Fronleichnam 2004 - Propstei St. Clemens
Fronleichnam 2004 - Propstei St. Clemens
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<strong>Fronleichnam</strong> <strong>2004</strong><br />
Predigt von Pfr. Klaus Schriebner, gehalten auf der <strong>Fronleichnam</strong>skirmes<br />
Liebe Christen !<br />
<strong>St</strong>erkrader <strong>Fronleichnam</strong>skirmes,<br />
größte <strong>St</strong>raßenkirmes Europas - und dann das Jubiläumsjahr :<br />
75 Jahre <strong>St</strong>adt Oberhausen - so steht es überall auf den Plakaten.<br />
Obwohl aus dieser Formulierung der Einladung her klar hervorgeht,<br />
dass hier zwei Dinge zusammenkommen - nämlich: "<strong>Fronleichnam</strong>" und<br />
"Kirmes" - ist es für mich eine ungewöhnliche Premiere. Allerdings ist<br />
bekannt, dass hier keine unvereinbaren Gegensätze aufeinanderstoßen,<br />
denn die Kirmes entstand ja aus dem Kirchweihfest und dem dann jährlich<br />
gefeierten Festtag der Einweihung einer Kirche.<br />
Schon im 9. Jahrhundert wurde der Jahrestag der Kirchweihe auch<br />
ein weltliches Fest, zog "Jahrmärkte" an - daher der Name: Jahr-Markt",<br />
weil er jedes Jahr wiederkehrte - dazu kamen dann noch Schaustellungen<br />
fahrender Leute und volkstümliche Vergnügungen.<br />
Ich glaube, kaum einer kann sich der Anziehungskraft einer<br />
Kirmes total entziehen und hat zumindest in einer bestimmten<br />
Zeitspanne seines Lebens die hier angebotenen Vergnügungen in<br />
Anspruch genommen.<br />
Für mich waren immer gerade auch die neuesten Attraktionen von<br />
besonderem Interesse und je wilder eine "Geräte - Neuheit" war, um so<br />
interessanter war sie für mich.<br />
Aber es gab bei mir auch immer ein Fahrspaß, der sich über<br />
Jahrzehnte nie verändert hat, aber für mich nichts von seinem alten Reiz<br />
verloren hatte. Damals hieß dieses Vergnügen - und ich schätze, wenn es<br />
dieses Gerät noch heute gibt - davon geh' ich mal aus -wird es noch<br />
genauso heißen - nämlich : " ROTOR ". (Gasometer)<br />
Mann stellte sich in einem Rondell mit dem Rücken zur Wand, der<br />
Zugang wurde geschlossen und die ganze Trommel setzte sich mit immer<br />
schneller werdenden Umdrehungen in Bewegung. Dann, wenn eine<br />
bestimmte Umdrehungszahl erreicht war,
- senkte sich plötzlich der Boden ab - und - bedingt durch die<br />
Zentrifugalkraft - wenn mich meine Schulkenntnisse nicht täuschen -blieb<br />
man - bodenlos - an der Wand kleben. Erst als die Umdrehungszahl sich<br />
wieder verringerte, rutschte man nach und nach<br />
- hierbei war das Gewicht entscheidend - an der Wand hinunter, auf den<br />
abgesenkten Boden.<br />
So wird manch eingefleischter Kirmesbesucher seine<br />
persönlichen Vorlieben haben, ob es nun<br />
- die traditionelle Schiffschaukel ist,<br />
- die neuste Achterbahn, mit Looping<br />
- die gute alte Geisterbahn oder<br />
- der allseits geliebte Autoscooter .<br />
Jeder vergnügt sich auf seine Weise !<br />
Manchmal ist für mich die Kirmes auch ein Bild für unser Leben und für die<br />
Welt, in der wir leben :<br />
- Die Zeiten ändern sich - im Verlauf der Jahre mit zunehmender<br />
Geschwindigkeit -<br />
- zu häufig verlieren wir den Boden unter unseren Füßen<br />
- werden an die Wand gedrückt, ausgeliefert den Kräften, die eine<br />
erdrückende Bewegungslosigkeit bewirken.<br />
Auch das politische "Hin - und Her" gleicht häufig einer "Schiff -<br />
Schaukel", in der man sich weniger verschifft, dafür aber um so mehr<br />
verschaukelt fühlt -<br />
und all die „Einschränkungen“, die uns zur Zeit als „Reformern“<br />
verkauft werden, machen mittlerweile unser Leben zu einer Geisterbahn,, bei<br />
der wir nicht wissen, welcher Schrecken uns im nächsten Augenblick das<br />
Gruseln lehrt.<br />
Und wenn man die aktuelle "Werte-diskussion" verfolgt und das<br />
ganze Gerangel ob wir uns überhaupt noch als christliches Abendland<br />
definieren wollen —oder—ob der Gottesbezug nun in die europäische<br />
Verfassung eingebunden(werden)- oder bewußt rausgelassen werden soll,<br />
