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The Second Baden Revolution - Militärgeschichtliches ...

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Heft 4/2006<br />

Gemälde von Franz Vogel<br />

C 21234 ISSN 0940-4163<br />

Militärgeschichte im Bild: Carl Schurz (1829–1906), Namenspatron der Bundeswehrkaserne in Hardheim<br />

Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />

»<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />

General Johannes Steinhoff<br />

Die Invasion 1944


Impressum<br />

Editorial<br />

Militärgeschichte<br />

Zeitschrift für historische Bildung<br />

Herausgegeben<br />

vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt<br />

durch Oberst Dr. Hans Ehlert und<br />

Oberst i.G. Dr. Hans-Hubertus Mack (V.i.S.d.P.)<br />

Produktionsredakteur<br />

der aktuellen Ausgabe:<br />

Hauptmann Matthias Nicklaus M.A. (mn)<br />

Redaktion:<br />

Oberleutnant Julian-André Finke M.A. (jf)<br />

Oberleutnant Matthias Nicklaus M.A. (mn)<br />

Oberstleutnant Dr. Harald Potempa (hp)<br />

Mag. phil. Michael Thomae (mt)<br />

Bildredaktion:<br />

Dipl.-Phil. Marina Sandig<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Stefan Stahlberg, Cand. Phil. (StS)<br />

Lektorat:<br />

Dr. Aleksandar-S. Vuletić<br />

Layout/Grafik:<br />

Maurice Woynoski / Medienwerkstatt D. Lang<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

Redaktion »Militärgeschichte«<br />

Militärgeschichtliches Forschungsamt<br />

Postfach 60 11 22, 14411 Potsdam<br />

E-Mail: MGFARedaktionMilGeschichte@<br />

bundeswehr.org<br />

Telefax: (03 31) 97 14 -507<br />

Homepage: www.mgfa.de<br />

Manuskripte für die Militärgeschichte werden<br />

an diese Anschrift erbeten. Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte wird nicht gehaftet.<br />

Durch Annahme eines Manuskriptes erwirkt<br />

der Herausgeber auch das Recht zur Veröffentlichung,<br />

Übersetzung usw. Honorarabrechnung<br />

erfolgt jeweils nach Veröffentlichung. Die<br />

Redaktion behält sich Kürzungen eingereichter<br />

Beiträge vor. Nachdrucke, auch auszugsweise,<br />

fotomechanische Wiedergabe und Übersetzung<br />

sind nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung<br />

durch die Redaktion und mit Quellenangaben<br />

erlaubt. Dies gilt auch für die Aufnahme<br />

in elektronische Datenbanken und Vervielfältigungen<br />

auf CD-ROM. Die Redaktion hat keinerlei<br />

Einfluss auf die Gestaltung und die Inhalte<br />

derjenigen Seiten, auf die in dieser Zeitschrift<br />

durch Angabe eines Link verwiesen wird. Deshalb<br />

übernimmt die Redaktion keine Verantwortung<br />

für die Inhalte aller durch Angabe<br />

einer Linkadresse in dieser Zeitschrift genannten<br />

Seiten und deren Unterseiten. Dieses gilt<br />

für alle ausgewählten und angebotenen Links<br />

und für alle Seiteninhalte, zu denen Links oder<br />

Banner führen.<br />

© 2006 für alle Beiträge beim<br />

Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA)<br />

Sollten nicht in allen Fällen die Rechteinhaber<br />

ermittelt worden sein, bitten wir ggf. um<br />

Mitteilung.<br />

Druck:<br />

SKN Druck und Verlag GmbH & Co., Norden<br />

ISSN 0940-4163<br />

gemessen an ihren Zielen gilt die <strong>Revolution</strong> von 1848/49 gemeinhin als gescheitert,<br />

konnten in Deutschland doch weder die Forderung nach nationaler<br />

Einheit noch nach politischer Freiheit verwirklicht werden. Allerdings gab es<br />

Entwicklungen innerhalb der <strong>Revolution</strong>sphase, die auch zukünftig von Bedeutung<br />

sein sollten und die zugleich das gängige Bild von der gescheiterten<br />

<strong>Revolution</strong> relativieren. Ein solcher Prozess war die politische Mobilisierung<br />

der Gesellschaft durch die Märzbewegung<br />

und die damit verbundene weitreichende<br />

Politisierung der Bevölkerung.<br />

Diese umfasste alle gesellschaftlichen<br />

Schichten und wurde bereits von zeitgenössischen<br />

Historikern wie Wilhelm<br />

Zimmermann als sichtbares Zeichen eines<br />

Emanzipationsprozesses gewertet.<br />

Die Menschen wurden sich ihrer rechtlichen,<br />

politischen, sozialen oder geistigen<br />

Abhängigkeit bewusst und strebten<br />

nach Selbstbestimmung und Mündigkeit.<br />

Sie versuchten, sich von den gesellschaftlichen<br />

Zwängen zu befreien, die<br />

ihre Unmündigkeit und Abhängigkeit<br />

bedingten. Dabei intensivierten sie ihr politisches Verhalten. Die Bevölkerung<br />

diskutierte öffentlich auf den Straßen und Plätzen, in den Gasthäusern und Lesehallen.<br />

Vereine wurden gebildet und Versammlungen abgehalten. Politische<br />

Forderungen wurden formuliert und mit Nachdruck vertreten. Dieser Wille<br />

zur politischen Partizipation und die damit verbundenen Ideen und Ideale<br />

von Freiheit und Menschenrechten, von Demokratie und Pluralismus ließen<br />

sich nicht unter den Bajonetten der Reaktion ersticken. Jedoch mussten viele<br />

Protagonisten der <strong>Revolution</strong> Deutschland verlassen. In den USA fanden sie<br />

eine neue Heimat, die es ihnen ermöglichte, ihre revolutionären Ideale in politischen<br />

Taten zu verwirklichen. Unter den über 180 000 deutschen Einwanderern,<br />

die im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 auf der Seite der<br />

Nordstaaten kämpften, waren viele Veteranen von 1848/49.<br />

Diese sogenannten »Forty-Eighter« bilden den thematischen Schwerpunkt<br />

der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift Militärgeschichte. Wolfgang Hochbruck<br />

und Jürgen Dick werden versuchen, Ihnen diese Wirkungsgeschichte<br />

der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 und damit ein »externes« Kapitel deutscher Demokratiegeschichte<br />

näher zu bringen.<br />

Sollten wir dadurch Ihr Interesse an der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 im Allgemeinen<br />

sowie an der Rolle der Achtundvierziger im Amerikanischen Bürgerkrieg<br />

im Besonderen geweckt haben, so bietet Ihnen der Beitrag von Johannes<br />

Stahlberg »1848 im Internet« in der Rubrik Medien online/digital eine Auswahl<br />

an Informationsquellen aus dem World Wide Web.<br />

Vor 40 Jahren wurde General Johannes Steinhoff zum Inspekteur der Luftwaffe<br />

ernannt. Heiner Möllers beschreibt und analysiert das Wirken dieses<br />

Mannes vor dem Hintergrund der Starfighter-Krise.<br />

Der letzte Beitrag in diesem Heft beschäftigt sich mit der Landung der Alliierten<br />

in der Normandie. Thorsten Loch widmet sich der Frage, ob die Invasion<br />

die Wende im Zweiten Weltkrieg brachte.<br />

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich eine angenehme Lektüre der<br />

aktuellen Ausgabe und ein gesegnetes und friedvolles 2007!<br />

Ihr Matthias Nicklaus M.A.<br />

Hauptmann


Inhalt<br />

Vom <strong>Revolution</strong>är zum<br />

Namens patron: Carl Schurz als<br />

demokratisches Vorbild<br />

Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck, geboren 1959 in Aachen,<br />

Professor für Nordamerikanische Philologie und Kulturwissenschaft<br />

an der Albert Ludwigs-Universität Freiburg<br />

4<br />

Service<br />

Das historische Stichwort:<br />

Die Polenkrise 1980/81 22<br />

Medien online/digital 24<br />

Lesetipp 26<br />

Ausstellungen 28<br />

Geschichte kompakt 30<br />

»<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />

Deutsche Demokraten im Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg<br />

10<br />

Militärgeschichte<br />

im Bild<br />

Carl Schurz 31<br />

Generalarzt Dr. Jürgen Dick, geboren 1949,<br />

Medical Advisor SHAPE in Mons, Belgien<br />

General Johannes Steinhoff<br />

und die Luftwaffe<br />

Oberstleutnant Dr. Heiner Möllers, geboren 1965<br />

in Senden/Westfalen, Dezernent für Politische und<br />

Historische Bildung im Luftwaffenamt<br />

14<br />

Carl Schurz, Namenspatron der<br />

Bundeswehrkaserne in Hardheim.<br />

Das Portrait wurde von Franz Vogel,<br />

geboren 1925 in Miltenberg, ehemaliger<br />

Realschullehrer, anlässlich des<br />

100. Todestags von Carl Schurz und<br />

des 40. Jahrestags der Namensgebung<br />

»Carl-Schurz-Kaserne« gemalt<br />

und dem Panzerflugabwehrkanonenbataillon<br />

12 gestiftet.<br />

Die Invasion 1944 – Wende im<br />

Zweiten Weltkrieg?<br />

Hauptmann Dr. Thorsten Loch, geboren 1975 in<br />

Andernach, Kompaniechef 8./Wachbataillon beim<br />

Bundesministerium der Verteidigung, Berlin<br />

18<br />

Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />

Hauptmann Patrick Oberlé, PzFlakBtl 12<br />

Oberstabsfeldwebel Bernd Ullrich,<br />

PzFlakBtl 12<br />

Berichtigung:<br />

Im Heft 3/2006 sind die Herkunftsnachweise<br />

der Fotos auf den Seiten 22, 23<br />

und 31 (oben) nicht angegeben.<br />

Die Nachweise sind: S. 22 und S. 23<br />

(oben) akg-images, S. 23 (unten) Haus<br />

der Geschichte, Bonn und S. 31 (oben)<br />

Bundesregierung/Schaak.<br />

Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.


Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />

Vom <strong>Revolution</strong>är<br />

zum Namenspatron:<br />

Carl Schurz als<br />

demokratisches<br />

Vorbild<br />

Im Morningside Park von New York<br />

befindet sich nahe der berühmten<br />

Columbia University eine neun Fuß<br />

hohe Bronzestatue. Auf dem Sockel<br />

steht:<br />

VERTEIDIGER DER FREIHEIT<br />

UND FREUND DES RECHTS<br />

Der da seit 1913 geehrt wird, ist der<br />

deutsche Freiheitskämpfer und Exilant,<br />

Zeitungsherausgeber, Bürgerkriegsgeneral,<br />

Senator und US-Innenminister<br />

Carl Schurz. Gestorben war er<br />

im Mai 1906 und der berühmte Mark<br />

Twain hatte ihm damals einen Nachruf<br />

gewidmet, in dem er Schurz als seinen<br />

politischen Wegweiser bezeichnete.<br />

Mit Abraham Lincoln, dem amerikanischen<br />

Präsidenten, der die Sklaven<br />

befreite, war Schurz befreundet gewesen.<br />

Das ist zum einen keine schlechte<br />

Karriere für jemanden, der nach der<br />

verlorenen <strong>Revolution</strong> von 1848/49 mit<br />

knapper Not durch einen Abwasserkanal<br />

aus der eingeschlossenen Festung<br />

Rastatt entkommen war. Zum anderen<br />

weckt es Interesse: Wer war der Mann,<br />

nach dem in Deutschland und auch in<br />

den USA Straßen, Schulen, Kasernen<br />

und andere öffentliche Gebäude benannt<br />

sind? Was machte ausgerechnet<br />

den Lehrersohn aus Liblar im preußischen<br />

Rheinland zu dieser wichtigen<br />

Figur?<br />

Carl-Schurz-Denkmal in Manhattan.<br />

Carl Schurz war ein in der politischen<br />

Verantwortung moderat gewordener<br />

»Revoluzzer«. Seine realpolitischen<br />

Wendemanöver in den USA als Senator<br />

und Innenminister brachten ihm<br />

zunächst viel Kritik von alten Weggefährten<br />

ein. Seine Rolle als Verteidiger<br />

der Menschen- und Freiheitsrechte ließ<br />

aber in der Rückschau und Erinnerung<br />

diese Kritik verblassen und führte zur<br />

Gründung einer eigenen »Carl Schurz<br />

Memorial Foundation« nach seinem<br />

Tod.<br />

Außerdem lässt sich feststellen, dass<br />

die Symbolfigur Carl Schurz für das<br />

bundesrepublikanische demokratische<br />

Deutschland von 1948/49 viel wichtiger<br />

wurde, als es der historische Schurz<br />

als unbedeutender Teilnehmer der <strong>Revolution</strong><br />

von 1848/49 jemals gewesen<br />

sein konnte. Insofern lohnt sich auch<br />

für uns ein ausführlicher Blick auf die<br />

Person Carl Schurz.<br />

Für die Erinnerung an ihn hatte<br />

niemand so intensiv vorgesorgt wie<br />

Schurz selbst. Er war eine dünne, lang-<br />

ullstein bild<br />

4 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


Ullstein bild<br />

Carl Schurz als General der<br />

Nordstaaten im Sezessionskrieg.<br />

»I fights mit Sigel«<br />

An die dreißig Freiwilligen-Regimenter der<br />

ersten Kriegsjahre fanden sich als nahezu<br />

komplett deutsche Einheiten zusammen;<br />

viele andere Regimenter hatten deutsche<br />

Kompanien. »I fights mit Sigel« soll – in<br />

einer Mischung aus Deutsch und Englisch<br />

– das Motto vieler dieser Verbände und<br />

auch einzelner Freiwilliger gewesen sein.<br />

Der badische Bürgergeneral von 1849 Franz<br />

Sigel (Sinsheim 1824 – New York 1902) war<br />

der populärste »Achtundvierziger«/»Fortyeighter«<br />

dieser Jahre (siehe auch den<br />

Großbeitrag »<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />

in diesem Heft).<br />

Der Begriff »dutch« ist eine Verballhornung<br />

von »deutsch«.<br />

Franz Sigel als General der Badischen<br />

Freiheitsarmee 1849. Lithographie.<br />

Generallandesarchiv Karlsruhe, J-Ac-S/164<br />

beinige Gestalt von fast einem Meter<br />

neunzig, dessen steifer Gang, eng sitzender<br />

Gehrock und vor allem dessen<br />

struppiger »Achtundvierziger«-Bart<br />

im glattrasierten New York von 1900<br />

ihn eher zum komischen Typ machte<br />

als zur Denkmalsfigur. Mit der teilweisen<br />

Fertigstellung seiner mehrbändigen<br />

Memoiren noch kurz vor seinem<br />

Tod 1906 hatte sich Schurz gleichwohl<br />

selbst ein Denkmal gesetzt: Schon damals<br />

beleuchteten Politiker im Ruhestand<br />

ihr Leben natürlich gerne in einem<br />

für sie selbst günstigen Licht.<br />

Dabei hatte Schurz einiges an Einsatz<br />

und Abenteuern vorzuweisen: Er war<br />

Offizier der <strong>Revolution</strong>sarmee in der<br />

Reichsverfassungskampagne von 1849<br />

gewesen, hatte seinen Freund und Lehrer<br />

Gottfried Kinkel aus dem Spandauer<br />

Gefängnis befreit. Als brillanter<br />

Redner an der Seite Abraham Lincolns<br />

und entschiedener Gegner der Sklaverei<br />

war er eine der treibenden Kräfte<br />

der Bewegung zur Sklavenbefreiung in<br />

den USA gewesen. Schließlich war er<br />

einer von fünf Deutschen – alle wie er<br />

ehemalige <strong>Revolution</strong>äre von 1848/49<br />

–, die in der Unionsarmee den Rang eines<br />

Generalmajors erreichten.<br />

Als General hatte er allerdings,<br />

wenn auch nicht schlecht, so doch<br />

gleich mehrfach recht glücklos agiert:<br />

Bei der zweiten Schlacht am Bull Run<br />

war es Schurz trotz großer persönlicher<br />

Tapferkeit im August 1862 nicht<br />

gelungen, die Niederlage der zu diesem<br />

Zeitpunkt vom wenig fähigen General<br />

Pope kommandierten Unionsarmee<br />

zu verhindern. Bei Chancellorsville<br />

und wieder bei Gettysburg waren im<br />

Mai und Juli 1863 von ihm kommandierte<br />

Verbände in unhaltbare Situationen<br />

geraten und unter dem Druck<br />

zahlenmäßig und in ihrer taktischen<br />

Disposition überlegener angreifender<br />

Konföderierter auseinandergebrochen.<br />

Die fremdenfeindliche Presse witzelte<br />

über Schurz, indem sie dem populären<br />

Wahlspruch der Deutschamerikaner »I<br />

fights mit Sigel« ein gehässiges »... and<br />

runs mit Schurz« anhängte, was den<br />

ehrgeizigen Schurz bis an sein Lebensende<br />

kränken sollte.<br />

An der spektakulären Erstürmung<br />

des Höhenrückens von Missionary<br />

Ridge im November 1863 war Schurz’<br />

Division nur am Rande beteiligt gewesen.<br />

1864 hatte Lincoln den »politischen«<br />

General Schurz für seinen<br />

Wahlkampf gebraucht, und so war er<br />

auf ein Kommando hinter der Front abgezogen<br />

worden.<br />

In Hinblick auf die Überprüfbarkeit<br />

seiner Selbstdarstellung in der <strong>Revolution</strong><br />

von 1848/49 muss man feststellen,<br />

dass die Quellenlage schwierig ist.<br />

Für eine ganze Reihe von Episoden,<br />

einschließlich seiner Fluchtgeschichte<br />

aus Rastatt, ist der einzige Beleg eben<br />

seine Autobiografie. Die Stationen seiner<br />

politischen Karriere sind besser dokumentiert:<br />

Gesandter am Spanischen<br />

Hof, Senator für Missouri und Mitglied<br />

im Auswärtigen Ausschuss des Kongresses,<br />

schließlich Innenminister in<br />

der Hayes-Administration (siehe Zeittafel<br />

nächste Seite).<br />

Schurz war ein geachteter und gefürchteter<br />

Politiker und Journalist, den<br />

schon 1867 und wieder in den 1880er<br />

Jahren der deutsche Reichskanzler<br />

Otto von Bismarck in Berlin empfangen<br />

hatte. Und er blieb ein Idealist, der<br />

sich, unter anderem, mit großem Eifer<br />

an eine Reform des korrupten und<br />

nach jeder Präsidentenwahl aufs Neue<br />

an Wahlhelfer und Finanziers verteilten<br />

Ämtersystems der Zivilverwaltung<br />

in Washington gemacht hatte.<br />

Als »idealer Dutchman«<br />

in den USA<br />

Die dreibändigen Memoiren verkauften<br />

sich nach Schurz‘ Tod gut und halfen,<br />

den alten »Forty-eighter« auf das<br />

Monument zu heben, das ihm 1913 von<br />

der »Carl Schurz Memorial Foundation«<br />

errichtet wurde. Schurz wurde<br />

in diesen Jahren für die Amerikaner<br />

der »ideale Deutsche«. Eine Stiftungsprofessur<br />

an der Universität von Wisconsin,<br />

die deutschen Gastprofessoren<br />

ein Jahr Forschung in den USA ermöglichen<br />

sollte, wurde 1912 eingerichtet<br />

als Ehrenbezeugung vor dem ehemaligen<br />

Geschichtsstudenten Schurz, der<br />

als Alterswerke noch sehr beachtliche<br />

Biografien Lincolns und des Politikers<br />

Henry Clay vorgelegt hatte.<br />

Wie sehr Schurz für das Amerika dieser<br />

Tage den idealen Typus des deutschen<br />

Einwanderer-Dichters und (politischen)<br />

Denkers darstellte, wird<br />

anhand der Erinnerung an seine Person<br />

in den Weltkriegen deutlich: Als<br />

die US-Marine mit dem Kriegseintritt<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

5


Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />

Zeittafel Carl Schurz<br />

1829 geb. am 2. März in Liblar im Rheinland.<br />

1839 –1846 Schüler an einem Gymnasium in Köln.<br />

1846/47 Gasthörer an der Universität Bonn. Abiturprüfung.<br />

1847/48 Student der Philologie und Geschichte an der Bonner Universität. Vorlesungen<br />

bei Professor Gottfried Kinkel. Mitglied der Burschenschaft Frankonia.<br />

1848 Febr./März <strong>Revolution</strong> in Paris, Wien und Berlin. Zusammen mit Kinkel agitatorische<br />

Arbeit im »Demokratischen Club« und in der Redaktion der »Bonner Zeitung«.<br />

Ab September Vertreter der Bonner Studentenschaft beim Studentenkongress<br />

in Eisenach.<br />

1849 Reichsverfassungskampagne. Teilnahme an Kämpfen in der Pfalz und in<br />

<strong>Baden</strong>. Flucht über Frankreich in die Schweiz.<br />

1850 7. Nov. Befreiung Kinkels aus dem Gefängnis Spandau, gemeinsame Flucht nach<br />

Großbritannien.<br />

1852 6. Juli Heirat mit Margarethe Meyer in London. Im Aug./Sept. Überfahrt nach<br />

New York.<br />

1854 Hauskauf in Watertown, Wisconsin.<br />

1855 Europareise wegen Erkrankung seiner Ehefrau.<br />

1856 Teilnahme an Wahlkampagne des Präsidentschaftskandidaten der neuen,<br />

sklavereikritischen Republikanischen Partei, John C. Frémont.<br />

1857 Kandidat der Republikaner für das Amt des Vizegouverneurs von Wisconsin.<br />

1858/59 Rechtsanwalt. Vortragsreisen.<br />

1860 Vorsitzender der Wisconsin-Delegierten beim Republikanischen Nationalkonvent<br />

in Chicago. Wahlkampagne für Abraham Lincoln.<br />

1861 Beginn der Sezessionskrise nach der Wahl Lincolns zum Präsidenten.<br />

Gesandter der USA am Spanischen Hof.<br />

1862 Rückkehr in die USA. Ernennung zum Brigadegeneral.<br />

1863 Generalmajor. In der Kritik nach Niederlage bei Chancellorsville.<br />

1864 Posten in Nashville, Tennessee. Mitarbeit an Lincolns Wahlkampagne.<br />

1865 Nach Kapitulation der konföderierten Armeen im April/Juni und Ermordung<br />

Lincolns im Auftrag von Präsident Andrew Johnson Reise durch den Süden,<br />

um über die Kriegsfolgen zu berichten.<br />

1865/66 Washingtoner Korrespondent der New Yorker »Tribune«.<br />

1867/68 Deutschlandreise. Treffen mit Bismarck.<br />

1869/75 Senator für Missouri in Washington. Gründung der Liberalrepublikanischen<br />

Partei.<br />

1875 Europareise.<br />

1877–1881 Innenminister unter Präsident Rutherford B. Hayes. Einsatz für gerechtere<br />

Indianerpolitik und Reform des öffentlichen Dienstes, gegen Arbeiterstreiks.<br />

1881–1883 Redakteur der »New York Evening Post« und der »Nation«.<br />

1886 Veröffentlichung der Biografie über den Politiker und entschiedenen Gegner<br />

der Sklaverei Henry Clay (1777–1852).<br />

1888–1892 Generalvertreter für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Aktien-<br />

