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Darmstadt: Hinsehen! Tätig werden! Vernetzen! / Fachtagung "Ehrensache?"<br />

23.09.2010, 15:32 Uhr | presseportal.de<br />

Südhessen/Darmstadt (ots) - Mehr als zweihundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren<br />

am Donnerstag (23.9.2010) der Einladung der Regionalen Geschäftsstelle Südhessen des<br />

"<strong>Netzwerk</strong>s <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>" zu einer Fachtagung zum Thema "Ehrensache?" - Strategien zum<br />

Schutz junger Migrantinnen in die Evangelische Fachhochschule Darmstadt gefolgt.<br />

"Hinsehen! Tätig werden! Vernetzen!" war die Kernaussage der ganztägigen Veranstaltung.<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus südhessischen Kommunen, Institutionen, Vereinen,<br />

privaten Initiativen, Behörden, Schulen, sozialpädagogischen Beratungsstellen, der Justiz,<br />

Polizei, Politik und Wissenschaft konnten sich bei interessanten Fachvorträgen rund um das<br />

Thema "Ehre" und einer sich anschließenden Podiumsdiskussion informieren. Erreicht<br />

werden sollten in erster Linie Menschen, die im beruflichen und privaten Kontext mit<br />

Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund zusammen kommen. Sie sollen für<br />

die "in der Ehre" begründeten Delikte sensibilisiert werden. Diese Delikte reichen von der<br />

Beleidigung, Nötigung, sexuellen Nötigung, Vergewaltigung, Körperverletzung bis hin zu<br />

Tötungsdelikten. Die Tagung befasste sich aber neben soziologischen und rechtlichen<br />

Aspekten auch mit Lösungsansätzen "Wie lassen sich aber solche Taten verhindern? Wie<br />

kann den Betroffenen geholfen werden?". Praktikerinnen und Praktiker aus Beratungsstellen,<br />

Jugendamt und Polizei erörterten in dem Fachgespräch "Was brauchen wir vor Ort?".<br />

"Ähnlich wie bei häuslicher <strong>Gewalt</strong> wurden in der Vergangenheit die Delikte um die Ehre in<br />

den familiären Bereich abgeschoben. Eine Tabuzone, in die sich niemand einmischen wollte,<br />

und deren Bewertung auch für die Polizei schwierig war." so Polizeivizepräsident Uwe<br />

Brunnengräber. "Doch das hat sich geändert. Wir beschulen zusammen mit den<br />

Migrationsbeauftragten die Polizistinnen und Polizisten. Sie müssen auf mögliche Fälle<br />

vorbereitet sein."<br />

Anfang dieses Jahres wurde im Bundesrat ein Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von<br />

Zwangsheirat eingebracht. Das Gesetz soll den Opferschutz verbessern und Zwangsheirat<br />

unter Strafe stellen. Tragische Tötungsdelikte haben das Thema öffentlich gemacht. Diese<br />

lösten die Debatte über Zwangsehen in Deutschland lebender muslimischer Familien aus.<br />

Zwangsverheiratung ist in Deutschland ein großes Problem. Die Dunkelziffer ist hoch. Viele<br />

Straftatbestände treffen aufeinander. Kommt es zu einer Strafanzeige, wird diese nicht unter<br />

dem "Ehrbegriff" in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. Die Hilferufe<br />

betroffener Mädchen nehmen deutlich zu. Die Mädchen sind mutiger und selbstbewusster<br />

geworden, sie wenden sich vermehrt an Beratungsstellen.<br />

"<strong>Gewalt</strong>schutz ist eine Aufgabe, deren Lösung mit Prävention vor Ort beginnt. Wir müssen<br />

gerade auf kommunaler Ebene wirksame Strategien zum Schutz junger Migrantinnen vor<br />

jeder Form von <strong>Gewalt</strong> entwickeln und umsetzen", so Stadtrat Jochen Partsch, Darmstadts<br />

Frauen- und Sozialdezernent. Partsch weiter: "Anfang dieses Jahres wurde in Darmstadt eine<br />

Online-Beratungsstelle für betroffene Mädchen und Frauen bei Mäander e.V. eröffnet, die wir<br />

mit 10.000 Euro aus kommunalisierten Landesmitteln unterstützen. Dies ist ein erster Ansatz<br />

der <strong>Gewalt</strong>prävention, den wir auch in Zusammenarbeit mit dem "<strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>" in<br />

Darmstadt weiter ausbauen wollen."<br />

Das "<strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>" hat in einer Ressort übergreifenden Arbeitsgruppe die<br />

