The Second Baden Revolution - Militärgeschichtliches ...
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Heft 4/2006<br />
Gemälde von Franz Vogel<br />
C 21234 ISSN 0940-4163<br />
Militärgeschichte im Bild: Carl Schurz (1829–1906), Namenspatron der Bundeswehrkaserne in Hardheim<br />
Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />
»<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />
General Johannes Steinhoff<br />
Die Invasion 1944
Impressum<br />
Editorial<br />
Militärgeschichte<br />
Zeitschrift für historische Bildung<br />
Herausgegeben<br />
vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt<br />
durch Oberst Dr. Hans Ehlert und<br />
Oberst i.G. Dr. Hans-Hubertus Mack (V.i.S.d.P.)<br />
Produktionsredakteur<br />
der aktuellen Ausgabe:<br />
Hauptmann Matthias Nicklaus M.A. (mn)<br />
Redaktion:<br />
Oberleutnant Julian-André Finke M.A. (jf)<br />
Oberleutnant Matthias Nicklaus M.A. (mn)<br />
Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp)<br />
Mag. phil. Michael Thomae (mt)<br />
Bildredaktion:<br />
Dipl.-Phil. Marina Sandig<br />
Redaktionsassistenz:<br />
Stefan Stahlberg, Cand. Phil. (StS)<br />
Lektorat:<br />
Dr. Aleksandar-S. Vuletić<br />
Layout/Grafik:<br />
Maurice Woynoski / Medienwerkstatt D. Lang<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Redaktion »Militärgeschichte«<br />
Militärgeschichtliches Forschungsamt<br />
Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam<br />
E-Mail: MGFARedaktionMilGeschichte@<br />
bundeswehr.org<br />
Telefax: (03 31) 97 14 -507<br />
Homepage: www.mgfa.de<br />
Manuskripte für die Militärgeschichte werden<br />
an diese Anschrift erbeten. Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte wird nicht gehaftet.<br />
Durch Annahme eines Manuskriptes erwirkt<br />
der Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung,<br />
Übersetzung usw. Honorarabrechnung<br />
erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die<br />
Redaktion behält sich Kürzungen eingereichter<br />
Beiträge vor. Nachdrucke, auch auszugsweise,<br />
fotomechanische Wiedergabe und Übersetzung<br />
sind nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung<br />
durch die Redaktion und mit Quellenangaben<br />
erlaubt. Dies gilt auch für die Aufnahme<br />
in elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen<br />
auf CD-ROM. Die Redaktion hat keinerlei<br />
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© 2006 für alle Beiträge beim<br />
Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA)<br />
Sollten nicht in allen Fällen die Rechteinhaber<br />
ermittelt worden sein, bitten wir ggf. um<br />
Mitteilung.<br />
Druck:<br />
SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Norden<br />
ISSN 0940-4163<br />
gemessen an ihren Zielen gilt die <strong>Revolution</strong> von 1848/49 gemeinhin als gescheitert,<br />
konnten in Deutschland doch weder die Forderung nach nationaler<br />
Einheit noch nach politischer Freiheit verwirklicht werden. Allerdings gab es<br />
Entwicklungen innerhalb der <strong>Revolution</strong>sphase, die auch zukünftig von Bedeutung<br />
sein sollten und die zugleich das gängige Bild von der gescheiterten<br />
<strong>Revolution</strong> relativieren. Ein solcher Prozess war die politische Mobilisierung<br />
der Gesellschaft durch die Märzbewegung<br />
und die damit verbundene weitreichende<br />
Politisierung der Bevölkerung.<br />
Diese umfasste alle gesellschaftlichen<br />
Schichten und wurde bereits von zeitgenössischen<br />
Historikern wie Wilhelm<br />
Zimmermann als sichtbares Zeichen eines<br />
Emanzipationsprozesses gewertet.<br />
Die Menschen wurden sich ihrer rechtlichen,<br />
politischen, sozialen oder geistigen<br />
Abhängigkeit bewusst und strebten<br />
nach Selbstbestimmung und Mündigkeit.<br />
Sie versuchten, sich von den gesellschaftlichen<br />
Zwängen zu befreien, die<br />
ihre Unmündigkeit und Abhängigkeit<br />
bedingten. Dabei intensivierten sie ihr politisches Verhalten. Die Bevölkerung<br />
diskutierte öffentlich auf den Straßen und Plätzen, in den Gasthäusern und Lesehallen.<br />
Vereine wurden gebildet und Versammlungen abgehalten. Politische<br />
Forderungen wurden formuliert und mit Nachdruck vertreten. Dieser Wille<br />
zur politischen Partizipation und die damit verbundenen Ideen und Ideale<br />
von Freiheit und Menschenrechten, von Demokratie und Pluralismus ließen<br />
sich nicht unter den Bajonetten der Reaktion ersticken. Jedoch mussten viele<br />
Protagonisten der <strong>Revolution</strong> Deutschland verlassen. In den USA fanden sie<br />
eine neue Heimat, die es ihnen ermöglichte, ihre revolutionären Ideale in politischen<br />
Taten zu verwirklichen. Unter den über 180 000 deutschen Einwanderern,<br />
die im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 auf der Seite der<br />
Nordstaaten kämpften, waren viele Veteranen von 1848/49.<br />
Diese sogenannten »Forty-Eighter« bilden den thematischen Schwerpunkt<br />
der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift Militärgeschichte. Wolfgang Hochbruck<br />
und Jürgen Dick werden versuchen, Ihnen diese Wirkungsgeschichte<br />
der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 und damit ein »externes« Kapitel deutscher Demokratiegeschichte<br />
näher zu bringen.<br />
Sollten wir dadurch Ihr Interesse an der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 im Allgemeinen<br />
sowie an der Rolle der Achtundvierziger im Amerikanischen Bürgerkrieg<br />
im Besonderen geweckt haben, so bietet Ihnen der Beitrag von Johannes<br />
Stahlberg »1848 im Internet« in der Rubrik Medien online/digital eine Auswahl<br />
an Informationsquellen aus dem World Wide Web.<br />
Vor 40 Jahren wurde General Johannes Steinhoff zum Inspekteur der Luftwaffe<br />
ernannt. Heiner Möllers beschreibt und analysiert das Wirken dieses<br />
Mannes vor dem Hintergrund der Starfighter-Krise.<br />
Der letzte Beitrag in diesem Heft beschäftigt sich mit der Landung der Alliierten<br />
in der Normandie. Thorsten Loch widmet sich der Frage, ob die Invasion<br />
die Wende im Zweiten Weltkrieg brachte.<br />
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich eine angenehme Lektüre der<br />
aktuellen Ausgabe und ein gesegnetes und friedvolles 2007!<br />
Ihr Matthias Nicklaus M.A.<br />
Hauptmann
Inhalt<br />
Vom <strong>Revolution</strong>är zum<br />
Namens patron: Carl Schurz als<br />
demokratisches Vorbild<br />
Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck, geboren 1959 in Aachen,<br />
Professor für Nordamerikanische Philologie und Kulturwissenschaft<br />
an der Albert Ludwigs-Universität Freiburg<br />
4<br />
Service<br />
Das historische Stichwort:<br />
Die Polenkrise 1980/81 22<br />
Medien online/digital 24<br />
Lesetipp 26<br />
Ausstellungen 28<br />
Geschichte kompakt 30<br />
»<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />
Deutsche Demokraten im Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg<br />
10<br />
Militärgeschichte<br />
im Bild<br />
Carl Schurz 31<br />
Generalarzt Dr. Jürgen Dick, geboren 1949,<br />
Medical Advisor SHAPE in Mons, Belgien<br />
General Johannes Steinhoff<br />
und die Luftwaffe<br />
Oberstleutnant Dr. Heiner Möllers, geboren 1965<br />
in Senden/Westfalen, Dezernent für Politische und<br />
Historische Bildung im Luftwaffenamt<br />
14<br />
Carl Schurz, Namenspatron der<br />
Bundeswehrkaserne in Hardheim.<br />
Das Portrait wurde von Franz Vogel,<br />
geboren 1925 in Miltenberg, ehemaliger<br />
Realschullehrer, anlässlich des<br />
100. Todestags von Carl Schurz und<br />
des 40. Jahrestags der Namensgebung<br />
»Carl-Schurz-Kaserne« gemalt<br />
und dem Panzerflugabwehrkanonenbataillon<br />
12 gestiftet.<br />
Die Invasion 1944 – Wende im<br />
Zweiten Weltkrieg?<br />
Hauptmann Dr. Thorsten Loch, geboren 1975 in<br />
Andernach, Kompaniechef 8./Wachbataillon beim<br />
Bundesministerium der Verteidigung, Berlin<br />
18<br />
Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />
Hauptmann Patrick Oberlé, PzFlakBtl 12<br />
Oberstabsfeldwebel Bernd Ullrich,<br />
PzFlakBtl 12<br />
Berichtigung:<br />
Im Heft 3/2006 sind die Herkunftsnachweise<br />
der Fotos auf den Seiten 22, 23<br />
und 31 (oben) nicht angegeben.<br />
Die Nachweise sind: S. 22 und S. 23<br />
(oben) akg-images, S. 23 (unten) Haus<br />
der Geschichte, Bonn und S. 31 (oben)<br />
Bundesregierung/Schaak.<br />
Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.
Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />
Vom <strong>Revolution</strong>är<br />
zum Namenspatron:<br />
Carl Schurz als<br />
demokratisches<br />
Vorbild<br />
Im Morningside Park von New York<br />
befindet sich nahe der berühmten<br />
Columbia University eine neun Fuß<br />
hohe Bronzestatue. Auf dem Sockel<br />
steht:<br />
VERTEIDIGER DER FREIHEIT<br />
UND FREUND DES RECHTS<br />
Der da seit 1913 geehrt wird, ist der<br />
deutsche Freiheitskämpfer und Exilant,<br />
Zeitungsherausgeber, Bürgerkriegsgeneral,<br />
Senator und US-Innenminister<br />
Carl Schurz. Gestorben war er<br />
im Mai 1906 und der berühmte Mark<br />
Twain hatte ihm damals einen Nachruf<br />
gewidmet, in dem er Schurz als seinen<br />
politischen Wegweiser bezeichnete.<br />
Mit Abraham Lincoln, dem amerikanischen<br />
Präsidenten, der die Sklaven<br />
befreite, war Schurz befreundet gewesen.<br />
Das ist zum einen keine schlechte<br />
Karriere für jemanden, der nach der<br />
verlorenen <strong>Revolution</strong> von 1848/49 mit<br />
knapper Not durch einen Abwasserkanal<br />
aus der eingeschlossenen Festung<br />
Rastatt entkommen war. Zum anderen<br />
weckt es Interesse: Wer war der Mann,<br />
nach dem in Deutschland und auch in<br />
den USA Straßen, Schulen, Kasernen<br />
und andere öffentliche Gebäude benannt<br />
sind? Was machte ausgerechnet<br />
den Lehrersohn aus Liblar im preußischen<br />
Rheinland zu dieser wichtigen<br />
Figur?<br />
Carl-Schurz-Denkmal in Manhattan.<br />
Carl Schurz war ein in der politischen<br />
Verantwortung moderat gewordener<br />
»Revoluzzer«. Seine realpolitischen<br />
Wendemanöver in den USA als Senator<br />
und Innenminister brachten ihm<br />
zunächst viel Kritik von alten Weggefährten<br />
ein. Seine Rolle als Verteidiger<br />
der Menschen- und Freiheitsrechte ließ<br />
aber in der Rückschau und Erinnerung<br />
diese Kritik verblassen und führte zur<br />
Gründung einer eigenen »Carl Schurz<br />
Memorial Foundation« nach seinem<br />
Tod.<br />
Außerdem lässt sich feststellen, dass<br />
die Symbolfigur Carl Schurz für das<br />
bundesrepublikanische demokratische<br />
Deutschland von 1948/49 viel wichtiger<br />
wurde, als es der historische Schurz<br />
als unbedeutender Teilnehmer der <strong>Revolution</strong><br />
von 1848/49 jemals gewesen<br />
sein konnte. Insofern lohnt sich auch<br />
für uns ein ausführlicher Blick auf die<br />
Person Carl Schurz.<br />
Für die Erinnerung an ihn hatte<br />
niemand so intensiv vorgesorgt wie<br />
Schurz selbst. Er war eine dünne, lang-<br />
ullstein bild<br />
4 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
Ullstein bild<br />
Carl Schurz als General der<br />
Nordstaaten im Sezessionskrieg.<br />
»I fights mit Sigel«<br />
An die dreißig Freiwilligen-Regimenter der<br />
ersten Kriegsjahre fanden sich als nahezu<br />
komplett deutsche Einheiten zusammen;<br />
viele andere Regimenter hatten deutsche<br />
Kompanien. »I fights mit Sigel« soll – in<br />
einer Mischung aus Deutsch und Englisch<br />
– das Motto vieler dieser Verbände und<br />
auch einzelner Freiwilliger gewesen sein.<br />
Der badische Bürgergeneral von 1849 Franz<br />
Sigel (Sinsheim 1824 – New York 1902) war<br />
der populärste »Achtundvierziger«/»Fortyeighter«<br />
dieser Jahre (siehe auch den<br />
Großbeitrag »<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />
in diesem Heft).<br />
Der Begriff »dutch« ist eine Verballhornung<br />
von »deutsch«.<br />
Franz Sigel als General der Badischen<br />
Freiheitsarmee 1849. Lithographie.<br />
Generallandesarchiv Karlsruhe, J-Ac-S/164<br />
beinige Gestalt von fast einem Meter<br />
neunzig, dessen steifer Gang, eng sitzender<br />
Gehrock und vor allem dessen<br />
struppiger »Achtundvierziger«-Bart<br />
im glattrasierten New York von 1900<br />
ihn eher zum komischen Typ machte<br />
als zur Denkmalsfigur. Mit der teilweisen<br />
Fertigstellung seiner mehrbändigen<br />
Memoiren noch kurz vor seinem<br />
Tod 1906 hatte sich Schurz gleichwohl<br />
selbst ein Denkmal gesetzt: Schon damals<br />
beleuchteten Politiker im Ruhestand<br />
ihr Leben natürlich gerne in einem<br />
für sie selbst günstigen Licht.<br />
Dabei hatte Schurz einiges an Einsatz<br />
und Abenteuern vorzuweisen: Er war<br />
Offizier der <strong>Revolution</strong>sarmee in der<br />
Reichsverfassungskampagne von 1849<br />
gewesen, hatte seinen Freund und Lehrer<br />
Gottfried Kinkel aus dem Spandauer<br />
Gefängnis befreit. Als brillanter<br />
Redner an der Seite Abraham Lincolns<br />
und entschiedener Gegner der Sklaverei<br />
war er eine der treibenden Kräfte<br />
der Bewegung zur Sklavenbefreiung in<br />
den USA gewesen. Schließlich war er<br />
einer von fünf Deutschen – alle wie er<br />
ehemalige <strong>Revolution</strong>äre von 1848/49<br />
–, die in der Unionsarmee den Rang eines<br />
Generalmajors erreichten.<br />
Als General hatte er allerdings,<br />
wenn auch nicht schlecht, so doch<br />
gleich mehrfach recht glücklos agiert:<br />
Bei der zweiten Schlacht am Bull Run<br />
war es Schurz trotz großer persönlicher<br />
Tapferkeit im August 1862 nicht<br />
gelungen, die Niederlage der zu diesem<br />
Zeitpunkt vom wenig fähigen General<br />
Pope kommandierten Unionsarmee<br />
zu verhindern. Bei Chancellorsville<br />
und wieder bei Gettysburg waren im<br />
Mai und Juli 1863 von ihm kommandierte<br />
Verbände in unhaltbare Situationen<br />
geraten und unter dem Druck<br />
zahlenmäßig und in ihrer taktischen<br />
Disposition überlegener angreifender<br />
Konföderierter auseinandergebrochen.<br />
Die fremdenfeindliche Presse witzelte<br />
über Schurz, indem sie dem populären<br />
Wahlspruch der Deutschamerikaner »I<br />
fights mit Sigel« ein gehässiges »... and<br />
runs mit Schurz« anhängte, was den<br />
ehrgeizigen Schurz bis an sein Lebensende<br />
kränken sollte.<br />
An der spektakulären Erstürmung<br />
des Höhenrückens von Missionary<br />
Ridge im November 1863 war Schurz’<br />
Division nur am Rande beteiligt gewesen.<br />
1864 hatte Lincoln den »politischen«<br />
General Schurz für seinen<br />
Wahlkampf gebraucht, und so war er<br />
auf ein Kommando hinter der Front abgezogen<br />
worden.<br />
In Hinblick auf die Überprüfbarkeit<br />
seiner Selbstdarstellung in der <strong>Revolution</strong><br />
von 1848/49 muss man feststellen,<br />
dass die Quellenlage schwierig ist.<br />
Für eine ganze Reihe von Episoden,<br />
einschließlich seiner Fluchtgeschichte<br />
aus Rastatt, ist der einzige Beleg eben<br />
seine Autobiografie. Die Stationen seiner<br />
politischen Karriere sind besser dokumentiert:<br />
Gesandter am Spanischen<br />
Hof, Senator für Missouri und Mitglied<br />
im Auswärtigen Ausschuss des Kongresses,<br />
schließlich Innenminister in<br />
der Hayes-Administration (siehe Zeittafel<br />
nächste Seite).<br />
Schurz war ein geachteter und gefürchteter<br />
Politiker und Journalist, den<br />
schon 1867 und wieder in den 1880er<br />
Jahren der deutsche Reichskanzler<br />
Otto von Bismarck in Berlin empfangen<br />
hatte. Und er blieb ein Idealist, der<br />
sich, unter anderem, mit großem Eifer<br />
an eine Reform des korrupten und<br />
nach jeder Präsidentenwahl aufs Neue<br />
an Wahlhelfer und Finanziers verteilten<br />
Ämtersystems der Zivilverwaltung<br />
in Washington gemacht hatte.<br />
Als »idealer Dutchman«<br />
in den USA<br />
Die dreibändigen Memoiren verkauften<br />
sich nach Schurz‘ Tod gut und halfen,<br />
den alten »Forty-eighter« auf das<br />
Monument zu heben, das ihm 1913 von<br />
der »Carl Schurz Memorial Foundation«<br />
errichtet wurde. Schurz wurde<br />
in diesen Jahren für die Amerikaner<br />
der »ideale Deutsche«. Eine Stiftungsprofessur<br />
an der Universität von Wisconsin,<br />
die deutschen Gastprofessoren<br />
ein Jahr Forschung in den USA ermöglichen<br />
sollte, wurde 1912 eingerichtet<br />
als Ehrenbezeugung vor dem ehemaligen<br />
Geschichtsstudenten Schurz, der<br />
als Alterswerke noch sehr beachtliche<br />
Biografien Lincolns und des Politikers<br />
Henry Clay vorgelegt hatte.<br />
Wie sehr Schurz für das Amerika dieser<br />
Tage den idealen Typus des deutschen<br />
Einwanderer-Dichters und (politischen)<br />
Denkers darstellte, wird<br />
anhand der Erinnerung an seine Person<br />
in den Weltkriegen deutlich: Als<br />
die US-Marine mit dem Kriegseintritt<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
5
Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />
Zeittafel Carl Schurz<br />
1829 geb. am 2. März in Liblar im Rheinland.<br />
1839 –1846 Schüler an einem Gymnasium in Köln.<br />
1846/47 Gasthörer an der Universität Bonn. Abiturprüfung.<br />
1847/48 Student der Philologie und Geschichte an der Bonner Universität. Vorlesungen<br />
bei Professor Gottfried Kinkel. Mitglied der Burschenschaft Frankonia.<br />
1848 Febr./März <strong>Revolution</strong> in Paris, Wien und Berlin. Zusammen mit Kinkel agitatorische<br />
Arbeit im »Demokratischen Club« und in der Redaktion der »Bonner Zeitung«.<br />
Ab September Vertreter der Bonner Studentenschaft beim Studentenkongress<br />
in Eisenach.<br />
1849 Reichsverfassungskampagne. Teilnahme an Kämpfen in der Pfalz und in<br />
<strong>Baden</strong>. Flucht über Frankreich in die Schweiz.<br />
1850 7. Nov. Befreiung Kinkels aus dem Gefängnis Spandau, gemeinsame Flucht nach<br />
Großbritannien.<br />
1852 6. Juli Heirat mit Margarethe Meyer in London. Im Aug./Sept. Überfahrt nach<br />
New York.<br />
1854 Hauskauf in Watertown, Wisconsin.<br />
1855 Europareise wegen Erkrankung seiner Ehefrau.<br />
1856 Teilnahme an Wahlkampagne des Präsidentschaftskandidaten der neuen,<br />
sklavereikritischen Republikanischen Partei, John C. Frémont.<br />
1857 Kandidat der Republikaner für das Amt des Vizegouverneurs von Wisconsin.<br />
1858/59 Rechtsanwalt. Vortragsreisen.<br />
1860 Vorsitzender der Wisconsin-Delegierten beim Republikanischen Nationalkonvent<br />
in Chicago. Wahlkampagne für Abraham Lincoln.<br />
1861 Beginn der Sezessionskrise nach der Wahl Lincolns zum Präsidenten.<br />
Gesandter der USA am Spanischen Hof.<br />
1862 Rückkehr in die USA. Ernennung zum Brigadegeneral.<br />
1863 Generalmajor. In der Kritik nach Niederlage bei Chancellorsville.<br />
1864 Posten in Nashville, Tennessee. Mitarbeit an Lincolns Wahlkampagne.<br />
1865 Nach Kapitulation der konföderierten Armeen im April/Juni und Ermordung<br />
Lincolns im Auftrag von Präsident Andrew Johnson Reise durch den Süden,<br />
um über die Kriegsfolgen zu berichten.<br />
1865/66 Washingtoner Korrespondent der New Yorker »Tribune«.<br />
1867/68 Deutschlandreise. Treffen mit Bismarck.<br />
1869/75 Senator für Missouri in Washington. Gründung der Liberalrepublikanischen<br />
