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Dienstleistungssektor befindet sich im Wandel - Medienundinfo.ch

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Dienstleistungen<br />

Die Globalisierung stellt<br />

den <strong>Dienstleistungssektor</strong><br />

vor grosse Heraus forderungen.<br />

(Pixelio.de)<br />

Unternehmen, Mitarbeiter und Auszubildende gefordert<br />

<strong>Dienstleistungssektor</strong><br />

<strong>befindet</strong> <strong>si<strong>ch</strong></strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong><br />

Wirts<strong>ch</strong>aftskrise, Globalisierung, Liberalisierung und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Forts<strong>ch</strong>ritt stellen den in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz dominierenden <strong>Dienstleistungssektor</strong> vor neue und komplexe Herausforderungen.<br />

Der vers<strong>ch</strong>ärfte Wettbewerb birgt Chancen und Risiken und fordert Unternehmen ebenso<br />

wie Mitarbeiter und Auszubildende.<br />

Die 3-Sektoren-Hypothese teilt<br />

die Volkswirts<strong>ch</strong>aft in den<br />

pr<strong>im</strong>ären Sektor der Rohstoffproduktion,<br />

den sekundären des<br />

verarbeitenden Gewerbes und den<br />

tertiären der Dienstleistungen ein.<br />

Zu den typis<strong>ch</strong>en Dienstleistungsbran<strong>ch</strong>en<br />

gehören zum Beispiel das<br />

Banken- und Ver<strong>si<strong>ch</strong></strong>erungswesen,<br />

der Handel, der öffentli<strong>ch</strong>e Verkehr<br />

oder der gesamte Gesundheitsberei<strong>ch</strong>.<br />

Während <strong>im</strong> 20. Jahrhundert<br />

no<strong>ch</strong> ein anteilsmässig kleinerer<br />

Teil der Erwerbstätigen <strong>im</strong> <strong>Dienstleistungssektor</strong><br />

bes<strong>ch</strong>äftigt war, liess<br />

KM<br />

U 40<br />

der tertiäre Sektor zwis<strong>ch</strong>en 1900<br />

und 1910 den pr<strong>im</strong>ären und 1971<br />

den sekundären Sektor hinter <strong>si<strong>ch</strong></strong>.<br />

Lag der Wert <strong>im</strong> Jahr 2000 no<strong>ch</strong> bei<br />

69,1 Prozent, erwirts<strong>ch</strong>aften heute<br />

bereits 73 Prozent der Erwerbstätigen<br />

ihr Auskommen <strong>im</strong> Dienstleistungsberei<strong>ch</strong>.<br />

Die mittlerweile dominierende<br />

Stellung des <strong>Dienstleistungssektor</strong>s<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz zeigt <strong>si<strong>ch</strong></strong> au<strong>ch</strong> in der<br />

Betriebszählung 2005 des Bundesamtes<br />

für Statistik: Von rund 372 500<br />

Arbeitsstätten waren über 295 500 in<br />

Sektor 3 angesiedelt.<br />

Grenzen vers<strong>ch</strong>w<strong>im</strong>men<br />

<strong>im</strong>mer mehr<br />

Die sogenannte Tertiarisierung hat<br />

einerseits mit Ums<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tungen innerhalb<br />