Broschüre "<strong>Gewalt</strong> im Namen der Ehre" erarbeitet. Der Auftrag liegt in einem<br />

Kabinettsbeschluss der Hessischen Landesregierung begründet. Die Zahl der Anfragen an der


Broschüre zeigt auch hier das große Interesse an dem Thema. Die Auflage von 10.000<br />

Exemplaren ist bis auf ca. 500 Exemplare in einem Jahr vergriffen. Unter den Beziehern sind<br />

auch viele Menschen aus anderen Bundesländern und dem Ausland.<br />

"Darüber freue ich mich. Denn dieses Interesse und die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind<br />

mir besonders wichtig. Wir brauchen die Vernetzung der Professionen. Wenn alle<br />

Berufsgruppen mit ihrem Wissen und ihren Möglichkeiten an einem Strang ziehen, können<br />

wir den von <strong>Gewalt</strong> betroffenen Migrantinnen Hilfe und Beistand leisten." so Christine Klein,<br />

Geschäftsführerin der Regionalen Geschäftsstelle Südhessen "<strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>".<br />

ots Originaltext: Polizeipräsidium Südhessen Digitale Pressemappe:<br />

http://www.polizeipresse.de/p_story.htx?firmaid=4969<br />

Quelle: presseportal.de<br />

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www.darmstadt.de<br />

Ehrensache<br />

( DA) – Freitag, 24. September<br />

Fachtagung will Menschen für die "in Ehre begründeten Delikte" sensibilisieren<br />

Schutz vor "in Ehre begründete Delikte" will das <strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> bieten. Foto: Jeanne/pixelio<br />

Mehr als zweihundert Teilnehmer sind der Einladung der Regionalen Geschäftsstelle Südhessen des „<strong>Netzwerk</strong>s <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>“ zu einer Fachtagung zum Thema<br />

„Ehrensache?“ – Strategien zum Schutz junger Migrantinnen in die Evangelische Fachhochschule Darmstadt gefolgt. „Hinsehen! Tätig werden! Vernetzen!“ war die<br />

Kernaussage der ganztägigen Veranstaltung.<br />

Mitarbeiter aus südhessischen Kommunen, Institutionen, Vereinen, privaten Initiativen, Behörden, Schulen, sozialpädagogischen Beratungsstellen, der Justiz, Polizei,<br />

Politik und Wissenschaft konnten sich bei interessanten Fachvorträgen rund um das Thema „Ehre“ und einer sich anschließenden Podiumsdiskussion informieren. Erreicht<br />

werden sollten in erster Linie Menschen, die im beruflichen und privaten Kontext mit Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund zusammen kommen. Sie<br />

sollen für die „in der Ehre“ begründeten Delikte zu sensibilisiert werden. Diese Delikte reichen von der Beleidigung, Nötigung, sexuellen Nötigung, Vergewaltigung,<br />

Körperverletzung bis hin zu Tötungsdelikten. Die Tagung befasste sich aber neben soziologischen und rechtlichen Aspekten auch mit Lösungsansätzen „Wie lassen sich<br />

aber solche Taten verhindern? Wie kann den Betroffenen geholfen werden?“. Praktiker aus Beratungsstellen, Jugendamt und Polizei erörterten in dem Fachgespräch<br />

„Was brauchen wir vor Ort?“.<br />

„Ähnlich wie bei häuslicher <strong>Gewalt</strong> wurden in der Vergangenheit die Delikte um die Ehre in den familiären Bereich abgeschoben. Eine Tabuzone, in die sich niemand<br />

einmischen wollte, und deren Bewertung auch für die Polizei schwierig war.“ so Polizeivizepräsident Uwe Brunnengräber. „Doch das hat sich geändert. Wir beschulen<br />

zusammen mit den Migrationsbeauftragten die Polizistinnen und Polizisten. Sie müssen auf mögliche Fälle vorbereitet sein.“<br />

Anfang dieses Jahres wurde im Bundesrat ein Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Zwangsheirat eingebracht. Das Gesetz soll den Opferschutz verbessern und<br />

Zwangsheirat unter Strafe stellen. Tragische Tötungsdelikte haben das Thema öffentlich gemacht. Diese lösten die Debatte über Zwangsehen in Deutschland lebender<br />

muslimischer Familien aus.<br />

Zwangsverheiratung ist in Deutschland ein großes Problem. Die Dunkelziffer ist hoch. Viele Straftatbestände treffen aufeinander. Kommt es zu einer Strafanzeige, wird<br />

diese nicht unter dem „Ehrbegriff“ in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Die Hilferufe betroffener Mädchen nehmen deutlich zu. Die Mädchen sind mutiger und<br />

selbstbewusster geworden, sie wenden sich vermehrt an Beratungsstellen.<br />

„<strong>Gewalt</strong>schutz ist eine Aufgabe, deren Lösung mit Prävention vor Ort beginnt. Wir müssen gerade auf kommunaler Ebene wirksame Strategien zum Schutz junger<br />

