Geschichte Hohenfrieds - Evangelisch-Lutherische ...
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1927-2002<br />
stollwerck-mausoleum<br />
hohenfried<br />
1
Salus<br />
Naturarzneimittel<br />
Salus zählt mit seiner Gründung im Jahr 1916 zu den Initiatoren der Reformbewegung und kann daher<br />
auf eine lange Tradition in der umweltgerechten Herstellung gesunder natürlicher Arzneimittel und<br />
Lebensmittel zurückblicken.<br />
Diese Tradition macht Salus zu einem lebendigen Stück <strong>Geschichte</strong> – gerade wenn es darum geht, eine<br />
intakte Natur und Umwelt für zukünftige Generationen zu erhalten.<br />
Otto Greither, Geschäftsführer<br />
Salus-Kräutergarten<br />
Im Salus-Kräutergarten im oberbayerischen Bruckmühl werden<br />
viele Heilkräuter kultiviert – darunter auch zahlreiche bedrohte<br />
Arten wie das Tausendgüldenkraut. Gerade bei den bedrohten<br />
Arten findet häufig zum ersten Mal ein Anbauversuch statt.<br />
Der Kräutergarten wird nach den Richtlinien des ökologischen<br />
Landbaus bewirtschaftet. Der Verzicht auf chemische Spritzund<br />
Düngemittel erfordert bei den neu kultivierten Pflanzen<br />
sehr viel Forschungsarbeit im Bereich der natürlichen Unkrautbekämpfung.<br />
Salus-Farmen in Chile<br />
Die im Kräutergarten gewonnenen Erkenntnisse werden auf<br />
den drei Salus-Farmen im Süden von Chile umgesetzt. Hier<br />
wachsen viele der ökologischen Rohstoffe, die bei Salus eingesetzt<br />
werden. Dadurch befindet sich der gesamte Produktions-<br />
prozeß in einer Hand. Das ist die beste Garantie für hochwertige<br />
Produkte aus ökologischem Anbau.<br />
Salus in Bruckmühl<br />
Auch die Herstellung der Salus-Produkte in Bruckmühl ist nach<br />
ökologischen Richtlinien ausgelegt – allein die eigene Stromerzeugung<br />
aus Wasserkraft bietet dafür ein eindrucksvolles Beispiel.<br />
Die systematische Umsetzung eines nachhaltigen Umweltschutzkonzeptes<br />
in allen Betriebsbereichen konnte Salus bei der<br />
Teilnahme am EG-Öko-Audit nachweisen. Salus ist das erste<br />
Unternehmen der Reformbranche, das an diesem Umweltschutzsystem<br />
teilnimmt und wurde dabei mit dem Prädikat „eins<br />
mit Stern“ ausgezeichnet.<br />
Der Salus-Kräutergarten in Bruckmühl<br />
Kräuterlehrpfad im Vogelparadies<br />
Dem Betriebsgelände angegliedert ist ein schutzwürdiges Auwaldbiotop,<br />
das noch in seiner natürlichen Artenvielfalt erhalten ist und<br />
vielen Vögeln als Nist- oder Rastplatz dient.<br />
Hier kann der interessierte Besucher viele seltene Pflanzen an ihrem<br />
natürlichen Standort kennenlernen.<br />
Salus-Naturarzneimittel<br />
Das Salus-Programm ist nur im Reformhaus erhältlich. Es enthält<br />
die gesamte Palette pflanzlicher Arzneimittel – von Tonika wie dem<br />
Kräuterblutsaft über Arznei-Kräutertees bis zu Frischpflanzentropfen,<br />
Kapseln und Tabletten sowie eine Auswahl gesunder natürlicher<br />
Lebensmittel wie Reis und Früchtetees.<br />
Schreiben Sie uns, wenn Sie mehr über das Salus-Haus erfahren oder<br />
an einer Führung durch den Kräutergarten oder das Vogelparadies teilnehmen<br />
wollen.<br />
Salus-Haus GmbH & Co. KG, Bahnhofstr. 24, 83052 Bruckmühl<br />
www.salus.de
1927-2002<br />
stollwerck-mausoleum<br />
hohenfried<br />
festschrift zum<br />
75-jährigen jubiläum<br />
3
Impressum<br />
Herausgeber: <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong> Kirchengemeinde,<br />
Bruckmühl mit Feldkirchen-Westerham<br />
Adalbert-Stifter-Straße 2, 83052 Bruckmühl<br />
Telefon 08062 / 4770 – Fax 08062 / 805339<br />
E-Mail: bruckmuehl-evangelisch@web.de<br />
Verantwortlich: Pfarrer Harald Höschler<br />
Satz und Gestaltung: katheder marketing services<br />
Schulstraße 4, 83052 Bruckmühl-Götting,<br />
Telefon 08062 / 805239 – Fax 08062 / 78431<br />
E-Mail: kontakt@katheder.com; Internet: www.katheder.com<br />
Druck: Inngau Verlag GmbH,<br />
Rathausstraße 4, 83022 Rosenheim<br />
Telefon 08031 / 408830 – Fax 08062 / 408865<br />
E-Mail: info@inngau-verlag.de<br />
Erscheinungsdatum: September 2002<br />
Auflage: 3.500 Exemplare<br />
Vervielfältigung und Weiterverwendung von Texten und Bildern, auch auszugsweise,<br />
nur mit Zustimmung des <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>n Pfarramts, Bruckmühl<br />
4
Vorwort 6<br />
GruSSworte 9<br />
Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler 9<br />
Dekan Michael Grabow 10<br />
Pfarrer Willi Wendler 11<br />
Pfarrer Gerhard Salzeder 12<br />
Landrat Dr. Max Gimple 13<br />
Bürgermeister Franz Heinritzi 14<br />
Bürgermeister Michael Weber 15<br />
Fanny-Carlita-Stiftung 16<br />
Akademie der Bildenden Künste 17<br />
Kaiserswerther Diakonie 18<br />
Vorgeschichte<br />
Reformation im Mangfalltal 19<br />
<strong>Geschichte</strong> des<br />
Stollwerck-Mausoleums<br />
und der Villa hohenfried 29<br />
Historische Dokumente 49<br />
Briefe von und an Fanny Stollwerck 50<br />
Auszüge aus der Traubibel Stollwerck 52<br />
Pressebericht zur Beisetzung Karl Stollwerck 55<br />
Todesanzeige / Testament Fanny Stollwerck 58<br />
Nutzungsvertrag von 1971 / 72 60<br />
Erinnerungen 61<br />
Tagebuch Pfarrer Braun 1945 62<br />
Kirchenkampf-Erklärung 1934 65<br />
Gemeindeglieder der 30er Jahre 66<br />
Gottesdienstplan Bad Aibling 1945 / 46 67<br />
Erinnerungen Pfarrer Samhammer 68<br />
Interview mit Pauline Peetz 70<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
5<br />
Kirchweihjubiläen 73<br />
Gedicht Pauline Peetz 1952 74<br />
Predigt OKR Arnold Schabert 1952 76<br />
Reisebericht Pastor von Lüttichau 80<br />
Oberbayerisches Volksblatt 1977 84<br />
Sonntagsblatt 1983 86<br />
Stollwerck AG<br />
<strong>Geschichte</strong> und Gegenwart 87<br />
Werke von Stipendiaten<br />
der Fanny-Carlita-Stiftung 91<br />
evangelische Kirchengemeinde<br />
bruckmühl mit<br />
feldkirchen-westerham 97<br />
Mitarbeiter(innen) der Kirchengemeinde<br />
einst und heute 98<br />
Gottesdienste 101<br />
Kirchenvorstand 102<br />
Familienarbeit Bruckmühl 104<br />
Familienarbeit Feldkirchen 105<br />
Jugendarbeit 106<br />
Jugendchor 107<br />
Jugendfreizeiten 108<br />
Konfirmanden 109<br />
Gemeinde im Gespräch 110<br />
Frauen 111<br />
Senioren 112<br />
Kirchenmusik 113<br />
Diakonie 114<br />
Gemeindefeste 115<br />
Ehrenamtliche 116<br />
Ökumene 117<br />
Gemeindebrief 120<br />
Internet 121<br />
Namen und Adressen 122
Vorwort<br />
75<br />
Jahre wird das Stollwerck-Mausoleum<br />
in<br />
diesem Jahr alt. Ein<br />
Dreivierteljahrhundert lang war es<br />
der zunächst noch sehr kleinen, im<br />
Laufe der Zeit aber doch schnell<br />
wachsenden evangelischen Gemeinde<br />
im westlichen Mangfalltal geistliche<br />
Heimat und treuer Wegbegleiter<br />
in Freud und Leid.<br />
Und was noch wichtiger ist – gleichermaßen<br />
erstaunlich wie erfreulich<br />
nach dem Bau der Emmauskirche<br />
in Feldkirchen 1982/1983: Für<br />
viele in unserer Gemeinde ist es das<br />
bis zum heutigen Tag!<br />
Anläßlich dieses Ereignisses hat sich<br />
der Kirchenvorstand der <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>n<br />
Kirchengemeinde<br />
Bruckmühl mit Feldkirchen-Westerham<br />
bereits im vergangenen Jahr<br />
entschlossen, eine Festschrift herauszugeben.<br />
Wir wollen zurückschauen<br />
und uns erinnern:<br />
• nicht nur an die <strong>Geschichte</strong> der<br />
evangelischen Kirche in Oberbayern<br />
im Allgemeinen oder des Stollwerck-Mausoleums<br />
im Besonderen,<br />
• auch nicht nur an die Menschen,<br />
die das Mausoleum einst gestiftet<br />
haben oder als Pfarrer oder Mesner,<br />
Kirchenmusiker oder Mitglieder des<br />
Kirchenvorstandes mit viel Liebe<br />
und Einsatz all die Jahre in der<br />
Gemeinde gewirkt haben,<br />
• sondern mit großer Freude und<br />
Dankbarkeit vor allem daran, wie<br />
wunderbar der menschenfreundliche<br />
Gott hier immer wieder in Wort<br />
und Sakrament Menschen begegnet<br />
ist, wie ER sie angesprochen und in<br />
SEINEN Dienst gerufen hat, zur<br />
Ehre SEINES Namens, und wie treu<br />
und segensreich ER SEINE Gemeinde<br />
all die Jahre und Jahrzehnte hindurch<br />
geführt, getragen und begleitet<br />
hat – bis zum heutigen Tag.<br />
Zugleich wollen wir aber auch die<br />
Gelegenheit ergreifen, die heutige<br />
Kirchengemeinde mit ihren zahlreichen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
und vielfältigen Aktivitäten<br />
und Arbeitsfeldern vorzustellen.<br />
Manche werden sich vielleicht über<br />
den Umfang dieser Festschrift wundern.<br />
Wir haben darin jedoch eine<br />
6<br />
einmalige Chance gesehen, etwas<br />
zu zeigen und zu erzählen, was<br />
viele sonst nie erfahren würden.<br />
Aus diesem Grunde wird diese Festschrift<br />
auch nicht etwa nur einem<br />
kleinen Kreis einiger weniger „Auserwählter“<br />
zugänglich gemacht<br />
oder verkauft werden, sondern<br />
zusammen mit der Herbstausgabe<br />
unseres Gemeindebriefes an alle<br />
Glieder unserer Gemeinde und sonstigen<br />
Interessenten verteilt.<br />
Dazu wäre unsere Kirchengemeinde<br />
finanziell aus eigener Kraft freilich<br />
niemals in der Lage gewesen.<br />
So hatte sich der Kirchenvorstand<br />
bereits im vergangenen Jahr entschlossen,<br />
das Werk komplett mit<br />
Hilfe von über die Festschrift verteilter<br />
Werbung zu finanzieren.<br />
Mit Fortgang der Arbeiten wurde<br />
jedoch immer deutlicher, daß dies<br />
dem Charakter und der Würde der<br />
Festschrift doch sehr widersprochen<br />
hätte, und wir mußten zusätzliche<br />
Wege der Finanzierung suchen.<br />
So danken wir an dieser Stelle den<br />
folgenden Firmen, Einrichtungen und<br />
Einzelpersonen ausdrücklich für<br />
ihre großzügige Unterstützung:<br />
• Kuratorium der Fanny-Carlita-Stiftung,<br />
München<br />
• Stuart Tomlinson, Bruckmühl<br />
• Karoline und Otto Greither,<br />
Bruckmühl<br />
• Christa Hübner, Feldkirchen-<br />
Westerham
Unser ganz besonderer Dank aber<br />
gilt der Firma katheder marketing<br />
services, Götting. Sie betreut bereits<br />
seit längerer Zeit den Internet-Auftritt<br />
unserer Gemeinde (www.bruckmuehl-evangelisch.de).<br />
Auch diesmal<br />
stand sie uns wieder in hervorragender<br />
Weise mit Rat und Tat zur<br />
Seite und erstellte, nicht zuletzt<br />
durch ihren Mitarbeiter, Herrn Josef<br />
Stumböck, kostenlos das gesamte<br />
Layout. Ohne diese professionelle Begleitung<br />
wäre das Projekt in dieser<br />
Form niemals möglich gewesen.<br />
Bei unseren teilweise doch recht<br />
aufwendigen Recherchen wurden<br />
wir von zahlreichen Einzelpersonen<br />
und Einrichtungen unterstützt. Mit<br />
großer Dankbarkeit zu nennen sind<br />
hier vor allem die folgenden:<br />
• Pauline Peetz, langjährige Organistin<br />
im Stollwerck-Mausoleum<br />
Hohenfried: Sie lieferte durch ihre<br />
wirklich unschätzbaren Erinnerungen<br />
überhaupt erst den Anstoß für<br />
viele Nachforschungen.<br />
• Gottfried Braun, Kerpen, Leitender<br />
Regierungsdirektor a. D., ein<br />
Sohn des langjährigen Bad Aiblinger<br />
Pfarrers Hermann Braun: Er<br />
stellte uns bereitwilligst authentisches<br />
Material zur Verfügung und<br />
brachte in einer wahren Flut von<br />
Briefen wichtige Ergänzungen an.<br />
• Margarete Fischer, Beyharting, die<br />
Tochter des einstigen Mesner-Ehepaares<br />
Otto: Sie wohnte 33 Jahre<br />
lang mit ihren Eltern im Mesnerhaus<br />
und hatte manches zu erzählen.<br />
• Willi Wendler, Neuendettelsau,<br />
seit 1958 ”exponierter Vikar” bzw.<br />
von 1963 bis 1984 Pfarrer unserer<br />
Gemeinde: Dank seines Archivs<br />
und guten Gedächtnisses war er in<br />
der Lage, uns mehrfach an entscheidenden<br />
Stellen weiterzuhelfen.<br />
• Günther Schlierbach, Mesner an<br />
der evangelischen Kirche „Zum<br />
guten Hirten“ in Bad Feilnbach: Ihm<br />
verdanken wir Fotos, Dokumente<br />
und unschätzbare Details aus den<br />
Bad Aiblinger Kirchenbüchern.<br />
• Jochen Sturm, Bruckmühl: Er<br />
„schoß“ die Fotos für die Festschrift<br />
zum 50jährigen Jubiläum 1977 und<br />
stellte sie uns zur Verfügung.<br />
• Odino (leider Anfang 2002 verstorben)<br />
und Margarete Brandolin,<br />
die heutigen Bewohner der einstigen<br />
„Elisabethruhe“: Freundlich<br />
empfingen sie uns bei sich und<br />
berichteten wertvolle Einzelheiten<br />
zur <strong>Geschichte</strong> ihres Hauses.<br />
• Manfred und Brigitte Braun,<br />
Hohenfried, die heutigen Bewohner<br />
der einstigen Stollwerck-Villa:<br />
Sie trugen entscheidend zur Aufklärung<br />
der weiteren bewegten <strong>Geschichte</strong><br />
des Hauses nach dem Tod<br />
von Karl und Fanny Stollwerck bei.<br />
• Oberamtsrat Hans-Peter Schroth,<br />
Bayerisches Staatsministerium für<br />
Unterricht und Kultus, München, Geschäftsführer<br />
der Fanny-Carlita-Stiftung:<br />
Er überließ uns wichtige Dokumente<br />
und unterstützte uns bereitwillig<br />
auch in anderer Hinsicht.<br />
• Dr. Volker Stanslowski vom Präsidialbereich<br />
der Bundeswehr-Universität,<br />
München-Neubiberg: Er<br />
besorgte uns die Informationen<br />
7<br />
Vorwort<br />
über die Nutzung der Villa durch<br />
die US Air Force nach 1945.<br />
• Colonel William Gordon Coloney,<br />
Broadalbin, New York, Oberst i. R.<br />
der 86th Fighter Wing, US Air Force:<br />
Von ihm stammen die Fotos aus der<br />
oben genannten Zeit.<br />
• Gertrud Voll, Neuendettelsau: Sie<br />
kümmert sich im Auftrag der bayerischen<br />
Landeskirche um kirchliches<br />
Kunstgut und verschaffte uns bereits<br />
1999 durch Nachforschungen über<br />
Professor (?) Hermann Neuhaus und<br />
andere in Hohenfried tätige Künstler<br />
wichtige Erkenntnisse.<br />
• Dr. Esther P. Wipfler, Redaktion,<br />
Reallexikon für Deutsche Kunstgeschichte:<br />
Sie unterstützte Gertrud<br />
Voll tatkräftig bei ihren Nachforschungen<br />
über Hermann Neuhaus.<br />
• Helmut Giese, Waith, Archivpfleger<br />
der Marktgemeinde Bruckmühl:<br />
Er lieferte uns wichtige Hinweise<br />
und manche historischen Fotos.<br />
• Helmut Loose, Bad Aibling, Kreisheimatpfleger:<br />
Auch ihm verdanken<br />
wir weiterführende Hinweise.<br />
• Ludwig Stadler, Bildberichterstatter,<br />
Bad Aibling: Er trug seine Erinnerungen<br />
und historische Aufnahmen<br />
vom Flugplatz und Kriegsgefangenenlager<br />
Mietraching bei.<br />
• Pfarrer Karl Harrer vom Alt-<br />
Katholischen Pfarramt München: Er<br />
bestätigte uns die Zugehörigkeit<br />
von Generalkonsul Karl Stollwerck<br />
zur Alt-Katholischen Kirche und<br />
konnte detaillierte Angaben zu dessen<br />
Beerdigung machen.
Vorwort<br />
• Gertraud und Peter Forster: Sie<br />
halfen uns, schwer lesbare historische<br />
Dokumente zu entziffern.<br />
• Gerdi Dietrich, Gisela und Mathias<br />
Fritzsche, Traudl Kaufmann,<br />
Waltraud Klingenmeyer und Armin<br />
Wittig: Sie übernahmen die undankbare<br />
Aufgabe des Korrekturlesens.<br />
• Dr. Michael Koch, Bayerisches<br />
Nationalmuseum, München: Er half<br />
uns bereitwilligst, die in Hohenfried<br />
tätig gewesenen (und durchweg<br />
namhaften) Künstler zu ermitteln.<br />
• Diplom-Restauratorin Kathrin<br />
Kinseher, Akademie der Bildenden<br />
Künste, München: Sie stellte Werke<br />
früherer Stipendiaten der Fanny-Carlita-Stiftung<br />
zusammen, besorgte uns<br />
die Photographie eines Gemäldes<br />
von Carlita Stollwerck und gab Hinweise<br />
zu Hermann Neuhaus.<br />
• Michael Zschenderlein, Amt für<br />
Landschaftspflege und Grünflächen,<br />
Friedhofsverwaltung, der Stadt Köln:<br />
Er war uns mit eigenen Nachforschungen<br />
weit über das zu erwartende<br />
Maß hinaus behilflich, den Ort<br />
der ursprünglichen Grabstätte Carlita<br />
Stollwercks und ihr Alter und<br />
Sterbedatum zu rekonstruieren.<br />
• Werner Jürgensen, Oberarchivrat<br />
im Landeskirchlichen Archiv, Nürnberg:<br />
Er lieferte uns das Foto des<br />
einstigen Münchener Kreisdekans,<br />
Oberkirchenrat Arnold Schabert.<br />
• Bernhard Pfaff, Stollwerck AG,<br />
Köln: Er erteilte uns die Genehmi-<br />
Das Bruckmühler Pfarramtsteam im Herbst 2002, Pfarrer, Pfarrerin,<br />
Diakon und Lehrvikar, Vertrauensmann des Kirchenvorstandes, die<br />
beiden Sekretärinnen im Pfarramt und der Zivildienstleistende.<br />
gung, Teile der Firmen-Website<br />
abzudrucken, und ließ uns Fotos<br />
und andere Grafiken zukommen.<br />
• UK-Online, Internet-Informationsdienst<br />
der britischen Regierung,<br />
London: Er half uns, die <strong>Geschichte</strong><br />
von Marion Stollwercks Ehe mit dem<br />
Abgeordneten und Minister Frederic<br />
John Bellenger zu verifizieren,<br />
und stellte die Verbindung zu den<br />
folgenden weiteren Quellen her:<br />
• Houses of Parliament, Informationsdienst,<br />
London<br />
• The Honourable MP John Mann,<br />
Mitglied des britischen Unterhauses,<br />
Bassetlaw, Nottinghamshire<br />
• Malcolm Dolby vom Bassetlaw<br />
Museum, Amcott House, Retford,<br />
Nottinghamshire<br />
Vollständigkeit in allen Einzelheiten<br />
konnte freilich nicht erzielt werden.<br />
An manchen Stellen mußten<br />
trotz aller Anstrengungen am Ende<br />
doch Fragen offen bleiben. Auch<br />
Fehler können wir nicht mit letzter<br />
Sicherheit ausschließen, so sehr wir<br />
8<br />
uns auch um eine korrekte Ermittlung<br />
der Fakten bemüht haben. Eine<br />
überaus spannende, in vielem erhellende<br />
und aus unserer Sicht auch<br />
bewegende und anrührende <strong>Geschichte</strong>,<br />
menschlich wie geistlich,<br />
ist trotzdem daraus geworden. Das<br />
hoffen wir jedenfalls und wünschen<br />
Freude und Gewinn beim Lesen.<br />
Harald Höschler<br />
Pfarrer<br />
Susanne Kießling-Prinz<br />
Pfarrerin<br />
Friedrich Wiesinger<br />
Diakon<br />
Wolfgang Claußner<br />
Vertrauensmann des<br />
Kirchenvorstands
Ein Mausoleum als Gotteshaus, als<br />
Ort der Begegnung und Feier, mag<br />
auf den ersten Blick eigenartig und<br />
fremd erscheinen. Doch bei näherem<br />
Hinsehen, das großartige Neuhaus’sche<br />
Auferstehungsfresko im<br />
Innern des Raumes vor Augen, wird<br />
jedem und jeder bewußt: Hier ist<br />
der gegenwärtig, der spricht:<br />
„Siehe, ich bin bei euch alle Tage<br />
bis an der Welt Ende.“<br />
Am 27. September 1927 wurde das<br />
Stollwerck-Mausoleum eingeweiht.<br />
Seit dieser Zeit dient die „Schokoladenkirche“<br />
den <strong>Evangelisch</strong>en in<br />
Feldkirchen und Umgebung als<br />
gottesdienstlicher Mittelpunkt. Für<br />
uns heute ist es kaum mehr vorstellbar,<br />
mit welchen Vorurteilen und<br />
Ressentiments die evangelischen<br />
Christen damals kämpfen mußten<br />
– für manche schienen sie fast der<br />
Leibhaftige in Menschengestalt zu<br />
sein. Dabei haben die Protestanten<br />
in Altbayern eine Jahrhunderte<br />
alte Tradition.<br />
Wann beginnt unsere <strong>Geschichte</strong>?<br />
Nicht erst mit der Reformation. Wir<br />
Grußwort Regionalbischöfin<br />
<strong>Evangelisch</strong>en blicken mit demselben<br />
Stolz wie unsere römischkatholischen<br />
Geschwister auf die<br />
Wurzeln des Christentums zurück:<br />
auf die Missionierung unter Columban<br />
im 7. Jahrhundert, auf Korbinian,<br />
Emmeram und Rupert, die<br />
großen christlichen Missionare im<br />
8. Jahrhundert, auf die Klostergründungen<br />
unter Tassilo III. auf Frauenund<br />
Herrenchiemsee.<br />
Natürlich, die evangelische „Zeitrechnung“<br />
beginnt im 16. Jahrhundert<br />
– und diese Anfänge sind dramatisch.<br />
Der bayerische Herzog<br />
zwingt den Rat der Stadt München,<br />
die Anhänger Luthers hinzurichten<br />
oder zu vertreiben. Doch gelingt es<br />
Einzelnen wie Wolf Dietrich von<br />
Maxlrain oder Joachim von Ortenburg,<br />
evangelische Inseln im katholischen<br />
Meer zu bilden.<br />
Einer der renommiertesten Vertreter<br />
der lutherischen Lehre in Altbayern<br />
ist Pankraz von Freyberg, Herr von<br />
Hohenaschau und Wildenwarth.<br />
Sein Eifer, der Obrigkeit zu zeigen,<br />
daß die „wahre“ katholische Kirche<br />
bei den Lutheranern zu finden sei,<br />
soll ihm am Ende nicht gut bekommen:<br />
Nach Jahren der Gefangenschaft<br />
im Münchner Falkenturm<br />
stirbt er körperlich und seelisch<br />
gebrochen am Heiligen Abend des<br />
Jahres 1565.<br />
Das 19. Jahrhundert bringt den Umschwung:<br />
Der Kurfürst und spätere<br />
König Max I. Joseph höchstpersönlich<br />
gewährt gegen den Willen des<br />
Rates und der Stände den ersten<br />
protestantischen Bürgern in München<br />
das Niederlassungsrecht. Hinter<br />
dieser Entscheidung steht – wen<br />
9<br />
wundert‘s? – eine Frau: Karoline<br />
von Baden. Sie hat sich im Ehevertrag<br />
mit dem Kurfürsten ihr <strong>Evangelisch</strong>sein<br />
ausdrücklich zusichern<br />
lassen und in ihrem Gefolge gleich<br />
120 <strong>Evangelisch</strong>e mit an den Hof<br />
gebracht. Manche Ortschaften, in<br />
denen damals Siedler aus der Pfalz<br />
ansässig wurden, tragen bis heute<br />
ihren Namen – darunter Großkarolinenfeld,<br />
eine der ältesten evangelischen<br />
Gemeinden in Altbayern.<br />
Die Diasporasituation prägt den<br />
oberbayerischen Protestantismus<br />
bis heute. Doch stehen sich evangelische<br />
und katholische Christen<br />
längst nicht mehr feindlich gegenüber.<br />
Aus dem einstigen Konfessionalismus<br />
ist eine versöhnte Verschiedenheit<br />
geworden, die im Namen<br />
des Auferstandenen zusammenfindet.<br />
In diesem Sinne ist die <strong>Geschichte</strong><br />
des Stollwerck-Mausoleums in Hohenfried<br />
eine 75-jährige geistliche<br />
Erfolgsgeschichte. Möge sie der<br />
Herr über Leben und Tod segensreich<br />
fortführen.<br />
Susanne Breit-Keßler<br />
Regionalbischöfin im Kirchenkreis<br />
München und Oberbayern
„Kirchen in der Zeit“ – so hat Oberkirchenrat<br />
Arnold Schabert zum<br />
25jährigen Jubiläum des Stollwerck-Mausoleums<br />
im Jahr 1952<br />
seine Predigt überschrieben. Kirchen<br />
in der Zeit – das gilt ganz besonders<br />
für diese bemerkenswerte<br />
Andachtsstätte mit ihrer wechselvollen<br />
<strong>Geschichte</strong>. Selten vereinigt<br />
ein Gebäude so viel in seiner<br />
Gestalt und <strong>Geschichte</strong> wie<br />
Hohenfried.<br />
In seiner historisierenden Gestalt<br />
vereint sich neoklassizistische Architektur<br />
mit persischen Elementen<br />
und Anklängen an einen späten<br />
Jugendstil. Religiös steht Hohenfried<br />
mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit<br />
für eine vorweg<br />
genommene Ökumene.<br />
Historisch gesehen spiegelt sich in<br />
diesen 75 Jahren die deutsche <strong>Geschichte</strong><br />
des 20. Jahrhunderts. Seine<br />
Erbauer suchten einen Ort der Ruhe,<br />
einen hohen Frieden hier im Tal,<br />
um von hier aus die umfangreichen<br />
Unternehmen zu leiten. Doch die<br />
<strong>Geschichte</strong> ging an diesem schein-<br />
Grußwort Dekan<br />
bar idyllischen und abgelegenen<br />
Ort nicht vorbei.<br />
Pfarrer Harald Höschler und viele<br />
aus der Gemeinde haben mit Feuereifer<br />
recherchiert und Erstaunliches<br />
zusammengetragen. Dafür gebührt<br />
ihnen großer Dank. Längst nicht<br />
alles konnte in dieser Festschrift<br />
dokumentiert werden.<br />
Zu einer „Anstaltskirche für bedürftige<br />
Großstadtkinder“ sollte das<br />
Mausoleum werden. Grablege für<br />
die Familie Stollwerck wurde es –<br />
und Gemeindekirche für die <strong>Evangelisch</strong>en<br />
rund um Feldkirchen.<br />
Nach dem Tod von Fanny Stollwerck<br />
im Jahr 1943 wurde das<br />
Anwesen von den Nazis konfisziert<br />
und das Haus von einem ihrer „Verwalter<br />
des Todes“, Albert Ganzenmüller<br />
bezogen. Nach dem Krieg<br />
war das Haus Hohenfried Offizierskasino<br />
der US-Streitkräfte.<br />
Die Kirche selbst aber konnte über<br />
75 Jahre hinweg als Ort des Gottesdienstes<br />
Bestand haben und bildete<br />
einen wichtigen Kristallisationspunkt<br />
für den Aufbau der Feldkirchener<br />
und Bruckmühler Gemeinde.<br />
Und obwohl Feldkirchen nun<br />
schon seit 19 Jahren eine eigene<br />
Kirche hat, finden bis heute im<br />
Stollwerck-Mausoleum regelmäßige<br />
Gottesdienste statt – ganz selbstverständlich<br />
und gut besucht.<br />
Das zeigt die überaus große Bedeutung<br />
von Hohenfried für viele <strong>Evangelisch</strong>e<br />
bis heute. Doch ein Name<br />
verbindet sich ganz besonders mit<br />
diesem Ort: Pauline Peetz. Welche<br />
Orgel kann sich schon rühmen, 65<br />
10<br />
Jahre lang von derselben Organistin<br />
gespielt worden zu sein? Hohenfried<br />
kann es. So hat Frau Peetz<br />
inzwischen 65 der 75 Jahre Hohenfried<br />
mit ihrem Spiel begleitet und<br />
miterlebt und kann eine Menge<br />
Interessantes erzählen.<br />
„Erbaut 1927 zu Gottes und unseres<br />
Heilandes Ehre in ewiger Dankbarkeit“<br />
– mit der Dankbarkeit der<br />
Erbauer verbindet sich unsere<br />
Dankbarkeit für 75 Jahre der<br />
Bewahrung und Begleitung Gottes<br />
an diesem Ort Hohenfried.<br />
Ich wünsche dem Stollwerck-Mausoleum<br />
weiterhin Gottes freundliches<br />
Geleit für eine Zukunft in Frieden<br />
– Gott zur Ehre und den Menschen<br />
zum Segen.<br />
Michael Grabow<br />
Dekan
Pfarrer Willi Wendler, zusammen mit seiner<br />
1988 leider verstorbenen Frau Erika, bei der<br />
Verabschiedung aus Bruckmühl im Juli 1984<br />
„FRIEDE SEI MIT EUCH“ – mit diesem<br />
Zuspruch, weithin sichtbar<br />
über dem Säulenportal, empfängt<br />
die Kapelle ihre Besucher, ganz so,<br />
wie auch nach Ostern der Auferstandene<br />
seine Jünger grüßte. Wie<br />
oft hat mich in den vielen Jahren<br />
meines Dienstes dieser Friedenswunsch<br />
geleitet!<br />
Unvergeßlich für mich die erste<br />
Konfirmation, als die kleine Schar<br />
der Konfirmanden aus dem Mesnerhaus<br />
auf dem Waldsteig zur Kapelle<br />
hinaufzog. Damals, und immer wieder<br />
aufs Neue, stimmte der Kirchenraum<br />
zu Andacht, Gebet und Meditation<br />
ein. Ja, ist er nicht selbst Verkündigung<br />
durch seine Darstellungen<br />
aus der Heilsgeschichte Gottes?<br />
Die Gestalt des Erlösers ist allge-<br />
Grußwort Pfarrer Wendler<br />
genwärtig: sein segnendes Antlitz,<br />
seine Geburt, sein Leiden am<br />
Kreuz, seine Auferstehung; am eindrucksvollsten<br />
und zentralsten über<br />
den Sarkophagen in der Apsis. So ist<br />
diese Stätte nicht allein dem Gedenken<br />
der Toten gewidmet, sondern<br />
sie atmet Auferstehung.<br />
Darauf weist auch die Inschrift unmittelbar<br />
beim Betreten der Kapelle<br />
hin: „Erbaut 1927 zu Gottes und<br />
unseres Heilandes Ehre in ewiger<br />
Dankbarkeit“. Kaum ein Besucher<br />
blieb von dieser sinnstiftenden Aussage<br />
unberührt.<br />
Für mich als Prediger war die Bestimmung<br />
dieser Stätte eine besondere<br />
Herausforderung, wenn ich<br />
von der Kanzel mit ihrem bedeutsamen<br />
Schnitzwerk das Evangelium<br />
an Menschen aus den verschiedenen<br />
Regionen unseres Vaterlandes<br />
und ehemals deutschen Siedlungsgebieten,<br />
an Einheimische und Fremde,<br />
an Flüchtlinge und Gäste verkündigte.<br />
Zugleich förderten diese<br />
Gottesdienste die Gemeinschaft mit<br />
den Diakonissen des Kaiserwerther<br />
Diakonieverbandes und ihren<br />
Gästen in der „Elisabethruhe“,<br />
sowie mit dem „Missionsdienst für<br />
Christus“ auf Schloß Altenburg.<br />
Erinnerung an gesegnete Stunden<br />
und Begegnungen bewegen in der<br />
Rückschau mein Herz: an Gottesdienste<br />
und Abendmahlsfeiern, an<br />
Taufen und Konfirmationen, an<br />
Trauungen und fürbittendes Gedenken<br />
an unsere Verstorbenen, an kirchenmusikalische<br />
Veranstaltungen,<br />
an Familiengottesdienste auf dem<br />
lichtdurchfluteten Vorplatz, an die<br />
festlichen Weihnachtsgottesdienste<br />
11<br />
im Angesicht der kunstvoll-geschnitzten<br />
Krippe auf dem Altar und<br />
nicht zuletzt an den Festgottesdienst<br />
zum 50jährigen Jubiläum. Vielen ist<br />
die Kapelle zu einem Ort des<br />
Segens, der Erbauung im Glauben<br />
und des Trostes geworden.<br />
So grüße ich alle, die auf diese<br />
Weise mit Hohenfried verbunden<br />
sind, ganz besonders.<br />
Was bleibt über das Jubiläumsgedenken<br />
an die Stifterfamilie und ihr<br />
Mausoleum, das der evangelischen<br />
Gemeinde in guten und schweren<br />
Zeiten als Kapelle zur kirchlichen<br />
und geistlichen Heimat geworden<br />
ist, hinaus?<br />
Ist es nicht das Vermächtnis an uns,<br />
die wir mit offenem Sinn und bereitem<br />
Herzen den Friedensgruß des<br />
Auferstandenen vernommen haben,<br />
daß wir weiterhin an den Gottesdiensten<br />
in der Kapelle festhalten<br />
„zu Gottes und unseres Heilandes<br />
Ehre in ewiger Dankbarkeit“?<br />
In diesem Sinne erbitte ich Gottes<br />
Segen für das Jubiläum.<br />
Willi Wendler<br />
Pfarrer i. R.
