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1 Grussbotschaft Jubiläum 40 Jahre Tanne Urs Meier, Leiter ...

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<strong>Grussbotschaft</strong> Jubiläum <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Tanne</strong><br />

<strong>Urs</strong> <strong>Meier</strong>, <strong>Leiter</strong> Abteilung Sonderpädagogisches, Stellvertreter Amtschef<br />

Volksschulamt<br />

Sehr verehrter Herr Regierungspräsident<br />

Sehr verehrte Gäste<br />

Ich begrüsse Sie ganz herzlich als verantwortlicher <strong>Leiter</strong> der Abteilung Sonderpädagogisches<br />

und als stellvertretender Chef des Volksschulamtes der Bildungsdirektion.<br />

Es ist mir eine besondere Freude, am <strong>40</strong>-jährigen Geburtstag der Stiftung <strong>Tanne</strong> teilzunehmen<br />

und Ihnen bei dieser Gelegenheit die herzlichsten Grüsse der Bildungsdirektorin,<br />

Frau Regine Aeppli, zu überbringen.<br />

„Der Ausdruck der Persönlichkeit erreicht seine Erfüllung nur durch Kommunikation“.<br />

Dieses Zitat stammt von Pearl S. Buck, einer US-amerikanischen Schriftstellerin und<br />

Literaturnobelpreisträgerin. Ich habe es deshalb ausgewählt, weil es auf treffliche<br />

Weise eine Verbindung zum Wirken der <strong>Tanne</strong> herstellt.<br />

Meine Damen und Herren: Ein zentrales Element unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens<br />

ist Kommunikation. Kulturen können ihr Miteinander dann besser organisieren,<br />

wenn die darin lebenden Menschen über differenzierte Kommunikationsfähigkeiten<br />

verfügen. Im Umgang mit unseren Nächsten innerhalb der Familie oder<br />

am Arbeitsplatz gilt dies genauso wie in grossen Systemen des gesellschaftlichen<br />

Zusammenlebens.<br />

Kommunikation ist aber nicht nur ein Mittel der Verständigung untereinander. Auf das<br />

Individuum bezogen stellt Kommunikation die Verbindung zwischen der Innen- und<br />

Aussenwelt dar. Gedachtes, Gefühltes, Seelisches wird erst mit der Fähigkeit, kommunizieren<br />

zu können, als Ausdruck unserer Persönlichkeit wahrgenommen. Die<br />

Entwicklung von kommunikativen Fähigkeiten ist Teil der Persönlichkeitsbildung und<br />

1


trägt zum Zusammenleben in der Gesellschaft bei. Dieses zentrale Bildungsanliegen<br />

bestimmt in hohem Masse den Unterricht an unseren Schulen.<br />

Hörsehbehinderung und Taubblindheit beeinträchtigen und erschweren die Entwicklung<br />

kommunikativer Kompetenzen und damit die Interaktion. Da so wichtige Wahrnehmungskanäle<br />

wie das Sehen und Hören, also beide Fernsinne geschädigt sind,<br />

können die Ausfälle des einen Sinnes nicht oder nur mangelhaft durch den jeweils<br />

anderen Sinn kompensiert werden. Fachleute sprechen deshalb von einer Behinderung<br />

eigener Art, die sich nicht einfach aus der Addition von Taubheit und Blindheit<br />

ergibt.<br />

Die Entwicklung von Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeiten bei Taubblindheit<br />

und Hörsehbehinderung, das Ausschöpfen verbleibender Seh- und Hörfähigkeiten<br />

und das Entwickeln taktiler Kommunikationsformen ist der Kernauftrag der<br />

<strong>Tanne</strong>. Eine hoch anspruchsvolle Aufgabe!<br />

Im Verlaufe ihrer nun <strong>40</strong>-jährigen Geschichte und im Umgang mit dieser Behindertengruppe<br />

hat die <strong>Tanne</strong> eine einzigartige Kombination von speziellem Wissen und<br />

praktischem Können aufgebaut, welches für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche im<br />

schulpflichtigen Alter und für Erwachsene zugänglich ist. Nicht zu unrecht gilt die<br />

<strong>Tanne</strong> als das deutschschweizerische Kompetenzzentrum für die Bildung, die<br />

Betreuung und die Beratung von taubblinden und hörsehbehinderten Menschen,<br />

aber auch für Menschen ohne Lautsprache. Die Einrichtung geniesst nicht nur innerhalb<br />

des Kantons, sondern über seine Grenzen hinaus einen hervorragenden Ruf.<br />

Lassen Sie mich exemplarisch an wenigen Stichworten aufzeigen, weshalb wir aus<br />

kantonaler Sicht auf die umfassenden Leistungen der <strong>Tanne</strong> angewiesen sind:<br />

