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Die Bedeutung von Verboten Zur Semantik von NegationsZeichen

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<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> <strong>Verboten</strong><br />

<strong>Zur</strong> <strong>Semantik</strong> <strong>von</strong> <strong>NegationsZeichen</strong><br />

Antrittsvorlesung an der geisteswissenschaftlichen Sektion<br />

(alias „Philosophische Fakultät“) der Universität Konstanz<br />

1. Einleitung *<br />

Klaus <strong>von</strong> Heusinger, Universität Konstanz<br />

Verbotszeichen oder graphische Verbote werden immer häufiger gebraucht, und<br />

wir sind mit ihnen in unserem alltäglichen Leben permanent konfrontiert, auch<br />

wenn wir es manchmal nicht wahrnehmen. Sie tauchten nicht nur im Straßenverkehr,<br />

auf Müllcontainern und auf Lebensmittelverpackungen auf, sondern<br />

auch auf Gebrauchsanweisungen und Karten. Sie stehen auf öffentlichen Plätzen,<br />

Parks und an Stränden. Schließlich haben sie in Form <strong>von</strong> „Neologismen“<br />

Einzug in Werbung und Parodie gefunden – was ein gutes Indiz für ihre<br />

Produktivität und „Allgegenwärtigkeit“ ist. Aufgrund der sehr unterschiedlichen<br />

Funktionen dieser „Verbotszeichen“ – oft zeigen sie überhaupt kein Verbot mehr<br />

an – werde ich sie im Folgenden etwas allgemeiner und neutraler mit<br />

„<strong>NegationsZeichen</strong>“ benennen. <strong>Die</strong> Binnengroßschreibung <strong>von</strong> Zeichen in<br />

<strong>NegationsZeichen</strong> folgt ebenfalls einem Trend der letzten Jahre, der unter<br />

anderem in dem Wort oder Begriff BahnCard deutlich wurde – doch die Analyse<br />

der zunehmenden Binnengroßschreibung liefert genügend Material für einen<br />

anderen Vortrag.<br />

* <strong>Die</strong>s ist die leicht überarbeitete Version meiner Antrittsvorlesung vom 8. Mai 2000. Für<br />

interessante Anregungen und die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts möchte ich Benedikt<br />

Grimmler danken. Ferner möchte ich Victor Linnemann, Andreas Kalkbrenner, Andreas<br />

Meßmer, Thilo Dannenmann, Robert Schmaus, Christian Gassner und Benedikt Grimmler für<br />

die aufwendige Bearbeitung, Katalogisierung und elektronische Präsentation <strong>von</strong> <strong>Verboten</strong> und<br />

anderen <strong>NegationsZeichen</strong> danken.


Der Vortrag möchte nun nicht erklären, wieso diese Verbotsschilder dort sind,<br />

wo sie sind, oder weshalb immer neue solche <strong>NegationsZeichen</strong> eingeführt<br />

werden – dies ist eher eine juristische oder soziologische Frage. Ich will vielmehr<br />

darstellen, wie <strong>NegationsZeichen</strong> in ihrer vielfältigen Verwendung zu ihrer<br />

<strong>Bedeutung</strong> kommen. Um diese Frage beantworten zu können, werde ich einen<br />

kleinen Streifzug durch Semiotik und die moderne <strong>Semantik</strong> machen. Obschon<br />

beide Begriffe auf die gleiche griechische Wurzel sêma, shmeion („Zeichen“,<br />

„Kennzeichen“, „Signal“) zurückgehen, bedeuten sie doch unterschiedliche<br />

Dinge: <strong>Die</strong> Semiotik beschäftigt sich mit dem Zeichen allgemein, mit besonderer<br />

Hinsicht auf dessen Form, während die <strong>Semantik</strong> sich mit der <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong><br />

Zeichen, und besonders <strong>von</strong> Sprache beschäftigt. Im Laufe des Vortrages werde<br />

ich einige semantischen Entdeckungen und Betrachtungsweisen vorstellen,<br />

aufgrund derer ich einige sehr vorläufige Gedanken über die <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Verboten</strong> und <strong>von</strong> <strong>NegationsZeichen</strong> im Allgemeinen machen werde.<br />

Gleichzeitig werde ich versuchen, etwas über <strong>Bedeutung</strong>en zu sagen.<br />

<strong>Bedeutung</strong>en sind nicht sichtbar und daher auch nur schwer erfassbar; die<br />

Prinzipien ihrer Organisation sind abstrakt und daher nicht einfach zu vermitteln.<br />

<strong>Die</strong> vielen <strong>NegationsZeichen</strong>, die ich Ihnen heute abend vorstellen werden, sollen<br />

dabei helfen, die abstrakte Struktur der <strong>Bedeutung</strong>en zu veranschaulichen.<br />

Der Vortrag ist folgendermaßen aufgebaut: Im 2. Abschnitt werde ich die<br />

Semiotik oder die Lehre vom Zeichen kurz einführen und an einigen Beispielen<br />

erläutern. Abschnitt 3 behandelt die Negation und die Art und Weise wie<br />

Negation ausgedrückt werden kann. Abschnitt 4 gibt einen kurzen Überblick<br />

über den Aufbau, d.h. die Syntax, <strong>von</strong> Verbotsschildern und <strong>NegationsZeichen</strong>,<br />

während Abschnitt 5 sich mit der <strong>Semantik</strong> dieser Zeichen beschäftigt. Denn<br />

stelle ich die beiden wesentlichen Bereiche der <strong>Semantik</strong> vor: die lexikalische<br />

<strong>Semantik</strong> in Abschnitt 6 und die Satzsemantik oder kompositionelle <strong>Semantik</strong> in<br />

Abschnitt 7. Abschnitt 8 beschäftigt sich dann mit der Nachbardisziplin<br />

Pragmatik und in Abschnitt 9 betrachten wir einige Fällen <strong>von</strong> „doppelter<br />

Negation“. Abschnitt 10 gibt schließlich eine kurze Zusammenfassung.<br />

- 2 -


- 3 -


2. Semiotik oder die Lehre vom Zeichen<br />

2.1 Das semiotische Dreieck<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong>slehre oder <strong>Semantik</strong> ist eine linguistische Teildisziplin; sie wird<br />

jedoch oft auch als Teil der Semiotik („Lehre <strong>von</strong> Zeichen“) verstanden. In der<br />

Semiotik wird ganz allgemein die Beziehung zwischen Zeichen und dem<br />

Bezeichneten untersucht.<br />

Zeichen<br />

- 4 -<br />

Bezeichnetes<br />

Objekt<br />

Referent<br />

<strong>Die</strong> <strong>Semantik</strong> hingegen untersucht die <strong>Bedeutung</strong>en der Zeichen. <strong>Die</strong><br />

<strong>Bedeutung</strong>en sind nicht identisch mit dem Bezeichneten, sondern sind abstrakte<br />

Objekte, manchmal auch „Begriffe“ oder „Konzepte“ genannt. <strong>Die</strong>s kann man<br />

sich am besten am semiotischen Dreieck deutlich machen. <strong>Die</strong>ses dreiteilige<br />

Modell (mit wechselnden Bezeichnungen der Elemente) war schon der Antike<br />

und der mittelalterlichen Scholastik geläufig, wurde aber erst in den 20er Jahren<br />

des 20. Jahrhunderts als „triangle of reference“ oder „the semiotic triangle“<br />

(„Das semiotische Dreieck“) in die neuere Sprachwissenschaft und<br />

Sprachphilosophie eingeführt. Das Zeichen, der Ausdruck oder ein Wort wird mit<br />

einem „Inhalt“, d.h. einer <strong>Bedeutung</strong>, einem Konzept oder einem Begriff<br />

verbunden. <strong>Die</strong>ses Konzept oder der Begriff kann dann mit einem Objekt oder<br />

