum<br />
Ball).<br />
Die veränderbare Begrenzung der Spielfeldgröße bee<strong>in</strong>flusst die Spiel<strong>in</strong>tensität, weil der Ball<br />
<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Feldern schneller unter Druck gesetzt werden kann. <strong>Das</strong> hat starke Auswirkungen<br />
auf die Kondition im H<strong>in</strong>blick auf die Bewegl<strong>ich</strong>keit und Koord<strong>in</strong>ation. Auch das<br />
Zweikampfverhalten erfährt hier e<strong>in</strong>e besondere W<strong>ich</strong>tigkeit. All das hat natürl<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Schulung der allgeme<strong>in</strong>en Technik zur Folge, weil die jeweiligen Anforderungen <strong>in</strong> engen<br />
Räumen höher als gewöhnl<strong>ich</strong> s<strong>in</strong>d.<br />
Neben der Größe kann auch die Qualität des Spielfeldes (Halle, Natur- oder Kunstrasen,<br />
Sand, Asche), und/oder die Größe und Qualität der Bälle verändert werden. Bälle der Größe 4<br />
oder Futsalbälle s<strong>in</strong>d kle<strong>in</strong>er und weisen jeweils e<strong>in</strong> anderes Gew<strong>ich</strong>t und Sprungverhalten<br />
auf, sodass die Spieler s<strong>ich</strong> bei der Ballführung umstellen müssen. Jede Veränderung muss<br />
dabei bestimmte Ziele verfolgen, die zur Erre<strong>ich</strong>ung e<strong>in</strong>es angestrebten Spielstils oder e<strong>in</strong>er<br />
41
Strategie führen sollen. Die unterschiedl<strong>ich</strong>e Qualität von Bällen und Spielfeldern wirkt s<strong>ich</strong><br />
direkt auf die allgeme<strong>in</strong>e Technik aus.<br />
Komb<strong>in</strong>iert man mehrere Vorgaben mite<strong>in</strong>ander, entsteht e<strong>in</strong> hochkomplexes und<br />
kompliziertes Spielreglement, welches auch die Konzentration der Akteure fordert und fördert<br />
und so vor allem Auswirkungen auf die psychischen Aspekte der Kondition hat.<br />
b) zielführende Variationen<br />
Um entsprechend der vorgegebenen Strategie die passenden Umstände zu schaffen, muss der<br />
Tra<strong>in</strong>er e<strong>in</strong> hohes Maß an taktischem Verständnis aufweisen, um die gewünschten und<br />
notwendigen Zielsetzungen zu erre<strong>ich</strong>en. Will man e<strong>in</strong> schnelles Spiel <strong>in</strong> die Spitze erre<strong>ich</strong>en,<br />
wäre es demnach falsch, wenn alle Spieler der ballbesitzenden Mannschaft vor Torabschluss<br />
den Ball berühren sollen. Bevorzugt man h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>en kontrollierten Spielaufbau mit vielen<br />
Pässen, empfiehlt s<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>e solche Vorgabe.<br />
Taktische Periodisierung der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halte<br />
Den angestrebten Spielstil bzw. die angestrebte Strategie zu vermitteln, stellt s<strong>ich</strong> ergo als<br />
überaus komplexes Unterfangen dar, weil zahllose Elemente berücks<strong>ich</strong>tigt werden müssen,<br />
die man an der Taktiktafel unmögl<strong>ich</strong> abhandeln kann, sodass die Spieler sie ver<strong>in</strong>nerl<strong>ich</strong>en.<br />
Darum werden die e<strong>in</strong>zelnen Spielelemente extrahiert, welche wiederum <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>ere Partikel<br />
aufgeteilt werden. Diese Elemente und Partikel werden <strong>in</strong> der praktischen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsarbeit<br />
geschult.<br />
Gibt man für den Moment des Umschaltens von Offensive auf Defensive die Maßgabe vor,<br />
s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t nach h<strong>in</strong>ten zu orientieren, sondern gle<strong>ich</strong> <strong>in</strong>s Gegenpress<strong>in</strong>g zu gehen, werden<br />
zunächst die logischen Verhaltensweisen und Ziele zur Umsetzung desselben erfasst. Diese<br />
s<strong>in</strong>d das kompakt organisieren zwischen dem Ball und dem eigenen Tor, sowie das Zw<strong>in</strong>gen<br />
des gegnerischen Ballführers, das Spielgerät nach h<strong>in</strong>ten passen zu müssen. Dazu <strong>habe</strong>n s<strong>ich</strong><br />
sämtl<strong>ich</strong>e Spieler gedankl<strong>ich</strong> darauf e<strong>in</strong>zustimmen, an der Verteidigung und der<br />
42
Ballrückeroberung teilzunehmen. Um s<strong>ich</strong> kompakt h<strong>in</strong>ter dem Ball zu organisieren, muss<br />
s<strong>ich</strong> entsprechend im ballnahen Raum orientiert und kommuniziert werden, damit ke<strong>in</strong>e freien<br />
Räume für den Gegner offen s<strong>in</strong>d.[12]<br />
Der Zweck dieser Aufteilung der Strategie und ihrer zielführenden Zwischenschritte ist es, die<br />
komplexen Situationen für die Spieler gedankl<strong>ich</strong> zu vere<strong>in</strong>fachen. Somit kann auf die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Elemente im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g gesondert e<strong>in</strong>gegangen werden. Dabei erfahren die<br />
jeweiligen Aspekte je nach gewollter Strategie unterschiedl<strong>ich</strong>e Gew<strong>ich</strong>tungen.[13] Im<br />
Ergebnis werden die e<strong>in</strong>zelnen Puzzleteile wieder zusammengeführt und ergeben den<br />
ursprüngl<strong>ich</strong> angestrebten Spielstil.<br />
aa) Vertikalspiel<br />
<strong>Das</strong> schnelle Umschaltspiel von Defensive auf Offensive erfordert beispielsweise vertikale<br />
Pässe und e<strong>in</strong> hohes Lauftempo auch mit Ball am Fuß. Die 10-Sekunden-Regel sorgt für die<br />
Vermittlung dieser beiden taktischen Zwischenziele, weil schnell R<strong>ich</strong>tung gegnerisches Tor<br />
gespielt werden muss, um <strong>in</strong>nerhalb des engen Zeitfensters zum Abschluss zu kommen. Strebt<br />
man also e<strong>in</strong> schnelles Umschalten an, muss der Fokus auf e<strong>in</strong> geradl<strong>in</strong>iges Angriffsspiel<br />
gelegt werden. Rückpässe zur Balls<strong>ich</strong>erung s<strong>in</strong>d dafür h<strong>in</strong>derl<strong>ich</strong>, weil sie dem Gegner die<br />
Gelegenheit geben, s<strong>ich</strong> wieder neu zu ordnen, um so mögl<strong>ich</strong>e Freiräume zuzustellen. Diese<br />
Art der S<strong>ich</strong>erung nach Ballgew<strong>in</strong>n sollte demnach im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g vernachlässigt werden, wenn<br />
man Konter vermitteln will.<br />
bb) Ballbesitzspiel<br />
Die Strategie, den eigenen Ballbesitz mittels e<strong>in</strong>es ausgiebigen Kurzpassspiels zu s<strong>ich</strong>ern und<br />
den Ball kontrolliert vorzutragen, erfordert die taktischen Zwischenziele der Bildung von<br />
Dreiecken, sowie kurze <strong>in</strong>dividuelle Ballbesitzzeiten. Als Schritt zu diesen Zwischenzielen<br />
s<strong>in</strong>d Geduld und die Wahrnehmung über die Position der eigenen Mitspieler wesentl<strong>ich</strong>e<br />
Faktoren.<br />
Für die Umsetzung dieser taktischen Inhalte ist es grundsätzl<strong>ich</strong> ratsam, Spielformen ohne<br />
Tore zu wählen. Denn so gibt es ke<strong>in</strong>e feste R<strong>ich</strong>tung, <strong>in</strong> die der Ball vorgetragen werden<br />
muss. <strong>Das</strong> schnelle Spiel <strong>in</strong> die Spitze we<strong>ich</strong>t der ausgiebigen Ballrotation, wodurch etwa die<br />
10-Sekunden-Regel wegfällt. Stattdessen muss primär der Ball ges<strong>ich</strong>ert werden, wobei<br />
sämtl<strong>ich</strong>e R<strong>ich</strong>tungen zu nutzen s<strong>in</strong>d. Weil e<strong>in</strong> Kurzpassspiel technisch anspruchsvoll ist,<br />
empfehlen s<strong>ich</strong> enge Spielfelder, um hohe Schwankungen durch ständigen Gegnerdruck zu<br />
erzeugen.<br />
Um nach all diesen Aspekten zu tra<strong>in</strong>ieren, empfiehlt s<strong>ich</strong> grundsätzl<strong>ich</strong> das sogenannte „el<br />
Rondo“. Bei dieser Form stehen (m<strong>in</strong>destens) drei Spieler <strong>in</strong> Ballbesitz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dreieck und<br />
passen s<strong>ich</strong> den Ball zu, während e<strong>in</strong> defensiver Spieler <strong>in</strong> der Mitte versucht, den Ball zu<br />
erobern. Hat er das geschafft, wechselt er zum offensiven Team und derjenige, der den Ball<br />
43
verloren hat, geht <strong>in</strong> die Mitte und muss nun selbst den Ball erobern. Diese Spielform geht<br />
auch im 4-gegen-1, 4-gegen-2, 5-gegen-2 und so weiter.<br />
<strong>Das</strong> „el Rondo“ ist e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Positionsspiel, <strong>in</strong> dem es darauf ankommt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em stark<br />
abgegrenzten Raum den Ball gegen e<strong>in</strong>en zahlenmäßig unterlegenen Gegner durch kurze<br />
Pässe <strong>in</strong> unterschiedl<strong>ich</strong>e R<strong>ich</strong>tungen zu s<strong>ich</strong>ern. Es vermittelt also das Pr<strong>in</strong>zip der eigenen<br />
Überzahl <strong>in</strong> Ballnähe, um so den Ball zirkulieren lassen und ihn vor dem Gegner behaupten<br />