der Sektoren tun. So wurden<br />

zum Beispiel bei der Betriebszählung<br />

1975 das Reparaturgewerbe<br />

ebenso wie das Ar<strong>ch</strong>itektur- und<br />

Ingenieurwesen erstmals dem tertiären<br />

Sektor zugere<strong>ch</strong>net. Andererseits<br />

vers<strong>ch</strong>w<strong>im</strong>men aber au<strong>ch</strong><br />

die Grenzen zwis<strong>ch</strong>en den Sektoren<br />

<strong>im</strong>mer stärker. Die Tertiarisierung<br />

findet innerhalb des Berei<strong>ch</strong>s,


Dienstleistungen<br />

innerhalb der Betriebe, ja innerhalb<br />

einzelner Berufe und deren Grundbildung<br />

statt.<br />

Die S<strong>ch</strong>wierigkeit, den Begriff<br />

Dienstleistung auf best<strong>im</strong>mte Bran<strong>ch</strong>en<br />

einzugrenzen, und die Tatsa<strong>ch</strong>e,<br />

dass heute in praktis<strong>ch</strong> jedem<br />

Ges<strong>ch</strong>äftsberei<strong>ch</strong> Dienstleistungen<br />

erbra<strong>ch</strong>t werden, zeigt die Dynamik<br />

auf, mit der <strong>si<strong>ch</strong></strong> der tertiäre<br />

Sektor entwickelt und dur<strong>ch</strong> Globalisierung,<br />

Liberalisierung und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en<br />

Forts<strong>ch</strong>ritt laufend aufs<br />

Neue gefordert ist.<br />

Vom Produkt zum<br />

Dienstleistungspaket<br />

Längst ist es für die meisten Bran<strong>ch</strong>en<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr mögli<strong>ch</strong>, «nur» ein<br />

Produkt zu verkaufen. Um am Markt<br />

bestehen zu können, verkaufen Unternehmen<br />

heute kundenorientierte,<br />

produktbegleitende Dienstleistungen.<br />

Als gutes Beispiel kann hier die<br />

Automobilbran<strong>ch</strong>e genannt werden.<br />

Die Hersteller verkaufen den Kunden<br />

ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> nur ein Fahrzeug,<br />

sondern ein ganzes Dienstleistungspaket,<br />

das sowohl eine ausführli<strong>ch</strong>e<br />

Beratung, das Angebot der Finanzierung<br />

sowie Wartung, Service und<br />

Kontrolle mit eins<strong>ch</strong>liesst.<br />

Ein anderes Beispiel ist die Informationste<strong>ch</strong>nologie.<br />

IT-Systeme<br />

sind über die Jahre <strong>im</strong>mer kom -<br />

plexer geworden und stellen Unternehmen<br />

vor grosse Herausforderungen.<br />

Immer mehr Betriebe wäh -<br />

len heute das Outsourcing-Modell;<br />

statt eine eigene IT-Abteilung aufzubauen,<br />

kümmern <strong>si<strong>ch</strong></strong> IT-Dienstleister<br />

um sämtli<strong>ch</strong>e IT-Belange eines<br />

Unternehmens.<br />

werden. In kaufmännis<strong>ch</strong>en wie<br />

te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>en Berufen müssen auf die<br />

Kunden zuges<strong>ch</strong>nittene Angebote<br />

und Dienstleistungskonzepte erarbeitet<br />

werden. Je länger, je mehr geht<br />

es ni<strong>ch</strong>t mehr nur darum, ein neues<br />

Produkt zu entwickeln. Die Innovation<br />

besteht vielmehr au<strong>ch</strong> darin,<br />

die Dienstleistungen in das Produkteges<strong>ch</strong>äft<br />

zu integrieren, auf die<br />

individuellen Bedürfnisse des Kunden<br />

einzugehen und diesen an das<br />

Unternehmen zu binden.<br />

Umfassende Anforderungen<br />

an Berufstätige<br />

Dies hat au<strong>ch</strong> unmittelbare Auswirkungen<br />

auf die Berufstätigen.<br />

Zusätzli<strong>ch</strong> zum Fa<strong>ch</strong>wissen und der<br />

Fähigkeit, systematis<strong>ch</strong> denken zu<br />

können, werden Sozialkompetenzen<br />

<strong>im</strong>mer wi<strong>ch</strong>tiger, denn es ist<br />

je länger, je mehr unabdingbar, die<br />

Wüns<strong>ch</strong>e des Kunden herauszufinden<br />

und diese in ein Produkt oder<br />

eine Dienstleistung einzubeziehen.<br />

J<strong>im</strong> Spohrer, Direktor der IBM-Fors<strong>ch</strong>ung,<br />

hat in diesem Zusammenhang<br />

das Leitbild der «T-shaped<br />

people» geprägt, also Mens<strong>ch</strong>en,<br />

die persönli<strong>ch</strong>es Fa<strong>ch</strong>wissen ebenso<br />

aufweisen wie Offenheit, Kommunikations-<br />

und Lernfähigkeit, um<br />

das Wissen dem Kunden vermitteln<br />

zu können.<br />

Dies wiederum bedingt «auf jeder<br />

Stufe unseres Bildungssystems<br />

sehr hohe Qualität, von den Pr<strong>im</strong>ars<strong>ch</strong>ulen<br />