Liebe Schwestern und Brüder der<br />
<strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>n Kirchengemeinde!<br />
Ein im Wald „verborgenes“ Gotteshaus<br />
lädt uns ein, unseren Blick<br />
wieder einmal in die <strong>Geschichte</strong><br />
unserer Gemeinde zu richten. Die<br />
Rückschau erfordert eine große Aufmerksamkeit<br />
und Bescheidenheit<br />
zugleich, um den Gründungsgedanken<br />
im heutigen Verständnis auf<br />
rechte Weise deuten und weiterführen<br />
zu können.<br />
Das Stollwerck-Mausoleum Hohenfried<br />
ist errichtet und gestiftet worden<br />
in einer Zeit, die von Not, Unsicherheit,<br />
Orientierungslosigkeit und<br />
Geldentwertung genauso geprägt<br />
war wie von Hilfsbereitschaft, Fürsorge<br />
und Gottvertrauen. Ob Pfarrkirche,<br />
Krankenhaus, Kindererholungsheim<br />
oder die Stollwerck’sche<br />
Fanny-Carlita-Stiftung – all diese<br />
Gebäude und Einrichtungen zeigen<br />
deutlich, was die Menschen am<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts in unserer<br />
Gemeinde bewegt hat.<br />
Grußwort Pfarrer Salzeder<br />
In Zeiten der Not eröffnen sich oft<br />
genug zukunftsweisende Projekte,<br />
gegründet auf eine echte Solidarität<br />
der Menschen. Dieser lobenswerte<br />
Gedanke hat auch der Mausoleumskirche<br />
einen klaren Auftrag mitgegeben<br />
und dabei den evangelischlutherischen<br />
Christen in Feldkirchen<br />
erstmals eine Verwurzelung im<br />
Glauben eröffnet.<br />
Wie wichtig dieser feste Halt an<br />
einem beschaulichen Ort werden<br />
sollte, zeigen viele erholungsbedürftige<br />
Gäste, aus ihrer Heimat<br />
vertriebene Menschen und ganz<br />
bestimmt eine junge und lebendige<br />
evangelische Gemeinde.<br />
So war die Errichtung der Kirche in<br />
Hohenfried ein entscheidender<br />
Anstoß für einen gemeinsamen<br />
christlichen Weg. Auch wenn es<br />
bestimmt viel Zeit brauchte, so<br />
konnte doch im Schutz des Waldes<br />
etwas wachsen, was heute aus der<br />
Entwicklung unserer Gemeinde<br />
nicht mehr wegzudenken ist. Was<br />
für uns heute im ökumenischen<br />
Miteinander fast selbstverständlich<br />
erscheint, ist vielleicht doch deshalb<br />
so gut gewachsen, weil es von<br />
Beginn an mit Schokolade versüßt<br />
worden ist.<br />
12<br />
Aus diesem Grund dürfen wir alle<br />
gemeinsam voller Dankbarkeit und<br />
Freude das Jubiläum mitfeiern und<br />
in aller Gelassenheit und Zuversicht<br />
auf jenem Grund weiterbauen, den<br />
Jesus Christus gelegt hat.<br />
Im Namen der römisch-katholischen<br />
Pfarrgemeinde St. Laurentius<br />
gratuliere ich der <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>n<br />
Kirchengemeinde ganz herzlich.<br />
Möge unser gemeinsamer Weg<br />
– von Vertrauen, Freiheit und Verantwortung<br />
geprägt – unter Gottes<br />
Gnade weiterhin reiche Früchte<br />
bringen<br />
Gerhard Salzeder<br />
Pfarrer
Wenn das Stollwerck-Mausoleum<br />
Hohenfried jetzt 75 Jahre alt wird,<br />
so erfüllt das mich als evangelischen<br />
Christen und Landrat des<br />
Landkreises Rosenheim gleichermaßen<br />
mit Freude, stellt dieses kleine<br />
Gotteshaus doch eine der wichtigsten<br />
Keimzellen der evangelischen-lutherischen<br />
Kirche in unserem<br />
Raum dar. Zwar gab es im<br />
westlichen Landkreis schon sehr<br />
früh, nämlich bereits in der Mitte<br />
des 16. Jahrhunderts, erste bescheidene<br />
evangelische Gemeinden.<br />
Den eigentlichen Aufschwung<br />
erlebte die evangelisch-lutherische<br />
Kirche – obwohl 1822 in Großkarolinenfeld<br />
ja die erste evangelische<br />
Kirche Oberbayerns eingeweiht<br />
wurde – bei uns jedoch erst nach<br />
dem Ersten Weltkrieg.<br />
Die wirtschaftliche Erschließung<br />
des Mangfalltals spielte dabei eine<br />
besondere Rolle. Von den ersten<br />
Anfängen mit den Sonntagsandachten<br />
einiger weniger Gläubigen im<br />
„Expeditionsraum“ der Bruckmühler<br />
Wolldeckenfabrik bis zum heutigen<br />
evangelisch-lutherischen Pfarramt<br />
Grußwort des Landrats<br />
Bruckmühl war es allerdings ein<br />
weiter Weg.<br />
Die wechselvolle <strong>Geschichte</strong> der<br />
evangelischen Christen im westlichen<br />
Teil des Landkreises ist dabei<br />
untrennbar verbunden mit dem<br />
Namen der Kölner Unternehmerfamilie<br />
Stollwerck. Fanny Therese<br />
und Karl Stollwerck hatten den<br />
nördlich von Feldkirchen gelegenen<br />
Giglbergerhof, eines der ältesten<br />
bäuerlichen Anwesen im Landkreis,<br />
gekauft und zu einem Herrschaftshaus<br />
ausgebaut. Unweit dieses Sommersitzes<br />
der Familie wollte das kinderlose<br />
Ehepaar, das zwei Mädchen<br />
adoptiert hatte, eine Anstalt für<br />
erholungsbedürftige Großstadtkinder<br />
bauen.<br />
Dies scheiterte zwar an den finanziellen<br />
Problemen, mit denen nach<br />
dem Ersten Weltkrieg auch die Stollwercks<br />
zu kämpfen hatten, die Idee,<br />
wenigstens ein Familienmausoleum<br />
zu errichten, konnte aber doch<br />
umgesetzt werden. Es wurde der auf<br />
tragische Weise verstorbenen Adoptivtochter<br />
Carlita gewidmet, die<br />
schließlich gemeinsam mit ihren<br />
Eltern in drei kostbaren Sarkophagen<br />
in Hohenfried ihre letzte Ruhestätte<br />
fand.<br />
Für die evangelischen Christen im<br />
westlichen Mangfalltal brachte die<br />
Fertigstellung dieses Mausoleums<br />
den Durchbruch, war der Bau doch<br />
von Beginn an als Kirche konzipiert.<br />
Seit 1927 dient das reich ausgestattete<br />
Mausoleum Hohenfried,<br />
das bis zu hundert Menschen aufnehmen<br />
kann, nunmehr schon der<br />
evangelischen Gemeinde als Kirche.<br />
Weist es aufgrund der örtlichen<br />
13<br />
Gegebenheiten auch nicht jene Besucherzahl<br />
auf wie die beiden<br />
neueren Kirchen des Pfarramts<br />
Bruckmühl, die Johanneskirche in<br />
Bruckmühl und die Emmauskirche<br />
in Feldkirchen-Westerham, so zeigt<br />
doch gerade diese Festschrift zum<br />
75jährigen Jubiläum, daß das<br />
Mausoleum nicht in Vergessenheit<br />
geraten ist und nach wie vor einen<br />
der geistlichen Mittelpunkte dieser<br />
Gemeinde darstellt.<br />
Für mich war es eine weitere Bestätigung<br />
dieser Tatsache, als sich<br />
im Jahr 1998 eine Klasse der<br />
Grundschule Feldkirchen mit einer<br />
Projektarbeit über das Mausoleum<br />
am heimatkundlichen Wettbewerb<br />
des Landkreises beteiligte. Die<br />
unabhängige Jury zeichnete diese<br />
überaus interessante Arbeit damals<br />
sogar mit einem 1. Preis aus.<br />
Daß die Organistin Pauline Peetz in<br />
diesem Jahr auch noch ihr 65jähriges<br />
Dienstjubiläum im Stollwerck-<br />
Mausoleum begehen kann, zeigt,<br />
wie eng die evangelische Kirchengemeinde<br />
Bruckmühl noch immer<br />
mit Hohenfried verbunden ist. Ich<br />
meine, dies sollte Anlass genug<br />
sein, der ganzen Gemeinde viel<br />
Glück für die Zukunft zu wünschen.<br />
Möge Gott mit Ihnen sein!<br />
Dr. Max Gimple<br />
Landrat
Das im Gebiet der evangelisch-lutherischen<br />
Kirchengemeinde Bruckmühl<br />
/ Feldkirchen-Westerham liegende<br />
Stollwerck-Mausoleum wird<br />
heuer 75 Jahre alt. Dazu möchte ich<br />
als Bürgermeister des Marktes Bruckmühl<br />
meine allerbesten Glückwünsche<br />
übermitteln. Wurde dieses<br />
Gotteshaus doch auch von unseren<br />
Bruckmühler evangelischen Mitbürgern<br />
zur Feier des Gottesdienstes<br />
besucht, bis dann endlich im Jahre<br />
1954 die Bruckmühler Johanneskirche<br />
eingeweiht werden konnte.<br />
Unsere evangelischen Mitchristen<br />
sind aus dem öffentlichen Leben<br />
und dem örtlichen Vereinsgeschehen<br />
nicht mehr wegzudenken. Persönlich<br />
konnte ich die hervorragende<br />
Gastfreundschaft der evangelisch-lutherischenKirchengemeinde<br />
erfahren, als wir vor über 40 Jahren<br />
oftmals mit der katholischen Jugendarbeit<br />
Herberge im evangelischen<br />
Pfarrsaal fanden.<br />
Dankbar können wir sein, daß zwischen<br />
evangelischer Kirchengemeinde,<br />
politischer Gemeinde, ört-<br />
Grußwort Bürgermeister Heinritzi<br />
lichen Vereinen, aber auch römischkatholischer<br />
Kirche schon seit jeher<br />
gute Beziehungen herrschen – und<br />
so soll es auch bleiben. Ein besonderer<br />
Beleg dafür war die einstimmig<br />
vom Marktgemeinderat beschlossene<br />
Verleihung des gemeindlichen<br />
Ehrenbriefs an Pfarrer<br />
Wendler im Jahre 1983.<br />
Für die Zukunft wünsche ich der<br />
Kirchengemeinde eine weiterhin<br />
gedeihliche Entwicklung und gebe<br />
der Hoffnung Ausdruck, daß es ihr<br />
gelingen möge, neben den Älteren<br />
vor allem auch der heranwachsenden<br />
Generation die christliche Lebenseinstellung<br />
zu vermitteln und<br />
sie zu begeistern, im ökumenischen<br />
Geist am kirchlichen Leben teilzunehmen.<br />
Franz Xaver Heinritzi<br />
Erster Bürgermeister des<br />
Marktes Bruckmühl<br />
14
Grußwort Bürgermeister Weber<br />
Herzlichen Glückwunsch zum<br />
75jährigen Jubiläum des Stollwerck’schen<br />
Mausoleums und der<br />
<strong>Evangelisch</strong>en Kapelle Hohenfried.<br />
Große Anerkennung verdient diese<br />
Festschrift für den geschichtlichen<br />
Rückblick – von der Reformation<br />
des Mangfalltales bis zum Geschehen<br />
der evangelischen Kirche in unserer<br />
heutigen Zeit.<br />
Der Großzügigkeit der Familie Stollwerck<br />
ist es zu verdanken, daß dieses<br />
bauliche und künstlerische Kleinod<br />
in unserer Gemeinde entstanden<br />
ist. Unseren evangelischen Christen<br />
ist durch diese Stiftung ein örtlicher<br />
Mittelpunkt als Andachts- und Gottesdienstraum<br />
gegeben worden.<br />
Wegen des großen Anteils der<br />
evangelischen Christen unter den<br />
Heimatvertriebenen nach dem 2.<br />
Weltkrieg reichte das Hohenfrieder<br />
Mausoleum nicht mehr aus.<br />
Durch den Bau der evangelischen<br />
Kirche am Ölberg konnten die<br />
räumlichen Probleme gelöst wer-<br />
den. Die Einrichtung einer 2. Pfarrstelle<br />
in Feldkirchen mit der Anstellung<br />
einer äußerst aktiven Pfarrerin<br />
und die gute Zusammenarbeit mit<br />
der Pfarrei Bruckmühl tragen sehr<br />
viel zu einer lebendigen christlichen<br />
Gemeinde bei.<br />
Ich möchte hier auch die guten, wie<br />
ich meine, auch freundschaftlichen<br />
Beziehungen zur römisch-katholischen<br />
Pfarrei erwähnen.<br />
Diese Festschrift gibt einen tiefen<br />
Einblick in die vergangenen 500<br />
Jahre unserer Heimat. Dafür möchte<br />
ich mich bei allen, die mitgewirkt<br />
haben, dieses Heft zu erstellen,<br />
recht herzlich bedanken.<br />
Bedanken möchte ich mich bei<br />
allen Aktiven, an der Spitze Frau<br />
Pfarrerin Susanne Kießling-Prinz,<br />
für ihren unermüdlichen Einsatz für<br />
Jugendliche und Senioren und die<br />
sicher oft nicht leichte Seelsorge im<br />
Bereich der Gemeinde Feldkirchen-<br />
Westerham .<br />
Ich wünsche ihnen die Kraft und<br />
Gottes Segen, um den Glauben in<br />
unserer Gemeinde festigen zu können.<br />
Michael Weber<br />
Erster Bürgermeister<br />
der Gemeinde Feldkirchen-Westerham<br />
15
Am 27. September 1927 wurde das<br />
auf Veranlassung und Kosten der<br />
Familie Stollwerck gebaute Mausoleum<br />
als letzte Ruhestätte für die<br />
bereits 1911 verstorbene kleine<br />
Carlita und ihre Adoptiveltern eingeweiht.<br />
Vierzehn Jahre später, im<br />
Jahr 1941, errichtete Frau Fanny<br />
Therese Stollwerck zusätzlich die<br />
Fanny-Carlita-Stiftung.<br />
Der Name der Stiftung bildet sich<br />
aus den Vornamen der Stifterin und<br />
ihrer Adoptivtochter. Die Fanny-Carlita-Stiftung<br />
zur Unterstützung hilfsbedürftiger<br />
talentierter Studenten<br />
der Hochschule für Musik und<br />
Theater München und der Akademie<br />
der Bildenden Künste München<br />
wurde durch testamentarische Verfügung<br />
als die alleinige Erbin von<br />
Fanny Stollwerck eingesetzt.<br />
Derzeit kann die Fanny-Carlita-Stiftung<br />
Jahr für Jahr etwa 40.000 Euro<br />
an die Musik- und Kunststudenten<br />
der beiden Münchner Hochschulen<br />
Grußwort der Fanny-Carlita-Stiftung<br />
ausschütten, ein durchaus ansehnlicher<br />
Betrag. Auf diese Weise erhielten<br />
in den vergangenen Jahren<br />
Hunderte von begabten Studierenden<br />
durch die vorausschauende<br />
Verfügung der kunstsinnigen Stifterin<br />
eine finanzielle Förderung.<br />
Neben der Unterstützung der Studenten<br />
und Studentinnen ist auch<br />
der Erhalt des Mausoleums in<br />
Hohenfried festgelegter Zweck der<br />
Stiftung. Dem Kuratorium der Stiftung<br />
war es immer ein Anliegen, die<br />
Kapelle in einem guten baulichen<br />
Zustand zu erhalten.<br />
Besonders wichtig erscheint es dem<br />
Kuratorium aber auch, daß das von<br />
der Stifterfamilie Stollwerck vor 75<br />
Jahren von vorneherein als Gotteshaus<br />
konzipierte und errichtete<br />
Grabmal auch heute noch und zwar<br />
regelmäßig von der evangelischen<br />
Gemeinde in Bruckmühl bzw. Feldkirchen-Westerham<br />
zur Feier von<br />
Sonntagsgottesdiensten, aber auch<br />
16<br />
für Taufen, Hochzeiten oder andere<br />
Feierlichkeiten genutzt wird.<br />
Aus diesem Grund ist es auch überaus<br />
erfreulich, daß das 75jährige<br />
Jubiläum der Einweihung des Mausoleums<br />
mit einem Festgottesdienst<br />
und dieser umfangreichen und liebevoll<br />
gestalteten Festschrift gefeiert<br />
wird. Das Kuratorium der Fanny-<br />
Carlita-Stiftung bedankt sich bei<br />
den Organisatoren der Festlichkeiten<br />
für deren Arbeit und wünscht<br />
der Feier ein gutes Gelingen.<br />
Hans-Peter Schroth, Oberamtsrat,<br />
Geschäftsführer der Fanny-Carlita-<br />
Stiftung im Bayerischen Staatsministerium<br />
für Wissenschaft,<br />
Forschung und Kunst
„Kennst Du das Glück?“<br />
Akademie der Bildenden Künste<br />
Die Tätigkeit der Fanny-Carlita-Stiftung<br />
gehört schon seit mehr als<br />
einem halben Jahrhundert zur<br />
<strong>Geschichte</strong> der Akademie der Bildenden<br />
Künste in München, so<br />
sehr, daß mir das 75jährige Jubiläum<br />
der Errichtung des Mausoleums<br />
der Familie Stollwerck in<br />
Hohenfried ein willkommener Anlaß<br />
ist, der Stiftung wieder einmal<br />
für ihre Arbeit zu danken.<br />
Wie Sie vielleicht wissen, wird die<br />
Akademie der Bildenden Künste in<br />
München nach Jahrzehnten der kulturpolitischen<br />
Vergessenheit und<br />
Vernachlässigung renoviert. Auch<br />
der seit Jahren geplante Neubau<br />
steht vor dem Spatenstich.<br />
Um diesem Neuanfang gesellschafts-<br />
und kulturpolitisch Nachdruck<br />
zu geben, wurde eigens eine<br />
Stiftung gegründet, in der einflußreiche<br />
und kunstsinnige Men-<br />
schen – wie Fanny Therese Stollwerck<br />
in den vierziger Jahren mit<br />
der Gründung der Fanny-Carlita-<br />
Stiftung – öffentliches Interesse<br />
bekunden, Verantwortung übernehmen<br />
und sich einsetzen für die Akademie<br />
der Bildenden Künste und<br />
ihre Studierenden.<br />
Der Staat ist natürlich in der Pflicht,<br />
allein das reicht nicht, wenn nicht<br />
öffentliche Personen, Politiker, Stifter<br />
und Mäzene ebenfalls zu Fürsprechern<br />
werden. Ich halte ihr<br />
Engagement für enorm wichtig, ja<br />
sogar für unverzichtbar, für das<br />
gesellschaftspolitische Klima und<br />
den zu oft verkannten Stellenwert<br />
von Kunst ganz allgemein.<br />
Mit der Renovierung der Akademie<br />
ist auch das Bewußtsein für ihre<br />
<strong>Geschichte</strong> erneut erwacht. Die<br />
Arbeit der Fanny-Carlita-Stiftung ist<br />
nach meiner Auffassung ein lebendiger<br />
Beweis dafür, wie <strong>Geschichte</strong><br />
bis auf den heutigen Tag wirkt. Die<br />
Liste der Studenten, die im Laufe<br />
der Jahre eine Unterstützung erfahren<br />
haben, ist schier endlos, alle<br />
aber können sie sagen, daß sie mit<br />
Hilfe der Stiftung einen Stein ihres<br />
Lebenswerkes gesetzt haben.<br />
Die Lebensgeschichte, die sich in<br />
die <strong>Geschichte</strong> der Akademie eingeschrieben<br />
hat, ist die Carlitas, der<br />
früh verstorbenen Adoptivtochter<br />
Fanny Stollwercks. Ihr Portrait, ein<br />
Ölgemälde von Ferdinand Leeke,<br />
hängt im Sitzungssaal der Akademie.<br />
Viele Sitzungen, Besprechungen<br />
und Gremien sind so an Carlita<br />
vorübergezogen. Auf dem Bild steht<br />
sie im Toreingang eines Buchenhai-<br />
17<br />
nes, eben so, als wolle sie den Saal<br />
betreten und daran erinnern, niemals<br />
die Möglichkeiten und Chancen<br />
einer Kunstakademie aus den<br />
Augen zu verlieren und zwar im<br />
Interesse all derjenigen, die ihr angehören<br />
dürfen.<br />
Bei näherem Blick ist auf dem linken<br />
Torpfeiler der Einfriedung ein<br />
Gedicht von Paula Guszalewicz aus<br />
dem Jahr 1915 im Andenken an<br />
Carlita zu lesen. In der dritten Strophe<br />
nimmt es aus dem melancholischen<br />
Blick des Mädchens die<br />
Frage: „Kennst Du das Glück?“<br />
Die Antwort bleibt offen oder versteht<br />
sich beim Anblick des Portraits<br />
von selbst. Aber all die, die heute in<br />
der Akademie arbeiten, können sie<br />
beantworten.<br />
Ben Willikens, Professor, Akademie<br />
der Bildenden Künste, München
Zum 75-jährigen Jubiläum des<br />
Stollwerck-Mausoleums Hohenfried<br />
senden wir herzliche Glückund<br />
Segenswünsche aus der Kaiserswerther<br />
Diakonie. Von 1931 bis<br />
1972 diente die "Elisabethruhe" als<br />
Erholungshaus für unsere Diakonissen.<br />
Damit sind viele Erinnerungen<br />
verbunden. Als wir von Ihrem<br />
Jubiläum sprachen, dachte eine<br />
unserer Schwestern gleich an ihren<br />
Aufenthalt in der "Elisabethruhe"<br />
vor mehr als 50 Jahren und malte in<br />
lebhaften Farben aus, wie wohl sie<br />
sich dort gefühlt hatte – die wunderschöne<br />
Landschaft, die kurzen<br />
Wege nach München, Rosenheim<br />
und zum Walchensee, vor allem die<br />
herzliche Aufnahme in der Gemeinde<br />
und auch in der römisch-katholischen<br />
Nachbarschaft.<br />
Da Ihnen der Name "Kaiserswerther<br />
Diakonie" nicht viel sagen wird, lassen<br />
Sie mich kurz einige Erläuterungen<br />
anfügen. Viele tausend Menschen<br />
vertrauen sich jährlich der<br />
Kaiserswerther Diakonie an – von<br />
der Geburt bis zum Lebensende. In<br />
Medizin und Pflege, in sozialen und<br />
Grußwort Kaiserswerther Diakonie<br />
pädagogischen Angeboten, in Ausund<br />
Weiterbildung nehmen wir den<br />
diakonischen Auftrag der Kirche<br />
wahr. Wichtig ist uns dabei unsere<br />
lange Tradition: 1836 gründeten in<br />
Kaiserswerth, heute ein Stadtteil<br />
von Düsseldorf, der damalige Gemeindepfarrer<br />
Theodor Fliedner<br />
und seine Frau Friederike das weltweit<br />
erste Diakonissen-Mutterhaus,<br />
dem sehr bald viele andere folgten.<br />
Hier liegen wichtige Wurzeln neuzeitlicher<br />
Pädagogik und Krankenpflege.<br />
Auch die berühmte Engländerin<br />
Florence Nightingale kam zur<br />
Ausbildung an den Rhein.<br />
Damals wie heute gilt: Die Kaiserswerther<br />
Diakonie stellt sich den<br />
Herausforderungen und Problemen<br />
des gesellschaftlichen Wandels. Im<br />
Sinne unserer christlichen Orientierung<br />
setzen wir uns für eine soziale,<br />
gerechte und tolerante Gesellschaft<br />
ein. Mit ihren fast 2000 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern ist die<br />
Kaiserswerther Diakonie in vielen<br />
Arbeitsbereichen tätig. Da ist<br />
zunächst das Florence-Nightingale-<br />
Krankenhaus, nach der Universität<br />
das größte Krankenhaus in Düsseldorf.<br />
Zu den Sozialen Diensten<br />
zählen zwei Altenzentren, die Diakonissen-Feierabendhäuser,Einrichtungen<br />
der Kinder- und Jugendhilfe,<br />
der Sozialpsychiatrie und der<br />
Behindertenhilfe.<br />
Eine ganze Reihe von Schulen bilden<br />
für pflegerische und sozialpädagogische<br />
Berufe aus, die Kaiserswerther<br />
Seminare sind ein bundesweit<br />
aktives Fort- und Weiterbildungsinstitut.<br />
Die Fachbibliothek<br />
für Frauendiakonie und das Fliedner-Archiv<br />
dokumentieren die<br />
18<br />
gesamte <strong>Geschichte</strong> der Mutterhausdiakonie<br />
und sind seit wenigen<br />
Monaten ein Bestandteil der Fliedner-Kulturstiftung.<br />
Im "Kaiserswerther<br />
Verband" und in der "Kaiserswerther<br />
Generalkonferenz" halten<br />
bis heute deutsche und europäische<br />
Diakonissen-Mutterhäuser untereinander<br />
Kontakt, so daß, auch<br />
wenn die "Elisabethruhe" nur noch<br />
Erinnerung ist, auf diesem Wege die<br />
Verbindung zur bayerischen Diakonie<br />
sichergestellt bleibt.<br />
Mit herzlichen Grüßen aus der<br />
Kaiserswerther Diakonie, Ihre<br />
Cornelia Coenen-Marx, Pfarrerin-<br />
Vorstand der Kaiserswerther<br />
Diakonie<br />
r
eforma<br />
vorgeschichte:<br />
reformation<br />
im mangfalltal<br />
19
D<br />
ie hier folgende Schilderung<br />
der reformatorischen<br />
Bewegung des 16.<br />
Jahrhunderts in Oberbayern soll<br />
keine „alten Wunden” aufreißen<br />
oder gar irgendein „Feindbild”<br />
pflegen oder erneuern.<br />
Wir sind jedoch der Auffassung,<br />
daß wir, wenn wir auf die<br />
<strong>Geschichte</strong> der evangelischen Kirche<br />
in unserem Land zurückblicken,<br />
damit nicht erst im 19.<br />
oder 20. Jahrhundert beginnen<br />
können. Auch im „Zeitalter der<br />
Ökumene” dürfen und sollen wir<br />
uns dankbar der Menschen erinnern<br />
– ob nun in Bayern oder<br />
anderswo – deren Mut und Glaubenstreue<br />
wir es verdanken, daß es<br />
heute überhaupt noch evangelische<br />
Kirche gibt.<br />
Unsere wichtigste Quelle neben<br />
dem leider vergriffenen Klassiker<br />
„Die Protestanten in Bayern” von<br />
Claus Jürgen Roepke (Süddeutscher<br />
Verlag 1972) und einem<br />
bemerkenswert selbstkritischen Beitrag<br />
von Karl Wagner in der Münchner<br />
Katholischen Kirchenzeitung<br />
von 1988 war dabei die Abhandlung<br />
„<strong>Geschichte</strong> der Reformation<br />
im Landkreis Bad Aibling” des<br />
evangelischen Privatgelehrten und<br />
langjährigen Aiblinger Kreisheimatpflegers<br />
Karl Braßler, Götting,<br />
aus dem Jahr 1947.<br />
Auch wenn viele es heute nicht<br />
mehr wissen oder auch nur für möglich<br />
halten würden: Die <strong>Geschichte</strong><br />
der evangelischen Kirche in Südbayern<br />
beginnt nicht in der Neuzeit,<br />
sondern reicht bis in das Zeitalter<br />
der Reformation zurück. Mitte des<br />
Vorgeschichte<br />
16. Jahrhunderts – also vor rund<br />
450 Jahren – lebten und blühten<br />
bereits in vielen Gegenden Altbayerns<br />
„de fakto” evangelische<br />
Gemeinden, auch wenn es eine<br />
„verfaßte” <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong><br />
Kirche in dem heutigen Sinne natürlich<br />
noch nicht gab und auch nicht<br />
geben konnte.<br />
Die bayerischen Herzöge Wilhelm<br />
IV und Ludwig X hatten zwar die<br />
von Kaiser Karl V und Papst Leo X<br />
verurteilte „Ketzerei” von Anfang an<br />
und wiederholt verboten und unter<br />
strenge Strafen gestellt, so zum Beispiel<br />
im 1. bayerischen Religionsmandat<br />
von 1522.<br />
Nichtsdestoweniger traten aber<br />
immer wieder „Winkelprediger”<br />
auf, die das Volk mit den Gedanken<br />
Martin Luthers und vor allem mit<br />
dem von diesem „wiederentdeck-<br />
20<br />
ten” Evangelium im Sinne einer frohen<br />
und befreienden Botschaft<br />
bekannt machten.<br />
Bereits 1519 erschien in München<br />
eine Luther-Schrift über das Leiden<br />
Christi. Als der Buchdrucker Hans<br />
Schobser 1521 auch noch die<br />
berühmte Luther-Schrift „An den<br />
christlichen Adel deutscher Nation”<br />
herausbrachte, wurde sie auf herzoglichen<br />
Befehl sofort konfisziert<br />
und vernichtet. 1522 wurde bereits<br />
mit Gefängnis bedroht, wer Luthers<br />
Ideen auch nur diskutierte. Und im<br />
Juli des darauf folgenden Jahres<br />
wurde in München ein Bäckergeselle<br />
sogar hingerichtet (!), nur weil er<br />
sich offen zur Lehre Luthers bekannt<br />
hatte.<br />
Doch je weniger die seit langem<br />
geforderten innerkirchlichen Reformen<br />
vorankamen und je entschiedener<br />
die Wittelsbacher auf Zwangsmaßnahmen<br />
und Repressalien setzten,<br />
desto nachhaltiger breitete sich<br />
das neue Denken überall im Land<br />
aus. Dabei spielte auch der katastrophale<br />
Bildungsnotstand des<br />
zeitgenössischen Klerus eine Rolle.<br />
Er trat nun immer unübersehbarer<br />
zutage, nachdem immer mehr<br />
interessierte Laien sich mit Hilfe<br />
der neuen Bücher eine eigene<br />
theologische Bildung anzueignen<br />
begannen.<br />
An vielen Orten feierte man schon<br />
bald das heilige Abendmahl „unter<br />
Titelblatt der letzten noch zu Martin Luthers<br />
Lebzeiten erschienenen Ausgabe des neuen<br />
Testaments, gedruckt in der Werkstatt des Wittenberger<br />
Druckers Hans Luft 1546
eiderlei Gestalt”, also so, daß die<br />
Gläubigen bei der Kommunion Brot<br />
und Wein empfingen. Die sogenannte<br />
„Ohrenbeichte”, also die<br />
persönliche Beichte, wurde kaum<br />
noch wahrgenommen und durch<br />
die „Allgemeine Beichte” im<br />
Gottesdienst ersetzt.<br />
Mit Hingabe sangen die<br />
Menschen landauf, landab<br />
evangelische Choräle<br />
(= Kirchenlieder in deutscher<br />
Sprache) und weigerten<br />
sich, die lateinischen<br />
Gottesdienste weiter<br />
zu besuchen. „Ketzerische”<br />
Bücher wanderten<br />
von Hand zu Hand.<br />
Überall gärte es. Viele Visitationsberichte,<br />
Beschwerdebriefe und<br />
andere Dokumente der Zeit legen<br />
beredtes Zeugnis davon ab.<br />
Auch in Oberbayern und hier bei<br />
uns im Mangfalltal, in Götting,<br />
Kirchdorf, Vagen, Högling, Höhenrain,<br />
Irschenberg und anderen<br />
Orten in unserer unmittelbaren<br />
Nachbarschaft strömten die Menschen<br />
in Massen zu evangelischen<br />
Gottesdiensten und Versammlungen<br />
zusammen.<br />
Das änderte sich auch dann nicht,<br />
als – veranlaßt durch Herzog Wilhelm<br />
IV und auf Anordnung von<br />
Papst Hadrian VI – eine geistliche<br />
Untersuchungskommission durch<br />
Oberbayern reiste. Sie mußte im Gegenteil<br />
voller Entsetzen feststellen,<br />
daß die Lehren Luthers schon beträchtlich<br />
um sich gegriffen hatten<br />
und viele mit Begeisterung dem<br />
neuen Glauben anhingen. In unserem<br />
Gebiet war es besonders Wolf<br />
Reformation im Mangfalltal<br />
von Maxlrain (1518-1561), der als<br />
Zeitgenosse Luthers dessen Lehre<br />
unterstützte. Nach außen hin blieb<br />
er Rom zwar treu, zumal ihn ja das<br />
„Religionsmandat” der Herzöge<br />
zwang, seine wirkliche Überzeugung<br />
zu verheimlichen. In Wahrheit<br />
jedoch tat er vor allem in seiner<br />
Eigenschaft als Herr der „reichsfreien<br />
Grafschaft” Hohenwaldeck am<br />
Schliersee alles, um die Reformation<br />
voranzutreiben – ähnlich wie<br />
Graf Ladislaus von Fraunberg in der<br />
gleichfalls reichsfreien Grafschaft<br />
Haag, der, wenn man so will, ältesten<br />
evangelischen „Landeskirche”<br />
in Bayern.<br />
Die Wittelsbacher ließen sich das<br />
nicht lange gefallen. So untersagte<br />
zunächst Herzog Wilhelm IV seinen<br />
Untertanen bei Todesstrafe (!) den<br />
Besuch der Stadt Augsburg, nachdem<br />
dort 1537 unter Bürgermeister<br />
Hans Welser die Reformation<br />
durchgeführt worden war. Ebenso<br />
durfte kein bayerisches Landeskind<br />
21<br />
mehr Regensburg betreten oder gar<br />
die Universitätsstadt Wittenberg<br />
besuchen, hatte doch hier die neue<br />
„Ketzerei” ihren Anfang genommen<br />
und lag hier nach wie vor eines<br />
ihrer geistigen Zentren.<br />
Auch der Verkehr mit Pfalzneuburg<br />
und der Oberpfalz, sowie mit den<br />
Grafschaften Haag und Ortenburg,<br />
wo Luthers Lehren gleichfalls Eingang<br />
gefunden hatten, wurde<br />
strengstens untersagt.<br />
Philipp Melanchthon, Freund und gelehrter Mitstreiter<br />
Luthers, Verfasser der berühmten ”Confessio<br />
Augustana” (= ”Augsburger Bekenntnis”)<br />
1550 starb Wilhelm IV. Sterbend<br />
legte er seinem Sohn und Nachfolger<br />
Albrecht V die Verteidigung des<br />
alten Glaubens ans Herz. Dieser<br />
jedoch nahm zunächst eine zögerliche<br />
Haltung ein, zumal er auf die<br />
Unterstützung der vielfach protestantischen<br />
adeligen Landstände<br />
angewiesen war.<br />
1552 kam in Passau jener berühmte<br />
Vertrag zustande, der den Anhängern<br />
der Augsburger Konfession die<br />
freie Religionsausübung sicherte -<br />
vorbehaltlich der Konfession des<br />
Landesherrn natürlich. Wieder griff<br />
die protestantische Bewegung – in<br />
Oberbayern wie auch andernorts –<br />
rasch um sich. Zahlreiche Pfarrer<br />
und Gemeindeglieder bekannten<br />
sich nun ganz offen zur „Augsburger<br />
Konfession”. Romtreue Geistliche<br />
wurden an vielen Orten regelrecht<br />
abgesetzt und verloren ihre<br />
Pfründe. <strong>Lutherische</strong> Prediger nahmen<br />
ihre Stelle ein.
Die „Seele” der Bewegung dürfte<br />
Graf Joachim von Ortenburg in Niederbayern<br />
gewesen sein. Der politisch<br />
bedeutsamste Vertreter aber<br />
war eindeutig Pankraz von Freyberg<br />
auf Hohenaschau, der stolzen<br />
Grenzfeste gegen Tirol hin, ein hervorragender<br />
Fachmann für Wirtschaft<br />
und Verwaltung, seit 1552<br />
herzoglicher Rat und Hofmarschall<br />
in München.<br />
Pankraz vertrat eine gemäßigte Linie,<br />
der er aber auch ganz offiziell zum<br />
Sieg in Bayern verhelfen wollte. Zu<br />
diesem Zweck führte er wiederholt<br />
vertrauliche Gespräche mit<br />
Joachim von Ortenburg, einziger evangelischer<br />
Adeliger in Bayern, dem es gelang,<br />
die Reformation auf Dauer in seinem<br />
Herrschaftsgebiet einzuführen<br />
Herzog Albrecht selbst und lag im<br />
Streit mit dessen Kanzler Thaddäus<br />
Eck. Dabei beging er schließlich<br />
den Fehler, öffentlich über seine<br />
Religionsgespräche mit dem Herzog<br />
zu reden, um die Sache voranzutreiben.<br />
Der Schuß ging jedoch<br />
nach hinten los, und Pankraz von<br />
Freyberg wurde nach langwierigem<br />
Prozeß 1561 als Hofmarschall abgesetzt<br />
– für die evangelische Bewegung<br />
in Altbayern ein schwerer<br />
Rückschlag.<br />
Für unsere Gegend ausschlaggebend<br />
war Wolf Dietrich von Maxlrain,<br />
der älteste Sohn Wolfs von<br />
Maxlrain. Er wurde zunächst Priester<br />
und erhielt – wenn auch noch<br />
Vorgeschichte<br />
jung an Jahren – bereits ein Kanonikat<br />
an der Augsburger Domschule.<br />
Schon bald aber entsagte er dem<br />
geistlichen Stand und trat statt dessen<br />
in die Dienste des bayerischen<br />
Herzogs ein – anfangs als „Pfleger”<br />
von Ried,dann als Hauptmann von<br />
Burghausen. Nach dem Tod seines<br />
Vaters übernahm er dazu auch noch<br />
die Grafschaft Waldeck, die damals<br />
an die südwestlichen Grenzen des<br />
ehemaligen Landgerichts Bad Aibling<br />
anstieß.<br />
Noch zu Lebzeiten des alten Wolf<br />
von Maxlrain hatte sich die Lage für<br />
die oberbayerischen Protestanten<br />
insgesamt weiter verbessert. Aus der<br />
Überzeugung heraus, in religiösen<br />
Fragen könne durch Sanftmut und<br />
Nachgiebigkeit mehr erreicht werden,<br />
als durch Festigkeit und Strenge,<br />
bewilligte Herzog Albrecht V im<br />
22<br />
Jahre 1556 auf dem Landtag zu<br />
München seinen Landständen –<br />
gegen den erbitterten Einspruch der<br />
Bischöfe natürlich – jedermann<br />
könne das Abendmahl unter beiden<br />
Gestalten empfangen und sei auch<br />
nicht verpflichtet, die kirchlichen<br />
Fastengebote zu halten.<br />
Nichtsdestoweniger war Albrecht<br />
jedoch fest entschlossen, die neue<br />
Glaubensrichtung nicht zur herrschenden<br />
in Bayern werden zu lassen.<br />
So verfügte er, daß von nun an<br />
keine weiteren Neuerungen auf<br />
religiösem Gebiet mehr erlaubt<br />
seien. Nur was auf dem kommenden<br />
Reichstag offiziell<br />
beschlossen werde, das werde<br />
auch in seinem Lande gehalten<br />
bzw. durchgeführt werden.<br />
Zur gleichen Zeit jedoch<br />
bemühte sich die herzogliche<br />
Regierung durchaus sehr ernsthaft<br />
um die Beseitigung der<br />
offenkundigen kirchlichen Mißstände<br />
und eine innerkatholische<br />
Reform. Auf dieser Linie lagen auch<br />
die Kirchenvisitationen im Gebiet<br />
der Diözese Freising in den Jahren<br />
1558, 1559 und 1560, die aus<br />
römischer Sicht freilich Erschreckendes<br />
zutage förderten:<br />
So lebten beispielsweise mehr als<br />
1/3 der Geistlichen in offenem<br />
„Konkubinat” mit ihren Frauen.<br />
Dem Dekan des Aiblinger Pfarrkapitels,<br />
Pfarrer Alxinger von Götting<br />
hatte dessen Köchin zum Beispiel<br />
fünf Kinder geschenkt. Und dabei<br />
beklagte er sich noch darüber, daß<br />
er in seiner Pfarrei unzweifelhaft<br />
viele „Zwinglianer” hatte.