Partei.<br />
1875 Europareise.<br />
1877–1881 Innenminister unter Präsident Rutherford B. Hayes. Einsatz für gerechtere<br />
Indianerpolitik und Reform des öffentlichen Dienstes, gegen Arbeiterstreiks.<br />
1881–1883 Redakteur der »New York Evening Post« und der »Nation«.<br />
1886 Veröffentlichung der Biografie über den Politiker und entschiedenen Gegner<br />
der Sklaverei Henry Clay (1777–1852).<br />
1888–1892 Generalvertreter für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Aktien-<br />
Gesellschaft (HAPAG).<br />
1892–1898 Kolumnist für »Harper‘s Weekly«. Einsatz für die Zivildienstreform und gegen<br />
den Imperialismus.<br />
1901–1906 Arbeit an den Lebenserinnerungen.<br />
1906 14. Mai gestorben in New York City.<br />
1913 Einweihung des Schurz-Denkmals in New York.<br />
6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
Bibliothek für Zeitgeschichte Stuttgart<br />
Die nationalsozialistischen Machthaber<br />
konnten mit dem erklärten Sklavereigegner<br />
und Antiimperialisten Schurz<br />
nur wenig anfangen – zwei noch in den<br />
1930er Jahren erschienene Bücher hoben<br />
stattdessen Schurz als Deutschen in<br />
Amerika in den Vordergrund, über den<br />
Bismarck gesagt haben soll: »Als Deutscher<br />
bin ich stolz auf Carl Schurz.«<br />
Als Pate der bundesrepublikanischen<br />
Demokratie<br />
S.M.S. Geier, interniert in Honolulu, ca. 1916.<br />
1917 den seit 1914 in Honolulu internierten<br />
deutschen Kleinen Kreuzer<br />
S.M.S. Geier übernahm, wurde er als<br />
USS Carl Schurz wieder in Dienst gestellt.<br />
Ebenso fuhr während des Zweiten<br />
Weltkriegs ein Liberty-Schiff, ein<br />
bewaffneter Marine-Frachter namens<br />
USS Carl Schurz, über den Atlantik.<br />
Die »Carl Schurz Memorial Foundation«<br />
gab noch jahrzehntelang, nachdem<br />
sie mit dem Carl-Schurz-Denkmal<br />
ihren ursprünglichen Zweck erfüllt<br />
hatte, die »American-German Review«<br />
heraus. Die Schurz-Professur an der<br />
Universität von Wisconsin, zu deren<br />
»Board of Regents« Schurz gehört hatte,<br />
besteht bis in unsere Tage fort. In<br />
der populären Kultur der USA wurde<br />
das Bild des hochgewachsenen Schurz<br />
allerdings seit Mitte der 1960er Jahre<br />
überlagert von John Fords Western<br />
»Cheyenne«, in welchem der kurzbeinige<br />
Schauspieler Edward G. Robinson<br />
als »Carl Schurz« gerade noch rechtzeitig<br />
erscheint, um die von der Vernichtung<br />
bedrohten Indianer zu retten.<br />
Carl Schurz e.V.« und 1929 fand<br />
im Reichstagsgebäude eine vom<br />
Westdeutschen Rundfunk übertragene<br />
Feierstunde zum 100. Geburtstag<br />
statt. Die bei dieser Gelegenheit<br />
aufgestellte Schurz-Büste<br />
landete aber schon bald darauf bei<br />
der Gemeinde Oberkassel – die<br />
Innenarchitektur des Reichstags<br />
wurde umgestaltet. Wenige Jahre<br />
später hatte nicht nur die Innenarchitektur<br />
keinen Platz mehr für<br />
Carl Schurz.<br />
Dass Carl Schurz immerhin von der<br />
Weimarer Republik geehrt und von den<br />
Nationalsozialisten nicht propagandistisch<br />
missbraucht worden war, machte<br />
den Weg frei dafür, dass er mit dem<br />
Ende des Zweiten Weltkriegs unter<br />
den Vorzeichen einer (west-)deutschamerikanischen<br />
Freundschaft von bisher<br />
nicht gekanntem Ausmaß zu neuen<br />
Ehren kommen konnte. 1946/47 war<br />
die deutsch-amerikanische Annäherung<br />
unter den Vorzeichen des Kalten<br />
Krieges schon unübersehbar. Mit<br />
Care-Paketen und Hoover-Speisungen<br />
kamen die Amerikaner den in bitterer<br />
Not lebenden Deutschen menschlich<br />
entgegen. Die Stuttgarter »Rede der<br />
Hoffnung« des amerikanischen Außenministers<br />
James F. Byrnes vom September<br />
1946 sowie die Truman-Doktrin<br />
ullstein – AKG<br />
Kaiserreich, Weimar und NS-Zeit<br />
Auf der deutschen Seite blieb das Interesse<br />
an Schurz zunächst spärlich.<br />
Im Kaiserreich hatte man für den ehemaligen<br />
<strong>Revolution</strong>är keine Verwendung<br />
und auch die Weimarer Republik<br />
machte sich das Andenken an Schurz<br />
erst spät zunutze. 1926 formierte sich<br />
in Berlin unter Beteiligung von Reichstagsabgeordneten<br />
die »Vereinigung<br />
Unterredung zwischen Carl Schurz und Reichskanzler Otto von Bismarck im<br />
Berliner Reichskanzlerpalais.<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
7
Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />
Paulskirche –<br />
Wiege der deutschen Demokratie<br />
Am 18. Mai 1848 trat in der Paulskirche zu<br />
Frankfurt am Main das erste frei gewählte<br />
deutsche Parlament, die Frankfurter Nationalversammlung,<br />
zusammen. Die folgenden<br />
Monate waren von der Arbeit an einer Verfassung<br />
für ein vereinigtes Deutschland geprägt.<br />
Die Verfassung sah vor, dass Deutschland<br />
eine konstitutionelle Erbmonarchie<br />
werden sollte. Zum erblichen Kaiser wurde<br />
am 28. März 1849 der preußische König<br />
Friedrich Wilhelm IV. gewählt. Dessen Ablehnung<br />
der deutschen Kaiserwürde bedeutete<br />
jedoch das Scheitern der Paulskirchenverfassung.<br />
Der im Mai 1849 folgende Aufstand<br />
zur Durchsetzung der Verfassung, die sogenannte<br />
Reichsverfassungskampagne, wurde<br />
niedergeschlagen. Die »Grundrechte des<br />
deutschen Volkes«, die den Kern der Paulskirchenverfassung<br />
bildeten, wurden 1949 zum<br />
Teil wörtlich in das Grundgesetz der Bundesrepublik<br />
Deutschland übernommen. mn<br />
Die Abgeordneten der Frankfurter<br />
Nationalversammlung tagen in der<br />
Paulskirche. 1848. Farblithographie<br />
von Gustav May.<br />
ullstein bild<br />
vom März 1947 zeichneten nicht nur<br />
Strategien vor, wie die Expansion des<br />
Kommunismus einzudämmen sei, sondern<br />
auch, wie man Westdeutschland<br />
in eine neue politische, wirtschaftliche<br />
und militärische Allianz einbeziehen<br />
wollte.<br />
Für diese Zwecke wurde das Andenken<br />
an Carl Schurz nachhaltig mobilisiert.<br />
Der Befreier Kinkels und radikale<br />
Demokrat trat dazu hinter den Staatsmann<br />
und Bürgerkriegsgeneral zurück.<br />
Sein Leben wurde gedeutet als »Geschichte<br />
eines Mannes, der für den Geist<br />
der Freiheit in einem fremden Lande<br />
kämpfte, da er‘s im eigenen nicht vermochte«,<br />
so Joachim Maass in seinem<br />
1949 erschienenen Buch »Der unermüdliche<br />
Rebell – Leben, Taten und Vermächtnis<br />
des Carl Schurz«. Maass‘ Buch<br />
wurde ebenso wie das von Hanns Höwing<br />
von den alliierten Zensurbehörden<br />
bevorzugt behandelt und in für die<br />
damalige Zeit hoher Auflage verbreitet.<br />
Der fast vergessene Schurz erlebte in<br />
jenen Tagen eine unglaubliche Renaissance.<br />
Es waren gleichermaßen der republikanische<br />
Deutschamerikaner und<br />
der Bismarck-Gesprächspartner gefragt:<br />
Schurz konnte für Demokraten<br />
wie für Deutschnationale ein Identifikationsangebot<br />
liefern. Bezeichnend ist<br />
ein Druckfehler in der Achtundvierziger-Sondernummer<br />
der American-German<br />
Review vom August 1948, in deren<br />
Inhaltsverzeichnis ein Artikel von Ottmar<br />
Bühler als »Carl Schurz and the<br />
<strong>Revolution</strong> of 1948« angekündigt wird,<br />
obwohl eigentlich die <strong>Revolution</strong> von<br />
1848 gemeint war.<br />
Der schon 1926 an der Gründung<br />
der »Vereinigung Carl Schurz« in Berlin<br />
beteiligte Reichstagspräsident Paul<br />
Löbe war eines der Gründungsmitglieder<br />
einer neuen »Carl-Schurz-Gesellschaft«,<br />
die im August 1948 in der in<br />
aller Eile wiederaufgebauten Paulskirche<br />
in Frankfurt am Main ins Leben gerufen<br />
wurde. Die Kombination ist sinnfällig:<br />
Die Paulskirche symbolisiert den<br />
ehrenhaften, wenn auch immer fehlgeschlagenen<br />
Versuch der eigenen Republik.<br />
Schurz ist der Verbindungsmann<br />
dieser Republikaner zu den Amerikanern<br />
und von dort wieder zurück nach<br />
Deutschland: Wer es zum Senator und<br />
US-Minister gebracht hat, der darf Vorbild<br />
sein.<br />
Man hätte vermuten können, dass<br />
1948 auch andere prominente Achtundvierziger<br />
lokal, regional und national<br />
wieder in Erinnerung gerufen<br />
werden sollten. Das scheint aber nicht<br />
oder nur begrenzt der Fall gewesen zu<br />
sein. Die Konzentration auf Schurz war<br />
1948/49 besonders auffällig: In 35 westdeutschen<br />
Städten wurden Straßen<br />
und Wege nach ihm benannt. Manchmal<br />
liegen die Schurz-Straßen in Stadtvierteln,<br />
die den Namen prominenter<br />
Amerikaner tragen, wie die Lincoln-<br />
Siedlung in Braunschweig. Auch Schulen<br />
und Studentenwohnheime, vor allem<br />
an Orten, die in einer Verbindung<br />
zu Schurz gestanden hatten, erhielten<br />
seinen Namen. Im neugebauten Bonner<br />
Carl-Schurz-Colleg wurde 1956<br />
nach 25 Jahren die Schurz-Büste aus<br />
dem Reichstag von 1929 wieder der Öffentlichkeit<br />
präsentiert.<br />
Schurz‘ Name wurde auch bemüht,<br />
als im hundertsten Jahr nach seiner Ankunft<br />
in den USA der Grundstein für<br />
die neue American Memorial Library<br />
in Berlin gelegt wurde. Der amerikanische<br />
Botschafter Dean Acheson erwähnte<br />
ihn in seiner Rede am 28. Juni<br />
1952 zwar mehrfach, aber benannt<br />
wurde die Bibliothek nicht nach Carl<br />
Schurz, und auch Bemühungen, die<br />
Freie Universität Berlin nach ihm zu<br />
benennen, verliefen erfolglos.<br />
Ein Grund dafür mag sein, dass die<br />
Schurz-Erinnerung nach der deutschamerikanisch<br />
inspirierten demokratischen<br />
Welle von 1948/49 zunehmend<br />
von eher konservativen Kreisen und<br />
Wirtschaftskreisen für ihre Interessen<br />
instrumentalisiert wurde. In diesem<br />
Sinne ist das Wirken der im »Revolu-<br />
Nach Carl Schurz benannte Schulen und<br />
universitäre Einrichtungen in<br />
Deutschland und USA (Auswahl)<br />
Carl-Schurz-Grundschule Berlin<br />
Carl-Schurz-Grundschule Bonn<br />
Carl-Schurz-Realschule Bonn<br />
Grundschule an der Carl-Schurz-Straße in<br />
Bremen<br />
Carl-Schurz-Schule Rastatt<br />
Carl-Schurz-Schule Erftstadt-Liblar<br />
Carl Schurz Schule Frankfurt am Main<br />
Carl-Schurz-Schule Darmstadt<br />
Carl-Schurz-Realschule Bad Godesberg<br />
Carl-Schurz-Haus, Studentenwohnheim<br />
Ruhr Universität Bochum<br />
Carl-Schurz-Haus,<br />
Studentenwohnheim Universität Bonn<br />
Carl Schurz Elementary School<br />
New Braunfels, Texas<br />
Schurz High School Chicago<br />
Schurz Hall,<br />
University of Missouri, Columbia MO<br />
Carl-Schurz-Schule<br />
in Frankfurt a.M.<br />
ullstein bild<br />
8 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
tionsjahr« 1948 gegründeten »Steuben-<br />
Schurz-Gesellschaft« zu sehen. Der Beginn<br />
der Berliner Luftbrücke im Juni<br />
1948 hatte unter anderem zu einer<br />
schlagartigen Welle von Gründungen<br />
von deutsch-amerikanischen Freundschaftsclubs<br />
und Vereinigungen zur<br />
Pflege der internationalen Beziehungen<br />
Deutschlands geführt. In Wiesbaden<br />
knüpfte man zu diesem Zweck an<br />
die »Steuben-Gesellschaft« an, die bis<br />
zu ihrer Auflösung durch die Nationalsozialisten<br />
von 1930 bis 1933 in Berlin<br />
bestanden hatte. Man fügte der Neugründung<br />
den Namen von Carl Schurz<br />
als Symbol der deutschen Demokratiebewegung<br />
hinzu. So erhielt die neue<br />
Gesellschaft, die unter dem 1. August<br />
1948 in das Vereinsregister eingetragen<br />
wurde, den Namen »Steuben-Schurz-<br />
Gesellschaft«. Im Vorstand waren von<br />
Anfang an Großindustrielle, Bankiers<br />
sowie Angehörige des Hochadels stark<br />
vertreten. Bereits 1950 ging die »Paulskirchen-Schurz-Gesellschaft«<br />
in der<br />
»Steuben-Schurz-Gesellschaft« auf.<br />
Eine dritte »Carl Schurz Gesellschaft«<br />
wurde 1949 in Bremen gegründet. Sie<br />
stand von Anfang an in enger Verbindung<br />
zum Bremer Senat. Dies zeigt sich<br />
auch darin, dass fast alle Präsidenten<br />
der Gesellschaft amtierende Senatoren<br />
waren. Die Gesellschaft hat sich seit<br />
Anbeginn um die Vertiefung deutschamerikanischer<br />
Beziehungen gekümmert.<br />
Es wurden und werden immer<br />
wieder Vortragsveranstaltungen mit<br />
namhaften Referenten organisiert. Ein<br />
Schwerpunkt der früheren Arbeit war,<br />
Kontakte zu den in Garlstedt und Bremerhaven<br />
stationierten US-Truppen zu<br />
knüpfen. Dazu passt, dass die US-Kaserne<br />
in Bremerhaven den Namen Carl<br />
Schurz trug. Auch die Umbenennung<br />
der »Bauland-Kaserne« der Bundeswehr<br />
in Hardheim im November 1966<br />
in »Carl-Schurz-Kaserne« war als Zeichen<br />
der deutsch-amerikanischen Verständigung<br />
gedacht.<br />
Zuletzt diente Carl Schurz im März<br />
1969 als Namenspatron: Zu seinem<br />
140. Geburtstag wurde das Freiburger<br />
Amerikahaus in Carl-Schurz-Haus umbenannt<br />
– vermutlich, um den anhaltenden<br />
antiamerikanischen Vietnamkriegsprotesten<br />
durch den Verweis auf<br />
die deutsch-amerikanischen demokratischen<br />
Gemeinsamkeiten die Schärfe<br />
zu nehmen. Man kann an dieser Benennung<br />
ablesen, wie wirksam die Symbolfigur<br />
Schurz zu diesem Zeitpunkt in<br />
Deutschland immer noch war. Schurz<br />
selbst war Zeit seines Lebens nicht in<br />
Freiburg i.Br. gewesen und hatte keinerlei<br />
Verbindung dorthin. Wenn ihm<br />
bei der Namensgebung 1969 der Vorzug<br />
gegeben wurde vor der Volkstribunsgestalt<br />
Friedrich Hecker und dem<br />
<strong>Revolution</strong>sgeneral Franz Sigel, die beide<br />
deutliche Freiburger Verbindungen<br />
aufweisen und wie Schurz im Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg gekämpft hatten<br />
sowie in der deutsch-amerikanischen<br />
Öffentlichkeit bekannte Figuren waren,<br />
wenn also stattdessen der Nicht-Freiburger<br />
Schurz Namenspatron werden<br />
musste, dann ist damit wieder die politische<br />
Botschaft der »<strong>Revolution</strong> von<br />
1948/49«, die Suche nach dem deutschamerikanischen<br />
Wunschdemokraten,<br />
verbunden.<br />
Als Carl Schurz 1899 bei Vollendung<br />
seines 70. Lebensjahres von der Columbia<br />
University zum Ehrendoktor<br />
ernannt wurde, hieß es über ihn in der<br />
Festrede: »Er hat geschrieben und gesprochen<br />
und gekämpft, in der alten<br />
Welt und in der neuen, für die großen<br />
Ideen unseres Jahrhunderts.« Das<br />
kann als Vermächtnis des Carl Schurz<br />
stehen bleiben. Für die »Achtundvierziger«<br />
der neuen Bundesrepublik von<br />
1948/49 war Schurz der Vorzeige-<strong>Revolution</strong>är,<br />
Realpolitiker, Verteidiger der<br />
Menschenrechte und deutsch-amerikanische<br />
Demokrat, auf den sich alle<br />
einigen konnten. Diesen Schurz und<br />
die anderen Achtundvierziger, die in<br />
den USA Freiheit und Einheit verteidigen<br />
halfen und für die Abschaffung der<br />
Sklaverei sorgten, gilt es heute, in einer<br />
an positiven Vorbildern armen Zeit,<br />
wieder neu zu entdecken (siehe den<br />
Artikel von J. Dick in diesem Heft).<br />
• Wolfgang Hochbruck<br />
Carl Schurz in seinem Arbeitszimmer.<br />
ullstein bild<br />
Literaturtipp:<br />
Walter Kessler, Carl Schurz – Kampf, Exil<br />
und Karriere, Köln 2006<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
9
<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong><br />
»<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />
Deutsche<br />
Demokraten im<br />
Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg<br />
Deutsch-amerikanische Generale<br />
im Amerikanischen Bürgerkrieg,<br />
unter ihnen Franz Sigel (oben),<br />
Carl Schurz (2. Reihe re.) und<br />
Peter Joseph Osterhaus (2. Reihe<br />
v.u., re.). Stahlstich, 1865.<br />
Als am 5. Juli 1861 Colonel Franz<br />
Sigel, der Kommandeur einer<br />
1100 Mann starken Unionstruppe,<br />
seiner Artillerie den Feuerbefehl<br />
gab, eröffnete er bei Carthage in<br />
der äußersten Südwestecke des US-<br />
Bundesstaates Missouri eines der<br />
ersten größeren Gefechte des Amerikanischen<br />
Bürgerkrieges (auch Sezessionskrieg<br />
genannt). Seine in St. Louis<br />
rekrutierten Soldaten waren überwiegend<br />
deutschstämmige Freiwillige, die<br />
Kommandosprache war Deutsch.<br />
Nach der militärischen Niederlage<br />
der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 waren Tausende<br />
der aktiven deutschen Demokraten<br />
ins Exil gegangen und viele waren<br />
über die Schweiz nach Frankreich oder<br />
Großbritannien und schließlich in die<br />
USA gelangt.<br />
Als dort 1861 der Bürgerkrieg ausbrach,<br />
war dieser für die meisten emigrierten<br />
deutschen Demokraten – die<br />
»Forty-eighter«, wie sie in den USA genannt<br />
werden – nicht nur ein Kampf<br />
zwischen Nord und Süd um den Erhalt<br />
der Union. Auch die Sklavenbefreiung<br />
war für sie ein wesentliches Kriegsziel.<br />
Insbesondere für diejenigen, die in der<br />
sogenannten Reichsverfassungskampagne<br />
von 1849 (zur Durchsetzung der<br />
Paulskirchenverfassung; siehe Infokasten<br />
auf S. 8) in der badisch-pfälzischen<br />
<strong>Revolution</strong>sarmee gekämpft hatten,<br />
wurde der Sezessionskrieg zum »Zweiten<br />
Freiheitskampf« oder aber – speziell<br />
in Missouri – zur »<strong>Second</strong> <strong>Baden</strong><br />
<strong>Revolution</strong>« und somit zu einem erneuten<br />
Eintreten für Menschenrechte,<br />
Freiheit und Demokratie. Achtundvierziger,<br />
die bereits in der Reichsverfassungskampagne<br />
militärische Verantwortung<br />
getragen hatten, übernahmen<br />
auch jetzt wieder Führungsfunktionen<br />
und wurden zu Kommandeuren von<br />
Freiwilligenregimentern gewählt. Sie<br />
übten eine Vorbildfunktion für die Anwerbung<br />
weiterer deutschstämmiger<br />
Soldaten aus.<br />
Der Kampf um<br />
Missouri 1861/62<br />
In St. Louis im US-Bundesstaat Missouri<br />
mit einem besonders hohen Anteil<br />
deutschstämmiger Einwohner war es<br />
der <strong>Revolution</strong>sveteran Franz Sigel, der<br />
eines der vier »deutschen« Regimenter,<br />
das 3. Missouri Volunteer Infantery Regiment,<br />
aufstellte. Als 23-jähriger ehemaliger<br />
badischer Infanterieleutnant<br />
hatte er sich 1848 den Aufständischen<br />
in <strong>Baden</strong> angeschlossen. Er war einer<br />
der militärischen Führer des »Heckerzuges«,<br />
1849 Kriegsminister in der badischen<br />
<strong>Revolution</strong>sregierung sowie<br />
zeitweise Oberkommandierender der<br />
<strong>Revolution</strong>struppen. Mit ihm engagierten<br />
sich weitere Achtundvierziger<br />
in Missouri. Hierzu gehörte unter anderem<br />
Friedrich Hecker, der legendäre<br />
Führer des ersten badischen Aufstandes<br />
von 1848, der auch als »Heckeraufstand«<br />
in die Geschichtsschreibung<br />
eingegangen ist.<br />
Abb. aus: H. Greeley, Der große Conflikt in Amerika,<br />
Bd 1, Chicago 1865, S. 590 / Leihgabe aus Privatbesitz<br />
Der historische Bezug der »deutschen«<br />
Regimenter im Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg zur <strong>Revolution</strong> von1848/49<br />
wurde bewusst hergestellt. So erhielt<br />
das Regiment Sigels Uniformen, die<br />
in Schnitt und Farbe an die Freischarhemden<br />
