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PDF-Datei, 238 KB - Aus kritischen Ereignissen lernen

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<strong>Aus</strong> <strong>kritischen</strong> <strong>Ereignissen</strong> <strong>lernen</strong>:<br />

Ein Fehlerberichts- und<br />

Lernsystem für die Altenpflege<br />

KDA-Aktiv<br />

Qualität in der Altenpflege dadurch zu verbessern, dass über kritische Ereignisse im Internet<br />

berichtet werden kann, mag auf den ersten Blick nicht einleuchten. Es könnte der Eindruck entstehen,<br />

es handele sich um eine Website, auf der zumeist gute Altenpflege schlechtgeredet und<br />

diffamiert werden könnte. Heiko Fillibeck erläutert im Folgenden den Ansatz des vorgesehenen<br />

Fehlerberichts- und Lernsystems im Detail.<br />

„<strong>Aus</strong> <strong>kritischen</strong> <strong>Ereignissen</strong> <strong>lernen</strong>“ verfolgt einen<br />

neuen konzeptionellen Ansatz als Beitrag<br />

für weitere Elemente der Qualitätsentwick lung<br />

in der Altenpflege. Der Ansatz unterscheidet<br />

sich grundlegend von allen bereits existierenden,<br />

im Internet angebotenen Websites für Pflegende<br />

und ist kein reines „weiteres Internet -<br />

forum“.<br />

Das Konzept des Systems orientiert sich an<br />

der Vorgehensweise, die in funktionierenden<br />

Pflegeteams bereits üblich ist. In solchen Teams<br />

wird bei der Übergabe darüber gesprochen,<br />

welche Ereignisse im Laufe der zurückliegenden<br />

Schicht geschehen sind. Das reicht vom offen<br />

angesprochenen eigenen Fehlverhalten bis hin<br />

zu unerwartet oder unvorhersehbar eingetretenen<br />

Situationen, die das KDA als „kritische Ereignisse“<br />

bezeichnet. In diesen Pflegeteams werden<br />

dann üblicherweise auch Vorschläge und<br />

Strategien entwickelt, wie solche Ereignisse zukünftig<br />

vermieden werden können. Um dieses<br />

Prinzip der Qualitätsentwicklung in einem größeren<br />

Rahmen nutzen zu können, entwickelt<br />

das KDA das Fehlerberichts- und Lernsystem<br />

für die Altenpflege.<br />

Pflegende, die einen Bericht über einen Fehler<br />

oder ein anderes kritisches Ereignis verfassen<br />

und anonym an das Projektteam versenden,<br />

sollten also eine positive Intention verfolgen.<br />

Nämlich den Lesern der Berichte ihre Erfahrungen<br />

zur Verfügung zu stellen, um diese in die<br />

Lage zu versetzen, anhand der beschriebenen<br />

Lösungen und Strategien, eben jene <strong>kritischen</strong><br />

Ereignisse zukünftig zu vermeiden, um nicht<br />

selbst in eine solche Situation zu geraten. Es<br />

handelt sich also keinesfalls um ein „Jammerportal“,<br />

in welchem Pflegende „nur“ ihren Unmut<br />

über Missstände Luft machen können.<br />

Pflegende, die von <strong>kritischen</strong> <strong>Ereignissen</strong> berichten,<br />

ohne einen Lösungsvorschlag dafür zu<br />

haben, werden vom KDA-Team Lösungsvorschläge<br />

auf der Basis höchstmöglicher pflegewissenschaftlicher<br />

Evidenz erwarten können.<br />

Dabei werden die Pflegeexperten auch Vorschläge<br />

externer Berater heranziehen.<br />

In Ergänzung dazu wird es für alle Nutzer<br />

der Website eine Kommentierungsmöglichkeit<br />

geben, um auch gute Vorschläge von Pflegepraktikern<br />

publikzumachen.<br />

EDV-Umsetzung<br />

Im Rahmen des Projektes „<strong>Aus</strong> <strong>kritischen</strong> <strong>Ereignissen</strong><br />