Abklärung<br />

Eine möglichst frühzeitige Abklärung ist bei den beschriebenen Behinderten entscheidend<br />

für die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung. Kinder mit einer<br />

Hörsehbehinderung und deren Eltern sind auf spezialisierte Unterstützung angewie-<br />

2


sen. Die <strong>Tanne</strong> erbringt umfassende Leistungen in der Beratung von Einzelpersonen<br />

und Angehörigen.<br />

Über alle Stufen hinweg beabsichtigt die Bildungsdirektion im Zusammenhang mit zu<br />

ergreifenden sonderpädagogischen Massnahmen zudem das sog. standardisierte<br />

Abklärungsverfahren einzuführen. Dieses Verfahren ist eines der in der Interkantonalen<br />

Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der Sonderpädagogik vorgesehenen<br />

Instrumente und wird im Auftrag der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK)<br />

als Instrument zur Ermittlung des individuellen Bedarfs eines Kindes oder Jugendlichen<br />

bei sonderpädagogischen Fragestellungen entwickelt. Es gilt als Ersatz für die<br />

bisherigen IV-Kriterien und zeichnet sich dadurch aus, dass Abklärungen nicht mehr<br />

nur die Feststellung eines Defizits als Hauptfokus haben. Vielmehr soll eine Gesamtsicht<br />

erarbeitet werden. Zentrale Elemente sind die Prüfung der bereits bestehenden<br />

Massnahmen, die Aspekte des familiären Umfeldes, die Erfassung der gegenwärtigen<br />

Erfahrungen und die Funktionsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen im Zusammenhang<br />

mit der Behinderung, die eigentliche Diagnose, die Entwicklungs- und<br />

Bildungsziele sowie der Bedarf an sonderpädagogischen Massnahmen.<br />

In diesem Verfahren können spezialisierte Einrichtungen wie die <strong>Tanne</strong> durch den<br />

fallweisen Beizug entscheidendes Spezialwissen für die abklärenden Stellen einbringen<br />

und so einen wertvollen Beitrag in der Planung und Umsetzung von sonderpädagogischen<br />

Massnahmen leisten.<br />

Frühförderung<br />

Alle Kinder und Jugendlichen haben laut bundesrechtlichen und kantonalen Bestimmungen<br />

von Geburt weg ein Recht auf Bildung und Förderung. In den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />

hat die frühe Förderung von Kindern, neben den Angeboten im schulischen und<br />

nachschulischen Bereich, einen zentralen Platz eingenommen.<br />

Dies gilt selbstverständlich auch für sinnesbehinderte Kinder. Die Notwendigkeit einer<br />

frühzeitigen Förderung beruht auf der Tatsache, dass die kindliche Entwicklung<br />

von Beginn an entscheidend durch Sehen und Hören beeinflusst und vorangetrieben<br />

wird. Das Sehen hat elementare Bedeutung für die Aufnahme von Informationen aus<br />

3


der Umwelt, für die motorische Entwicklung und für die Imitation. Ebenso entscheidend<br />

ist die Bedeutung des Hörens für die Entwicklung der Kommunikation. Sind<br />

beide Fernsinne in ihrer Leistungsfähigkeit gemindert, treten schwere Beeinträchtigungen<br />

in der Gesamtentwicklung auf. Diese gilt es so früh wie möglich mit geeigneter<br />

Unterstützung zu vermindern.<br />

Im Kanton Zürich sind die Angebote im Frühbereich sehr gut ausgebaut. Zusätzlich<br />

zu den kommunalen Angeboten der heilpädagogischen Früherziehung sind Einrichtungen<br />

zu erwähnen, welche sich speziell den Hör- und Sehbehinderten annehmen.<br />

Die <strong>Tanne</strong> ist eine davon. Ihre Spezialität ist der Umgang mit der Kombination der<br />

erwähnten Sinnesbehinderungen. Auch sinnesbehinderte Menschen ohne Lautsprache<br />

sind in der <strong>Tanne</strong> bestens aufgehoben. Neben den Angeboten im Schul- und<br />

Erwachsenenbereich finden betroffene Kleinkinder, ihre Eltern, aber auch ratsuchende<br />

Fachstellen, ein umfassendes Angebot an Früherziehung und Betreuung. Ich rufe<br />

Sie auf, die speziellen Bildungs- und Beratungsleistungen der <strong>Tanne</strong> zu nutzen!<br />

Integration<br />

In Empfehlungen der UNO, der UNESCO und der OECD wird das Recht auf Integration<br />

für alle Kinder betont. Mit der Integration von Kindern mit Behinderungen begann<br />

für das selektionsorientierte Schulwesen ein umfassendes reformpädagogisches Projekt<br />

mit dem Ziel der Humanisierung und Demokratisierung. Der früher selbstverständliche<br />