von 1848 erinnerten. Andere<br />
Einheiten trugen schwarz-rot-goldene<br />
Kokarden an den Hüten. Der »Spirit<br />
of 1848« spielte bei der Motivation, für<br />
die Union zu kämpfen, eine wesentliche<br />
Rolle.<br />
Gerade im Kampf um Missouri sollten<br />
die deutschstämmigen Regimenter<br />
einen entscheidenden Beitrag leisten.<br />
Denn in diesem Bundesstaat gab es starke<br />
politische Strömungen, die für eine<br />
Unterstützung der Südstaaten eintraten.<br />
Gouverneur Claiborne Jackson wollte<br />
den Bundesstaat auf die Seite der Konföderation<br />
der Südstaaten ziehen. Seine<br />
sezessionistischen Absichten versuchte<br />
er mit Hilfe der Staatsmiliz durchzusetzen.<br />
Umso mehr war der Unionskommandant<br />
von St Louis, Nathaniel Lyon,<br />
auf die deutschstämmigen Freiwilligenregimenter<br />
angewiesen.<br />
Am 10. Mai griffen Unionstruppen unter<br />
Lyon und Sigel die im Übungslager<br />
»Camp Jackson« versammelte Staatsmiliz<br />
an und zwangen diese, sich kampflos<br />
zu ergeben. St. Louis blieb in den Händen<br />
der Union. Der Kampf um Missouri<br />
sollte sich allerdings noch bis zum März<br />
10<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
1862 hinziehen. Franz Sigel wurde nach<br />
diesem Sieg zum Idol der deutschstämmigen<br />
Unionssoldaten. Unter dem Motto<br />
»I fights mit Sigel« meldeten sich Tausende<br />
freiwillig.<br />
Bis Anfang Juli 1861 erhielten aber<br />
auch die sezessionistischen Kräfte Missouris<br />
um Gouverneur Jackson neuen<br />
Zulauf von frisch rekrutierten Soldaten<br />
aus dem Nordwesten des Staates. Diese<br />
Truppen zogen sich nach Südosten<br />
zurück, um sich dort mit den konföderierten<br />
Einheiten aus Arkansas und Texas<br />
zu vereinigen. Sigel sollte dies mit<br />
seinem Regiment, verstärkt durch Teile<br />
des 5. Missouri-Regiments und zwei<br />
Artilleriebatterien, verhindern.<br />
Am 5. Juli stieß er allerdings bei Carthage<br />
auf eine fast fünffach überlegene<br />
gegnerische Streitmacht, die versuchte,<br />
die zahlenmäßig deutlich unterlegenen<br />
»Yankees« von ihrem Rückweg<br />
abzuschneiden und zu vernichten. Es<br />
glückte, sich der Umklammerung zu<br />
entziehen und dem Gegner gleichzeitig<br />
empfindliche Verluste zuzufügen. Entscheidend<br />
hierfür war auch der gute<br />
Ausbildungsstand der bereits Monate<br />
zuvor in den Straßen von St. Louis<br />
gedrillten Soldaten. Nach einem dreistündigen<br />
Artillerieduell trat Sigel einen<br />
geordneten Rückzug an.<br />
Dennoch kam es im August desselben<br />
Jahres in Wilsons Creek, in einer seitens<br />
ullstein bild – histopics<br />
Franz Sigel, 1824–1902, als<br />
General der Unionsarmee.<br />
der Union mit hohem Risiko geführten<br />
Schlacht, zu einem ersten Rückschlag.<br />
Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit<br />
griff Lyon den Gegner frontal an. Unterdessen<br />
startete Sigel mit seiner bereits<br />
kampferprobten Brigade einen erfolgreichen<br />
Flankenangriff: Er fiel zwei<br />
Südstaatenregimentern in den Rücken<br />
und vermochte diese zurückzuwerfen.<br />
Es kam aber zu einer verhängnisvollen<br />
Verwechslung:<br />
Als sich weitere konföderierte Truppen<br />
in großer Stärke näherten, hielt<br />
man sie für eigene Soldaten. Eine optische<br />
Unterscheidung der Kontrahenten<br />
war damals nicht möglich; die<br />
blauen Nord- und die grauen Südstaatenuniformen<br />
gab es in dieser frühen<br />
Phase des Bürgerkrieges noch nicht.<br />
Als die Unionstruppen plötzlich von<br />
dem überlegenen Gegner angegriffen<br />
wurden, war es für eine wirkungsvolle<br />
Verteidigung zu spät. Es blieb nur der<br />
Rückzug unter hohen Verlusten.<br />
Entschieden wurde der Kampf um<br />
Missouri zwischen dem 6. und 8. März<br />
1862 in der Schlacht von Pea Ridge in<br />
der Nordwestecke des Staates Arkansas.<br />
Dort schlug eine 11 000 Mann starke<br />
Armee der Union die mit 16 000<br />
Mann erneut zahlenmäßig überlegenen<br />
Südstaatendivisionen.<br />
Oberkommandierender der Unionstruppen<br />
war General Samuel R. Curtis.<br />
Der maßgebliche Angriffsplan wurde<br />
jedoch von Curtis‘ Stellvertreter Sigel<br />
vorgeschlagen. Er war es auch, der<br />
mit seinen beiden »deutschen Divisionen«<br />
den entscheidenden Angriff führte.<br />
Die von ihm geleitete zweistündige<br />
Artilleriekanonade war so wirkungsvoll,<br />
dass er mit seiner Infanterie die<br />
gegnerischen Linien durchbrechen und<br />
die Truppen der Konföderierten zum<br />
Rückzug zwingen konnte. Sigel stand<br />
auf dem Höhepunkt seiner militärischen<br />
Karriere.<br />
In der Folgezeit wurde Sigel allerdings<br />
zum Spielball politischer Interessen:<br />
Seine Anfangserfolge in Missouri<br />
brachten ihm Neider und Feinde. Einerseits<br />
wurde er von Präsident Abraham<br />
Lincoln als exponierter Vertreter der<br />
deutschstämmigen Wählerschaft gezielt<br />
gefördert, andererseits sahen es<br />
die in Amerika geborenen und an der<br />
Militärakademie in West Point ausgebildeten<br />
Kommandeure nicht gerne,<br />
dass ein »Ausländer« zum Generalmajor<br />
befördert und ihm nach der<br />
Schlacht von Pea Ridge das Kommando<br />
über das I. Korps der Virginia-Armee<br />
im Osten übertragen wurde.<br />
Virginia, West-Virginia,<br />
Shanandoah Valley<br />
Im Osten verliefen die Kampfhandlungen<br />
für die Union längst nicht so günstig<br />
wie im Westen. In der ersten größeren<br />
Schlacht am 21. Juli 1861 bei Bull<br />
Run artete ein Rückzug der Unionstruppen<br />
zur wilden Flucht aus.<br />
In dieser unübersichtlichen Lage behielt<br />
die Brigade des Achtundvierziger-Kommandeurs<br />
Ludwig Blenker<br />
die Nerven. Seine in New York aufgestellten<br />
Regimenter waren den ganzen<br />
Tag in Reserve gehalten worden.<br />
Als sie den Rückzug der geschlagenen<br />
Nordstaatenarmee in ihren Stellungen<br />
verharrend deckten und den Gegner<br />
an der weiteren Verfolgung hinderten,<br />
wurde Blenker zum umjubelten Held.<br />
Der ehemalige Reserveoffizier, der in<br />
der Reichsverfassungskampagne 1849<br />
ein Freikorps befehligt hatte, erhielt<br />
daraufhin den Auftrag, eine »deutsche<br />
Division« aufzustellen. Einer seiner<br />
Stabsoffiziere war kein Geringerer als<br />
der bereits 57 Jahre alte Gustav Struve,<br />
der politische Kopf der badischen<br />
Aufstände von 1848/49. Blenker, der<br />
mit seiner Neigung zu übertriebenem<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
11
<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong><br />
militärischem Pomp einige seiner alten<br />
Kameraden – zum Schluss auch<br />
Struve – verprellte, agierte während<br />
der Kampfhandlungen des Frühjahrs<br />
1862 glücklos. Seine Division wurde<br />
ohne hinreichende logistische Unterstützung<br />
ins Shanandoahtal beordert.<br />
In der Schlacht bei Cross Keys wurde<br />
die erste Brigade unter Brigadegeneral<br />
Julius Stahel in einem aussichtslosen<br />
Angriff verheizt, das 8. New Yorker<br />
Regiment verlor ein Drittel seiner<br />
Soldaten.<br />
Als Blenker nach dieser Schlacht enttäuscht<br />
sein Kommando niederlegte,<br />
wurde ein anderer Achtundvierziger,<br />
der erst 33-jährige Carl Schurz, sein<br />
Nachfolger (siehe den Beitrag von W.<br />
Hochbruck in diesem Heft). Als einflussreicher<br />
republikanischer Politiker<br />
war er, wie im Bürgerkrieg nicht unüblich,<br />
im Range eines Brigadegenerals<br />
eingestellt worden, obwohl er über nur<br />
wenig militärische Erfahrung verfügte.<br />
In der Reichsverfassungskampagne<br />
hatte er als Leutnant gewirkt. Das<br />
Korps, zu dem auch Schurz‘ Division<br />
gehörte, erhielt kurz danach mit Franz<br />
Sigel auch einen deutschen Kommandierenden<br />
General.<br />
ullstein – Granger Collection<br />
Die Zweite Schlacht von Bull Run im August 1862, an der auch das Korps von<br />
Franz Sigel beteiligt war, endete für die Unionstruppen unter hohen Verlusten.<br />
Zeitgenössische Litographie.<br />
Während des folgenden Virginiafeldzuges<br />
im Sommer 1862 musste Sigel<br />
feststellen, dass teils versteckt, teils<br />
offen gegen ihn intrigiert wurde.<br />
In der für die Unionstruppen verlorenen<br />
zweiten Schlacht von Bull Run<br />
am 30. August kämpfte das Korps tapfer,<br />
entgegen einiger Presseberichte<br />
und der Auffassung des Befehlshabers<br />
General John Pope. Gegen die kampferprobte<br />
Truppe des legendären Südstaatengenerals<br />
Thomas J. »Stonewall«<br />
Jackson konnten am ersten Tag der<br />
Schlacht sogar Geländegewinne erzielt<br />
werden. Erst als sich Jackson mit seinen<br />
Truppen hinter einem Eisenbahndamm<br />
verschanzte, blieb der Angriff<br />
der Unionstruppen unter hohen Verlusten<br />
stecken.<br />
Am folgenden Tag war Sigel einer<br />
der ersten, die einen bevorstehenden<br />
gegnerischen Angriff in die Flanke der<br />
Unionstruppen erkannten. Es gelang<br />
ihm, zwei Stellungen so lange zu halten,<br />
bis sich das Gros der Virginia-Armee<br />
Richtung Washington zurückgezogen<br />
hatte. In den nach Niederlagen<br />
damals üblichen Schuldzuweisungen<br />
innerhalb der Generalität geriet Sigel<br />
dennoch in die Kritik. Dass er mit seinem<br />
Korps die Einkesselung der Virginia-Armee<br />
verhindert hatte, wurde<br />
kaum gewürdigt. Stattdessen warf man<br />
ihm vor, in der einleitenden Schlacht<br />
des Feldzuges bei Cedar Mountain verspätet<br />
eingetroffen zu sein.<br />
Es folgten Umstrukturierungen bei<br />
den Unionstruppen. Aus dem I. Korps<br />
der Virginia-Armee wurde das XI. Korps<br />
der Potomac-Armee. Wegen weiterer<br />
Differenzen mit seinen Vorgesetzten<br />
trat Sigel im Frühjahr 1863 zurück. Sein<br />
Nachfolger Oliver Otis Howard konnte<br />
die Distanz zu seinen deutschen Divisionskommandeuren<br />
nie überbrücken.<br />
Die Rückschläge des Korps bei<br />
Chancellorsville und am ersten Tag der<br />
Schlacht von Gettysburg, eine der verlustreichsten<br />
Schlachten auf dem amerikanischen<br />
Kontinent überhaupt, die<br />
als entscheidender Wendepunkt des<br />
Bürgerkrieges gilt, wurden dennoch<br />
nicht Howard, sondern den »damned<br />
dutch« angelastet.<br />
Nachdem es Schurz trotz seiner Beziehungen<br />
zu Präsident Lincoln nicht<br />
gelungen war, Sigel das Kommando<br />
über das Korps wieder zu beschaffen,<br />
übernahm dieser 1864 die Führung der<br />
relativ kleinen Army of West Virginia<br />
im Shenandoahtal.<br />
Seine Niederlage in dem relativ unbedeutenden<br />
Gefecht bei New Market<br />
wurde von seinen Gegnern aufgebauscht<br />
und zum Anlass genommen,<br />
seine Absetzung zu betreiben. Sigel verfolgte<br />
das Prinzip, in ausweglosen militärischen<br />
Lagen seine Soldaten nicht zu<br />
verheizen, sondern sie mit einem taktischen<br />
Rückzug möglichst zu schonen.<br />
Dieses auch in New Market praktizierte<br />
Verfahren ist ihm als Schwäche ausgelegt<br />
worden. Obwohl er in den folgenden<br />
Gefechten am Potomac River<br />
die vordringenden Südstaatentruppen<br />
aufhalten konnte und den zunächst geräumten<br />
Eisenbahnknotenpunkt Harpers<br />
Ferry zurückeroberte, wurde er<br />
seines Kommandos enthoben.<br />
Diese Behandlung Sigels erfährt in<br />
der Berichterstattung und der Literatur<br />
über den amerikanischen Bürgerkrieg<br />
zum Teil bis heute ihre Fortsetzung.<br />
Sigel selbst blieb bis zu seinem<br />
Tode überzeugter Amerikaner. Ein Angebot<br />
der badischen Regierung, nach<br />
einer allgemeinen Amnestie der Achtundvierziger<br />
nach Deutschland zurückzukehren,<br />
lehnte er ab. Als er am<br />
21. August 1902 als hochgeachteter<br />
12<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
ullstein – Pachot<br />
amerikanischer Staatsbürger starb, begleiteten<br />
über 25 000 Menschen, darunter<br />
viele Bürgerkriegsveteranen, den<br />
Trauerzug. Noch heute erinnern zwei<br />
Reiterdenkmäler in New York und<br />
St. Louis an einen der ersten deutschen<br />
demokratischen Offiziere des 19. Jahrhunderts.<br />
Die Schlacht um Chattanooga<br />
Eine der strategisch entscheidenden<br />
Schlachten des Sezessionskrieges wurde<br />
am 25. November 1863 um Chattanooga<br />
geschlagen. Der Sieg der Union<br />
öffnete den Weg in das Zentrum der<br />
Südstaaten. General William T. Shermans<br />
folgender »March to the Sea« war<br />
kriegsentscheidend, da die in Virginia<br />
bis dahin erfolgreich kämpfende Konföderiertenarmee<br />
von ihren Hauptnachschublinien<br />
abgeschnitten wurde.<br />
Es war die einzige Schlacht, in der<br />
deutschstämmige Truppen aus dem<br />
Westen und dem Osten der USA gemeinsam<br />
kämpften.<br />
Generallandesarchiv Karlsruhe J-G-B/7<br />
August Willich, 1810–1878, der spätere<br />
General der Unionsarmee, hier<br />
während der pfälzisch-badischen<br />
<strong>Revolution</strong> im Mai 1849 mit der sogenannten<br />
Heckerbluse, die auch noch<br />
im Amerikanischen Bürgerkrieg von<br />
deutschstämmigen Soldaten getragen<br />
wurde. Blatt aus der »Portrait- und<br />
Kostümgalerie aus der badisch-pfälzischen<br />
<strong>Revolution</strong> 1849«, Karlsruhe,<br />
Verlag von Fr. Nödelke, 1849.<br />
Lithographie, teilweise koloriert.<br />
Peter Joseph Osterhaus, 1823–1917,<br />
General der Unionsarmee.<br />
Das XI. Korps der Potomac-Armee<br />
war zur Verstärkung der unter Ulysses<br />
S. Grants Kommando stehenden Armeegruppe<br />
mit der Eisenbahn herantransportiert<br />
worden. In einem einleitenden<br />
Gefecht gelang es, die »Cracker<br />
line«, eine wichtige Nachschublinie, zu<br />
eröffnen. Schurz vermochte dadurch,<br />
seinen angeschlagenen Ruf als Truppenführer<br />
zu verbessern. Mit seiner Division<br />
wurde er jedoch im Verlauf der<br />
folgenden Kampfhandlungen weitestgehend<br />
in Reserve gehalten.<br />
Stattdessen zeichneten sich andere<br />
Achtundvierziger-Kommandeure besonders<br />
aus, etwa der in Koblenz geborene<br />
ehemalige preußische Reserveoffizier<br />
Peter Joseph Osterhaus. Er hatte<br />
bereits bei Wilsons Creek in schwieriger<br />
Lage Übersicht und Kaltblütigkeit<br />
bewiesen und damit das Vertrauen seiner<br />
Soldaten gewonnen. Als einer der<br />
beiden Divisionskommandeure Sigels<br />
hielt Osterhaus am ersten Tag der<br />
Schlacht von Pea Ridge als Führer einer<br />
Vorausabteilung dem Angriff überlegener<br />
Südstaatenregimenter stand.<br />
Am folgenden Tag führte er in Sigels<br />
Auftrag eine wichtige vorbereitende<br />
Erkundung durch und zeichnete sich<br />
durch engagierte Führung während<br />
des entscheidenden Angriffs aus. Während<br />
der folgenden Unionsfeldzüge im<br />
Westen war Osterhaus an mehreren erfolgreich<br />
geführten Gefechten beteiligt<br />
und stieg bis zum Generalmajor auf.<br />
Während Sigels militärischer Stern in<br />
der zweiten Phase des Bürgerkrieges<br />
eher im Sinken war, wurde Osterhaus<br />
zum erfolgreichsten deutschen Kommandeur.<br />
Im Gegensatz zu Sigel zeigte<br />
er im Umgang mit seinen Vorgesetzten<br />
mehr Geschick. Seine Bescheidenheit<br />
und Zuverlässigkeit wurden geschätzt.<br />
Während Shermans »March to<br />
the Sea« wurde er als Korpskommandeur<br />
eingesetzt. Nach dem Krieg war<br />
Osterhaus Militärkommandant in Mississippi<br />
und kehrte später als amerikanischer<br />
Konsul in das Deutsche Kaiserreich<br />
zurück.<br />
Auch für August Willich war Chattanooga<br />
eine Sternstunde in seiner<br />
militärischen Laufbahn. Der militärische<br />
Führer des Heckerzuges von 1848<br />
wanderte 1853 in die USA aus. Er wurde<br />
im Bürgerkrieg Kommandeur des<br />
deutsch-amerikanischen 32nd Indiana<br />
Infantry Regiment. Nach dem Sieg<br />
in der Schlacht von Shiloh, Tennessee,<br />
sollen seine Soldaten das Arbeiterkampflied<br />
der 1848er <strong>Revolution</strong>, die<br />
Arbeiter-Marseillaise, angestimmt haben.<br />
Schließlich nahm auch er – bereits<br />
im Generalsrang – an der Schlacht von<br />
Chattanooga teil. Nach dem Krieg engagierte<br />
sich Willich in der Gewerkschaftsbewegung<br />
der USA.<br />
Neben diesen exponierten Kommandeuren<br />
stiegen zahlreiche weitere<br />
Forty-eighter in hohe und höchste Offizierränge<br />
auf. Nicht zu vergessen sind<br />
die zahlreichen unbekannten Soldaten,<br />
von denen viele ihr erneutes Engagement<br />
für Menschenrechte und Freiheit<br />
mit Krankheit, schwerer Verwundung<br />
oder dem Tod bezahlten. Sie alle haben<br />
dazu beigetragen, dass, wie Präsident<br />
Lincoln es ausdrückte, »die Herrschaft<br />
des Volkes für das Volk durch<br />
das Volk« erhalten blieb.<br />
Literaturtipp:<br />
• Jürgen Dick<br />
Wolfgang Hochbruck, Ulrich Bachteler<br />
und Henning Zimmermann (Hrsg.), Achtundvierziger<br />
Forty-Eighters – Die deutsche<br />
<strong>Revolution</strong> von 1848/49, die Vereinigten<br />
Staaten und der Amerikanische<br />
Bürgerkrieg, Münster 2000<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
13
General Johannes Steinhoff<br />
Bundesverteidigungsminister<br />
Kai-Uwe von Hassel (l.) überreicht<br />
am 2. September 1966 in Bonn dem<br />
neuen Inspekteur der Bundesluftwaffe,<br />
Generalleutnant Johannes Steinhoff,<br />
die Ernennungsurkunde.<br />
»Ich bin heute zum Inspekteur der Luftwaffe ernannt<br />
worden. In mehreren Unterredungen mit dem Herrn<br />
Bundesminister der Verteidigung wurden die Grundlagen<br />
meiner künftigen Arbeit erörtert. Für entscheidend<br />
halte ich, das bisher Erreichte zu festigen und auszubauen.<br />
Zeit ist dafür erforderlich, aber auch guter Wille,<br />
er ist in hohem Maße in der Luftwaffe vorhanden.<br />
Der gute Wille der Luftwaffe genügt jedoch nicht! Ich<br />
brauche auch das Verständnis aller, um den gegebenen<br />
Auftrag erfüllen zu können.«<br />
picture-alliance/dpa/Egon Steiner<br />
General Johannes Steinhoff<br />
und die Luftwaffe<br />
Johannes Steinhoff als Jagdflieger,<br />
Träger des Eichenlaubs zum<br />
Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, 1943.<br />
ullstein bild<br />
Mit diesem Tagesbefehl leitete<br />
Generalleutnant Johannes<br />
Steinhoff am 2. September<br />
1966 seine Amtszeit als Inspekteur der<br />
Luftwaffe ein. Jedoch trat Steinhoff sein<br />
Amt in einer äußerst kritischen Situation<br />
an.<br />
Sein Vorgänger, Generalleutnant<br />
Werner Panitzki, war in den einstweiligen<br />
Ruhestand versetzt worden; in der<br />
Luftwaffe selbst gab es große Probleme:<br />
1961 war das Strahlflugzeug Lockheed<br />
F-104 G Starfighter eingeführt<br />
worden, bis zum 17. Juli 1966 waren 64<br />
Maschinen abgestürzt oder beschädigt<br />
worden, 54 davon in den letzten zwei<br />
Jahren.<br />
Am 18. Juli 1966 stürzte Oberleutnant<br />
Siegfried Arndt über der Nordsee<br />
ab. Er konnte zwar den Schleudersitz<br />
betätigen, sich aber bei der Landung<br />
nicht mehr von dem Fallschirm trennen<br />
und ertrank. Das Minensuchboot »Düren«<br />
hatte ihn bereits gesichtet, überlief<br />
ihn und verlor den Kontakt. Erst<br />
17 Tage später wurde sein Leichnam<br />
auf einer Hallig angespült. Dieser Absturz<br />
brachte das Fass »Starfighter-Krise«<br />