Wegen „Häresie” (= Irrlehre), wurden<br />
zahlreiche Anhänger Luthers<br />
festgenommen, in den „Falkenturm”<br />
nach München eingesperrt,<br />
verhört und am Ende dem Bischof<br />
zur Bestrafung übergeben. Manche<br />
schworen daraufhin der neuen<br />
Lehre ab und lebten wieder nach<br />
altem katholischem Brauch. Andere<br />
hingegen blieben standhaft oder<br />
unterwarfen sich nur vorübergehend,<br />
bekannten sich aber schon<br />
bald wieder zur lutherischen Lehre.<br />
In der Göttinger Pfarrkirche St.<br />
Michael und in Vagen wurde erneut<br />
die Kommunion unter beiden<br />
Gestalten gereicht. Der Zulauf aus<br />
anderen Gemeinden war stark.<br />
Viele in Kirchdorf am Haunpold<br />
und Högling nahmen zum Empfang<br />
des Abendmahls den Weg nach<br />
Bruck bei Ebersberg oder nach<br />
Irschenberg auf sich und hielten<br />
„Winkelschulen und sektische Zusammenkünfte”.<br />
In Höhenrain hielt<br />
gar die Mehrzahl der Gemeindeglieder<br />
den „anderen Gottesdienst”<br />
und sang in den Häusern<br />
Reformation im Mangfalltal<br />
lutherische Psalmen. Auch in Aibling<br />
hatte der lutherische Glaube<br />
längst Fuß gefaßt. Mehrere Bürger<br />
besaßen lutherische „Postillen” (=<br />
Andachtsbücher), lehnten die katholische<br />
Messe ab und wollten die<br />
Kommunion nur noch unter beiden<br />
Gestalten empfangen. Pfarrer Johann<br />
Eckhardt von Aibling beklagte<br />
sich bitter über „verführerische<br />
Schriften” in seiner Pfarrei.<br />
Auch die Visitation von 1564<br />
zeigt die reformatorische Bewegung<br />
in Oberbayern, allen Ermahnungen<br />
und Drohungen zum<br />
Trotz, noch immer im Wachsen<br />
begriffen. In Au beispielsweise<br />
waren etwa 1000 Personen protestantisch,<br />
davon 600 kompromißlos<br />
und keiner „Belehrung”<br />
zugänglich, die restlichen im-<br />
Pankratz von Freyberg, herzoglicher Hofmarschall<br />
und einer der wichtigsten Vertreter<br />
der Reformation in Bayern<br />
23<br />
merhin noch bereit, die Messe<br />
anzunehmen, sofern ihnen der Laienkelch<br />
gereicht würde. In Berbling<br />
dagegen weigerte man sich überhaupt,<br />
noch zur Kommunion zu<br />
gehen, auch bei Zusage des Laienkelchs.<br />
In Götting lehnten die Bau-<br />
An der Ablaßpraxis hatte sich 1517 der Streit zwischen<br />
Luther und Rom entzündet. An seinem<br />
Ende stand der Bruch der abendländischen Kirchengemeinschaft:<br />
Flugblatt gegen den Ablaß,<br />
Augsburg 1520<br />
ern die Messe ebenfalls ab; sie hielten<br />
sie schlicht und ergreifend für<br />
„Abgötterei”. Und so weiter.<br />
Nicht zuletzt die Bekenntnistreue<br />
und der Mut der Protestanten veranlaßten<br />
Herzog Albrecht V 1562 (das<br />
heißt: nur ein Jahr nach der Absetzung<br />
des Pankraz von Freyberg als<br />
Hofmarschall!), seinen Rat Dr.<br />
Augustin Paumgartner zu dem gerade<br />
wieder eröffneten Konzil nach<br />
Trient zu entsenden – mit dem Auftrag,<br />
dort die verkommenen und<br />
völlig verfahrenen innerkirchlichen<br />
Verhältnisse Bayerns darzustellen<br />
und als „Heilmittel” die Freigabe<br />
der Priesterehe und der Kommunion<br />
unter beiderlei Gestalt vorzuschlagen.<br />
Tatsächlich gab Papst Pius<br />
IV insoweit nach, daß er 1564 in<br />
den kaiserlichen Staaten und in<br />
Bayern den Laienkelch, wenn auch<br />
nicht die Priesterehe gestattete.<br />
Dieses Fortschritts sollten sich die<br />
<strong>Evangelisch</strong>en in Bayern freilich<br />
nicht mehr erfreuen. Ein von einer
Gruppe von Adeligen unter<br />
Führung von Joachim von Ortenburg<br />
1563 auf dem Landtag zu<br />
Ingolstadt gestellter, aus heutiger<br />
Sicht tollkühner Antrag auf Einführung<br />
der Augsburger Konfession<br />
zeigte die protestantische Partei im<br />
Landtag (!) in der Minderheit (45<br />
von 120, darunter auch Wolf Dietrich<br />
von Maxlrain). Ein Jahr später<br />
fiel dem Herzog durch einen<br />
unglücklichen Zufall die komplette<br />
Korrespondenz des Grafen Joachim<br />
in die Hände. Sie zeigte nicht nur,<br />
wie weit verbreitet die evangelische<br />
Bewegung im Lande war, sondern<br />
enthielt auch jede Menge überaus<br />
kritische Äußerungen über die herzogliche<br />
Religionspolitik.<br />
Diese einmalige Chance ließ Albrecht<br />
sich nicht entgehen. Prompt<br />
erhob er Anklage wegen Hochverrats<br />
und Bruchs des Religionsfriedens.<br />
Alle Angeklagten beriefen<br />
sich angesichts der drohenden<br />
schweren Strafen auf ihren Eifer für<br />
die Religion. Die meisten unterwarfen<br />
sich jedoch und baten flehentlich<br />
und kniend um Gnade,<br />
die ihnen denn auch großzügig<br />
gewährt wurde. Nur einer verweigerte<br />
standhaft die Unterschrift:<br />
Pankraz von Freyberg. Er landete<br />
für vier Monate im Münchener<br />
Falkenturm, fügte sich 1565<br />
schließlich doch noch und kehrte<br />
als gebrochener Mann nach<br />
Hohenaschau zurück.<br />
War die Sache für die Landstände<br />
damit relativ glimpflich abgelaufen,<br />
wurde nun um so schärfer<br />
gegen alle herzoglichen Untertanen<br />
oder Amtleute vorgegangen,<br />
die nicht von der neuen Lehre las-<br />
Vorgeschichte<br />
sen wollten. Die Wortführer, darunter<br />
viele Pfarrer und Prediger, wurden<br />
verhaftet, eingekerkert oder<br />
gleich aus dem Land gejagt. 32 Gulden<br />
waren jetzt auf den Kopf eines<br />
„Wiedertäufers” gesetzt – und immerhin<br />
noch 20 Gulden auf den<br />
eines <strong>Lutherische</strong>n.<br />
Kein Wunder, wenn unter diesen<br />
Umständen die Denunziation aufblühte.<br />
Buchhandlungen wurden<br />
regelmäßig nach verbotenen Schriften<br />
durchsucht, bezahlte Spitzel<br />
eingestellt und bei Verdacht regelrechte<br />
Religionsverhöre durchgeführt.<br />
Der Besuch der Gottesdienste<br />
und die Einhaltung der Fastengebote<br />
wurden bei Strafe erzwungen.<br />
Personen, die auf dem Sterbebett<br />
die Kommunion unter einer Gestalt<br />
ablehnten, wurde sogar die christliche<br />
Bestattung verweigert.<br />
So drastisch ging Albrecht V vor,<br />
daß er schon bald als der eigentliche<br />
Anführer der „katholischen”<br />
24<br />
Partei in ganz Deutschland galt. Die<br />
1564 aus Rom eintreffende Zulassung<br />
des Laienkelches ließ der Herzog<br />
gar nicht mehr erst veröffentlichen.<br />
Seine eigene, 1556 ausgesprochene<br />
Zustimmung dazu zog er<br />
1571 in aller Form zurück.<br />
Wolf Dietrich von Maxlrain spielte<br />
eine wenig rühmliche Rolle: Einerseits<br />
betonte er seinen lutherischen<br />
Standpunkt und pochte auf seine<br />
Rechte als Landesherr aus dem<br />
Augsburger Religionsfrieden. Andererseits<br />
wich er aber Schritt für<br />
Schritt vor den Forderungen des<br />
Herzogs zurück, hielt freilich persönlich<br />
bis zu seinem Tod im Jahre<br />
1586 an seinem evangelischen<br />
Glauben fest. Von seinen sechs Kindern<br />
blieb nur der Jüngste, Georg,<br />
evangelisch. Im 30-jährigen Krieg<br />
stand aber auch er wiederum nicht<br />
auf der Seite der Schweden, sondern<br />
kämpfte als protestantischer Rittmeister<br />
(!) und letzter evangelischer<br />
Maxlrainer im katholischen Heer (!)<br />
des bayerischen Herzogs.<br />
Als sich die Residenzstadt München<br />
1568 für die Hochzeit von<br />
Wilhelm V rüstete, sah man sich<br />
gleichwohl immer noch genötigt,<br />
in sämtlichen Wirtshäusern<br />
gründliche Razzien durchzuführen<br />
und nach protestantischen<br />
Büchern zu suchen, um<br />
die zahlreich erwarteten alt-<br />
Urkunde des Augsburger Religionsfriedens<br />
von 1555: Er bedeutete den offiziellen<br />
Verzicht auf die Einheit des Glaubens im<br />
Reich (später auf die bekannte Kurzformel<br />
gebracht: ”cuius regio, eius religio”
gläubigen Hochzeitsgäste nicht zu<br />
brüskieren – mit reicher Ausbeute,<br />
wie uns die Quellen bezeichnenderweise<br />
wissen lassen. Und noch<br />
aus dem Jahr 1570 wird uns berichtet,<br />
weit über die Hälfte (!) des Rates<br />
der Stadt München neigten der<br />
evangelischen Sache zu.<br />
In Rosenheim fand eine Visitation<br />
im Jahre 1560 die Bewohner der<br />
Stadt als „in der Religion ganz vergifft”,<br />
und 1563 schätzte man, daß<br />
von 1.500 Osterkommunikanten<br />
(Teilnehmer am obligatorischen österlichen<br />
Abendmahl) nur noch ganze<br />
100 „katholisch” waren.<br />
Die Gemeinde von Neukirchen bei<br />
Weyarn zeigte ihre Sympathie für<br />
die Lehre Luthers auf besonders<br />
drastische Weise: Als sich der dortige<br />
Pfarrer Johannes Loy weigerte,<br />
Reformation im Mangfalltal<br />
Das 1545 von Papst Paul III einberufene und nach drei Sitzungsperioden erst 1563 von Papst<br />
Pius IV abgeschlossene Konzil von Trient (”Tridentinum”) betonte gegen Luther die Gültigkeit<br />
von Schrift und Tradition, regelte den Gottesdienst und andere Fragen wie die Lehre von den<br />
Sakramenten neu und leitete die ”Gegenreformation” ein. Es prägte die folgenden Jahre so<br />
sehr, daß man diese auch als ”nachtridentisches Zeitalter” bezeichnet<br />
ein „sektisches Pfarrkind” zu beerdigen,<br />
lehnte man ihm über Nacht<br />
den Leichnam des Verstorbenen so<br />
an die Haustüre, daß er dem Pfarrer<br />
beim Öffnen der Tür am nächsten<br />
Morgen buchstäblich in die Arme fiel.<br />
Doch es half alles nichts. Nach<br />
1570 traf die sogenannte „Gegenreformation”<br />
die evangelischen Christen<br />
in Bayern mit letzter Wucht. 15<br />
Jahre später waren fast alle Spuren<br />
der Reformation aus Oberbayern verschwunden.<br />
Stolz konnte ein Protokoll<br />
des Rechtsamtes vom 21. Oktober<br />
1581 berichten, die herzoglichen<br />
und bürgerlichen Beamten in<br />
Aibling und Umgebung besuchten<br />
die befohlenen Gottesdienste und<br />
nähmen an den Prozessionen teil.<br />
Zünfte und Volk gingen fleißig in<br />
die Kirche, „sektische” Bücher gebe<br />
es auch keine, und überhaupt sei<br />
25<br />
„niemand Sektischer mehr in<br />
ganzer Pfarrei und Gericht Aibling”.<br />
1583 erhielten alle herzoglichen<br />
Pfleger rund um die maxlrainische<br />
Herrschaft Waldeck den Befehl, der<br />
Bevölkerung ihres Bezirkes bei Leibesstrafe<br />
(!) einzuschärfen, daß niemand<br />
mehr mit den zu Miesbach<br />
Exkommunizierten der Grafschaft<br />
Hohenwaldeck irgend etwas zu<br />
schaffen haben dürfe, weder geschäftlich,<br />
noch in anderer Weise.<br />
Sie mußten buchstäblich Straßen<br />
und Plätze verlegen und sämtliche<br />
Zugänge sperren, um jeden Kontakt<br />
mit den Gebannten zu unterbinden.<br />
Die im Lande verbliebenen Anhänger<br />
Luthers sahen sich immer stärkerem<br />
Druck ausgesetzt. Sie unterwarfen<br />
sich oder wanderten aus,<br />
selbst wenn sie dabei Haus und Hof<br />
und all ihre Habe zurücklassen<br />
mußten. Aus den Gemeinden, die<br />
ein halbes Jahrhundert lang evangelisch<br />
gelebt und sich bis zuletzt<br />
hartnäckig gegen die Rekatholisierung<br />
gewehrt hatten, waren bald<br />
alle protestantischen Einwirkungen<br />
beseitigt. 1586 bereits war die<br />
Gegenreformation in Oberbayern<br />
praktisch abgeschlossen.<br />
DIE WENDE<br />
1648 endete mit dem Friedensschluß<br />
in Münster und Osnabrück<br />
nach unvorstellbaren Greueln und<br />
Verwüstungen der 30-jährige Krieg.<br />
Der Westfälische Friede schrieb die<br />
politische und zugleich konfessionelle<br />
Zersplitterung des Reiches in<br />
souveräne Einzelstaaten fest. Das<br />
Herzogtum und (seit 1623) Kurfür
stentum Bayern war und blieb<br />
unwiderruflich römisch-katholisch.<br />
Am 16. Februar 1799 bestieg nach<br />
dem Tod von Kurfürst Karl Theodor<br />
der Herzog von Zweibrücken als<br />
Maximilian IV Joseph den bayerischen<br />
Thron. Zwei Jahre vorher<br />
hatte der Kurfürst zum zweiten Mal<br />
geheiratet. Die neue Kurfürstin hieß<br />
Friederike Karoline, war die Tochter<br />
des Erbprinzen von Baden und –<br />
horribile dictu – Protestantin, die zu<br />
allem Überfluß treu an ihrem Glauben<br />
hing und es sich zum Entsetzen<br />
römisch-katholischer Kreise nicht<br />
nehmen ließ, ihr lutherisches bzw.<br />
reformiertes Gefolge – einschließlich<br />
ihres vertrauten Hofgeistlichen<br />
Ludwig Friedrich Schmidt – mit an<br />
den Hof nach München zu bringen,<br />
was ihr im Ehevertrag auch noch<br />
ausdrücklich zugesichert worden<br />
war. Am 12. Mai 1799 hielt<br />
„Kabinettsprediger” Schmidt in<br />
Schloß Nymphenburg den ersten<br />
evangelischen Gottesdienst für die<br />
Kurfürstin und 150 evangelische<br />
Mitglieder ihres Hofes.<br />
Der Ruf der Großzügigkeit und des<br />
Verständnisses für die Nöte und<br />
Sorgen auch der kleinen Untertanen<br />
ging dem neuen Kurfürsten voraus,<br />
und es war bezeichnend und<br />
voraussehend zugleich, wenn anläßlich<br />
des feierlichen Einzugs Max<br />
Josephs in der Münchener Residenz<br />
ein angesehener Bürger der Stadt an<br />
den Wagenschlag herantrat, dem<br />
Kurfürsten die Hand entgegenstreckte<br />
und ihn mit den legendären<br />
Worten in München begrüßte:<br />
„Grüaß Gott, Maxl, weilst nur da<br />
bist, jetzt wird alles guat!”<br />
Vorgeschichte<br />
Caroline von Baden<br />
Und gut sollte es in der Tat werden,<br />
auch für die <strong>Evangelisch</strong>en in Bayern.<br />
Königin Karoline (seit 1806)<br />
stand ihrem Mann in nichts nach,<br />
und schon bald kannte man im<br />
ganzen Land den Spruch:<br />
„Steht dir die Not bis obenhin,<br />
so gehst du zu der Karolin!”<br />
Bereits 1801 erzwang der Kurfürst<br />
nach einigem Hin und Her<br />
mit einem Machtwort das Bürgerrecht<br />
für den Mannheimer Weinwirt<br />
und Pferdehändler Johann Balthasar<br />
Michel, der sich in München niederlassen<br />
wollte. Ein wahrer Meilenstein<br />
auf dem Weg zur religiösen<br />
Befreiung aber war das Religionsedikt<br />
von 1803. Es sicherte den Bekennern<br />
aller christlichen Konfes-<br />
Ein kleines Vermögen kostete den ersten evangelischen<br />
Bürger Münchens im Sommer 1801 der Erwerb<br />
des Bürgerrechts: Die von ihm geleisteten<br />
470 Gulden waren damals eine Menge Geld.<br />
26<br />
sionen gleiche bürgerliche Rechte<br />
zu und regelte das Problem der Bildung<br />
religiöser und kirchlicher<br />
Gemeinden neu.<br />
Zum inneren Ausbau seines Staates<br />
und zur Hebung des allgemeinen<br />
Wohlstandes war Max Joseph unter<br />
dem Einfluß seines berühmten Ratgebers<br />
und Ministers Max von Montgelas<br />
bemüht, auch die großen, bis<br />
zu diesem Zeitpunkt ungenutzten<br />
Moorgebiete in seinem Lande endlich<br />
urbar zu machen.<br />
So entschloß sich der Kurfürst im<br />
Jahre 1802, auch das Moor zwischen<br />
Aibling und Rosenheim mit<br />
Emigranten aus der Rheinpfalz zu<br />
besiedeln. Kurz darauf trafen auch<br />
schon die Ersten ein und legten<br />
zwei Dörfer an: Ober- und Unterkarolinenfeld,<br />
benannt natürlich nach<br />
der Kurfürstin. Andere Kolonien entstanden<br />
im Umkreis von München,
zum Beispiel in Perlach, Feldkirchen<br />
und Trudering, im Dachauer<br />
Land und im Donaumoos.<br />
Viele der neu Angesiedelten waren<br />
evangelisch, teilweise lutherisch,<br />
teilweise calvinistisch (= reformiert),<br />
was zeitweise zu erheblichen innerevangelischen<br />
Spannungen führte.<br />
Nach einer Aufstellung von 1804<br />
gab es in der Siedlung Großkarolinenfeld<br />
240 Katholiken und 107<br />
Protestanten. Der zuständige katholische<br />
Seelsorger saß in Pfaffenhofen.<br />
Ein evangelischer Pfarrer war<br />
noch nicht vorhanden; die evangelischen<br />
(!) Taufen vollzog der katholische<br />
(!) Kollege – wohlgemerkt,<br />
ohne daß die Kinder deswegen<br />
katholisch wurden, aus heutiger<br />
Sicht kaum noch vorstellbar.<br />
Dieser Zustand konnte natürlich<br />
nicht ewig andauern. 1803 kam<br />
Max Joseph einem Gesuch der<br />
Gemeinde nach und bewilligte zunächst<br />
eine protestantische Schulstelle,<br />
dann aber doch auch Pfarrstelle.<br />
Mit Elias Merkle aus Ulm traf<br />
am 24. Juli 1804 der erste protestantische<br />
Pfarrer in der Kolonie ein.<br />
Reformation im Mangfalltal<br />
Da es noch kein Pfarrhaus gab,<br />
mußte er aber vorerst in Aibling<br />
wohnen, wo sich die Einheimischen<br />
mit eigenen Augen davon überzeugten,<br />
daß sowohl er als auch<br />
seine Frau „ein menschliches Antlitz”<br />
trugen.<br />
Am 13. Oktober 1822 wurde in<br />
Großkarolinenfeld die älteste evangelische<br />
Kirche Oberbayerns eingeweiht.<br />
Doch die Gemeinde<br />
erstreckte sich<br />
über ein riesiges Diasporagebiet,<br />
das noch<br />
1862 von Berchtesgaden,<br />
Reichenhall und<br />
Traunstein über Grafing,<br />
Ebersberg, Glonn<br />
und Rosenheim bis<br />
Die älteste evangelische Kirche von<br />
Oberbayern steht in Großkarolinenfeld,<br />
eingeweiht 1822<br />
27<br />
Erklärung zum Beginn des 1. Weltkrieges<br />
- aus: Korrespondenzblatt des<br />
Pfarrervereins der Evang.-Luth. Kirche<br />
in Bayern vom 10. August 1914<br />
nach Tegernsee, Tölz<br />
und Kreuth reichte. Erst<br />
nach und nach wurden<br />
die entferntesten Gebiete<br />
abgetrennt und durch<br />
sogenannte „Reiseprediger”<br />
und schließlich auch<br />
eigene Pfarrer betreut.<br />
1863 fand in einem von<br />
der Spinnerei bereitgestellten<br />
„Betsaal” der<br />
erste evangelische Gottesdienst in<br />
Kolbermoor statt. 30 Jahre später,<br />
also 1893, wurde auch in der Schule<br />
in Aibling ein evangelischer „Betsaal”<br />
eingerichtet. 1904 konnte<br />
schließlich auch die Christuskirche<br />
in Aibling eingeweiht werden.<br />
1922 folgte die Errichtung der Pfarrei<br />
Bad Aibling, zu der damals auch<br />
noch Kolbermoor, Bruckmühl und<br />
Feldkirchen-Westerham, ja sogar<br />
Klein- und Großhelfendorf gehörten.<br />
Zum ersten Pfarrer der neuen<br />
Pfarrei wurde der bisherige „Badeprediger”<br />
Hermann Braun ernannt<br />
und feierlich installiert.
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tatsächlichen Hergang<br />
zu rekonstruieren, viele längst in<br />
Vergessenheit geratene Einzelheiten<br />
neu erfahren und dabei auch<br />
wertvolle Unterstützung von vielen<br />
Seiten erfahren. Sollten uns trotzdem<br />
Fehler unterlaufen oder wichtige<br />
Details unentdeckt geblieben<br />
sein, bitten wir um Entschuldigung.<br />
Fast 350 Jahre waren vergangen,<br />
seit die Gegenreformation nach<br />
1570 auch hier bei uns im westlichen<br />
Mangfalltal die letzten evangelischen<br />
Regungen abrupt beendet<br />
hatte. Nun versammelten sich am<br />
15. Februar 1920, zwei Jahre nach<br />
dem Ende des 1. Weltkriegs, im<br />
sogenannten „Expeditionsraum“ der<br />
Wolldeckenfabrik in Heufeldmühle<br />
zum ersten Mal wieder evangelische<br />
Christen zu einer bibelstundenartigen<br />
„Sonntagsandacht“. Alle<br />
vier Wochen kamen sie von nun an<br />
hier zusammen, zunächst nur nachmittags,<br />
nach einiger Zeit aber auch<br />
am Vormittag.<br />
1927 stellte die Fabrik den wohl<br />
doch etwas freundlicheren Speisesaal<br />
zur Verfügung. Durch das Entgegenkommen<br />
der damaligen politischen<br />
Gemeinde Kirchdorf am<br />
Haunpold konnten die Gottesdienste<br />
nach dem Neubau der Bruckmühler<br />
Schule 1929 in einen eigens<br />
dort eingerichteten evangelischen<br />
„Betsaal“ verlegt werden.<br />
Damals – bis zur Errichtung der<br />
Pfarrei Bruckmühl 1962 (!) – gehör-<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
Blick von der Villa Hohenfried zum Mausoleum -<br />
links unten das Mesnerhaus, um 1940<br />
ten Bruckmühl und<br />
Feldkirchen-Westerham<br />
aber noch immer<br />
zur Kirchengemeinde<br />
Bad Aibling.<br />
Einige unserer älterenGemeindeglieder<br />
können sich<br />
sogar noch an diese<br />
Zeit erinnern.<br />
Bereits einige Jahre<br />
zuvor, am 9. August<br />
1924, hatte Pfarrer<br />
Braun in Feldkirchen<br />
erstmals monatliche<br />
Bibelstunden eingerichtet. Sie wurden<br />
in der Wohnung des Schreiners<br />
Georg Peetz am Kellerberg in Feldkirchen<br />
abgehalten und zwar am<br />
frühen Sonntagnachmittag.<br />
Daß es nicht bei diesem Provisorium<br />
blieb, sondern die evangelischen<br />
Christen im westlichen<br />
Mangfalltal schon bald in einer<br />
eigenen, noch dazu wunderschönen<br />
Kirche zum Gottesdienst<br />
zusammenkommen konnten, verdankten<br />
sie und verdanken wir bis<br />
30<br />
Der evangelische Betsaal in der Bruckmühler Schule lag seit<br />
1929 im Erdgeschoß, auf dem Bild links unten, halb verdeckt<br />
durch das 1938 vor der Schule aufgestellte Kriegerdenkmal<br />
heute Generalkonsul Karl Stollwerck,<br />
einem Sohn des Begründers<br />
der berühmten Kölner Schokoladenwerke,<br />
Franz Stollwerck.<br />
Er hatte sich nämlich bereits zu<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts entschlossen,<br />
seinen Wohnsitz von<br />
Köln an einen ruhigeren Ort zu verlegen,<br />
um von dort aus (neben seinen<br />
vier Brüdern) die Leitung der<br />
umfangreichen und überaus erfolgreichen<br />
Stollwerck’schen Unternehmen<br />
wahrzunehmen.
Hohenfried, vormals ”Giglbergerhof”, um 1940<br />
Auf der Suche nach einem geeigneten<br />
Platz, der ihn auch hinsichtlich<br />
seiner landschaftlichen Schönheit,<br />
gesunden Lage und Verkehrsanbindung<br />
zufriedenstellen würde, reiste<br />
er wiederholt durch verschiedene<br />
Gegenden Deutschlands.<br />
Schließlich fiel seine Wahl auf<br />
einen malerisch auf einer Anhöhe<br />
gelegenen Bauernhof nordwestlich<br />
von Feldkirchen („Giglbergerhof”),<br />
1520 bereits erstmals urkundlich<br />
erwähnt und damit vermutlich einer<br />
der ältesten Bauernhöfe in ganz<br />
Oberbayern.<br />
Wann der Kauf tatsächlich erfolgte,<br />
ist heute nicht mehr mit letzter<br />
Sicherheit festzustellen. Im Grundbuch<br />
Bad Aibling ist der 11. Januar<br />
1917 eingetragen. Andere Quellen<br />
sprechen von einem Erwerb „noch<br />
vor Kriegsausbruch” (also vor 1914)<br />
oder gar erst im Jahr 1919. Nach<br />
Auskunft des Amtsgerichts Bad Aibling<br />
wurden Grundbuchänderungen<br />
in jener Zeit aber oft erst Jahre<br />
nach dem eigentlichen Ereignis vorgenommen,<br />
so daß die Angabe „vor<br />
Beginn des Krieges” trotz des viel<br />
später erfolgten Grundbucheintrages<br />
durchaus zutreffen könnte.<br />
Jedenfalls wurde der Giglbergerhof<br />
samt beträchtlichem Grundbesitz<br />
zu einem heute nicht mehr bekannten<br />
Preis gekauft und über mehrere<br />
Jahre zu einem prächtigen Herrschaftshaus<br />
und Sommersitz „Hohenfried”<br />
ausgebaut. Nach außen hin<br />
beließ man das Gebäude jedoch in<br />
seiner ursprünglichen Gestalt. Zur<br />
Versorgung mit Trinkwasser wurde<br />
eigens eine Leitung gelegt, durch<br />
die man frisches Quellwasser vom<br />
Tal in einen noch heute gegenüber<br />
der Villa stehenden und an eine mittelalterliche<br />
Burg erinnernden Wasserturm<br />
empor pumpte. Nach<br />
Abschluß der Umbauarbeiten<br />
zogen die neuen Bewohner vermutlich<br />
1925 (?) ein.<br />
Franz Giglberger, der bis dahin den<br />
Hof bewirtschaftet hatte, war übrigens<br />
gleichzeitig auch Bürgermeister<br />
von Feldkirchen und baute mit<br />
einem Teil des Erlöses das heute<br />
noch in der Westerhamer Straße in<br />
31<br />
Feldkirchen erhalten gebliebene<br />
„Giglbergerhaus”. Der größere Teil<br />
des Verkaufserlöses fiel aber leider<br />
kurz darauf der Inflation zum Opfer.<br />
FAMILIE STOLLWERCK<br />
Fanny Therese Stollwerck (1864-<br />
1943) stammte aus vornehmsten<br />
Kreisen. Ihre Mutter hatte den Bankier<br />
von Hanau geheiratet und<br />
1864 die Tochter zur Welt gebracht.<br />
Diese wiederum heiratete am 20.<br />
Februar 1888 in einer wohl auch<br />
nach damaligen Vorstellungen wirklichen<br />
„Traumhochzeit” in der Kirche<br />
St. Esprit (= Heilig-Geist) in<br />
Paris, gehalten von Pastor Wernes,<br />
den Schokoladenfabrikanten und<br />
persischen Generalkonsul Carl (später<br />
meist „Karl” geschrieben) Franz<br />
Anton (?) Stollwerck (1859-1932).<br />
Das Ehepaar Stollwerck gehörte,<br />
wie man so sagt, zur „besseren<br />
Gesellschaft” und verfügte auch<br />
über ein wohl durchaus beträchtliches<br />
Vermögen. Nur eines war den<br />
beiden zu ihrem großen Leidwesen<br />
nicht vergönnt: eigene Kinder zu<br />
haben. So nahmen sie um die Jahrhundertwende<br />
(?) zwei Pflege- bzw.<br />
Adoptivtöchter auf:<br />
• Marion Therese: Sie heiratete<br />
1922 den Londoner Offizier, Geschäftsmann<br />
und späteren Unterhausabgeordneten<br />
Frederic John<br />
Bellenger (1894-1968). Dieser vertrat<br />
von 1935 an über 30 Jahre lang<br />
den Wahlkreis Bassetlaw in Nottinghamshire<br />
und war von 1945 bis<br />
1947 als „Financial Secretary to the<br />
War Cabinet” und „Secretary of<br />
State for War” sogar Mitglied der<br />
britischen Regierung.
Noch während der 30er Jahre war<br />
die Familie mit ihren 6 Kindern,<br />
darunter auch Sohn Rodney, später<br />
Offizier in der britischen „Rheinarmee”,<br />
wiederholt zu Besuch in der<br />
Villa Hohenfried. Nach Ausbruch<br />
des 2. Weltkrieges jedoch war diese<br />
Verbindung politisch natürlich nicht<br />
mehr „erwünscht”. Möglicherweise<br />
war dies auch einer der Gründe,<br />
weshalb Marion Bellenger 1943 das<br />
ihr doch wohl von Rechts wegen<br />
zustehende Erbe nicht antreten<br />
konnte und die Villa statt dessen<br />
von den Nationalsozialisten beschlagnahmt<br />
wurde (siehe weiter<br />
hinten unter „Die Stiftung”). Zuverlässige<br />
Informationen hierüber liegen<br />
uns jedoch leider nicht vor.<br />
Nach Gottes unerforschlichem Ratschlusse ist unser<br />
herzig-gutes Töchterchen und Schwesterchen<br />
Carlita<br />
nach langem, schwerem, mit wahrer Engelsgeduld<br />
ertragenem Leiden heimgegangen.<br />
Köln, den 27. September 1911<br />
Carl Stollwerck, Fanny Stollwerck, geb. Hanau<br />
Marion-Theresa Stollwerck<br />
Marion Bellenger muß eine sehr<br />
attraktive Frau gewesen sein. In seiner<br />
Antrittsrede im britischen Unterhaus<br />
vom 26. Juni 2001 sprach der<br />
heutige Abgeordnete für Bassetlaw,<br />
John Mann, jedenfalls von seinem<br />
legendären Vorgänger und fügte<br />
den aufschlußreichen Satz an:<br />
„Captain Bellenger was reputed to<br />
have the most beautiful spouse of<br />
any honorable Member in the<br />
House at the time....” - zu deutsch:<br />
„Hauptmann Bellenger hatte den<br />
Ruf, die schönste Gattin von allen<br />
ehrenwerten Mitgliedern des Unterhauses<br />
jener Zeit zu haben....”<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
Fanny Therese Stollwerck,<br />
geb. Hanau 1864-1943<br />
• Carlita (manchmal auch „Carlitta“,<br />
„Charlita“ oder „Karlita“ geschrieben):<br />
Auch sie soll von vornehmer<br />
Herkunft gewesen sein, war<br />
laut Sterbeurkunde 1902 in Paris<br />
geboren und starb am 27. September<br />
1911 in Köln, dem Bestattungsbuch<br />
zufolge im jugendlichen<br />
Alter von nur 9 Jahren im<br />
St. Antonius-Krankenhaus in der<br />
Kölner Schillerstraße, vermutlich<br />
an Leukämie oder Tuberkulose.<br />
Auch eine am 28. September<br />
in der Kölnischen Zeitung erschienene<br />
Todesanzeige läßt auf<br />
eine längere Krankheit schließen.<br />
Andere seither in der Gemeinde im<br />
Umlauf befindliche Versionen wie<br />
etwa ein Sturz in der Stollwerck’schen<br />
Wohnung, ein Reitunfall oder<br />
Tod durch Ertrinken können demnach<br />
nicht stimmen, darunter auch<br />
die, daß Carlita erst mit 14 Jahren<br />
gestorben sein soll.<br />
32<br />
Generalkonsul<br />
Karl Stollwerck, 1859-1932<br />
Auf jeden Fall wurde der Tod durch<br />
Prokurist Peter Harnisch zur Anzeige<br />
gebracht. Am 30. September<br />
1911 bestattete man das Mädchen<br />
auf dem für seine Prominentengräber<br />
und künstlerisch wertvollen<br />
Grabdenkmäler berühmten Kölner<br />
Friedhof Melaten, wahrscheinlich in<br />
einer heute jedoch nicht mehr<br />
erhaltenen Gruft der Familie Stollwerck<br />
(Flurnummer 69A). Von dort<br />
wurde Carlita schließlich 1927<br />
nach Feldkirchen überführt, um im<br />
Mausoleum ihre letzte Ruhestätte<br />
zu finden. Die Bänder an dem auf<br />
Ihrem Sarkophag hinter dem Altar<br />
liegenden Lorbeerkranz tragen die<br />
folgende französische Inschrift:<br />
„REVE / TU M’APPARUS SOUDAIN<br />
/ VIVANT CEQUE / VIVENT LES<br />
ROSES / L’ESPACE D’UN MATIN /<br />
COMME IDEAL / F.TH.ST.” - auf<br />
deutsch: „Traum / Du bist mir plötzlich<br />
erschienen / so lebendig / es<br />
leben die Rosen / die Dauer eines<br />
Morgens / als Ideal (schöner Traum)<br />
/ Fanny Therese Stollwerck.<br />
• Name, Herkunft und Schicksal<br />
einer angeblichen dritten Pflegetochter<br />
der Stollwercks sind heute<br />
leider nicht mehr zu ermitteln.
DIE IDEE<br />
Der Besuch einer evangelischen<br />
Bibelstunde mit Pfarrer Braun in der<br />
Wohnung des Schreiners Georg<br />
Peetz in Feldkirchen am 31. Januar<br />
1926 brachte Fanny Stollwerck auf<br />
die Idee, einen würdigeren Gottesdienstraum<br />
zu schaffen. Dieser Gedanke<br />
stand in engem Zusammenhang<br />
mit einem weiteren Vorhaben,<br />
welches noch aus der Zeit vor dem<br />
1. Weltkrieg stammte:<br />
Karl Stollwerck hatte nämlich ursprünglich<br />
einmal geplant, in nächster<br />
Nähe seines Sommersitzes Hohenfried<br />
eine „Anstalt für erholungsbedürftige<br />
Großstadtkinder”<br />
zu gründen. Auch eine kleine „Anstaltskirche”<br />
sollte, der tiefen Frömmigkeit<br />
der Stifter entsprechend,<br />
dazu gehören.<br />
Der Kölner Friedhof Melaten ist berühmt für seine<br />
Prominentengräber und künstlerisch wertvollen<br />
Grabdenkmäler. Im 12. Jahrhundert befand sich auf<br />
dem Gelände ein Asyl für Aussätzige, später eine<br />
Hinrichtungsstätte für Protestanten und Hexen.<br />
Carlita Stollwerck, 1902-1911<br />
Zur Ausführung dieses großen<br />
Plans aber kam es bedauerlicherweise<br />
nicht mehr. Nicht<br />
nur hatte der Ausgang des<br />
Weltkrieges die wirtschaftliche<br />
und politische Lage völlig verändert,<br />
die französische Regierung<br />
hatte dem Vernehmen<br />
nach auch das Millionenvermögen<br />
von Fanny Therese Stollwerck<br />
eingezogen. „Arm” in dem<br />
Sinne war die Familie damit zwar<br />
noch nicht geworden. Einen erheblichen<br />
Teil ihres Besitzes hatte sie<br />
aber wohl doch verloren. Leider<br />
sind wir auch an dieser Stelle auf<br />
Vermutungen angewiesen.<br />
So blieb von der ursprünglich<br />
geplanten Erholungseinrichtung nun<br />
gewissermaßen nur noch die „Anstaltskirche”<br />
übrig. Sie sollte nicht<br />
nur dem Ehepaar Stollwerck – Karl<br />
Stollwerck selbst gehörte der altkatholischen<br />
Kirche an – und seinen<br />
zahlreichen Gästen, sondern auch<br />
den damals freilich noch sehr wenigen<br />
evangelischen Christen in der<br />
Umgebung als Stätte geistlicher Erbauung<br />
dienen.<br />
33<br />
Gleichzeitig beschlossen Fanny und<br />
Karl Stollwerck, die sterblichen<br />
Überreste der 16 Jahre zuvor verstorbenen<br />
Adoptivtochter Carlita<br />
von Köln nach Hohenfried überführen<br />
und dort in einem kostbaren<br />
Marmorsarkophag beisetzen zu lassen.<br />
Für sich selbst ließen sie ebenfalls<br />
zwei mächtige Sarkophage<br />
links und rechts hinter dem Altar<br />
aufstellen, in denen sie später auch<br />
tatsächlich bestattet wurden. Noch<br />
heute kann man diese drei Sarkophage<br />
in Hohenfried besichtigen.<br />
DER BAU<br />
Sogleich wurde mit dem Bau des<br />
Mausoleums und des dazugehörigen,<br />
am Fuße des Hügels gelegenen<br />
Mesnerhauses nebst Schwimmbad<br />
für die Bewohner und zahlreichen<br />
Gäste der Villa begonnen. Das<br />
Schwimmbad nutzten später übrigens<br />
mit Begeisterung und noch<br />
lange Zeit die Kaiserswerther Diakonissen<br />
und ihre Gäste, darunter<br />
zahlreiche bayerische Pfarrer, die<br />
zur Kur im nahegelegenen Haus<br />
„Elisabethruhe” weilten.
Das Anwesen, zuvor unter dem<br />
Namen „Wotansrast” das Domizil<br />
eines Kunstmalers, hatte Fanny Therese<br />
Stollwerck eigens für diesen<br />
Zweck gekauft. Die großen Räume<br />
wurden in kleinere Zimmer unterteilt.<br />
Am 25. Mai 1931 (Pfingstmontag)<br />
fand die Einweihung statt. Von<br />
nun an, das heißt bis Ende<br />
1972, diente das Haus dem<br />
Kaiserswerther Diakoniewerk,<br />
dem Fanny Therese Stollwerck<br />
dankbar verbunden<br />
war, als Erholungseinrichtung.<br />
Eine mächtige, über<br />
dem Balkon auf die Fassade<br />
des Hauses gemalte Wotansfigur<br />
wurde übermalt und<br />
durch die ersten Verse des<br />
121. Psalms ersetzt:<br />
„Ich hebe meine Augen auf<br />
zu den Bergen, von welchen<br />
mir Hilfe kommt. Meine Hilfe<br />
kommt von dem Herrn, der<br />
Himmel und Erde gemacht hat.”<br />
Die (den Erzählungen von<br />
Zeitzeugen nach durchaus<br />
strenge) Leitung lag in den<br />
Händen vornehmer Damen.<br />
Sie sorgten für fromme Zucht<br />
und Ordnung im Hause.<br />
1973 ging die „Elisabethruhe”<br />
dann in privaten Besitz<br />
über und wird so auch heute<br />
noch bewohnt.<br />
Bereits im August 1926 konnte Pfarrer<br />
Hermann Braun dem Landeskirchenrat<br />
in München voller Begeisterung<br />
berichten:<br />
„Die Kirche soll vollständig den<br />
Bedürfnissen der evangelischen<br />
Gemeinde zur Verfügung stehen, es<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
sollen in ihr alle actus parochiales<br />
(= Amtshandlungen) vorgenommen<br />
werden. Insonderheit soll alle 14<br />
Tage im Anschluß an den Aiblinger<br />
Gottesdienst für die umwohnenden<br />
<strong>Evangelisch</strong>en evangelischer Gottesdienst<br />
abgehalten werden. Die<br />
Zahl derselben beträgt mindestens<br />
Carlita Stollwerck, aufgebahrt wie eine Prinzessin,<br />
bei ihrer Beisetzung in Köln 1911<br />
zwischen 40 und 50, im Sommer<br />
würde sich dieselbe durch Sommergäste<br />
erhöhen.<br />
Außerdem ist seit diesem Jahr in der<br />
Nähe von Feldkirchen durch die<br />
Pensionskasse der Reichsbahnarbeiter<br />
in Bayern ein Kinderheim<br />
errichtet, in welchem auch evangelische<br />
Kinder untergebracht wer-<br />
34<br />
den. Ferner wird das Stollwerck´sche<br />
Landgut nach dem Tode<br />
des Besitzers in ein Heim für Beamte<br />
und Kleinrentner umgewandelt,<br />
das satzungsgemäß 60% Protestanten<br />
offen stehen soll.<br />
Alsdann würde der gegenwärtige<br />
Notstand, daß die <strong>Evangelisch</strong>en<br />
in Feldkirchen so weit<br />
von ihrer Pfarrkirche entfernt<br />
wohnen, noch fühlbarer werden,<br />
so daß der Kirchenbau<br />
heute schon als eine Wohltat<br />
dankbarst begrüßt wird, umsomehr<br />
als der Gemeinde keinerlei<br />
Kosten weder aus Bau<br />
noch Unterhaltung erwachsen.<br />
Ermöglicht wird die Abhaltung<br />
der Gottesdienste durch<br />
den Aiblinger Pfarrer dadurch,<br />
daß derselbe jeweils<br />
im Auto von Aibling abgeholt<br />
wird. Als jährliche Remuneration<br />
sind für ihn 720 Mark<br />
ausgesetzt. Es soll dann ferner<br />
in Zukunft der Religionsunterricht<br />
für die evangelischen<br />
Kinder in der Umgebung<br />
Feldkirchen in diesem Raum<br />
abgehalten werden, der, elektrisch<br />
heizbar, auch im Winter<br />
dazu geeignet ist.”<br />
Daß das Mausoleum von den<br />
beiden Stiftern von Anfang an als<br />
”Kirche” vorgesehen war, ist an der<br />
Einrichtung unschwer zu erkennen.<br />
Der Raum hat alles, was zur Abhaltung<br />
von Gottesdiensten erforderlich<br />
ist: Kanzel und Altar, Taufstein<br />
und Orgel, Kirchenbänke, ja sogar<br />
eine richtige kleine Sakristei. Die<br />
Gemeinde freut sich natürlich darüber<br />
und macht dankbar Gebrauch
davon. Nichtsdestoweniger<br />
ist diese komplette<br />
Ausstattung aber<br />
doch recht ungewöhnlich<br />
für ein eigentlich ja<br />
rein privates Grabmal.<br />
Im Inneren des Mausoleums,<br />
vom Volksmund<br />
gelegentlich auch liebevoll„Schokoladenkirche”<br />
genannt, was<br />
durchaus nicht abwertend<br />
gemeint ist, finden<br />
übrigens 80 bis 100<br />
Personen Platz.<br />
Die Einrichtung<br />
Anders als unsere anderen beiden<br />
Kirchen, die Johanneskirche in<br />
Bruckmühl und die Emmauskirche<br />
in Feldkirchen, ist das Stollwerck-<br />
Mausoleum Hohenfried in seinem<br />
Inneren reich ausgestaltet. Insbesondere<br />
sind folgende Einrichtungsgegenstände<br />
zu nennen:<br />
• Das Altarkreuz (Herkunft unbekannt),<br />
das, wie auf einem Foto in<br />
der Sakristei zu sehen ist, auch bei<br />
Carlitas Beisetzung in Köln 1911<br />
bereits Verwendung fand,<br />
• ein weiteres Kreuz aus weißem<br />
Marmor, das heute auf Carlitas Sarkophag<br />
unter dem Osterfresko steht<br />
und als Inschrift die letzten 7 Worte<br />
Jesu am Kreuz trägt,<br />
• die wunderschönen, mit Steinen<br />
besetzten Altarleuchter und Abendmahlsgeräte<br />
aus der Werkstatt des<br />
bekannten Kölner Goldschmieds<br />
Gabriel Hermeling bzw. von dessen<br />
Schwiegersohn Joseph Kleefisch.<br />
Die Leuchter schmückten zuvor<br />
Der Innenraum mit Blick auf den Altar, im Hintergrund die drei<br />
Sarkophage und das Auferstehungsfresko von Professor Neuhaus<br />
übrigens, wie ein glücklicherweise<br />
erhaltenes Foto belegt, zusammen<br />
mit dem heutigen Altarkreuz eine<br />
eigene „Andachtsecke” in der Stollwerck’schen<br />
Wohnung,<br />
• die geschnitzte Kanzel mit den<br />
zwei Tafeln der 10 Gebote und der<br />
Taube als Symbol des Heiligen Geistes<br />
(Herkunft leider unbekannt),<br />
• der marmorne Taufstein (Herkunft<br />
leider unbekannt),<br />
35<br />
• der mit Schnitzereien<br />
verzierte Altar (Herkunft<br />
unbekannt),<br />
• ein Marmorrelief der<br />
„Beweinung Christi” an<br />
der rechten Wand vor<br />
der Kanzel (Herkunft<br />
unbekannt),<br />
• ein zweites Marmorrelief<br />
des erhöhten und<br />
segnenden Christus von<br />
Professor Lauer (?) an<br />
der Empore,<br />
• die Bronzestatue „Johannes der<br />
Täufer” aus dem Jahre 1830 von<br />
Professor Josef Engelhart, Bildhauer,<br />
Maler und Grafiker in Wien, später<br />
München und Paris: Der 1864 in<br />
Wien geborene Engelhart war 1897<br />
einer der Begründer der „Wiener<br />
Sezession” und unternahm zahlreiche<br />
Studienreisen nach Italien, Spanien,<br />
Griechenland und Ägypten.<br />
Die Statue stand zunächst in der<br />
Mitte des oberen Kiesplatzes vor<br />
dem Mausoleum und wurde kurz<br />
nach Kriegsbeginn ins Innere geschafft,<br />
um sie neugierigen Blicken<br />
zu entziehen und vor einer möglichen<br />
Einschmelzung zu Kriegszwecken<br />
zu schützen,<br />
• die beiden Fenster aus der Werkstatt<br />
des Münchener Glasmalers<br />
Gustav van Treeck (1854-1930) mit<br />
der Darstellung der Geburt und der<br />
Kreuzigung Jesu. Einige der dargestellten<br />
Personen tragen übrigens<br />
die Gesichtszüge von Mitgliedern<br />
der Familie Stollwerck. Gustav van<br />
Treeck war königlich-bayerischer<br />
Hofglasmaler. Er erhielt zahlreiche<br />
Auszeichnungen und arbeitete in
Deutschland, in der<br />
Schweiz und den<br />
Vereinigten Staaten.<br />
Die nach ihm<br />
benannte Hofglasmalereiexistiert<br />
auch heute<br />
noch in München<br />
und genießt hohes<br />
Ansehen,<br />
Das Mesner-Ehepaar Otto<br />
mit Boxer „Uli”<br />
• die herrlich geschnitzte<br />
Weihnachtskrippe von Professor<br />
Jakob Bradl, München (1864-1919):<br />
Bradl war einer der bedeutendsten<br />
Bildhauer des „süddeutschen Historismus”.<br />
Er arbeitete vorwiegend für<br />
kirchliche Auftraggeber, gelegentlich<br />
auch als Maler und Designer<br />
von Kirchenfenstern, und leitete die<br />
berühmte Schnitzschule in Oberammergau.<br />
Wie bei den Fenstern<br />
dienten auch bei der Krippe real<br />
lebende Personen aus dem Umfeld<br />
von Familie Stollwerck als Vorlage<br />
für die Figuren,<br />
• zwei Wand-Gobelins<br />
zur Linken und Rechten<br />
des Altars mit der<br />
Darstellung der Erlösten<br />
im Paradies (Herkunft<br />
unbekannt),<br />
• die Altarbibel, prachtvoll<br />
in Leder gebunden,<br />
zugleich auch die<br />
Traubibel der Familie<br />
Stollwerck mit interessanten<br />
Einträgen.<br />
Beherrscht wird der<br />
Raum aber von dem<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
Auferstehungsfresko<br />
über den drei Sarkophagen<br />
an der<br />
Ostseite, geschaffen<br />
von Professor<br />
(?) Hermann Neuhaus<br />
(1863-1941)<br />
aus Wolfratshausen,<br />
einem Schüler<br />
bzw. Verehrer<br />
der berühmten Maler<br />
des 19. Jahrhunderts<br />
Franz von Lenbach<br />
und Fritz von Uhde. Möglicherweise<br />
gehen auch die Baupläne<br />
zum Mausoleum selbst auf<br />
Hermann Neuhaus zurück. Es existieren<br />
heute jedoch leider keine<br />
Belege mehr dafür.<br />
Anders als das gleichfalls von Neuhaus<br />
stammende Bergpredigtfresko<br />
in der Wolfratshausener Kirche von<br />
1809, das die heimischen Berge<br />
und Menschen in bayerischer Tracht<br />
zeigt, versetzt das Osterfresko von<br />
Hohenfried den Betrachter übrigens<br />
ins Hl. Land und zeigt den Auferstandenen<br />
vor dem Hintergrund Jerusalems<br />
als „hochgebauter Stadt”.<br />
Das Weihnachtsfenster im Stollwerck-Mausoleum<br />
36<br />
EINWEIHUNG<br />
Am 27. September 1927, dem Todestag<br />
der 16 Jahre zuvor verstorbenen<br />
Carlita, wurde das im neuklassizistischen<br />
Stil errichtete Mausoleum<br />
eingeweiht und diente seither<br />
den evangelischen Christen in Feldkirchen<br />
und Umgebung als Kirche.<br />
Drei Tage vorher, also am 24. September<br />
1927, waren die sterblichen<br />
Überreste Carlitas im Rahmen einer<br />
eigenen, von Pfr. Hermann Braun,<br />
Bad Aibling, geleiteten Trauerfeier<br />
erneut und diesmal endgültig im<br />
Mausoleum beigesetzt worden.<br />
Für die Pflege des Gebäudes und<br />
der Außenanlagen wurde ein Mesnerehepaar<br />
- Gustav und Maria<br />
Otto - angestellt. Familie Otto mit<br />
Tochter Margarete bzw. Grete<br />
erhielt ihre Wohnung in dem eigens<br />
für diesen Zweck errichteten und<br />
noch heute für denselben Zweck<br />
genutzten Häuschen am Fuße des<br />
Hügels und lebte dort 37 Jahre lang<br />
bis zum Tod von Maria Otto 1963<br />
und dem Auszug des Mannes 1964.<br />
Die Eheleute Otto,<br />
waren 1924 ungeachtet<br />
Gustav Ottos schwerer<br />
Verwundung im 1.<br />
Weltkrieg wie viele<br />
andere von der polnischen<br />
Regierung aus<br />
ihrer bisherigen Heimat,<br />
dem „Warthegau”<br />
ausgewiesen worden.<br />
Als Flüchtlinge hatten<br />
sie eine vorübergehende<br />
Bleibe in Krügling<br />
bei Laus gefunden.
