Regulierung verstehen - Barino Consulting

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24 Regulierung verstehen «Keine Spitzenleistungen auf Kosten der Integrität im Geschäftsalltag» Thomas Werlen Lengauer: Konnten Sie den Erfolg der Compliance-with-law- Bemühungen messen? Werlen: Messungen sind immer schwierig, wenn man qualitative und nicht nur quantitative Kriterien hat. Zudem misst man, was nicht passiert. Trotzdem wollen und müssen wir dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung belegen, dass unsere Bemühungen erfolgreich sind und einen Mehrwert bringen. Kurzfristig messbar sind diese jedoch nicht, vielmehr muss ein längerer Zeitraum von fünf bis zehn Jahren betrachtet werden. Ein gutes Beispiel ist die Anzahl der Produkthaftpflichtfälle in den USA. Wir haben ein System eingeführt, welches Hinweisen von Ärzten zu uns unbekannten Nebenwirkungen von Medikamenten nachgeht. Wenn wir nach solchen Hinweisen sofort entsprechende Warnungen an Ärzte und Patienten kommunizieren, reduzieren wir die Haftungsrisiken in den USA markant. Dies haben wir gemacht. Analysiert man die Jahre 2006 bis 2008, stellt man fest, dass wir weniger Produkthaftpflichtfälle hatten. Demgegenüber steigt die Anzahl der Fälle bei unserer Konkurrenz. Hier können wir unserer Geschäftsleitung einen klaren Erfolg vorweisen; zumal, wenn man bedenkt, dass beispielsweise ein Konkurrenzunternehmen in den USA für einen Produkthaftpflichtfall zwanzig Milliarden Dollar zahlen musste. Widmer:Verlangt Novartis Compliance with law auch von ihren Geschäftspartnern (Lieferanten etc.)? Werlen: Ja, auch das gehört zu unserer Verantwortung.Wir können nicht nur unseren Mitarbeitern vorschreiben, dass sie sich andie Gesetze halten müssen. Dies müssen wir auch von unseren Lieferanten und den Vertriebspartnern verlangen. Wir haben einen entsprechenden Kodex für unsere Lieferanten und verpflichten sowohl diese wie auch unsere Vertriebs- und Marketingpartner vertraglich, hohe ethische Standards einzuhalten. Wir schreiben dies nicht nur in die Verträge, sondern überprüfen auch deren Einhaltung. Lengauer: Was unternimmt Novartis, um in der Öffentlichkeit für ihre Compliance-with-law-Bemühungen «Werbung» zu machen, beispielsweise um Talente anzulocken? Werlen: Unsere Compliance-with-law- Bemühungen machen wir nicht, um Talente anzulocken, sondern, weil wir überzeugt sind, dass dies der richtige Weg ist. Wir haben in Umfragen aber festgestellt, dass unsere Bemühungen vor allem bei jüngeren Leuten geschätzt werden.