Referenten assoziiert werden. Damit ist die Relation zwischen Zeichen und<br />

Bezeichneten nicht mehr direkt gegeben, sondern wird über die <strong>Bedeutung</strong> bzw.<br />

den Begriff vermittelt:<br />

Zeichen<br />

Ausdruck<br />

Wort<br />

<strong>Bedeutung</strong><br />

Konzept<br />

Begriff<br />

Bezeichnetes<br />

Objekt<br />

Referent<br />

Während sich die Semiotik vornehmlich mit dem Zeichen als solchen und seiner<br />

Relation zu dem Bezeichneten beschäftigt, untersucht die <strong>Semantik</strong> („<strong>Die</strong> Lehre<br />

<strong>von</strong> der <strong>Bedeutung</strong>“) den Aufbau der <strong>Bedeutung</strong>en aus Teilbedeutungen und die<br />

Beziehungen zwischen unterschiedlichen <strong>Bedeutung</strong>en (siehe Abschnitte 5-7):


Zeichen<br />

Ausdruck<br />

Wort<br />

<strong>Bedeutung</strong><br />

Konzept<br />

Begriff<br />

Untersuchungsbereich der Semiotik<br />

2.2 Welche Arten <strong>von</strong> Zeichen gibt es?<br />

Untersuchungsbereich<br />

der <strong>Semantik</strong><br />

- 5 -<br />

Bezeichnetes<br />

Objekt<br />

Referent<br />

In der Semiotik werden drei Grundarten <strong>von</strong> Zeichen unterschieden, die sich in<br />

der Art, wie sie sich auf das bezeichnete Objekt beziehen, unterscheiden: die<br />

Ikone, der Index und das Symbol.<br />

<strong>Die</strong>se Unterscheidung wurde <strong>von</strong> dem Philosophen Charles Sanders Peirce<br />

(1839-1914) eingeführt. Sie hat primär mit der Relation zwischen Zeichen und<br />

Bezeichnetem zu tun, und nicht mit der <strong>von</strong> Zeichen zu <strong>Bedeutung</strong> oder<br />

<strong>Bedeutung</strong> zu Bezeichnetem. Der Unterschied zwischen diesen unterschiedlichen<br />

Arten <strong>von</strong> Zeichen wir im folgenden an Warnschildern illustriert.<br />

2.2.1. Ikone<br />

Ikonen (auch: „Ideogramme“ oder „Piktogramme“) haben eine abbildende<br />

Funktion, d.h. sie haben typische Eigenschaften oder Charakteristika der Objekte,<br />

die sie bezeichnen. So bezeichnen die beiden folgenden Warnhinweise eine<br />

Fräswelle und herabfallende Objekte – Entsprechend warnen sie: „Vorsicht<br />

Fräswelle!“ und „Vorsicht herabfallende Objekte!“<br />

2.2.2. Index<br />

Indizes (auch „Anzeichen“) stellen nur eine indirekte Beziehung zu den<br />

Eigenschaften oder Charakteristika der Objekte dar, die sie bezeichnen. Oft<br />

handelt es sich hier um eine kausale Beziehung: „Wenn du das trinkst, dann<br />

stirbst du und wirst so aussehen wie der Totenschädel!“, „<strong>Die</strong>ses Material kann


leicht zu einem Feuer führen!“ oder „Achtung, Magnetismus (sowie er <strong>von</strong><br />

einem einfachen Hufmagneten erzeugt wird)!“ usw. Teilweise haben Indizes auch<br />

die Funktion <strong>von</strong> „Eselsbrücken“, die eine möglichst gute Einprägung des<br />

Zeichens ermöglichen sollen. Der Unterschied zwischen Ikonen und Indizes ist<br />

nicht immer ganz klar zu ziehen – es hängt da<strong>von</strong> ab, welche Eigenschaften als<br />

charakteristisch für das jeweilige Objekt angenommen werden und welche<br />

Eigenschaften „nur“ mit dem Objekt assoziiert werden können.<br />

2.2.3. Symbol<br />

Symbole sind Zeichen, die eine rein zufällige und daher konventionell festgelegte<br />

Beziehung zu dem Bezeichneten haben. Hierzu gehören die meisten Wörter: Sie<br />

bezeichnen ihre Objekte aufgrund einer „Vereinbarung“, die in der Sprachgemeinschaft<br />

stillschweigend akzeptiert wird und <strong>von</strong> neuen Sprachteilnehmern<br />

und -teilnehmerinnen gelernt werden muss. So bedeutet das Ausrufezeichen „!“<br />

ganz allgemein „Achtung“ während das „x“ in dem Warnschild auf eine Gefahr<br />

hinweist. <strong>Die</strong> ineinandergreifenden Halbkreise in dem dritten Warnschild stehen<br />

für „biologische Gefährdungen“:<br />

2.2.4 DIN-Vorschriften<br />

Bei Verkehrszeichen und „offiziellen“ Schildern ist die Konvention schriftlich<br />

verfasst und niedergelegt, nämlich in der Deutschen Industrienorm (DIN):<br />

- 6 -


Bei Wörtern im Deutschen verhält sich dies etwas anders. <strong>Die</strong> meisten deutschen<br />

Grammatiken und Wörterbücher verstehen sich nicht als präskriptiv, sondern als<br />

deskriptiv, d.h. sie folgen dem allgemeinen Sprachgebrauch. So können sie die<br />

Veränderung <strong>von</strong> Form und Inhalt unserer Wörter erfassen. Und das ist auch gut<br />

so; denn eine Sprache ist dynamisch und ändert sich durch den Gebrauch<br />

ständig, was sie wiederum so lebendig und interessant macht. Verbotsschilder und<br />

<strong>NegationsZeichen</strong> im allgemeinen, die nicht den DIN-Normen unterliegen, zeigen<br />

ebenfalls eine gewisse Entwicklung und Variation in ihrer <strong>Bedeutung</strong>. Teilweise<br />

werden sie sogar „falsch“ oder zumindest gegen die ursprünglichen Regeln<br />

gebraucht, wie im Folgenden noch gezeigt werden soll.<br />

2.3 Distinktive Merkmale in den Zeichen<br />

Zeichen können eine Sache nur dann eindeutig bezeichnen, wenn sie selbst<br />

eindeutig zu erkennen sind. Somit stellt sich eine erste Anforderung an die Gestalt<br />

der Zeichen, die nichts mit dem Inhalt, sondern nur mit der Erkennbarkeit oder<br />

Distinktivität der Zeichen zu tun hat.<br />

Klar erkennbar ist ein Zeichen,<br />

wenn es in einem oder mehreren<br />

Merkmalen sich deutlich <strong>von</strong><br />

anderen Zeichen unterscheidet.<br />

<strong>Die</strong>s lässt sich ebenfalls an Verkehrsschildern<br />

deutlich machen.<br />

Es wird hier zwischen Verbots-,<br />

Gebots- und Warnschildern unterschieden<br />

(vgl. Abbildung 1):<br />

- 7 -


<strong>Die</strong> distinktiven („unterscheidbaren“) Merkmale <strong>von</strong> diesen Schildergruppen<br />

lassen sich folgendermaßen beschreiben:<br />

• Verbotsschilder sind immer rund und rot.<br />

• Gebotsschilder sind immer rund und blau.<br />

• Warnschilder sind immer dreieckig und rot oder gelb.<br />

Form und Farbe haben nichts mit den natürlichen Eigenschaften <strong>von</strong> <strong>Verboten</strong>,<br />

Geboten oder Warnungen zu tun, d.h. es sind konventionelle Festlegungen und<br />

damit rein symbolischer Natur. Wir können nun die distinktiven Merkmale in eine<br />

