Noir - - Youth Bank
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Jugendmedientage Baden-Württemberg 2007 in Stuttgart<br />
“We n n alle g e g e n Bu s h s i n d,<br />
d a n n b i n i c h f ü r Bu s h.“<br />
Mit Thees Uhlmann wurde für die Podiumsdiskussion ausgerechnet ein Musiker<br />
eingeladen, dessen Band als explizit unpolitisch wahrgenommen wird. Um zu klären,<br />
warum das so ist, und um festzustellen, ob sich hinter Tomte nicht doch ein<br />
politisch denkender Mensch verbirgt, haben wir mit ihm gesprochen.<br />
Die Jugendmedientage haben sich die<br />
Wiederkehr der politischen Rockmusik<br />
zum Thema gemacht. Sind Tomte eine<br />
politisch motivierte Band?<br />
Auf keinen Fall. Ich bin ein politischer<br />
Mensch – wahrscheinlich politischer als<br />
90 Prozent meiner Generation. Ich würde<br />
Tomte aber nie als politische Band bezeichnen.<br />
Künstler haben ein großes Publikum - ist<br />
es ihre Aufgabe, dieses Forum zu nutzen,<br />
um das Publikum zu beeinflussen?<br />
Nur einem Prozent der Künstler hören<br />
viele Leute zu – 99 Prozent hört niemand<br />
zu. Bono sagt: „Jetzt hört mal auf, die<br />
Bäume abzuschneiden.“ Und dann sagen<br />
alle: „Boa, das stimmt, ist ja schlecht, die<br />
Bäume abzuschneiden.“ Wenn ich in den<br />
ersten acht Jahren von Tomte gesagt hätte,<br />
„Hört mal auf, die Bäume abzuschneiden<br />
... „<br />
Aber was ist mit Künstlern, die den Einfluss<br />
haben?<br />
Das muss jeder mit sich ausmachen. Ich<br />
halte das Publikum, das Tomte hört, für<br />
viel zu intelligent, als dass es sich von halbseidenen<br />
Typen wie mir die Welt erklären<br />
lässt. Auch glaub ich selber nicht an Leute,<br />
die einem die Welt in so kleine Stücke<br />
hauen, dass man die mit seinem kleinstädtischen<br />
Gedächtnis essen kann.<br />
Vor dem Interview hast du ganz beiläufig<br />
einen interessanten Satz fallen gelassen:<br />
“So kriegen wir Deutschland wieder aus<br />
der Scheiße raus.“ In welcher Hinsicht<br />
steckt Deutschland in der Scheiße?<br />
Das ist so ein Scherz. 2001, 2002, als<br />
alles so depressiv war und wir unsere coolen<br />
Jobs bei den Internet-Firmen verloren<br />
haben, da war das so ein gängiger Witz:<br />
„Hey, ich geb mal ein Bier aus“ – „Mit der<br />
Einstellung kriegen wir Deutschland wieder<br />
aus der Scheiße! Schön die Konjunktur<br />
pushen“. Man kann das eigentlich gar<br />
nicht mehr so sagen, weil Deutschland ja<br />
auf einer Welle des Erfolges schwimmt.<br />
Heißt das, dass keine Protestsongs geschrieben<br />
werden, weil es uns zu gut<br />
geht?<br />
Ich glaube, dass es immer ein, zwei Leute<br />
gibt, die in der Lage sind, mit einem Protestsong<br />
das Lebensgefühl einer Generation<br />
zu verändern. Generell aber glaube ich,<br />
dass die Welt viel zu kompliziert und auch<br />
zu aufgeklärt geworden ist, dass wir sowas<br />
wie den klassischen Protestsong einfach<br />
nicht mehr brauchen – wenn die Leute<br />
mehr als drei Gehirnzellen haben.<br />
Ist Tomte vielleicht keine so explizit<br />
politische Band, weil du selbst keine so<br />
starken politischen Meinungen hast?<br />
Gute Frage. Wenn ich Tomte mach’,<br />
hab ich ein Gefühl in mir, das sehr intensiv<br />
ist. In Richtung Liebe, Hass, Neid, Gier,<br />
Wollen-haben, das ist das Allergrößte, das<br />
ich je erlebt habe, das ist so schlecht, hier<br />
gehts nicht mehr weiter – das ist der Impuls,<br />
wo ich anfange, Texte zu schreiben.<br />
Das hat manchmal politische Spitzen, aber<br />
es interessiert mich für die Kunst nicht,<br />
politische Komplexe auszudrücken.<br />
Es ist heute schon fast Mainstream, auf<br />
der Bühne gegen Bush zu wettern. Distanzierst<br />
du dich absichtlich von sowas?<br />
Genau.<br />
Weil das „Indie“ ist?<br />
Nein, das ist eher „Uhlmann“. Ich hab<br />
mal zu meinem Freund Markus Wiebusch<br />
gesagt – wir streiten uns ab und zu über Politik,<br />
weil Wiebusch auch ein alter linker<br />
Haken ist – und da hab ich gesagt: „Weißt<br />
du was, wenn alle gegen George Bush sind,<br />
dann bin ich für George Bush.“<br />
Gestenreich: Thees Uhlmann, Sänger der Band<br />
„Tomte“, diskutierte mit 100 Jugendlichen Medienmachern<br />
über die Wiederkehr der politischen<br />
Musik.<br />
Foto: Fabian Sommer<br />
<strong>Noir</strong> - Sonderausgabe<br />
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