medienwirksam zum Überlaufen.<br />
Die Lösung der »Starfighter Krise« ist<br />
eng mit dem Namen Johannes Steinhoff<br />
verbunden.<br />
Steinhoffs Lebensweg bis 1966<br />
Johannes Steinhoff wurde am 15. September<br />
1913 im thüringischen Bottendorf<br />
geboren. Ab 1932 studierte er Literatur-<br />
und Sportwissenschaften in Jena,<br />
brach allerdings sein Studium 1934 aus<br />
finanziellen Gründen ab. Steinhoff trat<br />
in die Marine ein, wurde zum Seeflieger<br />
ausgebildet, wechselte 1936 zur Luftwaffe<br />
und wurde Jagdflieger. Im Zweiten<br />
Weltkrieg diente er überwiegend<br />
in der Truppe: als Pilot, Staffelkapitän,<br />
Gruppenkommandeur und Geschwaderkommodore<br />
in Jagdgeschwadern in<br />
14 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
Frankreich, an der Ostfront, in Italien<br />
und in der »Reichsverteidigung«. Zuletzt<br />
war Steinhoff als Oberst Jagdflieger<br />
im Jagdverband 44. Im April 1945<br />
geriet seine Me 262 beim Start in München-Riem<br />
in Brand. Steinhoff erlitt<br />
schwerste Brandverletzungen, die ihn<br />
zeichneten. 1945 bis 1947 lag er in Lazaretten,<br />
bevor er in Süddeutschland<br />
Keramikmalerei erlernte.<br />
Im Sommer 1951 begannen die Verhandlungen<br />
über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />
(EVG). Steinhoff<br />
war ab Juni 1952 in der Dienststelle<br />
des »Bevollmächtigten des Bundeskanzlers<br />
für die mit der Vermehrung<br />
der alliierten Truppen zusammenhängenden<br />
Fragen« als Gutachter tätig und<br />
nahm an den EVG-Verhandlungen in<br />
Paris teil. Nach dem Scheitern der EVG<br />
folgte ab 1955 der Aufbau der Bundeswehr<br />
als Teil der NATO. Steinhoff<br />
wurde 1955 wieder Soldat und war im<br />
Bundesministerium der Verteidigung<br />
für die Planung der Luftwaffe zuständig.<br />
Als Brigadegeneral wurde er 1960<br />
Deutscher Militärischer Bevollmächtigter<br />
im NATO-Militärausschuss in<br />
Washington und damit Vertreter der<br />
deutschen militärischen Interessen. Die<br />
amerikanischen Verbündeten vertrauten<br />
ihm und informierten ihn frühzeitig<br />
über ihre militärpolitischen Überlegungen,<br />
als sie Anfang der 1960er Jahre<br />
den Strategiewechsel weg von der massiven<br />
Vergeltung (eines sowjetischen<br />
Angriffs) mit Nuklearwaffen (»Massive<br />
Retaliation«) hin zur »Flexible Response«<br />
einleiteten, die die Verteidigung<br />
mit konventionellen Waffen<br />
stärker betonte. Die neue Konzeption<br />
wurde erst ab 1967 in der NATO umgesetzt.<br />
Von 1963 bis 1965 war Steinhoff Kommandeur<br />
der 4. Luftwaffendivision in<br />
Aurich, deren Verbände zwischen<br />
Nordsee und Ruhrgebiet stationiert<br />
waren. Es schloss sich die Verwendung<br />
als Chief of Staff und Deputy Commander<br />
der Allied Air Forces Central<br />
Europe im Hauptquartier der NATO-<br />
Streitkräfte Europa Mitte an.<br />
War Steinhoff als Divisionskommandeur<br />
noch für die Einsatzbereitschaft<br />
seiner Truppe verantwortlich gewesen,<br />
konnte er nun die Luftwaffe mit anderen<br />
Luftstreitkräften vergleichen. Dem<br />
Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant<br />
Werner Panitzki, teilte er regelmäßig<br />
seine Bewertungen mit. So hatte die<br />
SKA/IMZBw/Simik<br />
deutsche Flugabwehrraketentruppe einen<br />
großen Teil der NATO-Luftverteidigung<br />
zu stellen. Die Infrastruktur<br />
der Flugabwehrraketenstellungen entsprach<br />
dem aber noch nicht. Einsatzbereitschaft<br />
und Leistungsfähigkeit<br />
der Starfighter-Verbände sah Steinhoff<br />
ebenso kritisch. Die NATO stellte an sie<br />
hohe Anforderungen, zumal gerade sie<br />
für den Einsatz mit Nuklearwaffen vorgesehen<br />
waren. Die Luftwaffe hatte jedoch<br />
generelle Probleme mit dem Starfighter<br />
und seiner Technik.<br />
In seinen »Gedanken zur Situation<br />
der Luftwaffe« stellte Steinhoff im Februar<br />
1966 angesichts der Diskussionen<br />
um die Starfighter-Unfälle die Frage,<br />
»ob die Luftwaffe überhaupt in der<br />
Lage ist, ein solches Flugzeug ›zu verdauen‹«.<br />
Führung, Organisation und<br />
Ausbildung seien maßgeblich für das<br />
Dilemma verantwortlich. Bereits im<br />
April 1960 hatte Steinhoff dem Inspekteur<br />
der Luftwaffe gegenüber seine<br />
»Sorge über die Entwicklung der Luftwaffe<br />
zum Ausdruck« gebracht, vor<br />
allem die Personalfrage betreffend. Er<br />
habe jedoch »nicht die notwendige Unterstützung«<br />
gefunden. Seine Bedenken<br />
wurden nicht berücksichtigt.<br />
Steinhoff wollte die Luftwaffenführung<br />
nicht belehren: Die Luftwaffe hatte<br />
1958 die Einführung der F-104 G befürwortet.<br />
Sie hoffte, ihre bisher vier<br />
verschiedenen Kampfflugzeugtypen<br />
durch ein Mehrzweckflugzeug zu ersetzen.<br />
Steinhoff selbst und auch die<br />
Opposition im Bundestag waren für<br />
diese Lösung. Nun aber stellten sich<br />
gravierende Probleme ein, für die auch<br />
Steinhoff Mitverantwortung trug. Er<br />
allein jedoch – nicht zuletzt aus seiner<br />
Erfahrung als Pilot und Truppenführer<br />
heraus – benannte die Probleme und<br />
forderte Lösungen, denen die Organisationsstruktur<br />
im Wege stand.<br />
Starfighter-Krise<br />
Die Einführung des Starfighters hatte<br />
die Bundeswehr vor ungeahnte Aufgaben<br />
gestellt. Die Maschine bedeutete<br />
den Sprung in das Überschallzeitalter.<br />
Sie besaß eine umfangreiche elektronische<br />
Ausrüstung, neue Waffen und<br />
Kameras. Vorher hatte die Luftwaffe<br />
Flugzeuge, nun bekam sie ein »Waffensystem«.<br />
Ursprünglich sollte die<br />
F 104 dazu dienen, hochfliegende sowjetische<br />
Bomberflotten mit Luft-Luft-<br />
Raketen zu bekämpfen. Bei der Einführung<br />
des Flugzeugs in der Luftwaffe<br />
besaß die Sowjetunion jedoch bereits<br />
Interkontinentalraketen, womit dieser<br />
Auftrag entfiel. Die Maschine hatte<br />
erhebliches Potenzial; Steigfähigkeit<br />
und Geschwindigkeit waren atemberaubend.<br />
Die Testpiloten der Luftwaf-<br />
General Steinhoff im Cockpit vor seinem Flug mit der Fiat G 91.<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
15
General Johannes Steinhoff<br />
fe waren von dem Flugzeug geblendet,<br />
das während der Entscheidung<br />
zum Kauf bereits im Dienst der US Air<br />
Force stand. »Alternativen« gab es nur<br />
in Form leistungsschwächerer Prototypen.<br />
Die F-104 bot überdies die Möglichkeit,<br />
im Rahmen der nuklearen<br />
Teilhabe enger mit den USA zu kooperieren.<br />
Man war von dem Flugzeug<br />
begeistert, obwohl man wusste, dass<br />
umfangreiche Änderungen notwendig<br />
waren, um es für die zugedachten Aufgaben<br />
zu befähigen. Gleichwohl glaubte<br />
man, es als Mehrzweckflugzeug in<br />
den Rollen Jäger, Jagdbomber und Aufklärer<br />
nutzen zu können.<br />
Nachdem die ersten Fluglehrer in den<br />
USA bei der Firma Lockheed geschult<br />
worden waren, folgte ab dem Sommer<br />
1960 die Einführung des Flugzeugs<br />
in der Bundeswehr. Die Waffenschule<br />
10 in Oldenburg stellte in Nörvenich<br />
eine 4. Staffel auf, um die Piloten, die<br />
bis dahin die erheblich langsamere F-<br />
86F oder F-84F geflogen waren, umzuschulen.<br />
Das Jagdbombergeschwader<br />
31 »Boelcke« in Nörvenich war am<br />
20. Juni 1962 als erster Starfighter-Verband<br />
einsatzbereit.<br />
In schneller Folge wurden nun fünf<br />
Jagdbombergeschwader von der F-<br />
84F Thunderstreak auf Starfighter<br />
umgerüstet. Es folgten die F-86-Jagdgeschwader<br />
und zuletzt die Aufklärungsgeschwader<br />
mit ihren RF-84F<br />
Thunderflash.<br />
Die vielen Abstürze in den Jahren<br />
von 1964 bis 1966 hatten komplexe Ursachen:<br />
Pilotenfehler wie Bodenberührungen,<br />
Zusammenstöße in der Luft;<br />
technische Fehler wie offene Schubdüsen,<br />
Triebwerk-, Instrumenten- oder<br />
Nachbrennerausfall u.a. traten auf. Die<br />
Masse der Abstürze ging auf das Konto<br />
vermeintlich technischer Gründe.<br />
Die Ursachen lagen jedoch auch in der<br />
Binnenorganisation der Luftwaffe. Es<br />
fehlten qualifizierte Techniker und in<br />
der Folge genügend einsatzklare Maschinen;<br />
die Piloten flogen demnach zu<br />
wenig und erwarben zu wenig Erfahrung<br />
im Umgang mit dem Flugzeug.<br />
Es gab auch zu wenig Triebwerkvorwärmgeräte,<br />
um die Maschinen entsprechend<br />
vorzuheizen, von Hallen<br />
ganz zu schweigen: Die teuren »Vögel«<br />
standen überwiegend im Freien! Hinzu<br />
kam ein aus Sicht der Piloten unzureichender<br />
Schleudersitz, bei dem die<br />
Sitz-Mann-Trennung nicht reibungslos<br />
Privatbesitz Wolf Steinhoff<br />
Johannes Steinhoff als Generalleutnant und Inspekteur der Luftwaffe nach einem<br />
Flug mit der Lockheed F-104G Starfighter in Büchel beim Jagdbombergeschwader<br />
33. General Steinhoff machte sich immer wieder ein Bild von den Belastungen<br />
und Anforderungen, die an Piloten der Luftwaffe gestellt wurden.<br />
funktionierte; es kam vor, dass der Sitz<br />
den Piloten erschlug. Das Problempaket<br />
F-104 war also sehr komplex und<br />
nicht mit einigen wenigen Maßnahmen<br />
zu beheben.<br />
Der Stellvertreter des Obersten Alliierten<br />
Befehlshabers Europa (Deputy<br />
SACEUR), Sir Thomas Pike, beschrieb<br />
1966 die Krise:<br />
»Hoher politischer Druck, einen entsprechend<br />
hochwertigen Beitrag auch<br />
im Rahmen der nuklearen Abschreckung<br />
zu leisten, geringe Erfahrungen<br />
mit technischen Systemen der F-104-<br />
Generation auf Grund der Unterbrechung<br />
zwischen 1945 und 1956 sowohl<br />
im fliegerischen als auch im technischen<br />
Bereich und zu wenige verfügbare<br />
Flugstunden für das tägliche Training.<br />
Dazu bestand die Führung der<br />
Luftwaffe nicht aus auf modernen Mustern<br />
erfahrenen Flugzeugführern.«<br />
Dies war eine gefährliche Kombination,<br />
die zu einer hohen Verlustrate<br />
führte, und eine verbale Spitze gegen<br />
den Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant<br />
Panitzki, der noch Anfang<br />
1966 versucht hatte, mit einem Systembeauftragten,<br />
Generalmajor Dietrich<br />
Hrabak, für das Waffensystem F-104<br />
der Situation Herr zu werden. Hrabak<br />
hatte zwar schnell zahlreiche Einzelmaßnahmen<br />
definiert; der Umsetzung<br />
stand jedoch die Bürokratie im Wege.<br />
Der Leidtragende, Panitzki, konnte bei<br />
Verteidigungsminister Kai-Uwe von<br />
Hassel kein Gehör finden und reichte<br />
am 12. August 1966 seinen Abschied<br />
ein. Der Minister lehnte ab, Panitzki<br />
tat, was verständlich, aber nicht opportun<br />
war: Er gab ein Interview, in dem<br />
er auf die Situation einging, Lösungsvorschläge<br />
präsentierte und das eigene<br />
Ministerium angriff. Die Folge war<br />
am 24. August 1966 seine Versetzung in<br />
den einstweiligen Ruhestand.<br />
An der Spitze der Luftwaffe<br />
An diesem Tag wurde Johannes Steinhoff<br />
zum Minister befohlen. Er solle die<br />
Luftwaffe übernehmen und die Krise<br />
meistern. Aus einem Tag Bedenkzeit<br />
wurden zehn. Steinhoff forderte vom<br />
Minister konkrete Vollmachten, um<br />
die Luftwaffe den Erfordernissen der<br />
Zeit anzupassen. Angesichts der militärischen<br />
Zwänge und des politischen<br />
Drucks gab von Hassel den Forderungen<br />
des Generals nach, der den Umbau<br />
der Luftwaffe in Angriff nahm, um die<br />
Strukturprobleme zu lösen.<br />
Steinhoff begann mit der Behebung<br />
der Starfighter-Probleme. Die Einführung<br />
eines technischen Gefechtsstandes<br />
in den Geschwadern und die Zentralisierung<br />
der Logistik auf Verbandsebene<br />
ging einher mit der Verbesserung<br />
der Techniker-Ausbildung. Hinzu kam<br />
die Einstellung einiger Hundert ziviler<br />
Techniker aus der Luftfahrtindustrie.<br />
Durch Kooperation zwischen der<br />
Firma Lockheed und den Geschwadern<br />
wurde schnell die Zahl der einsatzfähigen<br />
Flugzeuge, die sogenannte<br />
Klarstandsrate, um 50 Prozent erhöht.<br />
Der Absturz von Arndt führte zur Ausstattung<br />
der Piloten mit Seenotausrüs-<br />
16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
tungen mit Peilsendern, neuen Fallschirmtrennschlössern,<br />
signalroten<br />
Overalls für den Flugbetrieb und zur<br />
Einführung eines Lehrganges »Überleben<br />
See«. Hinzu kam die Ausstattung<br />
aller F-104 mit dem sichereren Martin-<br />
Baker-Schleudersitz GQ7A.<br />
»Fliegen, Fliegen, Fliegen«, lautete<br />
Steinhoffs Lösung. Um das Waffensystem<br />
zu beherrschen, musste der Pilot<br />
fliegerische Erfahrung gewinnen. Dazu<br />
waren Flugstunden erforderlich, Voraussetzung<br />
waren genügend flugklare<br />
Maschinen. Diese konnten nur durch<br />
eine effiziente Geschwaderorganisation<br />
im Bereich Technik und durch qualifiziertes<br />
Personal bereitgestellt werden.<br />
Kein Kommodore konnte einfach Fachleute<br />
einstellen, dazu bedurfte es des<br />
Inspekteurs der Luftwaffe an höchster<br />
Stelle.<br />
Steinhoff vollzog ab 1968 den Umbau<br />
der Organisation der Luftwaffe, in<br />
der er bereits 1964 strukturelle Defizite<br />
erkannt hatte, wie eben auch Werner<br />
Panitzki seit 1963, und die nach seiner<br />
Auffassung die wirklichen Ursachen<br />
für die Starfighter-Krise waren: Die<br />
Luftwaffe wurde in Luftangriffs- und<br />
Luftverteidigungsdivisionen gegliedert<br />
und strukturiert. Die Lufttransportverbände<br />
wurden unter einem Lufttransportkommando<br />
zusammengefasst.<br />
1970 folgte mit der Luftwaffenstruktur<br />
70 der große Wurf: Die Einsatzluftwaffe<br />
wurde unter dem Kommando<br />
Luftflotte zusammengefasst. Sie trat<br />
die Nachfolge der Luftwaffengruppenkommandos<br />
Nord und Süd an,<br />
die, aufgrund ihrer Angliederung an<br />
die beiden (NATO-)Allied Tactical Air<br />
Forces (ATAF) unterschiedlich geprägt<br />
waren: eine war amerikanisch, eine britisch<br />
dominiert. Die Luftwaffe bestand<br />
damals operativ sozusagen aus zwei<br />
Luftwaffen. Die logistischen Verbände<br />
und Einrichtungen wurden dem Luftwaffenunterstützungskommando<br />
unterstellt.<br />
Unter dem neu formierten<br />
Luftwaffenamt fanden sich diejenigen<br />
Verbände, die Ausbildungs-, fernmeldeelektronische-,<br />
Führungs- und Lufttransportaufgaben<br />
für die Luftwaffe<br />
und die übrige Bundeswehr wahrnahmen.<br />
Diese »Kommandolösung«, die<br />
Steinhoff in Anlehnung an die funktionale<br />
Ausrichtung der United States Air<br />
Force (USAF) durchsetzte, sollte sich in<br />
der Luftwaffe bewähren und bis 1991<br />
Geltung haben. Tatsächlich war die<br />
Luftwaffe fortan effizienter gegliedert,<br />
die Zuständigkeiten waren dort angesiedelt,<br />
wo sie gebündelt dem System<br />
dienten.<br />
Diese Kraftanstrengung, der Umbau<br />
der Luftwaffe, vollzog sich indessen<br />
erst nach Abschied Steinhoffs aus der<br />
Luftwaffe. Er hatte den Umbau begonnen,<br />
die Strukturen vorgegeben und<br />
konnte nunmehr von seinem neuen<br />
Amt aus den Umbau verfolgen.<br />
Chairman der NATO<br />
Helmut Schmidt, zwischen 1969 und<br />
1972 Bundesverteidigungsminister,<br />
sagte einmal über Steinhoff: »Der<br />
steckt zehn Staatssekretäre in die Tasche!«<br />
Die in dieser Aussage enthaltene<br />
Wertschätzung verdeutlicht, dass der<br />
machtbewusste SPD-Politiker in dem<br />
Luftwaffengeneral einen durchaus erfolgreichen,<br />
aber eben auch konstruktiv<br />
kritischen Mitstreiter im Ministerium<br />
gefunden hatte. Nach vier Jahren<br />
an der Spitze der Luftwaffe wurde<br />
Steinhoff am 24. September 1970 zum<br />
Vorsitzenden des Militärausschusses<br />
der NATO gewählt. Am 1. April 1971<br />
trat er sein Amt an.<br />
Die folgenden drei Jahre bis zu seiner<br />
Pensionierung am 31. März 1974 waren<br />
von seinen Sorgen um den Zustand der<br />
NATO geprägt. Nationale Differenzen,<br />
militärpolitische Zwänge und vor allem<br />
die aus seiner Sicht nicht immer<br />
angemessenen Anstrengungen der<br />
Partnernationen prägten einen NATOkritischen<br />
Steinhoff. Sein Buch »Wohin<br />
treibt die NATO?« spiegelt dies<br />
wider. Am 31. März 1974 schied General<br />
Johannes Steinhoff aus dem Dienst.<br />
Medien und Kameraden schätzten an<br />
Steinhoff dessen analytische Schärfe,<br />
militärpolitischen Weitblick, persönliche<br />
Integrität und Courage als herausragende<br />
Charaktereigenschaften.<br />
Zeitzeugen sehen in ihm eine herausragende,<br />
aber auch komplexe Persönlichkeit.<br />
Sie stimmen dabei darin überein,<br />
dass es wohl die Schrecken des Krieges<br />
einschließlich seines persönlichen<br />
Schicksals waren, die ihn prägten. Sein<br />
Ziel war eine funktionelle, leistungsfähige<br />
Luftwaffe in der Bundeswehr, eine<br />
den Ansprüchen entsprechende Technik<br />
und ein für die Aufgaben bestmöglichst<br />
qualifiziertes Personal. Dieses<br />
Ziel hat er erreicht.<br />
• Heiner Möllers<br />
Literaturtipps:<br />
Bernd Lemke, Dieter Krüger, Heinz Rebhan<br />
und Wolfgang Schmidt, Die Luftwaffe<br />
1950–1970. Konzeption, Aufbau, Integration,<br />
München 2006 (= Sicherheitspolitik<br />
und Streitkräfte der Bundesrepublik<br />
Deutschland, Bd 2)<br />
Johannes Mohn (Hrsg.), Deutsche Starfighter.<br />
Die Geschichte der F-104 in Luftwaffe<br />
und Marine der Bundeswehr. Recherchiert<br />
und geschrieben von Klaus<br />
Kropf, Köln 1994<br />
Johannes Steinhoff als Vorsitzender des Ständigen Militärausschusses der NATO<br />
in Brüssel, im Gespräch mit seinem Nachfolger, dem britischen Field Marshall<br />
Michael Carver (l.), 1973.<br />
ullstein – Camera Press Ltd.<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
17
Die Invasion 1944<br />
»Unternehmen Overlord«:<br />
Anlandung von Truppen des<br />
V. US-Korps am Strandabschnitt<br />
»Omaha«, 7./8. Juni 1944.<br />
Die Invasion 1944 –<br />
Wende im Zweiten Weltkrieg?<br />
ullstein – ddp<br />
Am Morgen des 6. Juni 1944 marschierten<br />
in einem durch die<br />
Gezeiten festgelegten Zeitfenster<br />
ab 06:30 Uhr über 4800 Landungsund<br />
über 500 alliierte Kriegsschiffe<br />
sowie mehr als 11 000 Flugzeuge zwischen<br />
Cherbourg und Caen in der Normandie<br />
auf. Dies bildete nicht nur den<br />
Auftakt zum größten amphibischen<br />
Landungsunternehmen in der Militärgeschichte,<br />
sondern führte in Folge<br />
zum Zusammenbruch des deutschen<br />
Westheeres. Innerhalb von nur<br />
drei Monaten standen die westalliierten<br />
Heeresgruppen unter dem Oberbefehl<br />
des US-amerikanischen Generals<br />
Dwight D. Eisen hower in Paris und<br />
nur noch 100 km von der Reichsgrenze<br />
entfernt. War somit das Unternehmen<br />
»Overlord«, wie die Landung in der<br />
Normandie genannt wurde, der entscheidende<br />
Schritt zur Niederringung<br />
der nationalsozialistischen Diktatur?<br />
Der Aufbau der »Zweiten Front«<br />
Die Planungen für eine mögliche Landung<br />
der Alliierten und somit die<br />
Schaffung einer »Zweiten Front« – neben<br />
der (Ost-)Front in der Sowjetunion<br />
– hatten höchste strategische und politische<br />
Priorität. Die Bedeutung des<br />
westeuropäischen Kriegsschauplatzes<br />
war eng verbunden mit der Politik<br />