Tabelle eintragen – vgl. auch Abbildung 1:<br />

Form / Farbe rot gelb blau<br />

rund Verbot -- Gebot<br />

dreieckig Warnung Warnung --<br />

Aufgrund dieser Tabelle, die eine Vereinfachung der Abbildung 1 ist, lassen sich<br />

folgende Kontraste ablesen:<br />

• Verbote und Gebote kontrastieren in der Farbe.<br />

• Verbote und Warnungen kontrastieren in Form.<br />

• Gebote und Warnungen kontrastieren in Form und Farbe.<br />

Warnschilder können sowohl als rote Dreiecke wie auch als gelbe Dreiecke<br />

dargestellt werden, d.h. die Farbe (rot vs. gelb) spielt keine Rolle. Man spricht<br />

daher auch da<strong>von</strong>, dass der Kontrast rot vs. gelb neutralisiert ist.<br />

So wie wir hier die Form- oder Ausdrucksseite der Verkehrsschilder nach dem<br />

semiotischen Kriterium der Distinktivität unterschieden haben, können wir auch<br />

die Formseite unserer Wörter durch distinktive Merkmale beschreiben. So<br />

unterscheidet sich rot <strong>von</strong> tot nur in dem r, und tot unterscheidet sich <strong>von</strong> tat nur<br />

in dem a (ich gehe hier nicht weiter in die linguistische Terminologie und<br />

diskutiere auch nicht den Unterschied zwischen den Graphemen, Phonemen und<br />

Phonen):<br />

–o– –a– –u–<br />

t tot tat tut<br />

r rot rat ru(h)t<br />

- 8 -


3. Negation und Negationsträger<br />

3.1 Negation in der Sprache?<br />

Natürliche Sprachen unterscheiden sich <strong>von</strong> anderen Zeichensystemen in einer<br />

Reihe <strong>von</strong> wichtigen Aspekten. Dazu gehört besonders, dass natürliche Sprache<br />

über sich selbst Aussagen machen kann und dass sie zur Negation fähig ist. <strong>Die</strong><br />

Negation scheint gerade eines der universalen Bestandteile einer jeden natürlichen<br />

Sprache zu sein. Andere semiotische Systeme können keine Negation<br />

ausdrücken: So liefert z.B. die DNA die Information, um bestimmte Proteine<br />

aufzubauen, sie enthält aber keine Information, keine Proteine aufzubauen. Bienen<br />

können zwar mitteilen. in welchen Winkel und wieweit eine Futterquelle ist, sie<br />

können aber nicht mitteilen, in welchem Winkel und wieweit keine Futterquelle<br />

ist. Dass es sich bei der Negation um eine komplexe Operation handelt, wird<br />

bereits durch eine einfache Überlegung klar: Wir müssen eine Sache oder einen<br />

Sachverhalt zunächst beschreiben oder nennen, bevor wir ihn verbieten oder<br />

negieren können. Eine solche Operation kann nur in einem rein symbolischen<br />

Zeichensystem vorkommen, wie z.B. in den natürlichen Sprachen. Hier<br />

betrachten wir sprachliche Mittel, Negation auf unterschiedlichen sprachlichen<br />

Ebenen auszudrücken:<br />

auf der Ebene des<br />

Wortes<br />

auf der Ebene des<br />

Satzes<br />

auf der Ebene des<br />

Sprechaktes<br />

ungesüßt, arbeitslos, apolitisch, unsympathisch,<br />

glutenfrei<br />

Es regnet nicht.<br />

Ich habe keine Hunde gesehen.<br />

Ich rauche niemals Havanna Zigarren.<br />

Es ist verboten, zu rauchen.<br />

Es ist nicht der Fall, dass alle Verbotsschilder<br />

ein Verbot ausdrücken.<br />

Verbote gehören wie Aussagen, Fragen und Bitten zu den Sprechakten. Wir<br />

werden aber noch sehen, dass der graphische Träger für das Verbot auch in<br />

anderen Zusammenhängen als Negationsträger vorkommt.<br />

- 9 -


3.2 Unterschiedliche Negationsträger – Distinktive Merkmale<br />

Obschon wir normalerweise Verbotsschilder sofort erkennen, ist es schwierig, ein<br />

eindeutiges Kriterium für den Negationsträger zu finden. Üblicherweise sind<br />

Verbote mit einem roten Kreis und optional mit einer Negationsdiagonale <strong>von</strong><br />

links oben nach rechts unten oder <strong>von</strong> links unten nach rechts oben oder einem<br />

Negationskreuz dargestellt. Verbote können aber auch ohne den Kreis und in<br />

diversen Farben auftauchen. Typisch ist auch die Darstellung in einem Quadrat<br />

mit einem Querstrich. Damit scheint es kein einziges distinktives Merkmal für den<br />

Negationsträger bei <strong>Verboten</strong> zu geben. Verbote sind damit stärker kontextabhängig<br />

als man dies zunächst annehmen möchte. <strong>Die</strong>s zeigt sich z.B. daran,<br />

dass ein blaues Quadrat mit einem Querstrich gerade kein Verbotszeichen,<br />

sondern das Logo der Deutschen Bank darstellt. (siehe Abbildung 2).<br />

3.3 Wie werden Negationen sprachlich realisiert<br />

Es gibt eine Reihe sprachlicher Ausdrücke im Deutschen, um eine Negation<br />

auszudrücken. <strong>Die</strong>se Negation kann auf der Ebene des Sprechakts (Verbot), eines<br />

Satzes oder aber auf der Ebene des Wortes ausgedrückt werden. Im Allgemeinen<br />

wird die Negation mit Wörtern oder Morphemen ausgedrückt. Doch auch<br />

<strong>Bedeutung</strong>sbestandteile <strong>von</strong> Wörtern können eine Negation ausdrücken. So ist in<br />

dem Wort abstellen ein negativer Anteil, nämlich derjenige, der ausdrückt, dass<br />

eine Handlung beendet wird und damit nicht mehr besteht.<br />

Ebene Negationsträger<br />

- 10 -<br />

Negations-<br />

Zeichen<br />

<strong>Bedeutung</strong> oder<br />

„Übersetzung“


auf der Ebene des<br />

Sprechaktes<br />

auf der Ebene des<br />

Satzes<br />

Auf der Ebene eines<br />

Syntagmas<br />

(syntaktische Verbindung<br />

<strong>von</strong> Wörtern)<br />

auf der Ebene des<br />

Wortes<br />

<strong>Bedeutung</strong>steil eines<br />

Wortes<br />

idiosynkratische<br />

Wendungen<br />

träger Zeichen „Übersetzung“<br />

verboten Es ist verboten, zu<br />

rauchen.<br />

Rauchen verboten<br />

kein<br />

nicht<br />

- 11 -<br />

Keine Hunde<br />

erlaubt.<br />

Hunde nicht<br />

erlaubt<br />

Ende Ende der<br />

Spielstraße<br />

ohne<br />

-frei<br />

nuklearfreie Zone<br />

abstellen Motor abstellen<br />

(indirekt: „Bitte<br />

den Schlüssel nicht<br />

benutzen“ ==><br />

„Motor läuft<br />

nicht“)<br />

Schnellspannfutter<br />

(eines Bohrers)<br />

(indirekt: „kein<br />

Werkzeug notwendig“)


4. Syntax <strong>von</strong> <strong>NegationsZeichen</strong><br />

Wir haben zwischen der Form eines Zeichens und seinem Inhalt unterschieden.<br />

Für die Form und die Konstruktion komplexer Formen aus einfachen gelten<br />

syntaktische Regeln, während der Inhalt und die Komposition des Inhalts in der<br />

<strong>Semantik</strong> behandelt wird. Betrachten wir also zunächst die syntaktische Seite <strong>von</strong><br />

<strong>NegationsZeichen</strong>.<br />

4.1 <strong>Die</strong> Formelemente<br />

Woraus besteht ein <strong>NegationsZeichen</strong> und wie werden die einzelnen Elemente<br />

kombiniert? Wir hatten bereits gesehen, dass eine Negation nicht für sich alleine<br />

stehen kann, sondern immer etwas braucht, das sie negiert: die Basis.<br />

Entsprechend kann der Negationsträger nicht allein stehen, sondern muss mit<br />

einem weiteren Zeichen kombiniert werden, dessen Inhalt negiert wird. Bei der<br />