Von den Einheimischen dort wurden<br />
sie als Protestanten zunächst<br />
einmal wie „Exoten” bestaunt und<br />
durchaus mißtrauisch beäugt, bis<br />
man sich allmählich davon überzeugt<br />
hatte, daß die <strong>Evangelisch</strong>en<br />
ja gar keine „Hörndl” trugen, wie<br />
manche zuvor wohl gemeint hatten.<br />
Arbeit fand „Vater Otto” trotz seiner<br />
körperlichen Behinderung schon<br />
bald in den Wäldern um Hohenfried,<br />
bevor das Ehepaar Stollwerck<br />
ihm schließlich die Mesnerstelle im<br />
neugebauten Mausoleum übertrug -<br />
einschließlich einer Livree, die er in<br />
Ausübung seines Dienstes am Mausoleum<br />
zu tragen hatte.<br />
In den 30er Jahren zog Familie Otto<br />
auf Wunsch von Fanny Stollwerck<br />
wiederholt für die kalte Jahreszeit<br />
vom Mesnerhaus hinauf ins Gärtnerhaus<br />
neben der Villa, um sich<br />
zusammen mit dem Hausmeister Karl<br />
Specht um das Anwesen zu kümmern.<br />
Stollwercks selbst hielten sich<br />
im Winter meist in „südlichen Gefilden”,<br />
vor allem in San Remo auf.<br />
Die Gottesdienste im Mausoleum<br />
fanden zunächst zweimal im<br />
Monat, jeweils am frühen Nachmittag<br />
um 14 Uhr statt, seit den 50er<br />
Jahren auch wöchentlich, nicht<br />
zuletzt der „Maiden” vom Missionsdienst<br />
für Christus in Altenburg<br />
wegen, die so zahlreich erschienen,<br />
daß zusätzliche Stühle aufgestellt<br />
werden mußten.<br />
Fanny Therese Stollwerck achtete<br />
peinlichst auf Sauberkeit und<br />
Pünktlichkeit - etwa beim allabendlichen<br />
Glockenläuten um 18 Uhr -<br />
und erschien gelegentlich auch<br />
unangemeldet zur Inspektion, um<br />
im Mesnerhaus und in der Kapelle<br />
nach dem Rechten zu sehen. So<br />
mußten auf ihre Weisung hin auch<br />
die Kirchenbänke, die Wandverkleidung<br />
und die Marmorflächen zweimal<br />
im Jahr mit einer Art Nußöl eingelassen<br />
werden, damit alles in frischem<br />
Glanz erstrahlte, eine „Mordsarbeit”<br />
für die Mesnersleute, wie<br />
man sich denken kann.<br />
Die Orgel spielten zunächst ein der<br />
Familie Stollwerck persönlich ver-<br />
”Mesner-Otto, der würd`ge Herr”<br />
– Karikatur von Pauline Peetz<br />
37<br />
Pauline Peetz, vielleicht eine der dienstältesten Organistinnen der Welt<br />
bundener Bankbeamter aus München<br />
namens Rose (Vorname unbekannt),<br />
und nach dessen frühem Tod<br />
1931 zwei Kirchenmusiker, die<br />
jeweils mit Pfarrer Braun aus Bad<br />
Aibling angereist kamen: Auguste<br />
Treitinger und Michael Kuntz.<br />
Seit 1937 saß dann Pauline Peetz,<br />
die Tochter des Ehepaars Peetz in<br />
Feldkirchen auf der Orgelbank und<br />
versah diesen Dienst mit hingebungsvoller<br />
Liebe und Treue. 2002<br />
darf sie (und die ganze Gemeinde<br />
mit ihr) ihr 65jähriges Dienstjubiläum<br />
feiern, ein sicherlich nicht<br />
alltägliches Ereignis.<br />
DIE STIFTUNG<br />
Generalkonsul Karl Stollwerck starb<br />
am 3. Oktober 1932. Drei Tage später<br />
wurde er im Mausoleum in<br />
einem der bereits 1927 aufgestellten<br />
Marmor-Sarkophage beigesetzt.<br />
Die Trauerfeier hielten in schöner<br />
– und damals sicher noch nicht<br />
ganz so selbstverständlicher – ökumenischer<br />
Eintracht Pfarrer Hermann<br />
Braun aus Bad Aibling, und<br />
der Alt-Katholische Dekan von<br />
München, Pfarrer Rachel, denn
eigentlich gehörte Generalkonsul<br />
Karl Stollwerck ja der Alt-Katholischen<br />
Kirche an.<br />
Die Alt-Katholische Kirche war in den<br />
Jahrzehnten nach 1870 aus einer Protestbewegung<br />
gegen das auf dem 1. Vatikanischen<br />
Konzil verkündete Dogma<br />
von der päpstlichen Unfehlbarkeit in<br />
Lehrentscheidungen „ex cathedra” in<br />
mehreren europäischen Ländern<br />
(Deutschland, Österreich, Schweiz,<br />
Niederlande) und Nordamerika entstanden.<br />
Der bedeutendste Vertreter in<br />
Deutschland war der berühmte Münchener<br />
Kirchenhistoriker Johann Joseph<br />
Ignaz von Döllinger (1799-1890). Im<br />
Jahr 1889 schlossen sich die selbständig<br />
gewordenen katholischen Kirchen zur<br />
„Utrechter Union” zusammen. Heute<br />
zählt diese rund 500.000 Gläubige in 17<br />
Diözesen (= Bistümern), davon rund<br />
25.000 in Deutschland.<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
Luftaufnahme der Villa Hohenfried um 1960 (?): links das später baufällig abgerissene Gärtnerhaus,<br />
oben der an eine Burg erinnernde Wasserturm mit Rotkreuzfahne<br />
Ein Jahr vor Karl Stollwercks Tod<br />
war der gesamte Besitz Hohenfried<br />
noch auf den Namen seiner Frau<br />
eingetragen worden. Tatsächlich<br />
lebte Fanny Stollwerck in der Villa<br />
bis zu ihrem Tod am 15. Januar<br />
1943. Danach fand auch sie ihre<br />
letzte Ruhestätte im Mausoleum.<br />
Einen Großteil der Landwirtschaft<br />
hatte sie in den 30er Jahren an den<br />
berühmten Musiker Barnabas von<br />
Geczy verkauft, der in Oberreit<br />
(unterhalb von Aschbach) ebenfalls<br />
einen Hof betrieb. Den verbleibenden<br />
Rest – einschließlich der „Elisabethruhe”<br />
und des Mausoleums<br />
samt Mesnerhaus – vermachte sie<br />
einer eigens gegründeten „Fanny-<br />
Carlita-Stiftung”, deren Verwaltung<br />
ein Münchener Rechtsanwalt, Geheimrat<br />
Dr. Karl Eisenberger, später<br />
dessen Sohn, Rechtsanwalt Max<br />
Eisenberger, übernahm. Sie besteht<br />
bis heute (seit 1968 vom bayerischen<br />
Kultusministerium betreut)<br />
und achtet auf die Erhaltung der<br />
Gebäude. In einem Vertrag zwischen<br />
der Stiftung, vertreten durch<br />
den damaligen Vorsitzenden des<br />
Kuratoriums, Ministerialrat Dr. Erich<br />
38<br />
Stümmer, und dem <strong>Evangelisch</strong>-<br />
<strong>Lutherische</strong>n Pfarramt Bruckmühl,<br />
vertreten durch Pfarrer Willi Wendler,<br />
wurde 1971/72 die weitere<br />
kirchliche Nutzung des Mausoleums<br />
geregelt.<br />
Wesentlicher Bestandteil der Stiftung<br />
war übrigens von Anfang an<br />
auch eine nicht unerhebliche finanzielle<br />
Unterstützung von Studenten<br />
der Akademie der bildenden Künste<br />
und der Hochschule für Musik und<br />
Theater (damals noch „Akademie<br />
für Tonkunst”) in München. Aus diesem<br />
Grunde sind weiter hinten in<br />
dieser Festschrift auf mehreren Seiten<br />
auch Werke einstiger Stipendiaten<br />
der Stiftung abgebildet.<br />
Die Bilder der Familie Stollwerck<br />
aber sind bis auf den heutigen Tag<br />
in der Sakristei zu sehen. Über die<br />
Intention der Stifter gibt eine Tafel<br />
links vom Eingang Auskunft. Die<br />
Inschrift darauf lautet:<br />
Erbaut 1927 zu Gottes<br />
und unseres Heilandes Ehre<br />
in ewiger Dankbarkeit.<br />
Karl und Fanny Therese<br />
Stollwerck<br />
BEWEGTE ZEITEN<br />
Nach dem Tode von Fanny Stollwerck<br />
im Januar 1943 nahm der<br />
nationalsozialistische Staat den einstigen<br />
Giglbergerhof in seinen Besitz<br />
und stellte ihn einem gewissen<br />
Albert Ganzenmüller zur Verfügung.<br />
Dieser Albert Ganzenmüller<br />
(1905-1987) war nicht irgendein kleiner<br />
Parteigenosse, sondern Staatssekretär<br />
im Reichsverkehrsministerium<br />
und stellvertretender Generaldi
ektor der Deutschen Reichsbahn.<br />
In dieser Position war er der maßgebliche<br />
Organisator der Bahntransporte<br />
von Juden aus ganz Europa<br />
in die Vernichtungslager im<br />
Osten, ein klassischer „Schreibtischtäter”<br />
des Holocaust und einer<br />
der bedeutendsten dazu.<br />
Zwei Jahre lang wohnte Staatssekretär<br />
Albert Ganzenmüller in der<br />
Villa Hohenfried. Gegen Kriegsende<br />
floh er wie so viele NS-Größen<br />
nach Argentinien und kehrte 1955<br />
unbehelligt nach Deutschland<br />
zurück. Erst 1973 , im Zusammenhang<br />
mit den Treblinka-Prozessen,<br />
wurde er endlich vor Gericht<br />
gestellt, konnte oder wollte sich<br />
jedoch an nichts mehr erinnern.<br />
Nach vier Jahren wurde das Verfahren<br />
gegen ihn wegen „Verhandlungsunfähigkeit”<br />
und Mangel an<br />
Beweisen für persönliche Schuld<br />
am Massenmord eingestellt. Er starb<br />
1987 als freier Mann.<br />
Im rückwärtigen Teil der Villa waren<br />
in den letzten beiden Kriegsjahren<br />
übrigens ausgebombte Kinder und<br />
Jugendliche aus dem Ruhrgebiet<br />
untergebracht. Ob bei der Beschlag-<br />
Die einstige ”Wotansrast” auf einer Postkarte aus den 60er Jahren<br />
als Erholungsheim der Kaiserswerther Diakonie<br />
nahme der Villa im Jahre 1943 der<br />
Hausmeister Karl Specht eine Rolle<br />
spielte, der glühender Nationalsozialist<br />
und Funktionär der örtlichen<br />
NSDAP gewesen sein soll, läßt sich<br />
heute leider nicht mehr feststellen.<br />
Auf jeden Fall wurde Karl Specht<br />
Zeitzeugen zufolge nach dem Einmarsch<br />
der US-Truppen am 1. Mai<br />
1945 sofort verhaftet und in das<br />
ehemalige NS-Konzentrationslager<br />
Dachau gebracht. Was aus ihm<br />
wurde, wissen wir nicht.<br />
39<br />
Kurz vor Kriegsende biwakierten<br />
auch noch auf dem Rückzug von<br />
der „Südfront” befindliche deutsche<br />
Truppen, darunter zahlreiche Offiziere,<br />
in den Wäldern rings um<br />
Hohenfried, und im Mesnerhaus<br />
wohnte für 14 Tage sogar ein leibhaftiger<br />
General.<br />
Aber auch sonst waren die Kriegsund<br />
Nachkriegsjahre eine Zeit der<br />
Prüfung für die evangelische Gemeinde<br />
und ihren Aiblinger Pfarrer.<br />
Nicht nur forderte der „Kirchenkampf”<br />
zur Auseinandersetzung mit<br />
den nationalsozialistisch geprägten<br />
„Deutschen Christen” heraus, nicht<br />
nur verschlechterten sich auch – bis<br />
zum endgültigen Zusammenbruch<br />
– die Verkehrsverbindungen infolge<br />
der immer häufiger werdenden<br />
Luftangriffe (die nicht zuletzt der<br />
Bahnstrecke München-Rosenheim<br />
US-Offiziere Ende der 40er Jahre im ”NOC-Club”<br />
Hohenfried, der einstigen Stollwerck-Villa
und dem großen Fliegerhorst in<br />
Mietraching galten), sondern es trafen<br />
nach Kriegsende auch Tausende<br />
und Abertausende von Flüchtlingen<br />
und Vertriebenen, entlassenen Kriegsgefangenen,<br />
Heimatlosen und Verirrten<br />
ein, die alle irgendwie untergebracht,<br />
verpflegt und nicht zuletzt<br />
seelsorgerlich betreut werden mußten,<br />
eine schier übermenschliche<br />
Herausforderung, vor die sich Pfarrer<br />
Braun gestellt sah und die er<br />
trotz widrigster Bedingungen mit<br />
äußerstem Einsatz und aufopferungsvoll<br />
meisterte (vgl. die ebenfalls<br />
in dieser Festschrift abgedruckten<br />
Tagebuchnotizen).<br />
Nach ihrem Eintreffen am 1. Mai<br />
1945 beschlagnahmten die Amerikaner<br />
die Villa (aber nicht die<br />
Kapelle und das Mesnerhaus!) auf<br />
der Stelle. Sie diente in den nächsten<br />
Jahren bis 1952 zwei in Neubiberg<br />
stationierten Einheiten der US-<br />
Luftwaffe als Offizierskasino:<br />
• 357th Fighter Wing (1945-48),<br />
vor dem Einsatz in Neubiberg in<br />
Leiston, Südengland stationiert<br />
• 86th Fighter Wing (1948-52),<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
während der Berlin-Krise eigens<br />
zum Schutz der Berliner Luftbrücke<br />
aufgestellt.<br />
Sogar einen Skilift (!) installierten<br />
die Amerikaner, angetrieben von<br />
einem Jeep-Motor, und trieben Wintersport<br />
auf dem Abhang vor der<br />
Villa bis hinunter ins Tal, sofern die<br />
Schneeverhältnisse es erlaubten.<br />
1952 übernahm das Berliner Rote<br />
Kreuz „Hohenfried Nr. 1” von den<br />
Amerikanern und richtete darin ein<br />
Erholungsheim ein, anfangs nur für<br />
Kinder, später aber auch und<br />
zunehmend für Erwachsene. Auf<br />
einem Foto aus dieser Zeit weht<br />
über dem „Wasserturm” gegenüber<br />
der Villa die weiße Flagge mit dem<br />
Roten Kreuz.<br />
Gegen Ende der 60er Jahre befand<br />
sich das Gebäude in sehr schlechtem<br />
Zustand. Das Rote Kreuz Berlin<br />
sah keine Möglichkeit, die dringend<br />
nötige Instandsetzung durchzuführen<br />
und gab Hohenfried an die<br />
Fanny-Carlita-Stiftung zurück, die<br />
die Villa umgehend zum Kauf<br />
anbot. Am Ende erwarb der Feldkirchener<br />
Strickwarenfabrikant Robert<br />
40<br />
Hübner das Anwesen 1970 und ließ<br />
es unter großem Aufwand wieder<br />
herrichten und mehrere<br />
Wohnungen<br />
einbauen. Diesem<br />
Zweck<br />
dient das Anwesen<br />
bis<br />
auf den heutigen<br />
Tag.<br />
Im März 1946 konnte das Mesner-Ehe-<br />
paar Otto in Hohenfried das Fest<br />
der ”Silbernen Hochzeit” feiern<br />
25-jähriges<br />
Jubiläum<br />
1952 konnte das 25jährige und<br />
1977 das 50jährige Jubiläum des<br />
Mausoleums gefeiert werden.<br />
Schon die Teilnahme am 25jährigen<br />
Kirchweihjubiläum war so überwältigend,<br />
daß nicht nur im Kirchenraum<br />
selbst, sondern auch auf dem<br />
Platz davor drangvolle Enge herrschte.<br />
Als Ehrengäste hatten sich eingefunden:<br />
Dekan von Ammon aus<br />
Rosenheim, der Kurator der Fanny-<br />
Carlita-Stiftung, Rechtsanwalt Dr.<br />
Eisenberger aus München, Pfarrer<br />
Dimmling aus Großkarolinenfeld<br />
und viele andere.<br />
Bewegender und glanzvoller Höhepunkt<br />
war der Festgottesdienst mit<br />
Bei strömenden Regen wurde der Festgottesdienst<br />
zur 50-Jahrfeier zelebriert
der ergreifenden Festpredigt des<br />
damaligen Kreisdekans für München<br />
und Oberbayern, Oberkirchenrat<br />
Arnold Schabert, der übrigens<br />
einige Jahre später auch die<br />
Johanneskirche einweihen und Pfarrer<br />
Willi Wendler ordinieren sollte. Er<br />
sprach über Johannes 4,19-24, die<br />
Begegnung Jesu mit der samaritanischen<br />
Frau am Jakobsbrunnen. Hier<br />
ein kurzer Auszug aus der Predigt,<br />
”Mausoleumskircherl”: frühere Postkarte, genaues<br />
Datum unbekannt<br />
die weiter hinten im vollen Wortlaut<br />
abgedruckt ist:<br />
„Heute, am 10. Sonntag nach Trinitatis,<br />
gedenkt die Gemeinde allenthalben<br />
der Zerstörung Jerusalems.<br />
Sollte man das unserem Geschlecht<br />
noch besonders in Erinnerung rufen<br />
müssen, daß auch unsere Kirchen<br />
Kirchen in der Zeit sind und ihre<br />
Zeit haben, uns, die wir Dome<br />
haben in Schutt und Asche sinken<br />
sehen, die wir mit der Heimat auch<br />
die Kirchen unserer Väter haben<br />
verlassen müssen, die wir Zeugen<br />
geworden sind, daß menschliche<br />
Macht und Willkür aus Kirchen<br />
Museen zu machen und sie noch<br />
profaneren Zwecken zuzuführen<br />
vermag. Aber es ist gut, daß wir uns<br />
daran erinnern. Wenn die Not<br />
kommt und der Tod, wenn die<br />
Macht dieser gottlosen Welt über<br />
uns hereinbricht, dann können uns<br />
auch unsere Kirchen nicht bergen.<br />
Auch unsere Kirchen<br />
vergehen. Aber eins<br />
bleibt: der Gottesdienst<br />
der anbetenden<br />
Gemeinde.”<br />
Die positive Ausstrahlung<br />
und Wahrnehmung<br />
des Jubiläums in<br />
der Öffentlichkeit war<br />
bemerkenswert und<br />
tat natürlich auch dem<br />
Ansehen der evangelischenKirchengemeinde<br />
überaus gut. Eine<br />
Nachfeier im Gasthof<br />
Mareis in Feldkirchen<br />
schloß sich an.<br />
Im Rahmen dieser Feier wurde auch<br />
das Mesnerehepaar Otto für 25<br />
Jahre treuen Dienst an der Kapelle<br />
öffentlich geehrt und bedankt. Die<br />
besondere Verbundenheit der<br />
Gemeinde mit ihrem ”Mesner von<br />
Gottes Gnaden” bekunden die<br />
nachstehenden, ihm seinerzeit liebevoll<br />
gewidmeten Verse:<br />
Ein Kirchlein liegt im Grünen,<br />
vor aller Welt versteckt,<br />
drei Schläfer ruhen drinnen,<br />
bis Christus sie erweckt.<br />
Mesnerhaus Hohenfried im Herbst 2001<br />
41<br />
Es grüßt des Waldes Rauschen,<br />
der Vögel Lied herein,<br />
und die Gemeinde feiert<br />
im Auferstehungsschein.<br />
Das Heiligtum zu hüten,<br />
ein Mesner ward bestellt,<br />
der hütet, pflegt und ziert es,<br />
als wär es seine Welt.<br />
Und die das Kirchlein bauten,<br />
sie schlummern längst schon drin,<br />
der Mesner pflegt es weiter,<br />
hat andres nicht im Sinn.<br />
Es gibt ein Wort von Treue,<br />
das unser Herr einst sprach,<br />
die Treue will er lohnen<br />
an jenem Freudentag.<br />
Johanneskirche<br />
Flucht und Vertreibung aus den<br />
deutschen Ostgebieten nach dem<br />
Ende des 2. Weltkriegs 1945 führten<br />
zahlreiche Menschen nach Bayern.<br />
Nicht zuletzt die evangelischen Gemeinden<br />
„profitierten“ ganz erheblich<br />
davon, denn viele der Neuankömmlinge<br />
waren ja evangelisch.<br />
Andererseits stellte ihre Integration<br />
und seelsorgerliche Betreuung aber
auch eine gewaltige Herausforderung<br />
dar. Schon bald wurde an<br />
zahlreichen Orten der Bau neuer<br />
Kirchen erforderlich.<br />
Am 10. Oktober 1954, einem trüben<br />
Herbsttag, konnte nach mehrjähriger<br />
Vorbereitung auch die<br />
Johanneskirche in Bruckmühl eingeweiht<br />
werden. Nicht nur für die<br />
evangelische Gemeinde war dies<br />
ein großes Ereignis, wie die rege<br />
Beteiligung der einheimischen und<br />
ja doch überwiegend römischkatholischen<br />
Bevölkerung am festlichen<br />
Kirchenzug vom bisherigen<br />
„Betsaal“ in der Bruckmühler Schule<br />
hinüber zur neuen Kirche auf der<br />
„Rösnerwiese“ erkennen ließ.<br />
Architekt der Johanneskirche war<br />
übrigens derselbe Professor Johannes<br />
Ludwig aus München, nach<br />
dessen Entwurf fast drei Jahrzehnte<br />
später auch die Emmauskirche in<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
Feldkirchen-Westerham gebaut werden<br />
sollte. Auch wenn man es auf<br />
den ersten Blick kaum für möglich<br />
halten möchte, so lassen sich bei<br />
näherem Hinsehen doch einige Parallelen<br />
entdecken.<br />
1962, acht Jahre später, wurde<br />
Bruckmühl, bis dahin ja noch „Filiale“<br />
(„Tochterkirchengemeinde“)<br />
der „Muttergemeinde“ Bad Aibling,<br />
endlich auch selbständige<br />
„Pfarrei“. Zu diesem Zeitpunkt<br />
lebten bereits rund 1.000 <strong>Evangelisch</strong>e<br />
im Gemeindegebiet. Im<br />
gleichen Jahr kamen dann auch<br />
noch die Glocken – wofür<br />
eigens der Kirchturm aufgestockt<br />
werden mußte – sowie<br />
Pfarr- und Gemeindehaus zur<br />
Kirche hinzu. 1971 schließlich<br />
löste die Orgel zur großen Freude<br />
der Gemeinde und der<br />
langjährigen Organistin Erna<br />
Schlegel (!) das altgediente Harmonium<br />
ab.<br />
Die Johanneskirche in Bruckmühl nach<br />
ihrer Renovierung im Jahr 1999<br />
42<br />
Grundsteinlegung der Johanneskirche 1953<br />
Der erste evangelische Pfarrer in<br />
Bruckmühl, Willi Wendler, hatte<br />
sein Amt 1958, damals noch als „exponierter<br />
Vikar“, angetreten. Er betreute<br />
die Gemeinde trotz zeitweise<br />
schwerer Krankheit liebevoll und<br />
gewissenhaft 26 Jahre lang bis zu seinem<br />
Eintritt in den Ruhestand 1984.<br />
Emmauskirche<br />
Spätestens beim 50jährigen Jubiläum<br />
1977 (siehe den weiter hinten<br />
abgedruckten ausführlichen Bericht<br />
aus dem damaligen „Mangfallboten“)<br />
wurde klar: Das Mausoleum,<br />
so schön es auch war und so vielen<br />
Menschen es auch ans Herz gewachsen<br />
war, genügte einfach nicht<br />
mehr. Die Gemeinde war mit den<br />
Jahren enorm gewachsen.<br />
Wo, folgt man Pfarrer Brauns Angaben<br />
von 1926, ein halbes Jahrhundert<br />
zuvor gerade einmal „zwischen<br />
40 und 50“ evangelische Christen<br />
gelebt hatten, da zählte man jetzt<br />
zusammen mit Bruckmühl schon<br />
fast 3.000 Gemeindeglieder (heute<br />
bereits über 4.500!).
Die Emmauskirche in Feldkirchen im Jahr 1994<br />
Vor allem an Feiertagen konnte<br />
Hohenfried die Gottesdienstbesucher<br />
kaum noch fassen. Aber auch<br />
die Jugend- und Gemeindearbeit,<br />
die sich seit Jahren überaus erfreulich<br />
entwickelt hatte, benötigte<br />
dringend neue Räumlichkeiten im<br />
Westen des Gemeindegebietes.<br />
Bereits Anfang der 70er Jahre hatte<br />
der Kirchenvorstand erste Überlegungen<br />
zum Bau eines Gemeindezentrums<br />
in Feldkirchen-Westerham<br />
angestellt. Die langwierige<br />
Suche nach einem geeigneten<br />
Grundstück verzögerte das Projekt<br />
immer wieder. Mehrere Anläufe<br />
verliefen ergebnislos, bis sich<br />
schließlich doch ein Grundstück<br />
fand. Im Herbst 1982 konnte innerhalb<br />
des gerade erst erschlossenen<br />
Siedlungsgebietes am Ölberg mit<br />
dem Bau begonnen werden.<br />
Die Planung des neuen Zentrums<br />
wurde zu einem „Gemeindeaufbauprojekt“<br />
ganz eigener Art. Archi-<br />
tekt, Kirchenvorstand, Bauausschuß<br />
und Gemeindebasis ergänzten sich<br />
gegenseitig in hervorragender Weise.<br />
Auch während der Bauzeit<br />
wurde das Konzept immer noch<br />
weiter entwickelt, bis aus dem<br />
ursprünglich einmal angedachten,<br />
schlichten „Mehrzweckraum“ ein<br />
multifunktionales und modernen<br />
Erfordernissen angepaßtes Kirchenzentrum<br />
mit zahlreichen Räumlichkeiten<br />
und nicht zuletzt dem wunderschönen<br />
Innenhof mit dem<br />
Brunnen entstand.<br />
Am 1. Advent<br />
1983 konnte nach<br />
einjähriger Bauzeit<br />
die Emmauskirche<br />
endlich<br />
eingeweiht werden.<br />
Sie wurde<br />
schon bald zum<br />
Mittelpunkt eines<br />
reichen evangelischenGemeindelebens,<br />
aber auch<br />
Festgottesdienst zum 50. Kirchweihjubiläum 1977, in der ersten Reihe<br />
Pfarrer Willi Wendler und Dekan Eugen Goschenhofer<br />
43<br />
vielfältiger ökumenischer Aktivitäten,<br />
die sich bis in die Gegenwart<br />
segensreich fortsetzen.<br />
Das Stollwerck-Mausoleum geriet<br />
damit freilich – entgegen manchen<br />
Erwartungen und auch Befürchtungen<br />
– nicht in Vergessenheit. Einmal<br />
im Monat und immer wieder<br />
auch zu größeren Feiertagen kommt<br />
die Gemeinde auch heute noch in<br />
der Kapelle auf dem Hügel zusammen,<br />
um dort Gottesdienst zu feiern.<br />
Hinzu kommen gelegentliche<br />
Taufen oder Trauungen.<br />
1972 und 1981 erfolgte eine Überholung<br />
und Reparatur der Orgel<br />
durch die Firma Bauer, Unterasbach.<br />
Auch das Mesnerhaus war im<br />
Lauf der Zeit bereits mehrfach renoviert<br />
und ergänzt worden. So ist<br />
auch für das Jubiläumsjahr 2002<br />
wieder eine umfangreiche Instandsetzung<br />
geplant.<br />
Eine im Jahr 1986/87 im Auftrag der<br />
Fanny-Carlita-Stiftung und in enger<br />
Zusammenarbeit mit dem Bayerischen<br />
Landesamt für Denkmalpflege<br />
durchgeführte Renovierung des
Mausoleums verbesserte die bis<br />
dahin regelmäßig zu Klagen Anlaß<br />
gebende Heizsituation, so daß nach<br />
jahrzehntelangen Schwierigkeiten<br />
jetzt endlich auch die Gottesdienste<br />
im Winter bei erträglichen Temperaturen<br />
stattfinden konnten. Daneben<br />
wurden in der gleichen Zeit eine<br />
Reihe kleinerer Bauschäden beseitigt,<br />
die Orgel erneut generalüberholt,<br />
die Beleuchtung verbessert<br />
und in der Ausmalung des Innenraumes<br />
der ursprüngliche und überraschend<br />
farbenfrohe Zustand wieder<br />
hergestellt. Bereits 1985 war<br />
das Mausoleum vom Landesamt für<br />
Denkmalpflege nachträglich in die<br />
Denkmalliste eingetragen worden.<br />
Im Sommer 1984 ging der<br />
langjährige Pfarrer der Kirchengemeinde,<br />
Willi Wendler, in den<br />
Ruhestand. Nachfolger wurde Harald<br />
Höschler, der von November<br />
1984 an die Gemeinde zusammen<br />
mit den Diakonen Wolfgang Heinz<br />
und (seit 1988) Werner Nugel<br />
betreute. Seit Sommer 1992 wurde<br />
er dabei von Susanne Kießling-<br />
Gedächtnisecke in der Sakristei<br />
des Mausoleums<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>Hohenfrieds</strong><br />
Prinz als Pfarrerin z.A. (= zur<br />
Anstellung) im Sonderdienst mit<br />
50%igem Dienstauftrag unterstützt.<br />
Im Herbst 1995 verlieh der Landeskirchenrat<br />
der <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>n<br />
Kirche in Bayern Pfarrerin<br />
Kießling-Prinz die zuvor neu geschaffene<br />
2. Pfarrstelle Bruckmühl<br />
mit Sitz in Feldkirchen-Westerham<br />
endgültig. Seit März 2001 ist Friedrich<br />
Wiesinger als Diakon in der<br />
Kirchengemeinde tätig.<br />
Ausblick<br />
Die Gottesdienste in Hohenfried<br />
sind vielleicht nicht immer so gut<br />
besucht wie die in der ein halbes<br />
Jahrhundert jüngeren und ganz<br />
anders konzipierten Emmauskirche<br />
und können es ja schon aus Platzgründen<br />
auch gar nicht sein. Sie<br />
sind aber doch noch immer ein ausgesprochenes<br />
Erlebnis.<br />
Die herrlichen Abendmahlsgeräte<br />
und siebenarmigen Leuchter, die<br />
bunten Fenster, das große Osterfresko<br />
über den drei Sarkophagen<br />
44<br />
Villa Hohenfried um 1990<br />
der Familie Stollwerck und die übrige<br />
Ausstattung des Raumes, zusammen<br />
mit dessen überschaubarer<br />
Größe und der – nicht zuletzt von<br />
Brautpaaren immer wieder geschätzten<br />
– „romantischen Lage” im<br />
Wald, schaffen eine ganz eigene<br />
und einfach unverwechselbare Atmosphäre,<br />
die von vielen in der Gemeinde<br />
nach wie vor geschätzt wird.<br />
1998 errang die damalige Klasse 2e<br />
der Grundschule Feldkirchen unter<br />
Leitung ihrer Klasslehrerin, Frau<br />
Konrektorin Angela Weintz, mit<br />
einer Projektarbeit über das Stollwerck-Mausoleum<br />
sogar den ersten<br />
Preis im Rahmen eines heimatkundlichen<br />
Wettbewerbs des Landkreises<br />
Rosenheim (und obendrein<br />
1.000 Mark für die „Klassenkasse”).<br />
So hat sich im Lauf der Zeit beinahe<br />
so etwas wie ein fester Freundeskreis<br />
für Hohenfried gebildet, der<br />
übrigens auch durchaus nicht nur<br />
aus älteren Menschen besteht und<br />
hier noch immer, neben der<br />
Emmauskirche natürlich, seine<br />
geistliche Heimat sieht.
