19.7.2010_MZ Moto2 Racing Sachsenring
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Montag<br />
19. Juli 2010<br />
In dieser Szene hatte Valentino Rossi noch die Nase vorn. In der Zielkurve schlug ihm Casey Stoner jedoch ein Schnippchen. –Fotos: Andreas Kretschel (2)<br />
Der Spielverderber vom <strong>Sachsenring</strong><br />
Casey Stoner schneidet Valentino Rossi in der letzten Kurve den Weg ab und wird Dritter – Der treue Katalone Dani Pedrosa jubelt im Nationaltrikot der Fußball-Weltmeister<br />
Von Thomas Prenzel<br />
Hohenstein-Ernsthal. Auch Valentino<br />
Rossi ist nur ein Mensch.<br />
Aber ein ganz außergewöhnlicher<br />
bleibt er. Böllerschüsse begleiteten<br />
gestern den Publikumsliebling auf<br />
seiner Ehrenrunde am <strong>Sachsenring</strong>.<br />
Es war fast so wie immer am Traditionskurs<br />
bei Hohenstein-Ernstthal.<br />
Die Fans lagen dem „Maestro“ zu<br />
Füßen, und der zelebrierte Motorradsport<br />
vom Feinsten. Nur das Sahnehäubchen<br />
fehlte diesmal.<br />
Rossi fuhr aber so, als wäre am<br />
5. Juni bei seinem Horrorsturz in<br />
Mugello nichts Außergewöhnliches<br />
geschehen. Der Italiener lieferte<br />
sich ein packendes Duell mit Casey<br />
Stoner um Rang drei. Jedes seiner<br />
Überholmanöver wurde von Hupkonzerten<br />
begleitet. In der allerletzten<br />
Kurve passierte Rossi aber das,<br />
was den von seinen Fans vergötter-<br />
ten Neunfach-Weltmeister menschlich<br />
erscheinen lässt: Er machte den<br />
Weg innen frei, der Australier raste<br />
vorbei aufs Podium und wird für Sekunden<br />
zum Spielverderber für die<br />
Rossi-Anhänger. Die feiern ihn<br />
trotzdem. Und das zu Recht: „Ich<br />
hätte nicht erwartet, dass ich schon<br />
um Platz drei mitfahren kann. Es<br />
war ein großartiger Kampf mit Casey.<br />
Dummerweise hat er es in der<br />
letzten Kurve für sich entschieden.<br />
Aber ich denke, dass ich trotzdem<br />
einen guten Job gemacht habe“, sagte<br />
Rossi.<br />
Mit Krücken zum Arbeitsgerät<br />
Stoner schien selbst ein bisschen<br />
überrascht, wie er das finale Duell<br />
mit dem Krösus der Branche entschied.<br />
Er wusste, dass Rossi Konditionsprobleme<br />
bekommen könnte.<br />
Sechs quälende Wochen mit Klinikaufenthalt,<br />
zwei Operationen, Sau-<br />
Tom Busch mit seinem Mechaniker Felix Kertzscher (rechts) und Thomas<br />
Krauß. Der 14-Jährige aus Limbach-Oberfrohna soll für das <strong>Racing</strong> Team<br />
Germany punkten. Am <strong>Sachsenring</strong> reichte es nicht fürs Podest.<br />
Freie Presse Seite<br />
Sport am Montag<br />
erstofftherapie, Wassergymnastik<br />
und Muskelaufbau am doppelt gebrochenen<br />
Schienbein lagen hinter<br />
dem 31-Jährigen. Kein Rennen in<br />
dieser Zeit, kein Rampenlicht, keine<br />
Autogramme, kein Siegerinterview<br />
– die Zeit der Leiden musste<br />
nun ein Ende haben. Mit einer Titanplatte<br />
im rechten Unterschenkel<br />
und einer im Rennanzug eingenähten<br />
Carbonschiene jagte Rossi über<br />
den Asphalt am <strong>Sachsenring</strong>. Noch<br />
nie hatte der Superstar eine so<br />
schwere Verletzung zu verdauen. Er<br />
genoss das Bild, sich mit Krücken<br />
seinem Arbeitsgerät zu nähern, um<br />
es Sekunden später zu beherrschen,<br />
als sei es ein kleines Moped.<br />
Bei seiner Rückkehr war Valentino<br />
Rossi fast schon wieder der Alte.<br />