Regulierung verstehen 25 Ein gutes Compliance-Programm kann wesentlich dazu beitragen, Unternehmen vor teuren Prozessen, hohen Schadenersatzforderungen und Reputationsschäden zu bewahren. Ein gutes Compliance-Programm zahlt sich langfristig aus Dr. Daniel Lengauer, Partner und Head of Legal Deutschschweiz, KPMG Schweiz Arno Thürig, Director Forensic, KPMG Schweiz Unter Compliance wird generell das Einhalten von Normen (Gesetze, Selbstregulierung, Branchenstandards) sowie von betriebsinternen Weisungen verstanden. Mangelnde Compliance kann für Unternehmen und ihre Organe zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen haben und auch zuReputationsschäden führen. Umgekehrt kann ein gutes Compliance-Programm wesentlich dazu beitragen, Unternehmen vor teuren Prozessen, hohen Schadenersatzforderungen und Reputationsschäden zu bewahren. Zudem kann ein gutes Compliance-Programm die Effizienz der Organisation verbessern, was sich für ein Unternehmen längerfristig auszahlen wird. Compliance war zunächst vor allem in der Bank- und Finanzindustrie ein Thema: Finanzinstituten wird vorgeschrieben, dass sie über eine zweckmässige und angemessene Betriebsorganisation verfügen müssen, insbesondere in den Bereichen Risk- Management, internes Kontrollsystem und Compliance. Inzwischen hat das Thema Compliance im Rahmen der Diskussionen um Corporate Governance und wegen der Verschärfung des Unternehmensstrafrechts auch bei Unternehmen ausserhalb der Finanzbranche Eingang gefunden. Auch auf Gesetzgebungsstufe ist Compliance ein Thema: Beispielsweise wird diskutiert, inwieweit ein Antitrust-Compliance-Programm im Kartellrecht zu einer Strafbefreiung führen soll. Strafbarkeit des Unternehmens als Risiko Wegleitend für die strafrechtliche Entwicklung in der Schweiz ist der sogenannte «Von-Roll-Entscheid» aus dem Jahr 1996. Das Bundesgericht hielt darin im Wesentlichen fest, dass ein Unternehmen verpflichtet ist, alle nötigen organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, um Betriebsstraftaten zu verhindern. Konkret wurde der Konzernchef verurteilt, weil er es versäumt hatte, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, um Kriegsmateriallieferungen seines Unternehmens frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Das schweizerische Unternehmensstrafrecht definiert den «Organisationsmangel» als zentralen Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit. Wird beispielsweise in einem Unternehmen ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tatwegen mangelhafter Organisation nicht einer bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, wird die Tatdem Unternehmen angelastet (sog. subsidiäre Strafbarkeit). Daneben können Unternehmen aber auch originär strafrechtlich verantwortlich werden, namentlich bei Delikten wie Beteiligung oder Unterstützung einer kriminellen Organisation, Finanzierung von Terrorismus, Geldwäscherei oder Korruption. Namentlich für international tätige Unternehmen dürfte die Korruptionsproblematik derzeit im Vordergrund stehen. Korruption als Prüfstein für unternehmensinterne Compliance Gemäss dem «Korruptionsindex» von Transparency International nimmt die Schweiz im Vergleich mit 180 Staaten Platz 6ein. Sie zählt damit zu den am wenigsten korrupten Staaten. Dies mag mit ein Grund dafür sein, dass die Korruption in der Schweiz nach wie vor nur als marginales Phänomen betrachtet wird. Doch diese Wahrnehmung dürfte mit der Realität nicht ganz korrespondieren, wie die Involvierung verschiedener Schweizer Unternehmen in laufende Korruptionsverfahren aufzeigt. Neben unternehmerischen Gründen (Reputationsschaden, Tolerierung unethischen Verhaltens im eigenen Unternehmen, mögliche Zivilklagen von imAusschreibungsprozess unterlegenen Konkurrenten) sprechen vor allem auch handfeste strafrechtliche Argumente gegen die Duldung jeglicher Korruptionsweisen im eigenen Unternehmen. Denn das Schweizer Recht sanktioniert sowohl die Bestechung unter Privatpersonen wie auch diejenige von in- und ausländischen Amtsträgern. Solche Korruptionshandlungen werden dabei explizit als Beispiele für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens betrachtet, und zwar unabhängig von der Strafbarkeit einer natürlichen Person (sog. originäre Strafbarkeit). Das Risiko für ein Unternehmen, strafrechtlich belangt zu werden, ist damit also nicht zu unterschätzen. Es kann allenfalls minimiert werden, sofern das betroffene Unternehmen nachweisen kann, dass es alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorsichtsmassnahmen getroffen hat, um Korruptionshandlungen zu vermeiden. Was dies in der Praxis genau bedeutet, ist gesetzlich nicht umschrieben; die Lösung dafür liegt in der unternehmensinternen Compliance.
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