Basis handelt es sich oft um eine Ikone (Ideogramm oder auch Piktogramm); es<br />

kann aber auch mit einem Index (Anzeichen) oder sogar mit Text kombiniert<br />

werden. Somit können wir folgende einfach syntaktische Regel aufstellen (siehe<br />

auch Abbildung 3 für die Farben):<br />

Negationsträger Basis Verbot oder<br />

<strong>NegationsZeichen</strong><br />

+ =<br />

+ =<br />

Ähnliche Bedingungen finden wir auch für die Negationsträger im Deutschen. Es<br />

ist bei den Beispielen jeweils noch ein „ungrammatisches“ Beispiel angegeben,<br />

d.h. ein Beispiel, das nicht nach den Regeln des Deutschen gebildet worden ist<br />

(ungrammatische Ausdrücke werden mit „*“ markiert.):<br />

- 12 -


Negationsträger<br />

Regel Beispiele<br />

verboten kombiniert mit Nebensatz Es ist verboten zu rauchen.<br />

*Zu rauchen ist es verboten.<br />

nicht, nie, Satzadverbial Es regnet nicht.<br />

niemals<br />

*Es nicht regnet.<br />

kein Determinator; kombiniert Keine schwarzen Hunde erlaubt.<br />

mit NP<br />

*Schwarze keine Hunde erlaubt<br />

ohne Präposition; kombiniert mit ohne weißen Zucker<br />

DP<br />

*weißen ohne Zucker<br />

un- Präfix; kombiniert mit unbrauchbar, Unzucht<br />

Adjektiven und Substantiven *unbrauchen, *unziehen<br />

4.2 <strong>Die</strong> Anordnung der Formen – syntaktischer Skopus<br />

Wie wird das <strong>NegationsZeichen</strong> mit dem Zeichen oder den Zeichen kombiniert,<br />

die es negiert?<br />

Bei den meisten graphischen Negationsträger bietet es sich an, dass der<br />

Negationsträger den Bereich überdeckt, den er negiert oder auf den er angewendet<br />

wird. Man sprich hier auch <strong>von</strong> dem Skopus der Negation.<br />

Der Skopus der Negation im Deutschen lässt sich nicht wie in den graphischen<br />

Beispielen mit einer Überdeckung des Bereichs realisieren. Oft wird er jedoch<br />

durch die lineare Abfolge angedeutet, wie in dem Kontrast zwischen (1) und (2).<br />

Hier gehört der Teil rechts vom dem Negationsträger nicht zum Skopus, der<br />

Bereich links jedoch nicht. Doch ist es auch möglich, den Skopus des<br />

Negationsträgers durch die Intonation anzudeuten, wie in (3), wo die betonten<br />

Wörter in Kapitälchen gesetzt sind. Der Skopus lässt sich durch eine Paraphrase<br />

deutlich machen, in der der Negationsträger als der Satz es ist nicht der Fall,<br />

dass und das Adverb zufälligerweise als der Satz Es war Zufall, dass realisiert<br />

werden:<br />

- 13 -


(1) Nicht zufälligerweise stachen Peter viele Mücken.<br />

(1a) Nicht [zufälligerweise stachen Peter viele Mücken].<br />

(1b) Es ist nicht der Fall, [dass es ein Zufall war, dass es viele Mücken<br />

gab, die Peter stachen].<br />

(2) Zufälligerweise stachen Peter nicht [Viele Mücken].<br />

(2a) Zufälligerweise stachen Peter nicht [Viele Mücken].<br />

(2b) Es war ein Zufall war, dass es nicht der Fall war, [dass es viele<br />

Mücken gab, die Peter stachen].<br />

(3) Zufälligerweise stachen Peter Viele Mücken nicht .<br />

(3a) Zufälligerweise stachen Peter [VIELE MÜCKEN] nicht.<br />

(3b) Es war ein Zufall war, dass es nicht der Fall war, [dass es viele<br />

Mücken gab, die Peter stachen].<br />

4.3 Der Fokus der Negation<br />

<strong>Die</strong> Negation besteht aus einem Negationsträger, einem Bereich über den die<br />

Negation ausgesprochen ist und einem Teil, der in besonderer Weise <strong>von</strong> der<br />

Negation betroffen wird: dem Fokus der Negation. In der graphischen<br />

Darstellung unserer Verbotsschilder wird dies manchmal damit deutlich gemacht,<br />

dass der in besonderer Weise negierte Teil extra markiert ist. Der Fokus kann<br />

auch durch den zusätzlichen Einsatz der Farbe Rot dargestellt werden: So ist auf<br />

Überholverboten der (potentielle) Überholer in Rot dargestellt. Der Fokus wird<br />

aber auch durch ein rotes Kreuz auf dem Bereich bezeichnet, der <strong>von</strong> dem<br />

Verbot besonders betroffen ist („an dieser Maschine nur eine Person“). Eine<br />

weitere Möglichkeit ist in dem türkischen Überholverbot angegeben, in dem der<br />

Negationsstrich über dem verbotenen Gegenstand angeordnet ist (Sie auch<br />

Abbildung 4):<br />

Während in den beiden deutschen Überholverboten die Markierung des Fokus<br />

unabhängig <strong>von</strong> dem Negationsträger ist (der durch den runden roten Kreis<br />

- 14 -


dargestellt ist), ist das bei dem Verbot der zweiten Person nicht so klar – hier<br />

kann das rote Kreuz entweder als zusätzliches Fokusmerkmal (wie die roten<br />

Autos in den deutschen Verbotsschildern) aufgefasst werden, oder als Teil des<br />

Verbotsträgers. Der Fall des türkischen Überholverbotes hingegen ist klar – hier<br />

gehört der rote Strich eindeutig zu dem Negationsträger.<br />

<strong>Die</strong> folgenden Beispiele sind ebenfalls interessant, da sie wiederum anderen<br />

Prinzipien folgen: Während das Rauchverbot ähnlich aufgebaut ist wie das Verbot<br />

der zweiten Person, ist das Verbot, eine Granate anzufassen (ein Schild aus den<br />

Schweizer Alpen) allein durch das Negationskreuz über der Hand ausgedrückt.<br />

Ebenso ist das Verbot der „Hundehaufen“ (eigentlich: das Liegenlassen <strong>von</strong><br />

Hundehaufen) durch ein kleines rotes Kreuz über dem verbotenen Produkt<br />

ausgedrückt. Doch ist hier durch die insgesamte Rotfärbung der Basis bereits das<br />

Verbot insgesamt angekündigt. <strong>Die</strong> roteingefärbte Leine (siehe Abbildung 5) in<br />

dem letzten Schild deutet nicht auf ein Verbot hin – das Anleinen <strong>von</strong> Hunden<br />

soll ja nicht verboten werden – sondern auf ein Gebot: „Hunde (bitte) anleinen“.<br />

Hier ist die Leine sicherlich der Fokus („nur mit Leine“), doch das ganze Schild<br />

ist eher ein Gebotsschild.<br />

Sprachlich wird der Fokus meist durch die Intonation markiert, d.h. der Fokus<br />

erhält den Hauptakzent in dem Satz, was hier jeweils mit Kapitälchen markiert<br />

wird. So hat in (4) und (5) die Negation zwar den gleichen Skopus die Mutter<br />

<strong>von</strong> Gert benachrichtigt, d.h. in beiden Sätzen ist der Bereich identisch, auf den<br />

die Negation wirkt. <strong>Die</strong> beiden Sätze unterscheiden sich aber in dem Fokus, d.h.<br />

in dem Bereich der in besonderer Weise <strong>von</strong> der Negation betroffen ist – das lässt<br />

sich meist mit den jeweiligen Alternativen illustrieren: In (4) ist Mutter der Fokus<br />

und wird somit zurückgewiesen, wohin eine entsprechende Alternative zu Mutter,<br />

wie z.B. Vater, durchaus eingesetzt werden könnte. In (5) hingegen ist Gert<br />

fokussiert, d.h. dass hier negiert wird, dass Gerts Mutter benachrichtigt wurde,<br />

wohingegen jedoch die Mutter <strong>von</strong> einer Alternative <strong>von</strong> Gert benachrichtigt<br />

worden ist – z.B. die Mutter <strong>von</strong> Hans. Damit sorgt die Stellung und die<br />

