Fach: Pädagogik Erik Erikson GK 12 Erik Erkison - Ploecher.de
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<strong>Fach</strong>: <strong>Pädagogik</strong> <strong>Erik</strong> <strong>Erik</strong>son <strong>GK</strong> <strong>12</strong><br />
Als Reaktion auf die Verzweiflung, beschäftigen sich viele alte<br />
Menschen hauptsächlich nur noch mit <strong>de</strong>r Vergangenheit. Damals<br />
war nämlich alles noch besser als heute. Manche erinnern sich<br />
770 vornehmlich an ihr Versagen, die Fehlentscheidungen, die sie getroffen<br />
hatten; sie bereuen, nun nicht mehr die Zeit o<strong>de</strong>r Energie<br />
zu haben, um ihre Fehler wie<strong>de</strong>r gut zu machen. Einige ältere<br />
Menschen wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>primiert, boshaft, paranoid, hypochondrisch<br />
o<strong>de</strong>r sie entwickeln Anzeichen für Senilität – mit o<strong>de</strong>r ohne physische<br />
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Die Ichintegrität nun be<strong>de</strong>utet, dass man mit seinem Leben ins<br />
Reine und damit auch mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s eigenen Lebens zurecht<br />
kommt. Wenn man in <strong>de</strong>r Lage ist, zurückzuschauen und <strong>de</strong>n Lauf<br />
<strong>de</strong>r Dinge zu akzeptieren, die Entscheidungen, die man getroffen<br />
hat, das eigene Leben, so wie man es gelebt hat, wenn man erkennt,<br />
dass alles notwendig und gut war, dann braucht man <strong>de</strong>n<br />
Tod nicht mehr zu fürchten. Obwohl viele <strong>de</strong>r Leser diesen Punkt<br />
<strong>de</strong>s Lebens noch nicht erreicht haben wer<strong>de</strong>n, ist es vielleicht<br />
möglich, sich in die Situation hineinzuversetzen, in<strong>de</strong>m man das<br />
eigene Leben bis jetzt be<strong>de</strong>nkt. Wir haben alle Fehler gemacht,<br />
manche davon sind sogar ziemlich üble Fehler gewesen; doch<br />
hätten wir genau diese Fehler nicht gemacht, wären wir heute<br />
nicht, wer wir sind. Hätte man immer nur Glück gehabt, o<strong>de</strong>r wäre<br />
man nie Risiken eingegangen, um möglichst keine Fehler zu machen,<br />
dann wäre das eigene Leben längst nicht so reich an Erfahrungen.<br />
Bei einer Fehlanpassung in dieser Phase entsteht eine Neigung zu<br />
Anmaßung (presumption).<br />
Damit ist gemeint, dass eine Person sich Ichintegrität "anmaßt",<br />
ohne sich tatsächlich mit <strong>de</strong>n Schwierigkeiten <strong>de</strong>s Alters auseinan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />
Die malignante Neigung wird als Verachtung<br />
(disdain) bezeichnet, <strong>Erik</strong>son meint damit eine verächtliche Einstellung<br />
<strong>de</strong>m Leben gegenüber – <strong>de</strong>m eigenen Leben o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />
Leben aller Menschen gegenüber.<br />
Wer <strong>de</strong>m Tod ohne Furcht entgegensieht, hat die Stärke erlangt,<br />
die <strong>Erik</strong>som Weisheit (wisdom) nennt. Er bezeichnet es auch als<br />
ein Geschenk für Kin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn<br />
"healthy children will not fear life if their el<strong>de</strong>rs have integrity e-<br />
nough not to fear <strong>de</strong>ath" – gesun<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r fürchten das Leben<br />
nicht, wenn die älteren Menschen um sie herum über genügend<br />
Integrität verfügen, <strong>de</strong>n Tod nicht zu fürchten. Er geht davon aus,<br />
dass ein Mensch eine Gabe haben muss, um wirklich weise zu<br />
sein, doch ich wür<strong>de</strong> eher davon ausgehen, dass man die "Gabe"<br />
allgemeiner als "Möglichkeit" versteht:<br />
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit eher beschei<strong>de</strong>nen<br />
Gaben mir sehr viel beigebracht haben, nicht durch ihre<br />
weisen Worte, son<strong>de</strong>rn vielmehr durch ihren eigenen schlichten<br />
und sanften Zugang zu Leben und Tod, durch ihre geistige Großherzigkeit.<br />