zu können. <strong>Das</strong> Bilden von Kurzpassdreiecken ist für e<strong>in</strong>e erfolgre<strong>ich</strong>e Umsetzung dieses<br />
Positionsspiels unerlässl<strong>ich</strong>.<br />
E<strong>in</strong>e dieser mögl<strong>ich</strong>en Variationen ist das Spiel <strong>in</strong> sechs Zonen (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 30m x 20m-Feld).<br />
Es spielen zwei Teams zu circa je 6-8 Spielern gegene<strong>in</strong>ander.<br />
Zonenspiel<br />
<strong>Das</strong> Ziel ist, mögl<strong>ich</strong>st viele Zonen zu bespielen. Werden z.B. vier Zonen bespielt, erhält das<br />
jeweilige Team e<strong>in</strong>en Punkt. Wurde e<strong>in</strong> Punkt erzielt, geht das Spiel ohne Unterbrechung<br />
weiter.<br />
<strong>Das</strong>s e<strong>in</strong>e Zone „bespielt“ ist, bedeutet, dass s<strong>ich</strong> zwei Spieler derselben Mannschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Zone den Ball m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal zugepasst <strong>habe</strong>n. E<strong>in</strong> Pass von e<strong>in</strong>er Zone <strong>in</strong> die Nächste<br />
zählt h<strong>in</strong>gegen n<strong>ich</strong>t als „bespielt“! Es dürfen höchstens drei Spieler der ballführenden<br />
Mannschaft zeitgle<strong>ich</strong> <strong>in</strong> der Ballzone stehen. Von der defensiven Mannschaft dürfen<br />
höchstens zwei Spieler <strong>in</strong> der Ballzone agieren. Stehen mehr als drei Spieler der offensiven<br />
oder mehr als zwei Spieler der defensiven Mannschaft <strong>in</strong> der jeweiligen Ballzone, erhält die<br />
jeweils andere Mannschaft e<strong>in</strong>en Punkt.<br />
Die Ballzone stellt e<strong>in</strong>en geschlossenen Raum dar, <strong>in</strong> welchem höchstens 5 Spieler (3<br />
offensive + 2 defensive) zugle<strong>ich</strong> stehen dürfen. Dies müssen s<strong>ich</strong> die Spieler bewusst<br />
machen, um n<strong>ich</strong>t <strong>in</strong> Hektik zu verfallen. Denn der ballnahe Raum wird regelmäßig sehr eng<br />
wirken. Dabei ist aber n<strong>ich</strong>t der Raum entscheidend, sondern ledigl<strong>ich</strong> die Zone, <strong>in</strong> der der<br />
Ball ist. E<strong>in</strong>e ruhige Spielweise ist daher unabd<strong>in</strong>gbar. Die Spieler müssen s<strong>ich</strong> gegenseitig<br />
44
coachen und genau beobachten, wo die Mitspieler stehen, um n<strong>ich</strong>t zu viele Spieler <strong>in</strong> der<br />
Ballzone zu <strong>habe</strong>n. Trotzdem muss darauf geachtet werden, dass stets genügend Spieler <strong>in</strong><br />
Ballnähe s<strong>in</strong>d, damit die ballnahen Zonen jederzeit optimal besetzt werden können. So hat die<br />
jeweils offensive Mannschaft stets die Mögl<strong>ich</strong>keit, schnell e<strong>in</strong>e eigene Überzahl <strong>in</strong> der<br />
Ballzone herzustellen.<br />
Mit dieser Übungsform kann das Kurzpassspiel stark forciert werden. Es wird auf sehr engem<br />
Raum agiert, <strong>in</strong> welchem permanent großer Gegnerdruck herrscht, was gemäß der diff. LM<br />
Schwankungen und so zu Fortschritten h<strong>in</strong>s<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> der Technik führt. Der enge Raum führt<br />
nach dem impliziten Lernen dazu, dass die Spieler schnellstmögl<strong>ich</strong> Passoptionen für den<br />
Ballführer anbieten müssen, während dieser die eigenen Mitspieler <strong>in</strong> Hilfestellung schnell<br />
wahrnehmen muss. Weil nur e<strong>in</strong>e begrenzte Anzahl von Spielern derselben Mannschaft<br />
zugle<strong>ich</strong> <strong>in</strong> der jeweiligen Ballzone se<strong>in</strong> darf, erfährt die Position der eigenen Mitspieler e<strong>in</strong>e<br />
besondere Aufmerksamkeit.<br />
3. Zusammenfassung<br />
<strong>Das</strong> vom Tra<strong>in</strong>er gesteuerte Entdecken des Fußballspiels ist nach momentanen Erkenntnissen<br />
die optimale Lehrweise. Mit ihr stimuliert und führt der Tra<strong>in</strong>er die Spieler durch offene und<br />
geschlossene Fragen zur Lösung des Problems. Er gibt ihnen <strong>in</strong>direkt zu verstehen, dass der<br />
Fußball im Kopf beg<strong>in</strong>nen muss, bevor die Aktion auf dem Spielfeld mit dem Fuß beendet<br />
wird. Damit wird der Spieler zum Hauptdarsteller des Lern- und Lehrprozesses, während<br />
früher der Coach im Mittelpunkt des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs stand und Lehrautorität war. Um spezifische<br />
Fragen stellen zu können, die die Spieler beantworten müssen, sollten Tra<strong>in</strong>er von jedem<br />
vere<strong>in</strong>fachten Spiel die Lern- und Lehrziele im Angriff und <strong>in</strong> der Abwehr kennen und diese<br />
systematisch Abarbeiten.<br />
Die taktische Periodisierung gibt dafür den methodischen Rahmen vor. Die Komplexen<br />
Strategien und Taktiken werden systematisch <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Elemente aufgeteilt und<br />
entsprechend <strong>in</strong> spielnahen Übungsformen tra<strong>in</strong>iert. Denn <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Spielformen<br />
können die Anforderungen und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen derart variiert werden, dass vielfältige<br />
Schwankungen provoziert werden, wodurch e<strong>in</strong>e große Lernrate, sowie e<strong>in</strong> großes<br />
Lernpotenzial für Technik, Taktik und Kondition entstehen. Taktische Zielsetzungen<br />
erfordern eigene technische Voraussetzungen, die durch Provokation spezieller<br />
Schwankungen tra<strong>in</strong>iert werden können.<br />
Durch die differenzielle Lehrmethode <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem impliziten Lernen werden<br />
neben den Vorteilen im H<strong>in</strong>blick auf die Verbesserung der technisch-taktischen Fähigkeiten<br />
auch strukturelle, motivationale und <strong>in</strong>haltl<strong>ich</strong>e Vorzüge erre<strong>ich</strong>t:<br />
1.) Abwechslungsre<strong>ich</strong>eres Üben und Tra<strong>in</strong>ieren<br />
2.) Ökonomisierung des Lern- und Übungsprozesses<br />
45
3.) Erhöhung der Übungs- und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsqualität<br />
4.) Ergänzungsmögl<strong>ich</strong>keiten des traditionellen Techniktra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<br />
5.) ggf. bieten s<strong>ich</strong> zunächst Komb<strong>in</strong>ationsformen von traditionellen und systemdynamischen<br />
Ansätzen an<br />
Jede Variation der Parameter oder Umstände <strong>in</strong> den Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsspielformen hat zur Folge, dass<br />
s<strong>ich</strong> die Spieler auch (teilweise unbewusst) gedankl<strong>ich</strong> mit dem Spiel ause<strong>in</strong>andersetzen<br />
müssen, weil sie neue und spezifische Lösungen f<strong>in</strong>den müssen. Technik und Taktik stehen<br />
dabei stets <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em n<strong>ich</strong>t zu trennenden Zusammenhang. Dieser Lernprozess wird<br />
überwiegend ohne explizite, also <strong>in</strong>tellektuell-theoretische Vorgaben vollzogen.<br />
In heutigen Lehrmethoden ist der Spieler also n<strong>ich</strong>t mehr bloß Ausführender der<br />
Anweisungen se<strong>in</strong>es Tra<strong>in</strong>ers. Dieser regt se<strong>in</strong>e Spieler stattdessen dauernd zum Denken an,<br />
damit sie lernen, selbst r<strong>ich</strong>tige Entscheidungen zu treffen. Auf diese Weise wird der Spieler<br />
unabhängiger von den H<strong>in</strong>weisen se<strong>in</strong>es Tra<strong>in</strong>ers. Klassische Lehrmethoden <strong>habe</strong>n<br />
regelmäßig e<strong>in</strong>en schnellen gedächtnisbed<strong>in</strong>gten Abfall der Leistung auf das ursprüngl<strong>ich</strong>e<br />
Ausgangsniveau zur Folge. Anstatt also Instruktionen zu geben, die schnell vergessen werden,<br />
erlaubt der Tra<strong>in</strong>er den Spielern, eigene Erfahrungen zu sammeln, die dadurch stärker im<br />
Langzeitgedächtnis gespe<strong>ich</strong>ert werden.<br />
III. Periodisierung<br />
Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsarbeit r<strong>ich</strong>tet s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t nur nach den erforderl<strong>ich</strong>en technisch-taktischen<br />
Inhalten, sondern auch nach der Leistungsfähigkeit im H<strong>in</strong>blick auf die konditionellen<br />
Aspekte von Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit. Im Verlauf e<strong>in</strong>er Saison und <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswoche s<strong>in</strong>d die körperl<strong>ich</strong>en Voraussetzungen der Spieler niemals gle<strong>ich</strong>, sondern<br />
schwanken stetig. Durch Periodisierung der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>halte und -<strong>in</strong>tensität soll den Spielern<br />
ausre<strong>ich</strong>end Gelegenheit gegeben werden, s<strong>ich</strong> zu erholen, um im Wettkampf höchstmögl<strong>ich</strong>e<br />
Leistung erbr<strong>in</strong>gen zu können.<br />