Intonation für die richtige Zuordnung <strong>von</strong> Skopus und Fokus zur Negation.<br />

- 15 -


(4) Peter hat nicht [die MUTTER <strong>von</strong> Gert benachrichtigt.]<br />

(4a) Peter hat nicht [die MUTTER <strong>von</strong> Gert benachrichtigt], sondern den<br />

VATER <strong>von</strong> Gert.<br />

(5) Peter hat nicht [die Mutter <strong>von</strong> GERT benachrichtigt].<br />

(5a) Peter hat nicht [die Mutter <strong>von</strong> GERT benachrichtigt], sondern die<br />

Mutter <strong>von</strong> HANS.<br />

Sowohl syntaktische Anordnung wie auch intonatorische Prominenz sind nicht<br />

immer eindeutig, wie bereits in Beispiel (3) diskutiert. So kann z.B. die Betonung<br />

<strong>von</strong> Gert in (6) zwei unterschiedliche Foki ausdrücken. In (6a) (wie (5a)) wird nur<br />

der Eigenname Gert fokussiert und semantisch zu anderen Eigennamen in<br />

Alternative gesetzt. Doch kann die Betonung <strong>von</strong> Gert auch einen „weiten<br />

Fokus“ auf die Mutter <strong>von</strong> Gert markieren, der dann in Alternative z.B. dem<br />

Vater <strong>von</strong> Hans oder zu Luise steht. Phonologische Regeln bestimmen für solche<br />

längeren Phrasen den Hauptakzent, der in diesem Fall auf das letzte Wort in der<br />

fokussierten Phrase gefallen ist. <strong>Die</strong> Zuordnung eines Fokus zu einem<br />

intonatorisch prominenten Wort ist jedoch nicht trivial und Gegenstand der<br />

Intonationsforschung.<br />

(6) Peter hat nicht [ die Mutter <strong>von</strong> GERT benachrichtigt].<br />

(6a) Peter hat nicht [die Mutter <strong>von</strong> {GERT} benachrichtigt], sondern die<br />

Mutter <strong>von</strong> HANS.<br />

(6b) Peter hat nicht {die Mutter <strong>von</strong> GERT} benachrichtigt, sondern<br />

Luise.<br />

5. <strong>Semantik</strong> (<strong>Bedeutung</strong>slehre)<br />

Bisher haben wir untersucht, wie die Form <strong>von</strong> Zeichen aufgebaut sind und wie<br />

sie syntaktisch kombiniert werden können. Dem entspricht die syntaktische<br />

(manchmal auch „grammatisch“ genannte) Zusammenfügung der Wörter zu<br />

Sätzen. In diesem Abschnitt kommen wir nun zu der <strong>Bedeutung</strong>, die jedes<br />

Zeichen oder Wort besitzt. Dabei unterscheiden wir im allgemeinen zwischen der<br />

lexikalischen oder Wortbedeutung und der kompositionalen oder Satzbedeutung.<br />

In der lexikalischen <strong>Semantik</strong> wird untersucht, was die <strong>Bedeutung</strong> eines einfachen<br />

Ausdrucks ist, während in der kompositionalen oder Satzsemantik die Prinzipien<br />

der Zusammenfügung <strong>von</strong> einzelnen <strong>Bedeutung</strong>en zu größeren Komplexen<br />

beschrieben wird. Bevor wir diese beiden Aspekte der <strong>Semantik</strong> in den nächsten<br />

beiden Abschnitten genauer untersuchen, soll hier eine Bemerkung zur<br />

- 16 -


historischen <strong>Semantik</strong> gemacht werden – d.h. zu dem Bereich, der sich mit der<br />

Veränderung der <strong>Bedeutung</strong> durch die Zeit beschäftigt.<br />

5.1 Historische Entwicklung <strong>von</strong> Negationsträgern<br />

Es gibt eine lange Tradition der Beschreibung der <strong>Bedeutung</strong>sveränderung und<br />

besonders der „<strong>Bedeutung</strong>s-„abschwächung“ <strong>von</strong> Negationselementen in<br />

natürlichen Sprachen. Hier soll nun eine „<strong>Bedeutung</strong>sveränderung“ des<br />

Negationsträgers auf Diskettenhüllen vorgestellt werden. Wir können dabei vier<br />

Stufen unterscheiden:<br />

1. Der Negationsträger, hier der Kreis mit dem diagonalen Negationsstrich,<br />

umfasst die gesamte zu negierende Aktion. In anderen Worten, der Skopus und<br />

der Fokus liegt innerhalb des graphischen Negationsträgers.<br />

2. Der Negationsträger, hier das Negationskreuz, umfasst oder überschreibt<br />

graphisch nur noch einen Teil der gesamten Handlung – man kann an dieser<br />

Stelle noch nicht einmal da<strong>von</strong> sprechen, dass nur der Fokus besonders<br />

gekennzeichnet ist, da der Fokus der Negation hier wohl eher auf den Händen,<br />

die eineDiskette verbiegen können, oder auf dem Magneten liegt.<br />

3. Der Negationsträger umfasst überhaupt nichts mehr <strong>von</strong> der Basis – er steht<br />

vielmehr am Rande der Basis und drückt einfach nur eine Negation der Handlung<br />

- 17 -


aus, die mit der Basis ausgedrückt wird. <strong>Die</strong> graphische Negation steht hier<br />

ähnlich wie die sprachliche Negation vor den negierten Zeichen. Man könnte für<br />

die rechte Darstellung sogar annehmen, dass der Fokus hier auch durch den<br />

großen Stern (für Aufprall) ausgedrückt ist.<br />

4. Der Negationsträger drückt überhaupt keine Negation mehr aus, sondern<br />

entweder eine Art Warnung, oder aber er deutet einfach nur den Skopus für<br />

diese Warnung aus. Hier kann der Negationskreis in Kontrast zu dem<br />

Negationskreis mit der Diagonalen gesehen werden – in diesem Kontrast wird<br />

dann nur die Diagonale als Negationsträger verstanden, wohingegen der Kreis als<br />

Markierung des Skopus aufgefasst werden kann.<br />

An diesen wenigen Beispielen wird bereits deutlich, dass <strong>NegationsZeichen</strong> oft<br />

nicht als klare Verbote aufzufassen sind, sondern vielmehr als Illustrationen für<br />

Anweisungen oder Empfehlungen für die Handhabung <strong>von</strong> Objekten. <strong>Die</strong> unten<br />

aufgeführten Beispiele sind aus dem „Hilfeprogramm“ für ein Computersystem.<br />

Links mit den jeweiligen textuellen Anweisungen oder Empfehlungen, die ich<br />

rechts aus Platzgründen weggeschnitten habe. Sehr komplexe Anweisungen<br />

lassen sich jedoch oft nicht in ein einfaches <strong>NegationsZeichen</strong> übertragen, wie die<br />

- 18 -


eiden unten aufgeführten Anweisungen illustrieren, die keine graphische<br />

Äquivalenz erhalten haben:<br />

- 19 -


6. Lexikalische <strong>Semantik</strong><br />

6.1 Inhaltswörter vs. Formwörter<br />

Wenn wir den Wörtern unserer Sprache ein <strong>Bedeutung</strong> zuordnen wollen, so fällt<br />

sehr schnell auf, dass dies bei einigen Wortklassen wesentlich einfacher geht als<br />

bei anderen. Traditionell wird daher zwischen „Inhaltswörtern“ und<br />

„Formwörtern“ unterschieden. Inhaltswörter haben eine lexikalische <strong>Bedeutung</strong>,<br />

während Formwörter eine strukturelle oder grammatische <strong>Bedeutung</strong> haben. Zu<br />

den Inhaltswörtern gehören die Hauptklassen Substantive, Adjektive, Verben und<br />