Ich weiß abgesehen von Jean Piaget keinen an<strong>de</strong>ren zu nennen,<br />
<strong>de</strong>r die stufenförmige Entwicklung besser weiterentwickelt hat, als<br />
<strong>Erik</strong> <strong>Erik</strong>son. Und <strong>de</strong>nnoch sind Stufenmo<strong>de</strong>lle bei weitem kein<br />
populäres Konzept unter Persönlichkeitstheoretikern. Von allen<br />
Autoren, die hier vorgestellt wer<strong>de</strong>n, teilen nur Sigmund und Anna<br />
Freud seine Überzeugungen in vollem Umfang.<br />
Die meisten Theoretiker bevorzugen einen graduellen Zugang zur<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Menschen, sie sprechen von "Phasen" o<strong>de</strong>r<br />
"Transitionen" statt von klar umrissenen Stufen.<br />
Allerdings gibt es bestimmte Segmente <strong>de</strong>s Lebens, die recht einfach<br />
zu i<strong>de</strong>ntifizieren sind, die sogar die alle erfor<strong>de</strong>rlichen Qualitäten<br />
aufweisen, um eine biologisch bedingte Zeitangabe zu machen.<br />
Adoleszenz ist "vorprogrammiert" und fin<strong>de</strong>t dann statt,<br />
wenn sie eben stattfin<strong>de</strong>t, wie auch die Geburt und natürlicher<br />
Weise <strong>de</strong>r Tod. Das erste Lebensjahr hat einige bestimmte Fetusähnliche<br />
Qualitäten, ebenso wie das letzte Jahr <strong>de</strong>s Lebens einige<br />
“katastrophale” Qualitäten aufweist.<br />
Wenn wir die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Stufen noch ein wenig weiter aus<strong>de</strong>hnen,<br />
so dass bestimmte logische Abfolgen darin einbezogen<br />
wer<strong>de</strong>n – also Dinge, die in einer bestimmten Reihenfolge ablaufen,<br />
und zwar nicht, weil sie biologisch vorprogrammiert wären,<br />
son<strong>de</strong>rn weil sie an<strong>de</strong>rs keinen Sinn ergeben – dann können wir<br />
eine noch bessere Definition geben:<br />
Die Entwöhnung und das selbständige Aufsuchen <strong>de</strong>r Toilette<br />
müssen vor <strong>de</strong>r Unabhängigkeit von <strong>de</strong>r Mutter erreicht sein, wobei<br />
die Unabhängigkeit wie<strong>de</strong>rum die Voraussetzung für <strong>de</strong>n<br />
Schulbesuch ist; man muss normalerweise sexuell ausgereift sein,<br />
bevor man einen Sexualpartner sucht, normalerweise fin<strong>de</strong>t man<br />
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einen Partner, bevor man Kin<strong>de</strong>r zeugt, und man muss notwendigerweise<br />
Kin<strong>de</strong>r haben, bevor man <strong>de</strong>ren Selbständigkeit genießen<br />
kann!<br />
Und wenn wir die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Stufen noch weiter aus<strong>de</strong>hnen,<br />
so dass auch soziale und biologische "Programmierung" mit eingeschlossen<br />
sind, dann können wir auch Perio<strong>de</strong>n wie Schulausbildung,<br />
Arbeit und Ruhestand mit einbeziehen. Dann ist es kein<br />
schwieriges Unterfangen mehr, sieben o<strong>de</strong>r acht Stufen auszuarbeiten;<br />
doch nun muss man <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Stufen verwen<strong>de</strong>n,<br />
nicht mehr <strong>de</strong>n Begriff "Phasen" o<strong>de</strong>r eine ähnlich vage Ausdrucksweise.<br />
Geht man von <strong>Erik</strong>sons Definiton <strong>de</strong>s Begriffs "Stufen" aus, ist es<br />
wirklich nicht einfach, seine acht-Stufen-Mo<strong>de</strong>ll zu verteidigen. In<br />
verschie<strong>de</strong>nen Kulturen, sogar innerhalb verschie<strong>de</strong>ner Kulturen,<br />
kann das Timing sehr unterschiedlich sein: In manchen Län<strong>de</strong>rn<br />
wer<strong>de</strong>n Babys mit sechs Monaten entwöhnt und lernen mit neun<br />
Monaten aufs Töpfchen zu gehen; in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n<br />
auch fünfjährige Kin<strong>de</strong>r noch gestillt, und statt aufs Töpfchen zu<br />
gehen, müssen sie nur lernen, ihre Notdurft draußen zu verrichten.<br />
Früher wur<strong>de</strong>n Menschen in unserer Kultur im Alter von dreizehn<br />