1. wöchentl<strong>ich</strong>e Periodisierung der Kondition<br />
Ausgehend von e<strong>in</strong>em Spiel und 3-4 Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten pro Woche werden drei<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gse<strong>in</strong>heiten dazu genutzt, die konditionellen Elemente (<strong>in</strong>tensiv) zu fördern.<br />
M<strong>in</strong>destens zwei Tage werden der (zum Teil aktiven) Erholung gewidmet. Diese Erholung<br />
erfolgt jeweils direkt vor und nach dem Spiel. Ist also das wöchentl<strong>ich</strong>e Wettkampfspiel an<br />
e<strong>in</strong>em Samstag, f<strong>in</strong>det am Sonntag grundsätzl<strong>ich</strong> ke<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g statt. Am Tag vor dem Spiel<br />
(hier: Freitag) sollte – sofern überhaupt tra<strong>in</strong>iert wird – die Intensität allenfalls niedrig<br />
gehalten werden.<br />
46
Für die Tage Dienstag, Mittwoch und Donnerstag hat das zur Folge, dass <strong>in</strong>tensiv tra<strong>in</strong>iert<br />
wird, wobei die drei physischen Aspekten der Kondition besondere Aufmerksamkeit erfahren.<br />
So wird etwa am Dientag die Kraft <strong>in</strong> den Fokus gestellt, Mittwoch die Ausdauer und am<br />
Donnerstag schließl<strong>ich</strong> die Schnelligkeit. Während die technisch-taktischen Inhalte je nach<br />
Notwendigkeit und Fähigkeit der Mannschaft variieren, bleibt die Fokussierung der e<strong>in</strong>zelnen<br />
konditionellen Elemente zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> der Wettkampfphase der Saison stets gle<strong>ich</strong>.<br />
2. saisonale Periodisierung der Kondition<br />
N<strong>ich</strong>t nur <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswoche wird periodisiert, sondern auch im gesamten<br />
Saisonverlauf. In der Vorbereitungsphase werden die konditionellen Grundlagen wieder<br />
aufgebaut, die <strong>in</strong> der Sommer- oder W<strong>in</strong>terpause verloren gegangen s<strong>in</strong>d. Anschließend f<strong>in</strong>det<br />
e<strong>in</strong>e Übergangsphase statt, <strong>in</strong> der die Intensität zunehmend erhöht wird, um die Kondition auf<br />
das nötige Niveau für den Wettkampf zu br<strong>in</strong>gen. Während der Wettkampfphase wird die<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs<strong>in</strong>tensität mögl<strong>ich</strong>st gle<strong>ich</strong>bleibend beibehalten. Denn durch das stark spielnah<br />
ausger<strong>ich</strong>tete Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und die zu berücks<strong>ich</strong>tigen Erholungsphasen vor und nach dem Spiel,<br />
ermüdet der Körper n<strong>ich</strong>t so stark, sodass ke<strong>in</strong> großer Leistungsabfall droht.<br />
3. Periodisierung der taktischen Inhalte<br />
Auch die für die angestrebte Strategie notwendigen Taktiken und dazugehörigen Techniken<br />
werden periodisch geübt und gefestigt. Grundsätzl<strong>ich</strong> sollte dem Verhalten im Moment des<br />
gegnerischen Ballbesitzes die erste Aufmerksamkeit gewidmet werden. E<strong>in</strong>e defensive<br />
Stabilität bildet das Grundgerüst e<strong>in</strong>es kontrollierten Spiels, auf dem s<strong>ich</strong> alle weiteren<br />
technischen und taktischen Zielsetzungen aufbauen lassen.<br />
Ferner sollten <strong>in</strong> der Saisonvorbereitung die Grundlagen des gewollten Spielstils vermittelt<br />
werden, damit die Spieler die Ideen und Vorstellungen des Tra<strong>in</strong>ers kennenlernen und<br />
verstehen. Ist dies gelungen, lassen s<strong>ich</strong> die detaillierten Fortführungen auf dem Weg zur<br />
Gesamtstrategie le<strong>ich</strong>ter umsetzen.<br />
Die e<strong>in</strong>zelnen zu erweiternden Aspekte von Technik und Taktik r<strong>ich</strong>ten s<strong>ich</strong> dabei nach den<br />
Erfordernissen der Mannschaft. Diese offenbaren s<strong>ich</strong> <strong>in</strong> der Leistung des Teams <strong>in</strong> den<br />
jeweiligen Spielen. Damit f<strong>in</strong>det – im Gegensatz zur Periodisierung der Kondition – e<strong>in</strong>e<br />
Periodisierung der e<strong>in</strong>zelnen taktischen Inhalte <strong>in</strong> Abhängigkeit der im Wettkampf gezeigten<br />
Leistungen statt.<br />
4. Zusammenfassung<br />
<strong>Das</strong> Ziel der Periodisierung ist zum e<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong> wettkampfgeeignetes Niveau h<strong>in</strong>s<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong><br />
Technik, Taktik und Kondition zu erre<strong>ich</strong>en, um den gewünschten Spielstil zu erre<strong>ich</strong>en. <strong>Das</strong><br />
zweite Ziel der Periodisierung ist die Beibehaltung des wettkampfgeeigneten Niveaus.<br />
Während s<strong>ich</strong> die technisch-taktischen Inhalte im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nach den Fähigkeiten der<br />
47
Mannschaft r<strong>ich</strong>ten, bleiben die konditionellen Inhalte und Intensitäten zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> der<br />
Wettkampfphase gle<strong>ich</strong>, um die körperl<strong>ich</strong>e Verfassung der Spieler kont<strong>in</strong>uierl<strong>ich</strong><br />
beizubehalten.<br />
IV. Fazit<br />
Zum e<strong>in</strong>en gibt die taktische Periodisierung vor, wie die technisch-taktischen Inhalte des<br />
Fußballs nach dem ganzheitl<strong>ich</strong>en Pr<strong>in</strong>zip derart vermittelt werden können, dass daraus die<br />
angestrebte Spielstrategie erwächst. Zum anderen werden die e<strong>in</strong>zelnen Inhalte je nach<br />
Gew<strong>ich</strong>tung und Relevanz im saisonalen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsverlauf periodisiert, damit die Spieler e<strong>in</strong><br />
wettkampfgerechtes Level erre<strong>ich</strong>en und es schließl<strong>ich</strong> auch beibehalten können.<br />
Der Spielstil bzw. die Strategie gibt die technisch-taktischen Inhalte vor, wobei <strong>in</strong> der<br />
Saisonvorbereitung zunächst die Defensive im Fokus steht. Von e<strong>in</strong>er ges<strong>ich</strong>erten Abwehr<br />
lassen s<strong>ich</strong> die übrigen Zwischenschritte der e<strong>in</strong>zelnen Spielmomente angehen, die auf dem<br />
Weg zur Erre<strong>ich</strong>ung der Gesamtstrategie notwendig s<strong>in</strong>d. Jeder relevante Zwischenschritt<br />
muss dafür extrahiert und spezifisch geübt werden, wobei ferner hohe Schwankungen erzeugt<br />
werden, um neben den taktischen Aspekten auch die technischen Anforderungen zu<br />
tra<strong>in</strong>ieren.<br />
Jedes e<strong>in</strong>zelne Element wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e (gedankl<strong>ich</strong>en) E<strong>in</strong>zelteile zerlegt und zielger<strong>ich</strong>tet<br />
angegangen. Dem Zufall wird mit aller Kraft entgegengewirkt, wobei die Fähigkeiten der<br />
Spieler und der Mannschaft stets der R<strong>ich</strong>twert für die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsarbeit s<strong>in</strong>d. Aus all dem folgt,<br />
dass ke<strong>in</strong>e Mittel genutzt werden, die die Spieler (noch) n<strong>ich</strong>t meistern können[14] oder ihnen<br />
schaden würden.[15]<br />
Literaturverze<strong>ich</strong>nis<br />
Lehrbücher:<br />
Bisanz, Gero / Gerisch, Gunnar; Fußball – Kondition, Technik, Taktik und Coach<strong>in</strong>g; 1.<br />
neubearbeitete Auflage; Aachen: Meyer & Meyer Verlag; 2008<br />
Doucet, Claude; Fußball – Taktik perfektionieren: 250 Spiele und Übungen; 1. Auflage; Leer:<br />
onLi Verlag – bfp Versand; 2006<br />
Hollmann, Wildor / Hett<strong>in</strong>ger, Theodor; Sportmediz<strong>in</strong> – Grundlagen für Arbeit, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und<br />
Präventivmediz<strong>in</strong>; 4. Auflage; Stuttgart: Schattauer Verlag; 2000<br />
Kiesel, Andrea / Koch, Ir<strong>in</strong>g; Lernen – Grundlagen der Lernpsychologie; 1. Auflage;<br />
Wiesbaden: Spr<strong>in</strong>ger VS; 2012<br />
48
van Gaal, Louis / Heukels, Robert; Louis van Gaal – Vision; 1. Auflage; Dresden: Visiesport<br />
GmbH; 2010<br />
Aufsätze:<br />
Delgado-Bordonau, Juan Luis / Mendez-Villanueva, Alberto; Tactical Periodization:<br />
Mour<strong>in</strong>ho‟s best-kept secret?; Soccer Journal; May/June 2012, S. 28-34<br />
Schöllhorn, Wolfgang; Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung; Schriften der<br />
Deutschen Vere<strong>in</strong>igung für Sportwissenschaft; Band 144, 2005; S. 125-135<br />
[1] UEFA Champions League, Technischer Ber<strong>ich</strong>t – 2005/06, S. 61.<br />
[2] van Gaal/Heukels, Louis van Gaal – Biographie & Vision, S. 32 f.<br />
[3] Hollmann/Hett<strong>in</strong>ger, Sportmediz<strong>in</strong>, S. 117.<br />
[4] Delgado-Bordonau/Mendez-Villanueva Soccer Journal 2012, 28.<br />
[5] van Gaal/Heukels, Louis van Gaal – Biographie & Vision, S. 34 f.<br />
[6] Bisanz/Gerisch, Fußball, S. 317; Doucet, Fußball-Taktik perfektionieren, S. 219.<br />
[7] Hohmann/Lames/Letzfelder, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswissenschaft.<br />
