Ein Computermodell wird Realität - Ipro Dresden Planungs
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© SLUB <strong>Dresden</strong>/Abt. Deutsche Fotothek (Walter Möbius)<br />
SCIENCE<br />
+<br />
TECH<br />
© SLUB <strong>Dresden</strong>/Abt. Deutsche Fotothek (Walter Möbius)<br />
© IPRO DRESDEN <strong>Planungs</strong>- und Ingenieuraktiengesellschaft<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Computermodell</strong> <strong>wird</strong><br />
Der originalgetreue Aufbau der Dresdner Frauenkirche<br />
Virtuell war die<br />
zerstörte Dresdner<br />
Frauenkirche schon lange<br />
vor ihrem realen Wiederaufbau<br />
begehbar – dank<br />
Informatik! Mit Hilfe einer<br />
computergestützten<br />
Konstruktionssoftware<br />
konnte das architektonisch<br />
anspruchsvolle Gebäude<br />
exakt dreidimensional<br />
rekonstruiert werden,<br />
bevor die eigentlichen<br />
Bauarbeiten begannen.<br />
8 Architekten, Statiker, Restauratoren,<br />
Akustiker, Vermesser und andere<br />
Fachleute beschäftigten sich 15 Jahre<br />
lang mit Details der inneren und<br />
äußeren Form, der Geometrie der<br />
Räume und Bauteile, der Beschaffenheit,<br />
Materialität sowie Farbigkeit.<br />
Das erstaunliche Ergebnis: 43<br />
Prozent der Original-Bausubstanz<br />
konnte wieder verwendet werden.<br />
Die Kirche ist in ihrer historischen<br />
Struktur neu entstanden!<br />
„Wenn man um den <strong>Ein</strong>satz der<br />
Technik weiß, wächst die Bewunderung<br />
für Baumeister George Bähr,<br />
der ohne diese Unterstützung auskommen<br />
musste, noch weiter“,<br />
meint Dipl.-Ing. Andreas Wycislok,<br />
Mitarbeiter der Stiftung Frauenkirche.<br />
Unter der Ägide des Ratszimmermeisters<br />
Bähr entstand im 18.<br />
Jahrhundert der einzige protestantische<br />
Sakralbau des deutschen Barock<br />
von europäischer Bedeutung. Seine<br />
Ausmaße: gigantisch! Der Zentralbau<br />
trug eine ganz aus sächsischem<br />
Sandstein gemauerte, barocke Kuppel.<br />
Sie begann in einer Höhe von<br />
rund 40 Metern und die so genannte<br />
Laterne – der Kuppelaufsatz –<br />
öffnete sich in luftiger Höhe von 62<br />
Metern über dem Dresdner Neumarkt.<br />
Die konkave Form der Kuppel<br />
im unteren Teil brachte dem Gebäude<br />
den Namen „die Steinerne Glocke“.<br />
Nach Luftangriffen im Februar<br />
1945 brannte das Bauwerk vollständig<br />
aus und stürzte ein.<br />
„<strong>Ein</strong>er der Leitgedanken des Wiederaufbaus<br />
war, moderne Technologien<br />
und heute gültige Erkenntnisse<br />
3D-Programme<br />
ermöglichten eine<br />
exakte Rekonstruktion<br />
der Baustatik und Bauphysik einzusetzen,<br />
um die Frauenkirche wieder<br />
entstehen zu lassen. Der <strong>Ein</strong>satz<br />
moderner Informatik hat den Wie-<br />
14 life + science
© Jörg Schöner<br />
© Pixelquelle<br />
Realität<br />
Geschichte der Frauenkirche<br />
deraufbau wesentlich beschleunigt“,<br />
erklärt Wycislok. In der Gesamtbauplanung<br />
(mit Ausnahme der Statik)<br />
der <strong>Planungs</strong>- und Ingenieuraktiengesellschaft<br />
IPRO <strong>Dresden</strong> wurde<br />
erstmals weltweit die dreidimensionale<br />
Modellierung am Computer<br />
angewendet. Erst mit Hilfe der von<br />
IBM vertriebenen 3D- <strong>Planungs</strong>software<br />
CATIA konnte die Konstruktion<br />
der mehrfach gekrümmten Flächen<br />
im Inneren und Äußeren der<br />
Kirche nachgebildet werden. Für die<br />
Planung des Wiederaufbaus standen<br />
drei historische Quellen zur Verfügung:<br />
die geborgenen Fundstücke,<br />
historische Pläne und Fotografien.<br />
Im Januar 1993 wurde damit begonnen,<br />
den Trümmerhaufen abzutragen.<br />
Alle noch brauchbaren Steine<br />
wurden mit Hilfe der digitalen Fotografie<br />
katalogisiert, und es wurde<br />
anhand dieser Fotos der Zustand<br />
erfasst. Im Rahmen der archäologischen<br />
Sicherung wurden etwa 8.500<br />
steinerne Funde der Barockfassade<br />
und des Innenraums geborgen und<br />
in vielen Fällen an ihrem ursprünglichen<br />
Platz wieder eingebaut. Für den<br />
Kuppelbau wurden aus Statikgründen<br />