Gesellschaft (HAPAG).<br />

1892–1898 Kolumnist für »Harper‘s Weekly«. Einsatz für die Zivildienstreform und gegen<br />

den Imperialismus.<br />

1901–1906 Arbeit an den Lebenserinnerungen.<br />

1906 14. Mai gestorben in New York City.<br />

1913 Einweihung des Schurz-Denkmals in New York.<br />

6 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


Bibliothek für Zeitgeschichte Stuttgart<br />

Die nationalsozialistischen Machthaber<br />

konnten mit dem erklärten Sklavereigegner<br />

und Antiimperialisten Schurz<br />

nur wenig anfangen – zwei noch in den<br />

1930er Jahren erschienene Bücher hoben<br />

stattdessen Schurz als Deutschen in<br />

Amerika in den Vordergrund, über den<br />

Bismarck gesagt haben soll: »Als Deutscher<br />

bin ich stolz auf Carl Schurz.«<br />

Als Pate der bundesrepublikanischen<br />

Demokratie<br />

S.M.S. Geier, interniert in Honolulu, ca. 1916.<br />

1917 den seit 1914 in Honolulu internierten<br />

deutschen Kleinen Kreuzer<br />

S.M.S. Geier übernahm, wurde er als<br />

USS Carl Schurz wieder in Dienst gestellt.<br />

Ebenso fuhr während des Zweiten<br />

Weltkriegs ein Liberty-Schiff, ein<br />

bewaffneter Marine-Frachter namens<br />

USS Carl Schurz, über den Atlantik.<br />

Die »Carl Schurz Memorial Foundation«<br />

gab noch jahrzehntelang, nachdem<br />

sie mit dem Carl-Schurz-Denkmal<br />

ihren ursprünglichen Zweck erfüllt<br />

hatte, die »American-German Review«<br />

heraus. Die Schurz-Professur an der<br />

Universität von Wisconsin, zu deren<br />

»Board of Regents« Schurz gehört hatte,<br />

besteht bis in unsere Tage fort. In<br />

der populären Kultur der USA wurde<br />

das Bild des hochgewachsenen Schurz<br />

allerdings seit Mitte der 1960er Jahre<br />

überlagert von John Fords Western<br />

»Cheyenne«, in welchem der kurzbeinige<br />

Schauspieler Edward G. Robinson<br />

als »Carl Schurz« gerade noch rechtzeitig<br />

erscheint, um die von der Vernichtung<br />

bedrohten Indianer zu retten.<br />

Carl Schurz e.V.« und 1929 fand<br />

im Reichstagsgebäude eine vom<br />

Westdeutschen Rundfunk übertragene<br />

Feierstunde zum 100. Geburtstag<br />

statt. Die bei dieser Gelegenheit<br />

aufgestellte Schurz-Büste<br />

landete aber schon bald darauf bei<br />

der Gemeinde Oberkassel – die<br />

Innenarchitektur des Reichstags<br />

wurde umgestaltet. Wenige Jahre<br />

später hatte nicht nur die Innenarchitektur<br />

keinen Platz mehr für<br />

Carl Schurz.<br />

Dass Carl Schurz immerhin von der<br />

Weimarer Republik geehrt und von den<br />

Nationalsozialisten nicht propagandistisch<br />

missbraucht worden war, machte<br />

den Weg frei dafür, dass er mit dem<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs unter<br />

den Vorzeichen einer (west-)deutschamerikanischen<br />

Freundschaft von bisher<br />

nicht gekanntem Ausmaß zu neuen<br />

Ehren kommen konnte. 1946/47 war<br />

die deutsch-amerikanische Annäherung<br />

unter den Vorzeichen des Kalten<br />

Krieges schon unübersehbar. Mit<br />

Care-Paketen und Hoover-Speisungen<br />

kamen die Amerikaner den in bitterer<br />

Not lebenden Deutschen menschlich<br />

entgegen. Die Stuttgarter »Rede der<br />

Hoffnung« des amerikanischen Außenministers<br />

James F. Byrnes vom September<br />

1946 sowie die Truman-Doktrin<br />

ullstein – AKG<br />

Kaiserreich, Weimar und NS-Zeit<br />

Auf der deutschen Seite blieb das Interesse<br />

an Schurz zunächst spärlich.<br />

Im Kaiserreich hatte man für den ehemaligen<br />

<strong>Revolution</strong>är keine Verwendung<br />

und auch die Weimarer Republik<br />

machte sich das Andenken an Schurz<br />

erst spät zunutze. 1926 formierte sich<br />

in Berlin unter Beteiligung von Reichstagsabgeordneten<br />

die »Vereinigung<br />

Unterredung zwischen Carl Schurz und Reichskanzler Otto von Bismarck im<br />

Berliner Reichskanzlerpalais.<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

7


Carl Schurz als demokratisches Vorbild<br />

Paulskirche –<br />

Wiege der deutschen Demokratie<br />

Am 18. Mai 1848 trat in der Paulskirche zu<br />

Frankfurt am Main das erste frei gewählte<br />

deutsche Parlament, die Frankfurter Nationalversammlung,<br />

zusammen. Die folgenden<br />

Monate waren von der Arbeit an einer Verfassung<br />

für ein vereinigtes Deutschland geprägt.<br />

Die Verfassung sah vor, dass Deutschland<br />

eine konstitutionelle Erbmonarchie<br />

werden sollte. Zum erblichen Kaiser wurde<br />

am 28. März 1849 der preußische König<br />

Friedrich Wilhelm IV. gewählt. Dessen Ablehnung<br />

der deutschen Kaiserwürde bedeutete<br />

jedoch das Scheitern der Paulskirchenverfassung.<br />

Der im Mai 1849 folgende Aufstand<br />

zur Durchsetzung der Verfassung, die sogenannte<br />

Reichsverfassungskampagne, wurde<br />

niedergeschlagen. Die »Grundrechte des<br />

deutschen Volkes«, die den Kern der Paulskirchenverfassung<br />

bildeten, wurden 1949 zum<br />

Teil wörtlich in das Grundgesetz der Bundesrepublik<br />

Deutschland übernommen. mn<br />

Die Abgeordneten der Frankfurter<br />

Nationalversammlung tagen in der<br />

Paulskirche. 1848. Farblithographie<br />

von Gustav May.<br />

ullstein bild<br />

vom März 1947 zeichneten nicht nur<br />

Strategien vor, wie die Expansion des<br />

Kommunismus einzudämmen sei, sondern<br />

auch, wie man Westdeutschland<br />

in eine neue politische, wirtschaftliche<br />

und militärische Allianz einbeziehen<br />

wollte.<br />

Für diese Zwecke wurde das Andenken<br />

an Carl Schurz nachhaltig mobilisiert.<br />

Der Befreier Kinkels und radikale<br />

Demokrat trat dazu hinter den Staatsmann<br />

und Bürgerkriegsgeneral zurück.<br />

Sein Leben wurde gedeutet als »Geschichte<br />

eines Mannes, der für den Geist<br />

der Freiheit in einem fremden Lande<br />

kämpfte, da er‘s im eigenen nicht vermochte«,<br />

so Joachim Maass in seinem<br />

1949 erschienenen Buch »Der unermüdliche<br />

Rebell – Leben, Taten und Vermächtnis<br />

des Carl Schurz«. Maass‘ Buch<br />

wurde ebenso wie das von Hanns Höwing<br />

von den alliierten Zensurbehörden<br />

bevorzugt behandelt und in für die<br />

damalige Zeit hoher Auflage verbreitet.<br />

Der fast vergessene Schurz erlebte in<br />

jenen Tagen eine unglaubliche Renaissance.<br />

Es waren gleichermaßen der republikanische<br />

Deutschamerikaner und<br />

der Bismarck-Gesprächspartner gefragt:<br />

Schurz konnte für Demokraten<br />

wie für Deutschnationale ein Identifikationsangebot<br />

liefern. Bezeichnend ist<br />

ein Druckfehler in der Achtundvierziger-Sondernummer<br />

der American-German<br />

Review vom August 1948, in deren<br />

Inhaltsverzeichnis ein Artikel von Ottmar<br />

Bühler als »Carl Schurz and the<br />

<strong>Revolution</strong> of 1948« angekündigt wird,<br />

obwohl eigentlich die <strong>Revolution</strong> von<br />

1848 gemeint war.<br />

Der schon 1926 an der Gründung<br />

der »Vereinigung Carl Schurz« in Berlin<br />

beteiligte Reichstagspräsident Paul<br />

Löbe war eines der Gründungsmitglieder<br />

einer neuen »Carl-Schurz-Gesellschaft«,<br />

die im August 1948 in der in<br />

aller Eile wiederaufgebauten Paulskirche<br />

in Frankfurt am Main ins Leben gerufen<br />

wurde. Die Kombination ist sinnfällig:<br />

Die Paulskirche symbolisiert den<br />

ehrenhaften, wenn auch immer fehlgeschlagenen<br />

Versuch der eigenen Republik.<br />

Schurz ist der Verbindungsmann<br />

dieser Republikaner zu den Amerikanern<br />

und von dort wieder zurück nach<br />

Deutschland: Wer es zum Senator und<br />

US-Minister gebracht hat, der darf Vorbild<br />

sein.<br />

Man hätte vermuten können, dass<br />

1948 auch andere prominente Achtundvierziger<br />

lokal, regional und national<br />

wieder in Erinnerung gerufen<br />

werden sollten. Das scheint aber nicht<br />

oder nur begrenzt der Fall gewesen zu<br />

sein. Die Konzentration auf Schurz war<br />

1948/49 besonders auffällig: In 35 westdeutschen<br />

Städten wurden Straßen<br />

und Wege nach ihm benannt. Manchmal<br />

liegen die Schurz-Straßen in Stadtvierteln,<br />

die den Namen prominenter<br />

Amerikaner tragen, wie die Lincoln-<br />

Siedlung in Braunschweig. Auch Schulen<br />

und Studentenwohnheime, vor allem<br />

an Orten, die in einer Verbindung<br />

zu Schurz gestanden hatten, erhielten<br />

seinen Namen. Im neugebauten Bonner<br />

Carl-Schurz-Colleg wurde 1956<br />

nach 25 Jahren die Schurz-Büste aus<br />

dem Reichstag von 1929 wieder der Öffentlichkeit<br />

präsentiert.<br />

Schurz‘ Name wurde auch bemüht,<br />

als im hundertsten Jahr nach seiner Ankunft<br />

in den USA der Grundstein für<br />

die neue American Memorial Library<br />

in Berlin gelegt wurde. Der amerikanische<br />

Botschafter Dean Acheson erwähnte<br />

ihn in seiner Rede am 28. Juni<br />

1952 zwar mehrfach, aber benannt<br />

wurde die Bibliothek nicht nach Carl<br />

Schurz, und auch Bemühungen, die<br />

Freie Universität Berlin nach ihm zu<br />

benennen, verliefen erfolglos.<br />

Ein Grund dafür mag sein, dass die<br />

Schurz-Erinnerung nach der deutschamerikanisch<br />

inspirierten demokratischen<br />

Welle von 1948/49 zunehmend<br />

von eher konservativen Kreisen und<br />

Wirtschaftskreisen für ihre Interessen<br />

instrumentalisiert wurde. In diesem<br />

Sinne ist das Wirken der im »Revolu-<br />

Nach Carl Schurz benannte Schulen und<br />

universitäre Einrichtungen in<br />

Deutschland und USA (Auswahl)<br />

Carl-Schurz-Grundschule Berlin<br />

Carl-Schurz-Grundschule Bonn<br />

Carl-Schurz-Realschule Bonn<br />

Grundschule an der Carl-Schurz-Straße in<br />

Bremen<br />

Carl-Schurz-Schule Rastatt<br />

Carl-Schurz-Schule Erftstadt-Liblar<br />

Carl Schurz Schule Frankfurt am Main<br />

Carl-Schurz-Schule Darmstadt<br />

Carl-Schurz-Realschule Bad Godesberg<br />

Carl-Schurz-Haus, Studentenwohnheim<br />

Ruhr Universität Bochum<br />

Carl-Schurz-Haus,<br />

Studentenwohnheim Universität Bonn<br />

Carl Schurz Elementary School<br />

New Braunfels, Texas<br />

Schurz High School Chicago<br />

Schurz Hall,<br />

University of Missouri, Columbia MO<br />

Carl-Schurz-Schule<br />

in Frankfurt a.M.<br />

ullstein bild<br />

8 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


tionsjahr« 1948 gegründeten »Steuben-<br />

Schurz-Gesellschaft« zu sehen. Der Beginn<br />

der Berliner Luftbrücke im Juni<br />

1948 hatte unter anderem zu einer<br />

schlagartigen Welle von Gründungen<br />

von deutsch-amerikanischen Freundschaftsclubs<br />

und Vereinigungen zur<br />

Pflege der internationalen Beziehungen<br />

Deutschlands geführt. In Wiesbaden<br />

knüpfte man zu diesem Zweck an<br />

die »Steuben-Gesellschaft« an, die bis<br />

zu ihrer Auflösung durch die Nationalsozialisten<br />

von 1930 bis 1933 in Berlin<br />

bestanden hatte. Man fügte der Neugründung<br />

den Namen von Carl Schurz<br />

als Symbol der deutschen Demokratiebewegung<br />

hinzu. So erhielt die neue<br />

Gesellschaft, die unter dem 1. August<br />

1948 in das Vereinsregister eingetragen<br />

wurde, den Namen »Steuben-Schurz-<br />

Gesellschaft«. Im Vorstand waren von<br />

Anfang an Großindustrielle, Bankiers<br />

sowie Angehörige des Hochadels stark<br />

vertreten. Bereits 1950 ging die »Paulskirchen-Schurz-Gesellschaft«<br />

in der<br />

»Steuben-Schurz-Gesellschaft« auf.<br />

Eine dritte »Carl Schurz Gesellschaft«<br />

wurde 1949 in Bremen gegründet. Sie<br />

stand von Anfang an in enger Verbindung<br />

zum Bremer Senat. Dies zeigt sich<br />

auch darin, dass fast alle Präsidenten<br />

der Gesellschaft amtierende Senatoren<br />

waren. Die Gesellschaft hat sich seit<br />

Anbeginn um die Vertiefung deutschamerikanischer<br />

Beziehungen gekümmert.<br />

Es wurden und werden immer<br />

wieder Vortragsveranstaltungen mit<br />

namhaften Referenten organisiert. Ein<br />

Schwerpunkt der früheren Arbeit war,<br />

Kontakte zu den in Garlstedt und Bremerhaven<br />

stationierten US-Truppen zu<br />

knüpfen. Dazu passt, dass die US-Kaserne<br />

in Bremerhaven den Namen Carl<br />

Schurz trug. Auch die Umbenennung<br />

der »Bauland-Kaserne« der Bundeswehr<br />

in Hardheim im November 1966<br />

in »Carl-Schurz-Kaserne« war als Zeichen<br />

der deutsch-amerikanischen Verständigung<br />

gedacht.<br />

Zuletzt diente Carl Schurz im März<br />

1969 als Namenspatron: Zu seinem<br />

140. Geburtstag wurde das Freiburger<br />

Amerikahaus in Carl-Schurz-Haus umbenannt<br />

– vermutlich, um den anhaltenden<br />

antiamerikanischen Vietnamkriegsprotesten<br />

durch den Verweis auf<br />

die deutsch-amerikanischen demokratischen<br />

Gemeinsamkeiten die Schärfe<br />

zu nehmen. Man kann an dieser Benennung<br />

ablesen, wie wirksam die Symbolfigur<br />

Schurz zu diesem Zeitpunkt in<br />

Deutschland immer noch war. Schurz<br />

selbst war Zeit seines Lebens nicht in<br />

Freiburg i.Br. gewesen und hatte keinerlei<br />

Verbindung dorthin. Wenn ihm<br />

bei der Namensgebung 1969 der Vorzug<br />

gegeben wurde vor der Volkstribunsgestalt<br />

Friedrich Hecker und dem<br />

<strong>Revolution</strong>sgeneral Franz Sigel, die beide<br />

deutliche Freiburger Verbindungen<br />

aufweisen und wie Schurz im Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg gekämpft hatten<br />

sowie in der deutsch-amerikanischen<br />

Öffentlichkeit bekannte Figuren waren,<br />

wenn also stattdessen der Nicht-Freiburger<br />

Schurz Namenspatron werden<br />

musste, dann ist damit wieder die politische<br />

Botschaft der »<strong>Revolution</strong> von<br />

1948/49«, die Suche nach dem deutschamerikanischen<br />

Wunschdemokraten,<br />

verbunden.<br />

Als Carl Schurz 1899 bei Vollendung<br />

seines 70. Lebensjahres von der Columbia<br />

University zum Ehrendoktor<br />

ernannt wurde, hieß es über ihn in der<br />

Festrede: »Er hat geschrieben und gesprochen<br />

und gekämpft, in der alten<br />

Welt und in der neuen, für die großen<br />

Ideen unseres Jahrhunderts.« Das<br />

kann als Vermächtnis des Carl Schurz<br />

stehen bleiben. Für die »Achtundvierziger«<br />

der neuen Bundesrepublik von<br />

1948/49 war Schurz der Vorzeige-<strong>Revolution</strong>är,<br />

Realpolitiker, Verteidiger der<br />

Menschenrechte und deutsch-amerikanische<br />

Demokrat, auf den sich alle<br />

einigen konnten. Diesen Schurz und<br />

die anderen Achtundvierziger, die in<br />

den USA Freiheit und Einheit verteidigen<br />

halfen und für die Abschaffung der<br />

Sklaverei sorgten, gilt es heute, in einer<br />

an positiven Vorbildern armen Zeit,<br />

wieder neu zu entdecken (siehe den<br />

Artikel von J. Dick in diesem Heft).<br />

• Wolfgang Hochbruck<br />

Carl Schurz in seinem Arbeitszimmer.<br />

ullstein bild<br />

Literaturtipp:<br />

Walter Kessler, Carl Schurz – Kampf, Exil<br />

und Karriere, Köln 2006<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

9


<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong><br />

»<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong>«<br />

Deutsche<br />

Demokraten im<br />

Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg<br />

Deutsch-amerikanische Generale<br />

im Amerikanischen Bürgerkrieg,<br />

unter ihnen Franz Sigel (oben),<br />

Carl Schurz (2. Reihe re.) und<br />

Peter Joseph Osterhaus (2. Reihe<br />

v.u., re.). Stahlstich, 1865.<br />

Als am 5. Juli 1861 Colonel Franz<br />

Sigel, der Kommandeur einer<br />

1100 Mann starken Unionstruppe,<br />

seiner Artillerie den Feuerbefehl<br />

gab, eröffnete er bei Carthage in<br />

der äußersten Südwestecke des US-<br />

Bundesstaates Missouri eines der<br />

ersten größeren Gefechte des Amerikanischen<br />

Bürgerkrieges (auch Sezessionskrieg<br />

genannt). Seine in St. Louis<br />

rekrutierten Soldaten waren überwiegend<br />

deutschstämmige Freiwillige, die<br />

Kommandosprache war Deutsch.<br />

Nach der militärischen Niederlage<br />

der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 waren Tausende<br />

der aktiven deutschen Demokraten<br />

ins Exil gegangen und viele waren<br />

über die Schweiz nach Frankreich oder<br />

Großbritannien und schließlich in die<br />

USA gelangt.<br />

Als dort 1861 der Bürgerkrieg ausbrach,<br />

war dieser für die meisten emigrierten<br />

deutschen Demokraten – die<br />

»Forty-eighter«, wie sie in den USA genannt<br />

werden – nicht nur ein Kampf<br />

zwischen Nord und Süd um den Erhalt<br />

der Union. Auch die Sklavenbefreiung<br />

war für sie ein wesentliches Kriegsziel.<br />

Insbesondere für diejenigen, die in der<br />

sogenannten Reichsverfassungskampagne<br />

von 1849 (zur Durchsetzung der<br />

Paulskirchenverfassung; siehe Infokasten<br />

auf S. 8) in der badisch-pfälzischen<br />

<strong>Revolution</strong>sarmee gekämpft hatten,<br />

wurde der Sezessionskrieg zum »Zweiten<br />

Freiheitskampf« oder aber – speziell<br />

in Missouri – zur »<strong>Second</strong> <strong>Baden</strong><br />

<strong>Revolution</strong>« und somit zu einem erneuten<br />

Eintreten für Menschenrechte,<br />

Freiheit und Demokratie. Achtundvierziger,<br />

die bereits in der Reichsverfassungskampagne<br />

militärische Verantwortung<br />

getragen hatten, übernahmen<br />

auch jetzt wieder Führungsfunktionen<br />

und wurden zu Kommandeuren von<br />

Freiwilligenregimentern gewählt. Sie<br />

übten eine Vorbildfunktion für die Anwerbung<br />

weiterer deutschstämmiger<br />

Soldaten aus.<br />

Der Kampf um<br />

Missouri 1861/62<br />

In St. Louis im US-Bundesstaat Missouri<br />

mit einem besonders hohen Anteil<br />

deutschstämmiger Einwohner war es<br />

der <strong>Revolution</strong>sveteran Franz Sigel, der<br />

eines der vier »deutschen« Regimenter,<br />

das 3. Missouri Volunteer Infantery Regiment,<br />

aufstellte. Als 23-jähriger ehemaliger<br />

badischer Infanterieleutnant<br />

hatte er sich 1848 den Aufständischen<br />

in <strong>Baden</strong> angeschlossen. Er war einer<br />

der militärischen Führer des »Heckerzuges«,<br />

1849 Kriegsminister in der badischen<br />

<strong>Revolution</strong>sregierung sowie<br />

zeitweise Oberkommandierender der<br />

<strong>Revolution</strong>struppen. Mit ihm engagierten<br />

sich weitere Achtundvierziger<br />

in Missouri. Hierzu gehörte unter anderem<br />

Friedrich Hecker, der legendäre<br />

Führer des ersten badischen Aufstandes<br />

von 1848, der auch als »Heckeraufstand«<br />

in die Geschichtsschreibung<br />

eingegangen ist.<br />

Abb. aus: H. Greeley, Der große Conflikt in Amerika,<br />

Bd 1, Chicago 1865, S. 590 / Leihgabe aus Privatbesitz<br />

Der historische Bezug der »deutschen«<br />

Regimenter im Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg zur <strong>Revolution</strong> von1848/49<br />