Adverbien. Zu den Formwörtern oder grammatischen Wörtern gehören alle<br />

anderen Wörter wie Konjunktionen, Präpositionen, Artikel, Quantoren,<br />

Pronomen, Satzoperatoren etc.<br />

Inhaltswörter Formwörter<br />

Lexikalische <strong>Bedeutung</strong> strukturelle <strong>Bedeutung</strong><br />

Substantive<br />

Artikel (der, die, das, ein)<br />

Adjektive<br />

Konjunktionen (und, oder)<br />

Verben<br />

Präpositionen (über, unter, auf)<br />

Adverbien<br />

Quantoren (alle, jeder, einige)<br />

Satzoperatoren (nicht, immer)<br />

Der Kontrast zwischen Inhaltswörtern und Formwörtern wird auch dadurch<br />

illustriert, dass sich Inhaltswörter eher durch ikonische Zeichen darstellen lassen<br />

als Funktionswörter:<br />

Grammatische Kategorie graphische Darstellung (Beispiel)<br />

Substantive: Gegenstände<br />

(Hunde, Touristen etc.)<br />

Adjektive: Qualitäten<br />

(klein – groß)<br />

- 20 -


Verben: Tätigkeiten<br />

(sprechen, füttern, rodeln)<br />

Adverbien: Modalitäten bisher noch keine guten Beispiele<br />

gefunden<br />

Funktionswörter<br />

meist mit Pfeilen oder mathematischen<br />

Satzverbindungen (und, wenn dann) Symbolen<br />

Lassen sich nun die Inhalte der <strong>Bedeutung</strong>en noch weiter analysieren? Dazu gibt<br />

es unterschiedliche Ansätze. Im Folgenden soll die Merkmalstheorie und die<br />

Prototypentheorie kurz vorgestellt werden.<br />

6.2 Strukturalistische Merkmalstheorien<br />

In den strukturalistischen Merkmalstheorien wird da<strong>von</strong> ausgegangen, dass sich<br />

die <strong>Bedeutung</strong>en unserer Wörter ähnlich wie ihre Formseite mit Merkmalen<br />

beschreiben lassen, die in einem Kontrast zueinander stehen. Jede <strong>Bedeutung</strong><br />

setzt sich aus einer Reihe <strong>von</strong> Merkmalen zusammen, und unterschiedliche<br />

<strong>Bedeutung</strong>en lassen sich oft dadurch beschreiben, dass man angibt, welche<br />

Merkmale sie gemeinsam haben und in welchen Merkmalen sie kontrastieren. So<br />

wird die <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> Mann zerlegt in [+männlich, +erwachsen] während die<br />

<strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> Junge in [+männlich, -erwachsen] zerlegt wird.<br />

<strong>Die</strong>se Theorie ist besonders hilfreich, wenn man sich überlegt, was mit der<br />

Negation negiert wird. Oft werden nämlich nur einzelne Merkmale negiert. So<br />

lassen sich im folgenden die Basen in komplexe Merkmale zerlegen, <strong>von</strong> denen<br />

jeweils nur ein Merkmal negiert wird (hier fett dargestellt):<br />

[+menschlich<br />

+klein]<br />

[+menschlich<br />

+leicht bekleidet]<br />

- 21 -<br />

[+ Kopfbedeckung<br />

+ männlicher Träger]


6.3 Prototypentheorie<br />

<strong>Die</strong> Merkmalstheorie ist in der 60er Jahre auf heftige Kritik gestoßen. Es wurde<br />

argumentiert, dass sich viele <strong>Bedeutung</strong>en nicht in ±Merkmale zerlegen lassen,<br />

sondern das <strong>Bedeutung</strong>en ganz anders aufgebaut seien. So entspricht die<br />

<strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> Hund nicht der Summe <strong>von</strong> bestimmten Merkmalen, sondern die<br />

<strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> Hund ist ein prototypischer Hund sowie einer Regel, nach der alle<br />

ähnlichen Objekte ebenfalls Hunde sind. <strong>Die</strong>se Theorie wird als<br />

„Prototypentheorie“ bezeichnet. Im Gegensatz zur sprachlichen Realisierung <strong>von</strong><br />

„Hunde verboten“ oder „Keine Hunde“ wirft die graphische Darstellung gewisse<br />

Probleme auf, da nicht klar ist, ob hier der Prototyp negiert wird oder nur eine<br />

bestimmte Eigenschaft (keine Dackel, keine dunklen Hunde, keine Schäferhunde<br />

etc.). Doch diese Aspekte sind bisher noch überhaupt nicht untersucht worden.<br />

Schließlich kann man sich auch fragen, ob der „prototypische“ Hund am besten<br />

durch einen abstrakten „Archetyp“ bezeichnet werden kann (wie die letzte<br />

stilisierte Darstellung) – doch scheint das nicht sehr wahrscheinlich – denn wenn<br />

man <strong>von</strong> allen typischen Eigenschaften einer Hunderasse abstrahiert, bleibt nicht<br />

viel übrig. Hier sollte man wohl daher eher <strong>von</strong> „Familienähnlichkeit“ sprechen:<br />

Jede Rasse hat etwas mit einer anderen gemeinsam, wenn sie vielleicht auch nicht<br />

alle die gleichen Merkmalen haben:<br />

- 22 -


7. Satzsemantik – wie <strong>Bedeutung</strong>en kombiniert werden<br />

7.1 Kompositionalität<br />

Satzsemantik kann als die Erweiterung der lexikalischen <strong>Semantik</strong> unter<br />

zumindest zwei Aspekten verstanden werden:<br />

1. In der Satzsemantik wird die <strong>Bedeutung</strong> <strong>von</strong> den Funktionswörtern wie nicht,<br />

und, oder, wenn, jeder, alle, einige, keine, er, sie etc. beschrieben. Wir hatten<br />

bereits gesehen, dass diese Wörter keinen oder nur einen sehr geringen<br />

lexikalischen „Inhalt“ haben, sondern vielmehr eine Funktion im Satz ausüben.<br />

2. Der zweite Aspekte, unter dem man die Satzsemantik als die logische<br />

Verlängerung der lexikalischen <strong>Semantik</strong> verstehen kann, ist die Beschreibung<br />

der Kombination <strong>von</strong> <strong>Bedeutung</strong>en zu größeren Komplexen. Analog zu den<br />

syntaktischen Regel der Zusammenfügung <strong>von</strong> einem Negationsträger mit einem<br />

anderem Zeichen, wird eine Negation dadurch realisiert, dass sie als Operation auf<br />

einen Inhalt angewendet wird.<br />

Das entscheidende Prinzip der Satzsemantik ist das Kompositionalitätsprinzip, das<br />

auf Frege zurückgeführt wird. Es ist folgendermaßen formuliert:<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> eines komplexen Ausdrucks wird aus den <strong>Bedeutung</strong>en seiner<br />

Teile und der Konstruktion zusammengefügt.<br />

Dem Kompositionalitätsprinzip steht das Kontextprinzip gegenüber (ebenfalls bei<br />

Frege), nach dem die <strong>Bedeutung</strong> eines Ausdrucks abhängig <strong>von</strong> dem Kontext ist,<br />

in dem der Ausdruck steht.<br />

7.2 Eigenschaften <strong>von</strong> Formwörtern – logische Äquivalenzen<br />

Formwörtern lässt sich meist nur eine sehr abstrakte <strong>Bedeutung</strong> zuordnen.<br />