In diesem Herbst (September 2002)<br />
kann die Kirchengemeinde Bruckmühl<br />
mit Feldkirchen-Westerham<br />
das 75jährige Jubiläum des Mausoleums<br />
– und zugleich das 65jährige<br />
Dienstjubiläum der Organistin Pauline<br />
Peetz – feiern. Das gibt Anlaß<br />
zu großer Dankbarkeit.<br />
Ein Dreivierteljahrhundert lang<br />
haben Menschen an dieser Stelle<br />
die frohe Botschaft von Gottes rettender<br />
und versöhnender Liebe<br />
gehört und Kraft und Ermutigung für<br />
ihr Leben im Alltag mit all seinen<br />
Höhen und Tiefen geschöpft.<br />
Kinder und Erwachsene wurden<br />
hier getauft und Jugendliche konfirmiert.<br />
Liebende stellten sich und<br />
ihre Beziehung hier unter Gottes<br />
Segen, und Trauernde suchten und<br />
fanden hier Trost. Hohenfried wurde<br />
zu einer Quelle des Heils und<br />
der Freude für viele, wie es sich<br />
wohl selbst die beiden Stifter des<br />
Mausoleums nicht schöner hätten<br />
wünschen und vorstellen können.<br />
Und so möge es auch noch lange<br />
bleiben – ad maiorem gloriam dei –<br />
zur immer größeren Ehre Gottes!<br />
45<br />
September 1994: Bruckmühler und<br />
Feldkirchener Konfirmanden besuchen<br />
wie alle Jahre beim 1. Konfirmandenwochenende<br />
im Emmaus-Kirchenzentrum<br />
Feldkirchen auch das Stollwerck-Mausoleum<br />
Hohenfried
Zeittafel<br />
1483 Martin Luther in Eisleben geboren.<br />
1508 Herzog Wilhelm IV von Bayern<br />
1511 Martin Luther durchquert auf seiner Romreise<br />
Bayern und wohnt in Augsburg.<br />
1517 Martin Luther veröffentlicht die berühmten<br />
95 Thesen gegen den Ablaß.<br />
1518 Papst Leo X eröffnet Ketzerprozeß, Luther<br />
kommt zum Verhör durch Kardinal Cajetan<br />
nach Augsburg.<br />
1519 „Leipziger Disputation“: offener Bruch zwischen<br />
Luther und Rom. Erste Schrift Luthers<br />
wird veröffentlicht.<br />
1520 Berühmte reformatorische Schriften Luthers<br />
werden veröffentlicht.<br />
1521 Wormser Edikt: Luther und seine Anhänger<br />
geächtet. Luther übersetzt Neues Testament<br />
auf der Wartburg.<br />
1522 Aufstand der Reichsritter unter Franz von<br />
Sickingen. Bayern: erstes Religionsmandat<br />
gegen die neue Lehre. In Nördlingen erste<br />
deutsche (evangelische) Meßordnung. Beginn<br />
der Reformation in Wertheim.<br />
1523 Reformation in Basel (Zwingli).<br />
1524 Zweites bayerisches Religionsmandat, Reformation<br />
in schwäbischen Reichsstädten.<br />
1525 Bauernkrieg blutig niedergeschlagen. Martin<br />
Luther heiratet Katharina von Bora. Reformation<br />
in Nürnberg und Windsheim.<br />
1527 ”Sacco di Roma“: Kaiserliche Truppen<br />
erobern und plündern Rom.<br />
1528 Reformation in der Markgrafenschaft<br />
Ansbach–Kulmbach.<br />
1529 Marburger Religionsgespräche zwischen<br />
<strong>Lutherische</strong>n und Reformierten scheitern.<br />
<strong>Evangelisch</strong>e verlassen Reichstag zu Speyer<br />
unter Protest („Protestanten“).<br />
1530 Reichstag zu Augsburg: evangelische Partei<br />
legt „Augsburger Konfession“ vor. <strong>Evangelisch</strong>e<br />
Lehre breitet sich weiter aus.<br />
1531 Reformation in Ulm und Württemberg. <strong>Evangelisch</strong>e<br />
Reichsstände bilden den „Schmalkaldischen<br />
Bund“. Nürnberger „Anstand“<br />
(= Waffenstillstandsabkommen).<br />
1533 Reformation in Dinkelsbühl.<br />
1535 Katastrophe von Münster: Täuferbewegung<br />
endet in Blutbad.<br />
1536 Reformation in Genf (Calvin).<br />
1537 Reformation in Augsburg.<br />
1539 Reformation in der Grafschaft Oettingen<br />
1542 Reformation in Schweinfurt, Regensburg,<br />
46<br />
Nördlingen, Rothenburg, Grafschaften<br />
Rieneck und Henneberg.<br />
1545 Papst Paul III beruft Konzil von Trient ein<br />
(mit Unterbrechungen bis 1563). Reformation<br />
in Donauwörth und Castell.<br />
1546 Luther stirbt in Eisleben. „Schmalkaldischer<br />
Krieg“ endet 1547 mit der Niederlage der<br />
evangelischen Koalition.<br />
1548 „Augsburger Interim“ gesteht Laienkelch und<br />
Priesterehe zu.<br />
1549 Einzug der Jesuiten in Ingolstadt.<br />
1550 Herzog Albrecht V von Bayern<br />
1552 „Passauer Vertrag“ gewährt die vorläufige Duldung.<br />
Pankraz von Freyberg herzoglich-bayerischer<br />
Hofmarschall in München.<br />
1555 „Augsburger Religionsfriede“: Landesherr<br />
entscheidet über Konfession („cuius regio,<br />
eius religio“).<br />
1556 Reformation in der Oberpfalz. Herzog<br />
Albrecht V gewährt Laienkelch auf<br />
Landtag zu München.<br />
1558 Visitationen in Diözese Freising, reformierte<br />
(= calvinistische) Gemeinden im Allgäu.<br />
1562 Pankraz von Freyberg abgesetzt. Herzog<br />
Albrecht V schickt Rat Paumgartner zum<br />
Konzil von Trient.<br />
1563 Reformation in Ortenburg. Sogenannte<br />
„Adelsverschwörung“ in Bayern aufgedeckt.<br />
<strong>Evangelisch</strong>e unter starkem Druck.<br />
1564 Calvin stirbt in Genf. Erneute Visitationen<br />
in der Diözese Freising.<br />
1566 Oberpfalz wird reformiert (calvinistisch),<br />
Grafschaft Haag rekatholisiert.<br />
1571 Herzog Albrecht V zieht Zulassung des<br />
Laienkelchs wieder zurück.<br />
1572 „Bartholomäusnacht“ in Frankreich: Tausende<br />
evangelischer „Hugenotten“ ermordet.<br />
1576 Oberpfalz wieder lutherisch.<br />
1577 36 Fürsten und Reichsstände und 900 Theologen<br />
beschließen „Konkordienformel“.<br />
1579 Herzog Wilhelm V von Bayern<br />
1582 Neuer „Gregorianische Kalender“ tritt in den<br />
katholischen Ländern in Kraft. <strong>Evangelisch</strong>e<br />
Länder übernehmen ihn teilweise erst 200<br />
Jahre später.<br />
1583 Oberpfalz wieder reformiert, Grafschaft<br />
Hohenwaldeck rekatholisiert.<br />
1585 Gegenreformation in Würzburg beginnt.<br />
Gegenreformation im Herzogtum Bayern<br />
endgültig abgeschlossen.
1597 Maximilian I von Bayern<br />
1598 „Edikt von Nantes“ gewährt Toleranz<br />
für Hugenotten in Frankreich.<br />
1600 Auszug evangelischer Emigranten aus<br />
Österreich über Regensburg in die<br />
Oberpfalz, nach Franken und ins Ries.<br />
1607 Reichsacht über Donauwörth verhängt.<br />
1608f Kriegsbündnisse „Protestantische Union“<br />
und „Katholische Liga“ gegründet.<br />
1615 Pfalz-Neuburg wird rekatholisiert.<br />
1618 Sogenannter „Prager Fenstersturz“ führt<br />
zum Beginn des 30jährigen Kriegs.<br />
1620 Schlacht am „Weißen Berg“ bei Prag:<br />
Ende der „Protestantischen Union“.<br />
1621 Oberpfalz rekatholisiert.<br />
1623 Herzogtum Bayern wird Kurfürstentum.<br />
1624 Norm-Jahr zur Durchführung der Grundsätze<br />
des Westfälischen Friedens 1648.<br />
1628 Oberpfalz fällt an Bayern und bleibt<br />
endgültig katholisch.<br />
1629 Gegenreformation: Kitzingen /Augsburg.<br />
1632 Schwedenheer zieht unter König Gustav<br />
Adolf durch Süddeutschland.<br />
1634 Schlacht bei Nördlingen: Ende der Schwedenherrschaft<br />
in Süddeutschland.<br />
1648 Westfälischer Friede von Münster / Osnabrück<br />
beendet den 30jährigen Krieg.<br />
1649 <strong>Evangelisch</strong>e in Augsburg erhalten<br />
ihre Kirchen zurück.<br />
1685 Edikt von Nantes aufgehoben. Hugenotten<br />
flüchten in Massen, teilweise nach Ansbach<br />
und Bayreuth.<br />
1731 Ausweisung der Salzburger „Exulanten“.<br />
Flüchtlingsströme ziehen durch Süddeutschland<br />
bis nach Nordamerika.<br />
1740 Sogenannter „Markgrafenstil“ im fränkischevangelischen<br />
Kirchenbau.<br />
1743 Gründung der Universität Erlangen.<br />
1787 Einführung einer „aufgeklärten“ Gottesdienstordnung<br />
und Abschaffung der Privatbeichte<br />
im evangelischen Franken.<br />
1796 Pfälzer Kolonisten siedeln im Donaumoos.<br />
1799 Max I Joseph Kurfürst von Bayern, Karoline<br />
von Baden erste evangelische Fürstin,<br />
Kabinettsprediger Schmidt in München.<br />
1800 Siedler aus der Rheinpfalz siedeln im<br />
Dachauer und Aiblinger Moos und gründen<br />
das spätere Großkarolinenfeld (1802).<br />
1801 Johann Balthasar Michel erster evangelischer<br />
Bürger Münchens.<br />
47<br />
1803 Auflösung des „Heiligen Römischen Reichs<br />
Deutscher Nation“: Zahlreiche evangelische<br />
und geistliche Herrschaften zu Bayern<br />
(„Reichsdeputationshauptschluß“).<br />
1803 Bayerisches „Religionsedikt“ gewährt christlichen<br />
Konfessionen Religionsfreiheit.<br />
1804 Elias Merkle kommt als erster evangelischer<br />
Pfarrer nach Großkarolinenfeld.<br />
1805 Grafschaft Ortenburg fällt an Bayern.<br />
1806 Kurfürstentum Bayern wird Königreich:<br />
weitere evangelische Gebiete bayerisch,<br />
z.B. Ansbach und Nürnberg.<br />
1808 „Protestantische Gesamtgemeinde im<br />
Königreich Bayern“ gegründet.<br />
1810 Bayreuth / Regensburg zu Bayern.<br />
1812 Amt des Kirchenvorstehers eingeführt.<br />
1815 Bayerisches Einheitsgesangbuch<br />
1818 Erste Bayerische Verfassung mit Religionsedikt<br />
und Konkordat, Schaffung des protestantischen<br />
Oberkonsistoriums.<br />
1822 Einweihung der evangelischen Karolinenkirche<br />
in Großkarolinenfeld.<br />
1833 Einweihung der (ersten) evangelischen<br />
Matthäuskirche in München.<br />
1837 Wilhelm Löhe in Neuendettelsau, „Kniebeuge-Order“<br />
König Ludwigs I für evangelische<br />
Soldaten löst schwere Krise aus.<br />
1841 Karoline von Baden † – Skandal<br />
um entwürdigende Beerdigung.<br />
1848 Generalsynode in Ansbach, protestantische<br />
Reiseprediger für Oberbayern.<br />
1854 Neues Gesangbuch und lutherische Gottesdienstordnung.<br />
Wilhelm Löhe gründet Diakonissen-Mutterhaus<br />
Neuendettelsau.<br />
1859 Karl (Carl) Stollwerck *<br />
1863 Erster evangelischer Gottesdienst<br />
in Kolbermoor gefeiert.<br />
1864 Fanny Therese von Hanau *<br />
1886 Beginn der Neuendettelsauer<br />
Missionsarbeit in Neuguinea.<br />
1888 Fanny Therese von Hanau heiratet<br />
in Paris Karl Stollwerck.<br />
1902 Carlita, spätere Stollwerck * in Paris<br />
1904 Christuskirche in Bad Aibling eingeweiht.<br />
1911 Carlita Stollwerck † (27. September).<br />
1914 Beginn des 1. Weltkriegs.<br />
1917 Familie Stollwerck kauft „Giglbergerhof“.<br />
1918 Kriegsende, Revolution, Trennung von<br />
Kirche und Staat, Köln französisch besetzt,<br />
Stollwercks verlieren Teil ihres Vermögens.
Zeittafel<br />
1920 „Evang.-Luth. Kirche in Bayern rechts des<br />
Rheins, erste „Sonntagsandacht“ mit ”Badeprediger”<br />
Hermann Braun in der Wolldeckenfabrik<br />
Heufeldmühle.<br />
1922 Errichtung der evangelisch-lutherischen<br />
Pfarrei Bad Aibling, Hermann Braun<br />
erster Pfarrer.<br />
1924 <strong>Evangelisch</strong>e Bibelstunden in Feldkirchen.<br />
1927 Stollwerck-Mausoleum Hohenfried wird<br />
eingeweiht (27. September = Todestag<br />
Carlitas 1911).<br />
1929 <strong>Evangelisch</strong>e Gottesdienste in einem<br />
eigens eingerichteten „Betsaal“ in der<br />
Bruckmühler Schule.<br />
1932 NS-„Machtergreifung“ – Generalkonsul<br />
Karl Stollwerck † (3. Oktober).<br />
1933 Landessynode wählt Hans Meiser in Bayreuth<br />
zum ersten Landesbischof, „Kirchenkampf“<br />
beginnt, Bischof Meiser unter Hausarrest.<br />
Rosenheim: Dekan Franz Schmidt.<br />
1938 Abriß der Matthäuskirche München<br />
durch die Nationalsozialisten (gleichzeitig<br />
mit der Hauptsynagoge).<br />
1939 Beginn des 2. Weltkriegs, berühmt-berüchtigtes<br />
„Kanzelwort“ der evangelischen Kirchenleitung<br />
zum Polen-Feldzug.<br />
1943 Fanny Stollwerck † (15. Januar), Besitz geht<br />
in Stiftung über, Villa wird aber von Nazis<br />
beschlagnahmt. – Rosenheim: Dekan<br />
Friedrich von Ammon.<br />
1945 Kriegsende, Ermordung Dietrich Bonhoeffers<br />
und anderer Widerständler in Flossenbürg.<br />
Villa Hohenfried wird US-Offizierskasino<br />
für Air-Force-Einheit in Neubiberg.<br />
1946 Pfarrer Hans Gajditza zur Unterstützung<br />
von Pfarrer Hermann Braun in Aibling.<br />
Bayerische Verfassung beschlossen.<br />
1948 Anschluß der bayerischen Landeskirche an<br />
die neugegründete EKD und VELKD.<br />
1952 25jähriges Jubiläum Hohenfried.<br />
1954 Pfarrer Braun † – Nachfolger wird Hans<br />
Heinrich Zimmer, Johanneskirche in Bruckmühl<br />
eingeweiht (10. Oktober).<br />
1955 Landesbischof H. Dietzfelbinger, Rosenheim:<br />
Dekan Heinrich Renner, Pfr. Wendt von Hahn<br />
zur Unterstützung von Pfarrer Zimmer in Bad<br />
Aibling – Villa Hohenfried Erholungsheim<br />
des Roten Kreuzes Berlin.<br />
1957 Einführung des neuen Gesangbuchs.<br />
1958 Synode beschließt Agende I in Regensburg.<br />
48<br />
1958 „Exponierter Vikar“ Willi Wendler kommt<br />
nach Bruckmühl (ab 1962 Pfarrer).<br />
1959 Deutscher <strong>Evangelisch</strong>er Kirchentag<br />
in München<br />
1962 Bruckmühl: Pfarr-und Gemeindehaus<br />
gebaut, Johanneskirche bekommt Glocken.<br />
Papst Johannes XXIII eröffnet „Vaticanum II“.<br />
(= Zweites Vatikanisches Konzil): Weitreichende<br />
Beschlüsse (”Liturgiereform”).<br />
1966 Bekenntnisschulen in Bayern in christliche<br />
Gemeinschaftsschulen umgewandelt.<br />
1970 Villa Hohenfried geht in Privatbesitz über<br />
und wird gründlich renoviert.<br />
Rosenheim: Dekan Eugen Goschenhofer.<br />
1971 Ökumenisches Pfingsttreffen in Augsburg,<br />
Orgel in der Johanneskirche Bruckmühl,<br />
Fanny-Carlita-Stiftung schließt Nutzungsvertrag<br />
mit der Kirchengemeinde.<br />
1972 <strong>Evangelisch</strong>-lutherische Kirche in Bayern<br />
erhält neue Verfassung.<br />
1973 Bayerische Landeskirche führt die Frauenordination<br />
ein. „Leuenberger Konkordie“:<br />
Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft von<br />
Lutheranern und Reformierten.<br />
1975 Landesbischof Johannes Hanselmann<br />
1977 50jähriges Jubiläum Hohenfried.<br />
1981 Bruckmühl: Diakone Jürgen Ross<br />
und Gerhard Schlumberger.<br />
1983 Emmauskirche Feldkirchen eingeweiht.<br />
1984 Bruckmühl: Pfarrer Harald Höschler und<br />
Diakon Wolfgang Heinz eingeführt.<br />
1985 Rosenheim: Dekan Dr. Friedrich Rusam<br />
1987 Fanny-Carlita-Stiftung renoviert das<br />
Stollwerck-Mausoleum.<br />
1988 Bruckmühl: Diakon Werner Nugel.<br />
1992 Pfarrerin Susanne Kießling-Prinz zunächst<br />
zur Aushilfe in Feldkirchen-Westerham.<br />
1994 Neues Gesangbuch eingeführt.<br />
1995 Pfarrerin Susanne Kießling-Prinz offiziell<br />
als Pfarrerin in Feldkirchen installiert.<br />
1997 Rosenheim: Dekan Michael Grabow<br />
1999 Landesbischof Johannes Friedrich<br />
2000 Susanne Breit-Keßler erste evangelische<br />
„Regionalbischöfin“ in Bayern, Bruckmühl:<br />
Diakon Friedrich Wiesinger.<br />
2002 40 Jahre Pfarrei Bruckmühl<br />
75 Jahre Stollwerck-Mausoleum.<br />
2003 20 Jahre Emmauskirche<br />
2004 50 Jahre Johanneskirche
dokum<br />
historische<br />
dokumente<br />
49
D<br />
ie hier abgedruckten beiden<br />
Briefe schrieb Fanny<br />
Therese Stollwerck 1937<br />
und 1938 an Pauline Peetz.<br />
Köln, Ulmenallee 5<br />
1. Dezember 1937<br />
Liebes Fräulein Peetz,<br />
Also, die Stunden (Anmerkung:<br />
gemeint ist der Orgelunterricht) finden<br />
Freitags statt, und ich hoffe, die<br />
gelehrige Schülerin wird fleißig<br />
üben und alle Ehre einlegen, um eine<br />
perfekte Organistin zu werden.<br />
Die ersten Noten will ich gerne bezahlen,<br />
doch die weiteren soll Herr<br />
Baumann aus den vorhandenen<br />
Noten, die in der Kirche sind, benützen,<br />
da wir schöne Sachen besitzen,<br />
die ich auch gerne bei meiner<br />
Anwesenheit hören möchte.<br />
Herr Kunz hat wohl aus Aibling<br />
keine zurückgesandt, vielleicht lassen<br />
Sie durch Herrn Pastor`s Vermittlung<br />
bei ihm anfragen. Daß Sie<br />
eine so schöne Winterlandschaft<br />
genießen, ist beneidenswert, hier ist<br />
der Himmel grau, Nebel und oft<br />
Regen. Erwidere die Grüße an Ihre<br />
lieben Eltern für Sie selbst.<br />
Ihre Fanny Therese Stollwerck.<br />
Wollen Sie bitte sehen, ob in der<br />
Kirche an der kleinen Pieta an meinem<br />
Platz der Spruch angebracht<br />
(ist?): „Vater, verzeih ihnen, denn<br />
sie wissen nicht, was sie tun!“.<br />
Wenn nicht, bitte Herrn Frisch<br />
daran zu erinnern.<br />
Historische Dokumente<br />
Mehr als alle Erzählungen spiegeln<br />
sie die große Zuneigung wider, die<br />
„Frau Generalkonsul“ für ihre „liebe<br />
kleine Organistin“ besaß.<br />
50
Briefe Stollwerck-Peetz<br />
51<br />
Köln, Ulmen-Allee 5<br />
15. März 1938<br />
Meine liebe kleine Organistin<br />
in spe,<br />
Ihre lieben Wünsche und Karte<br />
habe ich dankend erhalten und<br />
hoffe, daß meine kleine Organistin<br />
in spe merkliche Fortschritte macht,<br />
worüber ich mich bald, so Gott will,<br />
überzeugen kann.<br />
Also, ein großes Publikum hat unser<br />
Kirchlein aufgesucht. Der Pfarrer<br />
war wohl besonders glücklich darüber<br />
und Pauline Peetz stolz, die<br />
Gesänge zu begleiten.<br />
Anbei zwanzig Mark für die Monate<br />
Februar und März. Dies Letzte<br />
bezahlen sie erst, wenn die Rechnung<br />
ihnen vorgelegt wird.<br />
Mit schönem Gruß auch an<br />
ihre lieben Eltern,<br />
Ihre Fanny Therese Stollwerck
Historische Dokumente<br />
Auszug aus der Stollwerck`schen Traubibel<br />
52
Traubibel Stollwerck<br />
53
Historische Dokumente<br />
Den hier abgebildeten Brief schickte eine gewisse M.A. Riederer am 27. April 1933<br />
an Fanny Therese Stollwerck. Sie scheint Frau Stollwerck gut gekannt zu haben und zeigte<br />
jedenfalls ein starkes Interesse daran, das wenige Jahre zuvor erbaute Mausoleum zu einem<br />
„Erfolg“ zu machen, beispielsweise durch den Vorschlag, schon am Westerhamer Bahnhof<br />
entsprechende Hinweisschilder aufzustellen.<br />
54
Todesanzeige Karl Stollwerck<br />
55
D<br />
er folgende Nachruf auf<br />
den verstorbenen Industriellen<br />
und Generalkonsul<br />
Karl Stollwerck erschien<br />
1932 in einer Tageszeitung. Leider<br />
lassen sich weder der Name des<br />
Verfassers „H.R.“, noch der Name<br />
der Zeitung ermitteln.<br />
Generalkonsul<br />
Stollwercks<br />
Bestattung<br />
„Ein Großer aus dem Reiche der<br />
Industrie, ein Führender auf dem<br />
Gebiete des Wirtschaftslebens, Generalkonsul<br />
Karl Stollwerck, der<br />
Seniorchef der Schokoladenfabrik<br />
Gebrüder Stollwerck in Köln, wurde<br />
am Donnerstagnachmittag in der<br />
Nähe seines prächtigen Landsitzes<br />
Hohenfried, den er vor Kriegsausbruch<br />
im Alpenvorlande erworben<br />
und sich neugestaltet hatte, zur letzten<br />
Ruhe gebettet.<br />
Zahlreiche Trauergäste, die zum Teil<br />
von der Bahnstation Westerham,<br />
zum Teil in Kraftwagen gekommen<br />
waren, sammelten sich in der stattlichen<br />
Halle des gastlichen Hauses,<br />
die so oft Zeugin froher Geselligkeit<br />
gewesen war. Außer den Angehörigen<br />
der Familie Stollwerck, dem<br />
Schwiegersohn, Kaufmann Bellenger<br />
aus London, Major Fuchs,<br />
Abordnungen aus Köln, hatten sich<br />
aus München unter anderem<br />
Geheimrat Oberbürgermeister Dr.<br />
von Borscht und Gattin, Oberkirchenrat<br />
D. Baum, dann Gutsnachbarn,<br />
unter ihnen der frühere deutsche<br />
Gesandte in Finnland, Freiherr<br />
von Brück, und General Freiherr<br />
von Egloffstein, eingefunden.<br />
Historische Dokumente<br />
In der nahen, mit Fresko-Bildern<br />
und prächtigen Glasgemälden ausgestatteten<br />
kleinen Kirche, die von<br />
dem Heimgegangenen für die evangelische<br />
Gemeinde gestiftet und zu<br />
seiner Ruhestätte bestimmt war, fand<br />
die Beisetzungsfeier statt. Schon vor<br />
der stilvollen Bronzefigur des heiligen<br />
Johannes, die vor dem auf einer<br />
Waldkuppe gelegenen, im klassizistischen<br />
Stile erbauten Gotteshause<br />
steht, waren kostbare Kränze niedergelegt,<br />
das Innere hatte Oekonomierat<br />
August Buchner mit Blumen<br />
und Pflanzengrün reich geziert.<br />
Den Sarg, der inmitten brennender<br />
Kerzen vor dem Altare aufgebahrt<br />
war, deckte die deutsche Flagge in<br />
den alten Farben, darauf ein Kissen<br />
mit den Orden, auch Kriegsauszeichnungen,<br />
des Verewigten. Wundervolle<br />
Kränze lagen in reicher<br />
Fülle ringsum. Der aus Angestellten<br />
der Firma Stollwerck gebildete<br />
Männer-Gesangverein „Theobramina“<br />
hatte eine Abordnung mit Fahne<br />
entsandt.<br />
Die Aussegnung nahm der Dekan<br />
der Altkatholischen Gemeinde München,<br />
Rachel, vor, der in seiner trostreichen,<br />
an die anwesende Witwe<br />
und die Angehörigen gerichteten<br />
Ansprache hervorhob, daß das<br />
Leben des Abberufenen unter dem<br />
Dreigestirn der Arbeit, der Liebe<br />
und der Treue gestanden habe.<br />
Unermüdlich pflichteifrig war er in<br />
seiner Tätigkeit, das väterliche Erbe<br />
zu erhalten und auszubauen, liebevoll<br />
und sorgend nicht nur für die<br />
Seinen, sondern auch für seine<br />
Angestellten und Arbeiter, treu zu<br />
seinem Werke, zur Familie und seiner<br />
Lebensgefährtin, mit der er fast<br />
56<br />
50 Jahre lang aufs innigste verbunden<br />
war, treu auch dem großen<br />
deutschen Vaterlande, dem er im<br />
Kriege noch als 55jähriger diente,<br />
und treu seinem Gott, war ihm doch<br />
die Religion Herzenssache .<br />
Für den Aufsichtsrat der Firma<br />
Gebrüder Stollwerck sprach der<br />
Neffe Richard Stollwerck Dankesworte<br />
mit dem Gelöbnis, daß das<br />
Vorbild unverbrüchlicher Pflichttreue,<br />
das der nun Vollendete gegeben,<br />
seinen Nachfolgern immer
voranleuchten werde. Direktor Laute<br />
der Firma Stollwerck gedachte<br />
der hervorragenden Eigenschaften<br />
des Führers, der durch reiche Kenntnisse<br />
und Erfahrungen, Entschlossenheit<br />
und eisernen Willen der<br />
Firma Weltgeltung zu verschaffen<br />
wußte, der seinen Untergebenen<br />
stets ein gerechter Vorgesetzter und<br />
ein gütiger Freund gewesen war.<br />
Einen weiteren Kranz weihte ein<br />
Vertreter der Firma Sunlicht, an deren<br />
Entwicklung in Deutschland<br />
Karl Stollwerck ebenfalls rühmenden<br />
Anteil hatte. Der evangelische<br />
Pfarrer Braun von Aibling dankte<br />
Nachruf Karl Stollwerck<br />
in liebevollen Worten dem Wohltäter,<br />
der den Mitgliedern der Gemeinde<br />
dies Gotteshaus geöffnet<br />
und ein Schwesternhaus gestiftet,<br />
in dem Pflegeschwestern nach<br />
anstrengender Tätigkeit Erholung<br />
finden können.<br />
Die eindrucksvolle Feier erhielt<br />
ihre musikalische Weihe durch<br />
das vollendete Spiel von Ludwig<br />
Kusche (Orgel) und Gertrud Schuster-Woldan<br />
(Geige), die Tonschöpfungen<br />
von Gluck und Bach<br />
gewählt hatten.<br />
57<br />
Das Kirchlein birgt drei Sarkophage,<br />
in deren einem bereits ein<br />
Töchterlein der Familie aufgenommen<br />
ist, während die beiden anderen<br />
für das Ehepaar bestimmt sind,<br />
dessen Lebensbund nun der Tod<br />
zerrissen hat. H. R.
Historische Dokumente<br />
58
Fanny Therese Stollwerck<br />
starb am 15. Januar 1943 im<br />
Alter von 78 Jahren und<br />
wurde drei Tage später im Mausoleum<br />
Hohenfried beigesetzt. In<br />
ihrem Testament hatte sie neben<br />
zahlreichen anderen Details – von<br />
der Verteilung ihres noch immer<br />
umfangreichen Besitzes bis hin zur<br />
Versorgung ihrer Haustiere (Hund<br />
und Papagei) – unter anderem<br />
auch die weitere Betreuung des<br />
Mausoleums geordnet:<br />
Auszug aus dem Testament von Frau<br />
Fanny Therese Stollwerck vom 31.<br />
August 1941:<br />
IV.<br />
„Ich bestimme, daß ich dereinst<br />
meine letzte Ruhestätte in meiner<br />
Kirche auf dem Besitztum Hohenfried<br />
in der dortigen Familiengruft<br />
finden soll.<br />
Ich mache dabei der Stiftung die<br />
Auflage, eine verlässige Person aufzustellen,<br />
die, wenn verheiratet, mit<br />
der Ehefrau das zur Kirche gehörige,<br />
sogenannte Mesnerhaus bewohnt<br />
gegen die Verpflichtung, die Kirche<br />
samt Inventar zu beaufsichtigen und<br />
die kirchlichen Verpflichtungen im<br />
bisherigen Umfange zu erfüllen,<br />
und mit der weiteren Auflage, für<br />
den Unterhalt der Kirche und das<br />
Inventar besorgt zu sein. Dabei sind<br />
die bestehenden Versicherungen<br />
aufrecht zu erhalten. Dabei ist es<br />
mein Wunsch, daß der derzeitige<br />
Mesner Otto diese Stellung auf<br />
seine Lebensdauer erhalten soll.<br />
Gelegentliche Besichtigung der Kirche<br />
und Kontrolle des Inventars<br />
Testament Fanny Stollwerck<br />
halte ich für notwendig. Eine im Juli<br />
1941 vorgenommene Inventaraufnahme<br />
mit dem Anschaffungswert<br />
der einzelnen Gegenstände liegt meinem<br />
gegenwärtigen Testament bei.“<br />
Über die weitere Nutzung des<br />
Mausoleums durch die evangelische<br />
Kirche findet sich in diesem<br />
Testament erstaunlicherweise kein<br />
Wort. Trotzdem ging<br />
sie – entweder nach<br />
„Gewohnheitsrecht“<br />
oder aufgrund nicht<br />
überlieferter mündlicher<br />
Absprachen –<br />
auch nach Fanny<br />
Stollwercks Tod 1943<br />
ungehindert weiter.<br />
Daß auch Fanny<br />
Stollwerck von dieser<br />
über ihren Tod<br />
hinaus andauernden<br />
Nutzung ausgegangen<br />
sein muß, wird<br />
aber auch aus dem<br />
Testament selbst bereits<br />
deutlich, denn<br />
nur dann machte der<br />
Dienst eines Mesners<br />
ja Sinn.<br />
Erst nachdem das<br />
Bayerische Staatsministerium<br />
für Unterricht<br />
und Kultus<br />
1968 die Betreuung<br />
der Fanny-Carlita-<br />
Stiftung übernommen<br />
hatte, wurde in<br />
einem eigenen Vertrag zwischen<br />
der Stiftung, vertreten durch den<br />
damaligen Vorsitzenden des Kuratoriums,<br />
Dr. Erich Stümmer, und<br />
dem <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>n Pfarramt<br />
Bruckmühl, vertreten durch<br />
59<br />
Pfarrer Willi Wendler und unterzeichnet<br />
Ende 1971 bzw. Anfang<br />
1972, eine schriftliche Vereinbarung<br />
über die kirchliche Nutzung<br />
getroffen. Sie ist bis heute unverändert<br />
in Kraft.<br />
Fanny-Therese Stollwerck, Jugendbild
U<br />
rsprünglich wurde die<br />
von Fanny Therese Stollwerck<br />
1941 testamentarisch<br />
eingerichtete Stiftung von<br />
dem Münchener Rechtsanwalt, Geheimrat<br />
Dr. Karl Eisenberger, und<br />
dann dessen Sohn, Rechtsanwalt<br />
Dr. Max Eisenberger, verwaltet.<br />
Nach dessen Tod übernahm das<br />
Bayerische Staatsministerium für<br />
Unterricht und Kultus 1968 die<br />
Betreuung der Stiftung. Die weitere<br />
Nutzung durch die evangelische<br />
Gemeinde wurde in einem Vertrag<br />
geregelt, der bis heute gültig ist.<br />
Zwischen der Fanny-Carlita-Stiftung<br />
München, vertreten durch den Vorsitzenden<br />
des Kuratoriums der Stiftung,<br />
Ministerialrat Dr. Erich Stümmer,<br />
und dem <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>n<br />
Pfarramt Bruckmühl, vertreten<br />
durch Pfarrer Willi Wendler,<br />
wird bezüglich der Nutzung der<br />
ehemaligen Stollwerck’schen Mausoleumskirche<br />
Hohenfried folgender<br />
Vertrag geschlossen:<br />
§ 1<br />
1. Die Stiftung räumt der <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>nKirchengemeinde<br />
Bruckmühl das Recht ein,<br />
in der Mausoleumskirche Hohenfried<br />
entsprechend den kirchlichen<br />
Bedürfnissen jederzeit Gottesdienste<br />
abzuhalten.<br />
2. Die Stiftung wird seitens der <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>nKirchengemeinde<br />
Bruckmühl von der Haftung für<br />
alle Schäden, die aufgrund der<br />
Benutzung der Kirche nach Nr. 1<br />
oder beim Zugang auf stiftungseigenem<br />
Gelände entstehen, freigestellt.<br />
Nutzungsvertrag 1971/72<br />
§ 2<br />
1. Die Stiftung bestellt zur Durchführung<br />
der die Stiftung betreffenden<br />
Verpflichtungen den Mesner,<br />
der mit seiner Familie das.... Wohnrecht<br />
im sogenannten Mesnerhaus<br />
hat. Das Nähere regelt ein zwischen<br />
der Stiftung und dem Mesner<br />
abgeschlossener Vertrag....<br />
2. Weihnachtszuwendungen und<br />
etwaige Sonderleistungen an den<br />
Mesner trägt die <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong><br />
Kirchengemeinde.<br />
3. Bei jeder Neubesetzung der<br />
Mesnerstelle hat die <strong>Evangelisch</strong>-<br />
<strong>Lutherische</strong> Kirchengemeinde Bruckmühl<br />
ein Vorschlagsrecht. Sie kann<br />
auch mehrere geeignete Personen<br />
benennen.<br />
§ 3<br />
1. Die Kosten für die bauliche<br />
Instandhaltung der Mausoleumskirche<br />
trägt die Stiftung. Die <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong><br />
Kirchengemeinde<br />
verpflichtet sich, unverzüglich etwaige<br />
auftretende Schäden der Stiftungsverwaltung<br />
anzuzeigen.<br />
2. Die im Zusammenhang mit der<br />
Durchführung von Gottesdiensten<br />
anfallenden laufenden Kosten trägt<br />
die <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong> Kirchengemeinde.<br />
§ 4<br />
1. Die Stiftung erklärt sich bereit,<br />
die in der Mausoleumskirche eingebaute<br />
Orgel zum nächstmöglichen<br />
Zeitpunkt generalüberholen zu lassen.<br />
Die <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong><br />
60<br />
Kirchengemeinde wird der Stiftung<br />
einen diesbezüglichen Kostenvoranschlag<br />
einer geeigneten Orgelbaufirma<br />
zugehen lassen.<br />
2. Für die Kosten der laufenden<br />
Überwachung der Funktionsfähigkeit<br />
der Orgel, insbesondere für die<br />
Stimmungen hat die <strong>Evangelisch</strong>-<br />
<strong>Lutherische</strong> Kirchengemeinde aufzukommen.<br />
Ebenso werden von der<br />
Kirchengemeinde die Kosten der<br />
Organistin getragen.<br />
§ 5<br />
Dieser Vertrag tritt am 1. Januar<br />
1972 in Kraft. Er kann beiderseits<br />
mit einer Frist von 1 Jahr zum<br />
Schluß eines Kalenderjahres gekündigt<br />
werden.<br />
Bruckmühl, den 17.3.1972<br />
Willi Wendler, Pfarrer<br />
München, den 30.11.1971<br />
Dr. Erich Stümmer, Vorsitzender<br />
des Kuratoriums der Stiftung
inner<br />
Erinnerungen<br />
61
Auszug aus dem Tagebuch<br />
von Pfarrer Braun, Bad<br />
Aibling, von 1945: Hohenfried<br />
selbst kommt hier zwar<br />
nicht vor, es handelt sich aber um<br />
ein so interessantes und bewegendes<br />
Stück Zeitgeschichte, daß wir<br />
uns entschlossen haben, auch diesen<br />
Text mit abzudrucken.<br />
Die braun geschriebenen Zeilen<br />
sind übrigens nebenstehend im<br />
Original zu sehen. Die meisten<br />
Namen sind durch NN ersetzt.<br />
Textkürzungen sind durch Punkte<br />
gekennzeichnet.<br />
Mi, 28. Feb: 9 Uhr Beerdigung NN<br />
Kolbermoor, mittags mit Bahn nach<br />
Westerham, NN, Mareis gibt Nebenzimmer<br />
für Religionsunterricht,<br />
Besuche in Feldkirchen, Feldolling,<br />
Bruckmühl, Kolbermoor, 8 Uhr<br />
Bibelstunde, Alarm dazwischen.<br />
Do, 1. März: 8 Uhr Gespräch mit<br />
Gräfin Hohenthal, Alarm 1 bis halb<br />
3, im Luftschutzkeller in der Wolldeckenfabrik<br />
Unterricht, Taufe im<br />
Krankenhaus.... NN Flüchtlinge aus<br />
dem Osten.... NN<br />
Mi, 7. März: Am Nachmittag zum<br />
Unterricht bei Mareis im Nebenzimmer.<br />
Do, 22. März: Früh mit dem Rad<br />
nach Feldkirchen wegen Beerdigung<br />
des 4jährigen NN aus Ostpreußen,<br />
der im Kinderheim nach<br />
Amputation wegen Artilleriebeschuß<br />
aus den eigenen Reihen (?)<br />
und nachfolgender Sepsis bereits<br />
am 18. 3. starb. Jetzt erst ist die<br />
Mutter ausfindig gemacht, die in<br />
Grafing in einem Lager ist. Als ich<br />
Erinnerungen<br />
kam, erklärte die Leichenfrau, die<br />
Beerdigung könne nicht sein, der<br />
Totengräber habe noch kein Grab<br />
gemacht und sei auf und davon.<br />
Um 11 war die Beerdigung dann<br />
doch. Gegessen habe ich im Kinderheim.<br />
Dann über Vagen.... nach<br />
Bruckmühl.... dann Unterricht,<br />
Abendmahl.... Bibelstunde....<br />
So, 8. April: 9 Uhr Aibling, 12 bis 2<br />
Alarm, Zug nach Westerham geht<br />
nicht, also mit Rad nach Feldkir-<br />
62<br />
chen zum Gottesdienst, zum Glück<br />
geht Ostwind, 3 Gottesdienst, vorher<br />
schon bei NN im Krankenhaus,<br />
hat Zwillinge. Danach.... Kinderheim,<br />
wo wieder ein Kind gestorben<br />
ist. Mit Rad heim....<br />
Mi, 11. April: 9.30 Uhr Alarm.<br />
Lightnings schießen Lok auf dem<br />
hiesigen Bahnhof kaputt. 11.30 bis<br />
12.30 (?). Mit Rad nach Feldkirchen<br />
(da kein Mittagszug mehr geht)<br />
gegen starken Wind.... 4 Uhr Beer
digung Kind NN aus Ostpreußen.<br />
Im Kinderheim gestorben, Mutter in<br />
Sachsen, Vater nicht auffindbar, verwundet.<br />
Im Krankenhaus bei NN<br />
aus Siebenbürgen, schwer TBC,<br />
kein Mensch kümmere sich um ihn,<br />
mit Rad heim.... Thalham, NN noch<br />
krank, aber aus dem Krankenhaus<br />
heraus. Götting.... Ungarndeutschenlager,<br />
Bücher gebracht.<br />
Do, 12. April: Nachmittag mit Rad<br />
nach Bruckmühl, kein Unterricht.<br />
Betsaal von Flüchtlingen belegt,<br />
auch sonst kein Raum frei. Beim<br />
katholischen Pfarrer, zur Pfarreierhebung<br />
gratuliert, zeigt mir seine<br />
Kirche. Kirchdorf NN. Bruckmühl<br />
wegen Raum für Gottesdienst, oberster<br />
Schulsaal könnte passen. In<br />
Aibling bei NN, deren Sohn.... plötzlich<br />
gestorben ist. Abends Kirchenstiftungsrechnung<br />
abgeschlossen.<br />
So, 22. April: 9 Uhr Aibling, danach<br />
gleich mit Rad gegen starken<br />
Gegenwind nach Sterneck (2 Std.!)<br />
zur Taufe der Zwillinge. 4 Uhr Gottesdienst<br />
in Feldkirchen, Krankenhaus<br />
verschiedene Besuche....<br />
Sa, 28. April: 9<br />
Uhr Beerdigung<br />
Unteroffizier Eggert<br />
vom<br />
Horst *.<br />
Tagebuch Pfarrer Braun<br />
In den Vormittagsstunden<br />
meldet sich im<br />
Radio die deutsche<br />
Freiheitsbewegung in<br />
München. Doch ist<br />
ihre Dauer nur kurz,<br />
es sind die Männer einerDolmetscherkompanie,<br />
sie werden<br />
„umgelegt“. Der katholische<br />
Pfarrer von<br />
Götting zeigt voll<br />
Freude gleich die<br />
weißblaue Fahne, wird<br />
an die SS verraten, die<br />
dort im Quartier liegt,<br />
in einem Kraftwagen<br />
zum Irschenberg gebracht<br />
und mit Genickschuß<br />
erschossen.<br />
Der Lehrer erfährt es,<br />
trampelt vor Wut auf<br />
der Hakenkreuzfahne<br />
herum und wird auch erschossen.<br />
So, 29. April: Halb 8 kleiner Alarm,<br />
halb 9 Gottesdienst, während der<br />
Predigt Angriff auf den Horst, mächtige<br />
Schießerei, auch später noch,<br />
bis 12 Uhr. Nähe Heufeld ein<br />
militärisches Objekt an der Bahn<br />
getroffen, Bauernhäuser beschädigt.<br />
Mittags nach Bruckmühl gefahren,<br />
noch recht mühsam, 4 Uhr im obersten<br />
Schulsaal, da Betsaal von<br />
Flüchtlingen belegt, ca. 33 Personen<br />
da, meistens Evakuierte. Als ich<br />
um 6 heimkomme, Botschaft, daß<br />
ich sofort nach Kolbermoor zu NN<br />
soll, um das Kind zu taufen, ist auf<br />
dem Herzen sehr schwach.... Es<br />
mehren sich die Zeichen der Auflösung.<br />
Der Feind stehe auf der Linie<br />
Augsburg-Füssen, nördlich Mün-<br />
Pfarrer Braun bei seinem Geburtstag<br />
63<br />
Straßenszene, Marienplatz Bad Aibling, Sommer1945<br />
chen Landshut-Passau. In den Geschäften<br />
wird den ganzen Sonntag<br />
über verkauft, auch die militärischen<br />
Lager werden zum Teil geräumt,<br />
doch geht alles in merkwürdiger<br />
Ordnung vor sich. Offiziere im<br />
Horst werden einfach entlassen und<br />
auf die Straße gesetzt. Himmler habe<br />
Kapitulation angeboten, aber nur<br />
den Engländern und Amerikanern.<br />
Di, 1. Mai: Feindliche Panzerspitzen<br />
werden in Feldkirchen gemeldet.<br />
Ich werde nach Bruckmühl<br />
gerufen....<br />
Mi, 2. Mai: Nachmittags fahre ich<br />
durch Götting, sehe den erschossenen<br />
Hauptlehrer und bin bei den<br />
Ungarndeutschen in der Schule.<br />
So, 6. Mai: Halb 9 Aibling Gottesdienst,<br />
4 Uhr Feldkirchen, d.h. nein,
erst 4.30 Uhr, weil Schwestern erst<br />
benachrichtigt werden mußten, die<br />
nicht gedacht hatten, daß ich durchkommen<br />
würde. Gegen sehr starken<br />
Gegenwind über Weidach, wo alles<br />
in Ordnung ist, Heufeldmühle, Bruckmühl,<br />
Papierfabrik, Egelkofen, Feldkirchen.<br />
Dort eigentlich nur Ausgang<br />
11 bis 1, aber es kommen außer<br />
den Schwestern doch einige.... Auf<br />
dem Land ist zwar Radfahrverbot,<br />
doch hat mich niemand aufgehalten.<br />
Auf der Staatsstraße bis nach Bruckmühl<br />
gefahren, links und rechts<br />
ausgebrannte Autos, verbrannter<br />
Wald, Spuren des Kampfes....<br />
* Gemeint ist der Fliegerhorst in Mietraching<br />
bei Bad Aibling, der den US-Truppen<br />
1945 als Gefangenenlager diente.<br />
Aus heutiger Sicht unfaßbare 7,5 Millionen<br />
deutsche Soldaten wurden innerhalb<br />
weniger Tage Kriegsgefangene der<br />
Alliierten, was Letztere vor schier unlösbare<br />
logistische Probleme stellte.<br />
Di, 8. Mai: Vormittags Horst *<br />
(Gefangenenlager), um Pfarrer<br />
Wolf aus Schwabach zu besuchen;<br />
Erinnerungen<br />
nicht gefunden.<br />
Aber Herrn Fröhlich<br />
gesprochen.<br />
100.000 Gefangene<br />
sollen dort<br />
draußen sein, das<br />
ganze Rollfeld ist<br />
bedeckt, sie stehen<br />
und liegen im<br />
Freien, in Schnee<br />
und Sonne (heute<br />
sehr heiß)....<br />
Nachmittags Beerdigung des estnischen<br />
Lehrers Karlson in Bruckmühl,<br />
evakuiert bei seiner Tochter,<br />
in Kirchdorf. Die Estinnen singen<br />
zwei Lieder, zum Anfang: „Über<br />
den Sternen....“, zum Schluß: „Näher,<br />
mein Gott zu Dir“. Auf dem<br />
Heimweg bei Arndt. Keding<br />
schreibt von Weiß (?), daß er gefangen<br />
ist im Lager Westerndorf bei<br />
Rosenheim.<br />
(Einschub) Mo, 7. Mai: Um 14.45<br />
Waffenstillstand * in ganz Europa.<br />
Im Radio sprach Truman und<br />
Churchill und Stalin und Niemöller.<br />
64<br />
Luftwaffen-Fliegerhorst Mietraching um 1944<br />
Mittwoch, 9. Mai: Vormittags bei<br />
Herlein, dann Horst, dann nach<br />
Mittag Oberpfarrer Bauer gesucht,<br />
aber nicht gefunden. Bei Fröhlich.<br />
Och. Letztere ganz auseinander,<br />
weil vergangene Nacht eine Frau in<br />
der Nachbarschaft von vier Amerikanern<br />
vergewaltigt worden sei....<br />
* Am 7. Mai unterzeichneten Generaloberst<br />
Jodl (Wehrmacht), Generaladmiral<br />
von Friedeburg (Marine) und General<br />
Oxenius (Luftwaffe) in Reims die<br />
bedingungslose Kapitulation aller deutschen<br />
Streitkräfte. Tags darauf erteilte<br />
Großadmiral Dönitz als Reichspräsident<br />
sämtlichen deutschen Truppen den<br />
Befehl, die Waffen niederzulegen. Der<br />
Waffenstillstand trat am 8. Mai um<br />
23.01 Uhr offiziell in Kraft. Am 9. Mai,<br />
kurz nach Mitternacht, wiederholte der<br />
Chef des Oberkommandos der Wehrmacht,<br />
Generalfeldmarschall Keitel, in<br />
Berlin-Karlshorst die Unterzeichnung<br />
der Gesamtkapitulation.<br />
Gefangene deutsche Soldaten im Lager Mietraching,<br />
Sommer 1945: insgesamt 850.000 deutsche<br />
Kriegsgefangene wurden hier entlassen
Auch an der evangelischen<br />
Pfarrei Bad Aibling, zu der<br />
Hohenfried ja damals<br />
gehörte, ging die Zeit des sogenannten<br />
3. Reichs und der Auseinandersetzung<br />
zwischen der „Bekennenden<br />
Kirche“ und den nationalsozialistisch<br />
geprägten „Deutschen<br />
Christen“ nicht spurlos vorüber.<br />
Das belegt unter anderem die<br />
folgende Erklärung, welche im Jahr<br />
1934 der Gemeinde von Pfarrer<br />
Hermann Braun und dem Kirchenvorstand<br />
zur Unterschrift vorgelegt<br />
wurde. In Bruckmühl unterzeichneten<br />
– soweit uns bekannt – 92<br />
Frauen und Männer.<br />
Unsere evangelische Kirche steht in<br />
einer Zeit schwerer Kämpfe. Es handelt<br />
sich darum, ob sich unser Volk<br />
für oder gegen Christus entscheidet.<br />
Die Deutsche Glaubensbewegung<br />
und die ihr verwandten religiösen<br />
Strömungen wollen das Deutsche<br />
Volk von Christus wegziehen.<br />
Dieser Lage stehen weite Kreise des<br />
deutschen evangelischen Volkes<br />
gleichgültig, ahnungslos und unentschieden<br />
gegenüber. Deshalb ist es<br />
nötig, daß alle sich sammeln, die<br />
entschlossen zu ihrem evangelischen<br />
Glauben stehen wollen. Jeder<br />
<strong>Evangelisch</strong>e trägt mit die Verantwortung<br />
dafür, daß unserem Volk<br />
das hohe Gut des Evangeliums rein<br />
und unverkürzt erhalten bleibt.<br />
Reichstagung der sogenannten „Deutschen Christen“ im<br />
Berliner Sportpalast, November 1933. Die „Deutschen<br />
Christen“ versuchten, das Christentum mit national-sozialistischem<br />
Gedankengut zu verbinden und eine „deutsche“<br />
Kirche aufzubauen. Vor allem gegen sie richtete sich die<br />
„Barmer Erklärung“ der „Bekennenden Kirche“ von 1933,<br />
wie auch zahlreiche andere Erklärungen im ganzen Land.<br />
Kirchenkampf-Erklärung<br />
Mit Freude und Dankbarkeit sehen<br />
wir, daß aus dieser Verantwortung<br />
heraus sich jetzt schon in ganz<br />
Deutschland evangelische Christen<br />
in großen, und stetig wachsenden<br />
Scharen zur bekennenden Kirche<br />
zusammengeschlossen haben; sie<br />
wollen damit vor aller Öffentlichkeit<br />
bekunden, daß sie unter keinen<br />
Umständen von ihrem evangelischen<br />
Glauben lassen werden. Unsere<br />
Gemeindemitglieder in der<br />
Diaspora müssen diesen Ruf zur<br />
Entscheidung und Sammlung hören.<br />
Wir bitten Sie deshalb, sich ernstlich<br />
zu prüfen, ob Sie die folgende<br />
Erklärung unterzeichnen können<br />
und sich damit der Bekenntnisgemeinschaft<br />
der deutschen evangelischen<br />
Kirche anschließen wollen.<br />
Erklärung (Pfarrer<br />
/Kirchenvorstand):<br />
Wir haben in der Bekenntnisgemeinschaft<br />
also kein anderes Ziel<br />
als uns um das Evangelium zu sammeln,<br />
uns miteinander zu bemühen,<br />
mit unserem Glauben vollen<br />
Ernst zu machen. Wir sind über-<br />
65<br />
zeugt, damit unserem Volk den<br />
besten Dienst zu tun.<br />
Vorgedruckte Beitrittserklärungen<br />
liegen im Pfarrhaus auf und sind<br />
nach den Gottesdiensten an den.....<br />
(Sonntagen?) zu haben.<br />
Die Aufnahme in die Bekenntnisgemeinschaft,<br />
die mit keinen Beitragslasten<br />
verbunden ist, erfolgt<br />
durch die Zusendung der roten Mitgliedskarte.<br />
gez. Pfarrer und Kirchenvorstand<br />
Erklärung<br />
(Gemeindeglieder):<br />
Wir wollen unserem deutschen<br />
Volk und seinem Führer mit allen<br />
Gaben des Evangeliums dienen. Darum<br />
bekennen wir uns zu unserem<br />
Landesbischof, dem unerschrockenen<br />
Bekenner des reinen Evangeliums<br />
und fordern, D. Meiser soll in<br />
ganz Bayern unser Bischof sein und<br />
bleiben und muß sofort wieder die<br />
Freiheit für die ungehinderte Führung<br />
seines Amtes erhalten.