wurde bewusst hergestellt. So erhielt<br />

das Regiment Sigels Uniformen, die<br />

in Schnitt und Farbe an die Freischarhemden<br />

von 1848 erinnerten. Andere<br />

Einheiten trugen schwarz-rot-goldene<br />

Kokarden an den Hüten. Der »Spirit<br />

of 1848« spielte bei der Motivation, für<br />

die Union zu kämpfen, eine wesentliche<br />

Rolle.<br />

Gerade im Kampf um Missouri sollten<br />

die deutschstämmigen Regimenter<br />

einen entscheidenden Beitrag leisten.<br />

Denn in diesem Bundesstaat gab es starke<br />

politische Strömungen, die für eine<br />

Unterstützung der Südstaaten eintraten.<br />

Gouverneur Claiborne Jackson wollte<br />

den Bundesstaat auf die Seite der Konföderation<br />

der Südstaaten ziehen. Seine<br />

sezessionistischen Absichten versuchte<br />

er mit Hilfe der Staatsmiliz durchzusetzen.<br />

Umso mehr war der Unionskommandant<br />

von St Louis, Nathaniel Lyon,<br />

auf die deutschstämmigen Freiwilligenregimenter<br />

angewiesen.<br />

Am 10. Mai griffen Unionstruppen unter<br />

Lyon und Sigel die im Übungslager<br />

»Camp Jackson« versammelte Staatsmiliz<br />

an und zwangen diese, sich kampflos<br />

zu ergeben. St. Louis blieb in den Händen<br />

der Union. Der Kampf um Missouri<br />

sollte sich allerdings noch bis zum März<br />

10<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


1862 hinziehen. Franz Sigel wurde nach<br />

diesem Sieg zum Idol der deutschstämmigen<br />

Unionssoldaten. Unter dem Motto<br />

»I fights mit Sigel« meldeten sich Tausende<br />

freiwillig.<br />

Bis Anfang Juli 1861 erhielten aber<br />

auch die sezessionistischen Kräfte Missouris<br />

um Gouverneur Jackson neuen<br />

Zulauf von frisch rekrutierten Soldaten<br />

aus dem Nordwesten des Staates. Diese<br />

Truppen zogen sich nach Südosten<br />

zurück, um sich dort mit den konföderierten<br />

Einheiten aus Arkansas und Texas<br />

zu vereinigen. Sigel sollte dies mit<br />

seinem Regiment, verstärkt durch Teile<br />

des 5. Missouri-Regiments und zwei<br />

Artilleriebatterien, verhindern.<br />

Am 5. Juli stieß er allerdings bei Carthage<br />

auf eine fast fünffach überlegene<br />

gegnerische Streitmacht, die versuchte,<br />

die zahlenmäßig deutlich unterlegenen<br />

»Yankees« von ihrem Rückweg<br />

abzuschneiden und zu vernichten. Es<br />

glückte, sich der Umklammerung zu<br />

entziehen und dem Gegner gleichzeitig<br />

empfindliche Verluste zuzufügen. Entscheidend<br />

hierfür war auch der gute<br />

Ausbildungsstand der bereits Monate<br />

zuvor in den Straßen von St. Louis<br />

gedrillten Soldaten. Nach einem dreistündigen<br />

Artillerieduell trat Sigel einen<br />

geordneten Rückzug an.<br />

Dennoch kam es im August desselben<br />

Jahres in Wilsons Creek, in einer seitens<br />

ullstein bild – histopics<br />

Franz Sigel, 1824–1902, als<br />

General der Unionsarmee.<br />

der Union mit hohem Risiko geführten<br />

Schlacht, zu einem ersten Rückschlag.<br />

Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit<br />

griff Lyon den Gegner frontal an. Unterdessen<br />

startete Sigel mit seiner bereits<br />

kampferprobten Brigade einen erfolgreichen<br />

Flankenangriff: Er fiel zwei<br />

Südstaatenregimentern in den Rücken<br />

und vermochte diese zurückzuwerfen.<br />

Es kam aber zu einer verhängnisvollen<br />

Verwechslung:<br />

Als sich weitere konföderierte Truppen<br />

in großer Stärke näherten, hielt<br />

man sie für eigene Soldaten. Eine optische<br />

Unterscheidung der Kontrahenten<br />

war damals nicht möglich; die<br />

blauen Nord- und die grauen Südstaatenuniformen<br />

gab es in dieser frühen<br />

Phase des Bürgerkrieges noch nicht.<br />

Als die Unionstruppen plötzlich von<br />

dem überlegenen Gegner angegriffen<br />

wurden, war es für eine wirkungsvolle<br />

Verteidigung zu spät. Es blieb nur der<br />

Rückzug unter hohen Verlusten.<br />

Entschieden wurde der Kampf um<br />

Missouri zwischen dem 6. und 8. März<br />

1862 in der Schlacht von Pea Ridge in<br />

der Nordwestecke des Staates Arkansas.<br />

Dort schlug eine 11 000 Mann starke<br />

Armee der Union die mit 16 000<br />

Mann erneut zahlenmäßig überlegenen<br />

Südstaatendivisionen.<br />

Oberkommandierender der Unionstruppen<br />

war General Samuel R. Curtis.<br />

Der maßgebliche Angriffsplan wurde<br />

jedoch von Curtis‘ Stellvertreter Sigel<br />

vorgeschlagen. Er war es auch, der<br />

mit seinen beiden »deutschen Divisionen«<br />

den entscheidenden Angriff führte.<br />

Die von ihm geleitete zweistündige<br />

Artilleriekanonade war so wirkungsvoll,<br />

dass er mit seiner Infanterie die<br />

gegnerischen Linien durchbrechen und<br />

die Truppen der Konföderierten zum<br />

Rückzug zwingen konnte. Sigel stand<br />

auf dem Höhepunkt seiner militärischen<br />

Karriere.<br />

In der Folgezeit wurde Sigel allerdings<br />

zum Spielball politischer Interessen:<br />

Seine Anfangserfolge in Missouri<br />

brachten ihm Neider und Feinde. Einerseits<br />

wurde er von Präsident Abraham<br />

Lincoln als exponierter Vertreter der<br />

deutschstämmigen Wählerschaft gezielt<br />

gefördert, andererseits sahen es<br />

die in Amerika geborenen und an der<br />

Militärakademie in West Point ausgebildeten<br />

Kommandeure nicht gerne,<br />

dass ein »Ausländer« zum Generalmajor<br />

befördert und ihm nach der<br />

Schlacht von Pea Ridge das Kommando<br />

über das I. Korps der Virginia-Armee<br />

im Osten übertragen wurde.<br />

Virginia, West-Virginia,<br />

Shanandoah Valley<br />

Im Osten verliefen die Kampfhandlungen<br />

für die Union längst nicht so günstig<br />

wie im Westen. In der ersten größeren<br />

Schlacht am 21. Juli 1861 bei Bull<br />

Run artete ein Rückzug der Unionstruppen<br />

zur wilden Flucht aus.<br />

In dieser unübersichtlichen Lage behielt<br />

die Brigade des Achtundvierziger-Kommandeurs<br />

Ludwig Blenker<br />

die Nerven. Seine in New York aufgestellten<br />

Regimenter waren den ganzen<br />

Tag in Reserve gehalten worden.<br />

Als sie den Rückzug der geschlagenen<br />

Nordstaatenarmee in ihren Stellungen<br />

verharrend deckten und den Gegner<br />

an der weiteren Verfolgung hinderten,<br />

wurde Blenker zum umjubelten Held.<br />

Der ehemalige Reserveoffizier, der in<br />

der Reichsverfassungskampagne 1849<br />

ein Freikorps befehligt hatte, erhielt<br />

daraufhin den Auftrag, eine »deutsche<br />

Division« aufzustellen. Einer seiner<br />

Stabsoffiziere war kein Geringerer als<br />

der bereits 57 Jahre alte Gustav Struve,<br />

der politische Kopf der badischen<br />

Aufstände von 1848/49. Blenker, der<br />

mit seiner Neigung zu übertriebenem<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

11


<strong>The</strong> <strong>Second</strong> <strong>Baden</strong> <strong>Revolution</strong><br />

militärischem Pomp einige seiner alten<br />

Kameraden – zum Schluss auch<br />

Struve – verprellte, agierte während<br />

der Kampfhandlungen des Frühjahrs<br />

1862 glücklos. Seine Division wurde<br />

ohne hinreichende logistische Unterstützung<br />

ins Shanandoahtal beordert.<br />

In der Schlacht bei Cross Keys wurde<br />

die erste Brigade unter Brigadegeneral<br />

Julius Stahel in einem aussichtslosen<br />

Angriff verheizt, das 8. New Yorker<br />

Regiment verlor ein Drittel seiner<br />

Soldaten.<br />

Als Blenker nach dieser Schlacht enttäuscht<br />

sein Kommando niederlegte,<br />

wurde ein anderer Achtundvierziger,<br />

der erst 33-jährige Carl Schurz, sein<br />

Nachfolger (siehe den Beitrag von W.<br />

Hochbruck in diesem Heft). Als einflussreicher<br />

republikanischer Politiker<br />

war er, wie im Bürgerkrieg nicht unüblich,<br />

im Range eines Brigadegenerals<br />

eingestellt worden, obwohl er über nur<br />

wenig militärische Erfahrung verfügte.<br />

In der Reichsverfassungskampagne<br />

hatte er als Leutnant gewirkt. Das<br />

Korps, zu dem auch Schurz‘ Division<br />

gehörte, erhielt kurz danach mit Franz<br />

Sigel auch einen deutschen Kommandierenden<br />

General.<br />

ullstein – Granger Collection<br />

Die Zweite Schlacht von Bull Run im August 1862, an der auch das Korps von<br />

Franz Sigel beteiligt war, endete für die Unionstruppen unter hohen Verlusten.<br />