bis zu den Berufslehren,<br />

Universitäten und Weiterbildungsangeboten»,<br />

wie Prof. Dr. Müller, Direktor<br />

und Chefökonom BAK Basel<br />

Economics, erklärt (vgl. Interview auf<br />

den folgenden Seiten).<br />

Obwohl das duale Berufsbildungssystem<br />

in der S<strong>ch</strong>weiz stark in den<br />

gewerbli<strong>ch</strong>-industriellen Berufen<br />

verankert ist, hat dieses Modell au<strong>ch</strong><br />

ange<strong>si<strong>ch</strong></strong>ts des Tertiarisierung Zukunfts<strong>ch</strong>arakter.<br />

Mit vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Massnahmen wurde das System in<br />

den letzten Jahren an den <strong>Wandel</strong><br />

in der Arbeitswelt angepasst. Forderungen<br />

der Akademie der Wissens<strong>ch</strong>aften,<br />

die in ihrem Weissbu<strong>ch</strong><br />

«Zukunft Bildung S<strong>ch</strong>weiz» vors<strong>ch</strong>lägt,<br />

dass in Zukunft über zwei<br />

Drittel eines Jahrgangs Zugang zu<br />

einer Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule oder zu einer höheren<br />

Berufsbildung erwerben sollen,<br />

vermag der S<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>e<br />

Gewerbeverband entspre<strong>ch</strong>end wenig<br />

abzugewinnen. «Eine verstärkte<br />

Akademisierung der Bildung zielt an<br />

der Realität vorbei», erklärt sgv-Direktor<br />

Hans-Ulri<strong>ch</strong> Bigler. Das duale<br />

Berufsbildungssystem sei keineswegs<br />

ein Auslaufmodell, sondern trage als<br />

Standortvorteil ganz erhebli<strong>ch</strong> zum<br />

Erfolg der S<strong>ch</strong>weiz <strong>im</strong> internationalen<br />

Wettbewerb bei. •<br />

Innovation mit<br />

Dienstleistungen<br />

Der Wettbewerb und die grossen<br />

wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und sozialen Veränderungen<br />

haben für jedes einzelne<br />

Unternehmen unmittelbare<br />

Auswirkungen. Denn exzellente<br />

Dienstleistungen müssen professionell<br />

entwickelt und gemanagt<br />

KM<br />

U 41<br />

Das IT-Outsourcing<br />

an spezialisierte<br />

Dienstleister n<strong>im</strong>mt<br />

stetig zu.


Dienstleistungen<br />

Prof. Dr. Urs Müller, Direktor und Chefökonom<br />

BAK Basel Economics, über den <strong>Wandel</strong> des<br />

Dienst leistungssektors in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

«Vom Forts<strong>ch</strong>ritt<br />

profitieren fast alle»<br />

Der Unternehmer: Professor<br />

Müller, der tertiäre Sektor dominiert<br />

heute Bes<strong>ch</strong>äftigung und<br />

Werts<strong>ch</strong>öpfung in der S<strong>ch</strong>weiz.<br />

Wie hat <strong>si<strong>ch</strong></strong> der Anteil des<br />

<strong>Dienstleistungssektor</strong>s am Total<br />

der Erwerbstätigen in den letzten<br />

30 Jahren entwickelt?<br />

Prof. Urs Müller: 1980 betrug der<br />

Anteil der Bes<strong>ch</strong>äftigten <strong>im</strong> <strong>Dienstleistungssektor</strong><br />

erst 55 Prozent, heute<br />

sind es 73 Prozent.<br />

Wie gross ist der Anteil des<br />

<strong>Dienstleistungssektor</strong>s an der<br />

Werts<strong>ch</strong>öpfung des Landes?<br />

Im vergangenen Jahr betrug der Anteil<br />

70 Prozent. Diese Zahl zeigt, dass<br />

die Produktivität – also der Output<br />

pro Erwerbstätigen – in der Industrie<br />

deutli<strong>ch</strong> höher liegt als <strong>im</strong> <strong>Dienstleistungssektor</strong>.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Vers<strong>ch</strong>iebungen und<br />