[8] Schöllhorn dvs 2005, 125, 130 ff.<br />
[9] Schöllhorn dvs 2005, 125, 129.<br />
[10] Bsp.: Die Technik des Flops löst die „Schere“ beim Hochspr<strong>in</strong>gen ab.<br />
[11] Kiesel/Koch, Lernen, S. 84.<br />
[12] Delgado-Bordonau/Mendez-Villanueva Soccer Journal 2012, 28, 31.<br />
[13] Wird e<strong>in</strong> ausgeprägtes Passspiel bevorzugt, werden Dribbl<strong>in</strong>gs vernachlässigt.<br />
[14] Bsp.: Kontermannschaft soll fortan auf Ballbesitz spielen.<br />
[15] Bsp.: Straftra<strong>in</strong><strong>in</strong>g nach verlorenem Spiel.<br />
49
Marco ist bei Spox.com unter dem Usernamen “vangaalsnase” aktiv, wo er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Profil<br />
viele hoch<strong>in</strong>teressante Artikel zu Taktik- und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gstheorie gepostet hat, denen wir uns<br />
erst noch widmen werden. <strong>Spielverlagerung</strong> dankt für diesen tollen Gastbeitrag!<br />
50
Periodisierungstechniken: Diskussion der DFB-<br />
Inhaltskonzeption<br />
In diesem letzten Teil setzen wir uns mit den <strong>in</strong>haltl<strong>ich</strong>en Periodisierungen des DFB<br />
ause<strong>in</strong>ander. Wir sehen uns dabei an, wie der DFB die Periodisierung des Mesozyklus<br />
(Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswoche), des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs im Saisonverlauf (Makrozyklus) und die Jugendausbildung<br />
über die Jahre h<strong>in</strong>weg empfiehlt. Dabei starten wir mit der Entstehung dieser Konzeption.<br />
Der geistige Vater: Gero Bisanz<br />
Um die W<strong>ich</strong>tigkeit und die Arbeit von Gero Bisanz bei der DFB-Konzeption zur<br />
Tra<strong>in</strong>erausbildung und somit auch zur Jugendausbildung klar zu machen, zitieren wir<br />
nurFolgendes:<br />
Gero Bisanz hat die Tra<strong>in</strong>er-Ausbildung beim DFB mitgestaltet und geprägt. Von 1971 bis<br />
2000 war der erste Tra<strong>in</strong>er der deutschen Frauen-Nationalmannschaft als Chefausbilder<br />
tätig.<br />
Bisanz war 1971 <strong>in</strong> die Fußstapfen von Hennes Weisweiler und Sepp Herberger getreten, se<strong>in</strong><br />
Nachfolger wurde Er<strong>ich</strong> Rutemöller nach ganzen 29 Jahren als Chefausbilder. Bis heute gilt<br />
dabei das aktuell <strong>in</strong> der 2. Auflage von 2010 vorliegende Buch von Bisanz und Gunnar<br />
Gerisch mit dem Titel „Fußball: Kondition, Technik, Taktik und Coach<strong>in</strong>g“ als<br />
Standardlektüre des DFB. Dieser Schmöker mit über 560 Seiten beschäftigt s<strong>ich</strong> mit mehr<br />
oder weniger allem, was dem Autor e<strong>in</strong>gefallen ist – Taktik, Technik, Coach<strong>in</strong>g,<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswissenschaft. Alles ist dr<strong>in</strong>, wenn auch n<strong>ich</strong>t optimal ausgeführt.<br />
Bezügl<strong>ich</strong> Periodisierung gibt es dazu <strong>in</strong> dieser Doktorarbeit von Pedro Gonzalez schöne<br />
Zitate auf Seite 174 zur Kritik an der Periodisierung des DFB und auch des Bisanz-Buchs. Er<br />
zitiert dabei Jonath & Kempel aus dem Jahr 1994, welche n<strong>ich</strong>t von e<strong>in</strong>er wirkl<strong>ich</strong>en<br />
Periodisierung sprechen, sondern über die Unmögl<strong>ich</strong>keit e<strong>in</strong>er ordentl<strong>ich</strong>en Periodisierung.<br />
Auch Bisanz wird kritisiert. Er konzentriert s<strong>ich</strong> zwar n<strong>ich</strong>t ausschließl<strong>ich</strong>, aber vorrangig auf<br />
die Mesozyklen. Gonzalez nutzt dabei folgendes Zitat:<br />
„Für das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g während der beiden Hauptperioden (Vor- und Rückrunde der Punktspiele)<br />
gelten bestimmte Grundsätze: Am Anfang der Woche werden schwerpunktmäßig die anaerobe<br />
Ausdauer und die Verbesserung der Kraft geschult, am Ende der Woche die Schnelligkeit und<br />
die Gewandtheit. <strong>Das</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g des Stehvermögens und der Schnelligkeit werden e<strong>in</strong>mal pro<br />
Woche e<strong>in</strong>geplant; (…) Bei e<strong>in</strong>er optimalen Abstimmung von Belastung und Erholung<br />
erre<strong>ich</strong>t man neben dem Effekt der Stabilisierung der Technik auch den e<strong>in</strong>es guten<br />
konditionellen Zustandes.“<br />
51
Wir wollen jetzt die Methodik von Gero Bisanz genauer unter die Lupe nehmen. Dabei<br />
beg<strong>in</strong>nen wir mit den dazugehörigen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gspr<strong>in</strong>zipien, die wir st<strong>ich</strong>wortartig auflisten und<br />
kurz erklären möchten.<br />
Bisanz‘ sechs große Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gspr<strong>in</strong>zipien<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip des konstanten Belastungsanstiegs (Progressive Load<strong>in</strong>g):<br />
Damit ist geme<strong>in</strong>t, dass die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbelastung dem Leistungsniveau der Spieler entsprechen<br />
muss und entsprechend deren erhöhtem Niveau dank der vorherigen Leistungsverbesserung<br />
ebenfalls größer werden muss. E<strong>in</strong>e Mehrbelastung soll dann den stärkeren Organismus<br />
aggressiver attackieren, damit er s<strong>ich</strong> anpassen und somit verbessern muss. Bisanz empfiehlt<br />
e<strong>in</strong>e stufenförmige Erhöhung anstatt e<strong>in</strong>er konstanten Steigerung der Belastung. E<strong>in</strong>e genaue<br />
Empfehlung bezügl<strong>ich</strong> der Dauer e<strong>in</strong>er Stufe gibt es allerd<strong>in</strong>gs n<strong>ich</strong>t.<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der Superkompensation:<br />
Hier geht es um die Anpassung des Körpers an Belastung. Dieses Pr<strong>in</strong>zip geht davon aus, dass<br />
das aktuelle Leistungsniveau durch Belastung gesenkt wird, s<strong>ich</strong> aber nach der Erholung auf<br />
e<strong>in</strong> höheres Ausgangsniveau hebt. Diese Steigerung wird als Superkompensation beze<strong>ich</strong>net.<br />
Der neue Belastungsreiz soll dann genau <strong>in</strong> dieses erhöhte Grundniveau kommen.<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der Ausgewogenheit von Belastung und Erholung:<br />
Dieses Pr<strong>in</strong>zip bezieht s<strong>ich</strong> auf die Phasen des Superkompensationspr<strong>in</strong>zips. Es soll e<strong>in</strong>e<br />
ordentl<strong>ich</strong>e Mischung zwischen Belastung und Erholung geben, damit der Körper n<strong>ich</strong>t<br />
überfordert wird. Zur Erholung wird e<strong>in</strong>e aktive Regeneration empfohlen, <strong>in</strong>dem le<strong>ich</strong>te<br />
Spielformen gemacht werden oder D<strong>in</strong>ge wie Radfahren, Spazieren oder ähnl<strong>ich</strong>es gemacht<br />
werden<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der optimalen Relation von Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs- und Wettkampfbelastung und<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gshäufigkeit:<br />
Dieser Aspekt befasst s<strong>ich</strong> mit den Wechselwirkungen zwischen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gshäufigkeit, -<br />
<strong>in</strong>tensität und -dauer. Diese sollen s<strong>ich</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang bef<strong>in</strong>den, wobei die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gshäufigkeit<br />
als w<strong>ich</strong>tigster Faktor gilt, während die Intensität und Dauer effektiver variiert werden<br />
können. Als Grundsatz gilt, dass Übungen mit hoher Intensität eher kürzer durchgeführt<br />
werden, während längere Übungen eher e<strong>in</strong>e niedrige Intensität besitzen.<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip der Individualität und Differenzierung:<br />
Die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbelastung soll natürl<strong>ich</strong> auch auf die Bedürfnisse e<strong>in</strong>zelner Akteure abgestimmt<br />
werden. Werden jeweilige Symptome entdeckt, welche Bisanz auch aufzählt (u.a. auch<br />
52
psychologische Merkmale, die auf bestimmte Ermüdungsersche<strong>in</strong>ungen h<strong>in</strong>deuten), dann soll<br />
die Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbelastung verr<strong>in</strong>gert werden.<br />
<strong>Das</strong> Pr<strong>in</strong>zip des ganzjährigen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs und der Periodisierung:<br />
Abgesehen von e<strong>in</strong>er Pause im Sommer soll über das gesamte Jahr h<strong>in</strong>weg tra<strong>in</strong>iert werden.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs soll auf die E<strong>in</strong>haltung der Pausen und Erholungsmögl<strong>ich</strong>keiten genau geachtet<br />
werden. Die Periodisierung bezieht s<strong>ich</strong> dann auf den vorgegebenen Spielplan, womit wir<br />
schon zum nächsten Thema kommen, welches wir anhand e<strong>in</strong>es Beispiels aus dem Buch kurz<br />
zusammenfassen werden.<br />