Zeitgenössische Litographie.<br />

Während des folgenden Virginiafeldzuges<br />

im Sommer 1862 musste Sigel<br />

feststellen, dass teils versteckt, teils<br />

offen gegen ihn intrigiert wurde.<br />

In der für die Unionstruppen verlorenen<br />

zweiten Schlacht von Bull Run<br />

am 30. August kämpfte das Korps tapfer,<br />

entgegen einiger Presseberichte<br />

und der Auffassung des Befehlshabers<br />

General John Pope. Gegen die kampferprobte<br />

Truppe des legendären Südstaatengenerals<br />

Thomas J. »Stonewall«<br />

Jackson konnten am ersten Tag der<br />

Schlacht sogar Geländegewinne erzielt<br />

werden. Erst als sich Jackson mit seinen<br />

Truppen hinter einem Eisenbahndamm<br />

verschanzte, blieb der Angriff<br />

der Unionstruppen unter hohen Verlusten<br />

stecken.<br />

Am folgenden Tag war Sigel einer<br />

der ersten, die einen bevorstehenden<br />

gegnerischen Angriff in die Flanke der<br />

Unionstruppen erkannten. Es gelang<br />

ihm, zwei Stellungen so lange zu halten,<br />

bis sich das Gros der Virginia-Armee<br />

Richtung Washington zurückgezogen<br />

hatte. In den nach Niederlagen<br />

damals üblichen Schuldzuweisungen<br />

innerhalb der Generalität geriet Sigel<br />

dennoch in die Kritik. Dass er mit seinem<br />

Korps die Einkesselung der Virginia-Armee<br />

verhindert hatte, wurde<br />

kaum gewürdigt. Stattdessen warf man<br />

ihm vor, in der einleitenden Schlacht<br />

des Feldzuges bei Cedar Mountain verspätet<br />

eingetroffen zu sein.<br />

Es folgten Umstrukturierungen bei<br />

den Unionstruppen. Aus dem I. Korps<br />

der Virginia-Armee wurde das XI. Korps<br />

der Potomac-Armee. Wegen weiterer<br />

Differenzen mit seinen Vorgesetzten<br />

trat Sigel im Frühjahr 1863 zurück. Sein<br />

Nachfolger Oliver Otis Howard konnte<br />

die Distanz zu seinen deutschen Divisionskommandeuren<br />

nie überbrücken.<br />

Die Rückschläge des Korps bei<br />

Chancellorsville und am ersten Tag der<br />

Schlacht von Gettysburg, eine der verlustreichsten<br />

Schlachten auf dem amerikanischen<br />

Kontinent überhaupt, die<br />

als entscheidender Wendepunkt des<br />

Bürgerkrieges gilt, wurden dennoch<br />

nicht Howard, sondern den »damned<br />

dutch« angelastet.<br />

Nachdem es Schurz trotz seiner Beziehungen<br />

zu Präsident Lincoln nicht<br />

gelungen war, Sigel das Kommando<br />

über das Korps wieder zu beschaffen,<br />

übernahm dieser 1864 die Führung der<br />

relativ kleinen Army of West Virginia<br />

im Shenandoahtal.<br />

Seine Niederlage in dem relativ unbedeutenden<br />

Gefecht bei New Market<br />

wurde von seinen Gegnern aufgebauscht<br />

und zum Anlass genommen,<br />

seine Absetzung zu betreiben. Sigel verfolgte<br />

das Prinzip, in ausweglosen militärischen<br />

Lagen seine Soldaten nicht zu<br />

verheizen, sondern sie mit einem taktischen<br />

Rückzug möglichst zu schonen.<br />

Dieses auch in New Market praktizierte<br />

Verfahren ist ihm als Schwäche ausgelegt<br />

worden. Obwohl er in den folgenden<br />

Gefechten am Potomac River<br />

die vordringenden Südstaatentruppen<br />

aufhalten konnte und den zunächst geräumten<br />

Eisenbahnknotenpunkt Harpers<br />

Ferry zurückeroberte, wurde er<br />

seines Kommandos enthoben.<br />

Diese Behandlung Sigels erfährt in<br />

der Berichterstattung und der Literatur<br />

über den amerikanischen Bürgerkrieg<br />

zum Teil bis heute ihre Fortsetzung.<br />

Sigel selbst blieb bis zu seinem<br />

Tode überzeugter Amerikaner. Ein Angebot<br />

der badischen Regierung, nach<br />

einer allgemeinen Amnestie der Achtundvierziger<br />

nach Deutschland zurückzukehren,<br />

lehnte er ab. Als er am<br />

21. August 1902 als hochgeachteter<br />

12<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


ullstein – Pachot<br />

amerikanischer Staatsbürger starb, begleiteten<br />

über 25 000 Menschen, darunter<br />

viele Bürgerkriegsveteranen, den<br />

Trauerzug. Noch heute erinnern zwei<br />

Reiterdenkmäler in New York und<br />

St. Louis an einen der ersten deutschen<br />

demokratischen Offiziere des 19. Jahrhunderts.<br />

Die Schlacht um Chattanooga<br />

Eine der strategisch entscheidenden<br />

Schlachten des Sezessionskrieges wurde<br />

am 25. November 1863 um Chattanooga<br />

geschlagen. Der Sieg der Union<br />

öffnete den Weg in das Zentrum der<br />

Südstaaten. General William T. Shermans<br />

folgender »March to the Sea« war<br />

kriegsentscheidend, da die in Virginia<br />

bis dahin erfolgreich kämpfende Konföderiertenarmee<br />

von ihren Hauptnachschublinien<br />

abgeschnitten wurde.<br />

Es war die einzige Schlacht, in der<br />

deutschstämmige Truppen aus dem<br />

Westen und dem Osten der USA gemeinsam<br />

kämpften.<br />

Generallandesarchiv Karlsruhe J-G-B/7<br />

August Willich, 1810–1878, der spätere<br />

General der Unionsarmee, hier<br />

während der pfälzisch-badischen<br />

<strong>Revolution</strong> im Mai 1849 mit der sogenannten<br />

Heckerbluse, die auch noch<br />

im Amerikanischen Bürgerkrieg von<br />

deutschstämmigen Soldaten getragen<br />

wurde. Blatt aus der »Portrait- und<br />

Kostümgalerie aus der badisch-pfälzischen<br />

<strong>Revolution</strong> 1849«, Karlsruhe,<br />

Verlag von Fr. Nödelke, 1849.<br />

Lithographie, teilweise koloriert.<br />

Peter Joseph Osterhaus, 1823–1917,<br />

General der Unionsarmee.<br />

Das XI. Korps der Potomac-Armee<br />

war zur Verstärkung der unter Ulysses<br />

S. Grants Kommando stehenden Armeegruppe<br />

mit der Eisenbahn herantransportiert<br />

worden. In einem einleitenden<br />

Gefecht gelang es, die »Cracker<br />

line«, eine wichtige Nachschublinie, zu<br />

eröffnen. Schurz vermochte dadurch,<br />

seinen angeschlagenen Ruf als Truppenführer<br />

zu verbessern. Mit seiner Division<br />

wurde er jedoch im Verlauf der<br />

folgenden Kampfhandlungen weitestgehend<br />

in Reserve gehalten.<br />

Stattdessen zeichneten sich andere<br />

Achtundvierziger-Kommandeure besonders<br />

aus, etwa der in Koblenz geborene<br />

ehemalige preußische Reserveoffizier<br />

Peter Joseph Osterhaus. Er hatte<br />

bereits bei Wilsons Creek in schwieriger<br />

Lage Übersicht und Kaltblütigkeit<br />

bewiesen und damit das Vertrauen seiner<br />

Soldaten gewonnen. Als einer der<br />

beiden Divisionskommandeure Sigels<br />

hielt Osterhaus am ersten Tag der<br />

Schlacht von Pea Ridge als Führer einer<br />

Vorausabteilung dem Angriff überlegener<br />

Südstaatenregimenter stand.<br />

Am folgenden Tag führte er in Sigels<br />

Auftrag eine wichtige vorbereitende<br />

Erkundung durch und zeichnete sich<br />

durch engagierte Führung während<br />

des entscheidenden Angriffs aus. Während<br />

der folgenden Unionsfeldzüge im<br />

Westen war Osterhaus an mehreren erfolgreich<br />

geführten Gefechten beteiligt<br />

und stieg bis zum Generalmajor auf.<br />

Während Sigels militärischer Stern in<br />

der zweiten Phase des Bürgerkrieges<br />

eher im Sinken war, wurde Osterhaus<br />

zum erfolgreichsten deutschen Kommandeur.<br />

Im Gegensatz zu Sigel zeigte<br />

er im Umgang mit seinen Vorgesetzten<br />

mehr Geschick. Seine Bescheidenheit<br />

und Zuverlässigkeit wurden geschätzt.<br />

Während Shermans »March to<br />

the Sea« wurde er als Korpskommandeur<br />

eingesetzt. Nach dem Krieg war<br />

Osterhaus Militärkommandant in Mississippi<br />

und kehrte später als amerikanischer<br />

Konsul in das Deutsche Kaiserreich<br />

zurück.<br />

Auch für August Willich war Chattanooga<br />

eine Sternstunde in seiner<br />

militärischen Laufbahn. Der militärische<br />

Führer des Heckerzuges von 1848<br />

wanderte 1853 in die USA aus. Er wurde<br />

im Bürgerkrieg Kommandeur des<br />

deutsch-amerikanischen 32nd Indiana<br />

Infantry Regiment. Nach dem Sieg<br />

in der Schlacht von Shiloh, Tennessee,<br />

sollen seine Soldaten das Arbeiterkampflied<br />

der 1848er <strong>Revolution</strong>, die<br />

Arbeiter-Marseillaise, angestimmt haben.<br />

Schließlich nahm auch er – bereits<br />

im Generalsrang – an der Schlacht von<br />

Chattanooga teil. Nach dem Krieg engagierte<br />

sich Willich in der Gewerkschaftsbewegung<br />

der USA.<br />

Neben diesen exponierten Kommandeuren<br />

stiegen zahlreiche weitere<br />

Forty-eighter in hohe und höchste Offizierränge<br />

auf. Nicht zu vergessen sind<br />

die zahlreichen unbekannten Soldaten,<br />

von denen viele ihr erneutes Engagement<br />

für Menschenrechte und Freiheit<br />

mit Krankheit, schwerer Verwundung<br />

oder dem Tod bezahlten. Sie alle haben<br />

dazu beigetragen, dass, wie Präsident<br />

Lincoln es ausdrückte, »die Herrschaft<br />

des Volkes für das Volk durch<br />

das Volk« erhalten blieb.<br />

Literaturtipp:<br />

• Jürgen Dick<br />

Wolfgang Hochbruck, Ulrich Bachteler<br />

und Henning Zimmermann (Hrsg.), Achtundvierziger<br />

Forty-Eighters – Die deutsche<br />

<strong>Revolution</strong> von 1848/49, die Vereinigten<br />

Staaten und der Amerikanische<br />

Bürgerkrieg, Münster 2000<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

13


General Johannes Steinhoff<br />

Bundesverteidigungsminister<br />

Kai-Uwe von Hassel (l.) überreicht<br />

am 2. September 1966 in Bonn dem<br />

neuen Inspekteur der Bundesluftwaffe,<br />

Generalleutnant Johannes Steinhoff,<br />

die Ernennungsurkunde.<br />

»Ich bin heute zum Inspekteur der Luftwaffe ernannt<br />

worden. In mehreren Unterredungen mit dem Herrn<br />

Bundesminister der Verteidigung wurden die Grundlagen<br />

meiner künftigen Arbeit erörtert. Für entscheidend<br />

halte ich, das bisher Erreichte zu festigen und auszubauen.<br />

Zeit ist dafür erforderlich, aber auch guter Wille,<br />

er ist in hohem Maße in der Luftwaffe vorhanden.<br />

Der gute Wille der Luftwaffe genügt jedoch nicht! Ich<br />

brauche auch das Verständnis aller, um den gegebenen<br />

Auftrag erfüllen zu können.«<br />

picture-alliance/dpa/Egon Steiner<br />

General Johannes Steinhoff<br />

und die Luftwaffe<br />

Johannes Steinhoff als Jagdflieger,<br />

Träger des Eichenlaubs zum<br />

Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, 1943.<br />

ullstein bild<br />

Mit diesem Tagesbefehl leitete<br />

Generalleutnant Johannes<br />

Steinhoff am 2. September<br />

1966 seine Amtszeit als Inspekteur der<br />

Luftwaffe ein. Jedoch trat Steinhoff sein<br />

Amt in einer äußerst kritischen Situation<br />

an.<br />

Sein Vorgänger, Generalleutnant<br />

Werner Panitzki, war in den einstweiligen<br />

Ruhestand versetzt worden; in der<br />

Luftwaffe selbst gab es große Probleme:<br />

1961 war das Strahlflugzeug Lockheed<br />

F-104 G Starfighter eingeführt<br />

worden, bis zum 17. Juli 1966 waren 64<br />

Maschinen abgestürzt oder beschädigt<br />

worden, 54 davon in den letzten zwei<br />

Jahren.<br />

Am 18. Juli 1966 stürzte Oberleutnant<br />

Siegfried Arndt über der Nordsee<br />

ab. Er konnte zwar den Schleudersitz<br />

betätigen, sich aber bei der Landung<br />

nicht mehr von dem Fallschirm trennen<br />

und ertrank. Das Minensuchboot »Düren«<br />

hatte ihn bereits gesichtet, überlief<br />

ihn und verlor den Kontakt. Erst<br />

17 Tage später wurde sein Leichnam<br />

auf einer Hallig angespült. Dieser Absturz<br />

brachte das Fass »Starfighter-Krise«<br />

medienwirksam zum Überlaufen.<br />

Die Lösung der »Starfighter Krise« ist<br />

eng mit dem Namen Johannes Steinhoff<br />

verbunden.<br />

Steinhoffs Lebensweg bis 1966<br />

Johannes Steinhoff wurde am 15. September<br />

1913 im thüringischen Bottendorf<br />

geboren. Ab 1932 studierte er Literatur-<br />

und Sportwissenschaften in Jena,<br />

brach allerdings sein Studium 1934 aus<br />

finanziellen Gründen ab. Steinhoff trat<br />

in die Marine ein, wurde zum Seeflieger<br />

ausgebildet, wechselte 1936 zur Luftwaffe<br />

und wurde Jagdflieger. Im Zweiten<br />

Weltkrieg diente er überwiegend<br />

in der Truppe: als Pilot, Staffelkapitän,<br />

Gruppenkommandeur und Geschwaderkommodore<br />

in Jagdgeschwadern in<br />

14 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


Frankreich, an der Ostfront, in Italien<br />

und in der »Reichsverteidigung«. Zuletzt<br />

war Steinhoff als Oberst Jagdflieger<br />

im Jagdverband 44. Im April 1945<br />

geriet seine Me 262 beim Start in München-Riem<br />

in Brand. Steinhoff erlitt<br />

schwerste Brandverletzungen, die ihn<br />

zeichneten. 1945 bis 1947 lag er in Lazaretten,<br />

bevor er in Süddeutschland<br />

Keramikmalerei erlernte.<br />

Im Sommer 1951 begannen die Verhandlungen<br />

über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />

(EVG). Steinhoff<br />

war ab Juni 1952 in der Dienststelle<br />

des »Bevollmächtigten des Bundeskanzlers<br />

für die mit der Vermehrung<br />

der alliierten Truppen zusammenhängenden<br />

Fragen« als Gutachter tätig und<br />

nahm an den EVG-Verhandlungen in<br />

Paris teil. Nach dem Scheitern der EVG<br />

folgte ab 1955 der Aufbau der Bundeswehr<br />

als Teil der NATO. Steinhoff<br />

wurde 1955 wieder Soldat und war im<br />

Bundesministerium der Verteidigung<br />

für die Planung der Luftwaffe zuständig.<br />

Als Brigadegeneral wurde er 1960<br />

Deutscher Militärischer Bevollmächtigter<br />

im NATO-Militärausschuss in<br />

Washington und damit Vertreter der<br />

deutschen militärischen Interessen. Die<br />

amerikanischen Verbündeten vertrauten<br />

ihm und informierten ihn frühzeitig<br />

über ihre militärpolitischen Überlegungen,<br />

als sie Anfang der 1960er Jahre<br />

den Strategiewechsel weg von der massiven<br />

Vergeltung (eines sowjetischen<br />

Angriffs) mit Nuklearwaffen (»Massive<br />

Retaliation«) hin zur »Flexible Response«<br />

einleiteten, die die Verteidigung<br />

mit konventionellen Waffen<br />

stärker betonte. Die neue Konzeption<br />

wurde erst ab 1967 in der NATO umgesetzt.<br />

Von 1963 bis 1965 war Steinhoff Kommandeur<br />

der 4. Luftwaffendivision in<br />

Aurich, deren Verbände zwischen<br />

Nordsee und Ruhrgebiet stationiert<br />

waren. Es schloss sich die Verwendung<br />

als Chief of Staff und Deputy Commander<br />

der Allied Air Forces Central<br />

Europe im Hauptquartier der NATO-<br />

Streitkräfte Europa Mitte an.<br />

War Steinhoff als Divisionskommandeur<br />

noch für die Einsatzbereitschaft<br />

seiner Truppe verantwortlich gewesen,<br />

konnte er nun die Luftwaffe mit anderen<br />

Luftstreitkräften vergleichen. Dem<br />

Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant<br />

Werner Panitzki, teilte er regelmäßig<br />

seine Bewertungen mit. So hatte die<br />

SKA/IMZBw/Simik<br />

deutsche Flugabwehrraketentruppe einen<br />

großen Teil der NATO-Luftverteidigung<br />

zu stellen. Die Infrastruktur<br />

der Flugabwehrraketenstellungen entsprach<br />

dem aber noch nicht. Einsatzbereitschaft<br />

und Leistungsfähigkeit<br />

der Starfighter-Verbände sah Steinhoff<br />

ebenso kritisch. Die NATO stellte an sie<br />

hohe Anforderungen, zumal gerade sie<br />

für den Einsatz mit Nuklearwaffen vorgesehen<br />

waren. Die Luftwaffe hatte jedoch<br />

generelle Probleme mit dem Starfighter<br />

und seiner Technik.<br />

In seinen »Gedanken zur Situation<br />

der Luftwaffe« stellte Steinhoff im Februar<br />

1966 angesichts der Diskussionen<br />

um die Starfighter-Unfälle die Frage,<br />

»ob die Luftwaffe überhaupt in der<br />

Lage ist, ein solches Flugzeug ›zu verdauen‹«.<br />

Führung, Organisation und<br />

Ausbildung seien maßgeblich für das<br />

Dilemma verantwortlich. Bereits im<br />

April 1960 hatte Steinhoff dem Inspekteur<br />

der Luftwaffe gegenüber seine<br />

»Sorge über die Entwicklung der Luftwaffe<br />

zum Ausdruck« gebracht, vor<br />

allem die Personalfrage betreffend. Er<br />

habe jedoch »nicht die notwendige Unterstützung«<br />

gefunden. Seine Bedenken<br />

wurden nicht berücksichtigt.<br />

Steinhoff wollte die Luftwaffenführung<br />

nicht belehren: Die Luftwaffe hatte<br />

1958 die Einführung der F-104 G befürwortet.<br />

Sie hoffte, ihre bisher vier<br />

verschiedenen Kampfflugzeugtypen<br />

durch ein Mehrzweckflugzeug zu ersetzen.<br />

Steinhoff selbst und auch die<br />

Opposition im Bundestag waren für<br />

diese Lösung. Nun aber stellten sich<br />

gravierende Probleme ein, für die auch<br />

Steinhoff Mitverantwortung trug. Er<br />

allein jedoch – nicht zuletzt aus seiner<br />

Erfahrung als Pilot und Truppenführer<br />

heraus – benannte die Probleme und<br />

forderte Lösungen, denen die Organisationsstruktur<br />

im Wege stand.<br />

Starfighter-Krise<br />

Die Einführung des Starfighters hatte<br />

die Bundeswehr vor ungeahnte Aufgaben<br />

gestellt. Die Maschine bedeutete<br />

den Sprung in das Überschallzeitalter.<br />

Sie besaß eine umfangreiche elektronische<br />

Ausrüstung, neue Waffen und<br />

Kameras. Vorher hatte die Luftwaffe<br />

Flugzeuge, nun bekam sie ein »Waffensystem«.<br />

Ursprünglich sollte die<br />

F 104 dazu dienen, hochfliegende sowjetische<br />

Bomberflotten mit Luft-Luft-<br />

Raketen zu bekämpfen. Bei der Einführung<br />

des Flugzeugs in der Luftwaffe<br />

besaß die Sowjetunion jedoch bereits<br />

Interkontinentalraketen, womit dieser<br />

Auftrag entfiel. Die Maschine hatte<br />

erhebliches Potenzial; Steigfähigkeit<br />

und Geschwindigkeit waren atemberaubend.<br />

Die Testpiloten der Luftwaf-<br />

General Steinhoff im Cockpit vor seinem Flug mit der Fiat G 91.<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

15


General Johannes Steinhoff<br />

fe waren von dem Flugzeug geblendet,<br />

das während der Entscheidung<br />

zum Kauf bereits im Dienst der US Air<br />

Force stand. »Alternativen« gab es nur<br />

in Form leistungsschwächerer Prototypen.<br />

Die F-104 bot überdies die Möglichkeit,<br />

im Rahmen der nuklearen<br />

Teilhabe enger mit den USA zu kooperieren.<br />

Man war von dem Flugzeug<br />

begeistert, obwohl man wusste, dass<br />

umfangreiche Änderungen notwendig<br />

waren, um es für die zugedachten Aufgaben<br />

zu befähigen. Gleichwohl glaubte<br />

man, es als Mehrzweckflugzeug in<br />

den Rollen Jäger, Jagdbomber und Aufklärer<br />

nutzen zu können.<br />

Nachdem die ersten Fluglehrer in den<br />

USA bei der Firma Lockheed geschult<br />

worden waren, folgte ab dem Sommer<br />

1960 die Einführung des Flugzeugs<br />

in der Bundeswehr. Die Waffenschule<br />

10 in Oldenburg stellte in Nörvenich<br />

eine 4. Staffel auf, um die Piloten, die<br />

bis dahin die erheblich langsamere F-<br />

86F oder F-84F geflogen waren, umzuschulen.<br />

Das Jagdbombergeschwader<br />

31 »Boelcke« in Nörvenich war am<br />

20. Juni 1962 als erster Starfighter-Verband<br />

einsatzbereit.<br />

In schneller Folge wurden nun fünf<br />

Jagdbombergeschwader von der F-<br />

84F Thunderstreak auf Starfighter<br />

umgerüstet. Es folgten die F-86-Jagdgeschwader<br />

und zuletzt die Aufklärungsgeschwader<br />

mit ihren RF-84F<br />

Thunderflash.<br />

Die vielen Abstürze in den Jahren<br />

von 1964 bis 1966 hatten komplexe Ursachen:<br />

Pilotenfehler wie Bodenberührungen,<br />

Zusammenstöße in der Luft;<br />

technische Fehler wie offene Schubdüsen,<br />

Triebwerk-, Instrumenten- oder<br />

Nachbrennerausfall u.a. traten auf. Die<br />

Masse der Abstürze ging auf das Konto<br />

vermeintlich technischer Gründe.<br />

Die Ursachen lagen jedoch auch in der<br />

Binnenorganisation der Luftwaffe. Es<br />

fehlten qualifizierte Techniker und in<br />

der Folge genügend einsatzklare Maschinen;<br />

die Piloten flogen demnach zu<br />

wenig und erwarben zu wenig Erfahrung<br />

im Umgang mit dem Flugzeug.<br />

Es gab auch zu wenig Triebwerkvorwärmgeräte,<br />

um die Maschinen entsprechend<br />

vorzuheizen, von Hallen<br />

ganz zu schweigen: Die teuren »Vögel«<br />

standen überwiegend im Freien! Hinzu<br />

kam ein aus Sicht der Piloten unzureichender<br />

Schleudersitz, bei dem die<br />

Sitz-Mann-Trennung nicht reibungslos<br />

Privatbesitz Wolf Steinhoff<br />

Johannes Steinhoff als Generalleutnant und Inspekteur der Luftwaffe nach einem<br />

Flug mit der Lockheed F-104G Starfighter in Büchel beim Jagdbombergeschwader<br />

33. General Steinhoff machte sich immer wieder ein Bild von den Belastungen<br />

und Anforderungen, die an Piloten der Luftwaffe gestellt wurden.<br />

funktionierte; es kam vor, dass der Sitz<br />

den Piloten erschlug. Das Problempaket<br />

F-104 war also sehr komplex und<br />

nicht mit einigen wenigen Maßnahmen<br />

zu beheben.<br />

Der Stellvertreter des Obersten Alliierten<br />

Befehlshabers Europa (Deputy<br />

SACEUR), Sir Thomas Pike, beschrieb<br />

1966 die Krise:<br />

»Hoher politischer Druck, einen entsprechend<br />

hochwertigen Beitrag auch<br />

im Rahmen der nuklearen Abschreckung<br />

zu leisten, geringe Erfahrungen<br />

mit technischen Systemen der F-104-<br />

Generation auf Grund der Unterbrechung<br />

zwischen 1945 und 1956 sowohl<br />

im fliegerischen als auch im technischen<br />

Bereich und zu wenige verfügbare<br />

Flugstunden für das tägliche Training.<br />

Dazu bestand die Führung der<br />

Luftwaffe nicht aus auf modernen Mustern<br />

erfahrenen Flugzeugführern.«<br />

Dies war eine gefährliche Kombination,<br />

die zu einer hohen Verlustrate<br />

führte, und eine verbale Spitze gegen<br />

den Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant<br />

Panitzki, der noch Anfang<br />

1966 versucht hatte, mit einem Systembeauftragten,<br />

Generalmajor Dietrich<br />

Hrabak, für das Waffensystem F-104<br />

der Situation Herr zu werden. Hrabak<br />

hatte zwar schnell zahlreiche Einzelmaßnahmen<br />

definiert; der Umsetzung<br />

stand jedoch die Bürokratie im Wege.<br />

Der Leidtragende, Panitzki, konnte bei<br />

Verteidigungsminister Kai-Uwe von<br />

Hassel kein Gehör finden und reichte<br />

am 12. August 1966 seinen Abschied<br />

ein. Der Minister lehnte ab, Panitzki<br />

tat, was verständlich, aber nicht opportun<br />

war: Er gab ein Interview, in dem<br />

er auf die Situation einging, Lösungsvorschläge<br />

präsentierte und das eigene<br />

Ministerium angriff. Die Folge war<br />

am 24. August 1966 seine Versetzung in<br />

den einstweiligen Ruhestand.<br />

An der Spitze der Luftwaffe<br />

An diesem Tag wurde Johannes Steinhoff<br />

zum Minister befohlen. Er solle die<br />

Luftwaffe übernehmen und die Krise<br />

meistern. Aus einem Tag Bedenkzeit<br />

wurden zehn. Steinhoff forderte vom<br />

Minister konkrete Vollmachten, um<br />

die Luftwaffe den Erfordernissen der<br />

Zeit anzupassen. Angesichts der militärischen<br />

Zwänge und des politischen<br />

Drucks gab von Hassel den Forderungen<br />

des Generals nach, der den Umbau<br />

der Luftwaffe in Angriff nahm, um die<br />

Strukturprobleme zu lösen.<br />

Steinhoff begann mit der Behebung<br />

der Starfighter-Probleme. Die Einführung<br />

eines technischen Gefechtsstandes<br />

in den Geschwadern und die Zentralisierung<br />

der Logistik auf Verbandsebene<br />

ging einher mit der Verbesserung<br />

der Techniker-Ausbildung. Hinzu kam<br />

die Einstellung einiger Hundert ziviler<br />

Techniker aus der Luftfahrtindustrie.<br />

Durch Kooperation zwischen der<br />

Firma Lockheed und den Geschwadern<br />

wurde schnell die Zahl der einsatzfähigen<br />

Flugzeuge, die sogenannte<br />

Klarstandsrate, um 50 Prozent erhöht.<br />

Der Absturz von Arndt führte zur Ausstattung<br />

der Piloten mit Seenotausrüs-<br />

16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


tungen mit Peilsendern, neuen Fallschirmtrennschlössern,<br />

signalroten<br />

Overalls für den Flugbetrieb und zur<br />

Einführung eines Lehrganges »Überleben<br />

See«. Hinzu kam die Ausstattung<br />

aller F-104 mit dem sichereren Martin-<br />

Baker-Schleudersitz GQ7A.<br />

»Fliegen, Fliegen, Fliegen«, lautete<br />

Steinhoffs Lösung. Um das Waffensystem<br />

zu beherrschen, musste der Pilot<br />

fliegerische Erfahrung gewinnen. Dazu<br />

waren Flugstunden erforderlich, Voraussetzung<br />

waren genügend flugklare<br />

Maschinen. Diese konnten nur durch<br />

eine effiziente Geschwaderorganisation<br />

im Bereich Technik und durch qualifiziertes<br />

Personal bereitgestellt werden.<br />

Kein Kommodore konnte einfach Fachleute<br />

einstellen, dazu bedurfte es des<br />

Inspekteurs der Luftwaffe an höchster<br />

Stelle.<br />

Steinhoff vollzog ab 1968 den Umbau<br />

der Organisation der Luftwaffe, in<br />

der er bereits 1964 strukturelle Defizite<br />

erkannt hatte, wie eben auch Werner<br />

Panitzki seit 1963, und die nach seiner<br />

Auffassung die wirklichen Ursachen<br />

für die Starfighter-Krise waren: Die<br />

Luftwaffe wurde in Luftangriffs- und<br />

Luftverteidigungsdivisionen gegliedert<br />

und strukturiert. Die Lufttransportverbände<br />

wurden unter einem Lufttransportkommando<br />

zusammengefasst.<br />

1970 folgte mit der Luftwaffenstruktur<br />

70 der große Wurf: Die Einsatzluftwaffe<br />

wurde unter dem Kommando<br />

Luftflotte zusammengefasst. Sie trat<br />

die Nachfolge der Luftwaffengruppenkommandos<br />

Nord und Süd an,<br />

die, aufgrund ihrer Angliederung an<br />

die beiden (NATO-)Allied Tactical Air<br />

Forces (ATAF) unterschiedlich geprägt<br />

waren: eine war amerikanisch, eine britisch<br />

dominiert. Die Luftwaffe bestand<br />

damals operativ sozusagen aus zwei<br />

Luftwaffen. Die logistischen Verbände<br />

und Einrichtungen wurden dem Luftwaffenunterstützungskommando<br />

unterstellt.<br />

Unter dem neu formierten<br />

Luftwaffenamt fanden sich diejenigen<br />

Verbände, die Ausbildungs-, fernmeldeelektronische-,<br />

Führungs- und Lufttransportaufgaben<br />

für die Luftwaffe<br />

und die übrige Bundeswehr wahrnahmen.<br />

Diese »Kommandolösung«, die<br />

Steinhoff in Anlehnung an die funktionale<br />

Ausrichtung der United States Air<br />

Force (USAF) durchsetzte, sollte sich in<br />

der Luftwaffe bewähren und bis 1991<br />

Geltung haben. Tatsächlich war die<br />

Luftwaffe fortan effizienter gegliedert,<br />

die Zuständigkeiten waren dort angesiedelt,<br />

wo sie gebündelt dem System<br />

dienten.<br />

Diese Kraftanstrengung, der Umbau<br />

der Luftwaffe, vollzog sich indessen<br />

erst nach Abschied Steinhoffs aus der<br />

Luftwaffe. Er hatte den Umbau begonnen,<br />

die Strukturen vorgegeben und<br />

konnte nunmehr von seinem neuen<br />

Amt aus den Umbau verfolgen.<br />

Chairman der NATO<br />

Helmut Schmidt, zwischen 1969 und<br />

1972 Bundesverteidigungsminister,<br />

sagte einmal über Steinhoff: »Der<br />

steckt zehn Staatssekretäre in die Tasche!«<br />

Die in dieser Aussage enthaltene<br />

Wertschätzung verdeutlicht, dass der<br />

machtbewusste SPD-Politiker in dem<br />

Luftwaffengeneral einen durchaus erfolgreichen,<br />

aber eben auch konstruktiv<br />

kritischen Mitstreiter im Ministerium<br />

gefunden hatte. Nach vier Jahren<br />

an der Spitze der Luftwaffe wurde<br />

Steinhoff am 24. September 1970 zum<br />

Vorsitzenden des Militärausschusses<br />

der NATO gewählt. Am 1. April 1971<br />

trat er sein Amt an.<br />

Die folgenden drei Jahre bis zu seiner<br />

Pensionierung am 31. März 1974 waren<br />

von seinen Sorgen um den Zustand der<br />

NATO geprägt. Nationale Differenzen,<br />

militärpolitische Zwänge und vor allem<br />

die aus seiner Sicht nicht immer<br />

angemessenen Anstrengungen der<br />

Partnernationen prägten einen NATOkritischen<br />

Steinhoff. Sein Buch »Wohin<br />

treibt die NATO?« spiegelt dies<br />

wider. Am 31. März 1974 schied General<br />

Johannes Steinhoff aus dem Dienst.<br />

Medien und Kameraden schätzten an<br />

Steinhoff dessen analytische Schärfe,<br />

militärpolitischen Weitblick, persönliche<br />

Integrität und Courage als herausragende<br />

Charaktereigenschaften.<br />

Zeitzeugen sehen in ihm eine herausragende,<br />

aber auch komplexe Persönlichkeit.<br />

Sie stimmen dabei darin überein,<br />

dass es wohl die Schrecken des Krieges<br />

einschließlich seines persönlichen<br />

Schicksals waren, die ihn prägten. Sein<br />

Ziel war eine funktionelle, leistungsfähige<br />

Luftwaffe in der Bundeswehr, eine<br />

den Ansprüchen entsprechende Technik<br />

und ein für die Aufgaben bestmöglichst<br />

qualifiziertes Personal. Dieses<br />

Ziel hat er erreicht.<br />

• Heiner Möllers<br />

Literaturtipps:<br />

Bernd Lemke, Dieter Krüger, Heinz Rebhan<br />

und Wolfgang Schmidt, Die Luftwaffe<br />

1950–1970. Konzeption, Aufbau, Integration,<br />

München 2006 (= Sicherheitspolitik<br />

und Streitkräfte der Bundesrepublik<br />

Deutschland, Bd 2)<br />

Johannes Mohn (Hrsg.), Deutsche Starfighter.<br />

Die Geschichte der F-104 in Luftwaffe<br />

und Marine der Bundeswehr. Recherchiert<br />

und geschrieben von Klaus<br />

Kropf, Köln 1994<br />

Johannes Steinhoff als Vorsitzender des Ständigen Militärausschusses der NATO<br />

in Brüssel, im Gespräch mit seinem Nachfolger, dem britischen Field Marshall<br />

Michael Carver (l.), 1973.<br />

ullstein – Camera Press Ltd.<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

