1. Einleitung - Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
1. Einleitung - Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
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<strong>1.</strong> <strong>Einleitung</strong><br />
Bei landwirtschaftlicher Erwerbs- und Einkommenskombination wird das herkömmliche<br />
Einkommen aus Pflanzen- und Tierproduktion auf dem Hof kombiniert mit Einkommen<br />
aus außerlandwirtschaftlicher Arbeitnehmertätigkeit, unternehmerischer<br />
Aktivität der Landwirtsfamilie außerhalb ihres Betriebes, Kapitaleinkünften, Weiterverarbeitung<br />
landwirtschaftlicher Produkte, Dienstleistungen im Betrieb, Energieerzeugung<br />
usw.<br />
Erwerbs- und Einkommenskombinationen haben im ländlichen Raum lange Tradition.<br />
- Einerseits zeichnete sich früher jeder Hof durch große Diversifizierung aus.<br />
Z. B. wurden Saatgut und alle gehaltenen Tiere selbst erzeugt, Getreide geschrotet<br />
und als Kraftfutter selbst gemischt. Die meisten Nahrungsprodukte<br />
wurden auf dem Hof und im Bauerngarten erzeugt und bis zur Endstufe weiterverarbeitet<br />
und teilweise verkauft. Eigene Energieerzeugung war auf etlichen<br />
Höfen selbstverständlich.<br />
- Andererseits waren schon immer viele landwirtschaftliche Betriebe aufgrund<br />
des Standortes zu ertragsarm oder zu klein, zu ungünstig strukturiert oder anderweitig<br />
in der Entwicklung begrenzt. Zusätzliche unternehmerische Aktivitäten<br />
neben der Hofbewirtschaftung dienten deshalb als Einkommensquellen, wie<br />
z. B. Viehhandel, Lohnmaschineneinsatz in anderen Betrieben, Kaffeewirtschaften<br />
im Münsterland, Holzrücken im Sauerland oder Zigarrendrehen in<br />
Ostwestfalen. Traditionell ist in <strong>Westfalen</strong>-Lippe der Anteil landwirtschaftlicher<br />
Nebenerwerbsbetriebe hoch. Inzwischen werden 57 v. H. der landwirtschaftlichen<br />
Betriebe ab 2 ha im Nebenerwerb bewirtschaftet (LDS, 1999).<br />
Nach der früheren Art der Erwerbs- und Einkommenskombination sehnt sich wegen<br />
der damit verbundenen täglichen schweren Arbeit kaum jemand zurück. Jedoch<br />
bieten Erwerbs- und Einkommenskombinationen bei sinnvoller Nutzung von Arbeitskraft<br />
und vorhandenem Kapital Möglichkeit zur Einkommensstabilisierung,<br />
wenn sich ein landwirtschaftlicher Betrieb allein mit Pflanzen- und Veredlungsproduktion<br />
nicht weiterentwickeln lässt oder nicht entwickelt werden soll.<br />
Es gibt Situationen, bei denen die Kleinkunst auf dem Lande, das Bauernhofcafe im<br />
ehemaligen Kuhstall, die Direktvermarktung von Spezialkulturen, wie Spargel, Erdbeeren<br />
und Kartoffeln, das Urlaubsangebot auf dem Bauernhof, der Reitbetrieb, die<br />
Altenbetreuung im dafür umgewidmeten Gebäude u. U. bessere Unternehmungen<br />
sind, als der zu kleine Betrieb mit herkömmlicher Pflanzen- und Tierproduktion.<br />
Wenn sich das langfristig lohnen soll, ist Klotzen und Kleckern angesagt, um solche<br />
Unternehmungen auszubauen (PAHMEYER UND REIMANN, 1995).