der Koalitionsstrategie zwischen den<br />
Briten, Amerikanern und der Sowjetunion<br />
gegen das nationalsozialistische<br />
Deutschland.<br />
Die Wehrmacht, als Machtinstrument<br />
der NS-Diktatur, hatte zwischen 1939<br />
und 1941 einen Furcht einflößenden<br />
Eroberungskrieg und spätestens seit<br />
Sommer 1941 in der Sowjetunion auch<br />
einen ideologisierten Vernichtungsfeldzug<br />
geführt. Doch hielt bereits der<br />
Winter 1941 eine Wende bereit. Vor<br />
Moskau blieb der deutsche Angriff stecken;<br />
seitdem mussten sich die deutschen<br />
Truppen an der Ostfront einem<br />
kräftezehrenden Ringen mit der Roten<br />
Armee stellen. Gleichzeitig weitete<br />
sich mit dem Angriff Japans auf Pearl<br />
Harbor am 7. Dezember 1941 sowie der<br />
deutschen Kriegserklärung an die USA<br />
18 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
Konferenz von Casablanca im Januar 1943, v.l.n.r.: General Henri-Honore<br />
Giraud, Franklin D. Roosevelt, General Charles de Gaulle, Winston S. Churchill.<br />
ullstein bild<br />
der bislang auf Europa und Nordafrika<br />
begrenzte Krieg zu einem Weltkrieg<br />
aus. Dies ändert nichts an der Tatsache,<br />
dass die USA bereits zuvor die Briten in<br />
ihrer Kriegführung vor allem mit Lieferung<br />
von Rüstungsmaterial unterstützt<br />
hatten. Amerikanische und britische<br />
Offiziere trafen sich schon seit der Niederlage<br />
Frankreichs im Sommer 1940<br />
regelmäßig, um über die Lage Großbritanniens<br />
und die Rolle der USA im<br />
Krieg gegen die Achsenmächte zu beraten.<br />
Ab März 1941 verfolgten beide Seiten<br />
die Strategie, zuerst in Europa und<br />
danach im Pazifik für Frieden zu sorgen;<br />
sie nannten diese »Europe First«.<br />
Nach dem Kriegseintritt der USA im<br />
Dezember 1941 trafen sich der amerikanische<br />
Präsident Franklin D. Roosevelt<br />
und der britische Premierminister<br />
Winston S. Churchill zu Beratungen.<br />
Die obersten Militärgremien beider<br />
Staaten schlossen sich zu den Combined<br />
Chiefs of Staff zusammen. Um<br />
die Jahreswende 1941/42 wurde »Europe<br />
First« offiziell verabschiedet. Seitdem<br />
war eine Invasion in Frankreich Gegenstand<br />
von Planungen und Verhandlungen.<br />
Die USA begannen Truppen aufzustellen,<br />
auszubilden und auszurüsten,<br />
um diese in Großbritannien bereitzustellen.<br />
Amerikaner und Briten waren<br />
sich jedoch zunächst nicht einig, wann<br />
und wo eine Landung Erfolg versprechend<br />
sein könnte. Die USA bevorzugten<br />
frühzeitig Frankreich, das Vereinigte<br />
Königreich befürwortete Nordafrika.<br />
Das Unternehmen »Torch«, die Landung<br />
der Alliierten im November 1942<br />
in Nordafrika, war letztlich das erste<br />
Ergebnis dieses Ringens. Im Zuge der<br />
Kämpfe in Tunesien gegen das ausweichende<br />
Deutsche Afrikakorps trafen<br />
sich die alliierten Führer dann im Januar<br />
1943 in Casablanca, wo u.a. beschlossen<br />
wurde, die Invasion in Frankreich<br />
auf 1944 zu verschieben und den<br />
Schwerpunkt zunächst auf das Mittelmeer<br />
zu verlegen.<br />
Im Juli 1943 erfolgte die Landung auf<br />
Sizilien und im September 1943 in Italien.<br />
Schließlich setzten die militärisch<br />
stärker werdenden und somit die Allianz<br />
im Westen dominierenden USA<br />
Mitte 1943 ihre Vorstellungen gegen ihren<br />
britischen Verbündeten durch: Das<br />
folgende Jahr sollte die Landung in<br />
Frankreich sehen. Unterstützt wurden<br />
die USA durch den sowjetischen Diktator<br />
Josef Stalin, der die Westalliierten<br />
immer lauter zur Eröffnung einer<br />
»Zweiten Front« in Frankreich drängte.<br />
Der Plan für »Overlord« wurde im<br />
Dezember 1943 fertiggestellt. Auf der<br />
Konferenz von Teheran legten »Die<br />
großen Drei« die Operation und eine<br />
weitere flankierende Landung in Südfrankreich<br />
(»Anvil« bzw. später »Dragoon«)<br />
als Schwerpunkte für 1944 fest.<br />
Noch im Februar 1944 unternahm<br />
Churchill den Versuch, »Overlord« zugunsten<br />
einer Landeoperation im östlichen<br />
Mittelmeerraum (Italien oder Balkan)<br />
zu verhindern. Hierin offenbarten<br />
sich die unterschiedlichen Interessen<br />
Großbritanniens und der Sowjetunion.<br />
Großbritannien sah seine Stellung im<br />
Mittelmeer gefährdet, überließe man<br />
der Sowjetunion das Operationsgebiet<br />
Balkan. Zudem hätte eine dortige Landung<br />
der Westalliierten eine Ausdehnung<br />
der sowjetischen Einflusssphäre<br />
in Osteuropa verhindert. Dies wiederum<br />
konnte nicht in Stalins Interesse liegen.<br />
Er drängte die Westalliierten auf<br />
die Errichtung einer »Zweiten Front«.<br />
Letztlich war es aber Roosevelt, der sich<br />
gegenüber Churchill durchsetzte und<br />
sowohl das Jahr 1944 als auch Frankreich<br />
als geeigneten Raum für das entscheidende<br />
Landungsunternehmen in<br />
Europa festlegte.<br />
Der Verlauf der Landung<br />
Für die Landung hatten die Verbündeten<br />
in Großbritannien insgesamt 38<br />
Divisionen bereitgestellt. Die Soldaten<br />
stammten aus den USA, Großbritannien<br />
und Kanada. Aber auch polnische und<br />
französische Exiltruppen nahmen an<br />
den Kämpfen in der Normandie und in<br />
Frankreich teil. Die Alliierten griffen in<br />
den Morgenstunden des 6. Juni mit einer<br />
Heeresgruppe unter General Bernard L.<br />
Montgomery an. Der Landungsstrand<br />
erstreckte sich auf etwa 100 km zwischen<br />
St. Mère-Eglise im Westen und<br />
Ouistreham im Osten. Er umfasste fünf<br />
Landungssektoren, die ihrerseits jeweils<br />
bis zu 10 km breit waren.<br />
Den US-Streitkräften waren dabei<br />
die westlichen Sektoren UTAH und<br />
OMAHA zugeteilt. Dort hoffte man<br />
später Atlantikhäfen zu erobern, um<br />
so den benötigten Nachschub aus den<br />
USA direkt anlanden zu können. Die<br />
US-Streitkräfte griffen am 6. Juni mit<br />
der 1. US-Armee und den nachgeordneten<br />
VII. und V. US-Korps an. Jedes<br />
Korps landete zunächst mit einer Division,<br />
der 4. Division an UTAH und der<br />
1. Division an OMAHA. Die Commonwealthtruppen<br />
griffen an den östlichen<br />
Strandabschnitten GOLD, JUNO und<br />
SWORD an. Sie waren in der 2. britischen<br />
Armee mit dem XXX. brit. und<br />
dem I. brit. Korps zusammengefasst.<br />
Auf GOLD griff die 50. brit. Division,<br />
auf JUNO die 3. kanadische Division<br />
und auf SWORD die 3. brit. Division<br />
an. Ihnen standen auf deutscher Seite<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
19
Die Invasion 1944<br />
sieben Divisionen gegenüber. Insgesamt<br />
verfügte der deutsche Oberbefehlshaber<br />
West über etwa 60 Divisionen<br />
in ganz Frankreich; davon waren<br />
jedoch weit über die Hälfte sogenannte<br />
bodenständige Divisionen und solche<br />
mit nur eingeschränktem Kampfwert.<br />
Die übrigen kampfstarken motorisierten<br />
und gepanzerten Infanterie- und<br />
Panzerdivisionen hatten Verfügungsräume<br />
weiter im Landesinneren bezogen.<br />
Es benötigte daher erhebliche<br />
Zeit, sie an den Landungsort heranzuführen,<br />
zumal die drückende alliierte<br />
Luftüberlegenheit die deutschen<br />
Bewegungen massiv behinderte. Erschwerend<br />
kam hinzu, dass die deutsche<br />
Reaktion auf die Landung durch<br />
Kompetenzüberschneidungen, unklare<br />
Befehlslagen und das Fehlen eines<br />
von den verschiedenen Befehlshabern<br />
getragenen operativen Konzeptes geprägt<br />
war.<br />
In der Nacht unmittelbar vor der Landung<br />
bombardierten alliierte Flugzeuge<br />
die deutschen Festungsbatterien;<br />
zudem setzten Luftlandeunternehmen<br />
in der Westflanke (82. und 101. US-<br />
Luftlande-Division) und der Ostflanke<br />
(6. brit. Luftlande-Division) ein.<br />
Nach den nächtlichen Bombardements<br />
eröffnete die Schiffsartillerie ihr<br />
Deckungsfeuer. In deren Schutz fuhren<br />
die Landungsboote vor, ließen ab<br />
etwa 4000 Yards (ca. 3,7 km) vor der<br />
Küste Schwimmpanzer zu Wasser, welche<br />
die in der Regel später anlandende<br />
Infanterie entscheidend unterstützten.<br />
Die deutschen Verbände leisteten<br />
hartnäckigen Widerstand, waren aber<br />
sowohl materiell als auch personell<br />
unzureichend ausgestattet. Den Landungsabschnitt<br />
JUNO verteidigten beispielweise<br />
nur wenige Kompanien der<br />
716. Infanteriedivision.<br />
Schon am ersten Tag erzielten die Alliierten<br />
Geländegewinne von bis zu<br />
sechs Kilometern Tiefe. Entscheidende<br />
deutsche Gegenangriffe blieben<br />
aus, weil geeignete Verbände zu weit<br />
entfernt waren, ihre Verlegung durch<br />
die alliierte Luftwaffe verzögert oder<br />
sie ganz vernichtet wurden. Erst bei<br />
Caen kamen die britischen Truppen<br />
zum Stehen. Während es hier den deutschen<br />
Verbänden gelang, unter verlustreichen<br />
Gefechten den Vormarsch des<br />
Gegners zu verzögern, konnten die US-<br />
Streitkräfte nach anfänglichen Schwierigkeiten<br />
im Sektor OMAHA zunächst<br />
die Halbinsel Cotentin erobern und<br />
schließlich weiter südlich den entscheidenden<br />
Durchbruch aus dem Brückenkopf<br />
in der Normandie erzielen.<br />
Der Ausbruch aus dem<br />
Brückenkopf<br />
Bis Ende Juli vermochte die Wehrmacht,<br />
die gegnerischen Soldaten zwischen der<br />
Halbinsel Cotentin und Caen im Brückenkopf<br />
zu halten. Das VII. US-Korps<br />
stieß jedoch am 26./27. Juli bei St. Lô und<br />
schließlich am 31. Juli bei Avranches<br />
durch die gegnerische Front. In dieser<br />
Situation befahl Hitler einen Gegenangriff<br />
mit Panzerdivisionen. Dazu mussten<br />
kampfstarke gepanzerte Verbände<br />
aus dem Raum Caen abgezogen werden,<br />
die bislang erfolgreich die Angriffe<br />
der britischen und kanadischen Truppen<br />
abgewehrt hatten. Der Gegen angriff<br />
nach Westen blieb jedoch nach anfänglichen<br />
Erfolgen im Feuer der alliierten<br />
Schlachtflieger liegen. Von diesen erlittenen<br />
Verlusten erholten sich die deutschen<br />
Truppen in der Normandie nicht<br />
mehr. Innerhalb kürzester Zeit stießen<br />
die Amerikaner weiter nach Süden vor,<br />
drehten nach Osten ein und überflügelten<br />
die deutschen Divisionen. Gleichzeitig<br />
hatte der Abzug der deutschen Panzerverbände<br />
aus dem Raum um Caen<br />
ebendort einen Durchbruch der Commonwealthtruppen<br />
ermöglicht. Beide<br />
alliierte Bewegungen führten zu einer<br />
Einkesselung der deutschen Verbände<br />
im Raum Falaise am 20./21. August.<br />
In diesem Kessel, in dem über 100 000<br />
deutsche Soldaten eingeschlossen waren,<br />
fielen etwa 10 000 Mann, weitere<br />
50 000 gerieten in Gefangenschaft.<br />
Etwa 40 000 deutsche Soldaten konnten<br />
aus dem Kessel entkommen. Gleichzeitig<br />
stießen weiter südlich US-Verbände<br />
nach Osten auf Paris vor.<br />
Der Ausbruch aus dem Brückenkopf<br />
Normandie wurde seit dem 15. August<br />
durch die Operation »Dragoon«, der<br />
Landung westalliierter Truppen in<br />
Südfrankreich, flankiert. Für das deutsche<br />
Westheer gab es kein Halten<br />
mehr. Der Rückzug aus der Normandie,<br />
aber auch aus Südfrankreich verlief<br />
nicht mehr planmäßig, an vielen<br />
Stellen wirkte er wie eine panikartige<br />
Flucht. Der alliierte Angriff kam erst<br />
im Herbst, etwa 100 km vor der deutschen<br />
Reichsgrenze, zum Stehen. Der<br />
Grund für diesen Halt lag u.a. an den<br />
überdehnten alliierten Versorgungslinien,<br />
die zu ernsthaften Nachschubkrisen<br />
führten. Die Pause ermöglichte<br />
noch einmal eine Konzentration deutscher<br />
Verbände, die schließlich im Dezember<br />
1944 in der »Ardennenoffensive«,<br />
der letzten deutschen Offensive im<br />
Westen, gipfelte.<br />
Die Westalliierten landeten bis Anfang<br />
September etwa 1 234 000 amerikanische<br />
und 825 000 Soldaten des<br />
Commonwealth. Die Verluste auf beiden<br />
Seiten waren hoch. Die Wehrmacht<br />
verlor allein in diesen Kämpfen des<br />
Sommers 1944 über eine halbe Millionen<br />
Soldaten an der Westfront.<br />
20 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
ullstein – LEONE<br />
Brachte die Invasion die Wende im<br />
Zweiten Weltkrieg?<br />
Im Zuge der Feierlichkeiten zum<br />
60. Jahrestag konnte der Eindruck entstehen<br />
– so übrigens auch, wenn man in<br />
die Normandie reist –, alleine die alliierte<br />
Landung in der Normandie habe<br />
über den Ausgang des Krieges entschieden.<br />
Dies ist nur eingeschränkt<br />
richtig. Die Invasion bestimmte maßgeblich<br />
die Machtverteilung in Europa<br />
nach dem Krieg. Die deutsche Niederlage<br />
aber war bereits lange vorher<br />
auf anderen Schlachtfeldern erzwungen<br />
worden.<br />
Dass das Reich den Krieg vermutlich<br />
nie hätte gewinnen können, lag<br />
wohl nicht zuletzt an den schier unerschöpflichen<br />
Ressourcen der USA.<br />
Dass es den Krieg aber verlor, gründet<br />
in erster Linie an den »Leistungen« der<br />
Sowjetunion (Bernd Wegner). Dass diese<br />
und die damit verbundenen Opfer<br />
nach 1945 in Westeuropa eher in den<br />
Hintergrund gedrängt wurden, geht<br />
auf die Konfrontation zwischen Ost<br />
und West im Kalten Krieg zurück. Andererseits<br />
schlachtete die Sowjetunion<br />
ihren Beitrag zum Sieg der Alliierten<br />
nach 1945 propagandistisch aus. Letztlich<br />
hätte das westliche Zugeständnis<br />
der ungeheueren Leistungen der Sowjetunion<br />
aber auch eine Legitimierung<br />
ihres Handelns nach 1945, nämlich<br />
der Besetzung halb Europas und<br />
der kommunistischen und diktatorischen<br />
Neuordnungspolitik, bedeutet,<br />
was nicht im Interesse der Westalliierten<br />
und des »freien« Europas liegen<br />
konnte. Deutlich wird dies auch daran,<br />
dass im Zuge der Feierlichkeiten zum<br />
D-Day der Operation »Bagration«, der<br />
beinahe zeitgleichen sowjetischen Offensive,<br />
welche die Heeresgruppe Mitte<br />
zusammenbrechen ließ, in den westlichen<br />
Medien oder der Öffentlichkeit<br />
kaum gedacht wurde. Dieser ersten<br />
Offensive vom 22. Juni 1944 (zugleich<br />
der 3. Jahrestag des deutschen Angriffs<br />
auf die Sowjetunion), die etwa 2,5 Millionen<br />
Rotarmisten, 45 000 Geschütze,<br />
mehr als 6000 Panzer und über 8000<br />
Flugzeuge umfasste, schlossen sich<br />
zwei weitere auf die obere Weichsel<br />
und nach Rumänien und Bulgarien<br />
an. Das Unternehmen »Bagration« war<br />
mit einer Frontlänge von über 1100 km<br />
und 600 km Tiefe eine der größten Einzeloperationen<br />
der Militärgeschichte.<br />
Es führte gleichzeitig auch zur größten<br />
deutschen Niederlage, die den Zusammenbruch<br />
des Ostheeres nach sich<br />
zog. In der Folge der weiteren Offensive<br />
schieden Bulgarien, Rumänien und<br />
Finnland aus dem Krieg aus. Die Sowjetunion<br />
begann in Osteuropa und<br />
im Baltikum eine politische Neugestaltung:<br />
Sie verschob ihre Einflusssphäre<br />
nach Westen.<br />
Die Landung der Westalliierten in<br />
Frankreich eröffnete eine »Zweite<br />
Front«, deren Bedeutung für den Ausgang<br />
des Zweiten Weltkrieges im Zuge<br />
der politischen Auseinandersetzungen<br />
des Kalten Krieges medial stets besonders<br />
hervorgehoben wurde. Die Leistungen<br />
und Opfer der Roten Armee<br />
– der Armee einer Diktatur und der Armee<br />
des »Systemgegners« – standen im<br />
Schatten dieser »Zweiten Front«. Ungeachtet<br />
dessen signalisierten der Zusammenbruch<br />
der deutschen Heeresgruppe<br />
Mitte an der Ostfront und der<br />
Ausbruch der Westalliierten aus dem<br />
Brückenkopf der Normandie das nahe<br />
Kriegsende. Der wichtigste Kriegsschauplatz<br />
in Europa war jedoch die<br />
Ostfront, an welcher die Wehrmacht<br />
seit Winter 1941 einem Auszehrungsprozess<br />
unterlag, dessen Ursachen in<br />
der »völligen Asymmetrie« (Bernd<br />
Wegner) der wirtschaftlichen und personellen<br />
Ressourcen der am Krieg beteiligten<br />
Mächte zu suchen sind. Sowohl<br />
der politische als auch der militärische<br />
Handlungsspielraum der deutschen<br />
Führung nahmen von Kriegsjahr zu<br />
Kriegsjahr ab. Sie schwanden in dem<br />
Maße, wie sich die Funktionszusammenhänge<br />
zwischen den einzelnen<br />
Fronten zu einem engmaschigen Netz<br />
verdichteten, in dem die Wehrmacht<br />
sich immer mehr verfing und so einen<br />
Kampf führte, der spätestens seit der<br />
Wende vor Moskau 1941 nicht mehr zu<br />
gewinnen war.<br />
• Thorsten Loch<br />
Literaturtipps:<br />
Deutsche Soldaten während der Ardennenschlacht in einem Dorf östlich von<br />
Malmedy, um den 22. Dezember 1944.<br />
Hans Umbreit (Hrsg.), Die Invasion, Hamburg,<br />
Berlin, Bonn 1998 (= Vorträge zur<br />
Militärgeschichte, Bd 16)<br />
Rolf-Dieter Müller und Hans-Erich Volkmann<br />
(Hrsg.), Die Wehrmacht. Mythos<br />
und Realität, München 1999<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
21
Service<br />
Das historische Stichwort<br />
Die<br />
Polenkrise<br />
1980/81<br />
Warnstreiks im Hüttenwerk Warszawa<br />
bei Warschau: demonstrierende Arbeiter<br />
mit Protestplakaten und Spruchbändern,<br />
auf denen auch für die unabhängige<br />
Gewerkschaft Solidarnosc<br />
demonstriert wird, 1980.<br />
Am 31. August 1980 ließ die Regierung<br />
der Volksrepublik Polen<br />
(VRP) offiziell die Gewerkschaft<br />
Solidarność (Solidarität) zu. Diese im<br />
ersten Moment wenig spektakulär wirkende<br />
Maßnahme besaß vor der Kulisse<br />
des Kalten Krieges ihre eigene Tragweite:<br />
zum ersten Mal seit dem Beginn<br />
der Blockkonfrontation war es in einem<br />
sozialistischen Land zur Gründung und<br />
staatlichen Bestätigung einer unabhängigen<br />
Gewerkschaft gekommen. Dadurch<br />
wurde das sozialistische Selbstverständnis,<br />
demzufolge Partei und<br />
Staatsorgane die Interessen der Arbeiterschaft<br />
wahrnehmen, grundsätzlich<br />
in Frage gestellt. Es ist vor dem Hintergrund<br />
der weltweiten Auseinandersetzung<br />
zweier unterschiedlicher politischer<br />
Systeme kaum verwunderlich,<br />
dass die Entwicklungen in der VRP die<br />
anderen sozialistischen Staaten stark<br />
beunruhigten. Ein Ausscheren einzelner<br />
Länder aus dem sozialistischen<br />
Gleichschritt konnte unter keinen Umständen<br />
toleriert werden. Nicht zuletzt<br />
aufgrund des blockinternen Drucks auf<br />
die polnische Regierung kam es daraufhin<br />
am 13. Dezember 1981 zur nationalen<br />
Verhängung des Kriegsrechts, um<br />
eine eventuell bevorstehende Intervention<br />
von Truppen des Warschauer Vertrages<br />
zu verhindern. Die Führung von<br />
ullstein – PAI-Foto.pl<br />
Solidarność wurde interniert, die Arbeit<br />
der Gewerkschaft verboten. Am 8. Oktober<br />
1982 folgte ihre Auflösung. Die<br />
beginnende Demokratisierung wurde<br />
jedoch nur verzögert, verhindert werden<br />
konnte sie nicht mehr.<br />
Es waren vor allem politische und<br />
ökonomische Faktoren, die zum Zusammenbruch<br />
vieler sozialistischer<br />
Staaten und zur Beendigung des Kalten<br />
Krieges geführt haben. Weitreichende<br />
ökonomische Probleme waren bei einigen<br />
Mitgliedern der Warschauer Vertragsorganisation<br />
(WVO) bereits zum<br />
Beginn der 70er Jahre unübersehbar.<br />