17


Die Invasion 1944<br />

»Unternehmen Overlord«:<br />

Anlandung von Truppen des<br />

V. US-Korps am Strandabschnitt<br />

»Omaha«, 7./8. Juni 1944.<br />

Die Invasion 1944 –<br />

Wende im Zweiten Weltkrieg?<br />

ullstein – ddp<br />

Am Morgen des 6. Juni 1944 marschierten<br />

in einem durch die<br />

Gezeiten festgelegten Zeitfenster<br />

ab 06:30 Uhr über 4800 Landungsund<br />

über 500 alliierte Kriegsschiffe<br />

sowie mehr als 11 000 Flugzeuge zwischen<br />

Cherbourg und Caen in der Normandie<br />

auf. Dies bildete nicht nur den<br />

Auftakt zum größten amphibischen<br />

Landungsunternehmen in der Militärgeschichte,<br />

sondern führte in Folge<br />

zum Zusammenbruch des deutschen<br />

Westheeres. Innerhalb von nur<br />

drei Monaten standen die westalliierten<br />

Heeresgruppen unter dem Oberbefehl<br />

des US-amerikanischen Generals<br />

Dwight D. Eisen hower in Paris und<br />

nur noch 100 km von der Reichsgrenze<br />

entfernt. War somit das Unternehmen<br />

»Overlord«, wie die Landung in der<br />

Normandie genannt wurde, der entscheidende<br />

Schritt zur Niederringung<br />

der nationalsozialistischen Diktatur?<br />

Der Aufbau der »Zweiten Front«<br />

Die Planungen für eine mögliche Landung<br />

der Alliierten und somit die<br />

Schaffung einer »Zweiten Front« – neben<br />

der (Ost-)Front in der Sowjetunion<br />

– hatten höchste strategische und politische<br />

Priorität. Die Bedeutung des<br />

westeuropäischen Kriegsschauplatzes<br />

war eng verbunden mit der Politik<br />

der Koalitionsstrategie zwischen den<br />

Briten, Amerikanern und der Sowjetunion<br />

gegen das nationalsozialistische<br />

Deutschland.<br />

Die Wehrmacht, als Machtinstrument<br />

der NS-Diktatur, hatte zwischen 1939<br />

und 1941 einen Furcht einflößenden<br />

Eroberungskrieg und spätestens seit<br />

Sommer 1941 in der Sowjetunion auch<br />

einen ideologisierten Vernichtungsfeldzug<br />

geführt. Doch hielt bereits der<br />

Winter 1941 eine Wende bereit. Vor<br />

Moskau blieb der deutsche Angriff stecken;<br />

seitdem mussten sich die deutschen<br />

Truppen an der Ostfront einem<br />

kräftezehrenden Ringen mit der Roten<br />

Armee stellen. Gleichzeitig weitete<br />

sich mit dem Angriff Japans auf Pearl<br />

Harbor am 7. Dezember 1941 sowie der<br />

deutschen Kriegserklärung an die USA<br />

18 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


Konferenz von Casablanca im Januar 1943, v.l.n.r.: General Henri-Honore<br />

Giraud, Franklin D. Roosevelt, General Charles de Gaulle, Winston S. Churchill.<br />

ullstein bild<br />

der bislang auf Europa und Nordafrika<br />

begrenzte Krieg zu einem Weltkrieg<br />

aus. Dies ändert nichts an der Tatsache,<br />

dass die USA bereits zuvor die Briten in<br />

ihrer Kriegführung vor allem mit Lieferung<br />

von Rüstungsmaterial unterstützt<br />

hatten. Amerikanische und britische<br />

Offiziere trafen sich schon seit der Niederlage<br />

Frankreichs im Sommer 1940<br />

regelmäßig, um über die Lage Großbritanniens<br />

und die Rolle der USA im<br />

Krieg gegen die Achsenmächte zu beraten.<br />

Ab März 1941 verfolgten beide Seiten<br />

die Strategie, zuerst in Europa und<br />

danach im Pazifik für Frieden zu sorgen;<br />

sie nannten diese »Europe First«.<br />

Nach dem Kriegseintritt der USA im<br />

Dezember 1941 trafen sich der amerikanische<br />

Präsident Franklin D. Roosevelt<br />

und der britische Premierminister<br />

Winston S. Churchill zu Beratungen.<br />

Die obersten Militärgremien beider<br />

Staaten schlossen sich zu den Combined<br />

Chiefs of Staff zusammen. Um<br />

die Jahreswende 1941/42 wurde »Europe<br />

First« offiziell verabschiedet. Seitdem<br />

war eine Invasion in Frankreich Gegenstand<br />

von Planungen und Verhandlungen.<br />

Die USA begannen Truppen aufzustellen,<br />

auszubilden und auszurüsten,<br />

um diese in Großbritannien bereitzustellen.<br />

Amerikaner und Briten waren<br />

sich jedoch zunächst nicht einig, wann<br />

und wo eine Landung Erfolg versprechend<br />

sein könnte. Die USA bevorzugten<br />

frühzeitig Frankreich, das Vereinigte<br />

Königreich befürwortete Nordafrika.<br />

Das Unternehmen »Torch«, die Landung<br />

der Alliierten im November 1942<br />

in Nordafrika, war letztlich das erste<br />

Ergebnis dieses Ringens. Im Zuge der<br />

Kämpfe in Tunesien gegen das ausweichende<br />

Deutsche Afrikakorps trafen<br />

sich die alliierten Führer dann im Januar<br />

1943 in Casablanca, wo u.a. beschlossen<br />

wurde, die Invasion in Frankreich<br />

auf 1944 zu verschieben und den<br />

Schwerpunkt zunächst auf das Mittelmeer<br />

zu verlegen.<br />

Im Juli 1943 erfolgte die Landung auf<br />

Sizilien und im September 1943 in Italien.<br />

Schließlich setzten die militärisch<br />

stärker werdenden und somit die Allianz<br />

im Westen dominierenden USA<br />

Mitte 1943 ihre Vorstellungen gegen ihren<br />

britischen Verbündeten durch: Das<br />

folgende Jahr sollte die Landung in<br />

Frankreich sehen. Unterstützt wurden<br />

die USA durch den sowjetischen Diktator<br />

Josef Stalin, der die Westalliierten<br />

immer lauter zur Eröffnung einer<br />

»Zweiten Front« in Frankreich drängte.<br />

Der Plan für »Overlord« wurde im<br />

Dezember 1943 fertiggestellt. Auf der<br />

Konferenz von Teheran legten »Die<br />

großen Drei« die Operation und eine<br />

weitere flankierende Landung in Südfrankreich<br />

(»Anvil« bzw. später »Dragoon«)<br />

als Schwerpunkte für 1944 fest.<br />

Noch im Februar 1944 unternahm<br />

Churchill den Versuch, »Overlord« zugunsten<br />

einer Landeoperation im östlichen<br />

Mittelmeerraum (Italien oder Balkan)<br />

zu verhindern. Hierin offenbarten<br />

sich die unterschiedlichen Interessen<br />

Großbritanniens und der Sowjetunion.<br />

Großbritannien sah seine Stellung im<br />

Mittelmeer gefährdet, überließe man<br />

der Sowjetunion das Operationsgebiet<br />

Balkan. Zudem hätte eine dortige Landung<br />

der Westalliierten eine Ausdehnung<br />

der sowjetischen Einflusssphäre<br />

in Osteuropa verhindert. Dies wiederum<br />

konnte nicht in Stalins Interesse liegen.<br />

Er drängte die Westalliierten auf<br />

die Errichtung einer »Zweiten Front«.<br />

Letztlich war es aber Roosevelt, der sich<br />

gegenüber Churchill durchsetzte und<br />

sowohl das Jahr 1944 als auch Frankreich<br />

als geeigneten Raum für das entscheidende<br />

Landungsunternehmen in<br />

Europa festlegte.<br />

Der Verlauf der Landung<br />

Für die Landung hatten die Verbündeten<br />

in Großbritannien insgesamt 38<br />

Divisionen bereitgestellt. Die Soldaten<br />

stammten aus den USA, Großbritannien<br />

und Kanada. Aber auch polnische und<br />

französische Exiltruppen nahmen an<br />

den Kämpfen in der Normandie und in<br />

Frankreich teil. Die Alliierten griffen in<br />

den Morgenstunden des 6. Juni mit einer<br />

Heeresgruppe unter General Bernard L.<br />

Montgomery an. Der Landungsstrand<br />

erstreckte sich auf etwa 100 km zwischen<br />

St. Mère-Eglise im Westen und<br />

Ouistreham im Osten. Er umfasste fünf<br />

Landungssektoren, die ihrerseits jeweils<br />

bis zu 10 km breit waren.<br />

Den US-Streitkräften waren dabei<br />

die westlichen Sektoren UTAH und<br />

OMAHA zugeteilt. Dort hoffte man<br />

später Atlantikhäfen zu erobern, um<br />

so den benötigten Nachschub aus den<br />

USA direkt anlanden zu können. Die<br />

US-Streitkräfte griffen am 6. Juni mit<br />

der 1. US-Armee und den nachgeordneten<br />

VII. und V. US-Korps an. Jedes<br />

Korps landete zunächst mit einer Division,<br />

der 4. Division an UTAH und der<br />

1. Division an OMAHA. Die Commonwealthtruppen<br />

griffen an den östlichen<br />

Strandabschnitten GOLD, JUNO und<br />

SWORD an. Sie waren in der 2. britischen<br />

Armee mit dem XXX. brit. und<br />

dem I. brit. Korps zusammengefasst.<br />

Auf GOLD griff die 50. brit. Division,<br />

auf JUNO die 3. kanadische Division<br />

und auf SWORD die 3. brit. Division<br />

an. Ihnen standen auf deutscher Seite<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