Migrantinnen vor jeder Form von <strong>Gewalt</strong> entwickeln und umsetzen“, so Stadtrat Jochen Partsch, Darmstadts Frauen- und Sozialdezernent. Partsch weiter: „Anfang dieses<br />

Jahres wurde in Darmstadt eine Online-Beratungsstelle für betroffene Mädchen und Frauen bei Mäander e.V. eröffnet, die wir mit 10.000 Euro aus kommunalisierten<br />

Landesmitteln unterstützen. Dies ist ein erster Ansatz der <strong>Gewalt</strong>prävention, den wir auch in Zusammenarbeit mit dem „<strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>“ in Darmstadt weiter<br />

ausbauen wollen.“<br />

Das „<strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>“ hat in einer Ressort übergreifenden Arbeitsgruppe die Broschüre „<strong>Gewalt</strong> im Namen der Ehre“ erarbeitet. Der Auftrag liegt in einem<br />

Kabinettsbeschluss der Hessischen Landesregierung begründet. Die Zahl der Anfragen an der Broschüre zeigt auch hier das große Interesse an dem Thema. Die Auflage<br />

von 10.000 Exemplaren ist bis auf ca. 500 Exemplare in einem Jahr vergriffen. Unter den Beziehern sind auch viele Menschen aus anderen Bundesländern und dem<br />

Ausland.<br />

„Darüber freue ich mich. Denn dieses Interesse und die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind mir besonders wichtig. Wir brauchen die Vernetzung der Professionen.<br />

Wenn alle Berufsgruppen mit ihrem Wissen und ihren Möglichkeiten an einem Strang ziehen, können wir den von <strong>Gewalt</strong> betroffenen Migrantinnen Hilfe und Beistand<br />

leisten.“ so Christine Klein, Geschäftsführerin der Regionalen Geschäftsstelle Südhessen „<strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>“.<br />

Mehr Infos unter<br />

www.netzwerk-<strong>gegen</strong>-gewalt.de/<br />

und unter:<br />

www.maeander-zwangsheirat.de


WWW.FR-ONLINE.DE<br />

DARMSTADTIUM<br />

Keine Frage der Familienehre<br />

Eine Fachtagung zeigt Strategien zum Schutz junger Migrantinnen vor häuslicher <strong>Gewalt</strong> auf. Der Darmstädter Verein Mäander hat im<br />

März eine anonyme Onlineberatung für Hilfe suchende Mädchen eingerichtet.<br />

In den vergangenen Jahren wurden nach Schätzungen der UNO weltweit etwa 5000 Mädchen und junge Frauen Opfer von <strong>Gewalt</strong>verbrechen,<br />

weil sie in den Augen der Täter die Familienehre beschmutzt hatten. In patriarchalisch strukturierten Gesellschaften gelten auch<br />

Zwangsverheiratungen als legitim. Ein Fall aus Darmstadt zeigt, dass dieses Thema auch hier aktuell ist: Nach Angaben von Sozialdezernent<br />

Jochen Partsch (Grüne) wurde gerade eine junge Türkin aus ihrer Familie in die Obhut einer Einrichtung eines anderen Bundeslandes gebracht,<br />

weil sie hier nicht sicher gewesen sei.<br />

Als das von der Landesregierung initiierte <strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> zu einer Fachtagung „Ehrensache? – Strategien zum Schutz junger<br />

Migrantinnen“ nach Darmstadt einlud, musste der Veranstaltungsort wegen des großen Andrangs vom Polizeipräsidium in die Evangelische<br />

Fachhochschule verlegt werden.<br />

Christine Klein, die die regionale Geschäftsstelle des <strong>Netzwerk</strong>s <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> im Polizeipräsidium Südhessen leitet, berichtete, dass die<br />

Hilfsangebote bekannter geworden seien. Die Teilnehmer, die beruflich oder privat mit Mädchen und jungen Frauen zusammen kommen, sollten<br />

durch die Fachtagung für „in der Ehre“ begründete Taten sensibilisiert werden, die von Beleidigung, sexueller Nötigung, Vergewaltigung,<br />