Dies galt auch für die VRP. Um finanzielle<br />
Probleme des Staatshaushaltes zu<br />
mildern, ließ der damalige Generalsekretär<br />
der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei<br />
(PVAP), Władysław Gomułka<br />
(1905-1982), im Dezember 1970 die Preise<br />
für Lebensmittel drastisch anheben.<br />
Das Resultat dieser Verteuerung waren<br />
weit verbreitete Unruhen, die blutig<br />
niedergeschlagen wurden. Gomułkas<br />
Nachfolger seit Dezember 1970, Edward<br />
Gierek (1913–2001), versuchte<br />
der andauernden Missstimmung in der<br />
Gesellschaft durch die Rücknahme der<br />
Preiserhöhungen und eine Subventionierung<br />
von Lebensmitteln entgegenzuwirken.<br />
Er erhoffte sich durch die<br />
Aufnahme weiterer Auslandskredite<br />
positive Auswirkungen auf die eigene<br />
Wirtschaft. Als derartige Effekte ausblieben,<br />
versuchte er 1976 erneut, die<br />
Lebensmittelpreise zu erhöhen. Wiederum<br />
kam es in der Bevölkerung zu<br />
Unruhen, die niedergeschlagen wurden.<br />
Es gelang Gierek in der Folge der<br />
Aufstände von 1976 nicht, die polnische<br />
Wirt schaft und den Staatshaushalt zu<br />
sanieren. Es mussten immer neue Kredite<br />
von westlichen Staaten aufgenommen<br />
werden, um die Zahlungsunfähigkeit<br />
zu verhindern. Einen Großteil der<br />
Staatskosten machten Subventionsausgaben<br />
aus, die aufgrund der maroden<br />
Staatsfinanzen drastisch gesenkt werden<br />
mussten. Aus diesem Grund wurden<br />
die Preise für Fleisch zum 1. Juli<br />
1980 verdoppelt. Wie bereits in den Jahren<br />
1970 und 1976 kam es zu Unruhen<br />
und Streiks im ganzen Land. Zentrum<br />
des Widerstandes war die Leninwerft<br />
in Danzig. Dort wurde der Streik am<br />
14. August 1980 ausgerufen, nachdem<br />
zuvor die Kranführerin Anna Walentynowicz<br />
(geb. 1929), eine Symbolfigur<br />
der Unruhen von 1970, entlassen<br />
worden war. Die Streikenden in Danzig<br />
forderten aber nicht nur die Wiedereinstellung<br />
ihrer Mitstreiterin und<br />
die Zurücknahme der Preiserhöhungen<br />
für Lebensmittel, sondern auch<br />
22 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
ullstein – UPI<br />
General Wojciech Jaruzelski verkündet<br />
am 13.12.1981 in einer TV-Ansprache<br />
das Kriegsrecht.<br />
eine grundlegende Liberalisierung des<br />
politischen Systems.<br />
Aus der Streikbewegung der Arbeiter<br />
in Danzig formierte sich unter Führung<br />
des charismatischen Elektrikers Lech<br />
Wałęsa (geb. 1943) die Gewerkschaft<br />
Solidarność. Zentrale Ziele waren die<br />
Freilassung aller politischen Gefangenen,<br />
die Gewährung des Streikrechts,<br />
die Anerkennung als freie Gewerkschaft<br />
und der Zugang zu den Medien<br />
unter Aufhebung der Zensur. Das sozialistische<br />
System an sich wurde nicht<br />
in Frage gestellt. Solidarność als Interessenvertretung<br />
der Arbeiter wurde<br />
in diesen Zielen von regimekritischen<br />
Intellektuellen wie Tadeusz Mazowiecki<br />
(geb. 1927), 1989 erster nichtkommunistischer<br />
Ministerpräsident<br />
Polens seit Ende des Zweiten Weltkriegs,<br />
und Teilen der katholischen<br />
Kirche unterstützt. Nach der Besetzung<br />
des Werftgeländes in Danzig gelang es<br />
Wałęsa am 31. August 1980, von der Regierung<br />
die Zulassung von Solidarność<br />
als freie Gewerkschaft zu erzwingen.<br />
Auch wenn es nicht in der Absicht<br />
der neugegründeten Gewerkschaft<br />
lag, wurde doch durch ihre bloße Existenz<br />
das bestehende System in Frage<br />
gestellt und das sozialistische Selbstverständnis<br />
konterkariert. Dieser Konflikt<br />
offenbarte sich auch innerhalb von<br />
Solidarność; in zahlreichen Debatten<br />
wurde diskutiert, ob man lediglich als<br />
Gewerkschaft oder auch als politischgesellschaftliche<br />
Kraft auftreten sollte.<br />
Stanisław Kania (geb. 1927), der Gierek<br />
am 6. September 1980 als Generalsekretär<br />
der PVAP abgelöst hatte,<br />
konnte die ökonomischen Probleme<br />
Nach der Verhängung<br />
des<br />
Kriegsrechts<br />
in Polen am<br />
13.12.1981:<br />
Demonstranten<br />
werden von<br />
der Polizei<br />
mit Tränengas<br />
auseinander<br />
getrieben.<br />
ullstein – AP<br />
gierungschefs der Deutschen Demokratischen<br />
Republik (DDR), Bulgariens<br />
und der Tschechoslowakei befürworteten<br />
eine militärische Intervention der<br />
WVO in Polen. Erich Honecker bot sogar<br />
eine deutsche Division für eine Invasion<br />
an. Die Regierungschefs Rumäniens<br />
und Ungarns setzten hingegen<br />
auf eine politische Lösung des Konflikts,<br />
die auch von der Sowjetunion favorisiert<br />
wurde. Aus diesem Grund unterblieb<br />
eine militärischen Intervention<br />
vorerst, man behielt sich diese Option<br />
aber vor.<br />
Die polnische Regierung war trotz<br />
eines drohenden Militärschlags nicht<br />
in der Lage, grundlegende Entscheidungen<br />
zu treffen. Auch Solidarność<br />
Polens ebenfalls nicht mildern. Folge<br />
waren weitere Streikwellen, die das<br />
Land lähmten und das volle Ausmaß<br />
der wirtschaftlichen Krise offen legten.<br />
Die VRP war nicht mehr stabil, der Regierung<br />
entglitt in zunehmenden Maße<br />
die Kontrolle. Die politische Instabilität<br />
Polens wirkte aber nicht nur nach innen,<br />
sondern auch nach außen. Ein gesellschaftlicher<br />
Umbruch konnte nicht<br />
toleriert werden, würde doch so der<br />
Sozialismus an sich, und nicht zuletzt<br />
die Machtbasis der Regime der anderen<br />
WVO-Staaten in Frage gestellt. Eine<br />
derartige Entwicklung war nicht völlig<br />
abwegig, gingen doch die Mitgliedszahlen<br />
der PVAP deutlich zurück, während<br />
Solidarność gesamtgesellschaftlichen<br />
Zulauf aufweisen konnte. Die<br />
politischen Eliten der WVO kamen daher<br />
am 5. Dezember 1980 in Moskau<br />
zu einer Krisensitzung zusammen, um<br />
über das weitere Vorgehen in Bezug<br />
auf Polen zu beraten. Vor allem die Reschaffte<br />
es nicht, sich produktiv an der<br />
Behebung der politischen und wirtschaftlichen<br />
Probleme zu beteiligen. Indes<br />
wuchs der außenpolitische Druck.<br />
Vor allem die DDR strebte aufgrund<br />
der geostrategischen Lage Polens eine<br />
schnelle Beendigung der »Konterrevolution«<br />
im Nachbarland an.<br />
Im Oktober 1981 wurde General<br />
Wojciech Jaruzelski (geb. 1923), bis dahin<br />
Ministerpräsident und Verteidigungsminister,<br />
zum neuen Ersten Sekretär<br />
des Zentralkomitees der PVAP<br />
bestimmt. Auf seinen Befehl hin wurde<br />
am 13. Dezember 1981 in Polen das<br />
Kriegsrecht verhängt, die Arbeit von<br />
Solidarność verboten. Bis heute ist umstritten,<br />
ob der General damit einer Invasion<br />
seines Landes zuvorkam.<br />
Zu einer militärischen Intervention in<br />
Polen ist es nie gekommen. Stattdessen<br />
kam es aufgrund anhaltenden Drucks<br />
seitens der WVO zu einer »nationalen<br />
Lösung«. Als das Kriegsrecht am<br />
22. Juli 1983 aufgehoben wurde, waren<br />
über 13 000 Gewerkschaftler und Oppositionelle<br />
interniert worden. 800 000<br />
Bürger, vor allem Akademiker, hatten<br />
ihr Heimatland verlassen. Doch auch<br />
wenn das System noch einige Jahre<br />
weiterbestehen konnte, seine Auflösung<br />
hatte unwiderruflich begonnen:<br />
mit dem Beginn von Perestroika und<br />
Glasnost in der Sowjetunion änderten<br />
sich auch die politischen Rahmenbedingungen<br />
in Polen. Am 5. April 1989<br />
wurde Solidarność wieder staatlich anerkannt,<br />
Polen nach den ersten freien<br />
Wahlen im Juni 1989 eine parlamentarische<br />
Demokratie. Erster Präsident wurde<br />
Lech Wałęsa.<br />
Julian-André Finke<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
23
Service<br />
Medien online/digital<br />
Lange Kerls<br />
Legendäre »lange Kerls«. Ausgewählte<br />
Quellen zur Regimentskultur der Königsgrenadiere<br />
Friedrich Wilhelms I. 1713–<br />
1740. Ein Hörbuch von Jürgen Kloosterhuis,<br />
in Zusammenarbeit mit der Stiftung<br />
Preußische Schlösser und Gärten Berlin-<br />
Brandenburg, Berlin 2006 (= Veröffentlichungen<br />
aus den Archiven Preußischer<br />
Kulturbesitz, Hörbuch 1), CD-ROM mit<br />
Abbildungsteil. ISBN 3-923579-08-2,<br />
15,00 €<br />
Ein militärhistorisches Hörerlebnis<br />
der besonderen Art ist unter dem Titel<br />
Legendäre »lange Kerls« erschienen. Dabei<br />
handelt es sich um ein Hörbuch von<br />
Jürgen Kloosterhuis, das auf der Basis<br />
einer 2003 veröffentlichten Quellensammlung<br />
gleichen Titels entstanden<br />
ist. Während die voluminöse Quellenedition<br />
sich hauptsächlich an das historische<br />
Fachpublikum richtet, vermittelt<br />
das Hörbuch ein lebendiges Bild preußischer<br />
Militärgeschichte für jedermann.<br />
Mithilfe der sogenannten Minütenbände<br />
– Amtsbücher, in denen die<br />
Weisungen des Königs niedergeschrieben<br />
wurden – gelingt es Jürgen Kloosterhuis,<br />
dem Hörer einen Einblick in<br />
den Alltag und die Lebenswirklichkeit<br />
der Angehörigen der berühmten Gardetruppe<br />
zu gewähren und zugleich<br />
mit den gängigen Klischees aufzuräumen.<br />
So entpuppt sich die »Potsdamer<br />
Riesengarde« nicht nur als »luxuriöse<br />
Palasttruppe«, sondern auch als<br />
»hochbrisante Kampfgarde«. Die »langen<br />
Kerls« waren also mehr als nur eine<br />
teure Spielerei eines in das Militär vernarrten<br />
Monarchen. Das 3669 Mann<br />
starke Königsregiment Nr. 6 diente der<br />
preußischen Armee als Lehr- und Versuchstruppe,<br />
in der neue Exerzierreglements<br />
erprobt und ausgearbeitet wurden.<br />
Gesprochen werden die Kabinettsminüten<br />
auf der CD von »König Fried-<br />
rich Wilhelm I.«. Zu Wort kommen<br />
darüber hinaus eine »Chronistin«,<br />
ein »Kabinettssekretär«, der »Oberstleutnant<br />
von Einsiedel« sowie »König<br />
Friedrich II.«. Musikalisch untermalt<br />
werden die Ausführungen durch historisch<br />
exakte Einspielungen von Dienststücken<br />
und Märschen aus der Zeit des<br />
Soldatenkönigs.<br />
mn<br />
1848 im Internet<br />
world wide web<br />
http://www.ub.uni-heidelberg.<br />
de/helios/fachinfo/www/gesch/<br />
blic1848.htm<br />
Unter den fachbezogenen Informationen<br />
der Universitätsbibliothek Heidelberg<br />
findet sich seit 1999 eine Sonderseite<br />
zur <strong>Revolution</strong> 1848/49. Darin<br />
lassen sich interessante Informationen<br />
und Hinweise auf andere Internet-Seiten<br />
zum <strong>The</strong>ma finden. Die Übersichtlichkeit<br />
durch die Auflistung der Verknüpfungen<br />
auf einer Seite und die<br />
Sor tierung der Hinweise unter verschiedenen<br />
Rubriken/Überschriften erleichtern<br />
die Suche auf der Seite.<br />
Dort erhält man nicht nur die Hinweise<br />
auf die entsprechenden Seiten,<br />
sondern es werden zumeist auch ihre<br />
Inhalte kurz zusammengefasst wiedergegeben,<br />
soweit diese nicht aus dem Titel<br />
explizit hervorgehen. Des Weiteren<br />
werden bei Büchern deren Verfasser<br />
und dazu bereits veröffentlichte Rezensionen<br />
genannt. Auch diese sind,<br />
soweit online verfügbar, über einen<br />
Mausklick durch direkte Vernetzung<br />
zugänglich.<br />
Um sich einen ersten Überblick im<br />
Netz zu verschaffen, findet man unter<br />
der Rubrik »Übergreifend« Hinweise<br />
und Links zu historischen Einführungen,<br />
Forschungsseiten, themenbezogenen<br />
Enzyklopädien, Chroniken,<br />
Artikelsammlungen und Zusammenstellungen<br />
von Unterrichtsmaterialien.<br />
Zur »Vorgeschichte« gibt es derzeit<br />
nur drei Einträge, nämlich zwei Seiten<br />
über Burschenschaften und einen Literaturhinweis.<br />
Die etwas umfangreichere Rubrik<br />
»Regional« verweist auf Seiten, die sich<br />
speziell mit den <strong>Revolution</strong>en in Städten<br />
wie Mannheim, Offenburg, Berlin<br />
oder München beschäftigen. Hier findet<br />
man allerdings auch wichtige Persönlichkeiten<br />
in Verbindung mit ihrem<br />
Wirkungsort, wie beispielsweise Ludwig<br />
Feuerbach in Heidelberg.<br />
Eine Zusammenstellung sehr interessanter<br />
Seiten kann man unter »1848er<br />
in Amerika – Forty-Eighters in America«<br />
finden. Informationsseiten über<br />
die <strong>Revolution</strong>sflüchtlinge oder auch<br />
Bibliografien ermöglichen weitere Recherchen.<br />
Unter »Persönlichkeiten« finden sich<br />
Seiten zu etwas mehr als 25 Beteiligten<br />
von 1848/49, darunter auch sieben Verweise<br />
auf Seiten zu Carl Schurz.<br />
Zum Schluss sind unter »Einzelaspekte«<br />
neben Seiten zu Turnvereinen<br />
und Flugschriften auch eine Anleitung<br />
zu einem 1848-Kartenspiel und eine<br />
Hörcollage als Textdatei aufgelistet.<br />
Zum Einstieg in die online verfügbaren<br />
Informationsseiten zu 1848 ist diese<br />
Seite optimal.<br />
http://lisa.mmz.uni-duesseldorf.<br />
de/%7Ehistsem/revolution/<br />
Wer sich neu mit dem <strong>The</strong>ma 1848 beschäftigt,<br />
dem sei diese Infobox der Universität<br />
Düsseldorf empfohlen. Zwar<br />
konzentrieren sich die Macher der Seite<br />
auf den badischen Raum, doch lassen<br />
sich dort mithilfe der <strong>The</strong>menübersicht<br />
Informationen zu allen wichtigen übergreifenden<br />
Begriffen finden. Nachdem<br />
ein Begriff gewählt ist, entscheidet das<br />
Interesse, ob im Ortsregister oder im<br />
Index danach gesucht werden soll. Die<br />
Indexaufstellung enthält Unterbegriffe<br />
mit teilweise speziellen geografischen<br />
Eingrenzungen. Das Ortsregister listet<br />
neben den gewünschten Informationen<br />
24 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
digital<br />
zu Regionen auch übergreifende Lexikoneinträge<br />
auf.<br />
Besonders interessant ist die umfangreiche<br />
Bibliografie, alphabetisch sortiert<br />
nach Autoren, in der die für die<br />
über die Grundrechte und den langen<br />
Weg zur Demokratie von 1850 bis 1918<br />
bis hin zum Widerstand in NS-Zeit,<br />
SBZ und DDR berichtet.<br />
Das Besondere an diesem Museum<br />
ist dessen pädagogisches Profil. Dieses<br />
macht die Erinnerungsstätte zu einem<br />
idealen Lernort für Exkursionen<br />
im Rahmen der historisch-politischen<br />
Bildung. Unter dem Menüpunkt »Museumspädagogik«<br />
lassen sich zur Vorbereitung<br />
erarbeitete Dokumente herunterladen<br />
und es werden ausführlich<br />
das methodische Vorgehen, die inhaltlichen<br />
Lernziele, die Zielgruppen, die<br />
benötigte Zeit und auch die Funktion<br />
der Übungen erläutert.<br />
Altersgerechtes, eigenverantwortliches<br />
und selbständiges Lernen steht<br />
dabei im Vordergrund. Es kann individuell<br />
auf die Bedürfnisse der Lerngruppe<br />
abgestimmt werden. Bezogen<br />
auf die <strong>Revolution</strong> von 1848/49 stehen<br />
folgende <strong>The</strong>menkreise zur Auswahl:<br />
»Die <strong>Revolution</strong> 1848/49 im Überblick«,<br />
»Die Arbeit der Nationalversammlung«<br />
und »Die <strong>Revolution</strong> in<br />
<strong>Baden</strong> 1849«.<br />
Aber auch der Kreativität werden<br />
kaum Grenzen gesetzt: Ein Sketch aus<br />
dem Jahr 1848 kann nachgespielt werden,<br />
inszeniertes Lesen und das Schreiben<br />
von Gedichten werden ebenso angeboten<br />
wie eine Schreibwerkstatt zum<br />
Petitionsrecht oder die Erstellung einer<br />
Geschichtszeitung mit mehreren möglichen<br />
Rubriken.<br />
Dem Lerngruppenleiter wird unter<br />
»Downloads« eine optimale Vorbereitung<br />
mit den dort bereitgestellten Arbeitsmaterialien<br />
geboten. Mithilfe der<br />
Lernprogramme lassen die Besuchergruppen<br />
die Ausstellung nicht nur auf<br />
sich wirken, sondern beschäftigen sich<br />
intensiver<br />
dig<br />
und kritischer mit dem jeweils<br />
behandelten <strong>The</strong>ma.<br />
StS<br />
Seite verwendete Literatur gelb unterlegt<br />
ist.<br />
Schade nur, dass die Suchfunktion,<br />
welche schneller zum gewünschten Begriff<br />
führen würde, derzeit nicht funktioniert.<br />
http://www.uni-oldenburg.de/<br />
nausa/1848/48start.htm<br />
Welche Rolle deutsche Auswanderer<br />
und <strong>Revolution</strong>sflüchtlinge im Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg gespielt haben,<br />
lässt sich auf dieser Seite der Universität<br />
Oldenburg nachlesen. Neben Zitaten<br />
der Beteiligten im historischen<br />
Kontext und in den Texten vorhandenen<br />
Links zu deren biografischen Daten<br />
werden ihre Aktivitäten im Bürgerkrieg<br />
in relativ chronologischer Folge<br />
abgehandelt. Die ca. 180 000–200 000<br />
Deutschen, die in den Reihen der Union<br />
dienten, waren maßgeblich an wichtigen<br />
politischen wie militärischen Ereignissen<br />
beteiligt, ob als Befehlshaber<br />
oder als militärische Einheit.<br />
Die erste Seite widmet sich den <strong>Revolution</strong>sflüchtlingen<br />
von 1848/49 und<br />
den Anfängen des Amerikanischen<br />
Bürgerkriegs, während auf der zweiten<br />
Seite schon die maßgebliche Beteiligung<br />
Deutscher am Verbleiben Missouris<br />
in der Union zurückverfolgt wird.<br />
Die nächsten drei Seiten behandeln<br />
die Aushebung der deutschen Regimenter<br />
und deren Verbindung zu den<br />
»Achtundvierzigern«. Des Weiteren<br />
werden die Schlachten beschrieben, in<br />
denen deutsche Einheiten kämpften, so<br />
zum Beispiel Gettysburg.<br />
Beim Klick auf die letzte Seite erhält<br />
man eine alphabetisch sortierte Liste<br />
der »Achtundvierziger«-<strong>Revolution</strong>sflüchtlinge<br />
in den Vereinigten Staaten<br />
von Amerika.<br />
http://1848.ub.uni-frankfurt.de/<br />
cgi-bin/uebersicht.rb<br />
Um sich eingehender mit der Geschichte<br />
der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 zu beschäftigen,<br />
kann man die von der Universitätsbibliothek<br />
Frankfurt am Main<br />
als PDF-Dokumente bereitgestellten<br />
Flugschriften nutzen.<br />
Die nach Personen, Orten, Chronologie<br />
und Signaturen sortierten Schriften<br />
lassen sich als JPG-Bild herunterladen<br />
oder durch einen Klick auf die Lupe<br />
rechts über dem Dokument als PDF-<br />
Datei öffnen und beliebig vergrößern.<br />
Alles in allem wurden etwa 83 000<br />
Seiten digitalisiert.<br />
Das früheste eingeordnete Dokument<br />
ist eine Karikatur aus dem Jahr 1842,<br />
während das Gros der Dokumente aus<br />
den Jahren 1848 bis 1850 stammt.<br />
Zu den Dokumenten erhält man weiterführende<br />
Informationen, wie den<br />
Entstehungszeitraum, genannte Orte<br />
und einen meist sehr hilfreichen Kommentar.<br />
Dank ihrer klaren Strukturierung<br />
und den beschriebenen Features<br />
ist diese Seite optimal für die Quellenarbeit<br />
geeignet.<br />
http://www.erinnerungsstaetterastatt.de/index.htm<br />
Der Internetauftritt der Erinnerungsstätte<br />
für die Freiheitsbewegungen in<br />
der deutschen Geschichte in Rastatt informiert<br />
über die dortige Dauerausstellung,<br />
die von den Freiheitsbewegungen<br />
in der Frühen Neuzeit und den Revolu-<br />
tionen 1789 beziehungsweise 1848/49<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
25
Service<br />
Lesetipp<br />
Kriegsherren<br />
Mit einer Zusammenstellung von<br />
biografischen Skizzen ist es den<br />
Herausgebern Stig Förster, Markus<br />