Auch Stoner äußerte seine Bewunderung:<br />
„Wir wissen ja, dass es nicht<br />
so einfach ist, nach Verletzungen<br />
wieder das Gefühl zu finden. Doch<br />
Hohenstein-Ernstthal. „Schade,<br />
dass Rossi nicht dabei ist, sonst<br />
könnte er mich fahren sehen“, hatte<br />
Max Fritzsch bei einer Pressekonferenz<br />
im Vorfeld des Grand Prix gescherzt.<br />
Nun war Rossi doch am<br />
Ring. Und wenn er den Nachwuchs<br />
im ADAC-Junior-Cup beobachtet<br />
hat, dann konnte er am Samstag<br />
einen souveränen Sieg des Claußnitzers<br />
sehen – samt Pole Position<br />
und schnellster Rennrunde.<br />
Auf dem Treppchen traf der<br />
13-Jährige zwei gute Bekannte. Wie<br />
beim letzten Cup-Lauf auf dem<br />
<strong>Sachsenring</strong> vor vier Wochen<br />
leisteten ihm der Österreicher Lukas<br />
Wimmer und Maximilian Eckner<br />
aus Dresden bei der Siegerehrung<br />
Gesellschaft. Alle Drei konnten<br />
als Valentino nach dem Neustart<br />
des Rennens an mir vorbeizog,<br />
dachte ich schon: Ojé, wir sehen uns<br />
später wieder. Aber zum Glück hat<br />
mein Motorrad super gut funktioniert,<br />
nur in den Linkskurven fehlte<br />
am Ende der Grip“, meinte der<br />
Ducati-Pilot aus Down under. Umso<br />
erstaunlicher, dass er in der letzten<br />
Kurve (auch linksherum) den großen<br />
Meister stehen ließ. Vielleicht<br />
ist Rossi im Bewusstsein seiner Vorgeschichte<br />
dem letzten Risiko aus<br />
dem Weg gegangen. „Mir fehlen<br />
nach der langen Pause einfach ein<br />
paar Kilometer, um das richtige Gefühl<br />
zu bekommen. Aber in Laguna<br />
Seca will ich es schon besser machen“,<br />
sagte Rossi. Sprach es und<br />
entschwand dem Trubel der Fans.<br />
Im zehnten Jahr auf Honda<br />
Dafür stand einer so auf dem Podium<br />
ganz oben wie Rossi im Fußball-<br />
ihren Heimvorteil damit voll ausspielen:<br />
Fritzsch gehört zum ADAC<br />
Sachsen Leistungszentrum, Wimmer<br />
zum ADAC Team <strong>Sachsenring</strong>.<br />
Eckner startet für das <strong>Racing</strong> Team<br />
Germany. Die Nachwuchs-Truppe<br />
von Dirk Heidolf hatte sich fürs<br />
Wochenende Großes vorgenommen:<br />
Alle drei Fahrer – neben Eckner sind<br />
das Tom Busch aus Limbach-Oberfrohna<br />
und der Leverkusener Dominik<br />
Engelen – wollten aufs Podest.<br />
Die Enttäuschung über den verpassten<br />
Dreifach-Triumph war bei<br />
einem besonders groß. Tom Busch<br />
erntete zwar aufmunternde Schulterklopfer<br />
für seinen sechsten Platz,<br />
musste aber eingestehen: „Es wäre<br />
mehr drin gewesen.“ Schon der<br />
Start lief nicht optimal. „Nach einem<br />
Patzer in der Audi-Kurve habe<br />
ich dann schnell den Anschluss an<br />
trikot seines Heimatlandes vor vier<br />
Jahren. Dani Pedrosa, der nur<br />
1,58 Meter kleine und 47 Kilogramm<br />
leichte Spanier, streifte sich<br />
das zu große T-Shirt vor der Siegerehrung<br />
über und spritzte nach der<br />
Nationalhymne den Champagner<br />
in die Massen. Am Sonntag vor einer<br />
Woche hatte er der Landeshymne<br />
noch am Fernseher gelauscht.<br />
„Ich habe mir den WM-Triumph<br />
der Fußballer angesehen. Es waren<br />
sehr bewegende Momente für<br />
mich.“ Gestern gab es eine Steigerung:<br />
Pedrosa jubelte am <strong>Sachsenring</strong><br />
zum zweiten Mal nach 2007.<br />
Der Spanier genoss den Moment<br />