Körperverletzung bis hin zu Tötungsdelikten reichten.<br />

Zu Zwangsverheiratungen gebe es keine Zahlen, bedauerte Partsch. Diese <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong> Mädchen komme vor allem im türkischen und<br />

arabischen Raum vor. 2009 habe man in Darmstadt 90 Mädchen in Obhut genommen, im laufenden Jahr seien es bereits 85. „Nur du<br />

entscheidest, ob und wen du heiratest“, heißt es in Deutsch und in fünf weiteren Sprachen auf einer Infokarte, die der Darmstädter Verein<br />

Mäander verteilt. Er hat im März eine anonyme Onlineberatung (www.maeander-zwangsheirat.de) für Hilfe suchende Mädchen eingerichtet.<br />

Für Betroffene, so Polizeivizepräsident Uwe Brunnengräber, sei es schwer möglich, aus ihrer oft bedrückenden familiären Situation auszubrechen.<br />

Die Familienehre stünde meist über allem. Bei der Aufgabe, <strong>gegen</strong> Zwangsverheiratungen und andere Arten der häuslichen <strong>Gewalt</strong> vorzugehen,<br />

könne die Polizei nur ein Baustein sein. Polizisten klärten mögliche Opfer über rechtliche Schritte auf, verwiesen sie an Beratungsstellen.<br />

In Darmstadt, so Patricia Latorre (Interkulturelles Büro), gebe es rund 120 Migrationsvereine. Mit immerhin 40 davon stehe man im engen Kontakt.<br />

So gebe es bereits Vätergruppen. Klein betonte, man müsse sich noch stärker um Frauen zwischen 18 und 21 Jahren kümmern. Aus der<br />

Jugendförderung seien sie herausgefallen, gehörten aber noch nicht zum Klientel der Frauenhäuser. ( ryp)<br />

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www.echo-online.de<br />

24. September 2010 | hap<br />

»Nur du entscheidest, ob und wen du heiratest«Soziales: Fachtagung »Ehrensache?« berät, wie<br />

junge Migrantinnen vor häuslicher <strong>Gewalt</strong> geschützt werden können<br />

| |<br />

Junge Migrantinnen werden mitunter von ihren Familien zwangsverheiratet. Ein enges<br />

<strong>Netzwerk</strong> soll solche Fälle von häuslicher <strong>Gewalt</strong> verhindern. Foto: Roman Grösser<br />

In den vergangenen Jahren wurden nach Schätzungen der UNO weltweit etwa fünftausend<br />

Mädchen und junge Frauen Opfer von <strong>Gewalt</strong>verbrechen, weil sie in den Augen der Täter die<br />

Familienehre »beschmutzt« hatten. In patriarchalisch strukturierten Gesellschaften, aus denen<br />

viele Einwanderer stammen, gelten auch Zwangsverheiratungen als legitim. Ein Fall aus<br />

Darmstadt zeigt, dass dieses Thema auch hier virulent ist: Nach Angaben von Sozialdezernent<br />

Jochen Partsch wurde gerade eine junge Türkin aus ihrer Familie in die Obhut einer<br />

Einrichtung eines anderen Bundeslandes gebracht, weil, so Partsch, ihre Sicherheit in<br />

Darmstadt nicht gewährleistet gewesen wäre.<br />

Als das von der Landesregierung initiierte »<strong>Netzwerk</strong> <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong>« zu einer Fachtagung<br />

»Ehrensache? - Strategien zum Schutz junger Migrantinnen« nach Darmstadt einlud, musste<br />

der Veranstaltungsort wegen des großen Andrangs vom Polizeipräsidium in die Evangelische<br />

Fachhochschule verlegt werden.<br />

Partsch wusste gestern nicht so recht, ob er sich über den »riesigen Zuspruch« von über 200<br />

Teilnehmern freuen oder bestürzt sein sollte, dass das Thema als so brisant empfunden wurde.<br />

»Wohl beides«, sagte er.<br />

Angesichts einer vorurteilsbeladenen Integrationsdebatte, nicht zuletzt befeuert durch Thilo<br />

Sarrazin, sei es enorm wichtig, sachlich über geeignete Strategien <strong>gegen</strong> sexualisierte <strong>Gewalt</strong><br />

zu beraten. Dieses Thema habe die Polizei und verschiedene <strong>Netzwerk</strong>e schon seit Jahren<br />

bewegt, und die Tagungsteilnehmer aus südhessischen Kommunen, Institutionen, Vereinen,<br />

privaten Initiativen, Behörden, Schulen, sozialpädagogischen Beratungsstellen, der Justiz,<br />