Dennoch können die Eigenschaften <strong>von</strong> Formwörtern wie und, oder, nicht sehr<br />

gut beschrieben werden. Sie sind seit der Antike Gegenstand intensiver<br />

Untersuchungen, die insbesondere mit Argumentationsverfahren und<br />

Schlussverfahren in der natürlichen Sprache zu tun haben.<br />

Wir gehen da<strong>von</strong> aus, dass unterschiedliche Objekte innerhalb des Skopus eines<br />

graphischen Negationsträgers mit einem „oder“ verknüpft sind. <strong>Die</strong>se oder-<br />

- 23 -


Verknüpfung lässt sich nun in eine und-Verknüpfung zweier Verbote überführen<br />

(die natürliche Sprache ist in diesem Punkt nicht immer ganz genau – oft werden<br />

die beiden Junktoren und und oder miteinander vertauscht: „Es ist verboten an<br />

Bord zu nehmen: Pistolen und Messer“ – aber nur im Sinne eines Skopus <strong>von</strong><br />

und über verboten. <strong>Die</strong>se Äquivalenz <strong>von</strong> den beiden Sätzen wird auch als<br />

logische Äquivalenz ganz allgemein so formuliert, wobei die Variablen p und q<br />

für Sätze stehen und der Haken „¬“ für die Negation (vgl. Abildung 6 für eine<br />

farbigere Darstellung):<br />

Genau andersherum verhält es sich, wenn wir eine Konjunktion negieren, wie in<br />

dem folgenden Beispiel. Graphisch wird die Konjunktion durch das<br />

Übereinanderlegen der beiden relevanten Bereiche deutlich gemacht (siehe auch<br />

Abbildung 7):<br />

- 24 -


Beide möglichen Kombinationen beruhen auf logischen Gesetzen oder Äquivalenzen,<br />

die als die „De Morganschen Gesetze“ bekannt sind:<br />

(i) ¬(p oder q) ≡ ¬p und ¬q<br />

(ii) ¬(p und q) ≡ ¬p oder ¬q<br />

<strong>Die</strong>ses Gesetz gilt nicht nur für Verbotsschilder, sondern auch für Gebotsschilder,<br />

die meist blau sind.<br />

+ =<br />

Autos verboten Motorräder verboten (Autos oder<br />

Motorräder) verboten<br />

+ =<br />

Nur für Fußgänger Nur für Fahrräder Nur für (Fußgänger<br />

oder Fahrräder)<br />

Eine interessante Beobachtung am Rande ist, dass wir durchaus zwei<br />

Verbotsschilder „Autos verboten“ und „Motorräder verboten“ nebeneinander<br />

finden können, alternativ zu dem kombinierten Schild. Doch dürften wir niemals<br />

die beiden Gebotsschilder „Nur für Fußgänger“ und „Nur für Fahrräder“<br />

nebeneinander finden, da sie sich gegenseitig ausschließen. Für den Fall, dass<br />

beide Gruppen erlaubt sind, ist nur das kombinierte Schild möglich. <strong>Die</strong>s hat mit<br />

der <strong>Bedeutung</strong> der Gebotsschilder zu tun, die mit dem „nur“ alle andere<br />

Gruppen ausschließen. (Das „nur“ schließt eigentlich eine Negation mit ein, da es<br />

sich mit „für niemanden außer ...“ paraphrasieren lässt.)<br />

- 25 -


7.3 Kombination mit anderen Operatoren<br />

Verbotsschilder können auch vielfach kombiniert werden, wie in diesem Beispiel<br />

am Eingang zum Aachener Dom. Während dort einfach diverse Verbote<br />

aneinandergereiht werden, gibt es auch komplexere Verbindungen zwischen<br />

Zeichen, so wie auf dem Schild auf einem Wanderweg in den Schweizer Alpen.<br />

Hier wird das Verbot mit einem Konditional kombiniert: Es heißt nicht: wenn du<br />

die Granatenhülse nicht anfasst wird/kann sie explodieren, sondern vielmehr:<br />

wenn du das Verbot nicht befolgst, dann kann es passieren. Ferner sind noch<br />

nummerierte Anweisungen gegeben:<br />

- 26 -


- 27 -


8. Pragmatik<br />

<strong>Die</strong> linguistische Teildisziplin der Pragmatik ist der <strong>Semantik</strong> benachbart und oft<br />

ist eine klare Grenzziehung nicht einfach. Doch werden zumindest diejenigen<br />

sprachlichen Phänomene in der Pragmatik verhandelt, die mit einem engen<br />

Begriff <strong>von</strong> lexikalischer oder kompositionaler <strong>Bedeutung</strong> nicht abgedeckt<br />

werden können. So lassen sich kontextuelle <strong>Bedeutung</strong>en und implizite<br />

Hintergrundannahmen der Pragmatik zuordnen.<br />

8.1 Kontextprinzip<br />

Viele Wörter bedeuten nur etwas in einem bestimmten Kontext. Auch hier eine<br />

Illustration aus der Welt der Verbote. <strong>Die</strong> folgenden Verbote lassen sich nur<br />

verstehen, wenn man den sprachlichen oder außersprachlichen Kontext kennt. So<br />

ist das erste Zeichen kein Verbot für eine Telefon, sondern vielmehr das Zeichen<br />

für eine Telefonzelle, aber eben nur in Italien. Das zweite Verbotsschild ist kein<br />

Verbot für Schlangen, sondern ein Halteverbot, damit dort ein Arzt (die Schlange<br />

als Zeichen für den medizinischen Archetyp „Äskulap“). Das dritte Verbot ist<br />

bestimmt nicht für Abschleppwagen bestimmt, sondern beinhaltet eine Warnung<br />

für diejenigen, die sich nicht an das Halteverbot halten (vgl. Abbildung 8).<br />

Für die Zuordnung einer <strong>Bedeutung</strong><br />

für das Zeichen unten ist<br />

ebenfalls Kontext notwendig.<br />

Nach allem was wir bisher gelernt<br />

haben, müsste es ein Verbot des<br />

Zugangs sein. Doch in dem rechts<br />

dargestellten Kontext ist das<br />

Zeichen ein positiver Hinweis:<br />

- 28 -


8.2 Hintergrundannahmen: Präsuppositionen<br />

Neben der lexikalischen und kompositionellen <strong>Bedeutung</strong> tragen Wörter und<br />

Sätze immer noch zusätzlich Hintergrundannahmen, die implizit mitgeäußert und<br />

mitverstanden werden. Hintergrundannahmen treten erst dann in den<br />

Vordergrund, wenn es Konflikte mit der explizit ausgedrückten <strong>Bedeutung</strong> gibt,<br />

oder Konflikte zwischen unterschiedlichen Hintergrundannahmen. So bedeutet<br />

das Verbotsschild unten, dass das Beklettern <strong>von</strong> Zügen verboten ist. In der<br />

Kombination mit dem Warnschild wird auch der Grund gleich angedeutet: Es<br />

besteht die Gefahr, <strong>von</strong> dem Starkstrom getroffen (und getötet) zu werden. In<br />

der Kombination mit dem „Betreten...<strong>Verboten</strong>“ Schild entsteht jedoch ein<br />

Konflikt zwischen den Hintergrundannahmen: Das „Klettern verboten“ macht<br />

nur Sinn, wenn man überhaupt bis dahin gehen kann, dies ist jedoch durch das<br />

„Betreten verboten“ bereits untersagt. D.h. wenn ein Schild die Voraussetzung<br />

für ein anderes bereits verletzt, geraten wir in einen Konflikt, den wir durch<br />

„pragmatisches Schließen“ oder Akkommodation („Angleichung der<br />

sprachlichen Verhältnissen an unsere Kenntnis“) beheben müssen. So könnten<br />

wir hier schließen, dass der Schilderaufsteller sein eigenes Schild („Betreten<br />

verboten“) nicht ernst und daher das „Klettern verboten“ aufgestellt hat.<br />

Intendiert war jedoch vermutlich eher eine Verstärkung des Klettern verboten<br />