Lösungsweg, Kinder mit Schwierigkeiten vom gemeinsamen Lernprozess<br />

auszuschließen, wurde zu Recht hinterfragt. Im Einklang mit dieser Entwicklung wurden<br />

Rechtsgrundlagen für die integrative Förderung in der Schule geschaffen. So<br />

wurde in der neuen Bundesverfassung von 1999 ein Gleichstellungsartikel verankert<br />

und 2002 das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligung für Menschen<br />

mit Behinderung angenommen. Dieser Grundsatz wurde auch in das neue Volksschulgesetz<br />

aufgenommen.<br />

Wie steht es nun aber mit Kindern, die eine Förderung brauchen, die nicht im Rahmen<br />

der integrativen Förderung geleistet werden kann? Ich will nicht in Abrede stellen,<br />

dass der Integration auch Grenzen gesetzt sind. Die Rechtsgrundlagen schliessen<br />

deshalb separative Schulungsformen nicht aus. Das Behindertengleichstellungs-<br />

4


gesetz und das Volksschulgesetz befürworten die Integration nur, wenn sie möglich<br />

ist und dem Wohl des behinderten Kindes oder Jugendlichen dient. Die 2007 in Kraft<br />

gesetzte Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen bestimmt zudem,<br />

dass die Möglichkeit der Integration in die Regelklasse sich nach den konkreten Umständen<br />

beurteilt. Die Verordnung lässt weiterhin besondere Klassen zu und nennt<br />

die integrierte Sonderschulung als eine der Möglichkeiten der Sonderschulung, neben<br />

der Schulung in Sonderschulen und dem Einzelunterricht.<br />

Unser Ziel ist es, möglichst viele Schülerinnen und Schüler in die Regelschule zu<br />

integrieren. Es ist aber in keiner Weise das Ziel, alle Schülerinnen und Schüler in die<br />

Regelschule zu integrieren. Eine sonderpädagogische Massnahme darf nie aus rein<br />

dogmatischen oder ideologischen Überlegungen bevorzugt werden. Wenn man z.B.<br />

an ein taubblindes Kind oder einen Jugendlichen denkt, so stellt niemand in Frage,<br />

dass sie auf die behinderungsspezifischen Kompetenzen und Rahmenbedingungen<br />

einer entsprechenden Schule wie die <strong>Tanne</strong> angewiesen sind. Integration ist in diesem<br />

Zusammenhang umfassender, nämlich als Integration in die Gesellschaft zu<br />

verstehen. Vorliegend beinhaltet sie die Ermöglichung der Teilnahme und Teilhabe<br />

an der Gesellschaft durch die Förderung der spezifischen kommunikativen Fähigkeiten.<br />

Zentrales Element zur Förderung der Kommunikation ist die intensive Förderung der<br />

Wahrnehmung. Berühren, den Körper spüren, sich in Raum und Zeit orientieren,<br />

Seh- und Hörreste nutzen, Riechen, Schmecken und Fühlen, Lernen also mit allen<br />

verfügbaren Sinnen. Sie gelten als grundlegende Erfahrungen und helfen die vielfältigen<br />

Kommunikationsmittel aufzubauen. Kommunikation ist eben nicht nur Sprache.<br />

Kommunizieren kann man auch mit dem Körper, mit Objekten, mit Gebärden, mit<br />

Zeichnungen und mit Blindenschriften. All dies ist Programm im Alltag der <strong>Tanne</strong>.<br />

Meine Damen und Herren, sie sehen mit diesen wenigen Beispielen, wie wichtig der<br />

Beitrag der <strong>Tanne</strong> in der sonderpädagogischen Landschaft ist. In der <strong>Tanne</strong> leben<br />

und lernen rund 60 Menschen. Sie werden von 1<strong>40</strong> Mitarbeitenden voll- oder teilzeitlich<br />

begleitet und gefördert. Es braucht Sie mit Ihrem hohen fachlichen, sozialen und<br />

persönlichen Wissen und Können. Um mit dem eingangs erwähnten Zitat zu schliessen:<br />

Sie tragen mit Ihrer Arbeit entscheidend dazu bei, dass die Ihnen anvertrauten<br />

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Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in der Entwicklung der Kommunikation diese<br />

als Ausdruck ihrer Persönlichkeit und damit Erfüllung erfahren.<br />

Aus Sicht der Bildungsdirektion meistern Sie Ihren Auftrag und die täglichen Herausforderungen<br />

in qualitativ hoch stehender Art. Dafür möchte ich allen Verantwortlichen<br />

und Beteiligten im Namen der Bildungsdirektion Anerkennung und meinen aufrichtigen<br />

Dank aussprechen.<br />

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