Veränderungen innerhalb des<br />

<strong>Dienstleistungssektor</strong>s sind festzustellen?<br />

Von 1980 bis 2000 hat in der S<strong>ch</strong>weiz<br />

das Gewi<strong>ch</strong>t des Handels (inkl. Garagengewerbe)<br />

abgenommen, das Gewi<strong>ch</strong>t<br />

des Finanzsektors (vor allem<br />

der Banken) und der unternehmensbezogenen<br />

Dienstleistungen (Beratung<br />

jeder Art) hat in der glei<strong>ch</strong>en<br />

Zeit stark zugenommen. Seit 2000<br />

haben das Gastgewerbe und die Banken<br />

etwas an Bedeutung verloren,<br />

während die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tenübermittlung<br />

überdur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> stark gewa<strong>ch</strong>sen<br />

ist.<br />

Ist die Feststellung ri<strong>ch</strong>tig, dass<br />

die Trennung zwis<strong>ch</strong>en Produk tion<br />

und Dienstleistung <strong>im</strong>mer mehr<br />

KM<br />

U 42<br />

vers<strong>ch</strong>w<strong>im</strong>mt und entspre<strong>ch</strong>end<br />

au<strong>ch</strong> die Zuordnung s<strong>ch</strong>werer fällt?<br />

Oder anders gefragt: Ist Dienstleistung<br />

heute überall zu finden?<br />

Das ist korrekt. Nehmen wir als Beispiel<br />

die Pharmaindustrie, die zum<br />

sekundären Sektor zählt. Effektiv<br />

ist aber nur eine Minderheit der Bes<strong>ch</strong>äftigten<br />

in der Produk tion tätig.<br />

Die anderen sind in der Fors<strong>ch</strong>ung,<br />

in der Finanzabteilung, <strong>im</strong> Management,<br />

<strong>im</strong> Marketing, in der IT-Abteilung<br />

usw. aktiv, also in Tätigkeiten,<br />

die klassis<strong>ch</strong>e Dienstleistungen darstellen.<br />

Umgekehrt ist aber der Autome<strong>ch</strong>aniker,<br />

ein klassis<strong>ch</strong>er Handwerksberuf,<br />

statistis<strong>ch</strong> <strong>im</strong> Garagengewerbe,<br />

mithin <strong>im</strong> tertiären Sektor erfasst.<br />

Und au<strong>ch</strong> Physiotherapeuten oder<br />

Masseure sind <strong>im</strong> wahren Sinne des<br />

Wortes Handwerker. Die Trennlinie<br />

zwis<strong>ch</strong>en 2. und 3. Sektor ist s<strong>ch</strong>on<br />

lange sehr uns<strong>ch</strong>arf.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Auswirkungen hat dies<br />

auf die berufli<strong>ch</strong>en Anforderungen<br />

respektive auf die Berufs bildung?<br />

Es brau<strong>ch</strong>t <strong>im</strong>mer weniger «klassis<strong>ch</strong>e»<br />

Arbeiter – viellei<strong>ch</strong>t mit Ausnahme<br />

des Baugewerbes – und <strong>im</strong>mer<br />

mehr Leute in Dienstleistungsfunktionen.<br />

Die Ausbildungsangebote<br />

müssen <strong>si<strong>ch</strong></strong> dieser Bedarfsvers<strong>ch</strong>iebung<br />

anpassen, was bislang in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz re<strong>ch</strong>t gut klappt.<br />