Die empfohlene Periodisierung im Saisonverlauf im Erwachsenensport nach DFB-<br />
Konzeption<br />
Die Vorbereitungsperiode:<br />
In der Vorbereitung sollen die jeweiligen Fundamente bei Physis, Psyche, Taktik und<br />
Teambuildung gelegt werden. Generell sollen die Spieler e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> allen Belangen<br />
weiterentwickelt werden, durch den frei planbaren Zeitablauf und mehr Verfügbarkeit von<br />
Zeit soll alles angegangen werden. Interessant ist, dass Bisanz hier bei Amateuren empfiehlt,<br />
die Arbeit <strong>in</strong> puncto Ausdauer mit Technik und Taktik zu verb<strong>in</strong>den, dies aber bei den Profis<br />
– entgegen der taktischen Periodisierung – als n<strong>ich</strong>t notwendig erachtet. Ursache dafür sche<strong>in</strong>t<br />
die zeitl<strong>ich</strong>e Komponente zu se<strong>in</strong>, welche bei den Profis ja ke<strong>in</strong> Problem darstellen sollte.<br />
Diese Periode erstreckt s<strong>ich</strong> auf 4-6 Wochen vor Saisonbeg<strong>in</strong>n.<br />
E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong>e Vorbereitungsperiode f<strong>in</strong>det man hier.<br />
Die H<strong>in</strong>runde (1. Hauptperiode):<br />
Bisanz empfiehlt e<strong>in</strong>e weitere Verbesserung der Fähigkeiten der Spieler. <strong>Das</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ist<br />
ledigl<strong>ich</strong> weniger <strong>in</strong>tensiv und befasst s<strong>ich</strong> mit den im Spiel festgestellten Problemaspekten.<br />
Die Zwischenperiode:<br />
Diese Phase liegt im Dezember und Januar, sie dient zur Regeneration und anschließenden<br />
Vorbereitung auf die Rückrunde. Auf konkrete Inhalte wird n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> e<strong>in</strong>gegangen,<br />
e<strong>in</strong>zig die wirtschaftl<strong>ich</strong>en Begebenheiten, das Wetter und der Hallenfußball werden kurz<br />
erwähnt; so gibt es Freundschaftsspiele für Geld, oftmals ke<strong>in</strong>e Mögl<strong>ich</strong>keiten zum<br />
ordentl<strong>ich</strong>en Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g draußen, Hallenturniere und ähnl<strong>ich</strong>es.<br />
Die Rückrunde (2. Hauptperiode):<br />
Im Endeffekt ist dies das gle<strong>ich</strong>e wie bei der H<strong>in</strong>runde.<br />
53
Die Übergangsperiode:<br />
Die Spieler gehen <strong>in</strong> den wohlverdienten Urlaub. Spieler sollen s<strong>ich</strong> auskurieren und dann <strong>in</strong><br />
freier Arbeit oder durch Hausübungen s<strong>ich</strong> selbst bis Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>igermaßen fithalten.<br />
Tabelle der Periodisierung aus Bisanz‟ Buch, Seite 61<br />
Zu diesen jeweiligen Perioden gibt es bei Bisanz natürl<strong>ich</strong> auch e<strong>in</strong>ige Empfehlungen und<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen. Doch wie wir schon im Verlauf der letzten Artikeln zu diesem Thema<br />
gesehen <strong>habe</strong>n, lässt s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t nur e<strong>in</strong>e Saison periodisieren, sondern auch die langfristige<br />
Spielerentwicklung. Wieder sehen wir uns die Konzeption des DFB dazu an.<br />
Periodisierung der Jugendausbildung<br />
Bisanz unterteilt die Jugendausbildung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zehnjährige Ausbildungsphase. Begonnen wird<br />
dabei bei den Bamb<strong>in</strong>is (U7, G-Junioren) und geht dann bis zur U16-U18. Dabei wird das<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g auf die Entwicklungsphasen der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> drei Abschnitte unterteilt.<br />
Abschnitt 1: <strong>Das</strong> Grundlagentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Der erste Abschnitt geht von den Bamb<strong>in</strong>i bis zur U10. Im Fokus liegt dabei Bewegungs- und<br />
Spielschulung, Motorik, Koord<strong>in</strong>ation, Entwicklung der Grundlagen und das Kennenlernen<br />
des Umgangs mit dem Ball. Insbesondere bei den Bamb<strong>in</strong>i geht es noch sehr stark um die<br />
Motorik, danach orientiert man s<strong>ich</strong> schon stärker <strong>in</strong> R<strong>ich</strong>tung <strong>in</strong>dividual- und sogar<br />
gruppentaktischen Handelns <strong>in</strong> der Endphase dieses Abschnitts.<br />
Kernziele (sh. Seite 295):<br />
54
• Spielfreude fördern (die Motivation zum Fußballspiel verstärken)<br />
• Konditionelle, technische und spielgestaltende Grundlagen ausbilden<br />
• Teamgeist, Partnerschaft und Wettkampffähigkeit anbahnen<br />
• Persönl<strong>ich</strong>keitsentwicklung unterstützen<br />
Abschnitt 2: <strong>Das</strong> Aufbautra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Ab diesem Abschnitt geht es bis zum 14. Lebensjahr um die positionelle Ausbildung im 11<br />
gegen 11, die technik-taktischen Fähigkeiten und deren Anwendung. Kernziele s<strong>in</strong>d laut<br />
Bisanz (auf Seite 295):<br />
• Verbesserung der physischen und psychischen Leistungsgrundlagen<br />
• Ausformung des technischen Bewegungsrepertoires<br />
• Erweiterung der taktischen Handlungsmögl<strong>ich</strong>keiten<br />
Abschnitt 3: <strong>Das</strong> Leistungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
Ab 14 beg<strong>in</strong>nt diese letzte Phase. In diesem Bere<strong>ich</strong> geht es um die Perfektionierung des<br />
Fußballers, die Erweiterung se<strong>in</strong>er Mögl<strong>ich</strong>keiten technischer und taktischer Natur sowie die<br />
Heranführung an den Erwachsenenfußball. Letzteres wird stärker im Zeitraum von 16 bis 18<br />
Jahren praktiziert, besonders wenn e<strong>in</strong>e Adaption an den Profibetrieb nötig wird.<br />
55
Ebenfalls aus Bisanz Buch zu Fußball, Seite 294.<br />
Kernziele:<br />
• Kopplung und Variation der konditionellen und technischen Leistungskomponenten unter<br />
Wettspielansprüchen<br />
• Flexibles, situationsgerechtes und kreatives taktisches Spiel-Handeln nach dem Grundsatz<br />
der Effektivität<br />
Diese drei Abschnitte basieren <strong>übrigens</strong> auf dem „Vier-Phasen-Modell“, welches wohl vom<br />
3-Phasen-Modell des motorischen Lernens von Me<strong>in</strong>dl und Schnabel abgeleitet wurde [1].<br />
Bei diesem Modell der vier Phasen besteht die erste Phase aus der Fundamentalphase. Hier<br />
lernt man die Spielregeln und die Spielidee kennen, lernt Bewegungen und ihre Struktur. In<br />
der zweiten Phase, der Aufbau- und Formungsphase, werden diese Aspekte vertieft und<br />
detaillierter erfasst. Dazu kommen erste gruppen- und <strong>in</strong>dividualtaktische Aspekte. In der<br />
Festigungs- und Vervollkommnungsphase soll dies umgesetzt werden, es wird e<strong>in</strong>e stärkere<br />
Leistungs- und Zielorientierung e<strong>in</strong>gebracht, die bisher erlernten Fähigkeiten sollen gefestigt<br />
werden. In der Hochleistungs- und Perfektionsphase geht es um, tja, Hochleistung und<br />
Perfektion.<br />
Bisanz formuliert dann auch die Lernziele, welche s<strong>ich</strong> nach eigener Aussage auf die drei<br />
Bezugsebenen emotional-erlebnisorientiert, zweckrational-leistungsorientiert und sozial-<br />
56
<strong>in</strong>teraktionsorientiert beziehen. Dazu gibt es dann auch viele Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsübungen, was wir <strong>in</strong><br />
diesem Artikel aber n<strong>ich</strong>t näher schildern möchten.<br />
Stattdessen blicken wir kurz noch auf neuere Empfehlungen.<br />
Der DFB <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
Bisanz„ Abschied fällt natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr unter die neue Nachwuchskonzeption des DFB,<br />
welche ja schon Früchte getragen hat. Wir <strong>habe</strong>n dazu schon e<strong>in</strong>e der Änderungen diskutiert<br />
(„U13-Reform: Sammer liegt goldr<strong>ich</strong>tig“). Solche Änderungen gab es zuhauf, u.a. mit<br />
Veränderungen der Regeln, veränderten Vorgaben an die Tra<strong>in</strong>er und natürl<strong>ich</strong> auch<br />
Ermögl<strong>ich</strong>ung von mehr Spielformen im Vere<strong>in</strong>sleben und außerhalb. Der DFB hat nun auch<br />
e<strong>in</strong>e detaillierte Periodisierung der Ausbildung.<br />
DFB Ausbildungsstufen<br />
Außerdem unterteilt der DFB das Spiel nun auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Spielphasen, die lauten hier<br />
allerd<strong>in</strong>gs Angriff, Abwehr und Umschaltphasen.<br />
57
Aus dieser <strong>PDF</strong><br />
Zusätzl<strong>ich</strong> legt der DFB e<strong>in</strong>e Entwicklung der Fähigkeiten <strong>in</strong> der Reihenfolge<br />
Individualtaktik, Gruppentaktik und Mannschaftstaktik nahe. Ansonsten gibt es nur wenige<br />
frei zugängl<strong>ich</strong>e Informationen, welche genauere Auskunft über die theoretischen<br />
H<strong>in</strong>tergründe geben. Dazu sei aber auch gesagt, dass der DFB dies variabel sieht und den<br />
Vere<strong>in</strong>en bzw. den Tra<strong>in</strong>ern viele Freiheiten überlässt. Sie geben zum Beispiel <strong>in</strong> dieser <strong>PDF</strong><br />
