Somnologie - Prof. Dr. Jarek Krajewski
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Originalien<br />
<strong>Somnologie</strong> 2010 · 15:24–31<br />
DOI 10.1007/s11818-010-0497-2<br />
Eingegangen: 4. Juni 2010<br />
Angenommen: 10. September 2010<br />
Online publiziert: 14. Oktober 2010<br />
© Springer-Verlag 2010<br />
J. <strong>Krajewski</strong> 1 · M. Sauerland 2 · D. Sommer 3 · M. Golz 3<br />
1<br />
Experimentelle Wirtschaftspsychologie, Universität Wuppertal<br />
2<br />
Psychologie der Arbeit, Universität Landau<br />
3<br />
Neuroinformatik und Signalverarbeitung, Fachhochschule Schmalkalden<br />
Phonetisch-akustische<br />
Schläfrigkeitsdetektion<br />
Eine Pilotstudie<br />
Musterkennungsbasierte<br />
Verfahrensentwicklung<br />
In der Vergangenheit wurden vielfältige<br />
Anstrengungen unternommen, Verfahren<br />
zu entwickeln, die Schläfrigkeitszustände<br />
objektiv und automatisiert quantifizieren<br />
können. Die auf ein Schläfrigkeitsmonitoring<br />
abzielenden Systeme beinhalten<br />
hauptsächlich Messkanäle wie die Instabilität<br />
der Pupillengröße [30], Lidschlüsse<br />
[12], posturographisches Gleichgewichtsverhalten<br />
[24], motorisches Verhalten<br />
[16] sowie kardiovaskuläre [11]<br />
und elektroenzephalographische Aktivität<br />
[6, 26]. Bisher ungenutzt blieben die<br />
schläfrigkeitsbezogenen Informationen<br />
aus dem stimmlichen Ausdruck. Anders<br />
als die stimmakustische Schläfrigkeitsdetektion<br />
weckte die Emotionsdetektion in<br />
den letzten Jahren ein reges Forschungsinteresse.<br />
Gründe für die wachsende Beschäftigung<br />
mit phonetisch-akustischen<br />
Stimmanalysen ist die zunehmende Präsenz<br />
von sprachlicher Mensch-Maschine-<br />
Interaktion (MMI) sowie die Entwicklung<br />
der notwendigen Prozessorleistungen und<br />
Speicherkapazitäten.<br />
Vorzüge akustischer<br />
Schläfrigkeitsmessverfahren<br />
Aus der Anwendungsperspektive laborund<br />
feldexperimenteller Schläfrigkeitsforschung<br />
besitzen akustische Messansätze<br />
prinzipiell eine Reihe von Vorzügen<br />
gegenüber bisherigen Messansätzen. Dies<br />
↓ Vokaltraktspannung<br />
(“yielding wall effect”)<br />
↑ Velumabsenkung<br />
(Verbindung zum Nasaltrakt)<br />
↓ Wärmeabstrahlung<br />
(↓ Reibungs- u.<br />
Turbulenzphänomene)<br />
↓ Stimmlippenspannung, -<br />
steifigkeit und -viskosität<br />
↓ Atemtiefe u. -frequenz<br />
gilt v. a. für ihren Einsatz als Fit-for-Duty-<br />
Schnelltest, d. h. die Primärtätigkeit wird<br />
unterbrochen und eine isolierte Testsituation<br />
hergestellt. Im Gegensatz zu elektrophysiologischen<br />
Ansätzen bietet der akustische<br />
Stimmanalyseansatz die Vorzüge<br />
eines berührungsfreien Messzugangs,<br />
der ohne die Applikation von Elektroden<br />
auskommt. Gegenüber (infrarot)kamerabasierten<br />
Systemen erlauben mikrophonbasierte<br />
Systeme einen kostengünstigen,<br />
von widrigen, wechselnden Licht- und<br />
Probandenbedingungen (Gesichtsbehaarung,<br />
schmale Lidspalten, Brille, Bildokklusionen)<br />
unbeeinflussten Messzugang.<br />
Ein weiterer Vorzug gegenüber bisherigen<br />
Fit-for-Duty-Testsystemen (z. B. Psychomotorischer<br />
Vigilanztest oder Pupillographischer<br />
Schläfrigkeitstest, 11 min Messdauer)<br />
wäre die kurze – maximal einminütige<br />
– Messstrecke.<br />
Anwendungen<br />
Im Bereich des kontinuierlichen Schläfrigkeitsmonitorings<br />
bieten sich für die<br />
akustische Schläfrigkeitsanalyse v. a. Tätigkeiten<br />
mit regelmäßigen Spracheingaben<br />
an, wie sie Z. B. im Flugverkehrskontext<br />
vorliegen. Denkbar sind darüber hinaus<br />
auch Anwendungen im Rahmen<br />
von sprachgesteuerten Mensch-Maschine-Interaktionen<br />
(MMI; z. B. Telecare-<br />
Anwendungen oder Fahrerassistenzsysteme).<br />
Zu diesem Zweck würden Fahrzeugführer<br />
im stündlichen Rhythmus zu<br />
einer kurzen Spracheingabe aufgefordert<br />
werden. Ferner könnten phonetisch-akus-<br />
zentralisierte Zungenposition,<br />
↓ Fluidität der Zungenbewegung<br />
↑ eingefallene Körperhaltung<br />
(Vokaltraktverkürzung)<br />
↓ feinmotorische Ansteuerung<br />
der Artikulatoren<br />
↓ Veränderung des<br />
Zahnreihenabstands<br />
↓ Lächeln, ↓ Lippenspreizung<br />
und -stülpung<br />
Abb. 1 8 Mögliche schläfrigkeitsbedingte Veränderungen des Sprachproduktionssystems<br />
24 | <strong>Somnologie</strong> - Schlafforschung und Schlafmedizin 1 · 2011