G<br />
ottfried Braun, einem<br />
Sohn von Pfarrer Hermann<br />
Braun, der heute<br />
in Kerpen bei Köln lebt, verdanken<br />
wir auch die folgende aufschlußreiche<br />
Liste mit den Namen<br />
evangelischer Gemeindeglieder<br />
in den 30er Jahren in<br />
Bruckmühl und Feldkirchen:<br />
Bruckmühl:<br />
Achilles Arndt<br />
Arzberger (2x) Baum<br />
Borchert Boschert<br />
Brassler Breithaupt, von<br />
Brem Brisch<br />
Brüstle Bulling<br />
Cremer Deeg<br />
Drognitz Ehrhardt<br />
Engelhard Ernst<br />
Frisch Frischholz<br />
Gaethke Gebhardt<br />
Glasser Greven<br />
Grübl Heilmeier<br />
Herbig Huber, Gustav<br />
Hülß Jörger<br />
Kaphahn Kleindienst<br />
Kluckow Knauf<br />
Knof Kruse<br />
Gemeindeglieder der 30er Jahre<br />
Bruckmühl im Jahr 1933, Luftaufnahme: Die Rösnerwiese, auf der 1954 die Johanneskirche<br />
errichtet wurde, ist hier natürlich noch leer. Dafür ist auf diesem Bild die alte Mangfallbrücke<br />
noch zu sehen, im Hintergrund links Kirchdorf<br />
Marca Mayer<br />
Mayrock Meier, Agnes<br />
Münch Neuhaus<br />
Neupert Nodes<br />
Ortlieb (2x) Ortner<br />
Otto Pfnür<br />
Popp Reger<br />
Reichel Reiner<br />
Ringenberg Schlosser<br />
Seeger Seiler (2x)<br />
Steinbeis Stempfle<br />
Straube Weiler<br />
Wild Wilhelmi<br />
Zink Zirngiebel<br />
66<br />
Feldkirchen:<br />
(einschließlich Staudach, Spielbach,<br />
Altenburg und Helfendorf):<br />
Egelhofer Elsner<br />
Faatz Klitzing, von<br />
König Luttitz, von<br />
Pabst Peetz<br />
Pimps Rieker<br />
Samson, von<br />
Wilding, Graf<br />
Stollwerck
Auf den ersten Blick wirkt<br />
dieser Plan „harmlos“.<br />
Vergegenwärtigt man<br />
sich jedoch, unter welch widrigen<br />
Umständen Pfarrer Braun arbeiten<br />
mußte, daß er beispielsweise oft<br />
nur mit dem Fahrrad oder gar zu<br />
Fuß (!) von Bad Aibling aus durch<br />
Wind und Wetter, Hitze und Kälte<br />
unterwegs war und viele Gottesdienste<br />
in den Außenorten mit<br />
Hausbesuchen und zusätzlichen<br />
Gottesdienste 1945/46<br />
Amtshandlungen verbunden waren,<br />
wird deutlich, welchen enormen<br />
Einsatz dieser Dienst des Pfarrers<br />
an seiner Gemeinde in schwierigster<br />
Zeit erforderte.<br />
Altarraum der Christuskirche Aibling in den<br />
50er Jahren: die Fenster wurden 1961 zugemauert<br />
bzw. an der Nordseite eingebaut<br />
67
Heinrich Samhammer war<br />
1954 als junger Vikar vom<br />
Nürnberger Predigerseminar<br />
zur Überbrückung der durch<br />
den Tod von Pfarrer Braun entstandenen<br />
Vakanz nach Bad Aibling<br />
entsandt worden. Zum 60jährigen<br />
Dienstjubiläum von Pauline Peetz<br />
1997 schrieb er ihr den folgenden<br />
Brief mit einigen Erinnerungen. Wir<br />
drucken ihn hier mit beider<br />
Zustimmung ab:<br />
Sehr geehrte Frau Peetz,<br />
im Sonntagsblatt habe ich von Ihrem<br />
Jubiläum gelesen, und dachte<br />
mir, daß ich mich mit diesem Brief<br />
bei den Gratulanten einreihen sollte.<br />
Dieser Sonntagsblattartikel hat<br />
einige Erinnerungen in mir wachgerufen,<br />
und vielleicht freut es Sie ja,<br />
davon zu lesen.<br />
Ostern 1954 ist es wohl gewesen,<br />
also vor über 40 Jahren, daß ich<br />
vom Predigerseminar Nürnberg aus<br />
für die Festzeit nach Bad Aibling<br />
abgeordnet worden bin. Hier war ja<br />
auch der in ihrem Artikel genannte<br />
Pfarrer verstorben, und ich sollte<br />
über die Osterzeit nach Kräften die<br />
verwaiste Pfarrstelle helfen zu „verwesen“<br />
(wie man das so schön<br />
heißt). Ich wurde bei Brauns im<br />
Pfarrhaus einquartiert (für mich,<br />
nicht aus einer Pfarrfamilie stammend<br />
ein wichtiges Erlebnis).<br />
Erinnerung 1:<br />
An einem der Sonn- oder Feiertage<br />
hatte ich in Bruckmühl den Gottesdienst<br />
zu halten. Ich erinnere mich<br />
an eine große Gemeinde, die in<br />
einer Turnhalle zusammenkam. Lau-<br />
Erinnerungen<br />
ter in den schweren Jahren geprüfte<br />
Leute, denen ich junger Mensch mit<br />
nur wenig Lebenserfahrung das<br />
Evangelium verkündigen sollte. Die<br />
Kirche, meine ich, war gerade im<br />
Bau. Daß der Grundriß nicht rechteckig<br />
war (hier irrt sich Pfarrer Samhammer),<br />
hat sich mir ganz besonders<br />
eingeprägt. Vielleicht haben<br />
Sie ja damals die Orgel und das<br />
Harmonium in „meinem“ Gottesdienst<br />
gespielt.<br />
Erinnerung 2:<br />
Am Karfreitag hatte ich den Gottesdienst<br />
im Stollwerck-Mausoleum zu<br />
halten. Was mir besonders hängengeblieben<br />
ist: Die Kirche war gesteckt<br />
voll, die Luft entsprechend<br />
dick, und der Kirchner – ein feiner,<br />
älterer Herr (vermutlich bin ich<br />
heute viel älter als der damals) –<br />
war livriert (!) irgendwo unter den<br />
Gottesdienstbesuchern eingekeilt.<br />
Das mit dem Gottesdienst und der<br />
68<br />
Predigt ging ganz gut (Frau Pfarrer<br />
Braun hat mich auf meine Bitte hin<br />
vorher immer abgehört, und der<br />
Sohn Braun hat mich dann mit<br />
einem älteren Opel (?) zu den<br />
Außenstellen gefahren).<br />
Das Problem kam dann mit der<br />
Abendmahlsfeier, wohl eine der ersten,<br />
wenn nicht überhaupt die erste,<br />
die ich je gehalten hatte. Die<br />
ersten Kommunikanten, die vor<br />
dem Altar niederknieten, waren drei<br />
oder vier Diakonissen im Ruhestand<br />
aus einem nahen Feierabendhaus.<br />
Ich teilte das Brot aus. Alles<br />
ging gut. Aber, als ich den Kelch<br />
aufnehmen wollte, da schwammen<br />
auf dem Wein lauter weiße Kügelchen.<br />
Es waren erstarrte Wachstropfen<br />
von den Kerzen, die sich ob der<br />
großen Hitze über den Kelch gebeugt<br />
hatten.<br />
Was tun? Daß genau für einen solchen<br />
Fall ein Sieb auf dem Altar<br />
bereit lag, hatte man mir noch nicht<br />
Kirchenzug von der Bruckmühler Turnhalle zur Einweihung<br />
der Johanneskirche am 10. Oktober 1954
gesagt. Also gab ich dem Kirchner<br />
ein Zeichen, doch bitte mit neuem<br />
Wein zum Altar vorzukommen.<br />
Wegen der Besucherdichte dauerte<br />
das ziemlich lang. Also habe<br />
ich den Diakonissen schon mal<br />
den Kelch mit den Tropfen zum<br />
Trinken gereicht.<br />
Ich habe die Spendungsworte gesagt,<br />
wie es sich gehört, und dabei<br />
insgeheim gebetet: Lieber Gott hilf,<br />
daß sich keine dieser alten Damen<br />
an den Wachstropfen verschluckt.<br />
Nun, der liebe Gott hat geholfen.<br />
Und so ist alles gut gegangen. Und<br />
bis die anderen Abendmahlgäste<br />
dran waren, stand ein „entwachster“<br />
Kelch vor mir.<br />
Es war damals wohl üblich, daß der<br />
Pfarrer nach dem Gottesdienst zu<br />
einer kurzen Jause in das Feierabendhaus<br />
der Diakonissen gebeten<br />
wurde. So auch ich. Dort habe<br />
ich mich dann für das Mißgeschick<br />
entschuldigt.<br />
Darauf eine der freundlichen Frauen:<br />
”Ach wissen’s, Herr Vikar, mir<br />
ham nix g’merkt; bis mir uns da hinknien,<br />
und dann wieder hochkommen,<br />
da sin' mir b’schäftigt g’nug!”<br />
– Und wie jeder Pfarrer bin ich<br />
auch mit ein Paar Küchle für den<br />
Nachmittagskaffee in Gnaden entlassen<br />
worden.<br />
Erinnerung 3:<br />
Am Ostersonntag war dann ein<br />
großer Gottesdienst in Bad Aibling<br />
selbst. Die Predigt und das Abendmahl<br />
hat Bischof Stählin gehalten,<br />
und ich sollte die restliche Liturgie<br />
übernehmen und dann beim Aus-<br />
Pfarrer Samhammer<br />
teilen mithelfen – was ich auch<br />
gerne getan habe.<br />
Was für „Wichtigkeiten“ sich einem<br />
doch einprägen! Da hatte sich<br />
die Kette des Bischofskreuzes verhakt,<br />
und ich „durfte“ Bischof Stählin<br />
in der Sakristei beim „Aufhakln“<br />
helfen. So nahe war ich weder vorher<br />
noch nachher einem Bischof,<br />
respektive seinem Bauch gekommen.<br />
Und nach dem Gottesdienst<br />
hat er mich wegen meines liturgischen<br />
Sinnes gelobt und gefragt, wo<br />
ich das gelernt habe. Das war dann<br />
eine liturgische Verpflichtung für<br />
mein ganzes Pfarrerleben!<br />
Erinnerung 4:<br />
Im Zusammenhang mit dem Einsatz<br />
in Bad Aibling wird es wohl<br />
auch gewesen sein, daß ich in jener<br />
Kirche in oder bei Kleinhelfendorf<br />
einen Gottesdienst halten durfte, in<br />
der recht grauslig das „Martyrium<br />
des Heiligen St. Emmeram“ dargestellt<br />
ist (”Daß ihnen nur nicht<br />
schlecht wird!”, hat vorher Frau<br />
Braun zu mir gesagt).<br />
Ich weiß nicht mehr, ob da viele<br />
<strong>Evangelisch</strong>e zusammengekommen<br />
sind. Aber eingeprägt hat sich mir<br />
vor allem diese Darstellung in der<br />
Mitte der schönen Kirche, über und<br />
über mit toten Mücken übersät,<br />
und, daß dort ein sehr freundlicher<br />
Herr den Mesnerdienst versehen<br />
hat. Irgendwann war er dort in der<br />
Nähe als Flüchtling untergekommen<br />
und hatte das Mesneramt übernommen.<br />
Längst nach München<br />
umgezogen und dort als Jurist in<br />
höherem Amt und Würden, fuhr er<br />
doch weiter aus Dankbarkeit zu<br />
69<br />
jedem Gottesdienst nach Kleinhelfendorf,<br />
um dort seinen Dienst zu tun.<br />
Nach dem Gottesdienst hat er mir<br />
dann die <strong>Geschichte</strong> von dem Organisten<br />
erzählt, der seinem Pfarrer<br />
je nach Güte der Predigt eine Zigarre,<br />
eine Zigarette oder gar nichts<br />
zum Rauchen überreicht hat. Dann<br />
entnahm mein Kritiker seinem Etui<br />
einen Stumpen, den ich mir am<br />
Nachmittag dann bei Brauns zum<br />
Kaffee genüßlich schmecken ließ.<br />
Ich weiß nicht, ob Sie bei irgendeiner<br />
dieser <strong>Geschichte</strong>n mit dabei<br />
gewesen sind. Wenn nicht, hat sie<br />
dies oder das vielleicht an ihre eigenen<br />
„Erlebnisse“ erinnert und zum<br />
Schmunzeln gebracht. Sollte das<br />
eine oder andere nicht ganz so<br />
stimmen können, so gebe ich das<br />
gerne zu. Immerhin sind seither<br />
über 40 Jahre vergangen.<br />
Mit freundlichen Grüßen und allen<br />
guten Wünschen, Ihr<br />
Heinrich Samhammer<br />
(20. September 1997)
pfarrerin Susanne Kießling-<br />
Prinz im Gespräch mit unserer<br />
langjährigen Organistin<br />
Pauline Peetz im Frühjahr 2002:<br />
Kießling-Prinz: 75 Jahre Hohenfried!<br />
Sie, Frau Peetz, kennen das<br />
Stollwerck-Mausoleum von Anfang<br />
an und verbinden sicher viele Erinnerungen<br />
mit dieser Kirche. Mich<br />
würde interessieren, ob Sie sich<br />
noch an die Einweihung oder die<br />
Bauzeit erinnern können?<br />
Peetz: Nein, ich war ja damals erst<br />
sechs Jahre alt und habe keine Erinnerungen<br />
mehr an die Zeit. Dabei<br />
war ich bestimmt bei der Einweihung.<br />
Wir Kinder sind sonntags<br />
immer mit zur Kirche gegangen.<br />
Damals gab es ja nichts anderes.<br />
Sicher haben Sie aber manche Erinnerungen<br />
aus Ihrer Kindheit, die mit<br />
dem Mausoleum verbunden sind!<br />
Ach ja, da gab es oft Probleme mit<br />
dem eisernen Ofen. Wenn Gottesdienst<br />
war, mußte der Mesner Otto<br />
Interview mit Pauline Peetz<br />
immer in der Früh um vier aufstehen,<br />
den Koks hinaufschleppen und<br />
einheizen. Im Herbst, wenn draußen<br />
Nebel war, staute sich das Kohlendioxyd<br />
oft und verlagerte sich in<br />
die Kirche. Manchmal gab es auch<br />
Kohlendioxydvergasungen. An einen<br />
Sonntag kann ich mich gut erinnern:<br />
Wir waren noch Kinder.<br />
Während des Gottesdienstes gab es<br />
eine so starke Gasentwicklung, daß<br />
wir alle ohnmächtig wurden. Pfarrer<br />
Braun saß zusammengesackt<br />
vorne auf seinem Stuhl. Ein Krankenauto<br />
mußte bestellt werden. Wir<br />
vier Kinder wurden ins Krankenhaus<br />
eingeliefert.<br />
Frau Stollwerck war an diesem<br />
Sonntag nicht in der Kirche. Als sie<br />
davon erfuhr, war sie so besorgt,<br />
daß sie uns ins Krankenhaus eine<br />
große Schachtel Stollwerck-Pralinen<br />
schicken ließ. Ein anderes Mal<br />
war es eine ganze Hochzeitsgesellschaft,<br />
die ohnmächtig wurde. Alle<br />
mußten deshalb ins Krankenhaus<br />
gebracht werden.<br />
70<br />
An solche Begebenheiten erinnert<br />
man sich natürlich noch nach vielen<br />
Jahren! Hatten Sie damals<br />
eigentlich jeden Sonntag im Mausoleum<br />
Gottesdienst?<br />
Nein, nur alle vierzehn Tage. Die<br />
Gottesdienste waren anfangs ja<br />
noch nachmittags. Ich glaube, um<br />
zwei Uhr. Die Kirche in Bruckmühl<br />
gab es damals ja noch nicht, der<br />
Bruckmühler Gottesdienst fand im<br />
Schulhaus statt. Alle zwei Wochen<br />
kam Pfarrer Braun mit dem Fahrrad<br />
von Bad Aibling nach Hohenfried.<br />
Danach war auch noch Gottesdienst<br />
in Kleinhelfendorf. In der<br />
katholischen St. Emmeramkapelle.<br />
Um vier oder fünf Uhr.<br />
Nun sind Sie auch ganz besonders<br />
durch das Orgelspiel mit dem Stollwerck-Mausoleum<br />
verbunden. Wissen<br />
Sie noch, wer vor Ihnen die<br />
Orgel gespielt hat?<br />
Anfangs kam ein Organist mit der<br />
Eisenbahn aus München. Der Chauffeur<br />
mußte ihn abholen und er verbrachte<br />
dann den ganzen Tag in<br />
Hohenfried. Abends mußte er wieder<br />
zurück zum Bahnhof nach Westerham<br />
gebracht werden.<br />
Als ich 1937 aus Franken wieder<br />
nach Feldkirchen zurückkam und<br />
Frau Stollwerck erfuhr, daß ich dort<br />
das Orgelspiel gelernt hatte, ließ sie<br />
mich zu sich kommen. Sie sagte,<br />
ich sollte kontrolliert werden – sie<br />
hat immer alles unter ihr Kuratel<br />
gestellt und war in allem sehr<br />
Pauline Peetz mit der Helfendorfer<br />
Gemeinde bei einem Ausflug
genau. Ich sollte ihr und ihrem<br />
Besuch in der Kirche vorspielen –<br />
die Familie Stollwerck hatte ja oft<br />
Gäste im Haus. Sie akzeptierte<br />
mein Orgelspiel und legte mir ein<br />
Buch hin – ich habe es heute noch<br />
– „Harmoniumalbum“ heißt es –<br />
und dann mußte ich ihr daraus<br />
vorspielen. Es waren Ausschnitte<br />
aus Opern, aber mir war das ja<br />
egal. Dann sagte sie, daß sie es<br />
ganz gerne hätte, wenn ich noch<br />
weitergebildet würde und Stunden<br />
nähme. Sie würde schauen, ob sie<br />
einen Orgellehrer auftreiben könnte.<br />
Sie fand einen, ich weiß nicht<br />
mehr, wie er hieß. Er kam mit dem<br />
Motorrad aus Bruckmühl oder<br />
vom Irschenberg und holte mich<br />
zu Hause ab. Wir fuhren zur Kirche<br />
– einmal hat es uns geschmissen,<br />
hinten bei der Hecke beim<br />
Mareis. Von da an hatte ich jede<br />
Woche Orgelstunde. Bis zum Tod<br />
von Frau Stollwerck 1943. Ich<br />
mußte die Rechnung an den Lehrer<br />
bezahlen und sie hat mir das<br />
Geld dann zurückgegeben.<br />
Interview mit Pauline Peetz<br />
Und von da an haben Sie dann die<br />
Orgel in Hohenfried gespielt?<br />
Pauline Peetz bei der Feier zu ihrem 80. Geburtstag 2001<br />
Ja, der Organist aus München wurde<br />
abbestellt und ich spielte nun die<br />
Orgel. Nur während des Krieges war<br />
ich eine Zeitlang weg und konnte<br />
an den Sonntagen nicht heimkommen.<br />
In dieser Zeit saß niemand an<br />
der Orgel. Mit einigen Ausnahmen<br />
habe ich dann jeden Gottesdienst<br />
im Mausoleum gespielt.<br />
Gibt es vielleicht noch ein Ereignis,<br />
an das Sie sich besonders erinnern?<br />
Ich kann mich noch gut daran erinnern,<br />
wie sehr ich immer gezittert<br />
habe, wenn Gäste von Frau Stollwerck<br />
aus Wien zu Besuch kamen.<br />
Sie verstanden ja viel von Musik.<br />
Wenn sie mit im Gottesdienst waren,<br />
bestimmte Frau Stollwerck, was<br />
ich nach der Predigt zu spielen<br />
hatte. Oft mußte ich aus dem ”Harmoniumalbum”<br />
Opernausschnitte<br />
spielen. Ich habe mir nichts dabei<br />
gedacht, aber das Gesicht unseres<br />
71<br />
Pfarrers Braun auf seinem herrlichen<br />
holzgeschnitzten Stuhl wurde<br />
immer länger. Wahrscheinlich hatten<br />
die beiden einmal eine Aussprache,<br />
denn danach durfte ich Präludien<br />
als Einlage spielen.<br />
Haben Sie noch andere Erinnerungen<br />
an die Zeit nach 1937, als sie wieder<br />
nach Feldkirchen zurückkamen?<br />
Ach ja, da fällt mir noch etwas ein.<br />
Wir beide, meine Schwester und<br />
ich, durften nicht zum BDM (Bund<br />
Deutscher Mädchen) gehen. Aber<br />
ich habe damals viel mit den Kindern<br />
der Gemeinde zusammen<br />
gemacht. Theaterspielen und vieles<br />
andere. Eines Tages gab es großen<br />
Ärger in Feldkirchen. Die neue Lehrerin,<br />
die gleichzeitig auch BDM-<br />
Führerin war, sollte die Weihnachtsfeier<br />
gestalten. Nach dem neuesten<br />
Stand, wie es im 3. Reich üblich<br />
war. Die Schulkinder sollten alles<br />
für die Feier einüben. Doch eines<br />
Tages kamen die Bauernkinder<br />
nicht mehr zur Probe. Sie sagten:<br />
„Unser Vater hat gesagt, das ist ein<br />
Piffkaas“ – an dieses Wort erinnere<br />
ich mich immer noch. Daraufhin<br />
wurden meine Schwester und ich<br />
gefragt, ob wir nicht die Weihnachtsfeier<br />
gestalten wollten.<br />
Wir führten dann ein richtiges Krippenspiel<br />
auf, mit Engelsreigen. Die<br />
Kinder waren vollauf begeistert und<br />
der Mareissaal war bei der Aufführung<br />
proppenvoll, denn die<br />
ganzen Bauern aus der Umgebung<br />
waren gekommen. In der vordersten<br />
Reihe saßen die SA-Männer in ihren<br />
Uniformen, und alle sangen „Stille<br />
Nacht, heilige Nacht“ und „O du<br />
fröhliche“ mit.
Als Sie ein Kind waren, gab es nur<br />
sehr wenig <strong>Evangelisch</strong>e in Feldkirchen.<br />
Haben Sie im Lauf der Jahre<br />
eine Entwicklung gespürt, ein Anwachsen<br />
der Gemeinde?<br />
In den ersten Jahren nach dem Krieg<br />
kamen ja die Flüchtlinge dazu. In<br />
Glonn, Höhenrain und Baiern hatten<br />
sich einzelne Flüchtlingsfamilien<br />
niedergelassen. Sie suchten eine<br />
evangelische Kirche und kamen<br />
dann nach Hohenfried.<br />
Anfangs zählte wahrscheinlich<br />
hauptsächlich die Stollwerck'sche<br />
Familie und ihre Gäste zu den<br />
Gottesdienstbesuchern?<br />
Ja, aber es kamen immer auch andere<br />
Gemeindemitglieder. Und die<br />
Kaiserswerther Schwestern. Meist<br />
waren um die 15 Schwestern da,<br />
Urlaubsschwestern. Wir Kinder erhielten<br />
jede Woche im Haus Elisabethruhe<br />
von der Oberschwester Religionsunterricht.<br />
In der Schule gab es<br />
natürlich keinen Religionsunterricht.<br />
Nachdem die Flüchtlinge gekommen<br />
waren, wurde es in der<br />
Gemeinde schon lebendiger.<br />
Viele von ihnen<br />
lebten beim Kellerwirt.<br />
Früher war<br />
dort, wo jetzt das<br />
neue Gebäude<br />
steht, eine Gastwirtschaft<br />
und<br />
sie wohnten im<br />
Obergeschoß. Sie<br />
waren sehr kirchlich<br />
und kamen immer zum<br />
Gottesdienst. Danach bauten<br />
sie sich in der Madau ihre Häuser.<br />
Interview mit Pauline Peetz<br />
Gab es denn damals über den Gottesdienst<br />
hinaus auch noch weiteres<br />
Gemeindeleben?<br />
Nein, eigentlich nicht. Nur den Kirchenchor,<br />
den ich geleitet habe.<br />
Wir waren an die 20 Personen und<br />
sehr aktiv. Geprobt haben wir im<br />
Schulzimmer, dort wo jetzt die Raiffeisenkasse<br />
ist. Da war früher das<br />
Schulhaus mit den Klassen 4 bis 7.<br />
Der Chor war die einzige Gelegenheit,<br />
sich außerhalb des Gottesdienstes<br />
zu treffen. Was war mit<br />
den Konfirmanden?<br />
So weit ich mich erinnere, gingen<br />
die Konfirmanden nach Bad Aibling<br />
zum Unterricht und wurden auch<br />
dort eingesegnet. Ich war während<br />
dieser Zeit in Vohenstrauß in einem<br />
Konfirmandenheim. Ich mußte mit<br />
meiner Schwester damals Feldkirchen<br />
verlassen wegen der Partei.<br />
Unsere Mutter wollte nicht, daß wir<br />
zum BDM gehen. Nur zur Konfirmation<br />
kamen wir zurück.<br />
72<br />
Erst als Bruckmühl eine Kirche und<br />
ein Gemeindehaus bekam und<br />
selbständig wurde, hat sich ein eigenständiges<br />
Gemeindeleben entwickelt.<br />
Wir hatte ja vorher keine<br />
Räume. Es gab Weihnachtsfeiern<br />
und natürlich auch einen Chor.<br />
Mehr weiß ich aber über diese Zeit<br />
auch nicht, da ich bis zu meiner<br />
Pensionierung 27 Jahre in München<br />
wohnte. Nur an Sonntagen kam ich<br />
heraus, um die Orgel zu spielen.<br />
Da habe ich dann leider viele Kontakte<br />
hier verloren.<br />
Nach dem Bau der Emmauskirche<br />
hat sich dann in Feldkirchen auch<br />
im Nu ein eigenes Gemeindeleben<br />
entwickelt. Trotzdem bin ich froh,<br />
daß im Stollwerck-Mausoleum auch<br />
heute noch einmal im Monat Gottesdienst<br />
gefeiert wird, da ich dieser<br />
Kirche ja von meiner frühesten<br />
Jugend an verbunden bin.<br />
Vielen Dank für das Gespräch,<br />
Frau Peetz!<br />
Gruppenbild vor dem<br />
Mausoleum, vermutlich<br />
anläßlich einer ”Sommerserenade”<br />
Ende der 70er Jahre<br />
k
kirchweihjubiläen<br />
irchw<br />
1952 und 1977<br />
73
Das folgende Gedicht zum<br />
25jährigen Jubiläum verfaßte<br />
im Jahre 1952 die<br />
Organistin Pauline Peetz:<br />
25-jähriges Jubiläum 1952<br />
Was wohl die Leut so an sich zieht<br />
Zu wandern alle nach Hohenfried,<br />
Aus Dörfern, Städten, vom ganzen Land,<br />
Viel Geistliche auch im Kirchengewand.<br />
Und wenn ich recht sehe, kommt eben an<br />
Im Auto der neue Kreisdekan<br />
Zur Seite von Pfarrer Hermann Braun<br />
Und außerdem viel Männer und Frau’n<br />
Mit ihren Kindern im Festtagskleid.<br />
Da muß doch sein was Besonderes heut?!<br />
Der Blick bleibt haften im weiten Raum<br />
Auf einem Kirchlein am Waldessaum.<br />
Sein Anblick erfreuet Leib und Seel’,<br />
gar schmuck und köstlich wie ein Juwel;<br />
Vor fünfundzwanzig Jahren erbaut,<br />
Es ist heut Silberne Gottesbraut!<br />
Die Bäume am grünen Waldessaum,<br />
Die haben ihm leis erzählt im Traum,<br />
Wer damals seinen Grund gelegt,<br />
Sein Herz davon war ganz bewegt.<br />
Es will erzählen nun kurz und schlicht<br />
Heut seine erlauschte Lebensgeschicht:<br />
„Kein Kirchlein stand damals an diesem Ort,<br />
Doch trug Verlangen nach Gottes Wort<br />
Das Völklein ringsum, im ganzen Gau<br />
Nach einem eigenen Kirchenbau.<br />
Nur alle vier Wochen, jahrein, jahraus,<br />
versammelte man sich in einem Haus<br />
Im nahen Feldkirchen zur Bibelstund’.<br />
Da war eine Dame mit im Bund,<br />
An ird’schen und ewigen Gütern reich<br />
Die hat gefaßt den Plan sogleich,<br />
74<br />
Vorder- und Innenseiten des<br />
Festgedichts von 1952
Zu stiften ein Kirchlein zu Gottes Ehr’<br />
Am Waldesrand frei hoch und her,<br />
In das romantische Hohenfried,<br />
Wo heute Alt und Jung hinzieht.<br />
Frau Konsul Stollwerck, daß Ihr’s wißt,<br />
Meine hochherzige Patin ist!<br />
Auch von dem Häuslein nebenan,<br />
Da wohnt Herr Otto, der würdige Mann,<br />
Gedicht Peetz<br />
75<br />
Der viel gelitten hat im Krieg,<br />
Auch er den Weg zum Kirchlein stieg,<br />
Versieht den Mesnerdienst fürwahr<br />
Darin auch fünfundzwanzig Jahr.<br />
So feiern wir heut ein Doppelfest.“<br />
Es neigen voll Ehrfurcht im Wald die Äst’<br />
Und raunen: Gott segne Gottes Wort<br />
Und die es treiben an diesem Ort:<br />
Den Mesner, die Stifter, die ganze Gemein’!<br />
Erhalte Sein Wort uns lauter und rein!