Erwarten Sie künftig eine verstärkte<br />

Vers<strong>ch</strong>iebung in Ri<strong>ch</strong>tung<br />

«intellectual capital»?<br />

I<strong>ch</strong> glaube, dass diese Vers<strong>ch</strong>iebung<br />

wesentli<strong>ch</strong> wi<strong>ch</strong>tiger ist als diejenige<br />

zwis<strong>ch</strong>en 2. und 3. Sektor. Wir<br />

können in der S<strong>ch</strong>weiz unser hohes<br />

Lohnniveau und unseren hohen<br />

Lebensstandard nur aufre<strong>ch</strong>terhalten,<br />

wenn wir besser und innovativer<br />

sind als unsere internationalen<br />

Konkurrenten. Deshalb brau<strong>ch</strong>en<br />

wir auf jeder Stufe unseres Bildungssystems<br />

sehr hohe Qualität, von den<br />

Pr<strong>im</strong>ars<strong>ch</strong>ulen bis zu den Berufslehren,<br />

Universitäten und Weiterbildungsangeboten.<br />

Am Anfang von Strukturwandlungen<br />

stehen sogenannte Megatrends.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Megatrends liegen<br />

der Veränderung unserer Dienstleistungsgesells<strong>ch</strong>aft<br />

zugrunde?<br />

Es ist der Trend der steigenden Produktivität<br />

infolge te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>en<br />

Forts<strong>ch</strong>ritts, der in der Industrie viel<br />

stärker ausgeprägt ist als <strong>im</strong> Dienstleistungsberei<strong>ch</strong>.<br />

So können in der<br />

industriellen Produktion dank <strong>im</strong>mer<br />

besserer Mas<strong>ch</strong>inen <strong>im</strong>mer weniger<br />

Arbeiter <strong>im</strong>mer mehr Waren<br />

produzieren.<br />

Der Theorie des russis<strong>ch</strong>en Ökonomen<br />

Nikolai Kondratieff folgend,<br />

befinden wir uns in einer fünften<br />

langen Welle der Wirts<strong>ch</strong>aftsentwicklung,<br />

wel<strong>ch</strong>e Information,<br />

Wissen und Ökologie beinhaltet.<br />

Zei<strong>ch</strong>net <strong>si<strong>ch</strong></strong> Ihrer An<strong>si<strong>ch</strong></strong>t na<strong>ch</strong><br />

eine se<strong>ch</strong>ste Welle ab, und was<br />

könnte diese beinhalten?<br />

Die Dur<strong>ch</strong>dringung fast all unserer<br />

Lebensberei<strong>ch</strong>e mit Informationsund<br />

Telekommunikationste<strong>ch</strong>nologie<br />

wird no<strong>ch</strong> über eine längere<br />

Zeitspanne anhalten. Und wenn Sie<br />

die Ökologisierung bereits zur aktuellen<br />

Welle zählen, dann dürfte diese<br />

au<strong>ch</strong> in diesem Berei<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> eine<br />

Weile andauern.


Dienstleistungen<br />

Zur Person<br />

Prof. Dr. Urs Müller, Direktor und Chefökonom,<br />

Mitglied des Verwaltungsrates<br />

BAK Basel Economics<br />

• Studium an den Universitäten von<br />

Basel und Harvard (Cambridge USA)<br />

• 1981–1984 wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Mit -<br />

ar beiter bei BAK<br />

• 1985–1989 Oberassistent am Wirts<strong>ch</strong>aftswissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Zentrum<br />

(WWZ) der Universität Basel<br />

• 1989–1996 stellvertretender Direktor<br />

von BAK<br />

• 1996–2005 Chef der Finanzverwaltung<br />

des Kantons Basel-Stadt<br />

«Der <strong>Dienstleistungssektor</strong><br />

wird<br />

weiter an Bedeutung<br />

gewinnen»,<br />

sagt Urs Müller,<br />

Direktor und<br />

Chefökonom BAK<br />

Basel Economics.<br />

• nebenamtli<strong>ch</strong> seit 1998 Professor für Nationalökonomie,<br />

Vorlesung in em piris<strong>ch</strong>er<br />

Wirts<strong>ch</strong>aftsfors<strong>ch</strong>ung und Public Finance<br />

an der Universität Basel<br />

• seit 2005 stellvertretender Direktor und<br />

seit Juli 2007 Direktor & Cheföko nom<br />

BAK Basel Economics.<br />

Über die rein ökonomis<strong>ch</strong>e Betra<strong>ch</strong>tung<br />

der Dienstleistungsgesells<strong>ch</strong>aft<br />

hinaus: Was waren und sind<br />

die sozialen Folgen der starken Entwicklung<br />

hin zum tertiären Sektor?<br />

Die Tertiarisierung ist in erster Linie ein<br />

Wohlstandsphänomen, das uns der<br />

bereits angespro<strong>ch</strong>ene te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong>e<br />