dann kommt man sich vor-wie im Looping einer Achterbahnen dem alles<br />
auf den Kopf gestellt wird :<br />
- "Orientierungen" werden der "Beliebigkeit" unterworfen
- "Wertigkeit" der "Gleich - Gültigkeit"<br />
- da wird der "Rechts - <strong>St</strong>aat" auf den Kopf gestellt, mit seiner<br />
Demokratie, in der die Mehrheiten als <strong>St</strong>immvieh mißbraucht werden und<br />
Minderheiten uns sagen wo 's lang geht<br />
- da loben wir die Trennung von Legislative (gesetzgebende Gewalt) und<br />
Exekutive (vollziehender Gewalt) - erleben dann aber - immer wieder- wie wir<br />
uns in unserem eigenen ausgeklügelten System verfangen - und das - nicht<br />
weil einer auf der richtigeren Seite steht, sondern weil jemand die raffinierteren<br />
juristischen Tricks kennt:<br />
- wenn z. B. ein einziger - erklärter Haßprediger - eine ganze Nation<br />
vorfuhrt und lächerlich macht- wie es z. B. eine bekannte<br />
Wochenzeitschrift - in der aktuellen Ausgabe betitelt: "Wie der <strong>St</strong>aat sich<br />
von seinen Gegnern vorführen läßt"— Oder— ebenfalls-aktuell-<br />
- wo-davon schon gerade gesprochen wird<br />
- wenn auf den kleinen <strong>St</strong>euerzahler die Verluste der Großkonzerne<br />
abgewälzt werden, ihre Gewinne aber unantastbar bleiben,<br />
da haben wir nicht zum ersten Mal unser "Grundgesetz" auf "Grund<br />
gesetzt".<br />
Manchmal folgt der Trubel einer Kirmes einem geordneteren<br />
Ablauf, als der auf der politischen oder auch juristischen Bühne -und das<br />
Schlimmste ist: man erkennt keine Alternative !<br />
Und mitten drin - stehen wir - als Christen - leben in dieser Welt -<br />
innerhalb dieser Gesellschaft -<br />
- im Sozialbereich noch akzeptiert, weil uns da Nützlichkeit<br />
zugestanden wird<br />
- als gestalterische Kraft innerhalb dieser Gesellschaft aber<br />
immer mehr an den Rand gedrängt, indem man Religion als<br />
Privatsache aus dem öffentlichen Leben ganz hinauszudrängen<br />
versucht<br />
- als Glaubensgemeinschaft mehr und mehr unverstanden, weil nur<br />
noch Fakten zählen und die "offen - sichtlichen" Wirklichkeiten<br />
wichtiger werden, als die Wahrheit, der sie ihre Existenz verdanken.<br />
Wir leben in einer Gesellschaft, die ihre Werte immer mehr aus den Augen<br />
verliert - ohne - mit dem Herzen neue zu suchen. Das hat zur Folge, dass der<br />
Mensch sich dann täglich selbst und neu erfinden muß. Aber das Leben ist<br />
keine Anreihung nur von "Highlights" und "Events" mit bedeutungslosen<br />
Zwischenzeiträumen. Wenn das der Zug der Zeit ist, dann geh' ich lieber zu<br />
Fuß !
Und mitten drin - stehen wir als Christen - leben in dieser Welt - innerhalb<br />
dieser Gesellschaft, mit dem Auftrag:<br />
- in dieser - uns umgebenden - Wirklichkeit, Zeugnis<br />
abzugeben von der Wahrheit<br />
- uns nicht aus dieser Welt zurückzuziehen, wie die Jünger<br />
damals - vor dem Pfingstereignis -<br />
sondern: - in dieser Welt zu wirken<br />
- die Gesellschaft zum Positiven hin zu verändern<br />
- dieser Welt unsere gestalterische Kraft anzubieten und das<br />
Gemeinwohl nicht nur finanziellen -, juristischen - und politischen Mächten zu<br />
überlassen, sondern mit allen gemeinsam daran zu arbeiten, dass unter der<br />
Prämisse von Gerechtigkeit - und nicht unter dem Druck wirtschaftlicher -<br />
oder politischer Machtinteressen -<br />
also unter der Prämisse von Gerechtigkeit<br />
nach Möglichkeit jeder zu seinem Recht kommt und nicht:<br />
jemand Recht bekommt, weil er sich den<br />
besseren Anwalt zu leisten in der Lage ist.<br />
Darum ist auch Religion alles andere als Privatsache, denn sie gehört zu<br />
dieser Gesellschaft, - ist ein Teil von ihr - und stellt sich ihr.<br />
Gerade im zurückliegenden Pfingstfest haben wir erleben können,<br />
wie damals von einer kleinen Jüngerschar eine Kraft ausging, die durch die<br />
Begeisterung weniger Menschen eine ganze Welt verändert hat.<br />
Wenn wir als Christen diese Begeisterung verlieren würden - oder<br />