Pöhlmann und Dierk Walter gelungen,<br />
in einem Bogen von der Antike bis in<br />
die Moderne 22 der bedeutendsten und<br />
wichtigsten historischen Persönlichkeiten<br />
unter dem Begriff »Kriegsherren«<br />
zu vereinen.<br />
Was diese Staaten- und Kriegslenker<br />
gemein haben sollen, ist ihre in einer<br />
Person vereinte politische und militärische<br />
Macht. Genau diese »Letztverantwortlichkeit<br />
eines Individuums für die<br />
gesamtstaatlichen Kriegsentscheidungen«<br />
zieht sich durch alle Epochen der<br />
Weltgeschichte.<br />
Dadurch erscheinen neben bekannten<br />
militärischen Führern wie Alexander<br />
der Große, Napoleon I. oder Josef Stalin<br />
auch Personen in diesem Band, die<br />
man nicht unbedingt mit dem Begriff<br />
des »Kriegsherrn« oder der »Kriegsherrin«<br />
in Verbindung bringt, so beispielsweise<br />
Abraham Lincoln (1809–1865) als<br />
ein demokratisch legitimierter Oberbefehlshaber<br />
oder die aus dem Hintergrund<br />
agierende chinesische Kaiserinwitwe<br />
Cixi (1835–1908).<br />
Alles in allem gelingt es den Autoren<br />
dieses Bandes, das Wirken der beschriebenen<br />
Männer und Frauen auf<br />
komprimierten Raum kenntnisreich<br />
darzustellen.<br />
StS<br />
Stig Förster, Markus Pöhlmann und<br />
Dierk Walter (Hrsg.), Kriegsherren der<br />
Weltgeschichte. 22 historische Portraits,<br />
München 2006. ISBN 3-406-54983-7;<br />
415 S., 24,90 Euro<br />
1848/49<br />
Wer mehr über die historischen<br />
Wurzeln der »Forty-Eighter« erfahren<br />
möchte, dem sei der Sammelband<br />
von Wolfram Siemann »1848/49<br />
in Deutschland und Europa« empfohlen.<br />
Der Band, der anlässlich des<br />
60. Geburtstags des Autors erschienen<br />
ist, umfasst 12 Aufsätze, die den Leser<br />
mit den zentralen Ereignissen der <strong>Revolution</strong><br />
sowie deren Auswirkungen<br />
vertraut machen. Behandelt werden<br />
u.a. die Parteibildung in der Paulskirche,<br />
die sozialen Protestbewegungen,<br />
die Bedeutung von Nation und Nationalitäten,<br />
die Funktion der Presse, das<br />
politische System der Reaktion und der<br />
Wolfram Siemann, 1848/49 in Deutschland<br />
und Europa. Ereignis – Bewältigung<br />
– Erinnerung, Paderborn 2006.<br />
ISBN 3-506-75673-7; 272 S., 19,90 Euro<br />
Umgang mit dem historischen Erbe der<br />
<strong>Revolution</strong>. Den <strong>Revolution</strong>sflüchtlingen<br />
widmet sich der Beitrag »Asyl,<br />
Exil und Emigration der 1848er«. Darin<br />
zeigt Siemann auf, dass die Asylsuchenden<br />
von 1848/49 in der Praxis<br />
keineswegs immer »freundliche Aufnahme«<br />
fanden. Gerade vermeintlich<br />
liberale Länder wie Frankreich oder<br />
die Schweiz bemühten sich möglichst<br />
schnell um eine Ausweisung der ungeliebten<br />
Gäste, da man über die politische<br />
Ruhe im eigenen Land besorgt<br />
war. Einzig in den Vereinigten Staaten<br />
ließ sich der »Traum von der Freiheit«<br />
verwirklichen und so kämpften<br />
die ehemaligen Flüchtlinge der <strong>Revolution</strong><br />
von 1848/49 im Amerikanischen<br />
Bürgerkrieg für ihre alten Ideale und<br />
das »Erbe von 1848«.<br />
Insgesamt bietet der Sammelband einen<br />
informativen Überblick über die<br />
wichtigsten Aspekte der <strong>Revolution</strong>.<br />
mn<br />
Spanischer Bürgerkrieg<br />
Fällt das Stichwort »Spanischer Bürgerkrieg<br />
(1936–1939)«, dann dürften<br />
»Legion Condor«, »Internationale Brigaden»,<br />
»Guernica«, »Pablo Picasso«,<br />
»Wem die Stunde schlägt« und »Ernest<br />
Hemingway« wohl mit die bekanntesten<br />
Begriffe sein, die einem durch den<br />
Kopf gehen. Der Kriegsbeginn jährte<br />
sich 2006 zum siebzigsten Male und<br />
brachte eine Fülle von Neuerscheinungen<br />
hervor. Antony Beevors Buch geht<br />
dabei wohl am detailliertesten auf die<br />
Vielzahl der Gefechtshandlungen ein,<br />
ohne die politisch-multinationalen Dimensionen<br />
des »Bürgerkrieges« zu vergessen.<br />
Antony Beevor, Der Spanische Bürgerkrieg,<br />
München 2006. ISBN 3-570-00924-6;<br />
635 S., 26,00 Euro<br />
Die innerspanischen Spannungen werden<br />
ebenso erwähnt wie die als »Säuberungen«<br />
bezeichneten Morde innerhalb<br />
der Internationalen Brigaden, die Untaten<br />
der »Nationalisten« und ihrer italienisch-deutschen<br />
Helfer sowie die Zurückhaltung<br />
der Westmächte. Letztlich<br />
kämpfte Stadt gegen Land, reich gegen<br />
arm, Katholik gegen Kommunist, Anarchist<br />
gegen Kommunist und Separatist<br />
gegen Nationalist. Beevor sieht und<br />
analysiert vielschichtig die verschiedenen<br />
Konflikte und Kriegsparteien, die<br />
seiner Ansicht nach nur unzutreffend<br />
mit dem Wort »Bruderkrieg« wiedergegeben<br />
werden können.<br />
hp<br />
Manstein<br />
Erich von Manstein (1887–1973) ist<br />
einer der bekanntesten Heerführer<br />
des Zweiten Weltkrieges. Seine nach<br />
1945 erschienenen Bücher »Verlorene<br />
26 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
Siege« und »Aus einem Soldatenleben«<br />
trugen maßgeblich dazu bei. Hinzu kamen<br />
sein viel genutztes militärisches<br />
Fachwissen, seine Popularität im Inund<br />
Ausland, seine gleichzeitige Distanz<br />
zum deutschen Widerstand und<br />
zeitweilig auch zu Repräsentanten des<br />
NS-Regimes.<br />
Oliver von Wrochem versucht in seiner<br />
Doktorarbeit Dreierlei: Erstens will<br />
er eine biografische Skizze Mansteins<br />
erstellen, zweitens von Mansteins Rolle<br />
im Vernichtungskrieg beleuchten und<br />
drittens die über ihn und von ihm abgegebenen<br />
Wertungen nach 1945 als<br />
Brennglas des Umgangs mit jüngster<br />
Geschichte in der Bundesrepublik der<br />
1950er bis 1970er Jahre nutzen. Die Ziele<br />
werden erreicht. Für die heutige Leserschaft<br />
ist neben Mansteins Rolle im<br />
Vernichtungskrieg besonders die Analyse<br />
der Netzwerke ehemaliger Wehrmacht-Generale<br />
untereinander, in die<br />
Gesellschaft, aber auch in die frühe<br />
Bundeswehr hinein von besonderem<br />
Interesse. So wird nachvollziehbar,<br />
welches Bild von der Wehrmacht nach<br />
1945 entstehen konnte.<br />
hp<br />
Holocaust<br />
Oliver von Wrochem,<br />
Erich von Manstein:<br />
Vernichtungskrieg<br />
und Geschichtspolitik,<br />
Paderborn/München/Wien/Zürich<br />
2006 (= Krieg in der<br />
Geschichte, Bd 27).<br />
ISBN 3-506-72977-2;<br />
431 S., 39,90 Euro<br />
Durch die Medien entsteht allzu<br />
leicht der Eindruck, zum <strong>The</strong>ma<br />
Holocaust sei alles gesagt und erforscht.<br />
Der Sammelband von Jürgen<br />
Matthäus und Klaus-Michael Mallmann<br />
stellt den Forschungsstand dar,<br />
benennt Lücken und bringt neue Aspekte.<br />
Die insgesamt 18 Einzelbeiträge<br />
sind auf die Sparten »Kontinuitäten<br />
und Zäsuren«, »Täter und Opfer«<br />
und »Wahrnehmungen und Wirkungen«<br />
verteilt. Vorgeschichte, Durchführung<br />
und Wirkungsgeschichte des<br />
Holocaust werden so facettenreich dargestellt.<br />
Die Rolle des Militärs im Holocaust<br />
wird in den Beiträgen »Reichswehr<br />
und Antisemitismus« (Jürgen Förster),<br />
die »Ermordung der baltischen Juden«<br />
(Wolfgang Benz) und die »Schlußphase<br />
der ›Endlösung‹ in Polen« (Christopher<br />
R. Browning) ausgelotet.<br />
Der Beitrag »Dannecker und Kappler<br />
in Rom. Neue Quellen zur Oktober-Deportation<br />
1943« von Richard Breitmann<br />
verweist auf den Schatz deutscher<br />
Funksprüche zum <strong>The</strong>ma Holocaust,<br />
die von den Briten abgehört und<br />
an die Amerikaner weitergeleitet wurden.<br />
Sie sind in den National Archives<br />
einsehbar.<br />
Klaus-Michael Mallmann und Martin<br />
Cüppers stellen in dem Beitrag<br />
Jürgen Matthäus und Klaus-Michael<br />
Mallmann (Hrsg.), Deutsche, Juden, Völkermord.<br />
Der Holocaust als Geschichte und<br />
Gegenwart. Festschrift für Konrad Kwiet<br />
zum 65. Geburtstag, Darmstadt 2006<br />
(= Veröffentlichungen der Forschungsstelle<br />
Ludwigsburg der Universität<br />
Stuttgart, Bd 7). ISBN 3-534-18481-1;<br />
340 S., 39,90 Euro<br />
»Das Einsatzkommando bei der Panzerarmee<br />
Afrika 1942« die deutschen<br />
Planungen für die Zeit nach dem Sieg<br />
Rommels vor. Ein Sonderkommando<br />
war damit beauftragt, die in Palästina<br />
lebenden Juden zu ermorden. Aufgrund<br />
der Niederlage bei El Alamein<br />
kam es aber nicht zum Einsatz.<br />
Robert G. Waite stellt die wechselreiche<br />
öffentliche Wahrnehmung des Holocaust<br />
in den USA 1943-1955 dar und<br />
Frank Bajohr analysiert, wie ein ehemaliger<br />
SS-Brigadeführer unter falschem<br />
Namen 1950 außenpolitischer Redakteur<br />
der ZEIT wurde.<br />
Kurz gesagt: eine lohnenswerte Lektüre.<br />
hp<br />
Palästina<br />
Spätestens mit dem Marineeinsatz<br />
der Bundeswehr ist die Region Israel–Libanon<br />
in Deutschland gegenwärtig.<br />
Wer sich für die Geschichte Palästinas<br />
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
interessiert, der wird von Tom<br />
Segev kenntnisreich und unterhaltsam<br />
informiert.<br />
Seit dem Ende der Kreuzzüge war Palästina<br />
unter muslimischer Herrschaft,<br />
seit 1516 gehörte das Land zum Osmanischen<br />
Reich. Das Buch setzt mit der<br />
Eroberung der Region durch die Briten<br />
1917 ein und endet mit dem Jahre<br />
1948, also dem Abzug der Briten und<br />
der Gründung des Staates Israel. Die<br />
dazwischen liegenden 29 Jahre behandeln<br />
die britische Mandatsherrschaft<br />
über Palästina. In diesem Land<br />
lebten Christen und Muslime, Juden<br />
und Araber. Die drei großen Abschnitte<br />
des Buches tragen die Titel »Illusion<br />
(1917–1927)«, »Terror (1928–1938)« und<br />
»Entscheidung (1939–1948)«.<br />
Die Briten benötigten während des<br />
Ersten Weltkrieges die Unterstützung<br />
der Araber im Kampf gegen das Osmanische<br />
Reich, also erweckten sie<br />
den Eindruck, es werde nach Kriegsende<br />
ein unabhängiges Arabisches Palästina<br />
geben. Gleichzeitig versprach<br />
die britische Regierung in der Balfour-<br />
Declaration den Juden eine Heimstatt<br />
in Palästina.<br />
Arabische und Jüdische Nationalbewegung<br />
bekämpften sowohl sich gegenseitig<br />
als auch die britische Schutzmacht,<br />
jüdische Einwanderer kamen<br />
in großer Zahl ins Land. Dem Abzug<br />
der Briten folgte der Unabhängigkeitskampf<br />
des Staates Israel.<br />
hp<br />
Tom Segev, Es war<br />
einmal ein Palästina.<br />
Juden und Araber<br />
vor der Staatsgründung<br />
Israels,<br />
München 2006.<br />
ISBN 3-570-55009-5;<br />
669 S., 14,90 Euro<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
27
Service<br />
Ausstellungen<br />
Berlin<br />
Boris Ignatowitsch. Fotografien<br />
von 1927 bis 1946<br />
Deutsch-Russisches<br />
Museum Berlin-Karlshorst<br />
Zwieseler Straße 4<br />
(Ecke Rheinsteinstraße)<br />
D-10318 Berlin<br />
Telefon: (030) 50 15 08-10<br />
Telefax: (030) 50 15 08 40<br />
e-Mail: kontakt@museumkarlshorst.de<br />
Internet: www.museumkarlshorst.de<br />
17. November 2006 bis<br />
11. Februar 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
10.00 bis 18.00 Uhr<br />
Eintritt frei<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
S-Bahn: Bis S-Bahnhof »Karlshorst«,<br />
dann zu Fuß Rheinsteinstraße<br />
(ca. 15 Min.<br />
Fußweg), bis S-Bahnhof<br />
»Karlshorst« (S3), dann<br />
Bus 396 oder mit der U-Bahn<br />
bis U-Bahnhof »Tierpark«<br />
(U5), dann Bus 396.<br />
50 Jahre Luftwaffe der<br />
Bundeswehr. 1956–2006<br />
Luftwaffenmuseum der<br />
Bundeswehr<br />
Kladower Damm 182<br />
D-14089 Berlin-Gatow<br />
Telefon: (030) 36 87 26 01<br />
Telefax: (030) 36 87 26 10<br />
e-Mail: LwMuseumBw<br />
Eingang@Bundeswehr.org<br />
Internet:<br />
www.Luftwaffenmuseum.com<br />
15. September 2006 bis<br />
31. August 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
9.00 bis 17.00 Uhr<br />
(letzter Einlass 16.30 Uhr)<br />
Eintritt frei<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
Eingang zum Museum: Ritterfelddamm/Am<br />
Flugfeld Gatow.<br />
Dresden<br />
100 Jahre deutsche U-Boote<br />
Militärhistorisches Museum<br />
der Bundeswehr<br />
Olbrichtplatz 2<br />
D-01099 Dresden<br />
Telefon: (0351) 82 30<br />
Telefax: (0351) 82 32 805<br />
e-Mail: MilHistMuseumBwEi<br />
ngang@bundeswehr.org<br />
29. März bis 8. April 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
9.00 bis 17.00 Uhr<br />
Eintritt frei<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
Öffentliche Verkehrsmittel:<br />
Linien 7, 8, 91, Haltestelle<br />
»Militärhistorisches Museum«<br />
(wird angesagt), Pkw: Parkplatz<br />
am Museum.<br />
Ingolstadt<br />
60 Jahre Polizei in Bayern<br />
1946-2006. Vom Neuanfang<br />
in der Nachkriegszeit zur<br />
modernen Sicherheit heute<br />
Bayerisches Armeemuseum<br />
Ingolstadt (Reduit Tilly)<br />
Neues Schloss, Paradeplatz 4,<br />
D-85049 Ingolstadt<br />
Telefon: (0841) 93 77-0<br />
Telefax: (0841) 93 77-200<br />
e-Mail:<br />
sekretariat@bayerischesarmeemuseum.de<br />
Internet: http://www.<br />
bayerisches-armeemuseum.de/<br />
26.September 2006 bis<br />
23. September 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
8.45 bis 17.00 Uhr<br />
Sonderausstellungen<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
8.45 bis 12.00 Uhr und<br />
13.00 bis 17.00 Uhr<br />
geschlossen: Faschings sonntag-Nachmittag,<br />
Faschingsdienstag,<br />
Karfreitag<br />
Ein Münchner Maler im<br />
Ersten Weltkrieg:<br />
Paul Segieth (1884–1969)<br />
Bayerisches Armeemuseum<br />
Ingolstadt (s.o.)<br />
16. Januar bis<br />
9. April 2007<br />
Gemälde<br />
von<br />
Paul<br />
Segieth<br />
(1884–1969)<br />
Fort<br />
Donaumont<br />
unter<br />
französischem<br />
Feuer<br />
September<br />
1916<br />
Karlsruhe<br />
Von der Reformation zu<br />
den Erbfolgekriegen –<br />
16. und 17. Jahrhundert<br />
Badisches Landesmuseum<br />
Karlsruhe<br />
Schloss<br />
D-76131 Karlsruhe<br />
Telefon: (0721) 92 66 514<br />
Telefax: (0721) 92 66 537<br />
e-Mail:<br />
info@landesmuseum.de<br />
Internet:<br />
www.landesmuseum.de<br />
11. November 2006 bis<br />
11. März 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
10.00 bis 18.00 Uhr<br />
Donnerstag<br />
10.00 bis 21.00 Uhr<br />
Eintritt: 4,00 Euro<br />
ermäßigt: 3,00 Euro<br />
Schüler 0,50 Euro<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
Straßenbahn:<br />
Vom Hauptbahnhof (Blickrichtung<br />
rechts, Hbf im<br />
Rücken) mit den Linien 2,<br />
S 1, S 4, S 11 bis Haltestelle<br />
»Marktplatz«.<br />
Koblenz<br />
Die Maschinenpistole.<br />
Entwicklung und<br />
Geschichte einer Waffe<br />
unter besonderer Berücksichtigung<br />
der MP2-UZI<br />
Wehrtechnische Studiensammlung<br />
Mayener Straße 85-87<br />
D-56070 Koblenz<br />
Telefon: (0261) 40 01 42 3<br />
Telefax: (0261) 40 01 42 4<br />
e-Mail: WTS@bwb.org<br />
Internet: www.bwb.org/wts<br />
24. August 2006 bis<br />
9. September 2007<br />
(Rosenmontag und vom<br />
24. Dezember 2006 bis<br />
1. Januar 2007 geschlossen)<br />
täglich 9.30 bis 16.30 Uhr<br />
Eintritt: 1,50 Euro<br />
(für Soldaten und<br />
Bw-Verwaltung frei)<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
PKW: Eine Anfahrtsskizze<br />
gibt es unter<br />
http://www.bwb.org/<br />
01DB022000000001/<br />
CurrentBaseLink/<br />
W26EJCH3034INFODE;<br />
Bahn/Bus: Ab Bahnhof Koblenz<br />
(Busbahnhof gegenüber)<br />
Linien 5 oder 15 bis Haltestelle<br />
»Langemarckplatz«.<br />
Ludwigsburg<br />
Vor 50 Jahren –<br />
Die Bundeswehr kommt<br />
nach Ludwigsburg<br />
Garnisonmuseum<br />
Ludwigsburg<br />
im Asperger Torhaus<br />
28 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
Asperger Straße 52<br />
D-71634 Ludwigsburg<br />
Telefon: (07141) 91 02 412<br />
Telefax: (07141) 91 02 342<br />
Internet: www.garnison<br />
museum-ludwigsburg.de<br />
e-Mail: stadtarchiv@stadt.<br />
ludwigsburg.de<br />
23. September 2006 bis<br />
28. April 2007<br />
Mittwoch<br />
15.00 bis 18.00 Uhr<br />
Sonnabend<br />
13.00 bis 17.00 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
Eintritt: 2,00 Euro<br />
ermäßigt: 1,00 Euro<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
S-Bahn: Linien S 4 und<br />
S 5 (von Stuttgart bzw.<br />
Bietig heim) bis zur Station<br />
»Ludwigs burg«.<br />
Minden<br />
Pour le Mérite und Skizzenbuch<br />
– Kriegs skizzen des<br />
Mindeners Rudolf Lange<br />
(1874–1918) ergänzt durch<br />
eine Ausstellung des »Fördervereins<br />
Militärmuseum<br />
Brandenburg-Preußen<br />
e.V.« über die Geschichte<br />
der Kadettenkorps<br />
Simeonsplatz 12 . 32427 Minden . 05 71 - 8 3728 - 24<br />
11-17 Uhr [außer Mo, Fr] . www.preussenmuseum.de<br />
3.12.06 - 18.2.07<br />
Pour le Mérite und Skizzenbuch<br />
Kriegsskizzen<br />
des Mindeners Rudolf Lange<br />
1874-1918<br />
Gestaltung: www.atelier19a.de _ Cordula Holzhauer<br />
Preußen-Museum NRW<br />
Simeonsplatz 12<br />
D-32427 Minden<br />
Telefon: (0571) 83 72 80<br />
Telefax: (0571) 83 72 830<br />
Internet: www.preussenmuseum.de<br />
e-Mail:<br />
minden@preussenmusem.de<br />
3. Dezember 2006 bis<br />
18. Februar 2007<br />
Dienstag bis Donnerstag<br />
und<br />
Sonnabend bis Sonntag<br />
11.00 bis 17.00 Uhr<br />
Eintritt: 4,50 Euro<br />
ermäßigt: ab 2,25 Euro<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
Einen Lageplan gibt es<br />
auf der Internetseite unter<br />
»Lageplan«.<br />
Rastatt<br />
Sonderausstellung<br />
»Damals in der DDR –<br />
20 Geschichten<br />
aus 40 Jahren«.<br />
Erinnerungsstätte für die<br />
Freiheitsbewegungen in<br />
der deutschen Geschichte<br />
Bundesarchiv Außenstelle<br />
Rastatt<br />
Schloss Rastatt<br />
Herrenstrasse 18<br />
D-76437 Rastatt<br />
Telefon: (07222) 77139-0<br />
(Zentrale)<br />
Telefax (07222) 77139-7<br />
e-Mail:<br />
erinnerung@barch.bund.de<br />
18. Januar bis 25. März 2007<br />
Dienstags bis Sonntag<br />
9.30 bis 17.00 Uhr<br />
Montags nach<br />
Vereinbarung<br />
Eintritt frei<br />
Geschenkt, Gestiftet,<br />
Gekauft<br />
Die Neuerwerbungen des<br />
Wehrgeschichtlichen Museums<br />
der letzten 10 Jahre<br />
Wehrgeschichtliches<br />
Museum Rastatt<br />
Schloss Rastatt<br />
Herrenstraße 18<br />
D-76437 Rastatt<br />
Telefon: (07222) 34 24 4<br />
Telefax: (07222) 30 71 2<br />
Internet: www.wgm-rastatt.de<br />
e-Mail:<br />
information@wgm-rastatt.de<br />
1. Dezember 2006 bis<br />
April 2007<br />
Dienstag bis Sonntag<br />
9.30 bis 17.00 Uhr<br />
Eintritt: 6,00 Euro<br />
ermäßigt: 4,00 Euro<br />
Wesel<br />
Napoleon. Trikolore und<br />
Kaiseradler über Rhein<br />
und Weser<br />
Preußen-Museum NRW<br />
An der Zitadelle 14-20<br />
D-46483 Wesel<br />
Telefon: (0281) 33 99 60<br />
Telefax: (0281) 33 99 6330<br />
Internet: www.preussenmuseum.de/wesel.htm<br />
e-Mail:<br />
wesel@preussenmuseum.de<br />
11. Februar bis<br />
9. April 2007<br />
Dienstag bis<br />
Donnerstag und<br />
Samstag und Sonntag<br />
11.00 bis 17.00 Uhr<br />
Eintritt: 6,00 Euro<br />
ermäßigt: ab 1,25 Euro<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
Einen Lageplan gibt es auf<br />
der Internetseite unter »Lageplan«;<br />
Pkw: Von der A 3 Richtung<br />
Arnheim-Oberhausen,<br />