Forts<strong>ch</strong>ritt ermögli<strong>ch</strong>t hat. Davon profitieren<br />

praktis<strong>ch</strong> alle. Verglei<strong>ch</strong>en Sie<br />

Ihren Lebensstil mit dem Ihrer Grosseltern;<br />

da mö<strong>ch</strong>ten Sie kaum taus<strong>ch</strong>en.<br />

Die Verdienstleistung der Berufe<br />

hat au<strong>ch</strong> dazu geführt, dass die Arbeitswelt<br />

<strong>im</strong> S<strong>ch</strong>nitt wesentli<strong>ch</strong> we -<br />

niger gesundheitss<strong>ch</strong>ädigend ist als<br />

vor ein oder gar zwei Generationen.<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ist die Tertiarisierung vorab<br />

den Frauen zugute gekommen, die<br />

weniger in der Industrie und mehr <strong>im</strong><br />

Dienstleistungsberei<strong>ch</strong> tätig sind.<br />

Globalisierung, Liberalisierung<br />

und te<strong>ch</strong>nis<strong>ch</strong>er Forts<strong>ch</strong>ritt bieten<br />

für den <strong>Dienstleistungssektor</strong><br />

Chancen und Risiken. Wo sehen<br />

Sie die grössten Chancen …<br />

Der <strong>Dienstleistungssektor</strong> wird weiter<br />

an Bedeutung gewinnen und zumindest<br />

in Teilen genauso starke<br />

Veränderungen erfahren, wie wir das<br />

in der Industrie in den letzten Jahrzehnten<br />

erlebt haben. Beispielsweise<br />

wird die Te<strong>ch</strong>nologisierung den Detailhandel<br />

oder das Gesundheitswesen<br />

stark verändern.<br />

… und wo die grössten Risiken?<br />

Globalisierung und Liberalisierung<br />

bieten Chancen und Risiken. Die<br />

S<strong>ch</strong>weiz muss au<strong>ch</strong> bei den Dienstleistungen<br />

international wettbewerbsfähig<br />

bleiben. Allerdings be -<br />

oba<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> als Folge der aktuellen<br />

Krise eher protektionistis<strong>ch</strong>e<br />

Tendenzen, die für die S<strong>ch</strong>weiz als<br />

Nettoexporteur von Dienstleistungen<br />

ni<strong>ch</strong>t Gutes bedeuten.<br />

Wel<strong>ch</strong>es sind die direktesten Folgen<br />

der Weltwirts<strong>ch</strong>aftskrise auf die<br />

Dienstleistungsbran<strong>ch</strong>e?<br />

Mit Ausnahme des Finanzsektors<br />

hat diese Krise vor allem die Strukturbereinigung<br />

in der Industrie bes<strong>ch</strong>leunigt.<br />

Insofern hat der tertiäre<br />

Sektor sogar no<strong>ch</strong> an Gewi<strong>ch</strong>t gewonnen.<br />

Offen bleibt für die S<strong>ch</strong>weiz<br />

derzeit indes die Frage, ob der Bankenplatz<br />

aufgrund des internationalen<br />

Drucks <strong>im</strong> Steuerberei<strong>ch</strong> und<br />

auf unser Bankgehe<strong>im</strong>nis seine hervorragende<br />

Position wird wahren<br />

können.<br />

Wie beurteilen Sie die mittel- und<br />

langfristigen Perspektiven des tertiären<br />

Sektors?<br />

Die Tertiarisierung wird weitergehen,<br />

weil der erste und der zweite<br />

Sektor in unseren Breitengraden weiter<br />

an Bedeutung verlieren werden.<br />

<br />

Interview: Patrick Gunti<br />

KM<br />

U 43

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