19


Die Invasion 1944<br />

sieben Divisionen gegenüber. Insgesamt<br />

verfügte der deutsche Oberbefehlshaber<br />

West über etwa 60 Divisionen<br />

in ganz Frankreich; davon waren<br />

jedoch weit über die Hälfte sogenannte<br />

bodenständige Divisionen und solche<br />

mit nur eingeschränktem Kampfwert.<br />

Die übrigen kampfstarken motorisierten<br />

und gepanzerten Infanterie- und<br />

Panzerdivisionen hatten Verfügungsräume<br />

weiter im Landesinneren bezogen.<br />

Es benötigte daher erhebliche<br />

Zeit, sie an den Landungsort heranzuführen,<br />

zumal die drückende alliierte<br />

Luftüberlegenheit die deutschen<br />

Bewegungen massiv behinderte. Erschwerend<br />

kam hinzu, dass die deutsche<br />

Reaktion auf die Landung durch<br />

Kompetenzüberschneidungen, unklare<br />

Befehlslagen und das Fehlen eines<br />

von den verschiedenen Befehlshabern<br />

getragenen operativen Konzeptes geprägt<br />

war.<br />

In der Nacht unmittelbar vor der Landung<br />

bombardierten alliierte Flugzeuge<br />

die deutschen Festungsbatterien;<br />

zudem setzten Luftlandeunternehmen<br />

in der Westflanke (82. und 101. US-<br />

Luftlande-Division) und der Ostflanke<br />

(6. brit. Luftlande-Division) ein.<br />

Nach den nächtlichen Bombardements<br />

eröffnete die Schiffsartillerie ihr<br />

Deckungsfeuer. In deren Schutz fuhren<br />

die Landungsboote vor, ließen ab<br />

etwa 4000 Yards (ca. 3,7 km) vor der<br />

Küste Schwimmpanzer zu Wasser, welche<br />

die in der Regel später anlandende<br />

Infanterie entscheidend unterstützten.<br />

Die deutschen Verbände leisteten<br />

hartnäckigen Widerstand, waren aber<br />

sowohl materiell als auch personell<br />

unzureichend ausgestattet. Den Landungsabschnitt<br />

JUNO verteidigten beispielweise<br />

nur wenige Kompanien der<br />

716. Infanteriedivision.<br />

Schon am ersten Tag erzielten die Alliierten<br />

Geländegewinne von bis zu<br />

sechs Kilometern Tiefe. Entscheidende<br />

deutsche Gegenangriffe blieben<br />

aus, weil geeignete Verbände zu weit<br />

entfernt waren, ihre Verlegung durch<br />

die alliierte Luftwaffe verzögert oder<br />

sie ganz vernichtet wurden. Erst bei<br />

Caen kamen die britischen Truppen<br />

zum Stehen. Während es hier den deutschen<br />

Verbänden gelang, unter verlustreichen<br />

Gefechten den Vormarsch des<br />

Gegners zu verzögern, konnten die US-<br />

Streitkräfte nach anfänglichen Schwierigkeiten<br />

im Sektor OMAHA zunächst<br />

die Halbinsel Cotentin erobern und<br />

schließlich weiter südlich den entscheidenden<br />

Durchbruch aus dem Brückenkopf<br />

in der Normandie erzielen.<br />

Der Ausbruch aus dem<br />

Brückenkopf<br />

Bis Ende Juli vermochte die Wehrmacht,<br />

die gegnerischen Soldaten zwischen der<br />

Halbinsel Cotentin und Caen im Brückenkopf<br />

zu halten. Das VII. US-Korps<br />

stieß jedoch am 26./27. Juli bei St. Lô und<br />

schließlich am 31. Juli bei Avranches<br />

durch die gegnerische Front. In dieser<br />

Situation befahl Hitler einen Gegenangriff<br />

mit Panzerdivisionen. Dazu mussten<br />

kampfstarke gepanzerte Verbände<br />

aus dem Raum Caen abgezogen werden,<br />

die bislang erfolgreich die Angriffe<br />

der britischen und kanadischen Truppen<br />

abgewehrt hatten. Der Gegen angriff<br />

nach Westen blieb jedoch nach anfänglichen<br />

Erfolgen im Feuer der alliierten<br />

Schlachtflieger liegen. Von diesen erlittenen<br />

Verlusten erholten sich die deutschen<br />

Truppen in der Normandie nicht<br />

mehr. Innerhalb kürzester Zeit stießen<br />

die Amerikaner weiter nach Süden vor,<br />

drehten nach Osten ein und überflügelten<br />

die deutschen Divisionen. Gleichzeitig<br />

hatte der Abzug der deutschen Panzerverbände<br />

aus dem Raum um Caen<br />

ebendort einen Durchbruch der Commonwealthtruppen<br />

ermöglicht. Beide<br />

alliierte Bewegungen führten zu einer<br />

Einkesselung der deutschen Verbände<br />

im Raum Falaise am 20./21. August.<br />

In diesem Kessel, in dem über 100 000<br />

deutsche Soldaten eingeschlossen waren,<br />

fielen etwa 10 000 Mann, weitere<br />

50 000 gerieten in Gefangenschaft.<br />

Etwa 40 000 deutsche Soldaten konnten<br />

aus dem Kessel entkommen. Gleichzeitig<br />

stießen weiter südlich US-Verbände<br />

nach Osten auf Paris vor.<br />

Der Ausbruch aus dem Brückenkopf<br />

Normandie wurde seit dem 15. August<br />

durch die Operation »Dragoon«, der<br />

Landung westalliierter Truppen in<br />

Südfrankreich, flankiert. Für das deutsche<br />

Westheer gab es kein Halten<br />

mehr. Der Rückzug aus der Normandie,<br />

aber auch aus Südfrankreich verlief<br />

nicht mehr planmäßig, an vielen<br />

Stellen wirkte er wie eine panikartige<br />

Flucht. Der alliierte Angriff kam erst<br />

im Herbst, etwa 100 km vor der deutschen<br />

Reichsgrenze, zum Stehen. Der<br />

Grund für diesen Halt lag u.a. an den<br />

überdehnten alliierten Versorgungslinien,<br />

die zu ernsthaften Nachschubkrisen<br />

führten. Die Pause ermöglichte<br />

noch einmal eine Konzentration deutscher<br />

Verbände, die schließlich im Dezember<br />

1944 in der »Ardennenoffensive«,<br />

der letzten deutschen Offensive im<br />

Westen, gipfelte.<br />

Die Westalliierten landeten bis Anfang<br />

September etwa 1 234 000 amerikanische<br />

und 825 000 Soldaten des<br />

Commonwealth. Die Verluste auf beiden<br />

Seiten waren hoch. Die Wehrmacht<br />

verlor allein in diesen Kämpfen des<br />

Sommers 1944 über eine halbe Millionen<br />

Soldaten an der Westfront.<br />

20 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


ullstein – LEONE<br />

Brachte die Invasion die Wende im<br />

Zweiten Weltkrieg?<br />

Im Zuge der Feierlichkeiten zum<br />

60. Jahrestag konnte der Eindruck entstehen<br />

– so übrigens auch, wenn man in<br />

die Normandie reist –, alleine die alliierte<br />

Landung in der Normandie habe<br />

über den Ausgang des Krieges entschieden.<br />

Dies ist nur eingeschränkt<br />

richtig. Die Invasion bestimmte maßgeblich<br />

die Machtverteilung in Europa<br />

nach dem Krieg. Die deutsche Niederlage<br />

aber war bereits lange vorher<br />

auf anderen Schlachtfeldern erzwungen<br />

worden.<br />

Dass das Reich den Krieg vermutlich<br />

nie hätte gewinnen können, lag<br />

wohl nicht zuletzt an den schier unerschöpflichen<br />

Ressourcen der USA.<br />

Dass es den Krieg aber verlor, gründet<br />

in erster Linie an den »Leistungen« der<br />

Sowjetunion (Bernd Wegner). Dass diese<br />

und die damit verbundenen Opfer<br />

nach 1945 in Westeuropa eher in den<br />

Hintergrund gedrängt wurden, geht<br />

auf die Konfrontation zwischen Ost<br />

und West im Kalten Krieg zurück. Andererseits<br />

schlachtete die Sowjetunion<br />

ihren Beitrag zum Sieg der Alliierten<br />

nach 1945 propagandistisch aus. Letztlich<br />

hätte das westliche Zugeständnis<br />

der ungeheueren Leistungen der Sowjetunion<br />

aber auch eine Legitimierung<br />

ihres Handelns nach 1945, nämlich<br />

der Besetzung halb Europas und<br />

der kommunistischen und diktatorischen<br />

Neuordnungspolitik, bedeutet,<br />

was nicht im Interesse der Westalliierten<br />

und des »freien« Europas liegen<br />

konnte. Deutlich wird dies auch daran,<br />

dass im Zuge der Feierlichkeiten zum<br />

D-Day der Operation »Bagration«, der<br />

beinahe zeitgleichen sowjetischen Offensive,<br />

welche die Heeresgruppe Mitte<br />

zusammenbrechen ließ, in den westlichen<br />

Medien oder der Öffentlichkeit<br />

kaum gedacht wurde. Dieser ersten<br />

Offensive vom 22. Juni 1944 (zugleich<br />

der 3. Jahrestag des deutschen Angriffs<br />

auf die Sowjetunion), die etwa 2,5 Millionen<br />

Rotarmisten, 45 000 Geschütze,<br />

mehr als 6000 Panzer und über 8000<br />

Flugzeuge umfasste, schlossen sich<br />

zwei weitere auf die obere Weichsel<br />

und nach Rumänien und Bulgarien<br />

an. Das Unternehmen »Bagration« war<br />

mit einer Frontlänge von über 1100 km<br />

und 600 km Tiefe eine der größten Einzeloperationen<br />

der Militärgeschichte.<br />

Es führte gleichzeitig auch zur größten<br />

deutschen Niederlage, die den Zusammenbruch<br />

des Ostheeres nach sich<br />

zog. In der Folge der weiteren Offensive<br />

schieden Bulgarien, Rumänien und<br />

Finnland aus dem Krieg aus. Die Sowjetunion<br />

begann in Osteuropa und<br />

im Baltikum eine politische Neugestaltung:<br />

Sie verschob ihre Einflusssphäre<br />

nach Westen.<br />

Die Landung der Westalliierten in<br />

Frankreich eröffnete eine »Zweite<br />

Front«, deren Bedeutung für den Ausgang<br />

des Zweiten Weltkrieges im Zuge<br />

der politischen Auseinandersetzungen<br />

des Kalten Krieges medial stets besonders<br />

hervorgehoben wurde. Die Leistungen<br />

und Opfer der Roten Armee<br />

– der Armee einer Diktatur und der Armee<br />

des »Systemgegners« – standen im<br />

Schatten dieser »Zweiten Front«. Ungeachtet<br />

dessen signalisierten der Zusammenbruch<br />

der deutschen Heeresgruppe<br />

Mitte an der Ostfront und der<br />

Ausbruch der Westalliierten aus dem<br />

Brückenkopf der Normandie das nahe<br />

Kriegsende. Der wichtigste Kriegsschauplatz<br />

in Europa war jedoch die<br />

Ostfront, an welcher die Wehrmacht<br />

seit Winter 1941 einem Auszehrungsprozess<br />

unterlag, dessen Ursachen in<br />

der »völligen Asymmetrie« (Bernd<br />

Wegner) der wirtschaftlichen und personellen<br />

Ressourcen der am Krieg beteiligten<br />

Mächte zu suchen sind. Sowohl<br />

der politische als auch der militärische<br />

Handlungsspielraum der deutschen<br />

Führung nahmen von Kriegsjahr zu<br />

Kriegsjahr ab. Sie schwanden in dem<br />

Maße, wie sich die Funktionszusammenhänge<br />

zwischen den einzelnen<br />

Fronten zu einem engmaschigen Netz<br />

verdichteten, in dem die Wehrmacht<br />

sich immer mehr verfing und so einen<br />

Kampf führte, der spätestens seit der<br />

Wende vor Moskau 1941 nicht mehr zu<br />

gewinnen war.<br />

• Thorsten Loch<br />

Literaturtipps:<br />

Deutsche Soldaten während der Ardennenschlacht in einem Dorf östlich von<br />

Malmedy, um den 22. Dezember 1944.<br />

Hans Umbreit (Hrsg.), Die Invasion, Hamburg,<br />

Berlin, Bonn 1998 (= Vorträge zur<br />

Militärgeschichte, Bd 16)<br />

Rolf-Dieter Müller und Hans-Erich Volkmann<br />

(Hrsg.), Die Wehrmacht. Mythos<br />

und Realität, München 1999<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

21


Service<br />

Das historische Stichwort<br />

Die<br />

Polenkrise<br />

1980/81<br />

Warnstreiks im Hüttenwerk Warszawa<br />

bei Warschau: demonstrierende Arbeiter<br />

mit Protestplakaten und Spruchbändern,<br />

auf denen auch für die unabhängige<br />

Gewerkschaft Solidarnosc<br />

demonstriert wird, 1980.<br />

Am 31. August 1980 ließ die Regierung<br />

der Volksrepublik Polen<br />

(VRP) offiziell die Gewerkschaft<br />

Solidarność (Solidarität) zu. Diese im<br />

ersten Moment wenig spektakulär wirkende<br />

Maßnahme besaß vor der Kulisse<br />

des Kalten Krieges ihre eigene Tragweite:<br />

zum ersten Mal seit dem Beginn<br />

der Blockkonfrontation war es in einem<br />

sozialistischen Land zur Gründung und<br />

staatlichen Bestätigung einer unabhängigen<br />

Gewerkschaft gekommen. Dadurch<br />

wurde das sozialistische Selbstverständnis,<br />

demzufolge Partei und<br />

Staatsorgane die Interessen der Arbeiterschaft<br />

wahrnehmen, grundsätzlich<br />

in Frage gestellt. Es ist vor dem Hintergrund<br />

der weltweiten Auseinandersetzung<br />

zweier unterschiedlicher politischer<br />

Systeme kaum verwunderlich,<br />

dass die Entwicklungen in der VRP die<br />

anderen sozialistischen Staaten stark<br />

beunruhigten. Ein Ausscheren einzelner<br />

Länder aus dem sozialistischen<br />

Gleichschritt konnte unter keinen Umständen<br />

toleriert werden. Nicht zuletzt<br />

aufgrund des blockinternen Drucks auf<br />

die polnische Regierung kam es daraufhin<br />

am 13. Dezember 1981 zur nationalen<br />

Verhängung des Kriegsrechts, um<br />

eine eventuell bevorstehende Intervention<br />

von Truppen des Warschauer Vertrages<br />

zu verhindern. Die Führung von<br />

ullstein – PAI-Foto.pl<br />

Solidarność wurde interniert, die Arbeit<br />

der Gewerkschaft verboten. Am 8. Oktober<br />

1982 folgte ihre Auflösung. Die<br />

beginnende Demokratisierung wurde<br />

jedoch nur verzögert, verhindert werden<br />

konnte sie nicht mehr.<br />

Es waren vor allem politische und<br />

ökonomische Faktoren, die zum Zusammenbruch<br />

vieler sozialistischer<br />

Staaten und zur Beendigung des Kalten<br />

Krieges geführt haben. Weitreichende<br />

ökonomische Probleme waren bei einigen<br />

Mitgliedern der Warschauer Vertragsorganisation<br />

(WVO) bereits zum<br />

Beginn der 70er Jahre unübersehbar.<br />

Dies galt auch für die VRP. Um finanzielle<br />

Probleme des Staatshaushaltes zu<br />

mildern, ließ der damalige Generalsekretär<br />

der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei<br />

(PVAP), Władysław Gomułka<br />

(1905-1982), im Dezember 1970 die Preise<br />

für Lebensmittel drastisch anheben.<br />

Das Resultat dieser Verteuerung waren<br />

weit verbreitete Unruhen, die blutig<br />

niedergeschlagen wurden. Gomułkas<br />

Nachfolger seit Dezember 1970, Edward<br />

Gierek (1913–2001), versuchte<br />

der andauernden Missstimmung in der<br />

Gesellschaft durch die Rücknahme der<br />

Preiserhöhungen und eine Subventionierung<br />

von Lebensmitteln entgegenzuwirken.<br />

Er erhoffte sich durch die<br />

Aufnahme weiterer Auslandskredite<br />

positive Auswirkungen auf die eigene<br />

Wirtschaft. Als derartige Effekte ausblieben,<br />

versuchte er 1976 erneut, die<br />

Lebensmittelpreise zu erhöhen. Wiederum<br />

kam es in der Bevölkerung zu<br />

Unruhen, die niedergeschlagen wurden.<br />

Es gelang Gierek in der Folge der<br />

Aufstände von 1976 nicht, die polnische<br />

Wirt schaft und den Staatshaushalt zu<br />

sanieren. Es mussten immer neue Kredite<br />

von westlichen Staaten aufgenommen<br />

werden, um die Zahlungsunfähigkeit<br />

zu verhindern. Einen Großteil der<br />

Staatskosten machten Subventionsausgaben<br />

aus, die aufgrund der maroden<br />

Staatsfinanzen drastisch gesenkt werden<br />

mussten. Aus diesem Grund wurden<br />

die Preise für Fleisch zum 1. Juli<br />

1980 verdoppelt. Wie bereits in den Jahren<br />

1970 und 1976 kam es zu Unruhen<br />

und Streiks im ganzen Land. Zentrum<br />

des Widerstandes war die Leninwerft<br />

in Danzig. Dort wurde der Streik am<br />

14. August 1980 ausgerufen, nachdem<br />

zuvor die Kranführerin Anna Walentynowicz<br />

(geb. 1929), eine Symbolfigur<br />

der Unruhen von 1970, entlassen<br />

worden war. Die Streikenden in Danzig<br />

forderten aber nicht nur die Wiedereinstellung<br />

ihrer Mitstreiterin und<br />

die Zurücknahme der Preiserhöhungen<br />

für Lebensmittel, sondern auch<br />

22 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


ullstein – UPI<br />

General Wojciech Jaruzelski verkündet<br />

am 13.12.1981 in einer TV-Ansprache<br />

das Kriegsrecht.<br />

eine grundlegende Liberalisierung des<br />

politischen Systems.<br />

Aus der Streikbewegung der Arbeiter<br />

in Danzig formierte sich unter Führung<br />

des charismatischen Elektrikers Lech<br />

Wałęsa (geb. 1943) die Gewerkschaft<br />

Solidarność. Zentrale Ziele waren die<br />

Freilassung aller politischen Gefangenen,<br />

die Gewährung des Streikrechts,<br />

die Anerkennung als freie Gewerkschaft<br />

und der Zugang zu den Medien<br />

unter Aufhebung der Zensur. Das sozialistische<br />

System an sich wurde nicht<br />

in Frage gestellt. Solidarność als Interessenvertretung<br />

der Arbeiter wurde<br />

in diesen Zielen von regimekritischen<br />

Intellektuellen wie Tadeusz Mazowiecki<br />

(geb. 1927), 1989 erster nichtkommunistischer<br />

Ministerpräsident<br />

Polens seit Ende des Zweiten Weltkriegs,<br />

und Teilen der katholischen<br />

Kirche unterstützt. Nach der Besetzung<br />

des Werftgeländes in Danzig gelang es<br />

Wałęsa am 31. August 1980, von der Regierung<br />

die Zulassung von Solidarność<br />

als freie Gewerkschaft zu erzwingen.<br />

Auch wenn es nicht in der Absicht<br />

der neugegründeten Gewerkschaft<br />

lag, wurde doch durch ihre bloße Existenz<br />

das bestehende System in Frage<br />

gestellt und das sozialistische Selbstverständnis<br />

konterkariert. Dieser Konflikt<br />

offenbarte sich auch innerhalb von<br />

Solidarność; in zahlreichen Debatten<br />

wurde diskutiert, ob man lediglich als<br />

Gewerkschaft oder auch als politischgesellschaftliche<br />

Kraft auftreten sollte.<br />

Stanisław Kania (geb. 1927), der Gierek<br />

am 6. September 1980 als Generalsekretär<br />

der PVAP abgelöst hatte,<br />

konnte die ökonomischen Probleme<br />

Nach der Verhängung<br />

des<br />

Kriegsrechts<br />

in Polen am<br />

13.12.1981:<br />

Demonstranten<br />

werden von<br />

der Polizei<br />

mit Tränengas<br />

auseinander<br />

getrieben.<br />

ullstein – AP<br />

gierungschefs der Deutschen Demokratischen<br />

Republik (DDR), Bulgariens<br />

und der Tschechoslowakei befürworteten<br />

eine militärische Intervention der<br />

WVO in Polen. Erich Honecker bot sogar<br />

eine deutsche Division für eine Invasion<br />

an. Die Regierungschefs Rumäniens<br />

und Ungarns setzten hingegen<br />

auf eine politische Lösung des Konflikts,<br />

die auch von der Sowjetunion favorisiert<br />

wurde. Aus diesem Grund unterblieb<br />

eine militärischen Intervention<br />

vorerst, man behielt sich diese Option<br />

aber vor.<br />

Die polnische Regierung war trotz<br />

eines drohenden Militärschlags nicht<br />

in der Lage, grundlegende Entscheidungen<br />

zu treffen. Auch Solidarność<br />

Polens ebenfalls nicht mildern. Folge<br />

waren weitere Streikwellen, die das<br />

Land lähmten und das volle Ausmaß<br />

der wirtschaftlichen Krise offen legten.<br />

Die VRP war nicht mehr stabil, der Regierung<br />

entglitt in zunehmenden Maße<br />

die Kontrolle. Die politische Instabilität<br />

Polens wirkte aber nicht nur nach innen,<br />

sondern auch nach außen. Ein gesellschaftlicher<br />

Umbruch konnte nicht<br />

toleriert werden, würde doch so der<br />

Sozialismus an sich, und nicht zuletzt<br />

die Machtbasis der Regime der anderen<br />

WVO-Staaten in Frage gestellt. Eine<br />

derartige Entwicklung war nicht völlig<br />

abwegig, gingen doch die Mitgliedszahlen<br />

der PVAP deutlich zurück, während<br />

Solidarność gesamtgesellschaftlichen<br />

Zulauf aufweisen konnte. Die<br />

politischen Eliten der WVO kamen daher<br />

am 5. Dezember 1980 in Moskau<br />

zu einer Krisensitzung zusammen, um<br />

über das weitere Vorgehen in Bezug<br />

auf Polen zu beraten. Vor allem die Reschaffte<br />

es nicht, sich produktiv an der<br />

Behebung der politischen und wirtschaftlichen<br />

Probleme zu beteiligen. Indes<br />

wuchs der außenpolitische Druck.<br />

Vor allem die DDR strebte aufgrund<br />

der geostrategischen Lage Polens eine<br />

schnelle Beendigung der »Konterrevolution«<br />

im Nachbarland an.<br />

Im Oktober 1981 wurde General<br />

Wojciech Jaruzelski (geb. 1923), bis dahin<br />

Ministerpräsident und Verteidigungsminister,<br />

zum neuen Ersten Sekretär<br />

des Zentralkomitees der PVAP<br />

bestimmt. Auf seinen Befehl hin wurde<br />

am 13. Dezember 1981 in Polen das<br />

Kriegsrecht verhängt, die Arbeit von<br />

Solidarność verboten. Bis heute ist umstritten,<br />

ob der General damit einer Invasion<br />

seines Landes zuvorkam.<br />

Zu einer militärischen Intervention in<br />

Polen ist es nie gekommen. Stattdessen<br />

kam es aufgrund anhaltenden Drucks<br />

seitens der WVO zu einer »nationalen<br />

Lösung«. Als das Kriegsrecht am<br />

22. Juli 1983 aufgehoben wurde, waren<br />

über 13 000 Gewerkschaftler und Oppositionelle<br />

interniert worden. 800 000<br />

Bürger, vor allem Akademiker, hatten<br />

ihr Heimatland verlassen. Doch auch<br />

wenn das System noch einige Jahre<br />

weiterbestehen konnte, seine Auflösung<br />

hatte unwiderruflich begonnen:<br />

mit dem Beginn von Perestroika und<br />

Glasnost in der Sowjetunion änderten<br />

sich auch die politischen Rahmenbedingungen<br />

in Polen. Am 5. April 1989<br />

wurde Solidarność wieder staatlich anerkannt,<br />

Polen nach den ersten freien<br />

Wahlen im Juni 1989 eine parlamentarische<br />

Demokratie. Erster Präsident wurde<br />

Lech Wałęsa.<br />

Julian-André Finke<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

23


Service<br />

Medien online/digital<br />

Lange Kerls<br />

Legendäre »lange Kerls«. Ausgewählte<br />

Quellen zur Regimentskultur der Königsgrenadiere<br />

Friedrich Wilhelms I. 1713–<br />

1740. Ein Hörbuch von Jürgen Kloosterhuis,<br />

in Zusammenarbeit mit der Stiftung<br />

Preußische Schlösser und Gärten Berlin-<br />

Brandenburg, Berlin 2006 (= Veröffentlichungen<br />

aus den Archiven Preußischer<br />

Kulturbesitz, Hörbuch 1), CD-ROM mit<br />

Abbildungsteil. ISBN 3-923579-08-2,<br />

15,00 €<br />

Ein militärhistorisches Hörerlebnis<br />

der besonderen Art ist unter dem Titel<br />

Legendäre »lange Kerls« erschienen. Dabei<br />

handelt es sich um ein Hörbuch von<br />

Jürgen Kloosterhuis, das auf der Basis<br />

einer 2003 veröffentlichten Quellensammlung<br />

gleichen Titels entstanden<br />

ist. Während die voluminöse Quellenedition<br />

sich hauptsächlich an das historische<br />

Fachpublikum richtet, vermittelt<br />

das Hörbuch ein lebendiges Bild preußischer<br />

Militärgeschichte für jedermann.<br />

Mithilfe der sogenannten Minütenbände<br />

– Amtsbücher, in denen die<br />

Weisungen des Königs niedergeschrieben<br />

wurden – gelingt es Jürgen Kloosterhuis,<br />

dem Hörer einen Einblick in<br />

den Alltag und die Lebenswirklichkeit<br />

der Angehörigen der berühmten Gardetruppe<br />

zu gewähren und zugleich<br />

mit den gängigen Klischees aufzuräumen.<br />

So entpuppt sich die »Potsdamer<br />

Riesengarde« nicht nur als »luxuriöse<br />

Palasttruppe«, sondern auch als<br />

»hochbrisante Kampfgarde«. Die »langen<br />

Kerls« waren also mehr als nur eine<br />

teure Spielerei eines in das Militär vernarrten<br />

Monarchen. Das 3669 Mann<br />

starke Königsregiment Nr. 6 diente der<br />

preußischen Armee als Lehr- und Versuchstruppe,<br />

in der neue Exerzierreglements<br />

erprobt und ausgearbeitet wurden.<br />

Gesprochen werden die Kabinettsminüten<br />

auf der CD von »König Fried-<br />

rich Wilhelm I.«. Zu Wort kommen<br />

darüber hinaus eine »Chronistin«,<br />

ein »Kabinettssekretär«, der »Oberstleutnant<br />

von Einsiedel« sowie »König<br />

Friedrich II.«. Musikalisch untermalt<br />

werden die Ausführungen durch historisch<br />

exakte Einspielungen von Dienststücken<br />

und Märschen aus der Zeit des<br />

Soldatenkönigs.<br />

mn<br />

1848 im Internet<br />

world wide web<br />

http://www.ub.uni-heidelberg.<br />

de/helios/fachinfo/www/gesch/<br />

blic1848.htm<br />

Unter den fachbezogenen Informationen<br />

der Universitätsbibliothek Heidelberg<br />

findet sich seit 1999 eine Sonderseite<br />

zur <strong>Revolution</strong> 1848/49. Darin<br />

lassen sich interessante Informationen<br />

und Hinweise auf andere Internet-Seiten<br />

zum <strong>The</strong>ma finden. Die Übersichtlichkeit<br />

durch die Auflistung der Verknüpfungen<br />

auf einer Seite und die<br />

Sor tierung der Hinweise unter verschiedenen<br />

Rubriken/Überschriften erleichtern<br />

die Suche auf der Seite.<br />

Dort erhält man nicht nur die Hinweise<br />

auf die entsprechenden Seiten,<br />

sondern es werden zumeist auch ihre<br />

Inhalte kurz zusammengefasst wiedergegeben,<br />

soweit diese nicht aus dem Titel<br />

explizit hervorgehen. Des Weiteren<br />

werden bei Büchern deren Verfasser<br />

und dazu bereits veröffentlichte Rezensionen<br />

genannt. Auch diese sind,<br />

soweit online verfügbar, über einen<br />

Mausklick durch direkte Vernetzung<br />

zugänglich.<br />

Um sich einen ersten Überblick im<br />

Netz zu verschaffen, findet man unter<br />

der Rubrik »Übergreifend« Hinweise<br />

und Links zu historischen Einführungen,<br />

Forschungsseiten, themenbezogenen<br />

Enzyklopädien, Chroniken,<br />

Artikelsammlungen und Zusammenstellungen<br />

von Unterrichtsmaterialien.<br />

Zur »Vorgeschichte« gibt es derzeit<br />

nur drei Einträge, nämlich zwei Seiten<br />

über Burschenschaften und einen Literaturhinweis.<br />

Die etwas umfangreichere Rubrik<br />

»Regional« verweist auf Seiten, die sich<br />

speziell mit den <strong>Revolution</strong>en in Städten<br />

wie Mannheim, Offenburg, Berlin<br />

oder München beschäftigen. Hier findet<br />

man allerdings auch wichtige Persönlichkeiten<br />

in Verbindung mit ihrem<br />

Wirkungsort, wie beispielsweise Ludwig<br />

Feuerbach in Heidelberg.<br />

Eine Zusammenstellung sehr interessanter<br />

Seiten kann man unter »1848er<br />

in Amerika – Forty-Eighters in America«<br />

finden. Informationsseiten über<br />

die <strong>Revolution</strong>sflüchtlinge oder auch<br />

Bibliografien ermöglichen weitere Recherchen.<br />

Unter »Persönlichkeiten« finden sich<br />

Seiten zu etwas mehr als 25 Beteiligten<br />

von 1848/49, darunter auch sieben Verweise<br />

auf Seiten zu Carl Schurz.<br />

Zum Schluss sind unter »Einzelaspekte«<br />

neben Seiten zu Turnvereinen<br />

und Flugschriften auch eine Anleitung<br />

zu einem 1848-Kartenspiel und eine<br />

Hörcollage als Textdatei aufgelistet.<br />

Zum Einstieg in die online verfügbaren<br />

Informationsseiten zu 1848 ist diese<br />

Seite optimal.<br />

http://lisa.mmz.uni-duesseldorf.<br />

de/%7Ehistsem/revolution/<br />

Wer sich neu mit dem <strong>The</strong>ma 1848 beschäftigt,<br />

dem sei diese Infobox der Universität<br />

Düsseldorf empfohlen. Zwar<br />

konzentrieren sich die Macher der Seite<br />

auf den badischen Raum, doch lassen<br />

sich dort mithilfe der <strong>The</strong>menübersicht<br />

Informationen zu allen wichtigen übergreifenden<br />

Begriffen finden. Nachdem<br />

ein Begriff gewählt ist, entscheidet das<br />

Interesse, ob im Ortsregister oder im<br />

Index danach gesucht werden soll. Die<br />

Indexaufstellung enthält Unterbegriffe<br />

mit teilweise speziellen geografischen<br />

Eingrenzungen. Das Ortsregister listet<br />

neben den gewünschten Informationen<br />

24 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


digital<br />

zu Regionen auch übergreifende Lexikoneinträge<br />

auf.<br />

Besonders interessant ist die umfangreiche<br />

Bibliografie, alphabetisch sortiert<br />

nach Autoren, in der die für die<br />

über die Grundrechte und den langen<br />

Weg zur Demokratie von 1850 bis 1918<br />

bis hin zum Widerstand in NS-Zeit,<br />

SBZ und DDR berichtet.<br />

Das Besondere an diesem Museum<br />

ist dessen pädagogisches Profil. Dieses<br />

macht die Erinnerungsstätte zu einem<br />

idealen Lernort für Exkursionen<br />

im Rahmen der historisch-politischen<br />

Bildung. Unter dem Menüpunkt »Museumspädagogik«<br />

lassen sich zur Vorbereitung<br />

erarbeitete Dokumente herunterladen<br />

und es werden ausführlich<br />

das methodische Vorgehen, die inhaltlichen<br />

Lernziele, die Zielgruppen, die<br />

benötigte Zeit und auch die Funktion<br />

der Übungen erläutert.<br />

Altersgerechtes, eigenverantwortliches<br />

und selbständiges Lernen steht<br />

dabei im Vordergrund. Es kann individuell<br />

auf die Bedürfnisse der Lerngruppe<br />

abgestimmt werden. Bezogen<br />

auf die <strong>Revolution</strong> von 1848/49 stehen<br />

folgende <strong>The</strong>menkreise zur Auswahl:<br />

»Die <strong>Revolution</strong> 1848/49 im Überblick«,<br />

»Die Arbeit der Nationalversammlung«<br />

und »Die <strong>Revolution</strong> in<br />

<strong>Baden</strong> 1849«.<br />

Aber auch der Kreativität werden<br />

kaum Grenzen gesetzt: Ein Sketch aus<br />

dem Jahr 1848 kann nachgespielt werden,<br />

inszeniertes Lesen und das Schreiben<br />

von Gedichten werden ebenso angeboten<br />

wie eine Schreibwerkstatt zum<br />

Petitionsrecht oder die Erstellung einer<br />

Geschichtszeitung mit mehreren möglichen<br />

Rubriken.<br />

Dem Lerngruppenleiter wird unter<br />

»Downloads« eine optimale Vorbereitung<br />

mit den dort bereitgestellten Arbeitsmaterialien<br />

geboten. Mithilfe der<br />

Lernprogramme lassen die Besuchergruppen<br />

die Ausstellung nicht nur auf<br />

sich wirken, sondern beschäftigen sich<br />

intensiver<br />

dig<br />

und kritischer mit dem jeweils<br />

behandelten <strong>The</strong>ma.<br />

StS<br />

Seite verwendete Literatur gelb unterlegt<br />

ist.<br />

Schade nur, dass die Suchfunktion,<br />

welche schneller zum gewünschten Begriff<br />

führen würde, derzeit nicht funktioniert.<br />

http://www.uni-oldenburg.de/<br />

nausa/1848/48start.htm<br />

Welche Rolle deutsche Auswanderer<br />

und <strong>Revolution</strong>sflüchtlinge im Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg gespielt haben,<br />

lässt sich auf dieser Seite der Universität<br />

Oldenburg nachlesen. Neben Zitaten<br />

der Beteiligten im historischen<br />

Kontext und in den Texten vorhandenen<br />

Links zu deren biografischen Daten<br />

werden ihre Aktivitäten im Bürgerkrieg<br />

in relativ chronologischer Folge<br />

abgehandelt. Die ca. 180 000–200 000<br />

Deutschen, die in den Reihen der Union<br />

dienten, waren maßgeblich an wichtigen<br />

politischen wie militärischen Ereignissen<br />

beteiligt, ob als Befehlshaber<br />

oder als militärische Einheit.<br />

Die erste Seite widmet sich den <strong>Revolution</strong>sflüchtlingen<br />

von 1848/49 und<br />

den Anfängen des Amerikanischen<br />

Bürgerkriegs, während auf der zweiten<br />

Seite schon die maßgebliche Beteiligung<br />

Deutscher am Verbleiben Missouris<br />

in der Union zurückverfolgt wird.<br />

Die nächsten drei Seiten behandeln<br />

die Aushebung der deutschen Regimenter<br />

und deren Verbindung zu den<br />

»Achtundvierzigern«. Des Weiteren<br />

werden die Schlachten beschrieben, in<br />

denen deutsche Einheiten kämpften, so<br />

zum Beispiel Gettysburg.<br />

Beim Klick auf die letzte Seite erhält<br />

man eine alphabetisch sortierte Liste<br />

der »Achtundvierziger«-<strong>Revolution</strong>sflüchtlinge<br />

in den Vereinigten Staaten<br />

von Amerika.<br />

http://1848.ub.uni-frankfurt.de/<br />

cgi-bin/uebersicht.rb<br />

Um sich eingehender mit der Geschichte<br />

der <strong>Revolution</strong> von 1848/49 zu beschäftigen,<br />

kann man die von der Universitätsbibliothek<br />

Frankfurt am Main<br />

als PDF-Dokumente bereitgestellten<br />

Flugschriften nutzen.<br />

Die nach Personen, Orten, Chronologie<br />

und Signaturen sortierten Schriften<br />

lassen sich als JPG-Bild herunterladen<br />

oder durch einen Klick auf die Lupe<br />

rechts über dem Dokument als PDF-<br />

Datei öffnen und beliebig vergrößern.<br />

Alles in allem wurden etwa 83 000<br />

Seiten digitalisiert.<br />

Das früheste eingeordnete Dokument<br />

ist eine Karikatur aus dem Jahr 1842,<br />

während das Gros der Dokumente aus<br />

den Jahren 1848 bis 1850 stammt.<br />

Zu den Dokumenten erhält man weiterführende<br />

Informationen, wie den<br />

Entstehungszeitraum, genannte Orte<br />

und einen meist sehr hilfreichen Kommentar.<br />

Dank ihrer klaren Strukturierung<br />

und den beschriebenen Features<br />

ist diese Seite optimal für die Quellenarbeit<br />

geeignet.<br />

http://www.erinnerungsstaetterastatt.de/index.htm<br />

Der Internetauftritt der Erinnerungsstätte<br />

für die Freiheitsbewegungen in<br />

der deutschen Geschichte in Rastatt informiert<br />

über die dortige Dauerausstellung,<br />

die von den Freiheitsbewegungen<br />

in der Frühen Neuzeit und den Revolu-<br />

tionen 1789 beziehungsweise 1848/49<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