Die hier abgedruckte Festpredigt<br />
hielt Oberkirchenrat<br />
Arnold Schabert, Kreisdekan<br />
(heute: „Regionalbischof“)<br />
des Kirchenkreises München-Oberbayern,<br />
zum 25-jährigen Jubiläum<br />
des Stollwerck-Mausoleums Hohenfried<br />
am 17. August 1952.<br />
Gott zum Gruß und den Herrn Christus<br />
zum Trost, liebe Gemeinde! Ich<br />
bin dankbar, daß ich Dich in dieser<br />
Stunde zum erstenmal in meinem<br />
neuen Amt grüßen darf. Zwar sind<br />
Christenmenschen ja einander niemals<br />
fremd: Als die Unbekannten<br />
sind sie doch einander bekannt und<br />
miteinander verbunden und dürfen<br />
füreinander im Gebet einstehen.<br />
Aber es ist doch eine besondere<br />
Gnade Gottes, wenn wir auch einander<br />
von Angesicht schauen dürfen,<br />
einander begegnen und einander<br />
besuchen.<br />
Von einem solchen gegenseitigen<br />
Besuchen sagt einmal der Apostel<br />
Paulus: „Es verlangt mich danach,<br />
Euch zu sehen, auf daß wir durch<br />
unseren und Eueren Glauben getröstet<br />
werden.“ – Und daß auch<br />
unsere Begegnung, liebe Gemeinde,<br />
so oft sie geschehen darf, immer<br />
wieder zu diesem Trost ausschlagen<br />
darf, das gebe Gott in Gnaden!<br />
Und nun sind wir heute hier versammelt,<br />
um das 25-jährige Bestehen<br />
dieses Gotteshauses miteinander<br />
zu begehen. Es ist also Dein Kirchweihtag,<br />
liebe Gemeinde. Ich glaube,<br />
in heutiger Zeit fällt es weiter<br />
nicht auf, wenn Menschen Jubiläen<br />
feiern. In der Welt draußen werden<br />
immer öfter, in kürzeren Abschnitten,<br />
irgendwelche Jubiläen gefeiert.<br />
25-jähriges Jubiläum 1952<br />
Warum ist das so? –<br />
Ich glaube, es hat<br />
einen ganz tiefen<br />
Grund. Der heutige<br />
Mensch weiß, daß<br />
er wenig Zeit hat.<br />
Er ahnt, daß sein<br />
Weg an Abgründen<br />
entlang geht,<br />
und darum ist es<br />
ihm immer wieder<br />
ein Bedürfnis, gleichsam<br />
vor sich selbst<br />
und anderen zu bestätigen,<br />
daß er noch da ist<br />
und seine Werke noch stehen.<br />
Aber dürfen wir darum auch in der<br />
Kirche Jubiläen feiern, wir Christen,<br />
die wir doch wissen sollten,<br />
daß wir nicht aus dem zu leben<br />
brauchen, was in und vor der Zeit<br />
ist? Und weiter: Wir begehen heute<br />
das Jubiläum, den Gedenktag eines<br />
Gotteshauses, also doch eines Hauses.<br />
Wo ist der Grund für diese Feier<br />
in der Heiligen Schrift? Hat sie<br />
überhaupt einen Grund, oder sind<br />
unsere Kirchweihfeiern ein frommer<br />
Brauch, der doch irgendwie von<br />
nebenher in unser kirchliches Leben<br />
Eingang gefunden hat? Gehören<br />
unsere Kirchweihfeiern etwa<br />
auch zu der Welt der Samariterin,<br />
die sich darüber Gedanken machte,<br />
ob es nun richtiger wäre, auf dem<br />
Berg Garizim oder dem Berg Zion<br />
Gott anzubeten, also eine Welt, die<br />
durch den Herrn Christus für uns<br />
überwunden ist? – Wir wollen uns<br />
heute dieser Frage stellen, ihr nicht<br />
aus dem Wege gehen – unser Gedenktag<br />
im Licht und Gericht des<br />
Evangeliums!<br />
Das erste, was wir alle wissen, was<br />
76<br />
wir uns aber auch<br />
heute wieder sagen<br />
lassen wollen, damit<br />
kein falscher,<br />
kein zu sicherer<br />
Ton in diese Feier<br />
eindringt: unsereGotteshäuser<br />
gehören in<br />
diese Welt und<br />
sind ein Stück<br />
dieser Welt. Das<br />
Heiligtum auf dem<br />
Garizim war schon<br />
zerstört, als der Herr<br />
Christus mit der Samariterin<br />
am Jakobsbrunnen sprach. Und das<br />
Heiligtum auf dem Zion wurde bald<br />
Oberkirchenrat Arnold Schabert stammte<br />
aus dem Baltikum und war neun Jahre<br />
lang, von Mai 1952 bis zu seinem Tod<br />
am 31. August 1961 Kreisdekan des Kirchenkreises<br />
München-Oberbayern. Unter<br />
anderem weihte er am 10. Oktober<br />
1954 auch die Bruckmühler Johanneskirche<br />
ein und ordinierte am 14. Februar<br />
1960 den exponierten Vikar und<br />
dann langjährigen Bruckmühler Pfarrer<br />
Willi Wendler.<br />
darauf zerstört. Und heute, am 10.<br />
Sonntag nach Trinitatis, gedenkt die<br />
christliche Gemeinde allenthalben<br />
der Zerstörung Jerusalems.<br />
Sollte man das unserem Geschlecht<br />
noch besonders in Erinnerung<br />
rufen müssen, daß auch unsere<br />
Kirchen in der Zeit sind und ihre<br />
Zeit haben, uns, die wir Dome<br />
haben in Schutt und Asche sinken<br />
sehen, die wir mit der Heimat auch<br />
die Kirchen unserer Väter haben<br />
verlassen müssen, die wir Zeugen<br />
geworden sind, daß menschliche
Macht und Willkür aus Kirchen<br />
Museen zu machen vermag und sie<br />
noch profaneren Zwecken zuzuführen<br />
vermag.<br />
Aber es ist gut, daß wir uns daran<br />
erinnern. Wenn die Not kommt und<br />
der Tod, wenn die Macht dieser<br />
gottlosen Welt über uns hereinbricht,<br />
dann können uns auch unsere<br />
Kirchen nicht bergen. Auch unsere<br />
Kirchen vergehen.<br />
Aber eines bleibt: der Gottesdienst<br />
der anbetenden Gemeinde. Das<br />
Heiligtum auf dem Garizim und auf<br />
dem Zion sind zerstört und haben<br />
doch nur Platz machen müssen der<br />
Schar, die Gott im Geist und in der<br />
Wahrheit anbetet. Und die christliche<br />
Gemeinde geht über die Trümmer<br />
ihrer Gotteshäuser hinweg, und<br />
ihre Spitze steht schon im oberen<br />
Heiligtum, wo sie Gott ohne Aufhören<br />
lobt und preist und anbetet.<br />
Das ist ja überhaupt die Vollendung<br />
des Werkes Christi: zu diesem Ziel<br />
zu führen, ist er gekommen, dafür<br />
ist er gestorben, darum ist er auferstanden.<br />
Die anbetende Schar, die<br />
Gemeinde, die Gott im Geist und in<br />
der Wahrheit anbetet!<br />
Festpredigt OKR Schabert<br />
Das sagt er ja in unserem Wort:<br />
„Weib, glaube mir, es kommt die<br />
Zeit, daß ihr weder hier noch in Jerusalem<br />
anbeten werdet; es kommt<br />
die Zeit und ist schon da, da die<br />
wahrhaftigen Anbeter werden den<br />
Vater anbeten im Geist und in der<br />
Wahrheit.“ – Anbetende Gemeinde!<br />
Anbetung! Verstehen wir überhaupt,<br />
was das heißt? Gehört das<br />
überhaupt noch in unser Leben hinein?<br />
Oder ist es am Ende ein Fündlein<br />
wirklichkeitsfremder Theologen?<br />
Eins ist gewiß: der Herr Christus<br />
spricht von Anbetung. Und die<br />
ganze Heilige Schrift Alten und<br />
Neuen Testaments spricht immer<br />
wieder davon. Und wenn wir unser<br />
Gesangbuch aufschlagen und es aufmerksam<br />
lesen, dann schaut uns daraus<br />
entgegen der Chor der anbetenden<br />
Väter, der anbetenden Kirche.<br />
Was heißt anbeten? – Ursprünglich<br />
bedeutet das Wort so viel wie<br />
„niederfallen“, „huldigen“, das<br />
Sich-selbst-Ergeben des Vasallen, in<br />
die Hände dessen, dem er huldigt.<br />
Der Anbetende spricht zu Gott:<br />
Dein sei die Herrschaft und die<br />
Kraft und die Herrlichkeit – nicht<br />
mein! Daß ich Dir<br />
gehören darf, daß<br />
ich mit all dem, was<br />
ich bin und habe, für<br />
Dich sein darf, und<br />
mit all dem Dich<br />
loben und preisen<br />
darf, das ist die<br />
ganze Seligkeit meines<br />
Lebens!<br />
77<br />
Es mag wahr sein: Der heutige<br />
Mensch weiß nicht mehr, was Anbetung<br />
heißt. Er weiß es auch nicht<br />
in seiner Frömmigkeit und Christlichkeit.<br />
Aber ist nicht gerade darum<br />
der heutige Mensch ein so rastloser<br />
Mensch, ein so umherirrender<br />
Mensch, weil er um das Anbeten<br />
nicht mehr weiß? Und spüren es wir<br />
nicht alle: Wenn wir wirklich anbeten<br />
könnten, dann wären wir wirklich<br />
nach Hause gekommen. Es ist<br />
kein Zufall, daß die Heilige Schrift<br />
die Schar derer, die nach Hause<br />
gekommen sind, in der Offenbarung<br />
Johannis als die anbetende<br />
Schar vor Augen stellt.<br />
Aber nun – wir können nicht mehr<br />
anbeten, wenn wir uns auch noch<br />
so sehr danach sehnen, wir können<br />
es nicht erreichen, wir kommen von<br />
der Fessel nicht los, mit der wir an<br />
uns selbst geschmiedet sind. Wir<br />
können über unseren eigenen<br />
Schatten nicht hinwegspringen. Jeder<br />
der das Wort Gottes ernst<br />
nimmt, der kommt zu dieser erschreckenden<br />
Erkenntnis, daß wir<br />
es auch in all dem, was wir unsere<br />
Frömmigkeit und unser Gebet nennen,<br />
immer wieder mit uns selbst zu<br />
tun haben, unser Glück, unser<br />
Wohlergehen, unser Heil meinen.<br />
Kennt ihr die Not? – Nun alle, die<br />
Ihr diese Not kennt, hört das selige<br />
Evangelium. Jesus sagt: „Denn der<br />
Vater sucht, die ihn also (im Geist<br />
und in der Wahrheit) anbeten.“ –<br />
Eigentlich heißt es: Der Vater selbst<br />
sucht solche, der Vater selbst verlangt<br />
nach solchen.<br />
Kirchenzug anläßlich der Ordination von Pfarrer Willi Wendler<br />
(vorne rechts) 1960, Oberkirchenrat Schabert hinten links
Du meinst vielleicht in jenen seltenen<br />
Stunden Deines Lebens, Dich<br />
verlangt es anzubeten. Aber es ist<br />
umgekehrt: den Vater verlangt nach<br />
Dir und nach mir; den Vater verlangt<br />
nach dem Kinde, das vor ihm<br />
sein Herz ausschüttet und in seiner<br />
Seligkeit bekennen darf: Alles für<br />
Dich, Vater, nichts für mich! Der<br />
Vater sucht, den Vater verlangt. Verlangt<br />
ihn wirklich auch nach uns?<br />
Nun, liebe Gemeinde, um auf diese<br />
Frage Antwort zu finden, schaut auf<br />
den Herrn Jesus Christus. Dieses<br />
Suchen des Vaters nach solchen, die<br />
ihn im Geist und in der Wahrheit<br />
anbeten, das ist ja der Herr Christus<br />
selbst. Ihm ging es darum. Und dem<br />
Vater war sein lieber Sohn nicht zu<br />
teuer, um auf dieser Erde die Gemeinde<br />
zu suchen und zu finden,<br />
die ihn im Geist und in der Wahrheit<br />
anbetet.<br />
Laßt uns an die Krippe gehen und es<br />
uns da sagen lassen: ”Euch ist heut’<br />
der Heiland geboren!” – Laßt uns<br />
zum Kreuz ziehen und uns dort einschließen<br />
lassen in den Siegesruf:<br />
”Es ist vollbracht!” – Laßt uns zum<br />
Grab hinausziehen und uns sagen<br />
lassen: „Was sucht Ihr den Lebendigen<br />
bei den Toten? Er ist nicht hier,<br />
er ist auferstanden!“<br />
Das alles wird uns überhaupt nur<br />
darum gesagt, weil Gott auch uns in<br />
jener Schar sehen will, die ihn im<br />
Geist und in der Wahrheit anbetet.<br />
Jeder Gottesdienst, den wir feiern,<br />
der auch in dieser Kirche gehalten<br />
wird, hat von Gott her nur dieses<br />
eine Ziel: Gott ist mit uns zum Ziel<br />
gekommen, wenn wir nach dem<br />
gehörten Wort und dem empfan-<br />
25-jähriges Jubiläum 1952<br />
genen Sakrament nur noch eins tun<br />
können: anbeten. Gott sucht: Dich<br />
und mich. Und mögen wir unser<br />
ganzes Leben umsonst gesucht<br />
haben – der Vater sucht immer<br />
noch, auch Dich.<br />
Und so, wie dieses Suchen kein<br />
anderer ist als der Herr Christus<br />
selbst, so ist auch das, was da vom<br />
Geist und von der Wahrheit gesagt<br />
ist, begründet nur in ihm selbst.<br />
Glaube nur nicht, daß Dein Geist<br />
gemeint ist. Wenn wir mit unserem<br />
Und wer sich als Sünder vor ihm,<br />
dem Sünderheiland, beugt, der<br />
steht in der Wahrheit. Und wer vor<br />
ihm nichts anderes zu bekennen<br />
vermag als seine ganze geistliche<br />
Armut, den preist er selig: „Selig<br />
sind die geistlich Armen, denn das<br />
Himmelreich ist ihr.“<br />
Und seht, so steht Gott der Herr<br />
selbst mit vollen Händen vor uns.<br />
Der Vater selbst sucht solche, die<br />
ihn im Geist und in der Wahrheit<br />
anbeten. Das ist das Evangelium<br />
auch für einen jeden einzelnen von<br />
Auferstehungsfresko von (Professor?) Hermann Neuhaus<br />
Geist Gott anbeten, dann beten wir<br />
letztlich doch nur uns selbst an, und<br />
wenn wir noch so sehr auf unsere<br />
Geistigkeit stolz sind. Und mit<br />
unseren menschlichen Wahrheiten<br />
über Gott kommen wir aus dem<br />
Kreis unserer menschlichen Gottesvorstellungen<br />
nie hinaus. Aber<br />
sieh, auch Geist und Wahrheit sind<br />
Geschenk dieses Christus. Er hat<br />
gesagt: „Ich bin die Wahrheit.“<br />
78<br />
uns. Gott hat die Tore weit aufgetan.<br />
Er sehnt sich danach, daß auch wir<br />
zu diesen seinen Kindern gehören<br />
dürfen, die ihn im Geist und in der<br />
Wahrheit anbeten.<br />
Aber nun fragt Ihr wohl schon lange<br />
Zeit: Was hat all das, was wir eben<br />
gehört haben, mit diesem Kirchlein<br />
da zu tun? Steht das in einer Verbindung<br />
damit? – Ich glaube, es hat
sehr viel damit zu tun. Denn erst,<br />
wenn unser geistiges Auge diese<br />
Schar gesehen hat, die Gott im<br />
Geist und in der Wahrheit anbetet,<br />
verstehen wir, was uns in unsern<br />
Gotteshäusern, an unsern Kirchen<br />
nicht gegeben ist und was uns an<br />
ihnen wohl gegeben ist. „Es kommt<br />
die Zeit, daß Ihr weder hier noch in<br />
Jerusalem anbeten werdet.“ – Dies<br />
Wort gilt bis ans Ende der Tage.<br />
Was heißt das? – Das bedeutet,<br />
daß unsere Kirchen und Gotteshäuser<br />
nicht heilige Stätten an sich<br />
selber wären, nicht heilige Bezirke,<br />
in die wir aus einer gottlosen Welt<br />
entfliehen könnten. Danach geht ja<br />
unsere menschliche Sehnsucht,<br />
nach dem heiligen Ort, nach dem<br />
heiligen Bezirk, nach dem frommen<br />
Brauch. Und je bänger den<br />
Menschen draußen in der Welt<br />
wird, desto größer wird die Sehnsucht<br />
nach diesen heiligen, frommen<br />
Bräuchen, Liturgien und Melodien.<br />
Es imponiert uns die Institution,<br />
die mit dem Anspruch des Unbedingten<br />
und Heiligen uns gegenüber<br />
tritt. Aber uns evangelischen<br />
Christen ist dieser Ausweg versperrt,<br />
und Gott würde es an uns richten,<br />
wenn wir danach trachten.<br />
Und doch gibt es ein Heiliges, ein<br />
Geheiligtes neben Gott. Nicht daß<br />
Gott das nur duldet, sondern er<br />
selbst hat es so gewollt und geschaffen:<br />
das ist die Gemeinde der Heiligen,<br />
die wir Sonntag für Sonntag<br />
bekennen; das ist der Tempel, der<br />
aus lebendigen Menschen erbaut<br />
ist, die Behausung Gottes im Geist.<br />
Und nun etwas ganz Entscheidendes:<br />
diese Gemeinde der Heiligen<br />
ist nicht eine unsichtbare Schar<br />
Festpredigt OKR Schabert<br />
frommer Seelen, sondern diese<br />
Gemeinde, die will in dieser Welt<br />
immer neu Gestalt gewinnen. Es<br />
gehört einfach zu ihrem Wesen, daß<br />
sie mit dem leiblichen Ohr das verkündigte<br />
Wort hört und daß sie das<br />
gespendete Sakrament leiblich genießt.<br />
Es gehört zu ihrem Wesen,<br />
daß sie sich versammelt, um gemeinsam<br />
Herzen und Hände zu Gott<br />
emporzuheben, um gemeinsam Gott<br />
in ihren Liedern zu preisen.<br />
Darum wird die Kirche Jesu Christi,<br />
die Gemeinde Jesu, in dieser Welt<br />
auch immer Kirchen bauen. Das ist<br />
nicht eine Fehlentwicklung der<br />
Christenheit, sondern es gehört zum<br />
Wesen dieser Gemeinde, derer, die<br />
Gott im Geist und in der Wahrheit<br />
anbeten. Sie will Gestalt gewinnen<br />
in dieser Welt.<br />
Nur keine falsche Geistigkeit! Du<br />
kannst gar nicht in Deiner Einsamkeit<br />
oder irgendwo draußen im<br />
Wald oder im Gebirge Gott im<br />
Geist und in der Wahrheit anbeten,<br />
wenn Du ihn nicht hier anbetest in<br />
der Gemeinde, die sich an einem<br />
sicheren Ort dieser Welt um das<br />
Wort und das Sakrament schart.<br />
Gewiß, dieser Ort können auch Katakomben<br />
oder Keller sein. Wenn Gott<br />
das wieder will, wird er seiner Gemeinde<br />
auch Kraft dazu geben. Wir<br />
dürfen Gott danken, daß es noch<br />
nicht soweit ist. Und darum, liebe<br />
Gemeinde, darfst Du Deinem Gott<br />
auf den Knien danken, daß Du Dieses<br />
Gotteshaus hast, wo Du dich darstellen<br />
darfst, wo Du sichtbar werden<br />
darfst als Gemeinde des Herrn.<br />
Nun haben wir heute uns klar zu<br />
machen versucht, wie dieser heuti-<br />
79<br />
ge Tag im Gericht und im Licht des<br />
Evangeliums aussieht. Auch unsere<br />
Kirchen sind von dieser Zeit. Aber<br />
die anbetende Gemeinde schreitet<br />
über ihre Kirchen, die ja auch wieder<br />
im Schutt vergehen, weg und<br />
bleibt vor Gott.<br />
Unsere Kirchen sind nicht die heiligen<br />
Bezirke, die uns bergen und<br />
decken können. Aber sie sind da,<br />
weil die Gemeinde Jesu Christi, die<br />
Gott im Geist und in der Wahrheit<br />
anbetet, Gestalt haben will. Auch<br />
dieses Gotteshaus gehört zur Gestaltwerdung<br />
der Gemeinde.<br />
Gewiß, unsere Kirchen sind etwas<br />
Vorläufiges. In der kommenden<br />
Welt wird es keine Kirchen geben.<br />
Aber, liebe Gemeinde, laßt uns ja<br />
nur das Vorläufige ernst nehmen.<br />
Denn wo das Vorläufige nicht ernst<br />
genommen wird, da besteht die<br />
Gefahr, daß wir das Endgültige versäumen.<br />
Es gibt in dieser Zeit keine andere<br />
Lebensform der Gemeinde, als die,<br />
die sich sichtbar versammelt um<br />
Wort und Sakrament zum Lob Gottes.<br />
In der andern Welt, da werden<br />
wir Gott loben und danken und<br />
anbeten von Angesicht zu Angesicht.<br />
Damit wir aber dessen einmal<br />
gewürdigt werden, laßt uns festhalten<br />
an unseren Versammlungen und<br />
sie nicht verlassen! – Amen.
Den folgenden Reisebericht<br />
verfaßte ein Pastor von<br />
Lüttichau aus Kaiserswerth.<br />
Das dortige Diakoniewerk<br />
war durch das in der Nähe des<br />
Mausoleums liegende Erholungsheim<br />
„Elisabethruhe“ eng mit<br />
Hohenfried verbunden. Anfang der<br />
70er Jahre gab das Diakoniewerk<br />
das Heim auf. Der Bericht ist so<br />
interessant, daß wir uns entschlossen<br />
haben, auch ihn in dieser Festschrift<br />
abzudrucken.<br />
Feier aus Anlaß des 25-jährigen<br />
Bestehens des evangelischen Kirchleins<br />
in Feldkirchen-Hohenfried am<br />
10. Sonntag nach Trinitatis am 17.<br />
August 1952:<br />
Nach anhaltender Dürre, die weithin<br />
in Süddeutschland, ganz besonders<br />
in Niederbayern, aber auch<br />
hier in den oberbayrischen Bergen<br />
zu einer Katastrophe werden wollte<br />
– in vielen Gegenden füttert man<br />
schon geraume Zeit aus den Silos,<br />
die Kartoffeln gedeihen nicht, es<br />
fehlt sogar an Wasser zur Wässerung<br />
des Gemüses – entluden sich<br />
vorgestern schwere Gewitter mit<br />
unheimlichem Krachen, und es<br />
schüttete förmlich vom Himmel.<br />
25-jähriges Jubiläum 1952<br />
Als ich am Freitagabend in Holzkirchen<br />
auf Abfahrt nach Westerham<br />
wartete, flutete das ersehnte<br />
Wasser in reißenden Bächen durch<br />
die Unterführungen, durch märchenhafte<br />
Blitze grell erleuchtet.<br />
Den ganzen Tag war es drückend<br />
heiß. In Feldkirchen zeigte das Thermometer<br />
40 Grad im Schatten.<br />
Der Fahrer, der mich um 21.45 Uhr<br />
in Westerham abholte und nach Hohenfried<br />
brachte, erzählte ganz ergreifende<br />
Einzelheiten. Die Gäste der<br />
„Elisabethruhe“ lagen im Schlummer,<br />
als ich von Schwester Adelheid<br />
und Schwester Amalie empfangen<br />
wurde, und wir gemeinsam die bestellte<br />
Ware für den Haushalt durch<br />
den Regen ins Haus brachten.<br />
Ich bezog nach einem Imbiß im<br />
Schwesternzimmer das sogenannte<br />
Aussichtszimmer, eine Treppe hoch<br />
neben dem Zimmer der Hausmutter.<br />
Der 3. Tag geht zu Ende, ohne<br />
daß man die Berge sah. Heute hat<br />
es den Anschein, als ob die Fernsicht<br />
frei würde. Die ganze Nacht<br />
von Freitag zum Samstag regnete es,<br />
eine unbeschreibliche Wohltat. Die<br />
drückende Hitze wich langsam,<br />
noch nicht gleich in den Räumen,<br />
aber draußen im<br />
Wald und auf der<br />
Flur, und belastete<br />
nicht mehr die<br />
Jubelfeier.<br />
Der Samstag, 16.<br />
August, diente den<br />
80<br />
letzten Vorbereitungen. Die „Elisabethruhe“<br />
erwartete Gäste. Da die<br />
Kapelle auf einer bewaldeten Höhe<br />
ganz einsam liegt, gerade so aber<br />
Mittelpunkt für ein weites Diasporagebiet<br />
ringsum, ist es kaum anders<br />
möglich, als daß unser Heim für die<br />
amtierenden geistlichen Herren<br />
vorher und häufig auch nachher<br />
zum Ruhen oder zur Stärkung zur<br />
Verfügung steht.<br />
Die Gottesdienste sind hier immer<br />
erst um 14 Uhr, weil der Prediger<br />
dann bereits an anderen Orten<br />
gedient hat. Häufig zieht er danach<br />
zu einem dritten Gottesdienst weiter.<br />
Ohne Wagen ist das nicht zu<br />
schaffen. So kam es, daß die „Elisabethruhe“<br />
in gewisser Weise kirchlicher<br />
Mittelpunkt dieser Gegend des<br />
Dekanates ist. Es haben hier schon<br />
kleinere Konvente und Konferenzen<br />
stattgefunden, und die Schwestern<br />
dürfen häufig zu Tische dienen,<br />
natürlich gegen Bezahlung.<br />
Gestern aber war unser Mutterhaus<br />
Gastgeber, ich durfte mit Psalm und<br />
Gebet dienen, als ob es im Speisesaal<br />
und Kaiserswerth gewesen<br />
wäre, und die Büchse nahm einen<br />
guten Sonntagsgroschen ein. Es ist<br />
auch selbstverständlich, daß unser<br />
Heim sehr beiträgt zu der Besucherzahl<br />
des Gottesdienstes. Zwei<br />
Bänke tragen schön geschnitzt die<br />
Worte „Kaiserswerth“.<br />
Die „Elisabethruhe“ ist innen und<br />
außen geschmückt mit herrlichen<br />
Die „Elisabethruhe“, hier die Innenräume, ursprünglich unter dem Namen<br />
„Wotansrast“ das Domizil eines Kunstmalers, diente nicht nur den (Diakonissen<br />
(= Schwestern) des Kaiserswerther Diakoniewerkes, sondern<br />
auch vielen bayerischen Pfarrern von 1931 bis 1972 als Erholungsheim.
Reisebericht, Pastor von Lüttichau<br />
Blumen. Auch die Rosen blühen<br />
noch und nun schon leuchtende<br />
Herbstblumen. Schwester Adelheid<br />
hatte zu tun, um nicht nur alles im<br />
Haus festlich zu schmücken, sondern<br />
auch für die Kapelle zu sorgen.<br />
Den Sonntagmorgen verbrachte ein<br />
jeder still auf seiner Kammer oder in<br />
dem duftenden Wald. Die Tischgäste<br />
trafen pünktlich ein, der neue<br />
Kreisdekan, Oberkirchenrat Schabert<br />
aus München, ein Balte aus<br />
Riga, der hier zuständige Dekan,<br />
Kirchenrat von Ammon, der Kurator<br />
der Stollwerck-Stiftung, ein katholischer<br />
Rechtsanwalt aus München,<br />
Dr. Eisenberger, und unser Pfarrer<br />
Braun, der ja nun schon lange der<br />
unsrige ist, ein treuer Berater und<br />
Seelsorger der Schwestern, mit seiner<br />
Frau und seinen beiden Söhnen.<br />
Alle drei Herren hatten ihre Wagen,<br />
so daß wir hernach alle zur Kirche<br />
fahren konnten.<br />
Um 12 wurde gegessen – an schön<br />
geschmückter Tafel. Schwester Amalie<br />
blieb in der Küche, aber die alte<br />
Mutter Anna Lausch, Diakonisse<br />
aus Bethanien-Breslau, und die<br />
Hausmutter mit ihren „Kindern“,<br />
Bruckmühler Frauenkreis zu Besuch in der „Elisabethruhe“<br />
in den 60er Jahren<br />
zur Zeit sechs Sareptaschwestern,<br />
zwei Wiesbadener und ein Fräulein<br />
Roschmann aus Stuttgart, Sekretärin<br />
der Baseler Mission, aßen mit unseren<br />
Gästen. Nach dem Essen gab es<br />
auf unserer Veranda noch eine Tasse<br />
Kaffee und Zigarren.<br />
Pünktlich um 13.45 Uhr war alles<br />
unten – die kleine Waldkuppe mit<br />
dem Kirchlein liegt vom Heim aus<br />
gesehen im Tal. Ein kleiner Wagenpark<br />
sammelte sich, Wagen und Motorräder,<br />
beim Mesnerhäuschen, in<br />
dem nun volle 25 Jahre Herr Otto,<br />
Kriegsinvalide aus dem ersten Krieg,<br />
und seine Frau wohnen, unermüdlich<br />
besorgt um das Stollwerck’sche<br />
Erbe und die<br />
Zurüstung der<br />
Feiern und<br />
Gottesdienste.<br />
81<br />
Das Mesnerhäuschen<br />
war<br />
durch die Stiftung<br />
aus Anlaß<br />
des Jubiläums<br />
wunder-<br />
Die einstige ”Elisabethruhe” im Winter 2001<br />
hübsch zugerichtet.<br />
Dort legten wir<br />
Pfarrer die Talare an.<br />
Es kam noch hinzu<br />
ein Pfarrer Dimmling<br />
aus Großkarolinenfeld<br />
bei Rosenheim,<br />
der Muttergemeinde,<br />
auch<br />
er ein treuer Freund<br />
unseres Hauses, der<br />
als Kreisbeauftragter<br />
des <strong>Evangelisch</strong>en<br />
Hilfswerkes<br />
auch die „Elisabethruhe“, etwa bei<br />
Eier- oder anderen Sammlungen,<br />
nicht vergißt. Als die Glocke zu läuten<br />
anfing, setzte sich der Zug in<br />
Bewegung, zwei Knaben der Gemeinde<br />
Feldkirchen mit einem Kreuz<br />
voran, dann die Pastoren, Schwester<br />
Amalie mit unserem Kranz und alle<br />
Diakonissen.<br />
Das Kirchlein reichte nicht aus für<br />
die Schar der Besucher. In weiser<br />
Voraussicht hatte man darum den<br />
breiten schönen Vorplatz mit Bänken<br />
und Stühlen versehen. Durch<br />
Gottes Güte regnete es nicht. In der<br />
Nacht hatte es schon einmal ordentlich<br />
geschüttet.<br />
Als sich der Zug in Bewegung setzte,<br />
gab es noch einmal ein paar<br />
Tropfen, als ob Gott uns daran erinnern<br />
wollte, daß wir von seiner<br />
Gnade abhängig sind. Danach blieb<br />
es völlig trocken bis in die Nacht<br />
hinein, wo es bis zum Montagmorgen<br />
noch einmal ordentlich regnete.<br />
Für die Schar derer – mehr<br />
als die Hälfte aller Besucher –
die draußen bleiben<br />
mußte, war eine<br />
kleine Lautsprecheranlagegeschaffen<br />
worden.<br />
An der Orgel,<br />
auf der Empore<br />
über dem Eingang,<br />
setzte Fräulein<br />
Peetz tapfer<br />
ein, die Frau Stollwerck<br />
für das Kirchlein<br />
ausdrücklich ausbilden ließ,<br />
übrigens Pfarrer Brauns erster Täufling<br />
in der Gemeinde. Die kleine<br />
Person machte ihre Sache gut und<br />
leitete auch einen Kirchenchor mit<br />
musikalischem Verständnis und<br />
Geschmack.<br />
Die Gemeinde erhob sich beim Einzug<br />
und verharrte stehend, bis die<br />
Kränze an den Sarkophagen hinter<br />
dem Altar ruhten. Als erster legte Dr.<br />
Eisenberger einen Kranz nieder für<br />
die verstorbene Pflegetochter. Dann<br />
sprach ich ganz kurz für die Elisabethruhe<br />
bzw. das Mutterhaus, endlich<br />
Pfarrer Braun für die Gemeinde.<br />
„Gott ist gegenwärtig“ war das<br />
erste, ein Pflichtchoral das letzte<br />
Lied. Die lutherische Liturgie der<br />
Bayrischen Landeskirche sang Pfarrer<br />
Braun. Oberkirchenrat Schabert<br />
predigte über Joh 4,19-24: Die Anbetung<br />
Gottes im Geist und in der<br />
Wahrheit. Dazwischen sang laut<br />
und dröhnend der Kirchenchor aus<br />
Bad Aibling.<br />
Nach fast anderthalb Stunden verließen<br />
wir das Gotteshaus, wie wir<br />
gekommen waren. Die Wagenbesitzer<br />
nahmen mit, wen sie nur fassen<br />
25-jähriges Jubiläum 1952<br />
Organistin Pauline<br />
Peetz, Aufnahme aus<br />
den frühen 50ern<br />
Dann kam ich dran für Kaiserswerth<br />
und das Mutterhaus. Bei seiner<br />
Begrüßung hatte Pfarrer Braun<br />
gesagt, er könne es einfach nicht in<br />
Worte fassen, was das Erholungsheim<br />
und seine Schwestern für ihn,<br />
die Gemeinde bedeuten, er könne<br />
nie genug dafür danken. Darauf zu<br />
antworten war schwer und doch<br />
wieder leicht. Ich tat es, ohne auch<br />
nur im geringsten eine Garantie für<br />
die Zukunft zu geben, es wurde mir<br />
sehr warm ums Herz.<br />
Dann sang lieb und zart das Chörlein<br />
von Feldkirchen: „Lobet den<br />
Herrn, alle, die ihn ehren“, und<br />
dann geschah etwas was niemand<br />
vergessen wird. Schon die Zeitung<br />
hat im voraus ausgeplaudert, es<br />
werde „eine Ehrung des Mesners<br />
Gustav Otto“ stattfinden, aber es<br />
geschah noch mehr.<br />
Dr. Eisenberger sprach nach einer<br />
warmen Einleitung von Pfarrer
Reisebericht, Pastor von Lüttichau<br />
Braun hatte nicht im geringsten an<br />
sich gedacht bei seiner Zurüstung<br />
auf den Kirchweihtag, der übrigens<br />
der Tag der Kirchweih von Aibling<br />
ist und nun auch von Feldkirchen-<br />
Hohenfried sein soll, weil man ja in<br />
seiner Gemeinde nicht an zwei<br />
Tagen Kirchweih halten kann. Und<br />
nun saß er da buchstäblich wie ein<br />
begossener Pudel.<br />
Zwei große Pakete standen vor Eisenberger.<br />
Das erste erhielt Braun,<br />
das andere Otto. Auf beiden lag ein<br />
Umschlag: eine Badekur für den<br />
Pfarrer, eine gründliche Erholung<br />
für den Mesner. Es herrschte riesiger<br />
Jubel im Saal, denn Pfarrer Braun<br />
sitzt ganz fest in seiner Gemeinde,<br />
der er treu und aufrichtig in aller<br />
Demut die Wahrheit sagt und dies<br />
als helle Freude verkündigt. Das zu<br />
erleben war wunderschön. Danach<br />
kam eine Pause von 20 Minuten, in<br />
denen schier die ganze Gemeinde<br />
den Jubilaren gratulierte.<br />
Dann mußte der<br />
Kreisdekan gehen.<br />
Er hatte um<br />
18 Uhr an einem<br />
anderen Ort<br />
noch eine Ordination.<br />
Die Versammlungerhob<br />
sich und<br />
sang ihm zum<br />
Abschied: „Segne<br />
und behüte<br />
uns durch deine<br />
Güte...“.<br />
Und dann durfte<br />
ich erzählen von<br />
Kaiserswerth,<br />
vom Mutterhaus. Ich plauderte von<br />
Suitbert und seiner Klostergründung,<br />
von Pippin II. und seiner<br />
Gemahlin Plektrudis, von Heinrich<br />
III. und Kaiser Rotbart, von Kaiserswerths<br />
bewegter <strong>Geschichte</strong> und<br />
von der stillen Zeit, nachdem es aus<br />
war mit der Festung und weltlichen<br />
Händeln, von der Zeit, in der Gott<br />
in das stillgewordene Ackerland ein<br />
Senfkörnlein heimlich verbarg, aus<br />
dem ein Baum erwuchs, der seine<br />
Zweige über die Lande breitete.<br />
Vierzig Minuten erzählte ich, die<br />
Versammlung hörte gespannt zu.<br />
Dann schloß Pfarrer Braun mit warmen<br />
Worten für alle, die gekommen<br />
waren. Wir standen auf und sangen:<br />
„Die Gnade unseres Herrn Jesu<br />
Christ“. Viele einzelne kamen auf<br />
mich zu, erkundigten sich nach diesem<br />
und jenem und bestellten<br />
83<br />
Konfirmation in Hohenfried im Jahr 1959, von links nach rechts:<br />
Heinz Günther Bartels, Uwe Ernst Stermula, Günther Georg Faustner,<br />
Vikar (später Pfarrer) Willi Wendler, Rudolf Throll, Johann Throll,<br />
Gabriele Regine Weuster, Udo Heinz Scheuschner<br />
Grüße an ihnen bekannte Schwestern<br />
und an das Mutterhaus.<br />
Durch die kühle Luft ging ich allein<br />
nach Haus. Als ich die Höhe der<br />
„Elisabethruhe“ erstieg, lag das Vorland<br />
der hohen Berge in hellem<br />
Sonnenschein, nur ein schmaler Streifen<br />
mit einem hohen Kirchturm in<br />
der Mitte, dahinter in brauende Nebel<br />
gehüllt die blauen Berge. Kurz darauf<br />
rötete sich der westliche Himmel.<br />
Über dem Vorland senkten sich<br />
tiefe Schatten. Für ein paar Augenblicke<br />
aber flammten die Berge auf<br />
wie glutrote Fackeln, die rasch wieder<br />
erloschen. Der Tag der Einweihung<br />
des kleinen Kirchleins war ein<br />
Tag der Gnade und des Segens.<br />
„Elisabethruhe“, Feldkirchen,<br />
den 18. August 1952<br />
Pastor von Lüttichau<br />
Grabstein von Pfarrer Hermann Braun und seiner Frau Luise, geb. Sperl, auf dem Aiblinger<br />
Friedhof: Hermann Braun starb eineinhalb Jahre nach der hier geschilderten Feier. Auch<br />
die Einweihung der Bruckmühler Johanneskirche zu erleben, war ihm nicht geschenkt.