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Einkommenskombinationen lassen sich nicht um jeden Preis und nach vorliegenden<br />
Erfahrungen und Befragungen der Praxis auch nicht von allen bäuerlichen Familien<br />
realisieren. Bei den meisten Erwerbszweigen entscheiden Markt und Management<br />
über Erfolg oder Misserfolg. Die Chancen sind um so begrenzter,<br />
- je enger die Nischen und je höher die Managementanforderungen sind<br />
- je begrenzter im Betrieb die verfügbare Arbeitskapazität und das verfügbare Kapital<br />
sind<br />
- je weniger die Bereitschaft zur betrieblichen Anpassung besteht.<br />
In einem von Mitarbeitern der <strong>Landwirtschaftskammer</strong> <strong>Westfalen</strong>-Lippe erarbeiteten<br />
Gutachten "Nachhaltige Sicherung des Veredlungsstandortes <strong>Westfalen</strong>-Lippe"<br />
(STIFTUNG WESTFÄLISCHE LANDSCHAFT, 2000) wurde die zukünftig erforderliche<br />
Entwicklung wettbewerbsfähiger Veredlungsbetriebe aufgezeigt. Danach werden<br />
aufgrund der Zahl jährlicher Auszubildender und landwirtschaftlicher Fachschulabsolventen<br />
einschließlich eines Teils der Fachhochschul- und Universitätsabsolventen<br />
langfristig nur knapp 6.000 der zurzeit noch 16.821 hauptberuflichen<br />
landwirtschaftlichen Unternehmer ihre Veredlungsproduktion den zukünftigen Erfordernissen<br />
anpassen oder in wenigen Fällen ausschließlich mit Ackerbau den Vollerwerb<br />
sichern. Die im Jahre 2001 eingeleitete Verschlechterung der Zukunftsperspektiven<br />
für Veredlungsbetriebe lässt befürchten, dass sich diese Zahl noch reduziert.<br />
In dem o. g. Gutachten aus dem Jahre 2000 wurde schon auf die Notwendigkeit<br />
einer Anschlussarbeit hingewiesen, um für die übrigen Betriebe, die notwendige<br />
Entwicklungen in der Veredlungsproduktion nicht mitmachen können, Einkommensalternativen<br />
aufzuzeigen. Diese jetzt vorgelegte Arbeit bezieht sich deshalb auch<br />
auf <strong>Westfalen</strong>-Lippe, gilt in ihren Aussagen aber über diese Grenzen hinaus.<br />
Die Erwerbs- und Einkommenskombination im landwirtschaftlichen Neben- und<br />
Haupterwerb kann je nach Ausgangssituation im Betrieb, je nach Ausbildung und<br />
Neigung der Familienmitglieder oder der Einflussfaktoren, die die Landbewirtschaftung<br />
und Tierhaltung begrenzen, eine existenzsichernde Alternative sein. Wichtig<br />
bei der Auswahl der Einkommensalternativen ist die Berücksichtigung folgender<br />
Faktoren:<br />
- Die persönlichen Neigungen bestimmen den Erfolg (Was du gern tust, tust du<br />
gut!).<br />
- Persönliche Stärken, die sich ausbauen lassen, müssen Grundlage sein für<br />
eine realistische Beurteilung von Möglichkeiten und Risiken.<br />
- Die Fähigkeiten aller Familienmitglieder, die Sicherheit eines außerlandwirtschaftlichen<br />
Arbeitsplatzes und die Marktchancen für zusätzliche unternehmerische<br />
Aktivitäten müssen realistisch eingeschätzt werden.
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- Gründliche Risikoanalyse ist Voraussetzung für alle betrieblichen Veränderungen<br />
- sei es die Aufnahme einer Arbeitnehmertätigkeit und Umstellung auf landwirtschaftlichen<br />
Nebenerwerb<br />
- oder der Aufbau von Erwerbszweigen im Betrieb selbst.<br />
In jedem Fall sind bei solchen Zukunftsplanungen festzustellen:<br />
- Der Arbeitsertrag pro eingesetzte Arbeitsstunde und der erzielbare gesamte<br />
Einkommensbeitrag aus der Einkommensalternative.<br />
- Die für die Einkommensalternative verfügbare Arbeitszeit. Sie kann durch Betriebsvereinfachung<br />
oder Beschäftigung von Fremd-Arbeitskräften vermehrt<br />
werden. Die erforderlichen Betriebsumstellungen sollten konsequent geplant<br />
und bei Realisierung der Einkommensalternative auch umgesetzt werden. Allerdings<br />
ist auch die Einkommenswirkung solcher betrieblicher Anpassungen zu<br />
berücksichtigen, weil dadurch das Gesamteinkommen an anderer Stelle sinken<br />
kann. Auf jeden Fall müssen Erwerbs- und Einkommenskombinationen im Betrieb<br />
ohne Arbeitsüberlastung möglich sein.<br />
- Die Rendite von Investitionen für Einkommensalternativen ist ebenso kritisch zu<br />
beurteilen wie für Investitionen im herkömmlichen landwirtschaftlichen Betrieb.<br />