neue Sandsteine eingesetzt. Hier<br />
kam die computergestützte Methode<br />
der Fotogrammetrie zum <strong>Ein</strong>satz,<br />
die es ermöglicht, aus Fotografien<br />
eines Objektes dessen räumliche<br />
Lage zu rekonstruieren. Dazu werden<br />
verschiedene Aufnahmen digital<br />
übereinander gelegt, und das<br />
System errechnet die Raumkoordinaten<br />
jedes fotografierten Bildpunktes.<br />
So konnte bei der Frauenkirche<br />
die äußere Krümmung der Kuppel<br />
geometrisch definiert, als 3D-<strong>Computermodell</strong><br />
berechnet und schließlich<br />
nachgebildet werden.<br />
Für den originalgetreuen Wiederaufbau<br />
der Frauenkirche zeichnen<br />
Baudirektor Eberhard Burger sowie<br />
die <strong>Planungs</strong>- und Ingenieuraktiengesellschaft<br />
IPRO <strong>Dresden</strong> gemein-<br />
1743 Fertigstellung der Frauenkirche<br />
1924 bis 1932 sowie 1938 bis 1943<br />
umfassende Restaurierung<br />
1945 Nach Luftangriffen auf <strong>Dresden</strong> durch<br />
britische und amerikanische Bomber<br />
brannte die Kirche vollständig aus.<br />
Die gewaltige Kuppel thronte zunächst<br />
noch über der Kirchenruine, stürzte<br />
aber dann doch ein<br />
1948 bis 1949<br />
600 m 3 Steinmaterial werden<br />
geborgen, vermessen und inventarisiert.<br />
1966 Die DDR-Regierung erklärte den<br />
Trümmerberg der Frauenkirche offiziell<br />
zum „Mahnmal gegen den Krieg“.<br />
1991 Gründung der Stiftung Frauenkirche<br />
<strong>Dresden</strong> e.V. als Bauherrin für den<br />
Wiederaufbau<br />
1992 Beginn der <strong>Planungs</strong>arbeiten<br />
1994 Grundsteinlegung für den Wiederaufbau<br />
der neuen Frauenkirche<br />
2005 Weihung der wieder aufgebauten<br />
Kirche<br />
life + science 15
SCIENCE<br />
+<br />
TECH<br />
sam mit den Statikern verantwortlich.<br />
Die zwölf Jahre Bauzeit<br />
waren für den Baudirektor<br />
eines „der spannendsten Architektur-Abenteuer<br />
der Gegenwart“.<br />
Doch es gibt auch kritische<br />
Stimmen. Aufgrund der<br />
massiven Kriegsschäden sowie<br />
der modernen technischen<br />
Ausstattung (z.B. ein Fahrstuhl<br />
zur Aussichtplattform),<br />
sei sie bestenfalls eine „Replik<br />
mit historisierendem Mantel“<br />
des ursprünglichen Baus.<br />
Den Symbolwert des Wiederaufbaus<br />
und dessen Finanzierung<br />
aus meist privaten Spenden<br />
betonen dagegen Befürworter.<br />
Völlig außer Frage steht,<br />
dass die Frauenkirche als sakrales<br />
und kulturelles Denkmal in<br />
das Bewusstsein vieler Menschen<br />
zurückgekehrt ist und<br />
die Silhouette <strong>Dresden</strong>s wieder<br />
einmalig macht. 7 (ms, sf)<br />
Fotogrammetrie<br />
Fotogrammetrie bedeutet übersetzt „Bildmessung“ und ist der Sammelbegriff für<br />
Methoden, um aus Fotografien eines Objektes dessen räumliche Lage bzw. dreidimensionale<br />
Form zu rekonstruieren. Da sie die berührungslose Rekonstruktion<br />
von räumlichen Objekten aus ihrer fotografisch festgehaltenen reflektierten oder<br />
emittierten Strahlung ermöglicht, <strong>wird</strong> Fotogrammetrie auch als passives Fernerkundungs-<br />
und Vermessungsverfahren bezeichnet.<br />
Zur Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche fand die so genannte Nahbereichsfotogrammetrie<br />
Anwendung. Sie befasst sich mit Objekten in einem Größenbereich<br />
von wenigen Zentimetern bis zu rund 100 Metern. In der Nahbereichsfotogrammetrie<br />
gibt es, anders als in der Luftbildfotogrammetrie, keine <strong>Ein</strong>schränkungen bei<br />
der Aufnahmeanordnung (Orientierung). Es können beliebige Aufnahmepositionen<br />
verwendet werden wie sie entstehen, wenn man ein Objekt mit einer Handkamera<br />
(hoch auflösende Digitalkamera) von mehreren Richtungen fotografiert. Häufigste<br />
Anwendungsgebiete der Nahbereichsfotogrammetrie sind neben der Architektur<br />
(Wiederaufbau und Restaurierung) auch die Archäologie, die industrielle Messtechnik,<br />
Medizin und Biomechanik, sowie die Unfallaufnahme.<br />
Abstand:<br />
207 mm<br />
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