25


Service<br />

Lesetipp<br />

Kriegsherren<br />

Mit einer Zusammenstellung von<br />

biografischen Skizzen ist es den<br />

Herausgebern Stig Förster, Markus<br />

Pöhlmann und Dierk Walter gelungen,<br />

in einem Bogen von der Antike bis in<br />

die Moderne 22 der bedeutendsten und<br />

wichtigsten historischen Persönlichkeiten<br />

unter dem Begriff »Kriegsherren«<br />

zu vereinen.<br />

Was diese Staaten- und Kriegslenker<br />

gemein haben sollen, ist ihre in einer<br />

Person vereinte politische und militärische<br />

Macht. Genau diese »Letztverantwortlichkeit<br />

eines Individuums für die<br />

gesamtstaatlichen Kriegsentscheidungen«<br />

zieht sich durch alle Epochen der<br />

Weltgeschichte.<br />

Dadurch erscheinen neben bekannten<br />

militärischen Führern wie Alexander<br />

der Große, Napoleon I. oder Josef Stalin<br />

auch Personen in diesem Band, die<br />

man nicht unbedingt mit dem Begriff<br />

des »Kriegsherrn« oder der »Kriegsherrin«<br />

in Verbindung bringt, so beispielsweise<br />

Abraham Lincoln (1809–1865) als<br />

ein demokratisch legitimierter Oberbefehlshaber<br />

oder die aus dem Hintergrund<br />

agierende chinesische Kaiserinwitwe<br />

Cixi (1835–1908).<br />

Alles in allem gelingt es den Autoren<br />

dieses Bandes, das Wirken der beschriebenen<br />

Männer und Frauen auf<br />

komprimierten Raum kenntnisreich<br />

darzustellen.<br />

StS<br />

Stig Förster, Markus Pöhlmann und<br />

Dierk Walter (Hrsg.), Kriegsherren der<br />

Weltgeschichte. 22 historische Portraits,<br />

München 2006. ISBN 3-406-54983-7;<br />

415 S., 24,90 Euro<br />

1848/49<br />

Wer mehr über die historischen<br />

Wurzeln der »Forty-Eighter« erfahren<br />

möchte, dem sei der Sammelband<br />

von Wolfram Siemann »1848/49<br />

in Deutschland und Europa« empfohlen.<br />

Der Band, der anlässlich des<br />

60. Geburtstags des Autors erschienen<br />

ist, umfasst 12 Aufsätze, die den Leser<br />

mit den zentralen Ereignissen der <strong>Revolution</strong><br />

sowie deren Auswirkungen<br />

vertraut machen. Behandelt werden<br />

u.a. die Parteibildung in der Paulskirche,<br />

die sozialen Protestbewegungen,<br />

die Bedeutung von Nation und Nationalitäten,<br />

die Funktion der Presse, das<br />

politische System der Reaktion und der<br />

Wolfram Siemann, 1848/49 in Deutschland<br />

und Europa. Ereignis – Bewältigung<br />

– Erinnerung, Paderborn 2006.<br />

ISBN 3-506-75673-7; 272 S., 19,90 Euro<br />

Umgang mit dem historischen Erbe der<br />

<strong>Revolution</strong>. Den <strong>Revolution</strong>sflüchtlingen<br />

widmet sich der Beitrag »Asyl,<br />

Exil und Emigration der 1848er«. Darin<br />

zeigt Siemann auf, dass die Asylsuchenden<br />

von 1848/49 in der Praxis<br />

keineswegs immer »freundliche Aufnahme«<br />

fanden. Gerade vermeintlich<br />

liberale Länder wie Frankreich oder<br />

die Schweiz bemühten sich möglichst<br />

schnell um eine Ausweisung der ungeliebten<br />

Gäste, da man über die politische<br />

Ruhe im eigenen Land besorgt<br />

war. Einzig in den Vereinigten Staaten<br />

ließ sich der »Traum von der Freiheit«<br />

verwirklichen und so kämpften<br />

die ehemaligen Flüchtlinge der <strong>Revolution</strong><br />

von 1848/49 im Amerikanischen<br />

Bürgerkrieg für ihre alten Ideale und<br />

das »Erbe von 1848«.<br />

Insgesamt bietet der Sammelband einen<br />

informativen Überblick über die<br />

wichtigsten Aspekte der <strong>Revolution</strong>.<br />

mn<br />

Spanischer Bürgerkrieg<br />

Fällt das Stichwort »Spanischer Bürgerkrieg<br />

(1936–1939)«, dann dürften<br />

»Legion Condor«, »Internationale Brigaden»,<br />

»Guernica«, »Pablo Picasso«,<br />

»Wem die Stunde schlägt« und »Ernest<br />

Hemingway« wohl mit die bekanntesten<br />

Begriffe sein, die einem durch den<br />

Kopf gehen. Der Kriegsbeginn jährte<br />

sich 2006 zum siebzigsten Male und<br />

brachte eine Fülle von Neuerscheinungen<br />

hervor. Antony Beevors Buch geht<br />

dabei wohl am detailliertesten auf die<br />

Vielzahl der Gefechtshandlungen ein,<br />

ohne die politisch-multinationalen Dimensionen<br />

des »Bürgerkrieges« zu vergessen.<br />

Antony Beevor, Der Spanische Bürgerkrieg,<br />

München 2006. ISBN 3-570-00924-6;<br />

635 S., 26,00 Euro<br />

Die innerspanischen Spannungen werden<br />

ebenso erwähnt wie die als »Säuberungen«<br />

bezeichneten Morde innerhalb<br />

der Internationalen Brigaden, die Untaten<br />

der »Nationalisten« und ihrer italienisch-deutschen<br />

Helfer sowie die Zurückhaltung<br />

der Westmächte. Letztlich<br />

kämpfte Stadt gegen Land, reich gegen<br />

arm, Katholik gegen Kommunist, Anarchist<br />

gegen Kommunist und Separatist<br />

gegen Nationalist. Beevor sieht und<br />

analysiert vielschichtig die verschiedenen<br />

Konflikte und Kriegsparteien, die<br />

seiner Ansicht nach nur unzutreffend<br />

mit dem Wort »Bruderkrieg« wiedergegeben<br />

werden können.<br />

hp<br />

Manstein<br />

Erich von Manstein (1887–1973) ist<br />

einer der bekanntesten Heerführer<br />

des Zweiten Weltkrieges. Seine nach<br />

1945 erschienenen Bücher »Verlorene<br />

26 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


Siege« und »Aus einem Soldatenleben«<br />

trugen maßgeblich dazu bei. Hinzu kamen<br />

sein viel genutztes militärisches<br />

Fachwissen, seine Popularität im Inund<br />

Ausland, seine gleichzeitige Distanz<br />

zum deutschen Widerstand und<br />

zeitweilig auch zu Repräsentanten des<br />

NS-Regimes.<br />

Oliver von Wrochem versucht in seiner<br />

Doktorarbeit Dreierlei: Erstens will<br />

er eine biografische Skizze Mansteins<br />

erstellen, zweitens von Mansteins Rolle<br />

im Vernichtungskrieg beleuchten und<br />

drittens die über ihn und von ihm abgegebenen<br />

Wertungen nach 1945 als<br />

Brennglas des Umgangs mit jüngster<br />

Geschichte in der Bundesrepublik der<br />

1950er bis 1970er Jahre nutzen. Die Ziele<br />

werden erreicht. Für die heutige Leserschaft<br />

ist neben Mansteins Rolle im<br />

Vernichtungskrieg besonders die Analyse<br />

der Netzwerke ehemaliger Wehrmacht-Generale<br />

untereinander, in die<br />

Gesellschaft, aber auch in die frühe<br />

Bundeswehr hinein von besonderem<br />

Interesse. So wird nachvollziehbar,<br />

welches Bild von der Wehrmacht nach<br />

1945 entstehen konnte.<br />

hp<br />

Holocaust<br />

Oliver von Wrochem,<br />

Erich von Manstein:<br />

Vernichtungskrieg<br />

und Geschichtspolitik,<br />

Paderborn/München/Wien/Zürich<br />

2006 (= Krieg in der<br />

Geschichte, Bd 27).<br />

ISBN 3-506-72977-2;<br />

431 S., 39,90 Euro<br />

Durch die Medien entsteht allzu<br />

leicht der Eindruck, zum <strong>The</strong>ma<br />

Holocaust sei alles gesagt und erforscht.<br />

Der Sammelband von Jürgen<br />

Matthäus und Klaus-Michael Mallmann<br />

stellt den Forschungsstand dar,<br />

benennt Lücken und bringt neue Aspekte.<br />

Die insgesamt 18 Einzelbeiträge<br />

sind auf die Sparten »Kontinuitäten<br />

und Zäsuren«, »Täter und Opfer«<br />

und »Wahrnehmungen und Wirkungen«<br />

verteilt. Vorgeschichte, Durchführung<br />

und Wirkungsgeschichte des<br />

Holocaust werden so facettenreich dargestellt.<br />

Die Rolle des Militärs im Holocaust<br />

wird in den Beiträgen »Reichswehr<br />

und Antisemitismus« (Jürgen Förster),<br />

die »Ermordung der baltischen Juden«<br />

(Wolfgang Benz) und die »Schlußphase<br />

der ›Endlösung‹ in Polen« (Christopher<br />

R. Browning) ausgelotet.<br />

Der Beitrag »Dannecker und Kappler<br />

in Rom. Neue Quellen zur Oktober-Deportation<br />

1943« von Richard Breitmann<br />

verweist auf den Schatz deutscher<br />

Funksprüche zum <strong>The</strong>ma Holocaust,<br />

die von den Briten abgehört und<br />

an die Amerikaner weitergeleitet wurden.<br />

Sie sind in den National Archives<br />

einsehbar.<br />

Klaus-Michael Mallmann und Martin<br />

Cüppers stellen in dem Beitrag<br />

Jürgen Matthäus und Klaus-Michael<br />

Mallmann (Hrsg.), Deutsche, Juden, Völkermord.<br />

Der Holocaust als Geschichte und<br />

Gegenwart. Festschrift für Konrad Kwiet<br />

zum 65. Geburtstag, Darmstadt 2006<br />

(= Veröffentlichungen der Forschungsstelle<br />

Ludwigsburg der Universität<br />

Stuttgart, Bd 7). ISBN 3-534-18481-1;<br />

340 S., 39,90 Euro<br />

»Das Einsatzkommando bei der Panzerarmee<br />

Afrika 1942« die deutschen<br />

Planungen für die Zeit nach dem Sieg<br />

Rommels vor. Ein Sonderkommando<br />

war damit beauftragt, die in Palästina<br />

lebenden Juden zu ermorden. Aufgrund<br />

der Niederlage bei El Alamein<br />

kam es aber nicht zum Einsatz.<br />

Robert G. Waite stellt die wechselreiche<br />

öffentliche Wahrnehmung des Holocaust<br />

in den USA 1943-1955 dar und<br />

Frank Bajohr analysiert, wie ein ehemaliger<br />

SS-Brigadeführer unter falschem<br />

Namen 1950 außenpolitischer Redakteur<br />

der ZEIT wurde.<br />

Kurz gesagt: eine lohnenswerte Lektüre.<br />

hp<br />

Palästina<br />

Spätestens mit dem Marineeinsatz<br />

der Bundeswehr ist die Region Israel–Libanon<br />

in Deutschland gegenwärtig.<br />

Wer sich für die Geschichte Palästinas<br />

in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

interessiert, der wird von Tom<br />

Segev kenntnisreich und unterhaltsam<br />

informiert.<br />

Seit dem Ende der Kreuzzüge war Palästina<br />

unter muslimischer Herrschaft,<br />

seit 1516 gehörte das Land zum Osmanischen<br />

Reich. Das Buch setzt mit der<br />

Eroberung der Region durch die Briten<br />

1917 ein und endet mit dem Jahre<br />

1948, also dem Abzug der Briten und<br />

der Gründung des Staates Israel. Die<br />

dazwischen liegenden 29 Jahre behandeln<br />

die britische Mandatsherrschaft<br />

über Palästina. In diesem Land<br />

lebten Christen und Muslime, Juden<br />

und Araber. Die drei großen Abschnitte<br />

des Buches tragen die Titel »Illusion<br />

(1917–1927)«, »Terror (1928–1938)« und<br />

»Entscheidung (1939–1948)«.<br />

Die Briten benötigten während des<br />

Ersten Weltkrieges die Unterstützung<br />

der Araber im Kampf gegen das Osmanische<br />

Reich, also erweckten sie<br />

den Eindruck, es werde nach Kriegsende<br />

ein unabhängiges Arabisches Palästina<br />

geben. Gleichzeitig versprach<br />

die britische Regierung in der Balfour-<br />

Declaration den Juden eine Heimstatt<br />

in Palästina.<br />

Arabische und Jüdische Nationalbewegung<br />

bekämpften sowohl sich gegenseitig<br />

als auch die britische Schutzmacht,<br />

jüdische Einwanderer kamen<br />

in großer Zahl ins Land. Dem Abzug<br />

der Briten folgte der Unabhängigkeitskampf<br />

des Staates Israel.<br />

hp<br />

Tom Segev, Es war<br />

einmal ein Palästina.<br />

Juden und Araber<br />

vor der Staatsgründung<br />

Israels,<br />

München 2006.<br />

ISBN 3-570-55009-5;<br />

669 S., 14,90 Euro<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

27


Service<br />

Ausstellungen<br />

Berlin<br />

Boris Ignatowitsch. Fotografien<br />

von 1927 bis 1946<br />

Deutsch-Russisches<br />

Museum Berlin-Karlshorst<br />

Zwieseler Straße 4<br />

(Ecke Rheinsteinstraße)<br />

D-10318 Berlin<br />

Telefon: (030) 50 15 08-10<br />

Telefax: (030) 50 15 08 40<br />

e-Mail: kontakt@museumkarlshorst.de<br />

Internet: www.museumkarlshorst.de<br />

17. November 2006 bis<br />

11. Februar 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

10.00 bis 18.00 Uhr<br />

Eintritt frei<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

S-Bahn: Bis S-Bahnhof »Karlshorst«,<br />

dann zu Fuß Rheinsteinstraße<br />

(ca. 15 Min.<br />

Fußweg), bis S-Bahnhof<br />

»Karlshorst« (S3), dann<br />

Bus 396 oder mit der U-Bahn<br />

bis U-Bahnhof »Tierpark«<br />

(U5), dann Bus 396.<br />

50 Jahre Luftwaffe der<br />

Bundeswehr. 1956–2006<br />

Luftwaffenmuseum der<br />

Bundeswehr<br />

Kladower Damm 182<br />

D-14089 Berlin-Gatow<br />

Telefon: (030) 36 87 26 01<br />

Telefax: (030) 36 87 26 10<br />

e-Mail: LwMuseumBw<br />

Eingang@Bundeswehr.org<br />

Internet:<br />

www.Luftwaffenmuseum.com<br />

15. September 2006 bis<br />

31. August 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

9.00 bis 17.00 Uhr<br />

(letzter Einlass 16.30 Uhr)<br />

Eintritt frei<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

Eingang zum Museum: Ritterfelddamm/Am<br />

Flugfeld Gatow.<br />

Dresden<br />

100 Jahre deutsche U-Boote<br />

Militärhistorisches Museum<br />

der Bundeswehr<br />

Olbrichtplatz 2<br />

D-01099 Dresden<br />

Telefon: (0351) 82 30<br />

Telefax: (0351) 82 32 805<br />

e-Mail: MilHistMuseumBwEi<br />

ngang@bundeswehr.org<br />

29. März bis 8. April 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

9.00 bis 17.00 Uhr<br />

Eintritt frei<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

Öffentliche Verkehrsmittel:<br />

Linien 7, 8, 91, Haltestelle<br />

»Militärhistorisches Museum«<br />

(wird angesagt), Pkw: Parkplatz<br />

am Museum.<br />

Ingolstadt<br />

60 Jahre Polizei in Bayern<br />

1946-2006. Vom Neuanfang<br />

in der Nachkriegszeit zur<br />

modernen Sicherheit heute<br />

Bayerisches Armeemuseum<br />

Ingolstadt (Reduit Tilly)<br />

Neues Schloss, Paradeplatz 4,<br />

D-85049 Ingolstadt<br />

Telefon: (0841) 93 77-0<br />

Telefax: (0841) 93 77-200<br />

e-Mail:<br />

sekretariat@bayerischesarmeemuseum.de<br />

Internet: http://www.<br />

bayerisches-armeemuseum.de/<br />

26.September 2006 bis<br />

23. September 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

8.45 bis 17.00 Uhr<br />

Sonderausstellungen<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

8.45 bis 12.00 Uhr und<br />

13.00 bis 17.00 Uhr<br />

geschlossen: Faschings sonntag-Nachmittag,<br />

Faschingsdienstag,<br />

Karfreitag<br />

Ein Münchner Maler im<br />

Ersten Weltkrieg:<br />

Paul Segieth (1884–1969)<br />

Bayerisches Armeemuseum<br />

Ingolstadt (s.o.)<br />

16. Januar bis<br />

9. April 2007<br />

Gemälde<br />

von<br />

Paul<br />

Segieth<br />

(1884–1969)<br />

Fort<br />

Donaumont<br />

unter<br />

französischem<br />

Feuer<br />

September<br />

1916<br />

Karlsruhe<br />

Von der Reformation zu<br />

den Erbfolgekriegen –<br />

16. und 17. Jahrhundert<br />

Badisches Landesmuseum<br />

Karlsruhe<br />

Schloss<br />

D-76131 Karlsruhe<br />

Telefon: (0721) 92 66 514<br />

Telefax: (0721) 92 66 537<br />

e-Mail:<br />

info@landesmuseum.de<br />

Internet:<br />

www.landesmuseum.de<br />

11. November 2006 bis<br />

11. März 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

10.00 bis 18.00 Uhr<br />

Donnerstag<br />

10.00 bis 21.00 Uhr<br />

Eintritt: 4,00 Euro<br />

ermäßigt: 3,00 Euro<br />

Schüler 0,50 Euro<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

Straßenbahn:<br />

Vom Hauptbahnhof (Blickrichtung<br />

rechts, Hbf im<br />

Rücken) mit den Linien 2,<br />

S 1, S 4, S 11 bis Haltestelle<br />

»Marktplatz«.<br />

Koblenz<br />

Die Maschinenpistole.<br />

Entwicklung und<br />

Geschichte einer Waffe<br />

unter besonderer Berücksichtigung<br />

der MP2-UZI<br />

Wehrtechnische Studiensammlung<br />

Mayener Straße 85-87<br />

D-56070 Koblenz<br />

Telefon: (0261) 40 01 42 3<br />

Telefax: (0261) 40 01 42 4<br />

e-Mail: WTS@bwb.org<br />

Internet: www.bwb.org/wts<br />

24. August 2006 bis<br />

9. September 2007<br />

(Rosenmontag und vom<br />

24. Dezember 2006 bis<br />

1. Januar 2007 geschlossen)<br />

täglich 9.30 bis 16.30 Uhr<br />

Eintritt: 1,50 Euro<br />

(für Soldaten und<br />

Bw-Verwaltung frei)<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

PKW: Eine Anfahrtsskizze<br />

gibt es unter<br />

http://www.bwb.org/<br />

01DB022000000001/<br />

CurrentBaseLink/<br />

W26EJCH3034INFODE;<br />

Bahn/Bus: Ab Bahnhof Koblenz<br />

(Busbahnhof gegenüber)<br />

Linien 5 oder 15 bis Haltestelle<br />

»Langemarckplatz«.<br />

Ludwigsburg<br />

Vor 50 Jahren –<br />

Die Bundeswehr kommt<br />

nach Ludwigsburg<br />

Garnisonmuseum<br />

Ludwigsburg<br />

im Asperger Torhaus<br />

28 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


Asperger Straße 52<br />

D-71634 Ludwigsburg<br />

Telefon: (07141) 91 02 412<br />

Telefax: (07141) 91 02 342<br />

Internet: www.garnison<br />

museum-ludwigsburg.de<br />

e-Mail: stadtarchiv@stadt.<br />

ludwigsburg.de<br />

23. September 2006 bis<br />

28. April 2007<br />

Mittwoch<br />

15.00 bis 18.00 Uhr<br />

Sonnabend<br />

13.00 bis 17.00 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

Eintritt: 2,00 Euro<br />

ermäßigt: 1,00 Euro<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

S-Bahn: Linien S 4 und<br />

S 5 (von Stuttgart bzw.<br />

Bietig heim) bis zur Station<br />

»Ludwigs burg«.<br />

Minden<br />

Pour le Mérite und Skizzenbuch<br />

– Kriegs skizzen des<br />

Mindeners Rudolf Lange<br />

(1874–1918) ergänzt durch<br />

eine Ausstellung des »Fördervereins<br />

Militärmuseum<br />

Brandenburg-Preußen<br />

e.V.« über die Geschichte<br />

der Kadettenkorps<br />

Simeonsplatz 12 . 32427 Minden . 05 71 - 8 3728 - 24<br />

11-17 Uhr [außer Mo, Fr] . www.preussenmuseum.de<br />

3.12.06 - 18.2.07<br />

Pour le Mérite und Skizzenbuch<br />

Kriegsskizzen<br />

des Mindeners Rudolf Lange<br />

1874-1918<br />

Gestaltung: www.atelier19a.de _ Cordula Holzhauer<br />

Preußen-Museum NRW<br />

Simeonsplatz 12<br />

D-32427 Minden<br />

Telefon: (0571) 83 72 80<br />

Telefax: (0571) 83 72 830<br />

Internet: www.preussenmuseum.de<br />

e-Mail:<br />

minden@preussenmusem.de<br />

3. Dezember 2006 bis<br />

18. Februar 2007<br />

Dienstag bis Donnerstag<br />

und<br />

Sonnabend bis Sonntag<br />

11.00 bis 17.00 Uhr<br />

Eintritt: 4,50 Euro<br />

ermäßigt: ab 2,25 Euro<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

Einen Lageplan gibt es<br />

auf der Internetseite unter<br />

»Lageplan«.<br />

Rastatt<br />

Sonderausstellung<br />

»Damals in der DDR –<br />

20 Geschichten<br />

aus 40 Jahren«.<br />

Erinnerungsstätte für die<br />

Freiheitsbewegungen in<br />

der deutschen Geschichte<br />

Bundesarchiv Außenstelle<br />

Rastatt<br />

Schloss Rastatt<br />

Herrenstrasse 18<br />

D-76437 Rastatt<br />

Telefon: (07222) 77139-0<br />

(Zentrale)<br />

Telefax (07222) 77139-7<br />

e-Mail:<br />

erinnerung@barch.bund.de<br />

18. Januar bis 25. März 2007<br />

Dienstags bis Sonntag<br />

9.30 bis 17.00 Uhr<br />

Montags nach<br />

Vereinbarung<br />

Eintritt frei<br />

Geschenkt, Gestiftet,<br />

Gekauft<br />

Die Neuerwerbungen des<br />

Wehrgeschichtlichen Museums<br />

der letzten 10 Jahre<br />

Wehrgeschichtliches<br />

Museum Rastatt<br />

Schloss Rastatt<br />

Herrenstraße 18<br />

D-76437 Rastatt<br />

Telefon: (07222) 34 24 4<br />

Telefax: (07222) 30 71 2<br />

Internet: www.wgm-rastatt.de<br />

e-Mail:<br />

information@wgm-rastatt.de<br />

1. Dezember 2006 bis<br />

April 2007<br />

Dienstag bis Sonntag<br />

9.30 bis 17.00 Uhr<br />

Eintritt: 6,00 Euro<br />

ermäßigt: 4,00 Euro<br />

Wesel<br />

Napoleon. Trikolore und<br />

Kaiseradler über Rhein<br />

und Weser<br />

Preußen-Museum NRW<br />

An der Zitadelle 14-20<br />

D-46483 Wesel<br />

Telefon: (0281) 33 99 60<br />

Telefax: (0281) 33 99 6330<br />

Internet: www.preussenmuseum.de/wesel.htm<br />

e-Mail:<br />

wesel@preussenmuseum.de<br />

11. Februar bis<br />

9. April 2007<br />

Dienstag bis<br />

Donnerstag und<br />

Samstag und Sonntag<br />

11.00 bis 17.00 Uhr<br />

Eintritt: 6,00 Euro<br />

ermäßigt: ab 1,25 Euro<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

Einen Lageplan gibt es auf<br />

der Internetseite unter »Lageplan«;<br />

Pkw: Von der A 3 Richtung<br />

Arnheim-Oberhausen,<br />

Autobahnausfahrt »Wesel«.<br />

Ausschilderung Richtung<br />

Wesel, am Kaiserring links<br />

Richtung Hbf. Hinter dem Hbf<br />

rechts in Richtung Geldern.<br />

An der Kreuzung Schillstr./<br />

Südring rechts in den Südring.<br />

Auf der rechten Seite<br />

befindet sich das Preußen-<br />

Museum NRW.<br />

Napoleon<br />

Wien<br />

Panzerlärm an Österreichs<br />

Grenzen.<br />

Der Grenzsicherungseinsatz<br />

des österreichischen<br />

Bundesheeres 1956<br />

Heeresgeschichtliches<br />

Museum<br />

Militärhistorisches Institut<br />

Arsenal, Objekt 1<br />

A-1030 Wien<br />

Telefon: +43 (1) / 79 56 1-0<br />

Telefax: +43 (1) / 79 56 1-<br />

17707<br />

e-Mail: bmlv.hgm@magnet.at<br />

Internet: www.hgm.or.at/<br />

17. Oktober 2006 bis<br />

1. April 2007<br />

täglich geöffnet<br />

9.00 bis 17.00 Uhr<br />

Freitag geschlossen<br />

Eintritt: 5,10 Euro<br />

Ermäßigt: 3,30 Euro<br />

(bis 10 Jahre frei)<br />

Verkehrsanbindungen:<br />

Schnellbahn: Bis Station<br />

»Südbahnhof«; Straßenbahn:<br />

Linien 18, D, O; Autobus:<br />

Linien 13 A, 69 A; U-Bahn:<br />

U 1 nach Station »Südbahnhof«,<br />

U 3 nach Station<br />

»Schlachthausgasse«; Pkw:<br />

Eine Anfahrtsskizze findet<br />

sich auf der Internetseite unter<br />

»Museum« > »Zufahrtsplan«.<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

29


Service<br />

Militärgeschichte kompakt<br />

agk-images/British Library<br />

ullstein bild<br />

30. März 1856<br />

Ende des Krimkrieges<br />

Mit dem Frieden von Paris endete im März 1856 einer<br />

der grauenhaftesten Kriege, die der europäische Kontinent<br />

bis dahin erlebt hatte. Zar Nikolaus I. hatte den<br />

Zerfall des Osmanischen Reiches genutzt, um die alten<br />

russischen Expansionsziele Konstantinopel und türkische<br />

Meerengen zu verwirklichen. Er geriet in Konflikt<br />

mit Großbritannien und Frankreich, die wiederum ihre<br />

Wirtschaftsinteressen gefährdet sahen. Auslöser des Konfliktes war ein Streit<br />

zwischen den christlichen Konfessionen um die Nutzung der heiligen Stätten<br />

in Jerusalem.<br />

Anfang Juli 1853 rückten 80 000 russische Soldaten in die osmanischen Donaufürstentümer<br />