diejenigen - denen wir die Macht anvertraut haben - sie als belebendes<br />
Element nicht mehr zuließen, dann würden wir das Feld - die Welt - nur noch<br />
den Fanatikern überlassen denn Menschen, die nicht mehr begeistert<br />
werden können, lassen sich immer noch fanatisieren.<br />
Das zeigt unsere eigene deutsche Geschichte,<br />
das bestätigt die aktuelle politische Lage !<br />
Wenn wir alle christlich - gestalterischen Kräfte unterdrücken würden,<br />
könnten wir uns schließlich nur noch ducken: ducken vor - der politischen<br />
Ohnmacht der Problembewältigung,<br />
- der marktbeherrschenden Macht des Kapitals,<br />
- dem stärker werdenden Terrorismus und<br />
- einer immer größer werdenden Gewaltbereitschaft<br />
schon zwischen Kindern, ganz aktuell unter Schülern, immer schon unter<br />
Arbeitskollegen, diversen Gruppen und ganzen Völkern;
Wenn wir alle christlich - gestalterischen Kräfte<br />
unterdrückten, dann würden wir letztlich gar nichts mehr<br />
gestalten und wären dann schließlich nur noch froh, „wenn es uns nicht<br />
erwischt“ – wir „von all' dem möglichst verschont bleiben“.<br />
Aber : Das ist doch kein Leben ! Das ist keine Zukunft !<br />
Leben hat nur dann eine menschenwürdige Zukunft, wenn der Mensch<br />
gerade nicht sich selbst zum Maß aller Dinge macht.<br />
Die Verantwortung füreinander und vor Gott:<br />
- neutralisiert jeden menschlichen Absolutheitsanspruch und<br />
- relativiert jede menschliche Machtposition.<br />
Liebe Christen, es ist gut, dass wir heute hier sind - auch an diesem Ort der<br />
Kirmes - dass wir in aller Öffentlichkeit FIagge zeigen !<br />
Vom Vergleich der Kirmes mit unserem Leben möchte ich noch<br />
einmal auf den "Rotor" zurückkommen, in dem die Zentrifugalkräfte so<br />
eindrucksvoll zur Wirkung kommen. Zu deutsch nennen wir die<br />
Zentrifugalkraft: "Fliehkraft". Es ist die Kraft, die uns vom Mittelpunkt<br />
wegdrückt, - die uns vom Zentrum "fliehen" läßt, - die uns nach außen<br />
drängen will.<br />
In unserer Gesellschaft gibt es - bezogen auf uns Christen - auch solche<br />
Kräfte, die uns an den Rand drängen möchten. Diesen Kräften müssen wir<br />
entgegenwirken ohne falsche Bescheidenheit.<br />
Darum ist es gut, dass wir uns heute hier versammelt haben,<br />
denn wir haben genau das umgekehrte getan:<br />
Gemeinsam haben wir uns zu einer Mitte hin-gezogen gefühlt,<br />
wir haben uns kon-zen-triert; wir haben uns um einen zentralen Punkt<br />
versammelt, der das Zentrum unseres Lebens und die Mitte unserer<br />
Prozession ist.<br />
Unspektakulär, unaufdringlich fast schon alltäglich tragen wir in<br />
unserer Mitte das Brot, das uns heilig ist, weil wir in ihm Gott erkennen, die<br />
Mitte unseres Lebens !
Die kleine Hostie als Mittelpunkt unserer Gemeinschaft und unseres<br />
Lebens, um den sich —für uns — alles dreht – ohne dass wir den Boden<br />
unter unseren Füßen verlieren, - im Gegenteil : ER ist die Mitte, die uns<br />
zusammenhält, uns eine Gemeinschaft werden läßt und nicht: weg drängt,<br />
sondern: anzieht und einlädt, aus dieser Mitte zu leben.<br />
Christliches Leben ist deshalb auch immer<br />
kon - zen - triertes Leben -<br />
im wahren und mehrdeutigen Sinne des Wortes.<br />
Nicht nur ein Christ, jeder Mensch - muß für sich - die Frage<br />
beantworten: - aus welcher Mitte er lebt,<br />
- worum sich bei ihm alles dreht.<br />
Und wenn Jesus von sich sagt: "Ich bin das Brot des Lebens" - "das<br />
vom Himmel herabgekommen ist" und er sich auch klar abhebt von einer<br />
Speise, die nur "satt" machen möchte, dann will er auf das umfassende<br />
Leben hinweisen, das eben nicht mit dem Tod endet.<br />
Jesus sagt: " Ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag " !<br />
Den Hunger nach diesem Brot - in einer satten Gesellschaft - zu<br />
wecken, ist unser Auftrag, den es zu erfüllen gilt.<br />
Für ein paar hundert Kirchenbesucher an einem Wochenende, ist<br />
das zu schwierig; aber für ein paar hundert Missionare - wäre dies eine<br />
Kleinigkeit!<br />
Amen