<strong>lernen</strong>“ steht nicht die Gestaltung einer<br />

Website oder eines Internet-Forums im<br />

Vordergrund. Vielmehr geht es um die Entwick -<br />

lung eines Qualitätsentwicklungsinstrumentes,<br />

das fallbezogenes Lernen in den Mittelpunkt<br />

rückt und sich dabei der Vorteile der Internet-<br />

Technologie bedient.<br />

Der Begriff „Forum“ wurde zwar in ersten<br />

öffentlichen <strong>Aus</strong>sagen verwendet, um den kommunikativen<br />

Aspekt und die mögliche Interaktion<br />

innerhalb des noch zu entwickelnden Sys -<br />

tems zu betonen. Der zentrale Bestandteil des<br />

Bericht- und Lernsystems ist aber die strukturierte<br />

Erfassung von Ereignisberichten anhand<br />

vorstrukturierter Fragebögen sowie deren systematische<br />

Bereitstellung in einem öffentlichen<br />

Raum.<br />

Die Nutzer der Plattform haben dann die<br />

Möglichkeit, sich auf drei Weisen zu beteiligen:<br />

1. über die Eingabe eigener Berichte,<br />

2. über das Lesen und Studieren von Ereignisberichten<br />

anderer sowie fachlicher Kom-<br />

Kuratorium Deutsche Altershilfe ProAlter 1/07 73


KDA-Aktiv<br />

mentierungen der Projektmitarbeiter (allein<br />

oder in Gruppen),<br />

3. über die Abgabe einer eigenen Kommentierung<br />

zu den veröffentlichten Ereignisberichten.<br />

Das Projektteam entwickelt daran anschließend<br />

in weiteren Schritten didaktische Modelle, wie<br />

das Instrument in Einrichtungen, aber auch in<br />

der <strong>Aus</strong>bildung und in Fortbildungen eingesetzt<br />

werden kann. Dies können interne Fortbildungen,<br />

Qualitätszirkel, Arbeitsgruppen oder andere<br />

Formen der Gruppenarbeit sein.<br />

Zur Entwicklung, der Bearbeitung und<br />

Strukturierung sowie der Bereitstellung der Fragebögen<br />

bzw. Eingabemasken kann keine Standardsoftware<br />

eingesetzt werden. Darüber hinaus<br />

entspricht der Arbeitsablauf (Workflow)<br />

nicht den standardisierten Vorgängen einer Online-Redaktion<br />

beim Betrieb einer Internetseite.<br />

Insbesondere die datenschutzrechtlichen Hin -<br />

ter gründe solcher „Meldesysteme“ stellen sowohl<br />

an den Server (Anonymisierung der Nutzer)<br />

als auch an die Speicherung der Daten (Verschlüsselung)<br />

sowie die Anonymisierung der<br />

eingereichten Berichte besondere Anforderungen.<br />

Durch Sicherheitsmechanismen müssen<br />

nicht nur die Nutzenden, sondern auch die Betreiber<br />

des Systems vor rechtlichen Konsequenzen,<br />

die im Zusammenhang mit der Erfassung<br />

und der Veröffentlichung der Daten stehen, geschützt<br />

werden. Literaturanalysen zufolge gibt<br />

es in Deutschland noch keinen gesetzlichen<br />

Schutz von Daten solcher sogenannter „Incident-Reporting-Systems“.<br />

Darüber hinaus sieht<br />

das Projekt die komplette Entwicklung der<br />

EDV auf Grundlage der Barrierefreien Informations-Technologieverordnung<br />

(BITV) vor. Daher<br />

ist der technische Programmieraufwand,<br />

der mehrere Monate in Anspruch nimmt und<br />

von äußerst qualifizierten Experten geleistet<br />

werden muss, relativ hoch.<br />

Die Entwicklung und die Testphase des Sys -<br />

tems wird nahezu ein Jahr in Anspruch nehmen,<br />

da es bisher kein vergleichbares System für den<br />

Bereich der Altenpflege gibt und eventuell auftretende<br />

Schwierigkeiten während des Betriebes<br />

ausgeschlossen werden müssen.<br />

Beim Betreiben des Lernsystems müssen,<br />

neben der ständigen technischen Wartung, insbesondere<br />

die eingehenden Berichte gesichtet,<br />

sortiert, aufbereitet und dargestellt werden.<br />

Gleiches gilt für die Kommentare zu den Berichten<br />

von interessierten Pflegenden und anderen<br />

Personen. Außerdem werden die Projektmitarbeiter<br />