Eckpfeiler zur Saisonvorbereitung.<br />
E<strong>in</strong> Grundgerüst des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmodells gibt es hier:<br />
58
DFB-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmodell<br />
Die präziseste und detailre<strong>ich</strong>ste zugängl<strong>ich</strong>e Präsentation des Nachwuchskonzepts f<strong>in</strong>det<br />
s<strong>ich</strong> hier und zeigt, dass der DFB sehr penibel auf e<strong>in</strong>en breit gefächerten Ansatz achtet. Die<br />
jeweiligen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsziele kann man dieser Grafik entnehmen:<br />
Leistungsaufbauplan des DFB im Überblick<br />
Ob dieser jedoch <strong>in</strong>nerhalb der Übungen zusammen tra<strong>in</strong>iert wird, ist unklar. Klar h<strong>in</strong>gegen<br />
ist jedoch, dass der DFB auch großen Wert auf Spielformen und viel Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit Ball legt,<br />
wodurch es zum<strong>in</strong>dest ansatzweise Überschneidungen zur taktischen Periodisierung und zum<br />
ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz nach Ernst Happel, Bill Shankly und Louis van Gaal geben sollte. E<strong>in</strong><br />
Konzept ist aber klar vorhanden, auch mit jeweiligen Gew<strong>ich</strong>tungen des Inhalts und Leitl<strong>in</strong>ien<br />
an die Tra<strong>in</strong>er.<br />
Ob diese jedoch <strong>in</strong>nerhalb der Übungen zusammen tra<strong>in</strong>iert werden ist unklar. Klar h<strong>in</strong>gegen<br />
ist jedoch, dass der DFB auch großen Wert auf Spielformen und viel Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g mit dem Ball<br />
legt, wodurch es zum<strong>in</strong>dest ansatzweise Überschneidungen zur taktischen Periodisierung und<br />
zum ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz nach Happel, Shankley und van Gaal geben sollte. E<strong>in</strong> Konzept ist<br />
aber klar vorhanden, auch mit jeweiligen Gew<strong>ich</strong>tungen des Inhalts und Leitl<strong>in</strong>ien an die<br />
Tra<strong>in</strong>er.<br />
Unser Leser TW hat mir hierzu auch e<strong>in</strong>en schönen L<strong>in</strong>k und weitere Informationen<br />
spendiert. So f<strong>in</strong>det s<strong>ich</strong> auf den Seiten der Nationalmannschaft unter dem Punkt „Tra<strong>in</strong>ieren<br />
wie wir“ durchaus Lesenswertes. Und im Buch von Reimöller & Voggenreiter „Erfolgre<strong>ich</strong>es<br />
Angreifen“ gibt es 25 Seiten zum Taktiktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g (Seiten 50-75). Dort gibt es auch e<strong>in</strong>e<br />
Schautafel zur Periodisierung der Offensivtaktischen Inhalte während der Jugendausbildung<br />
59
(S. 60,61). Diese basiert auf Brüggemanns „Fußballhandbuch Bd. 2: K<strong>in</strong>der- und<br />
Jugendtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g“. Auf Seite 70 ist noch e<strong>in</strong>e nette Grafik zum Taktiktra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong> der<br />
Saisonphase, dieses Kreisdiagramm zeigt folgende Aspekte:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Spielanalyse des Tra<strong>in</strong>ers<br />
Schwächen erkennen<br />
Spielsituation reduzieren<br />
Gewünschtes Verhalten, Alternativen, Entscheidungen <strong>in</strong> Übungen erlernen<br />
Gewünschtes Verhalten, Alternativen, Entscheidungen stabilisieren<br />
Tra<strong>in</strong>iertes im Spiel anwenden<br />
Bei der B-Lizenz besteht e<strong>in</strong> w<strong>ich</strong>tiger Schwerpunkt dar<strong>in</strong>, Fehler bzw. gewünschte<br />
Verhaltensweisen zu erkennen, Spielformen zu entwickeln und von der Komplexität im<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zu steigern.<br />
E<strong>in</strong>e Ergänzung: <strong>Das</strong> Modell von Raymond Verheijen<br />
Nach se<strong>in</strong>er Zeit bei den Bayern als Berater und Fitnesstra<strong>in</strong>er bei Teams wie Manchester<br />
United, Manchester City und dem FC Barcelona hat Verheijen auch Anklang beim DFB<br />
gefunden. Darum möchte <strong>ich</strong> kurz noch se<strong>in</strong>e Periodisierungsweise erläutern, bei Interesse<br />
und falls <strong>ich</strong> ordentl<strong>ich</strong>e Recherche betreiben kann, werde <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> eventuell näher mit<br />
Verheijen beschäftigen.<br />
Der Niederländer spr<strong>ich</strong>t von e<strong>in</strong>er „langsamen Periodisierung“ und e<strong>in</strong>er stabilen Fitness<br />
durch lange Arbeitszeit an der Fitness. Verheijen spr<strong>ich</strong>t dabei auch davon, dass es vier<br />
Komponenten gibt: Technik, Taktik, Physis und Mentalität. Diese vier Komponenten sollen <strong>in</strong><br />
Spielformen nach e<strong>in</strong>em ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz tra<strong>in</strong>iert werden. In gewisser Weise ist dies<br />
quasi die niederländische Version der taktischen Periodisierung, obgle<strong>ich</strong> die Taktik n<strong>ich</strong>t<br />
diesen alles überstrahlenden Stellenwert e<strong>in</strong>nimmt.<br />
Dafür hat Verheijen <strong>in</strong> puncto Physis noch etwas mehr Fokus. Er spr<strong>ich</strong>t davon, dass Spieler<br />
<strong>in</strong> Spielformen am besten tra<strong>in</strong>ieren, weil die Belastung wie beim Spiel ist und weil die<br />
Spieler <strong>in</strong> Spielformen s<strong>ich</strong> mehr anstrengen und dadurch mehr ermüden. Außerdem sagt er,<br />
dass Fitness n<strong>ich</strong>t <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Wochen tra<strong>in</strong>iert wird, sondern über die gesamte Karriere<br />
h<strong>in</strong>weg stetig gesteigert werden soll. E<strong>in</strong>e gänzl<strong>ich</strong>e Überlastung des Körpers zu<br />
Saisonbeg<strong>in</strong>n schade nur, stattdessen soll zu Beg<strong>in</strong>n mit e<strong>in</strong>er Heranführung begonnen<br />
werden, wobei das Niveau stetig gesteigert wird. Im Laufe der Saison wird dann die Intensität<br />
gesteigert und das Volumen gesenkt, danach wird es wieder umgekehrt und am Ende der<br />
Saison gibt es e<strong>in</strong> Auskl<strong>in</strong>gen-lassen <strong>in</strong> den Urlaub.<br />
60
aus Verheijens Buch “The Complete Handbook Of Condition<strong>in</strong>g For Soccer”, S. 146<br />
Die Idee ist eben, dass Spieler gegen Saisonende „fitter“ s<strong>in</strong>d, aber vermehrt Pausen<br />
brauchen.<br />
Pro Woche gibt es <strong>in</strong>sgesamt maximal e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit re<strong>in</strong>e Kondition; diese wird aber als<br />
„Fußballkondition“ beze<strong>ich</strong>net und f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Spielform mit Ball statt. Dies ist für<br />
Verheijen entscheidend, denn er unterscheidet vier konditionelle Fähigkeiten e<strong>in</strong>es<br />
Fußballers: Maximale Explosivität, Erholung zwischen zwei Aktionen, Explosivitätsausdauer<br />
und Erholung zwischen zwei Aktionen zu Spielende.<br />
Diese vier Aspekte werden durchgehend tra<strong>in</strong>iert. Vielfach wird se<strong>in</strong> Konzept kritisch beäugt,<br />
aber er hatte u.a. mit Guus Hidd<strong>in</strong>k und den sehr laufstarken Koreanern, Russen und<br />
Australiern große Erfolge. Und natürl<strong>ich</strong> gibt es bei Verheijen auch Makro-, Meso-, Tagesund<br />
Mikrozyklen. Dazu gibt es dann positionsrelevante Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsarbeit (auch im physischen<br />
S<strong>in</strong>ne), die nach Analyse von zahlre<strong>ich</strong>en Spielen, Aktionen, Zeit<strong>in</strong>tervallen und<br />
Leistungsklassen zusammengestellt wurden. Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g ohne Ball gibt es auch: Nach Spielen<br />
zur Regeneration.<br />
Horst Allmann kritisierte Verheijens „langsame Periodisierung“ aber auch dah<strong>in</strong>gehend, dass<br />
die These Fußballer seien zu Saisonende <strong>in</strong>tensiver zu tra<strong>in</strong>ieren als zu Saisonbeg<strong>in</strong>n n<strong>ich</strong>t<br />
zweckdienl<strong>ich</strong> sei. Allmann argumentiert – <strong>übrigens</strong> wie <strong>ich</strong> von ihm unabhängig – für e<strong>in</strong>e<br />
wellenförmige anstatt e<strong>in</strong>er klassischen Periodisierung.<br />
Für alle Interessierten: Verheijen, der gerne über Tra<strong>in</strong>er öffentl<strong>ich</strong> lästert, kann <strong>übrigens</strong><br />
auch auf se<strong>in</strong>em Profil bei Twitter gefolgt werden. Er hat auch e<strong>in</strong>e eigene Internetseite für<br />
se<strong>in</strong>e Firma.<br />
E<strong>in</strong>e Zusammenfassung e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er Sem<strong>in</strong>are gibt es hier.<br />
E<strong>in</strong>e alternative Ergänzung: <strong>Das</strong> Modell von Horst We<strong>in</strong><br />
61
Neben dem DFB bzw. Gero Bisanz gibt es noch e<strong>in</strong>en weiteren Deutschen, der maßgebl<strong>ich</strong> an<br />