Walachei und Moldau ein. Die Türkei erklärte, ermutigt von den<br />

Briten, Russland am 4. Oktober 1853 den Krieg. Es folgten die Kriegserklärungen<br />

Großbritanniens und Frankreichs an das Zarenreich. 1854 schließlich besetzten<br />

Habsburger Truppen die Donaufürstentümer – mit Genehmigung des<br />

Sultans.<br />

Im Herbst 1854 erlitten britisch-französische Truppen ein Debakel bei der Belagerung<br />

von Sewastopol auf der Krim. Die Kämpfe dauerten 349 Tage und<br />

endeten erst im September 1855. Bis zum Fall der Stadt mussten rund 160 000<br />

Soldaten ihr Leben lassen, davon allein 100 000 infolge von Krankheiten bzw.<br />

Seuchen. Der Friede von Paris und Folgeverträge garantierten die Unabhängigkeit<br />

und Integrität des »kranken Mannes am Bosporus« (Zar Nikolaus I.).<br />

Der Kampf um Sewastopol ist in der Geschichtswissenschaft als Vorwegnahme<br />

der Schlacht von Verdun bezeichnet worden. Der Krimkrieg selbst gilt als<br />

erster Krieg der Moderne, in dem vor allem die materielle Überlegenheit zählte.<br />

Erstmals erfuhr hier auch die Öffentlichkeit Europas und der Welt durch<br />

Kriegsberichterstatter zeitnah vom Kriegsgeschehen – nicht zuletzt durch eine<br />

neue technische Entwicklung: die Fotografie (siehe Militärgeschichte 2006,<br />

Heft 3).<br />

mt<br />

17. Juli 1936 Bürgerkrieg in Spanien:<br />

Deutsche auf beiden Seiten<br />

Am 17. Juli 1936 erhoben sich Teile des spanischen Militärs<br />

gegen die seit 1931 bestehende Republik. Der<br />

Putsch wurde zum blutigen Bürgerkrieg mit über<br />

200 000 Toten. Er endete am 1. April 1939 mit dem Sieg<br />

der Putschisten unter General Francisco Franco, dessen<br />

Regime bis 1973 währte.<br />

Vorausgegangen waren soziale und ethnische Spannungen (vor allem im Baskenland<br />

und in Katalonien), die in Streiks und Unruhen mündeten.<br />

Das faschistische Italien (60 000 Mann) und das NS-Regime unterstützten<br />

die rechten Putschisten. Die deutsche »Legion Condor« zählte 5000 Mann,<br />

durch Kontingentswechsel waren insgesamt 20 000 Wehrmachtsoldaten eingesetzt.<br />

Die linke Volksfrontregierung in Madrid wurde von der Sowjetunion unterstützt,<br />

hinzu kamen die »Internationalen Brigaden« (40 000–45 000, durch<br />

Fluktuation etwa 15 000 Ist-Stärke), die aus Amerikanern, Kanadiern, Franzosen,<br />

Italienern, Österreichern (900–1400) und Deutschen (3000–5000) bestanden.<br />

Sie bildeten später den zentralen »antifaschistischen« Kampfmythos der<br />

DDR. Die Erschießungen von vorgeblichen Verrätern und Spionen und die<br />

Durchführung sogenannter Säuberungen in den eigenen Reihen wurden dabei<br />

verschwiegen.<br />

hp<br />

Heft 1/2007<br />

Militärgeschichte<br />

Zeitschrift für historische Bildung<br />

Vorschau<br />

Vor über 15 Jahren fand die DDR durch eine<br />

friedliche <strong>Revolution</strong> ihr Ende. Das hatte<br />

auch die Auflösung der NVA zur Folge. Die<br />

NVA war eine der modernsten Armeen des<br />

Warschauer Vertrages. Sie war aber auch eine<br />

Wehrpflichtarmee. Junge Männer in der DDR<br />

mussten, von wenigen Ausnahmen abgesehen,<br />

ihren Wehrdienst mit der Waffe leisten.<br />

Doch nicht wenige verpflichteten sich auch<br />

freiwillig, weil sie der staatlichen Propaganda<br />

von der Verteidigung des Friedens gegen den<br />

»Klassenfeind« im Westen glaubten oder weil<br />

sie sich einfach materielle und berufliche Vorteile<br />

versprachen. Geworben wurden sie mit<br />

zum Teil auch durchaus hehren Grundsätzen<br />

wie: es gäbe nichts Wichtigeres wie die Sicherung<br />

des Friedens. Obwohl das DDR-Regime<br />

jungen Menschen in der DDR sowohl<br />

im Kindergarten als auch später in der Schule<br />

das Militär als etwas unbedingt Positives<br />

vermittelte und sogar ein Fach »Sozialistische<br />

Wehrerziehung« an den Schulen unterrichtet<br />

wurde, wussten die wenigsten, was sie hinter<br />

den Kasernentoren erwartete. Schnell folgte<br />

dem Eintritt in die Armee oftmals die Ernüchterung,<br />

zumal die militärische Disziplin in<br />

zum Teil drastischer Weise in das Leben der<br />

jungen Männer eingriff, nicht zuletzt auch<br />

durch die Willkür der Vorgesetzten und einer<br />

manchmal als brutal empfundenen informellen<br />

Hierarchie gegenüber jüngeren Soldaten.<br />

So zeigen denn auch die neuesten Untersuchungen<br />

zur NVA, dass zumindest die meisten<br />

Wehrpflichtigen und Reservisten ihrer<br />

Dienstzeit kaum Positives abgewinnen können.<br />

Matthias Rogg zeichnet im nächsten Heft<br />

den Werdegang eines solchen jungen Mannes<br />

in der DDR nach: von der »Sozialistischen<br />

Wehrerziehung« in Kindergarten und Schule,<br />

von der Zeit in der Gesellschaft für Sport und<br />

Technik (GST) über die Anwerbung als Soldat<br />

bis hin zum Eintritt in die Kaserne und<br />

die Zeit in der Truppe selbst. Weitere Beiträge<br />

befassen mit dem Verhältnis von Militär und<br />

Gesellschaft im 18. Jahrhundert, dargestellt in<br />

Form eines Soziogramms einer preußischen<br />

Stadt, sowie der Zerstörung von Gernika am<br />

26. April 1937 und schließlich werden unsere<br />

Leser in der Strategie-Reihe einen Beitrag<br />

zum Schlieffenplan erwarten dürfen.<br />

mt<br />

30 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006


PzFlakBtl 12<br />

»Ich habe nicht der zweite sein wollen,<br />

wo ich der erste sein konnte.<br />

Ich habe nicht dienen wollen,<br />

wo ich zu befehlen verstand,<br />

aber die Subordination unter die<br />

Überlegenheit ist mir niemals<br />

schwer geworden und niemals<br />

habe ich der hoeheren Kraft,<br />

wo ich sie fand, meine<br />

Anerkennung versagt.«<br />

Dieses Zitat von Carl Schurz ziert<br />

eine Wandmalerei im Treppenaufgang<br />

des Stabsgebäudes des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12.<br />

Der Verband wurde am 1. Oktober<br />

1956 als Luftlandeflugabwehr-Artilleriebataillon<br />

106 aufgestellt und zog als<br />

Flugabwehrbataillon 12 am 13. September<br />

1966 in die neu errichtete »Bauland-Kaserne«<br />

in Hardheim (Neckar-<br />

Odenwald-Kreis) ein. Die Soldaten des<br />

Bataillons konnten sich allerdings nicht<br />

mit dem Namen der Kaserne identifizieren.<br />

Gemeinsam suchten daher die<br />

Offiziere und Unteroffiziere des Bataillons<br />

nach einer Alternative. Bereits<br />

nach kurzer Zeit ergab sich als naheliegende<br />

Lösung, die Liegenschaft in<br />

Carl-Schurz-Kaserne umzubenennen.<br />

Dieses Bild zeigt Oberstabsfeldwebel<br />

Ullrich im Traditionsraum des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12. In<br />

seinen Händen hält er das von Ferry<br />

Ahrlé geschaffene Carl-Schurz-Portrait.<br />

Im Hintergrund ist ein zeitgenössisches<br />

Bild von Schurz zu sehen.<br />

An die Begründung, die ein Batteriechef<br />

ihm als Kommandeur vortrug,<br />

erinnert sich Oberst a.D. Hummel:<br />

»Es gab mehrere Beweggründe, Carl<br />

Schurz als Namenspatron zu wählen.<br />

Schurz war Teilnehmer an der <strong>Baden</strong>er<br />

<strong>Revolution</strong> und ist daher mit der Region<br />

eng verwurzelt. Hinzu kam die enge<br />

Zusammenarbeit mit der am gegenüberliegenden<br />

Hang stationierten US-<br />

Flugabwehrbatterie mit uns in der Aufbauphase.«<br />

Carl Schurz wurde somit<br />

zur Identifikationsfigur für die enge<br />

Militärgeschichte im Bild<br />

Carl Schurz –<br />

Namenspatron der Bundeswehrkaserne<br />

in Hardheim<br />

100. Todestag Carl Schurz –<br />

40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne Hardheim<br />

Haupteingang der Carl-<br />

Schurz-Kaserne Hardheim. Im<br />

Vordergrund der Namenszug<br />

mit Wappen. Im Hintergrund<br />

ist das Stabsgebäude zu sehen.<br />

Kooperation des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12 mit den amerikanischen<br />

Verbündeten in der Region. Die<br />

Patenschaft mit US-Flugabwehrverbänden<br />

aus Kitzingen wurde über 25 Jahre<br />

intensiv gepflegt. Nach der Auflösung<br />

des bis dahin letzten Patenverbandes,<br />

des 4th Bn 3rd Air Defense Artillery aus<br />

Kitzingen, im Sommer 2005 dauerte es<br />

nicht lange, bis an diese Tradition wieder<br />

angeknüpft werden konnte. Passend<br />

zum Jubiläum wurde eine neue<br />

Patenschaft mit dem 5th Bn 7th Air Defense<br />

Artillery aus Hanau geschlossen.<br />

2006 jährte sich nicht nur der 100. Todestag<br />

des Namenspatrons, sondern<br />

auch der 50. Jahrestag der Aufstellung<br />

Verbandes und der 40. Geburtstag<br />

seines Einzuges in die Carl-Schurz-<br />

Kaserne Hardheim. Dieses dreifache<br />

Jubiläum wurde auch zum Anlass genommen,<br />

sich intensiver mit der Tradition<br />

des Bataillons zu befassen. Anlässlich<br />

des »Tages der offenen Tür« wurde<br />

der Traditionsraum neu eingerichtet.<br />

Es sollte auch ein Ausstellungsbereich<br />

zu Carl Schurz geschaffen werden. Auf<br />

der Suche nach geeigneten Ausstellungsstücken<br />

trat der Projektbeauftragte,<br />

Oberstabsfeldwebel Bernd Ullrich,<br />

mit der Steuben-Schurz-Gesellschaft e.<br />

V. in Verbindung. Deren Präsidentin,<br />

Dr. Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels,<br />

nutzte die Eröffnung der Sonderausstellung<br />

»Hardheim – Partner der Bundeswehr,<br />

40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne«,<br />

um die Zusammenarbeit mit dem<br />

Hausherrn der Carl-Schurz-Kaserne<br />

auf neue Beine zu stellen. Es folgten<br />

Einladungen zu verschiedenen Anlässen,<br />

darunter zur Benefizveranstaltung<br />

anlässlich des 100. Todestags von Carl<br />

Schurz im Carl-Schurz-Gymnasium<br />

Frankfurt am Main.<br />

Seit dieser Zeit ist Oberstabsfeldwebel<br />

Bernd Ullrich Eigentümer eines von<br />

Ferry Ahrlé geschaffenen Portraits des<br />

Namenspatrons, das er bei der Benefizveranstaltung<br />

in Frankfurt am Main<br />

am 14. Mai 2006 ersteigerte. Außerdem<br />

wurde dem Panzerflugabwehrkanonenbataillon<br />

12 die Ehre zuteil, in<br />

den Besitz einer Originalhandschrift<br />

von Carl Schurz zu gelangen. In diesem<br />

Schreiben berichtet Schurz einem<br />

Unbekannten von seinen ersten politischen<br />

Schritten in seiner neuen Heimat,<br />

den Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

Darüber hinaus wurde dem Bataillon<br />

zum 40. Jahrestag der Namensgebung<br />

»Carl-Schurz-Kaserne« ein von Franz<br />

Vogel gemaltes Carl Schurz Portrait gestiftet.<br />

Carl Schurz ist »ständiger Begleiter«<br />

der Soldatinnen und Soldaten im täglichen<br />

Dienstbetrieb. Den Eingangsbereich<br />

der Kaserne ziert der von weitem<br />

deutlich sichtbare Schriftzug des Namensgebers.<br />

Der Lebenslauf von Carl<br />

Schurz und seine Zitate finden sich<br />

ebenso im Stabsgebäude des Bataillons<br />

wie auch in der Standortbroschüre. In<br />

den Traditionsräumen werden Weiterbildungen<br />

sowie Veranstaltungen des<br />

Bataillons, der Gemeinde und des Patenverbandes<br />

durchgeführt.<br />

Carl Schurz ist aus der Tradition<br />

des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12 nicht mehr wegzudenken.<br />

Patrick Oberlé, Bernd Ullrich<br />

Fränkische Nachrichten<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

31


PzFlakBtl 12<br />

»Ich habe nicht der zweite sein wollen,<br />

wo ich der erste sein konnte.<br />

Ich habe nicht dienen wollen,<br />

wo ich zu befehlen verstand,<br />

aber die Subordination unter die<br />

Überlegenheit ist mir niemals<br />

schwer geworden und niemals<br />

habe ich der hoeheren Kraft,<br />

wo ich sie fand, meine<br />

Anerkennung versagt.«<br />

Dieses Zitat von Carl Schurz ziert<br />

eine Wandmalerei im Treppenaufgang<br />

des Stabsgebäudes des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12.<br />

Der Verband wurde am 1. Oktober<br />

1956 als Luftlandeflugabwehr-Artilleriebataillon<br />

106 aufgestellt und zog als<br />

Flugabwehrbataillon 12 am 13. September<br />

1966 in die neu errichtete »Bauland-Kaserne«<br />

in Hardheim (Neckar-<br />

Odenwald-Kreis) ein. Die Soldaten des<br />

Bataillons konnten sich allerdings nicht<br />

mit dem Namen der Kaserne identifizieren.<br />

Gemeinsam suchten daher die<br />

Offiziere und Unteroffiziere des Bataillons<br />

nach einer Alternative. Bereits<br />

nach kurzer Zeit ergab sich als naheliegende<br />

Lösung, die Liegenschaft in<br />

Carl-Schurz-Kaserne umzubenennen.<br />

Dieses Bild zeigt Oberstabsfeldwebel<br />

Ullrich im Traditionsraum des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12. In<br />

seinen Händen hält er das von Ferry<br />

Ahrlé geschaffene Carl-Schurz-Portrait.<br />

Im Hintergrund ist ein zeitgenössisches<br />

Bild von Schurz zu sehen.<br />

An die Begründung, die ein Batteriechef<br />

ihm als Kommandeur vortrug,<br />

erinnert sich Oberst a.D. Hummel:<br />

»Es gab mehrere Beweggründe, Carl<br />

Schurz als Namenspatron zu wählen.<br />

Schurz war Teilnehmer an der <strong>Baden</strong>er<br />

<strong>Revolution</strong> und ist daher mit der Region<br />

eng verwurzelt. Hinzu kam die enge<br />

Zusammenarbeit mit der am gegenüberliegenden<br />

Hang stationierten US-<br />

Flugabwehrbatterie mit uns in der Aufbauphase.«<br />

Carl Schurz wurde somit<br />

zur Identifikationsfigur für die enge<br />

Militärgeschichte im Bild<br />

Carl Schurz –<br />

Namenspatron der Bundeswehrkaserne<br />

in Hardheim<br />

100. Todestag Carl Schurz –<br />

40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne Hardheim<br />

Haupteingang der Carl-<br />

Schurz-Kaserne Hardheim. Im<br />

Vordergrund der Namenszug<br />

mit Wappen. Im Hintergrund<br />

ist das Stabsgebäude zu sehen.<br />

Kooperation des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12 mit den amerikanischen<br />

Verbündeten in der Region. Die<br />

Patenschaft mit US-Flugabwehrverbänden<br />

aus Kitzingen wurde über 25 Jahre<br />

intensiv gepflegt. Nach der Auflösung<br />

des bis dahin letzten Patenverbandes,<br />

des 4th Bn 3rd Air Defense Artillery aus<br />

Kitzingen, im Sommer 2005 dauerte es<br />

nicht lange, bis an diese Tradition wieder<br />

angeknüpft werden konnte. Passend<br />

zum Jubiläum wurde eine neue<br />

Patenschaft mit dem 5th Bn 7th Air Defense<br />

Artillery aus Hanau geschlossen.<br />

2006 jährte sich nicht nur der 100. Todestag<br />

des Namenspatrons, sondern<br />

auch der 50. Jahrestag der Aufstellung<br />

Verbandes und der 40. Geburtstag<br />

seines Einzuges in die Carl-Schurz-<br />

Kaserne Hardheim. Dieses dreifache<br />

Jubiläum wurde auch zum Anlass genommen,<br />

sich intensiver mit der Tradition<br />

des Bataillons zu befassen. Anlässlich<br />

des »Tages der offenen Tür« wurde<br />

der Traditionsraum neu eingerichtet.<br />

Es sollte auch ein Ausstellungsbereich<br />

zu Carl Schurz geschaffen werden. Auf<br />

der Suche nach geeigneten Ausstellungsstücken<br />

trat der Projektbeauftragte,<br />

Oberstabsfeldwebel Bernd Ullrich,<br />

mit der Steuben-Schurz-Gesellschaft e.<br />

V. in Verbindung. Deren Präsidentin,<br />

Dr. Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels,<br />

nutzte die Eröffnung der Sonderausstellung<br />

»Hardheim – Partner der Bundeswehr,<br />

40 Jahre Carl-Schurz-Kaserne«,<br />

um die Zusammenarbeit mit dem<br />

Hausherrn der Carl-Schurz-Kaserne<br />

auf neue Beine zu stellen. Es folgten<br />

Einladungen zu verschiedenen Anlässen,<br />

darunter zur Benefizveranstaltung<br />

anlässlich des 100. Todestags von Carl<br />

Schurz im Carl-Schurz-Gymnasium<br />

Frankfurt am Main.<br />

Seit dieser Zeit ist Oberstabsfeldwebel<br />

Bernd Ullrich Eigentümer eines von<br />

Ferry Ahrlé geschaffenen Portraits des<br />

Namenspatrons, das er bei der Benefizveranstaltung<br />

in Frankfurt am Main<br />

am 14. Mai 2006 ersteigerte. Außerdem<br />

wurde dem Panzerflugabwehrkanonenbataillon<br />

12 die Ehre zuteil, in<br />

den Besitz einer Originalhandschrift<br />

von Carl Schurz zu gelangen. In diesem<br />

Schreiben berichtet Schurz einem<br />

Unbekannten von seinen ersten politischen<br />

Schritten in seiner neuen Heimat,<br />

den Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

Darüber hinaus wurde dem Bataillon<br />

zum 40. Jahrestag der Namensgebung<br />

»Carl-Schurz-Kaserne« ein von Franz<br />

Vogel gemaltes Carl Schurz Portrait gestiftet.<br />

Carl Schurz ist »ständiger Begleiter«<br />

der Soldatinnen und Soldaten im täglichen<br />

Dienstbetrieb. Den Eingangsbereich<br />

der Kaserne ziert der von weitem<br />

deutlich sichtbare Schriftzug des Namensgebers.<br />

Der Lebenslauf von Carl<br />

Schurz und seine Zitate finden sich<br />

ebenso im Stabsgebäude des Bataillons<br />

wie auch in der Standortbroschüre. In<br />

den Traditionsräumen werden Weiterbildungen<br />

sowie Veranstaltungen des<br />

Bataillons, der Gemeinde und des Patenverbandes<br />

durchgeführt.<br />

Carl Schurz ist aus der Tradition<br />

des Panzerflugabwehrkanonenbataillons<br />

12 nicht mehr wegzudenken.<br />

Patrick Oberlé, Bernd Ullrich<br />

Fränkische Nachrichten<br />

Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 4/2006<br />

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