Predigt über Jesaja 53, Vers 1-12 - Evangelisch-Lutherische ...
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<strong>Predigt</strong> über <strong>Jesaja</strong> <strong>53</strong>, <strong>Vers</strong> 1-<strong>12</strong><br />
am Karfreitag 2008 in Bruckmühl und Feldkirchen:<br />
Er schoß auf ..... wie ein Reis und wie eine Wurzel<br />
aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit.<br />
Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die<br />
uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und<br />
Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war<br />
so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm<br />
verbarg. Darum haben wir ihn für nichts geachtet.<br />
Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere<br />
Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt<br />
und von Gott geschlagen und gemartert wäre.<br />
Aber er ist um unserer Missetat willen verwundet<br />
und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe<br />
liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch<br />
seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die<br />
Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber<br />
der Herr warf unser aller Sünde auf ihn.<br />
Als er gemartert wurde, litt er doch willig und tat seinen<br />
Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank<br />
geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummt<br />
vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er<br />
ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer<br />
aber kann sein Geschick ermessen<br />
Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen,<br />
da er für die Missetat meines Volkes geplagt war.<br />
Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern,<br />
als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht<br />
getan hat und kein Betrug in seinem Mund gewesen<br />
ist. So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit.<br />
Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat,<br />
wird er Nachkommen haben und in die Länge leben,<br />
und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen.<br />
Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht<br />
schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis<br />
wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen<br />
Gerechtigkeit schaffen, denn er trägt ihre Sünden.<br />
Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und<br />
er soll die Starken zum Raube haben, dafür, daß er<br />
sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern<br />
gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen<br />
getragen und für die Übeltäter gebeten hat.<br />
<br />
„Das kann ich mit meinem Gottesbild nicht vereinbaren!“<br />
erklärte mir einmal jemand, studierter Theologe<br />
auch noch, als er den Text eines unserer Lieder<br />
– „Mag sein, Du kannst es nicht verstehn“ – las.<br />
„Es ist am Kreuz für Dich geschehn!“ – „Das klingt<br />
so nach Stellvertretung und Sühnopfer. Das macht<br />
den liebenden Gott zu einem blutrünstigen, rachsüchtigen,<br />
menschenfressenden Monster und entbindet<br />
uns von unserer Verantwortung fürs eigene<br />
Leben. „Nein, das kann ich so nicht bejahen.“<br />
Gut, ich kann menschlich verstehen, daß jemand so<br />
denkt und fühlt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob<br />
wir beim Anblick des Gekreuzigten überhaupt anders<br />
empfinden können. Wer da wirklich hinschaut, sich<br />
dieses Leiden bewußt macht und dann eiskalt und<br />
unberührt bleibt, der muß ja wohl krank im Kopf sein<br />
oder vollkommen abgestumpft.<br />
„Den Griechen eine Torheit, den Juden ein Ärgernis“,<br />
schreibt Paulus im 1. Korintherbrief, und ich<br />
glaube nicht, daß dieser Befund auf diese beiden<br />
Gruppen beschränkt ist. Das Kreuz und der Gekreuzigte<br />
sind das Ärgernis, der Skandal schlechthin.<br />
Wer hat da keine Schwierigkeiten Ich bitte Sie:<br />
Der müßte ja ein Herz aus Stein haben!<br />
Als ich vor zwei Jahren Mel Gibsons Passionsfilm im<br />
Kino sah, da war es so still, wie ich es noch nie in einem<br />
Kino erlebt hatte. Da war Schluß mit allem Getuschel<br />
und Popcorn-Geraschel. Und nicht wenige<br />
kam am Ende weinend aus der Vorstellung, mag<br />
man darüber denken, wie man will.<br />
Es steht übrigens auch nirgendwo geschrieben, daß<br />
das, was auf Golgatha geschah, „einfach“ oder „einleuchtend“<br />
ist. Es steht auch nirgendwo geschrieben,<br />
daß wir, auf welche Weise auch immer, das Kreuz<br />
„fassen“ oder „verstehen“ können sollen. Ich kann<br />
es tausendmal erklären und predigen, es wird doch<br />
immer ein Geheimnis des Glaubens bleiben.