der Konzeption e<strong>in</strong>es breitflächigen Ausbildungsmodells ist. Se<strong>in</strong> Name ist Horst We<strong>in</strong> und er<br />
arbeitet n<strong>ich</strong>t für den deutschen, sondern für den spanischen Fußballbund.<br />
Se<strong>in</strong> Entwicklungsmodell stellt er bei Youtube gle<strong>ich</strong> selbst vor.<br />
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=pjQM-vMB_Ik<br />
Ich <strong>habe</strong> noch zusätzl<strong>ich</strong> kurz die Periodisierung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch „Spiel<strong>in</strong>telligenz im Fußball<br />
– k<strong>in</strong>dgemäß tra<strong>in</strong>ieren“ zusammengefasst. We<strong>in</strong>s fünfstufiges Entwicklungsmodell basiert<br />
im Endeffekt auf e<strong>in</strong>em ganzheitl<strong>ich</strong>en Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsansatz mit sehr vielen Spielformen, welche<br />
entsprechend der Reihung von „Individualtaktik-Gruppentaktik-Mannschaftstaktik“ tra<strong>in</strong>iert<br />
werden.<br />
Zuerst werden <strong>in</strong> der Ballschule die <strong>in</strong>dividualtaktischen Fähigkeiten kurz tra<strong>in</strong>iert, daraufh<strong>in</strong><br />
wird mit zum Beispiel 3-gegen-3, 5-gegen-5, 8-gegen-8 die jeweilige Komplexität der<br />
Gruppentaktik erhöht, bis e<strong>in</strong>e Simulation mannschaftstaktischer Aspekte erre<strong>ich</strong>t wird.<br />
Innerhalb der jeweiligen Phase im fünfstufigen Entwicklungsmodell wird aber durch<br />
Variation der Regeln die Komplexität erhöht.<br />
Periodisierung <strong>in</strong> der Jugend nach Horst We<strong>in</strong><br />
Dies entspr<strong>ich</strong>t <strong>in</strong> gewisser Weise dem Vorgehen des Coerver-Modells, wobei es hier deutl<strong>ich</strong><br />
stärker um implizites Lernen geht, wo der Spieler auch taktisch deutl<strong>ich</strong> fokussierter und<br />
früher ausgebildet wird. Außerdem sollen die Spieler <strong>in</strong> ihrer Spiel<strong>in</strong>telligenz ausgebildet<br />
werden; e<strong>in</strong> Aspekt, der beim Coerver-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g etwas zu kurz kommt.<br />
Übrigens: Der DFB geht e<strong>in</strong>en ähnl<strong>ich</strong>en Weg wie Horst We<strong>in</strong> seit den Reformen, aber We<strong>in</strong><br />
legt e<strong>in</strong>en noch größeren Fokus auf Spiel<strong>in</strong>telligenz und Spaß beim Spiel., Dafür periodisiert<br />
er <strong>in</strong> gewisser Weise nur die Regeln und Art der Spielformen.<br />
Fazit<br />
Für alle Interessierten: Horst We<strong>in</strong>s Sem<strong>in</strong>ar kann man hier wohl kostengünstig bestellen.<br />
E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es P.S.: Die Seite des werten Herrn Hasenpflug Abwehrkette.de ist ebenfalls sehr<br />
<strong>in</strong>teressant.<br />
62
<strong>Das</strong> Konzept des DFB <strong>in</strong> der Jugendarbeit sche<strong>in</strong>t sehr gut zu se<strong>in</strong>, es wirkt sehr gut<br />
strukturiert, lässt Freiheiten, aber konzentriert s<strong>ich</strong> dennoch auf e<strong>in</strong>en hohen Ballfokus,<br />
Spielformen und e<strong>in</strong>e adäquate altersgerechte Entwicklung. In der Periodisierung über die<br />
Saison selbst f<strong>in</strong>det man aber kaum etwas. Es sche<strong>in</strong>t zwar, dass Raymond Verheijen hier<br />
e<strong>in</strong>ige Anstöße gegeben hat, u.a. mit e<strong>in</strong>er Intensivierung der Mesozyklen <strong>in</strong> der<br />
Wochenmitte, hoher Intensität und schnellen Erholungsphasen, 6-Wochen-Zyklen und<br />
bestimmten Raumdimensionen zur Kontrolle durch e<strong>in</strong>en Spieler (50m² pro Spieler), wirkl<strong>ich</strong><br />
Nennenswertes f<strong>in</strong>det man aber leider n<strong>ich</strong>t frei zugängl<strong>ich</strong>. Es können ledigl<strong>ich</strong> die<br />
Zeitschrift Fußballtra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und die Bücher der DFB-Tra<strong>in</strong>er als kostenpfl<strong>ich</strong>tige<br />
Informationsquellen genannt werden.<br />
Bisanz argumentiert im Pr<strong>in</strong>zip <strong>übrigens</strong> auch für e<strong>in</strong>e eher klassische Periodisierung, wobei<br />
obiges loses Konzept leider n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> als ernstzunehmende Periodisierung im<br />
Saisonverlauf beze<strong>ich</strong>net werden kann.<br />
Maik Halemaier schrieb <strong>übrigens</strong> <strong>in</strong> dieser Zeitschrift „fussball tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g“ über e<strong>in</strong>e Art<br />
Blockperiodisierung der Inhalte und teilte diese <strong>in</strong> drei Praxisblöcke e<strong>in</strong>. Dies ist e<strong>in</strong> weiteres<br />
Indiz, dass der DFB hier freie Hand für zahlre<strong>ich</strong>e Me<strong>in</strong>ungen lässt; das empf<strong>in</strong>de <strong>ich</strong> als<br />
durchaus positiv.<br />
Literaturverze<strong>ich</strong>nis:<br />
Me<strong>in</strong>el, K. & Schnabel,G. (1998). Bewegungslehre – Sportmotorik, Seiten 160-194. Berl<strong>in</strong>:<br />
Sportverlag.<br />
Bisanz, G. & Gerrisch, G. (2010). Fußball: Kondition, Technik, Taktik und Coach<strong>in</strong>g.<br />
Bücher des DFB:<br />
Peter, R. & Barez, A. (2012): Verteidigen mit System: Von der Spielanalyse zur Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsform.<br />
Reimöller, D. & Voggenreiter, T. (2006). Erfolgre<strong>ich</strong>es Angreifen: Moderne Spielsysteme – vom<br />
Spielaufbau bis zum Torerfolg.<br />
63
Periodisierungstechniken: Abschlussdiskussion<br />
In diesem letzten Artikel wollen wir e<strong>in</strong>e sehr kurze Abschlussdiskussion machen und die<br />
Leser zu eigenen Anregungen e<strong>in</strong>laden.<br />
Strukturell unterschiedl<strong>ich</strong>e Arten von Periodisierung?<br />
In den bisherigen Artikeln ist den Lesern s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong> aufgefallen, dass es bei den jeweiligen<br />
Arten der Periodisierung n<strong>ich</strong>t immer um das Gle<strong>ich</strong>e geht. Auch die w<strong>ich</strong>tigsten Aspekte<br />
<strong>in</strong>nerhalb der Konzepte unterscheiden s<strong>ich</strong>. So beze<strong>ich</strong>nen die Blockperiodisierung, die<br />
klassische Periodisierung und die wellenförmige Periodisierung im Normalfall eher die Art<br />
der Periodisierung über e<strong>in</strong>e bestimmte Zeit h<strong>in</strong>weg.<br />
Die Blockperiodisierung zielt dabei verstärkt auf die Mesozyklen und e<strong>in</strong>e Konzentration der<br />
zu tra<strong>in</strong>ierenden Fähigkeiten <strong>in</strong> diesen ab, während die klassische Periodisierung eher e<strong>in</strong>e<br />
Hochform für den Wettbewerb über e<strong>in</strong>e empathische Bee<strong>in</strong>flussung des Biorhythmus und<br />
gezielte Verbesserung des Körpers erre<strong>ich</strong>en möchte. Die wellenförmige Periodisierung<br />
h<strong>in</strong>gegen versucht s<strong>ich</strong> über die Art des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs positiv zu def<strong>in</strong>ieren, <strong>in</strong>dem das körperl<strong>ich</strong>e<br />
Maximum im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g durchgehend erre<strong>ich</strong>t werden soll, ohne zu übertra<strong>in</strong>ieren.<br />
Die Coerver-Methode als Variante e<strong>in</strong>es pyramidalen Aufbaus und die DFB-<br />
Jugendkonzeption h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d Beispiele für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache <strong>in</strong>haltl<strong>ich</strong>e Konzeption. Damit<br />
s<strong>in</strong>d sie Leitschemen für e<strong>in</strong>en zeitl<strong>ich</strong> weitre<strong>ich</strong>enden Zeitraum ohne „peaks“ für e<strong>in</strong>en<br />
Wettbewerb. Bei ihnen geht es um e<strong>in</strong>e mögl<strong>ich</strong>st <strong>in</strong>telligente konstante Weiterentwicklung<br />
des Athleten <strong>in</strong> den fußballspezifischen Eigenschaften. E<strong>in</strong>e körperl<strong>ich</strong>e Periodisierung über<br />
e<strong>in</strong>en Jahresablauf gibt es somit kaum; eher altersgemäße Entwicklungsziele. Sie dienen<br />
somit eher als Entwicklungsmodelle <strong>in</strong> der Jugendausbildung. Die taktische Periodisierung<br />
geht hierbei e<strong>in</strong>en Mittelweg zwischen den erstgenannten und den langfristigen Konzepten.<br />
Es geht um e<strong>in</strong>e konstante Spielerentwicklung – allerd<strong>in</strong>gs auf deutl<strong>ich</strong> höherem Niveau –<br />
und gle<strong>ich</strong>zeitig e<strong>in</strong>e Periodisierung im klassischen S<strong>in</strong>ne über e<strong>in</strong>e Saison h<strong>in</strong>weg.<br />
José Mour<strong>in</strong>ho sagte dazu passenderweise Folgendes:<br />
„Der wöchentl<strong>ich</strong>e Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsaufbau fokussiert s<strong>ich</strong> nur auf das nächste Spiel. Es gibt ke<strong>in</strong>en<br />