in vollen Zügen. Nachdem er seine<br />
Honda abgestellt hatte, sprang der<br />
Ziehsohn von Alberto Puig, einem<br />
ehemaligen Weltklasse-Piloten, seinen<br />
Betreuern in die Arme. Der<br />
24-Jährige ist die treueste Seele im<br />
Rennsportzirkus. Seit seinem Ein-<br />
Spitzen-Trio spielt seinen Heimvorteil voll aus<br />
die Spitzengruppe verloren“, erklärt<br />
der 14-Jährige aus Limbach-Oberfrohna.<br />
Irgendwie will sich der Mittelschüler,<br />
der nur ein paar Fahrradminuten<br />
vom Ring entfernt die Schulbank<br />
drückt, mit dem Traditionskurs<br />
nicht anfreunden. „Die Streckenführung<br />
liegt mir nicht, zu eng,<br />
zu rund“, sagt er. Sein Betreuer im<br />
<strong>Racing</strong> Team Germany, Thomas<br />
Krauß, weiß warum: „Tom ist unser<br />
Ästhet. Aber seinen eleganten Fahrstil<br />
kann er auf technisch anspruchsvolleren<br />
Strecken besser<br />
ausspielen.“ Was dem Talent noch<br />
fehle, sei der nötige Biss. Genau dafür<br />
sammelt der 14-Jährige nun so<br />
viele Rennkilometer wie möglich<br />
und belässt es nicht bei den acht<br />
Cup-Läufen. „Dies ist mein zweites<br />
Jahr im Junior Cup. Das erste war<br />
stieg in die WM im Jahr 2001 vertraut<br />
er Honda. Auf dem japanischen<br />
Fabrikat holte er drei WM-Titel<br />
(2003 in der 125-er-Klasse sowie<br />
2004 und 2004 in der 250-er). Die<br />
Krönung in der Königsklasse blieb<br />
ihm bisher noch verwehrt. Aber<br />
Pedrosa hat einen langen Atem. Als<br />
13-Jähriger setzte er sich unter<br />
4500 Bewerbern durch, erkämpfte<br />
einen Startplatz im spanischen Junior-Cup.<br />
Nicht, weil er die beste Leistung<br />
erbrachte.<br />
Puig erkannte damals die Fähigkeit<br />
des kleinen Kataloniers, das<br />
Motorrad durch und durch zu begreifen.<br />
Und er spürte Pedrosas tiefe<br />
Abneigung, sich überholen zu lassen.<br />
Dieses Vertrauen zahlt er nun<br />
zurück, auch mit seiner Treue zu<br />
Honda. Sein Rundenrekord am<br />
<strong>Sachsenring</strong> sprach für sein Motorrad,<br />
für sein Können und für seine<br />
körperliche Verfassung.<br />
Claußnitzer Max Fritzsch holt sich Start-Ziel-Sieg im ADAC-Junior-Cup – Tom Busch will in seinem zweiten Jahr zur Spitze aufschließen<br />
Von Claudia Nolte<br />
Auf den nächsten Seiten lesen Sie:<br />
2: Arne Tode im Wechselbad der Gefühle<br />
Seite 3: <strong>MZ</strong>-Heimspiel endet mit Rang 13<br />
Seite 4: Degenfechterin Imke Duplitzer holt EM-Gold<br />
Seite 6: Matthias Steiner hofft auf baldige Genesung<br />
Seite S1<br />
ein Lehrjahr, Rang 14 am Ende in<br />
Ordnung. Aber diese Saison muss<br />
ich richtig Gas geben“, weiß er. Immer<br />
in die Top Ten, ansonsten „sitzen<br />
bleiben und Punkte mitnehmen“<br />
lautet seine Parole. Dafür geht<br />
er ins Fitnessstudio, fährt Rad und<br />
schwimmt. „Aber das Motorrad<br />
bleibt die Nummer 1“, sagt er lachend.<br />
Gerade jetzt, wo er auf die<br />
professionelle Unterstützung des<br />
Teams setzen kann. Ein eigener Mechaniker,<br />
moderne Analysen, all das<br />
nutzt er, wertet jede Fahrt mit dem<br />
Team aus.<br />
Mit Gesamtrang 5 gibt er sich nicht<br />
zufrieden. „In 14 Tagen geht es nach<br />
Schleiz – meine Lieblingsstrecke.“<br />
Vielleicht gewinnen die Heidolf-Junioren<br />
dann ihre Wette: Sollten es<br />
alle Drei aufs Podest schaffen, muss<br />
der Rest des Teams Haare lassen.