Nicht zuletzt zieht es ja auch mir selber die Maske<br />
herunter. So schlecht bin ich doch gar nicht, sagen<br />
viele – und denken wahrscheinlich die allermeisten<br />
– und dann werde ich plötzlich damit konfrontiert,<br />
daß EINER sterben mußte und zwar so (!)<br />
sterben mußte, damit ich leben kann. Wahnsinn!<br />
Aber wissen Sie, was geschrieben steht – Daß<br />
ich darauf vertrauen darf und daß ich mich daran<br />
festmachen und halten kann, daß das alles für<br />
mich und Dich ganz persönlich geschehen ist. Fragt<br />
sich halt nur, was mit diesem „für“ gemeint ist.<br />
Vielleicht kann uns ja das Bild, das wir vorhin ausgeteilt<br />
haben, helfen, die Antwort zu finden. Es zeigt<br />
ein uraltes Kreuz im byzantinischen Stil, das sieht man<br />
gleich, genau gesagt, im „syrisch-orthodoxen“ Stil,<br />
der in Mittelitalien zu jener Zeit weit verbreitet war.<br />
So lange war es nämlich noch nicht her, daß Italien<br />
zum byzantinischen Reich gehörte. Auch in der<br />
Landschaft Umbrien, nördlich von Rom, wo das<br />
Kreuzbild vor 900 Jahren entstand, existierten damals<br />
noch orthodoxe Klöster, in denen man so arbeitete.<br />
Gemalt wurde zunächst auf Leinwand, die<br />
dann auf Nußbaumholz aufgeklebt wurde.<br />
Wir sehen den Gekreuzigten, aber es ist nicht der triumphierende<br />
König der Romanik mit goldener Krone<br />
auf dem Haupt und auch noch nicht der gebrochene<br />
„Schmerzensmann“ der Gotik, sondern ein einladender<br />
und segnender Christus, der zu sprechen<br />
scheint: „Kommt her, Ihr Gesegneten meines Vaters,<br />
und ererbt das Reich, das Euch von Anbeginn<br />
her bereitet ist!“ oder „Kommt her, die Ihr mühselig<br />
und beladen seid: ICH will Euch erquicken!“<br />
Es ist, wie es auch der Nimbus, der „Heiligenschein“<br />
hinter SEINEM Haupt erkennen läßt, der gekreuzigte<br />
und auferstandene Christus zugleich. ER hängt<br />
nicht wirklich. ER steht auch nicht wirklich. ER<br />
scheint zu schweben, hinter sich, besonders deutlich<br />
zu erkennen an den Füßen, die Finsternis des<br />
Grabes, die ER bereits hinter sich gelassen hat.<br />
Kreuz, Auferstehung und Erhöhung sind hier gewissermaßen<br />
in einem dargestellt. Und stirbt Jesus<br />
nach dem Bericht des Johannesevangeliums nicht<br />
mit den Worten „Es ist vollbracht!“ – Sehen Sie:<br />
In der Katastrophe deutet sich bereits die Rettung<br />
an. Schon im Sterben hat Christus „den Tod besiegt<br />
und denen in den Gräbern das Leben gebracht“,<br />
wie die Ostkirche in ihrer Osterliturgie singt.<br />
Den Rest des Kreuzes in allen Einzelheiten auszulegen<br />
und zu erklären würden drei <strong>Predigt</strong>en nicht<br />
reichen. Auf den Querbalken sind insgesamt sechs<br />
Engel zu sehen, die bewegten Anteil nehmen am<br />
Leiden des Gottessohnes. Links von Christus sehen<br />
wir Maria und Johannes, den „Jünger, den Jesus<br />
gern hatte“, rechts Maria und Martha, sowie den<br />
römischen Hauptmann Longinus.<br />
Daneben, ganz klein am Rand, kaum zu sehen bei<br />
dieser Größe, der Tempeldiener, der Jesus den<br />
Schwamm mit dem Essig reichte, und der Legionär,<br />
der Jesus die Lanze in die Brust stieß. Über Christi<br />
Haupt sehen wir den Herrn noch ein zweites Mal in<br />
einer kleinen runden Mandorla. Da steigt ER zum<br />
Himmel empor, freudig begrüßt von den Engeln, und<br />
kehrt zurück in die Herrlichkeit SEINES Vaters, der IHM<br />