(die jedoch nach meiner Meinung nicht gelungen ist):<br />

- 29 -


9. Duplex negatio affirmat – <strong>von</strong> den Eigenheiten der Negation<br />

Doppelte Negation kann unterschiedliche Funktionen haben. Einmal kann sie<br />

tatsächlich eine positive Behauptung ausdrücken, auch wenn dabei oft eine<br />

gewisse Abschwächung ausgedrückt wird. Es gibt eine sehr lange Tradition über<br />

den Gebrauch der doppelten Negation als Affirmation oder Verzierung der Rede.<br />

<strong>Die</strong>s ist besonders der Fall, wenn man eine lexikalische Negation (un–) mit einer<br />

Satznegation kombiniert:<br />

Es ist nicht der Fall, das du nicht gelacht hast. = Du hast gelacht.<br />

Du hast nicht die Unwahrheit gesagt. = Du hast die Wahrheit gesagt.<br />

Das ist nicht ungesund: = Das ist gesund.<br />

Oft aber verstärkt eine Negation oder ein negierendes Wort eine bereits<br />

bestehende Negation. <strong>Die</strong>s wird mit „Negative Concord“ („Negative Übereinstimmung“)<br />

bezeichnet. Im folgenden betrachten wir zunächst Fälle <strong>von</strong><br />

„Negative Concord“, die besonders häufig in der Kombination <strong>von</strong> Text und<br />

graphischen <strong>NegationsZeichen</strong> sind. Dann wird ein Fall <strong>von</strong> „falschem“<br />

Gebrauch vorgestellt und schließlich eine wirkliche „doppelte Negation“ im Sinne<br />

<strong>von</strong> Aufhebung einer bereits ausgedrückten Negation<br />

9.1 Negative Concord<br />

- 30 -


Wie bereits erwähnt, treten <strong>NegationsZeichen</strong><br />

oft als Verstärkung<br />

einer bereits ausgedrückten<br />

Negation auf. <strong>Die</strong>se erste oder<br />

primäre Negation ist oft<br />

sprachlich ausgedrückt, so auch in<br />

dem Eigentümerschild rechts,<br />

dem Schild auf der Biotonne und<br />

dem Verbot am Eingang eines<br />

amerikanischen Flughafens (die<br />

Aufnahme ist <strong>von</strong> 1997). Eine<br />

solche Negation soll verstärkend<br />

wirken.<br />

- 31 -


9.2 „Falscher“ Gebrauch des <strong>NegationsZeichen</strong>s<br />

Eine Beobachtung ist, dass im Text<br />

ausgesprochene Verbot (untersagt, Nicht,<br />

prohibited) sich nicht auf das ganze Verbot oder<br />

<strong>NegationsZeichen</strong> bezieht, sondern nur auf die<br />

(positive) Basis. <strong>Die</strong>s trifft auch für das Schild<br />

rechts zu, wo die freundliche (britische!)<br />

Aufforderung, sein Fahrrad an der Hand zu<br />

nehmen sich auf die Basis des <strong>NegationsZeichen</strong>s<br />

bezieht (es ist eigentlich kein Verbotsschild, da<br />

Fahrräder als solche nicht verboten sind).<br />

In diesem Ausschnitt einer Informationstafel in einem Flugzeug wird die Situation<br />

eines Notfalles beschrieben. Während die <strong>NegationsZeichen</strong> rechts für den<br />

Verzicht auf Koffer, hochhackige Schuhe und Zigaretten in dieser Situation noch<br />

verständlich sind, sind die <strong>NegationsZeichen</strong> für (kein) Feuer , (kein) Rauch und<br />

(kein) Wasser tatsächlich missverständlich. Es fällt auch schwer, hier <strong>von</strong> einer<br />

„<strong>Bedeutung</strong>sveränderung“ des Negationsträgers auszugehen, wie wir das oben in<br />

5.1 bei den Diskettenaufschriften vermutet haben. Denn hier wird das gleiche<br />

Zeichen sowohl für das Verbot (oder den Verzicht) wie auch für die Warnung<br />

benutzt. Somit liegt hier vermutlich einfach eine wenig aufmerksame<br />

Umgangsweise mit diesen Zeichen vor.<br />

9.3 Aufhebung der Negation<br />

Schließlich seien noch einige Mittel der Aufhebung der Negation diskutiert: Im<br />

Rahmen der Verbotsschilder wird insbesondere durch graphisches Übermalen<br />

oder farbliches entbleichen, die „Kraft“ des Verbots genommen. Schließlich<br />

- 32 -


erhält bei dem deutschen „Ende des Verbots“-Schild der Negationsstrich auch<br />

noch eine „entblichene“ Darstellung, indem er durchbrochen ist. Bei den<br />

italienischen Schildern (unten) behält jedoch der Negationsstrich seine volle Form<br />

und Farbe (und damit auch seine negierende Kraft).<br />

- 33 -


10. Zusammenfassung und Ausblick<br />

Damit bin ich schon am Ende des Vortrages angekommen. Ich habe mit Ihnen<br />

einen kleinen Ausflug in den Bereich der <strong>Semantik</strong> unternommen. Dabei haben<br />

Sie einige zentrale Begriffe der <strong>Semantik</strong> kennengelernt und einen Einblick in die<br />

abstrakte Struktur der <strong>Bedeutung</strong>en unserer alltäglichen Wörter gewonnen. All<br />

dies habe ich mit unterschiedlichsten <strong>Verboten</strong> und <strong>NegationsZeichen</strong> zu<br />

illustrieren versucht.<br />

<strong>Die</strong> Verbotsschilder, negativen Anweisungen und die <strong>NegationsZeichen</strong> im<br />

Allgemeinen, die ich Ihnen heute abend vorgeführt habe, sind ein kleiner Teil aus<br />

einer Sammlung <strong>von</strong> inzwischen gut 500 unterschiedlichen <strong>NegationsZeichen</strong><br />

(d.h. graphischen Darstellungen, die eine Negation beinhalten). <strong>Die</strong>se habe ich in<br />

den letzten Jahren unsystematisch gesammelt. Ein Teil dieses Materials wurde mit<br />

Hilfe des Fotolabors der Uni Konstanz und mit großem zeitlichen Aufwand <strong>von</strong><br />

Victor Linnemann, Andreas Kalkbrenner, Andreas Meßmer, Thilo Dannenmann,<br />

Robert Schmaus, Christian Gassner und Benedikt Grimmler bearbeitet und in<br />

eine elektronische Datei eingefügt. In dieser Datei wird das jeweilige Verbotsschild<br />

in vier Kontexten erfasst:<br />

• Nur das Verbot<br />

• Das Verbot mit Text<br />

• Das Verbot im Zusammenhang mit anderen <strong>Verboten</strong> oder Zeichen<br />

• Das Verbot in seinem außersprachlichen Zusammenhang<br />

<strong>Die</strong>se Datei bildet das Kernstück für die Untersuchungen im Rahmen des<br />

Projekts „<strong>NegationsZeichen</strong>“. Wie Sie an dem Beispiel auf der folgende Seite<br />

sehen können, werden die jeweiligen <strong>NegationsZeichen</strong> nach einem recht langem<br />

Katalog <strong>von</strong> Stichworten beschrieben. <strong>Die</strong>se Stichworte sollen es erlauben, eine<br />

gute Charakteristik <strong>von</strong> jedem einzelnen Zeichen auf der einen Seite und gute<br />

Verallgemeinerungen <strong>von</strong> Gruppen <strong>von</strong> Zeichen auf der anderen Seite zu<br />

ermöglichen.<br />

Zum Abschluss dieser Veranstaltung möchte ich Sie alle gerne zu einen Sekt und<br />

einem zwanglosen Gespräch hier vor dem Hörsaal einladen und hoffe, dass wir<br />

alle noch einen verbotsfreien und wenig negativen Abend, sowie einen<br />

unglückslosen Heimweg haben.<br />

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit<br />

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