fachlich fundierte Kommentare abgeben,<br />

wie z. B. Lösungsvorschläge für die Fehlervermeidung.<br />

Solche Kommentare erfordern entsprechende<br />

Recherchen, eine didaktische Aufbereitung<br />

sowie eine verständliche Darstellung<br />

und damit einen nicht zu unterschätzenden<br />

(Zeit-)Aufwand. Dass fachlich fundierte Kommentare<br />

nicht selbstverständlich sind, zeigen<br />

verschiedene Beispiele auf Internetseiten, die<br />

tatsächlich nur den Charakter von „Foren“ haben.<br />

Evaluation<br />

Neben dem Entwickeln und Betreiben des Lernsystems<br />

ist auch eine Evaluationsphase vorgesehen,<br />

die zum einen der Qualitätssicherung des<br />

Systems dienen soll. Zum anderen können über<br />

diese <strong>Aus</strong>wertung fachlich relevante Erkenntnisse<br />

gewonnen werden, z. B. zur Art der berichteten<br />

<strong>kritischen</strong> Ereignisse. Daraus könnten<br />

Vorschläge abgeleitet werden, zu welchen Themen<br />

und mit welcher Priorität das weitere Erarbeiten<br />

nationaler Standards und Qualitätsniveaus<br />

sinnvoll ist. Zudem kann versucht werden,<br />

weitere Strategien und geeignete Instrumente<br />

zur zukünftigen Vermeidung kritischer Ereignisse<br />

zu entwickeln, mit der Fachöffentlichkeit<br />

zu diskutieren und bekannt zu machen. Außerdem<br />

wird es im Rahmen des Projektes nötig<br />

sein, didaktische Modelle und Anwendungen<br />

zum Lernaspekt des Systems zu entwickeln, zu<br />

testen und genau zu beschreiben. Damit können<br />

die Nutzenden angeleitet werden, wie mit den<br />

Inhalten des Lernsystems umzugehen ist, bzw.<br />

wie sie im Rahmen von einrichtungsinternen<br />

Fortbildungen oder Qualitätszirkeln implementiert<br />

werden können.<br />

Projektstand<br />

Am 26. Februar hat das KDA einen Workshop<br />

veranstaltet, auf dem sich Vertreterinnen und<br />

Vertreter von bereits existierenden Fehlerberichts-<br />

und Lernsystemen anderer Bereiche über<br />

die inhaltliche Arbeit austauschen konnten.<br />

Tags darauf fand die erste Beiratssitzung statt,<br />

in der diskutiert wurde, welche besonderen<br />

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ProAlter 1/07 Kuratorium Deutsche Altershilfe


Aspekte bei der Entwicklung des Systems für<br />

die Altenpflege beachtet werden müssen.<br />

Beide Veranstaltungen brachten wichtige<br />

Anregungen und Hinweise zu möglichen Problemen<br />

beim Betrieb eines solchen Systems, zur<br />

Resonanz durch Nutzer, zum Datenschutzkonzept,<br />

zur Öffentlichkeitsarbeit sowie zu rechtlichen<br />

Aspekten.<br />

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen:<br />

Offene Diskussions foren, wie sie etwa auf<br />

den Seiten von www.pflege board.de, www.<br />

altenpflege.de, www.das-pflegeforum.de oder<br />

www.pqsg.de angeboten werden, wird es in der<br />

Form – auch wenn sie für die emotionale Ent -<br />

las tung der Betroffenen wichtig sein können –<br />

bei www.kritische-ereignisse.de nicht geben.<br />

Das Fehlerberichts- und Lernsystem bezweckt<br />

ausschließlich einen fachlichen <strong>Aus</strong>tausch über<br />

die berichteten Fälle und wird keine weiteren<br />

<strong>Aus</strong>tauschmöglichkeiten allgemeiner Ansichten<br />

zu diversen Pflegethemen anbieten.<br />

Informationen zum Stand des Projektes<br />

werden die Mitarbeiter des KDA-Projekts<br />

weiterhin öffentlich unter www.kritische-ereignisse.de<br />

dokumentieren.<br />

Der Altenpfleger und Diplom-<br />

Pflegewirt Heiko Fillibeck ist<br />

KDA-Referent für Pflegepraxis<br />

und leitet das Projekt „<strong>Aus</strong><br />

<strong>kritischen</strong> <strong>Ereignissen</strong> <strong>lernen</strong>“.<br />

Foto: Harald Raabe<br />

KDA-Aktiv<br />

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