von oben liebevoll die Hand entgegenstreckt.<br />
Das Bild läßt keinen Zweifel an der Grausamkeit des<br />
Geschehens von Golgatha. Hände und Füße weisen<br />
die Wundmale auf, das Blut spritzt in kleinen Fontänen<br />
hervor, ein makabrer Anblick. Und doch strahlt dieses<br />
Kreuz als Ganzes eine tiefe Ruhe aus, im über zwei<br />
Meter großen Original, das ich vor sechs Wochen mit<br />
eigenen Augen bewundern durfte, natürlich noch<br />
viel stärker als auf dieser kleinen Postkarte. Güte und<br />
Weisheit sprechen aus dem in die Ferne gerichteten<br />
Blick des Gekreuzigten. ER hat SEIN Ziel erreicht<br />
und unser Ziel vor Augen, Frieden und Heil, unsere<br />
<strong>Vers</strong>öhnung mit Gott, dem Ursprung, der Mitte und<br />
dem Ziel unseres Lebens. „Es ist vollbracht!“<br />
Aber das ist noch nicht alles. Dieses Kreuz hat nämlich<br />
eine Geschichte. Und es hat Geschichte geschrieben.<br />
Vor diesem Kreuz in einer verfallenen, einst dem<br />
heiligen Damian geweihten Kirchenruine bei Assisi<br />
erfuhr Giovanni alias Francesco Bernadone, der Sohn<br />
eines reichen Tuchhändlers, der nach einem Leben<br />
voller Sex & Drugs & Rock’n Roll in eine tiefe Sinnkrise<br />
gestürzt war, <strong>12</strong>05 seine entscheidende Berufung.<br />
Von diesem Kreuz her hörte er eine Stimme, die zu ihm<br />
sprach: „Francesco, du siehst wie mein Haus zerfällt!<br />
Geh und stell es wieder her!“ – was er zunächst<br />
wörtlich nahm und ganz handgreiflich beim Wiederaufbau<br />
der Ruine in die Tat umsetzte. Später aber<br />
verstand er es im Blick auf die verweltlichte mittelalterliche<br />
Kirche auch im übertragenen Sinn, die es zu<br />
ihren apostolischen Ursprüngen zurückzuführen und<br />
eben wieder neu aufzubauen galt.<br />
Nun mag man ja von solchen Geschichten wie auch<br />
von den später von Franz von Assisi überlieferten Legenden<br />
– bis hin zur Auferweckung von Toten –
halten, was man mag. Fakt ist immerhin, daß diese<br />
Vision das Leben des jungen Tunichtgut von Grund<br />
auf veränderte – und zwar mit einer Radikalität,<br />
die es sonst nur noch ganz selten in der Kirchengeschichte<br />
gegeben hat – beim Heiligen Benedikt<br />
von Nursia vielleicht, dem Gründer des Benediktinerordens,<br />
oder bei einem jungen Mönch im<br />
Schwarzen Kloster der Augustiner-Eremiten in Erfurt,<br />
dessen Name uns allen bestens vertraut sein sollte.<br />
Schon bald schlossen sich weitere Männer der Bewegung<br />
an, später auch Frauen, angeführt von der<br />
Hl. Klara, und heute sind die „Franziskaner“ mit weit<br />
über 50.000 Mitgliedern in zahlreichen Untergruppierungen<br />
der größte Orden der Welt.<br />
Wie war das noch: „Das kann ich mit meinem Gottesbild<br />
nicht vereinbaren!“ – Ja, das kann ich<br />
gut verstehen. Aber vielleicht sollte ja, wer so denkt,<br />
zur Abwechslung einmal nicht den Gekreuzigten,<br />
sondern sein eigenes Gottesbild hinterfragen. Denn<br />
nichts kennzeichnet den Gott der Bibel so wie die<br />
Tatsache, daß ER alles tut, nur nicht das, was Menschen<br />
von IHM erwarten, und sich einfach an keine<br />
Regeln hält, jedenfalls nicht an unsere.<br />
ER ist und bleibt immer der Freie, Unverfügbare und<br />
oft genug eben auch der Rätselhafte – auch und<br />
nicht zuletzt in SEINER Liebe. Nur eines steht fest:<br />
Niemals ist Gott böse! Und auch dann, wenn wir<br />
IHN mitunter nicht begreifen, können wir uns immer<br />