Autobahnausfahrt »Wesel«.<br />
Ausschilderung Richtung<br />
Wesel, am Kaiserring links<br />
Richtung Hbf. Hinter dem Hbf<br />
rechts in Richtung Geldern.<br />
An der Kreuzung Schillstr./<br />
Südring rechts in den Südring.<br />
Auf der rechten Seite<br />
befindet sich das Preußen-<br />
Museum NRW.<br />
Napoleon<br />
Wien<br />
Panzerlärm an Österreichs<br />
Grenzen.<br />
Der Grenzsicherungseinsatz<br />
des österreichischen<br />
Bundesheeres 1956<br />
Heeresgeschichtliches<br />
Museum<br />
Militärhistorisches Institut<br />
Arsenal, Objekt 1<br />
A-1030 Wien<br />
Telefon: +43 (1) / 79 56 1-0<br />
Telefax: +43 (1) / 79 56 1-<br />
17707<br />
e-Mail: bmlv.hgm@magnet.at<br />
Internet: www.hgm.or.at/<br />
17. Oktober 2006 bis<br />
1. April 2007<br />
täglich geöffnet<br />
9.00 bis 17.00 Uhr<br />
Freitag geschlossen<br />
Eintritt: 5,10 Euro<br />
Ermäßigt: 3,30 Euro<br />
(bis 10 Jahre frei)<br />
Verkehrsanbindungen:<br />
Schnellbahn: Bis Station<br />
»Südbahnhof«; Straßenbahn:<br />
Linien 18, D, O; Autobus:<br />
Linien 13 A, 69 A; U-Bahn:<br />
U 1 nach Station »Südbahnhof«,<br />
U 3 nach Station<br />
»Schlachthausgasse«; Pkw:<br />
Eine Anfahrtsskizze findet<br />
sich auf der Internetseite unter<br />
»Museum« > »Zufahrtsplan«.<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
29
Service<br />
Militärgeschichte kompakt<br />
agk-images/British Library<br />
ullstein bild<br />
30. März 1856<br />
Ende des Krimkrieges<br />
Mit dem Frieden von Paris endete im März 1856 einer<br />
der grauenhaftesten Kriege, die der europäische Kontinent<br />
bis dahin erlebt hatte. Zar Nikolaus I. hatte den<br />
Zerfall des Osmanischen Reiches genutzt, um die alten<br />
russischen Expansionsziele Konstantinopel und türkische<br />
Meerengen zu verwirklichen. Er geriet in Konflikt<br />
mit Großbritannien und Frankreich, die wiederum ihre<br />
Wirtschaftsinteressen gefährdet sahen. Auslöser des Konfliktes war ein Streit<br />
zwischen den christlichen Konfessionen um die Nutzung der heiligen Stätten<br />
in Jerusalem.<br />
Anfang Juli 1853 rückten 80 000 russische Soldaten in die osmanischen Donaufürstentümer<br />
Walachei und Moldau ein. Die Türkei erklärte, ermutigt von den<br />
Briten, Russland am 4. Oktober 1853 den Krieg. Es folgten die Kriegserklärungen<br />
Großbritanniens und Frankreichs an das Zarenreich. 1854 schließlich besetzten<br />
Habsburger Truppen die Donaufürstentümer – mit Genehmigung des<br />
Sultans.<br />
Im Herbst 1854 erlitten britisch-französische Truppen ein Debakel bei der Belagerung<br />
von Sewastopol auf der Krim. Die Kämpfe dauerten 349 Tage und<br />
endeten erst im September 1855. Bis zum Fall der Stadt mussten rund 160 000<br />
Soldaten ihr Leben lassen, davon allein 100 000 infolge von Krankheiten bzw.<br />
Seuchen. Der Friede von Paris und Folgeverträge garantierten die Unabhängigkeit<br />
und Integrität des »kranken Mannes am Bosporus« (Zar Nikolaus I.).<br />
Der Kampf um Sewastopol ist in der Geschichtswissenschaft als Vorwegnahme<br />
der Schlacht von Verdun bezeichnet worden. Der Krimkrieg selbst gilt als<br />
erster Krieg der Moderne, in dem vor allem die materielle Überlegenheit zählte.<br />
Erstmals erfuhr hier auch die Öffentlichkeit Europas und der Welt durch<br />
Kriegsberichterstatter zeitnah vom Kriegsgeschehen – nicht zuletzt durch eine<br />
neue technische Entwicklung: die Fotografie (siehe Militärgeschichte 2006,<br />
Heft 3).<br />
mt<br />
17. Juli 1936 Bürgerkrieg in Spanien:<br />
Deutsche auf beiden Seiten<br />
Am 17. Juli 1936 erhoben sich Teile des spanischen Militärs<br />
gegen die seit 1931 bestehende Republik. Der<br />
Putsch wurde zum blutigen Bürgerkrieg mit über<br />
200 000 Toten. Er endete am 1. April 1939 mit dem Sieg<br />
der Putschisten unter General Francisco Franco, dessen<br />
Regime bis 1973 währte.<br />
Vorausgegangen waren soziale und ethnische Spannungen (vor allem im Baskenland<br />
und in Katalonien), die in Streiks und Unruhen mündeten.<br />
Das faschistische Italien (60 000 Mann) und das NS-Regime unterstützten<br />
die rechten Putschisten. Die deutsche »Legion Condor« zählte 5000 Mann,<br />
durch Kontingentswechsel waren insgesamt 20 000 Wehrmachtsoldaten eingesetzt.<br />
Die linke Volksfrontregierung in Madrid wurde von der Sowjetunion unterstützt,<br />
hinzu kamen die »Internationalen Brigaden« (40 000–45 000, durch<br />
Fluktuation etwa 15 000 Ist-Stärke), die aus Amerikanern, Kanadiern, Franzosen,<br />
Italienern, Österreichern (900–1400) und Deutschen (3000–5000) bestanden.<br />
Sie bildeten später den zentralen »antifaschistischen« Kampfmythos der<br />
DDR. Die Erschießungen von vorgeblichen Verrätern und Spionen und die<br />
Durchführung sogenannter Säuberungen in den eigenen Reihen wurden dabei<br />
verschwiegen.<br />
hp<br />
Heft 1/2007<br />
Militärgeschichte<br />
Zeitschrift für historische Bildung<br />
Vorschau<br />
Vor über 15 Jahren fand die DDR durch eine<br />
friedliche <strong>Revolution</strong> ihr Ende. Das hatte<br />
auch die Auflösung der NVA zur Folge. Die<br />
NVA war eine der modernsten Armeen des<br />
Warschauer Vertrages. Sie war aber auch eine<br />
Wehrpflichtarmee. Junge Männer in der DDR<br />
mussten, von wenigen Ausnahmen abgesehen,<br />
ihren Wehrdienst mit der Waffe leisten.<br />
Doch nicht wenige verpflichteten sich auch<br />
freiwillig, weil sie der staatlichen Propaganda<br />
von der Verteidigung des Friedens gegen den<br />
»Klassenfeind« im Westen glaubten oder weil<br />
sie sich einfach materielle und berufliche Vorteile<br />
versprachen. Geworben wurden sie mit<br />
zum Teil auch durchaus hehren Grundsätzen<br />
wie: es gäbe nichts Wichtigeres wie die Sicherung<br />
des Friedens. Obwohl das DDR-Regime<br />
jungen Menschen in der DDR sowohl<br />
im Kindergarten als auch später in der Schule<br />
das Militär als etwas unbedingt Positives<br />
vermittelte und sogar ein Fach »Sozialistische<br />
Wehrerziehung« an den Schulen unterrichtet<br />
wurde, wussten die wenigsten, was sie hinter<br />
den Kasernentoren erwartete. Schnell folgte<br />
dem Eintritt in die Armee oftmals die Ernüchterung,<br />
zumal die militärische Disziplin in<br />
zum Teil drastischer Weise in das Leben der<br />
jungen Männer eingriff, nicht zuletzt auch<br />
durch die Willkür der Vorgesetzten und einer<br />
manchmal als brutal empfundenen informellen<br />
Hierarchie gegenüber jüngeren Soldaten.<br />
So zeigen denn auch die neuesten Untersuchungen<br />
zur NVA, dass zumindest die meisten<br />
Wehrpflichtigen und Reservisten ihrer<br />
Dienstzeit kaum Positives abgewinnen können.<br />
Matthias Rogg zeichnet im nächsten Heft<br />
den Werdegang eines solchen jungen Mannes<br />
in der DDR nach: von der »Sozialistischen<br />
Wehrerziehung« in Kindergarten und Schule,<br />
von der Zeit in der Gesellschaft für Sport und<br />
Technik (GST) über die Anwerbung als Soldat<br />
bis hin zum Eintritt in die Kaserne und<br />
die Zeit in der Truppe selbst. Weitere Beiträge<br />
befassen mit dem Verhältnis von Militär und<br />
Gesellschaft im 18. Jahrhundert, dargestellt in<br />
Form eines Soziogramms einer preußischen<br />
Stadt, sowie der Zerstörung von Gernika am<br />
26. April 1937 und schließlich werden unsere<br />
Leser in der Strategie-Reihe einen Beitrag<br />
zum Schlieffenplan erwarten dürfen.<br />
mt<br />
30 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006
PzFlakBtl 12<br />
»Ich habe nicht der zweite sein wollen,<br />
wo ich der erste sein konnte.<br />
Ich habe nicht dienen wollen,<br />
wo ich zu befehlen verstand,<br />
aber die Subordination unter die<br />
Überlegenheit ist mir niemals<br />
schwer geworden und niemals<br />
habe ich der hoeheren Kraft,<br />
wo ich sie fand, meine<br />
Anerkennung versagt.«<br />
Dieses Zitat von Carl Schurz ziert<br />
eine Wandmalerei im Treppenaufgang<br />
des Stabsgebäudes des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12.<br />
Der Verband wurde am 1. Oktober<br />
1956 als Luftlandeflugabwehr-Artilleriebataillon<br />
106 aufgestellt und zog als<br />
Flugabwehrbataillon 12 am 13. September<br />
1966 in die neu errichtete »Bauland-Kaserne«<br />
in Hardheim (Neckar-<br />
Odenwald-Kreis) ein. Die Soldaten des<br />
Bataillons konnten sich allerdings nicht<br />
mit dem Namen der Kaserne identifizieren.<br />
Gemeinsam suchten daher die<br />
Offiziere und Unteroffiziere des Bataillons<br />
nach einer Alternative. Bereits<br />
nach kurzer Zeit ergab sich als naheliegende<br />
Lösung, die Liegenschaft in<br />
Carl-Schurz-Kaserne umzubenennen.<br />
Dieses Bild zeigt Oberstabsfeldwebel<br />
Ullrich im Traditionsraum des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12. In<br />
seinen Händen hält er das von Ferry<br />
Ahrlé geschaffene Carl-Schurz-Portrait.<br />
Im Hintergrund ist ein zeitgenössisches<br />
Bild von Schurz zu sehen.<br />
An die Begründung, die ein Batteriechef<br />
ihm als Kommandeur vortrug,<br />
erinnert sich Oberst a.D. Hummel:<br />
»Es gab mehrere Beweggründe, Carl<br />
Schurz als Namenspatron zu wählen.<br />
Schurz war Teilnehmer an der <strong>Baden</strong>er<br />
<strong>Revolution</strong> und ist daher mit der Region<br />
eng verwurzelt. Hinzu kam die enge<br />
Zusammenarbeit mit der am gegenüberliegenden<br />
Hang stationierten US-<br />
Flugabwehrbatterie mit uns in der Aufbauphase.«<br />
Carl Schurz wurde somit<br />
zur Identifikationsfigur für die enge<br />
Militärgeschichte im Bild<br />
Carl Schurz –<br />
Namenspatron der Bundeswehrkaserne<br />
in Hardheim<br />
100. Todestag Carl Schurz –<br />
40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne Hardheim<br />
Haupteingang der Carl-<br />
Schurz-Kaserne Hardheim. Im<br />
Vordergrund der Namenszug<br />
mit Wappen. Im Hintergrund<br />
ist das Stabsgebäude zu sehen.<br />
Kooperation des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12 mit den amerikanischen<br />
Verbündeten in der Region. Die<br />
Patenschaft mit US-Flugabwehrverbänden<br />
aus Kitzingen wurde über 25 Jahre<br />
intensiv gepflegt. Nach der Auflösung<br />
des bis dahin letzten Patenverbandes,<br />
des 4th Bn 3rd Air Defense Artillery aus<br />
Kitzingen, im Sommer 2005 dauerte es<br />
nicht lange, bis an diese Tradition wieder<br />
angeknüpft werden konnte. Passend<br />
zum Jubiläum wurde eine neue<br />
Patenschaft mit dem 5th Bn 7th Air Defense<br />
Artillery aus Hanau geschlossen.<br />
2006 jährte sich nicht nur der 100. Todestag<br />
des Namenspatrons, sondern<br />
auch der 50. Jahrestag der Aufstellung<br />
Verbandes und der 40. Geburtstag<br />
seines Einzuges in die Carl-Schurz-<br />
Kaserne Hardheim. Dieses dreifache<br />
Jubiläum wurde auch zum Anlass genommen,<br />
sich intensiver mit der Tradition<br />
des Bataillons zu befassen. Anlässlich<br />
des »Tages der offenen Tür« wurde<br />
der Traditionsraum neu eingerichtet.<br />
Es sollte auch ein Ausstellungsbereich<br />
zu Carl Schurz geschaffen werden. Auf<br />
der Suche nach geeigneten Ausstellungsstücken<br />
trat der Projektbeauftragte,<br />
Oberstabsfeldwebel Bernd Ullrich,<br />
mit der Steuben-Schurz-Gesellschaft e.<br />
V. in Verbindung. Deren Präsidentin,<br />
Dr. Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels,<br />
nutzte die Eröffnung der Sonderausstellung<br />
»Hardheim – Partner der Bundeswehr,<br />
40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne«,<br />
um die Zusammenarbeit mit dem<br />
Hausherrn der Carl-Schurz-Kaserne<br />
auf neue Beine zu stellen. Es folgten<br />
Einladungen zu verschiedenen Anlässen,<br />
darunter zur Benefizveranstaltung<br />
anlässlich des 100. Todestags von Carl<br />
Schurz im Carl-Schurz-Gymnasium<br />
Frankfurt am Main.<br />
Seit dieser Zeit ist Oberstabsfeldwebel<br />
Bernd Ullrich Eigentümer eines von<br />
Ferry Ahrlé geschaffenen Portraits des<br />
Namenspatrons, das er bei der Benefizveranstaltung<br />
in Frankfurt am Main<br />
am 14. Mai 2006 ersteigerte. Außerdem<br />
wurde dem Panzerflugabwehrkanonenbataillon<br />
12 die Ehre zuteil, in<br />
den Besitz einer Originalhandschrift<br />
von Carl Schurz zu gelangen. In diesem<br />
Schreiben berichtet Schurz einem<br />
Unbekannten von seinen ersten politischen<br />
Schritten in seiner neuen Heimat,<br />
den Vereinigten Staaten von Amerika.<br />
Darüber hinaus wurde dem Bataillon<br />
zum 40. Jahrestag der Namensgebung<br />
»Carl-Schurz-Kaserne« ein von Franz<br />
Vogel gemaltes Carl Schurz Portrait gestiftet.<br />
Carl Schurz ist »ständiger Begleiter«<br />
der Soldatinnen und Soldaten im täglichen<br />
Dienstbetrieb. Den Eingangsbereich<br />
der Kaserne ziert der von weitem<br />
deutlich sichtbare Schriftzug des Namensgebers.<br />
Der Lebenslauf von Carl<br />
Schurz und seine Zitate finden sich<br />
ebenso im Stabsgebäude des Bataillons<br />
wie auch in der Standortbroschüre. In<br />
den Traditionsräumen werden Weiterbildungen<br />
sowie Veranstaltungen des<br />
Bataillons, der Gemeinde und des Patenverbandes<br />
durchgeführt.<br />
Carl Schurz ist aus der Tradition<br />
des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12 nicht mehr wegzudenken.<br />
Patrick Oberlé, Bernd Ullrich<br />
Fränkische Nachrichten<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
31
PzFlakBtl 12<br />
»Ich habe nicht der zweite sein wollen,<br />
wo ich der erste sein konnte.<br />
Ich habe nicht dienen wollen,<br />
wo ich zu befehlen verstand,<br />
aber die Subordination unter die<br />
Überlegenheit ist mir niemals<br />
schwer geworden und niemals<br />
habe ich der hoeheren Kraft,<br />
wo ich sie fand, meine<br />
Anerkennung versagt.«<br />
Dieses Zitat von Carl Schurz ziert<br />
eine Wandmalerei im Treppenaufgang<br />
des Stabsgebäudes des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12.<br />
Der Verband wurde am 1. Oktober<br />
1956 als Luftlandeflugabwehr-Artilleriebataillon<br />
106 aufgestellt und zog als<br />
Flugabwehrbataillon 12 am 13. September<br />
1966 in die neu errichtete »Bauland-Kaserne«<br />
in Hardheim (Neckar-<br />
Odenwald-Kreis) ein. Die Soldaten des<br />
Bataillons konnten sich allerdings nicht<br />
mit dem Namen der Kaserne identifizieren.<br />
Gemeinsam suchten daher die<br />
Offiziere und Unteroffiziere des Bataillons<br />
nach einer Alternative. Bereits<br />
nach kurzer Zeit ergab sich als naheliegende<br />
Lösung, die Liegenschaft in<br />
Carl-Schurz-Kaserne umzubenennen.<br />
Dieses Bild zeigt Oberstabsfeldwebel<br />
Ullrich im Traditionsraum des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12. In<br />
seinen Händen hält er das von Ferry<br />
Ahrlé geschaffene Carl-Schurz-Portrait.<br />
Im Hintergrund ist ein zeitgenössisches<br />
Bild von Schurz zu sehen.<br />
An die Begründung, die ein Batteriechef<br />
ihm als Kommandeur vortrug,<br />
erinnert sich Oberst a.D. Hummel:<br />
»Es gab mehrere Beweggründe, Carl<br />
Schurz als Namenspatron zu wählen.<br />
Schurz war Teilnehmer an der <strong>Baden</strong>er<br />
<strong>Revolution</strong> und ist daher mit der Region<br />
eng verwurzelt. Hinzu kam die enge<br />
Zusammenarbeit mit der am gegenüberliegenden<br />
Hang stationierten US-<br />
Flugabwehrbatterie mit uns in der Aufbauphase.«<br />
Carl Schurz wurde somit<br />
zur Identifikationsfigur für die enge<br />
Militärgeschichte im Bild<br />
Carl Schurz –<br />
Namenspatron der Bundeswehrkaserne<br />
in Hardheim<br />
100. Todestag Carl Schurz –<br />
40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne Hardheim<br />
Haupteingang der Carl-<br />
Schurz-Kaserne Hardheim. Im<br />
Vordergrund der Namenszug<br />
mit Wappen. Im Hintergrund<br />
ist das Stabsgebäude zu sehen.<br />
Kooperation des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12 mit den amerikanischen<br />
Verbündeten in der Region. Die<br />
Patenschaft mit US-Flugabwehrverbänden<br />
aus Kitzingen wurde über 25 Jahre<br />
intensiv gepflegt. Nach der Auflösung<br />
des bis dahin letzten Patenverbandes,<br />
des 4th Bn 3rd Air Defense Artillery aus<br />
Kitzingen, im Sommer 2005 dauerte es<br />
nicht lange, bis an diese Tradition wieder<br />
angeknüpft werden konnte. Passend<br />
zum Jubiläum wurde eine neue<br />
Patenschaft mit dem 5th Bn 7th Air Defense<br />
Artillery aus Hanau geschlossen.<br />
2006 jährte sich nicht nur der 100. Todestag<br />
des Namenspatrons, sondern<br />
auch der 50. Jahrestag der Aufstellung<br />
Verbandes und der 40. Geburtstag<br />
seines Einzuges in die Carl-Schurz-<br />
Kaserne Hardheim. Dieses dreifache<br />
Jubiläum wurde auch zum Anlass genommen,<br />
sich intensiver mit der Tradition<br />
des Bataillons zu befassen. Anlässlich<br />
des »Tages der offenen Tür« wurde<br />
der Traditionsraum neu eingerichtet.<br />
Es sollte auch ein Ausstellungsbereich<br />
zu Carl Schurz geschaffen werden. Auf<br />
der Suche nach geeigneten Ausstellungsstücken<br />
trat der Projektbeauftragte,<br />
Oberstabsfeldwebel Bernd Ullrich,<br />
mit der Steuben-Schurz-Gesellschaft e.<br />
V. in Verbindung. Deren Präsidentin,<br />
Dr. Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels,<br />
nutzte die Eröffnung der Sonderausstellung<br />
»Hardheim – Partner der Bundeswehr,<br />
40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne«,<br />
um die Zusammenarbeit mit dem<br />
Hausherrn der Carl-Schurz-Kaserne<br />
auf neue Beine zu stellen. Es folgten<br />
Einladungen zu verschiedenen Anlässen,<br />
darunter zur Benefizveranstaltung<br />
anlässlich des 100. Todestags von Carl<br />
Schurz im Carl-Schurz-Gymnasium<br />
Frankfurt am Main.<br />
Seit dieser Zeit ist Oberstabsfeldwebel<br />
Bernd Ullrich Eigentümer eines von<br />
Ferry Ahrlé geschaffenen Portraits des<br />
Namenspatrons, das er bei der Benefizveranstaltung<br />
in Frankfurt am Main<br />
am 14. Mai 2006 ersteigerte. Außerdem<br />
wurde dem Panzerflugabwehrkanonenbataillon<br />
12 die Ehre zuteil, in<br />
den Besitz einer Originalhandschrift<br />
von Carl Schurz zu gelangen. In diesem<br />
Schreiben berichtet Schurz einem<br />
Unbekannten von seinen ersten politischen<br />
Schritten in seiner neuen Heimat,<br />
den Vereinigten Staaten von Amerika.<br />
Darüber hinaus wurde dem Bataillon<br />
zum 40. Jahrestag der Namensgebung<br />
»Carl-Schurz-Kaserne« ein von Franz<br />
Vogel gemaltes Carl Schurz Portrait gestiftet.<br />
Carl Schurz ist »ständiger Begleiter«<br />
der Soldatinnen und Soldaten im täglichen<br />
Dienstbetrieb. Den Eingangsbereich<br />
der Kaserne ziert der von weitem<br />
deutlich sichtbare Schriftzug des Namensgebers.<br />
Der Lebenslauf von Carl<br />
Schurz und seine Zitate finden sich<br />
ebenso im Stabsgebäude des Bataillons<br />
wie auch in der Standortbroschüre. In<br />
den Traditionsräumen werden Weiterbildungen<br />
sowie Veranstaltungen des<br />
Bataillons, der Gemeinde und des Patenverbandes<br />
durchgeführt.<br />
Carl Schurz ist aus der Tradition<br />
des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />
12 nicht mehr wegzudenken.<br />
Patrick Oberlé, Bernd Ullrich<br />
Fränkische Nachrichten<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />
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