Jahren verheiratet und hatten mit 15 schon ein Kind. Heute hingegen<br />
neigen wir dazu, die Heirat aufzuschieben, bis wir etwa 30<br />
sind, dann beeilen wir uns, noch vor <strong>de</strong>m 40. Lebensjahr Kin<strong>de</strong>r zu<br />
bekommen. Wir freuen uns darauf, viele Jahre im Ruhestand zu<br />
verbringen; zu an<strong>de</strong>ren Zeiten und an an<strong>de</strong>ren Orten ist so etwas<br />
wie Ruhestand gar nicht bekannt.<br />
Aber trotz<strong>de</strong>m geben <strong>Erik</strong>sons Stufen uns offenbar einen gewissen<br />
Rahmen. So können wir von unserer eigenen Kultur im Vergleich<br />
zu an<strong>de</strong>ren sprechen, o<strong>de</strong>r das Heute mit <strong>de</strong>n Gegebenheiten<br />
vergleichen, die vor einigen Jahrhun<strong>de</strong>rten üblich waren, in<strong>de</strong>m<br />
wir herausfin<strong>de</strong>n, inwieweit wir relativ zum "Standard" seiner<br />
Theorie abweichen. <strong>Erik</strong>son und an<strong>de</strong>re Wissenschaftler haben<br />
herausgefun<strong>de</strong>n, dass das allgemeine Muster kultur- und zeitübergreifend<br />
Bestand hat, und viele von uns erkennen das Muster<br />
wie<strong>de</strong>r. An<strong>de</strong>rs ausgedrückt, spiegelt seine Theorie einen <strong>de</strong>r<br />
wichtigsten Standards <strong>de</strong>r Persönlichkeitstheorie wi<strong>de</strong>r, einen<br />
Standard, <strong>de</strong>r manchmal noch wichtiger ist, als die "Wahrheit": Er<br />
ist nützlich.<br />
Zu<strong>de</strong>m eröffnet er uns Einsicht in Sachverhalte, die uns sonst<br />
nicht klar gewor<strong>de</strong>n wären. Zum Beispiel kann man davon ausgegangen<br />
sein, dass seine acht Stufen eine Serie von Entwicklungsaufgaben<br />
darstellen, <strong>de</strong>nen keine beson<strong>de</strong>re logische Abfolge zugrun<strong>de</strong><br />
liegt. Doch teilt man die Lebensspanne in zwei Abschnitte<br />
mit je vier Stufen, erkennt man ein wirkliches Muster: die eine Hälfte<br />
ist die Kindheitsentwicklung und die an<strong>de</strong>re Hälfte die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>s erwachsenen Menschen.<br />
In Stufe I lernt das Baby, dass "es" (die Welt, beson<strong>de</strong>rs die Welt<br />
repräsentiert von Mama, Papa und <strong>de</strong>m Baby selbst) "okay" ist. In<br />
Stufe II lernt das Kleinkind "Ich kann das tun". Hier-und-Jetzt. In<br />
Stufe III lernt das Vorschulkind "ich kann planen", und entwirft sich<br />
selbst in die Zukunft. In Stufe IV lernt das Schulkind "ich kann diese<br />
Projektionen fertig stellen". In<strong>de</strong>m diese vier Stufen durchlaufen<br />
wer<strong>de</strong>n, entwickelt das Kind ein kompetentes Ego und ist bereit für<br />
die größere Welt.<br />
In <strong>de</strong>r Erwachsenenhälfte <strong>de</strong>s Schemas gehen wir über das Ego<br />
hinaus. In Stufe V geht es darum, wie<strong>de</strong>r etwas wie "es ist okay"<br />
zu erreichen: <strong>de</strong>r Adoleszente muss lernen "Ich bin okay", diese<br />
Schlussfolgerung baut auf die vorangegangenen vier Stufen auf.<br />
In Stufe VI muss <strong>de</strong>r junge Erwachsene lernen, zu lieben, das entspricht<br />
<strong>de</strong>r sozialen Ausprägung von "ich kann das tun" im Hierund-Jetzt.<br />
In Stufe VII muss <strong>de</strong>r Erwachsene lernen, diese Liebe in<br />
die Zukunft hinein auszu<strong>de</strong>hnen, in Form von Kümmern. Und in<br />
Stufe VIII muss <strong>de</strong>r alte Mensch lernen, sich selbst als Ich "fertig<br />
zu stellen" und eine neue und breiter angelegte I<strong>de</strong>ntität aufzubauen.<br />
Wir könnten die zweite Hälfte <strong>de</strong>s Lebens mit einem Ausdruck<br />
von Jung charakterisieren und sagen, in <strong>de</strong>r zweiten Hälfte<br />
<strong>de</strong>s Lebens geht es darum, das eigene Selbst zu erkennen.<br />
<strong>Erik</strong>son-gesamt.doc <strong>Erik</strong> <strong>Erik</strong>son Seite 6 von 6