Die Auswahl der Einkommensalternativen sollte nach folgenden Grundsätzen erfolgen:<br />
- Nicht ausgelastete Arbeitskräfte<br />
im Betrieb und gleichzeitiger Kapitalmangel<br />
Ú<br />
Zusätzliches Einkommen anstreben<br />
durch Arbeitnehmertätigkeit oder<br />
Dienstleistungen ohne größere betriebliche<br />
Investitionen<br />
- Verfügbare Arbeitskapazität im<br />
Betrieb und vorhandene Liquidität<br />
bzw. Kapitalreserven<br />
- Knappe Arbeitskapazität aber vorhandenes<br />
Investitionskapital<br />
- Knappe Arbeitskapazität und fehlende<br />
Kapitalreserven<br />
Ú<br />
Ú<br />
Ú<br />
Aufbau von Einkommensalternativen<br />
mit erforderlichen Umbaumaßnahmen<br />
und betrieblichen Einrichtungen<br />
Einkommensalternativen durch Gebäude-<br />
und Flächenumwidmungen<br />
sowie Investitionen zur Energiegewinnung.<br />
Auch Umstellung eines Teiloder<br />
Gesamtbetriebes (z. B. auf Pferdehaltung,<br />
Landhotel etc.)<br />
Kaum Entwicklungsmöglichkeiten<br />
ohne Vermögensumschichtung<br />
In der vorliegenden Arbeit werden im Kapitel 2 die im ländlichen Raum in <strong>Westfalen</strong>-Lippe<br />
vorhandenen Erwerbs- und Einkommenskombinationen erfasst. Bereits<br />
ohne Berücksichtigung der außerlandwirtschaftlichen Arbeitnehmertätigkeit sind in<br />
<strong>Westfalen</strong>-Lippe rund 14.500 Erwerbs- und Einkommenskombinationen bekannt,<br />
wobei es in Betrieben zu Überschneidungen kommt, wie z. B. Pferdepension und<br />
Urlaub auf dem Bauernhof oder Direktvermarktung und Energiegewinnung usw.
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Die große Zahl der vorhandenen Erwerbs- und Einkommenskombinationen beweist<br />
den Ideenreichtum der Landbevölkerung und sollte vor Besserwisserei und oberflächlichen<br />
Empfehlungen, die keine Risikoübernahme beinhalten, schützen.<br />
Im gleichen Kapitel wird die Einstellung bäuerlicher Familien zu Erwerbs- und Einkommenskombinationen<br />
behandelt. Eine repräsentative telefonische Befragung hat<br />
ergeben, dass 72 v. H. der landwirtschaftlichen Familien in <strong>Westfalen</strong>-Lippe schon<br />
eine Erwerbs- und Einkommenskombination gewählt haben einschließlich außerlandwirtschaftlicher<br />
Arbeitnehmertätigkeit. Bei den Familien der befragten landwirtschaftlichen<br />
Fachschüler ist dieser Anteil mit 32 v. H. niedriger, weil in diesen<br />
durchschnittlich größeren Betrieben die Pflanzen- und Tierproduktion überdurchschnittlich<br />
ausgebaut ist.<br />
Immerhin verfügt jeder vierte Betrieb neben der landwirtschaftlichen Produktion<br />
über einen weiteren Erwerbszweig im Betrieb. 90 v. H. dieser mit Erwerbs- und Einkommenskombinationen<br />
erfahrenen Familien würden den eingeschlagenen Weg<br />
wiederholen.<br />
Von den landwirtschaftlichen Familien in <strong>Westfalen</strong>-Lippe, die bisher keine Erwerbs-<br />
und Einkommenskombination betreiben, will nur jeder Zehnte derartige Alternativen<br />
in Erwägung ziehen. Die übrigen nennen überzeugende Gründe für ihren<br />
Verzicht.<br />
Soweit Interesse an Erwerbs- und Einkommenskombinationen besteht, werden von<br />
den telefonisch befragten landwirtschaftlichen Familien fehlende Entwicklungschancen<br />
als landwirtschaftlicher Produktionsbetrieb, Notwendigkeit der Existenzsicherung<br />
oder Gewinnstabilisierung und von den Fachschülern Marktchancen genannt.<br />
Im Kapitel 3 werden Rahmenbedingungen, rechtliche Voraussetzungen, Risikoabsicherungen,<br />
Fördermaßnahmen und Finanzierungsgrundsätze angesprochen. Erwerbs-<br />
und Einkommenskombinationen sollten nicht aufgebaut werden, ohne diese<br />
Hinweise zu berücksichtigen und entsprechende weitere Beratung einzuholen.<br />
Im Kapitel 4 werden die Einkommensalternativen beschrieben, um interessierten<br />
bäuerlichen Familien Entscheidungshilfen zu geben durch Darstellung der fachlichen<br />
und arbeitswirtschaftlichen Anforderungen, Chancen, Risiken, rechtlichen und<br />
steuerlichen Voraussetzungen sowie der möglichen Einkommensbeiträge.<br />
Die Chancen und Anlaufprobleme regionaler Vermarktungsprojekte werden im Kapitel<br />
5 behandelt.<br />
Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der beschriebenen Erwerbs- und Einkommenskombinationen<br />
zusammen.