Plan <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Phase im Dezember oder im Mai topfit zu se<strong>in</strong> und ke<strong>in</strong>e Planung<br />
im Vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Es gibt auch ke<strong>in</strong>en Plan gegen Topteams auf e<strong>in</strong>em höheren Niveau zu se<strong>in</strong>.“<br />
Diese Me<strong>in</strong>ung entspr<strong>ich</strong>t natürl<strong>ich</strong> dem Leitpfaden der taktischen Periodisierung. In der<br />
taktischen Periodisierung wird schl<strong>ich</strong>t alles auf e<strong>in</strong>e bestimmte Art und Weise im Wechsel<br />
<strong>in</strong>nerhalb dieses Rahmens über die Saison h<strong>in</strong>weg tra<strong>in</strong>iert.<br />
64
E<strong>in</strong>e Periodisierung über die Saison ist somit n<strong>ich</strong>t nötig; und Mour<strong>in</strong>ho hat vermutl<strong>ich</strong><br />
ausre<strong>ich</strong>end Titel gefeiert, um als positives Beispiel für e<strong>in</strong>e potenzielle Erfolgsmögl<strong>ich</strong>keit<br />
dieser Periodisierungsweise zu dienen. Was genau bedeutet das also für den Fußball?<br />
Mehr Kreativität, weniger Anleihen?<br />
Beim Fußball könnte es fortan <strong>in</strong> puncto Periodisierung weniger Aspekte aus der<br />
Le<strong>ich</strong>tathletik geben. Die Gründe dafür s<strong>in</strong>d relativ klar. E<strong>in</strong>erseits gibt es im Fußball n<strong>ich</strong>t<br />
e<strong>in</strong>, zwei oder drei große Wettbewerbe pro Jahr, sondern e<strong>in</strong>en durchgehenden Wettbewerb<br />
mit vielen, flexibel verteilten Höhepunkten.<br />
Andererseits s<strong>in</strong>d Fußballer <strong>in</strong> ihrer Ausbildung n<strong>ich</strong>t auf e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen Aspekt fokussiert,<br />
sondern auf mehrere Aspekte, bei denen sie e<strong>in</strong> sehr hohes, aber ke<strong>in</strong> extremes Niveau (wie<br />
100-Meter-Spr<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> ihrer Diszipl<strong>in</strong> z.B.) <strong>habe</strong>n müssen.<br />
Dadurch sehen die Anforderungen ganz anders aus. W<strong>ich</strong>tig wäre deswegen e<strong>in</strong>e Methodik zu<br />
f<strong>in</strong>den, welche diese Unterschiede betont. Die so entstandene Methodik sollte dann erforscht<br />
und empirisch untersucht werden. Beispielsweise könnte man unterschiedl<strong>ich</strong>e Arten der<br />
taktischen Periodisierung schaffen und diese vergle<strong>ich</strong>en oder die taktische Periodisierung mit<br />
e<strong>in</strong>er Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsweise mit ähnl<strong>ich</strong>er saisonaler Periodisierung, aber ohne ganzheitl<strong>ich</strong>en Ansatz<br />
vergle<strong>ich</strong>en.<br />
Natürl<strong>ich</strong> würde s<strong>ich</strong> dies wissenschaftl<strong>ich</strong> gesehen schwer gestalten. Der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsfortschritt<br />
bei Akteuren ist n<strong>ich</strong>t e<strong>in</strong>fach zu messen, trotz Laktattests. Letzteres ist bei Ansätzen wie von<br />
Verheijen oder der taktischen Periodisierung ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> zu vernachlässigender Parameter.<br />
Auch Beurteiler s<strong>in</strong>d natürl<strong>ich</strong> immer subjektiv und tun s<strong>ich</strong> bei Bewertungen im<br />
Fußballbere<strong>ich</strong> schwer.<br />
Statische Verfahren wie TSR und PDO können zwar Auskünfte über den kollektiven Erfolg<br />
geben, allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d diese Sachen ebenfalls mit vielen Störvariablen versehen. Darunter<br />
fallen zum Beispiel die unterschiedl<strong>ich</strong>en Mannschaftsstärken. Vergle<strong>ich</strong>e mit der Vorsaison,<br />
Vergle<strong>ich</strong>e von Tra<strong>in</strong>erkarrieren mit klaren Methodiken und viele Langzeitstudien könnten<br />
aber zum<strong>in</strong>dest auf Dauer und bei passender Zahl helfen.<br />
Diese Forschungen würden dem Fußball immerh<strong>in</strong> langfristig <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entwicklung helfen.<br />
Ähnl<strong>ich</strong>es könnte <strong>in</strong> der Jugendausbildung versucht werden. E<strong>in</strong>e Messung der Entwicklung<br />
von Fußballfähigkeiten bei Jugendspielern und den darauffolgenden Erfolgen auf Prof<strong>in</strong>iveau<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er auf e<strong>in</strong>e sehr große Population angelegten Langzeitstudie könnte Wunder wirken.<br />
Dabei könnte man die Erfolge der ausgebildeten Spieler unter e<strong>in</strong>er speziellen Methodik<br />
messen. Die Niederlande im historischen Kontext oder die Spanier und der DFB aktuell s<strong>in</strong>d<br />
Paradebeispiele dafür, auch wenn man die dort vorhandenen konzeptuellen Änderungen leider<br />
n<strong>ich</strong>t klar erfassen kann.<br />
65
Dabei könnten die genauen Erfolge der Coerver-Methode, des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs nach Horst We<strong>in</strong><br />
oder weiteren Jugendkonzeptionen überprüft werden. Langfristig wären auch gegenseitige<br />
Anleihen und die Verb<strong>in</strong>dung mit neuesten Erkenntnissen aus der Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs- und<br />
Sportwissenschaft <strong>in</strong>teressant.<br />
Auch Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den auf Wettkampfpeaks fokussierten und den<br />
niveauerhaltenden Periodisierungskonzepten wären umsetzbar. E<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation der<br />
Methodiken für unterschiedl<strong>ich</strong>e Phasen – beispielsweise e<strong>in</strong>e Blockperiodisierung <strong>in</strong> der<br />
Sommervorbereitung, Wellenperiodisierung danach – oder e<strong>in</strong>e Integration e<strong>in</strong>zelner Aspekte<br />
<strong>in</strong> die taktische Periodisierung. Dies wird dort schon ansatzweise gemacht, da <strong>in</strong> der<br />
taktischen Periodisierung die Vermittlung der defensiven Inhalte priorisiert wird. <strong>Das</strong> könnte<br />
<strong>in</strong> anderen Bere<strong>ich</strong>en angewendet e<strong>in</strong> weiterer Fortschritt se<strong>in</strong>.<br />
Der Weg zu e<strong>in</strong>em klaren Umgang der Öffentl<strong>ich</strong>keit mit den e<strong>in</strong>zelnen Konzepten, ihrer<br />
Verb<strong>in</strong>dung und der empirischen Untersuchung ist aber noch sehr lang.<br />
E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wand – und e<strong>in</strong>e persönl<strong>ich</strong>e Me<strong>in</strong>ung<br />
Allerd<strong>in</strong>gs muss man auch sagen, dass im Breitensport durchaus viel getan wird. Es gibt viele<br />
Weiterbildungen e<strong>in</strong>zelner Tra<strong>in</strong>er, gute Ideen und viele tolle Umsetzungen auch von weniger<br />
bekannten Personen, wie es unser Gastautor Marco Hensel<strong>in</strong>g (vangaalsnase) mit se<strong>in</strong>er<br />
praktischen Umsetzung der taktischen Periodisierung bewies. Dabei ist auch schön zu sehen,<br />
dass dies sogar bis nach oben dr<strong>in</strong>gt.<br />
Historisch gab es e<strong>in</strong>zelne Tra<strong>in</strong>er wie Cramer und Lattek, die s<strong>ich</strong> mit e<strong>in</strong>em eher<br />
wissenschaftl<strong>ich</strong>en H<strong>in</strong>tergrund nach oben arbeiten konnten. Aktuell ist dies auch der Fall. In<br />
der Bundesliga kommen viele der erfolgre<strong>ich</strong>sten Tra<strong>in</strong>er eher aus dem Nachwuchsbere<strong>ich</strong>,<br />
<strong>habe</strong>n Sportwissenschaft oder Pädagogik studiert und nutzen ihre Erkenntnisse dabei im<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g.<br />
<strong>Spielverlagerung</strong> möchte da n<strong>ich</strong>t allzu sehr h<strong>in</strong>terherh<strong>in</strong>ken. In den nächsten Wochen und<br />
Monaten werden wir beziehungsweise <strong>ich</strong> auch versuchen, etwas mehr Theoriearbeit <strong>in</strong><br />
Sachen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gswissenschaft zu geben. Dies ist zwar sehr zeitaufwändig und mit viel<br />
Recherchearbeit verbunden, doch <strong>ich</strong> hoffe, dass es e<strong>in</strong> umsetzbares Projekt wird.<br />
Aktuell <strong>habe</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> schon mit e<strong>in</strong>igen <strong>in</strong>teressanten Sachen beschäftigt, arbeite noch an der<br />
genauen Ausarbeitung. Wenn e<strong>in</strong>zelne Leser sehr lesenswerte sportwissenschaftl<strong>ich</strong>e Artikel<br />
oder generelle Ideen <strong>habe</strong>n, freue <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong> auf e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis darauf<br />
[rm@spielverlagerung.com ]. Eventuell werden wir <strong>in</strong> den nächsten Monaten e<strong>in</strong> Forum<br />
gründen, falls wir herausf<strong>in</strong>den, wie, dann hoffe <strong>ich</strong> dort auf e<strong>in</strong>en regen Austausch zu diesem<br />
Thema.<br />
66