daran halten, daß ER uns dennoch liebt!<br />
„Das kann ich mit meinem Gottesbild nicht vereinbaren!“<br />
– Wie, und das soll’s dann gewesen sein<br />
Ich will Ihnen was sagen: Klassischer kann man einen<br />
<strong>Vers</strong>toß gegen das zweite Gebot (nach der<br />
Zählung der Bibel, nicht des lutherischen Katechismus)<br />
gar nicht formulieren: „Du sollst Dir kein (Gottes)bild<br />
machen!“ – Da geht es nämlich nicht nur<br />
um Götzenbilder aus Holz und Stein. Da geht es<br />
auch um die Götzenbilder in unseren Köpfen, die<br />
oft noch viel gefährlicher und irreführender sind.<br />
„Fürwahr, ER trug unsere Krankheit und lud auf sich<br />
unsere Schmerzen. Wir aber hielten IHN für den, der<br />
geplagt und von Gott geschlagen und gemartert<br />
wäre.“ – So schrieb schon vor 2½ tausend Jahren<br />
der 2. <strong>Jesaja</strong> in seinem „Lied vom leidenden Gottesknecht“.<br />
Drastischer kann man die Kluft zwischen Gottes<br />
Weisheit und Erbarmen und unseren menschlichen<br />
Maßstäben kaum ausdrücken:<br />
„Wir sahen IHN, aber da war keine Gestalt, die uns<br />
gefallen hätte. ER war der Allerverachtetste und<br />
Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. ER war<br />
so verachtet, daß man das Angesicht vor IHM verbarg.<br />
Darum haben wir IHN für nichts geachtet.“<br />
Zweifel und Anfechtungen in Ehren, aber kann ich<br />
mein Gottesbild zur Richtschnur über die Bibel machen<br />
– Mein persönlicher Glaube ist wichtig. Er<br />
hilft mir, biblische Aussagen besser zu verstehen,<br />
aber er kann sich doch nicht einfach darüber hinwegsetzen.<br />
Wer stellt hier eigentlich wen in Frage.<br />
Der liebende Gott, ja gewiß, aber dieser liebende<br />
Gott ist ja immer noch der, der am Kreuz blutigen<br />
Ernst macht, und nicht bloß irgendein harmloser<br />
Seid-nett-zueinander-Kasperl.<br />
Natürlich ist die Rede vom „Sühnopfer“ in unseren<br />
heutigen Ohren mißverständlich und hoch problematisch,<br />
weil sie unterstellt, Gott habe in dem Sinne das<br />
Blut seines Sohnes als Opfer gefordert. Da spukt in<br />
den Köpfen der Leute immer noch die unselige „Satisfaktionstheorie“<br />
des Mittelalters herum, wonach<br />
Christus durch SEIN Opfer (!) am Kreuz den Zorn Gottes<br />
habe besänftigen müssen. Das ist aber nicht, was<br />
die Bibel sagt, abgesehen davon, daß hier die Einheit<br />
des Vaters mit dem Sohn völlig mißachtet wird!<br />
Gott selbst geht ja in Jesus den Weg der Liebe und<br />
der Solidarität bis in die letzte Konsequenz. Gott<br />
selbst gibt SICH zum Opfer hin, damit Frieden wird<br />
zwischen IHM und uns, aber wie Paulus in 2. Kor 5<br />
sagt: ER versöhnt damit nicht Gott, sondern die<br />
Welt! Hier von einem blutrünstigen Moloch zu faseln,<br />
stellt die Dinge ja doch glatt auf den Kopf:<br />
„Die Strafe liegt auf IHM, auf daß wir Frieden hätten,<br />
und durch SEINE Wunden sind wir geheilt. Wir gingen<br />
alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen<br />
Weg. Aber der Herr warf unser aller Sünde auf IHN.“<br />
Und was nun schließlich die Verantwortung für das<br />
eigene Leben betrifft: Nennen Sie mir auch nur eine<br />
einzige Stelle in der Bibel, wo gesagt wird, weil<br />
Christus am Kreuz für uns gestorben sei, könne uns<br />
alles egal sein und bräuchten wir uns um nichts<br />
mehr zu kümmern, und ich hänge auf der Stelle<br />
meinen Talar an den Nagel. – AMEN!