Polizei, Politik und Wissenschaft zeigten, dass das Interesse, gefährdeten Mädchen und<br />

jungen Frauen zu helfen, sehr groß sei.<br />

Chistine Klein, die die regionale Geschäftsstelle des <strong>Netzwerk</strong>s <strong>gegen</strong> <strong>Gewalt</strong> im<br />

Polizeipräsidium Südhessen leitet, berichtete, dass die Hilfeangebote bekannter geworden<br />

seien. Die Teilnehmer, die im beruflichen oder privaten Kontext mit Mädchen und jungen<br />

Frauen zusammen kommen, sollten durch die Fachtagung für die »in der Ehre« begründeten<br />

Taten sensibilisiert werden, die von Beleidigung, sexueller Nötigung, Vergewaltigung,<br />

Körperverletzung bis hin zu Tötungsdelikten reichten.<br />

Zu Zwangsverheiratungen gebe es keine Zahlen, bedauerte Partsch. Diese <strong>Gewalt</strong> <strong>gegen</strong><br />

Mädchen komme vor allem im türkischen und arabischen Raum vor. 2009 habe man in


Darmstadt 90 Mädchen in Obhut genommen, im laufenden Jahr seien es bereits 85. »Nur du<br />

entscheidest, ob und wen du heiratest«, heißt es in Deutsch und in ünf weiteren Sprachen auf<br />

einer Infokarte, die der Darmstädter Verein Mäander verteilt. Er hat im März eine anonyme<br />

Onlineberatung (www.maeander-zwangsheirat.de) für Hilfe suchende Mädchen eingerichtet.<br />

Mäander wird als lokale Anlaufstelle mit Landesmitteln unterstützt.<br />

Für Betroffene, so Polizeivizepräsident Uwe Brunnengräber, sei es schwer möglich, aus ihrer<br />

oft bedrückenden familiären Situation auszubrechen. Die Familienehre stehe meist über<br />

allem. Bei der Aufgabe, <strong>gegen</strong> Zwangsverheiratungen und andere Arten der häuslichen<br />

<strong>Gewalt</strong> vorzugehen, könne die Polizei nur ein Baustein sein.<br />

»<strong>Gewalt</strong> im sozialen Nahraum gehört geächtet«, forderte Brunnengräber und berichtete, auch<br />

bei der Polizei werde häusliche <strong>Gewalt</strong> anders behandelt, ernster genommen als früher.<br />

»Daraus machen wir was«, sei heute die Devise.<br />

Polizisten klärten mögliche Opfer über rechtliche Schritte auf, verwiesen sie an<br />

Beratungsstellen. Brunnengräber: »Wir haben ja viel mehr Ansprechpartner im Hinterkopf als<br />

früher.« Polizisten mit ausländischen Wurzeln könnten ihre Kollegen auch sensibilisieren,<br />

»weil sie die andere Kultur ja kennen«.<br />

Partsch und andere betonten, die Tagung sei längst vor Sarrazins provokanten Thesen geplant<br />

gewesen, also keine Reaktion darauf. »Niemand schwelgt heute noch in harmonischen Multi-<br />

Kulti-Träumen«, wandte sich der Sozialdezernent <strong>gegen</strong> einen Vorwurf Sarrazins an das rotgrüne<br />

Lager. Auch dass Sarrazin ein Tabu gebrochen und endlich Tacheles geredet habe, sei<br />

falsch.<br />

Bedauerlich sei aber, dass durch seine Thesen Debatten erschwert würden. Beim<br />

Fastenbrechen in der Sultan-Emir-Moschee, so Partsch, habe er gespürt, dass sich Muslime<br />

(»das sind ja auch Darmstädter«) ausgegrenzt fühlten. Das erschwere es, den Dialog zu führen<br />

und gemeinsam Lösungen zu finden.<br />

In Darmstadt, so Patricia Latorre (Interkulturelles Büro), gebe es rund 120 Migrationsvereine.<br />

Mit immerhin 40 davon stehe man im engen Kontakt. So gebe es auch bereits Vätergruppen,<br />

berichtete sie.<br />

Um den Dialog zu fördern, hatte Klein die Tagungsteilnehmer aufgefordert, in den Pausen<br />

nicht nur alte Bekanntschaften aufzufrischen, sondern auch neue Kontakte zu knüpfen. Dies<br />

sei rege befolgt worden, sagte sie nach Ende der Veranstaltung. Herauskristallisiert habe sich,<br />

dass man sich noch stärker um Frauen zwischen 18 und 21 Jahren kümmern müsse. Aus der<br />

Jugendförderung seien sie herausgefallen, gehörten aber noch nicht zum Klientel der<br />

Frauenhäuser.

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