Am 26. Juni 1977 konnte die<br />
Gemeinde mit einem festlichen<br />
Gottesdienst im<br />
Stollwerck-Mausoleum das 50jährige<br />
Kirchweihjubiläum feiern. Ein<br />
Empfang im Hotel Mareis in Feldkirchen<br />
schloß sich an. Trotz des<br />
schlechten Wetters und der zu<br />
erwartenden Überfüllung hatten<br />
sich Gemeindeglieder und Ehrengäste<br />
in großer Zahl zum Fest eingefunden.<br />
Der hier abgedruckte<br />
Artikel im Oberbayerischen Volksblatt<br />
(Mangfallbote) vom 1. Juli<br />
1977 berichtete einige Tage später<br />
von dem Ereignis:<br />
Festgottesdienst<br />
zum 50.Geburtstag<br />
der Kapelle<br />
Jubiläum des Stollwerk'schen Mausoleums<br />
in Hohenfried trotz strömenden<br />
Regens feierlich begangen.<br />
Die evangelische Kirchengemeinde<br />
Bruckmühl feierte das 50. Jubiläum<br />
des Stollwerk’schen Mausoleums in<br />
Hohenfried. Trotz strömenden Regens<br />
hatten sich viele Festteilnehmer<br />
zum Gottesdienst versammelt,<br />
so daß die im Blumenschmuck<br />
prangende Kapelle bis auf den letzten<br />
Platz besetzt war. Auch auf dem<br />
Vorplatz, der mit der bayerischen<br />
und der Kirchenfahne geschmückt<br />
war, hielten viele Besucher unter<br />
ihrem Regenschirm standhaft aus.<br />
Vor dem Beginn der Veranstaltung<br />
spielte die Vagener Blasmusik Choräle.<br />
Beim Einzug erklang ein Präludium<br />
von Johann Sebastian Bach.<br />
An der Orgel versah treulich, wie<br />
schon seit 40 Jahren, die Organistin,<br />
Frau Pauline Peetz, ihren Dienst.<br />
50-jähriges Jubiläum 1977<br />
Der Vertrauensmann des Kirchenvorstands,<br />
Manfred Sturm, konnte<br />
eine große Anzahl von Ehrengästen<br />
begrüßen; darunter den Landtagsabgeordneten<br />
Heiler, den Vertreter<br />
des Landrats, Erwin Huber, die Bürgermeister<br />
Reitner und Puff, Rektor<br />
Stacheder als Referent für Ökumene<br />
im katholischen Pfarrgemeinderat,<br />
Schwester Ella Raabe, die letzte<br />
Hausmutter des Schwesternerholungsheims<br />
„Elisabethruhe“ zu Hohenfried,<br />
sowie Verwandte der Familie<br />
Stollwerck.<br />
Nach dem Choral: „Lobet den Herren...“<br />
hielt Pfarrer Wendler die<br />
Liturgie. Das Evangelium las Lektor<br />
Wittig. Mit der Bitte des Liedes<br />
„Herr, Jesu Christ, dich zu uns<br />
wend...“, leitete der Gemeindegesang<br />
zur Predigt von Dekan Eugen<br />
Goschenhofer, Rosenheim, über. Er<br />
wies in seiner Auslegung des 84.<br />
Psalms darauf hin, daß das Mausoleum<br />
der Familie Stollwerk keine<br />
Stätte des Totenkults, sondern ein<br />
84<br />
Ort christlicher Hoffnung sei. Dies<br />
bezeuge die von der Stifterfamilie<br />
gewählte Ausstattung: die kostbaren<br />
Glasfenster von Geburt und Tod Jesu<br />
Christi, das Auferstehungsbild in<br />
der Apsis, der erhöhte Herr an der<br />
Empore. Sie alle weisen auf das<br />
Heil Gottes hin.<br />
Nach der Predigt folgte die Triosonate<br />
von Corelli, die von Professor<br />
Michael Höltzel, Christof und Eckhard<br />
Sturm in vollendeter Weise<br />
aufgeführt wurde.<br />
Regenschirme beherrschten das Bild vor dem Kirchlein<br />
Baugeschichte und<br />
Familienschicksal<br />
In seiner Ansprache würdigte Pfarrer<br />
Wendler, der seit 1963 die<br />
Gemeinde in Hohenfried betreut,<br />
das Jubiläum. Im historischen Teil<br />
wies er auf die enge Verknüpfung<br />
von der Baugeschichte des Mausoleums<br />
und dem Schicksalsweg der<br />
Familie des Generalkonsuls Karl<br />
Stollwerk, des Inhabers der bekann-
ten Schokoladenfabrik, hin. Bereits<br />
vor dem Ersten Weltkrieg erwarb sie<br />
das Anwesen „Giglberg“ zu Hohenfried.<br />
Der frühe Tod ihrer Tochter<br />
Carlita gab den Anstoß zum Bau des<br />
Mausoleums. Die enge Verbindung<br />
von Frau Fanny Therese Stollwerk<br />
zur damals kleinen evangelischen<br />
Gemeinde in Feldkirchen bewirkte<br />
die Erweiterung zur Kapelle.<br />
Mit Grußworten wandten sich Ehrengäste<br />
an die Gemeinde, wobei<br />
Landtagsabgeordneter Heiler auf<br />
ein Kindheitserlebnis zurückgriff,<br />
das ihn die <strong>Evangelisch</strong>en als Menschen<br />
und Christen anerkennen<br />
lehrte. Heute, so meinte er, sei an<br />
die Stelle der Ablehnung das Miteinander<br />
getreten.<br />
Bürgermeister Reitner aus Feldkirchen<br />
stellte fest, daß die Aktivitäten<br />
der evangelischen Gemeinde und<br />
die stark gewachsene Zahl der evangelischen<br />
Christen zu einem tragenden<br />
Bestandteil des Gemeindelebens<br />
geworden seien. Er versprach<br />
eine intensivierte Zusammenarbeit<br />
im Sinne der Kirchentagslosung:<br />
„Einer trage des andern Last.“<br />
85<br />
OVB-Artikel<br />
Schwester Ella Raabe überbrachte<br />
die Grüße des Diakoniewerks Kaiserswerth<br />
und erinnerte an die herzliche<br />
Verbindung zur Ortsgemeinde.<br />
Die Grüße von Landesbischof<br />
Dr. Hanselmann und von Kreisdekan<br />
Oberkirchenrat Lanzenstiel gab<br />
Dekan Goschenhofer weiter. Zum<br />
Abschluß verlas Pfarrer Wendler die<br />
Grußworte des Vorsitzenden der<br />
Stiftungsverwaltung, Ministerialrat<br />
Dr. Stümmer, München, vom katholischen<br />
Ortspfarrer Dekan Huber,<br />
Feldkirchen und von evangelischen<br />
Pfarrern der Nachbargemeinden.<br />
Ein weiterer Sologesang von Frau<br />
Schlemmer: „Die güldene Sonne“<br />
von Johann Sebastian Bach leitete<br />
über zum Schluß des Gottesdien-<br />
Empfang der Ehrengäste im Hotel Mareis<br />
stes, den Dekan Eugen Goschenhofer<br />
hielt. Mit dem Choral: „Nun<br />
danket alle Gott“ wurde dieser festliche<br />
Gottesdienst beendet.<br />
Um 17 Uhr versammelte sich<br />
nochmals eine größere Zuhörerschar<br />
zu einem Kirchenkonzert.<br />
Karl Doll, aus Erding, Professor<br />
Michael Höltzel und weitere Instrumentalisten<br />
führten<br />
Werke von Bach,<br />
Mozart, Händel und<br />
anderen auf. Die klanglich-differenzierteInterpretation<br />
war ein musikalisches<br />
Erlebnis und<br />
ein würdiger Abschluß<br />
der Jubiläumsfeier. re<br />
Organistin Pauline Peetz mit<br />
Pfarrer Willi Wendler<br />
beim Festempfang
Erstens kommt es anders und<br />
zweitens, als man denkt:<br />
Vollmundig verkündete das<br />
Münchener Sonntagsblatt im Dezember<br />
1983 in einem Bericht,<br />
nach der Einweihung der neu<br />
gebauten Emmauskirche in Feldkirchen-Westerham<br />
habe das Stollwerck-Mausoleum<br />
Hohenfried wohl<br />
endgültig „ausgedient“.<br />
Davon konnte natürlich gar keine<br />
Rede sein. Zwar entwickelte sich im<br />
neuen Kirchenzentrum am Feldkirchener<br />
Mareisring in kürzester Zeit<br />
ein reges und buntes Gemeindeleben<br />
mit zahlreichen Gruppen und<br />
Kreisen, ja, es herrschte eine regelrechte<br />
„Aufbruchsstimmung“ in den<br />
Sonntagsblatt 1983<br />
neuen Räumen, die viele Menschen,<br />
Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />
anzog. Die (monatlichen)<br />
Gottesdienste in Hohenfried gingen<br />
aber nichtsdestoweniger weiter.<br />
Und daran hat sich bis heute nichts<br />
geändert. Insbesondere für Taufen<br />
und Trauungen wird die Kapelle,<br />
nicht zuletzt wegen ihrer reichen<br />
Ausstattung und der „romantischen“<br />
Lage im Wald immer wieder<br />
gerne gewünscht. Daneben gibt es<br />
wohl so etwas wie einen privaten<br />
„Fanclub“ von Menschen, die sich<br />
diesem Ort ganz besonders verbunden<br />
fühlen und hier nach wie vor<br />
ihre geistliche Heimat sehen.<br />
86<br />
Und wenn wir heute unsere Konfirmanden<br />
und Konfirmandinnen gelegentlich<br />
fragen, welche unserer<br />
drei Kirchen ihnen eigentlich am<br />
besten gefällt, entscheiden sich zu<br />
unserer Überraschung nicht wenige<br />
der 13- oder 14jährigen Jungen und<br />
Mädchen statt für die Johanneskirche<br />
oder die Emmauskirche für<br />
Hohenfried.<br />
Wie man sich doch täuschen kann!<br />
Gott sei Dank!
stollw<br />
firmenportrait<br />
stollwerck ag<br />
87
D<br />
ie Firma Stollwerck war<br />
ein wichtiger Bestandteil<br />
im Leben der Stifter des<br />
Mausoleums Hohenfried. Aus diesem<br />
Grund sind wir der Meinung,<br />
daß in dieser Festschrift eine nähere<br />
Beschreibung des Unternehmens<br />
Stollwerck nicht fehlen darf.<br />
Unser Dank gilt der Stollwerck AG,<br />
Köln, die uns freundlicherweise das<br />
folgende Bild- und Textmaterial zur<br />
Verfügung gestellt hat.<br />
1839 Franz Stollwerck eröffnet in<br />
Köln sein erstes Werk, in dem er<br />
Hustenbonbons produziert. Sie<br />
machen ihn sowohl berühmt als<br />
auch wohlhabend.<br />
1860 Die Produktion wird erweitert<br />
und umfaßt jetzt auch Schokolade,<br />
Marzipan und Pralinen.<br />
1876 Nach dem Tod von Franz<br />
Stollwerck gründen seine fünf<br />
Söhne "Gebrüder Stollwerck" und<br />
vermarkten die Stollwerckprodukte<br />
mit großem Erfolg.<br />
1902 Das Unternehmen Stollwerck<br />
wird eine Aktiengesellschaft.<br />
Weitere Werke werden in London,<br />
Wien, Kronstadt (Basov in Rumänien),<br />
Preßburg (Bratislava) und Stamford<br />
/ Connecticut (USA) eröffnet.<br />
Letztere ist zu jener Zeit die zweitgrößte<br />
Schokoladenfabrik in den<br />
Vereinigten Staaten.<br />
1906 Alpia wird als Markenname<br />
eingetragen.<br />
1930 Die Weltwirtschaftskrise geht<br />
auch an der Firma Stollwerck nicht<br />
spurlos vorüber.<br />
Stollwerck AG<br />
1945 Das Unternehmen<br />
Stollwerck<br />
hat stark beschädigte<br />
Werke in Deutschland<br />
und den Verlust<br />
von zwei Fabriken<br />
im Ausland zu<br />
verzeichnen.<br />
1947 Die Wiederaufnahme<br />
der<br />
Geschäfte beginnt<br />
erfolgreich. Enteignungen<br />
im Ausland,<br />
Fehlinvestitionen und Nichterkennen<br />
von Marktgegebenheiten<br />
führen das Unternehmen aber in<br />
finanzielle Schwierigkeiten. Die<br />
Deutsche Bank unterstützt Stollwerck,<br />
während das Unternehmen<br />
versucht, jemanden mit Weitsicht,<br />
Durchsetzungsvermögen und der<br />
Fähigkeit, erfolgreich wiederaufzubauen,<br />
zu finden.<br />
1948 Dr. Hans Imhoff gründet<br />
seine erste Schokoladen- und<br />
Zuckerfabrik in Bullay (Mosel). Die<br />
Verkäufe steigen stetig, und 1970<br />
kann er einen Umsatz von ca. 100<br />
Mio. Mark verzeichnen.<br />
1964 Dr. Hans Imhoff kauft die<br />
Firma Alprose in der Schweiz.<br />
1969 Dr. Hans Imhoff kauft<br />
Deutschlands älteste Schokoladenfabrik<br />
Hildebrand in Berlin.<br />
1971 Aufsichtsratsvorsitzender<br />
Dr. Hans Imhoff, übernimmt die<br />
Firma Stollwerck.<br />
1976 Stollwerck kauft das Unternehmen<br />
Waldbaur, Stuttgart, mit<br />
seinen bekannten Marken.<br />
88<br />
Mit einer Fabrik für Hustenbonbons begann 1839 der Aufstieg<br />
der Firma Stollwerck zum Weltunternehmen<br />
1979 Ein weiterer bedeutender<br />
Erfolg: Stollwerck übernimmt<br />
Sprengel (gegr. 1851), eine der ältesten<br />
und bekanntesten Schokoladenfirmen<br />
Deutschlands.<br />
1981 Stollwerck erwirbt Schubert<br />
Marzipan.<br />
1982 Jacques Chocolaterie S.A.<br />
in Eupen/Belgien, ein führender<br />
Produzent von Tafelschokolade,<br />
schließt sich mit der Stollwerck-<br />
Gruppe zusammen.<br />
1990 Stollwerck ist der erste<br />
Schokoladenhersteller, der eine Verkaufsvertretung<br />
in die ehemalige<br />
DDR einbringt.<br />
1991 Das Unternehmen Stollwerck<br />
übernimmt die Thüringer<br />
Schokoladewerk GmbH in Saalfeld,<br />
die größte Schokoladenfabrik in<br />
Ostdeutschland, und investiert über<br />
200 Millionen Mark.<br />
1992 Dr. Hans Imhoff erwirbt die<br />
bekannte Schokoladen- und Keksfabrik<br />
"Quintie KFT" in Budapest. Die<br />
Renovierung des Gebäudes wird<br />
1994 abgeschlossen. Der Investiti-
onsaufwand betrug mehr als 100<br />
Millionen Mark.<br />
1995 Eröffnung einer komplett<br />
neuen Keksfabrik in Székesfehérvár.<br />
Stollwerck ist nun die Nr. 1 auf dem<br />
ungarischen Schokoladenmarkt und<br />
Nr. 2 auf dem Gebäckmarkt. In beiden<br />
Produktionsstätten sind ca.<br />
1.000 Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Eröffnung der Schokoladenfabrik in<br />
Poznan, Polen.<br />
Mit einem Investitionsaufwand von<br />
ca. 44 Mio. Mark wird im Oktober<br />
1995 die Schokoladenfabrik in Polen<br />
eröffnet. Mit der Marke "Alpengold"<br />
ist Stollwerck hier Marktführer<br />
für Tafelschokolade. Das Produktionsvolumen<br />
beträgt ca. 40.000 Tonnen<br />
jährlich; beschäftigt werden zur<br />
Zeit 285 Mitarbeiter.<br />
1996 Der Bau der Schokoladenfabrik<br />
in Pokrov, in der Nähe von<br />
Moskau, wird im Dezember 1996<br />
fertiggestellt. Die auf einem rund<br />
100.000 qm großen Grundstück<br />
errichtete Fabrik wird am 2. Januar<br />
1997 mit einem Investitionsaufwand<br />
von rund 51 Millionen DM<br />
eröffnet. Stollwerck hat hier eine<br />
Produktionskapazität<br />
von ca. 30.000<br />
Tonnen jährlich; beschäftigt<br />
werden ca.<br />
300 Mitarbeiter.<br />
Hauptprodukt sind<br />
die "Alpengold" Ta<br />
feln, 100 Gramm,<br />
mit denen der Stollwerck-Konzern<br />
zum<br />
Marktführer in Rußland<br />
wird.<br />
1996 Die modernste, computergesteuerte,<br />
vollautomatische Roboter-Pralinenstraße<br />
der Welt wird im<br />
Kölner Stammwerk in Betrieb genommen.<br />
Die Packleistung umfaßt<br />
1.000 Pralinen pro Minute.<br />
1997 Stollwerck kauft die Wurzener<br />
Dauerbackwaren GmbH von<br />
der Stixi AG mit der Übernahme<br />
aller 280 Mitarbeiter.<br />
1998 Erwerb der Traditions-<br />
Schokoladenmarke Sarotti vom<br />
Nestlé Konzern. Ab 1998 wird die<br />
Tafelware in der Berliner Fabrik hergestellt;<br />
die Pralinenproduktion<br />
wird vom Kölner Stammbetrieb<br />
übernommen.<br />
89<br />
Modernste Fertigungsanlagen garantieren höchste Qualität,<br />
wie hier die Pralinenstraße im Kölner Werk<br />
1999 Übernahme der anerkannten,<br />
renommierten Premiummarke<br />
Gubor in die Stollwerck-Familie.<br />
Das 1953 gegründete Unternehmen<br />
steht für ausgewiesene, handwerkliche<br />
Kompetenz in der Kreation und<br />
Herstellung edelster Pralinen- und<br />
Schokoladenprodukte.<br />
2002 Der Schweizer Konzern<br />
Barry Callebaut AG (Jakobs-Suchard),<br />
Zürich, weltweit führender<br />
Hersteller von hochwertigen Kakaound<br />
Schokoladeprodukten, übernimmt<br />
das Traditionsunternehmen<br />
Stollwerck (vorbehaltlich der kartellrechtlichen<br />
Genehmigung).<br />
Heutige Firmenzentrale<br />
in Köln
Stollwerck Konzern in Zahlen<br />
1971/72 1998 1999 2000 2001<br />
Außenumsatzerlöse 53,9 777,4 667,8 716,7 750,6<br />
Jahresüberschuß / -fehlbetrag -1,4 13,9 15,4 15,9 66,3<br />
Cash-Flow nach DVFA/SG 0,3 35,8 41,2 39,0 138,8<br />
Grundkapital 9,2 20,5 20,5 20,5 20,5<br />
Eigenkapital vor Ausschüttung 10,0 101,9 113,1 123,2 198,6<br />
Eigenkapital nach Ausschüttung<br />
Eigenkapital zur Bilanzsumme<br />
10,0 96,2 107,4 117,5 106,6<br />
in % vor Ausschüttung<br />
Eigenkapital zur Bilanzsumme<br />
32,1 32,4 32,4 34,9 51,4<br />
in % nach Ausschüttung 32,1 31,1 31,2 33,9 36,2<br />
Bilanzsumme vor Ausschüttung<br />
Korrigierte Bilanzsumme nach<br />
31,2 314,8 349,6 352,7 386,3<br />
Ausschüttung 31,2 309,1 343,9 347,0 294,3<br />
Gesamtausschüttung – 5,7 5,7 5,7 92,0<br />
Dividende je Aktie EURO – 5,11 5,11 5,11 5,0<br />
Bonus je Aktie EURO<br />
Börsenkurse je Aktie (Düsseldorf)<br />
– 2,05 2,05 2,05 110,0<br />
HÖCHST EURO<br />
Börsenkurse je Aktie (Düsseldorf)<br />
107,37 322,11 469,88 680,02 370,00<br />
TIEFST EURO 48,73 296,55 317,00 305,24 210,00<br />
Qualitätsmarken in der<br />
Schokoladenwelt...<br />
90<br />
Alle Angaben in Millionen EURO, soweit nicht anders erwähnt.<br />
s
tiftun<br />
werke von stipendiaten<br />
der fanny-carlita-stiftung<br />
91
Seit 1943 gehört zu den von<br />
der Stifterin verfügten Aufgaben<br />
der Fanny-Carlita Stiftung<br />
auch die finanzielle Unterstützung<br />
von Studierenden der Hochschule<br />
für Musik und Theater,<br />
sowie der Akademie der Bildenden<br />
Künste, München.<br />
Mit freundlicher Unterstützung der<br />
Akademie der Bildenden Künste<br />
zeigen wir hier eine kleine Auswahl<br />
von Arbeiten von Stipendiaten.<br />
Fanny-Carlita-Stiftung<br />
Petra Schneider, Klasse Prof. Winner<br />
Foto (24 x 18): „Sacred Site – Sidney III,<br />
2001, Fotografie, 80 x 100<br />
92<br />
Johannes Wende, Klasse Prof. Willikens CD,<br />
(IMG 0021): „Große Kunstausstellung“, 2000,<br />
Fotografie, 60 x 80
Kim Nekarda, Klasse Prof. Förg, Diapositiv:<br />
“ohne Titel“, 4-Lagen Transparentpapier,<br />
Klebebuchstaben, 19x36 cm, 1999<br />
Werke von Stipendiaten<br />
Ingrid Floss, Klasse Prof. Zeniuk<br />
Diapositiv: ohne Titel, Öl auf<br />
Leinwand, 2001<br />
93
Fanny-Carlita-Stiftung<br />
Ina Ettlinger, Klasse Prof. Baschang<br />
Foto (9 x 12,5): Rock, Stoff<br />
und Füllwatte<br />
Martin Wöhrl, Klasse Prof. Reineking<br />
Foto (12 x 14,5): „Depot“,<br />
Installation, 1998,<br />
94<br />
Judith Lipfert, Klasse Prof. Prangenberg<br />
Foto (12,5 x 18): Synchron Schwimmerin,<br />
2001, Wachs gegossen, montiert
Nanette Nusselt, Klasse Prof. Zeniuk<br />
Karte: „Hate Love“, bestickte Farbkopie<br />
links Vorder-, rechts die Rückseite<br />
Werke von Stipendiaten<br />
95<br />
Stefan Wischnewski, Klasse Prof. Reineking<br />
Foto (15 x 15): „Balkon negativ“
Fanny-Carlita-Stiftung<br />
Gemälde ”Carlita Stollwerck” von Ferdinand Leeke, 1912<br />
Öl auf Leinwand, 251 x 172,5 cm – Dieses Bild hängt noch heute<br />
im Sitzungssaal der Akademie der Bildenden Künste, München.<br />
96<br />
g
emeind<br />
evangelische<br />
kirchengemeinde<br />
97
W<br />
ir haben uns bemüht,<br />
alle früheren Mitarbeiter(innen)<br />
zu ermitteln.<br />
Sollte uns, bei Namen oder Amtszeiten<br />
etwa, ein Fehler unterlaufen<br />
sein, oder sollten wir gar jemanden<br />
übersehen haben, bitten wir schon<br />
jetzt um Entschuldigung.<br />
Pfarrer(innen):<br />
Hermann Braun, Bad<br />
Aibling, 1927 bis 1954<br />
Hans Heinrich Zimmer, Bad<br />
Aibling, 1954 bis 1970<br />
Hans Gajditza (Gajdzitza?),<br />
Bad Aibling, 1946 bis 1955<br />
Wendt von Hahn, Pfarrvikar,<br />
Bad Aibling, 1955 bis 1958<br />
Willi Wendler, Pfarrvikar,<br />
Bruckmühl, 1958 bis 1984,<br />
Pfarrer seit 1963<br />
Harald Höschler,<br />
Bruckmühl, seit 1984<br />
Kirchengemeinde gestern und heute<br />
Susanne Kießling-Prinz,<br />
Feldkirchen, seit 1992<br />
Diakone:<br />
Jürgen Ross, Vagen,<br />
1981 bis 1982<br />
Gerhard Schlumberger,<br />
Vagen, 1982 bis 1984<br />
Wolfgang Heinz,<br />
Vagen, 1984 bis 1988<br />
Werner Nugel,<br />
Vagen, 1988 bis 2000<br />
Friedrich Wiesinger, Heufeldmühle,<br />
seit 2000<br />
Lehrvikar(innen):<br />
Michael Hübner, 1989 bis 1991<br />
Thomas Paulsteiner, 1991 bis 1994<br />
Dr. Wolfgang Thumser, 1994 – 1996<br />
Christine Anetsberger, 1996 – 1999<br />
Erwin Sergel, seit 2001<br />
Dekane:<br />
Franz Schmid, Rosenheim,<br />
1933 bis 1943<br />
Friedrich von Ammon,<br />
Rosenheim, 1943 bis 1955<br />
Hermann Braun, bis heute geradezu „legendärer“ und<br />
unvergessener Pfarrer in Bad Aibling: Ursprünglich (im<br />
Juli 1921) als „Badeprediger“ nach Aibling entsandt,<br />
betreute er die weit verstreute Gemeinde 1927 bis 1954<br />
aufopferungsvoll durch schwierigste Zeiten hindurch.<br />
98<br />
Das heutige Mesnerpaar, Günther und<br />
Gerda Oesterle (seit 1972)<br />
Heinrich Renner, Rosenheim,<br />
1955 bis 1970<br />
Eugen Goschenhofer,<br />
Rosenheim, 1970 bis 1985<br />
Dr. Friedrich Rusam, Rosen-<br />
heim, 1985 bis 1997<br />
Michael Grabow,<br />
Rosenheim, seit 1997<br />
Mesner(innen):<br />
Gustav und Maria Otto,<br />
1927 bis 1964<br />
Otto und Martha Fach,<br />
1964 bis 1971<br />
Günther und Gerda Oesterle,<br />
seit 1972<br />
Kirchenmusiker:<br />
Herr (Vorname unbekannt) Rose,<br />
München, seit 1927<br />
Auguste Treitinger,<br />
Bad Aibling, seit 1931
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
Michael Kuntz,<br />
Bad Aibling, seit 1933<br />
Pauline Peetz,<br />
Feldkirchen, seit 1937<br />
Sekretär(innen):<br />
Alfred Biederstein, Bruckmühl,<br />
um 1960 (ehrenamtlich)<br />
Curt Haferkorn, Bruckmühl,<br />
nach 1960 (ehrenamtlich)<br />
Maria Gasteiger, Bruckmühl,<br />
1968 bis 1971<br />
Paula Thomamüller, Bruck-<br />
mühl, 1971 bis 1981<br />
Ilona Riedl, Götting,<br />
1981 bis 1983<br />
Anni Jacob, Bad Aibling,<br />
1984 bis 1990<br />
Angela Keller, Vagen,<br />
seit 1991<br />
Edith Triebe, Bruckmühl,<br />
1997 bis 1999<br />
Sylvia Hermann, Mittenkirchen,<br />
2000 bis 2002<br />
Ulrike Mack, Hinrichssegen,<br />
seit 2002<br />
Kirchenvorstand:<br />
(Bruckmühl wurde zwar erst im Sommer<br />
1962 eine eigenständige Kirchengemeinde,<br />
besaß aber als „Tochterkirchengemeinde“<br />
der „Mutterpfarrei“ Bad Aibling bereits seit<br />
1954 einen eigenen Kirchenvorstand.)<br />
Jutta Bauer – Hausfrau,<br />
Feldkirchen, 1971 bis 1982<br />
Petra Baumgartner – Bankkauffrau,<br />
Feldkirchen, seit 1990<br />
Hugo Berg – Ingenieur,<br />
Heufeldmühle, 1954 bis 1970<br />
Werner Blocksdorf – Lagerist,<br />
Vagen, 1958 bis 1964<br />
Robert Brandt – Lehrer,<br />
Bruckmühl, 1964 bis 1970<br />
Arved von Breitenstein – Dipl. Physiker,<br />
Feldkirchen, 1976 bis 2000<br />
99<br />
Jürgen Bretz – Student,<br />
Vagen, seit 2000<br />
Wolfgang Claußner – Beamter,<br />
Feldkirchen, seit 2000<br />
Marion Cramer – Hausfrau,<br />
Heufeldmühle, 1984 bis 1988<br />
Dieter Deppe – Dipl. Ing., Kleinhelfendorf,<br />
1970 bis 1985<br />
Gerdi Dietrich – Erzieherin,<br />
Heufeld, seit 1994<br />
Elisabeth Eichelberger – Hausfrau,<br />
Bruckmühl, 1982 bis 2000<br />
Arno Fiedler – Diplom-Ingenieur,<br />
Vagen, 1985 bis 1996<br />
Mathias Fritzsche – Diplom-Kaufmann,<br />
Heufeldmühle, seit 2000<br />
Ulrich Ganz – Ingenieur,<br />
Bruckmühl, 1964 bis 1967<br />
Maria Gasteiger – Hausfrau,<br />
Bruckmühl, 1975 bis 1976<br />
Helmut Giese – Lehrer,<br />
Waith, 1976 bis 2000<br />
Elke Gross – Musiklehrerin,<br />
Feldolling, 1995 bis 2000<br />
Dr. Gisela Hartung – Lebensmittelchemikerin,<br />
Götting, 1982 bis 1988<br />
Einführung des neuen Kirchenvorstands in Bruckmühl 1959:<br />
Man beachte die frisch gepflanzten Pappeln und das eben<br />
erst fertiggestellte Haus gegenüber. Von links nach rechts:<br />
Babette Peetz, Hugo Berg, Elisabeth Maier und Gustav Otto,<br />
vorneweg Pfarrer Hans Heinrich Zimmer
Emma Heilmeier – Hausfrau,<br />
Bruckmühl, 1954 bis 1964<br />
Hans Hellauer – Bankkaufmann,<br />
Heufeld, 1988 bis 2000<br />
E. Horn – Hausfrau, Vagen,<br />
1954 bis 1958<br />
Rosemarie Jaffin – Lehrerin,<br />
Oberreit, 1970 bis 1971<br />
Traudl Kaufmann – Arzthelferin,<br />
Waldheim, seit 2000<br />
Dieter Kommerell – Landwirtschaftsmeister,<br />
Kleinhöhenrain,<br />
1982 bis 1988<br />
Martin Kretzschmar – Betriebsschlosser,<br />
Heufeldmühle, 1958–70<br />
Reinhard von Kürten – Kaufmann,<br />
Bruckmühl, 1954 bis 1970<br />
Erika Kuttig – Erzieherin,<br />
Westerham, 1988 bis 1994<br />
Elisabeth Maier – Hausfrau,<br />
Bruckmühl, 1958 bis 1976<br />
Helga Malmedé – Hauswirtschaftslehrerin,<br />
Bruckmühl,<br />
1976 bis 1982<br />
Dr. Alfred Mayer – Direktor,<br />
Kleinhöhenrain, 1958 bis 1976<br />
Irene Menne – Hausfrau,<br />
Bruckmühl, 1968 bis 1975<br />
Kurt Milde – Textilkaufmann,<br />
Hinrichssegen, 1970 bis 1976<br />
Michael Musselmann – Textilreiniger,<br />
Bad Aibling, 1994 bis 2000<br />
Kirchengemeinde gestern und heute<br />
Der neue Kirchenvorstand am Tag seiner Einführung (1. Advent 2000)<br />
Assja Neumann – Software-<br />
Entwicklerin, Westerham,<br />
seit 1988<br />
Jan Oesterle – Student,<br />
Feldkirchen, seit 2000<br />
Gustav Otto – Mesner,<br />
Hohenfried, 1954 bis 1964<br />
Babette Peetz – Hausfrau,<br />
Feldkirchen, 1954 bis 1964<br />
Pauline Peetz – Angestellte,<br />
Feldkirchen, 1964 bis 1988<br />
mit Unterbrechungen<br />
Lothar Riemer – Technischer<br />
Angestellter, Bruckmühl,<br />
1976 bis 1988<br />
Helmut Röhle – Polizeibeamter,<br />
Heufeldmühle, 1954 bis 1964<br />
Hans Schodlok – Heimleiter,<br />
Hinrichssegen, 1976 bis 1982<br />
100<br />
Monika Seitz – Hausfrau,<br />
Feldkirchen, 1988 bis 1995<br />
Manfred Sturm – Dipl.-Kaufmann,<br />
Heufeldmühle, 1970 bis 1984<br />
Ruth Tibbe – Hausfrau,<br />
Westerham, 1976 bis 1982<br />
Reinhard Wessel – Diplom-Mathematiker,<br />
Bruckmühl, seit 2000<br />
Armin Wittig – Wirtschaftsingenieur,<br />
Hinrichssegen, seit 1996<br />
Lothar Wittig – Fahrdienstleiter,<br />
Hinrichssegen, 1988 bis 1994<br />
Ursula Wolf – Hausfrau,<br />
Westerham, 1970 bis 1973<br />
Harald Zahradnik – Ingenieur,<br />
Feldkirchen, 1973 bis 1990<br />
Hermann Ziergiebel – Rentner,<br />
Heufeldmühle, 1954 bis 1964
D<br />
a wird ja doch immer nur<br />
dasselbe gemacht!“ –<br />
Die Zeiten, wo jemand so<br />
reden konnte, gehören bei uns –<br />
wie eigentlich in fast allen Gemeinden<br />
– längst der Vergangenheit an<br />
(auch wenn sich das noch nicht<br />
überall herumgesprochen hat, wie<br />
wir immer wieder einmal mehr oder<br />
weniger verblüfft feststellen).<br />
Natürlich gibt es ihn nach wie vor,<br />
den klassischen „Hauptgottesdienst“.<br />
In seinen Grundzügen verbindet er<br />
uns mit vielen anderen christlichen<br />
Kirchen in der weltweiten Ökumene,<br />
und wir in Bruckmühl und Feldkirchen<br />
pflegen ihn auch ganz<br />
bewußt – einschließlich der gesungenen<br />
Liturgie, die vielen Gemeindegliedern<br />
ans Herz gewachsen ist<br />
und einen festlichen und verläßlichen<br />
Rahmen liefert. Das Heilige<br />
Abendmahl feiern wir übrigens zwischen<br />
50 und 60 mal pro Jahr.<br />
Daneben jedoch ist im Lauf der Jahre<br />
und Jahrzehnte eine Vielzahl weiterer<br />
Gottesdienstformen hinzugekommen.<br />
Manche haben sich erst in<br />
jüngster Zeit entwickelt, andere sind<br />
uralt und finden doch immer wieder<br />
neue Freunde. Letzteres läßt sich insbesondere<br />
für die „Stundengebete“<br />
sagen. Ursprünglich in den Gemeinden<br />
der „Alten Kirche“, also in den<br />
ersten Jahrhunderten nach Christus<br />
entstanden, dann in Vergessenheit<br />
geraten und nur noch in den Klöstern<br />
überliefert, gehören die ökumenische<br />
„Komplet“ (= Nachtgebet) in<br />
der Emmauskirche Feldkirchen und<br />
die „Vesper“ in der Johanneskirche<br />
Bruckmühl seit Mitte bzw. Ende der<br />
Höhepunkt: Feier der Heiligen Osternacht, hier in Feldkirchen.<br />
Gottesdienste<br />
80er Jahre zum festen Repertoire.<br />
Beide finden einmal im Monat statt<br />
und zeichnen sich durch eine ganz<br />
eigene, meditative Atmosphäre aus,<br />
die wir in unseren sonstigen Gottesdiensten<br />
so nicht haben.<br />
Andere „alternative“ Gottesdienstformen<br />
richten sich nicht wie der<br />
Hauptgottesdienst an die ganze Gemeinde,<br />
sondern haben bestimmte<br />
„Zielgruppen“ im Blick, so zum Beispiel<br />
die seit Jahren fest etablierten<br />
Familiengottesdienste oder Jugendgottesdienste.<br />
Auch die 2001 ins Leben<br />
gerufene und vielversprechend<br />
angelaufene „Minikirche“ in Bruckmühl<br />
und Feldkirchen, eine Art Familiengottesdienst<br />
mit kleinen Kindern,<br />
gehört in diese Kategorie.<br />
Weitere „Spezialitäten“ im Programm<br />
stellen die Konfirmandenvorstellungen<br />
im Frühjahr und Herbst,<br />
gelegentliche Taizé-Gottesdienste, Passionsandachten,<br />
Kinder- und Jugendkreuzwege<br />
(ökumenisch), der Weltgebetstag<br />
der Frauen, Beichtgottesdienste,<br />
Konfirmationen und Festgottesdienste<br />
zu speziellen Anlässen dar.<br />
Zu den Besonderheiten unserer Gemeinde<br />
gehört<br />
auch, daß Taufen<br />
endlich wieder<br />
dort stattfinden,<br />
wo sie ursprünglicheinmal<br />
ganz selbstverständlichihren<br />
Platz hatten<br />
und von ihrer<br />
Bedeutung her<br />
natürlich auch<br />
101<br />
hingehören: nämlich nicht irgendwann<br />
am Samstagnachmittag, sondern<br />
im Hauptgottesdienst der<br />
Gemeinde am Sonntagmorgen. Zu<br />
Beginn der 80er Jahre eingeführt, hat<br />
sich diese Praxis sehr bewährt.<br />
Großer Beliebtheit erfreut sich auch<br />
der vor einigen Jahren begonnene<br />
„Kirchenkaffee“: Einmal im Monat<br />
bleiben wir nach dem Gottesdienst<br />
noch ein wenig zusammen und<br />
kommen miteinander ins Gespräch<br />
– in Feldkirchen verbunden mit dem<br />
Verkauf von „Eine-Welt-Waren“.<br />
Höhepunkt und gewissermaßen<br />
„Mutter aller Gottesdienste“ ist die<br />
Feier der Hl. Osternacht. Sie beginnt<br />
am frühen Ostersonntagmorgen mit<br />
dem Einzug der Osterkerze in die<br />
dunkle Kirche, begleitet von dem<br />
Wechselgesang „Gott gleich war<br />
Jesus Christus“, schließt Taufen von<br />
Konfirmanden oder Erwachsenen<br />
mit ein und endet mit dem gemeinsamen<br />
Osterfrühstück im Gemeindesaal<br />
(in Feldkirchen im röm.-kath.<br />
Pfarrsaal nach dem ökumenischen<br />
Osterjubel auf dem Friedhof).<br />
Harald Höschler
W<br />
ie in 1.537 anderen<br />
evangelischen Kirchengemeinden<br />
in ganz Bayern<br />
wurde auch bei uns am 22.<br />
Oktober 2000 der Kirchenvorstand<br />
neu gewählt. Insgesamt 22 Kandidaten<br />
und Kandidatinnen stellten<br />
sich zur Wahl. 8 konnten gewählt<br />
werden, 2 wurden nach den Vorschriften<br />
der Kirchengemeindeordnung<br />
anschließend von den 8<br />
Gewählten zusätzlich berufen:<br />
Frauen (226) waren bei der Wahl<br />
wieder einmal sehr viel aktiver als<br />
die Männer (144).<br />
Wolfgang Claußner, 53, Feldkirchen,<br />
Beamter, verheiratet,<br />
vier Kinder<br />
Vertrauensmann des Kirchenvorstands,<br />
ehrenamtlicher Mitarbeiter<br />
im Lektorendienst und<br />
bei Gemeindefesten<br />
Kirchengemeinde gestern und heute<br />
Petra Baumgartner, 44, Feldkirchen,<br />
Hausfrau, verheiratet,<br />
zwei Kinder<br />
Beauftragte für Familienarbeit<br />
und Ökumene in Feldkirchen,<br />
ehrenamtliche Mitarbeiterin im<br />
Lektorendienst und bei Familiengottesdiensten,<br />
Kinderkino und<br />
Kinderarbeit<br />
Trotzdem haben letztere im neuen<br />
Kirchenvorstand die Nase vorn. Das<br />
war nicht so geplant. Es hat sich (bei<br />
den nachträglichen Berufungen)<br />
einfach so ergeben.<br />
Alle sechs Jahre wird der Kirchenvorstand<br />
in geheimer Wahl von der<br />
Gemeinde gewählt. Aktiv wahlberechtigt<br />
sind alle Gemeindeglieder,<br />
die mindestens 14 Jahre alt und<br />
zum Heiligen Abendmahl zugelassen<br />
sind (in der Regel durch die<br />
Konfirmation). Um selber gewählt<br />
zu werden, muß man jedoch mindestens<br />
18 Jahre alt sein.<br />
102<br />
Jürgen Bretz, 24, Vagen, Student,<br />
ledig<br />
Beauftragter für den Lektorendienst,<br />
Stellvertretender Dekanatssynodaler,<br />
ehrenamtlicher<br />
Mitarbeiter in der Jugendarbeit<br />
und im Lektorendienst<br />
Mathias Fritzsche, 49, Heufeldmühle,<br />
Diplom-Kaufmann, verheiratet,<br />
zwei Kinder<br />
Kirchenpfleger (= „Finanzminister“<br />
der Kirchengemeinde),<br />
ehrenamtlicher Mitarbeiter beim<br />
Kirchenkaffee und bei Gemeindefesten<br />
Gerdi Dietrich, 51, Heufeld, Erzieherin,<br />
verheiratet, 3 Kinder<br />
Beauftragte für die Ökumene in<br />
Bruckmühl, Stellvertretende Vertrauensfrau,<br />
ehrenamtliche Mitarbeiterin<br />
im Lektorendienst<br />
und bei Familiengottesdiensten
370 wahlberechtigte Gemeindeglieder<br />
gaben in Bruckmühl und<br />
Feldkirchen ihre Stimme ab. Das<br />
ergibt eine Wahlbeteiligung von<br />
knapp 11 % (Zum Vergleich: Dekanat<br />
Rosenheim 12 %, landesweit 18<br />
%). Am stärksten mit gut 30 %<br />
beteiligten sich die 14- bis 15jährigen<br />
Erstwähler, gefolgt von den 45bis<br />
54jährigen mit 18 %. Auch die<br />
16- bis 24jährigen waren mit 17 %<br />
stark vertreten. Von den 25- bis<br />
34jährigen wählten mit – eigentlich<br />
erschreckendem – Abstand die<br />
wenigsten, nämlich ganze 3 %.<br />
Traudl Kaufmann, 51, Waldheim,<br />
Arzthelferin, verheiratet,<br />
zwei Kinder<br />
Mitglied der Dekanatssynode,<br />
ehrenamtliche Mitarbeiterin bei<br />
Diakoniesammlungen und Jugendfreizeiten<br />
in Großbritannien<br />
Reinhard Wessel, 51, Bruckmühl,<br />
Diplom-Mathematiker,<br />
verheiratet, 4 Kinder<br />
Mitglied der Dekanatssynode,<br />
ehrenamtlicher Mitarbeiter beim<br />
Kirchenkaffee und im Lektorendienst<br />
Kirchenvorstand<br />
Die Kirchenvorsteher(innen) sind<br />
verpflichtet, ihr Amt im Einklang mit<br />
der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis<br />
der evangelisch-lutherischen<br />
Kirche auszuüben. Sowohl in<br />
ihrem persönlichen Verhalten als<br />
auch in ihrer Teilnahme am kirch-<br />
lichen Leben sollen sie Vorbilder für<br />
die Gemeinde sein und nach Möglichkeit<br />
zusätzlich zu ihrem Amt im<br />
KV auch noch an einer anderen<br />
Stelle in der Gemeinde mitarbeiten.<br />
Wie man auf diesen beiden Seiten<br />
sehen kann, ist dies bei uns auch<br />
durchaus der Fall.<br />
103<br />
Assja Neumann, 33, Feldkirchen-Westerham,Software-Entwicklerin,<br />
verheiratet<br />
Protokollführerin im Kirchenvorstand,<br />
ehrenamtliche Mitarbeiterin<br />
im Lektorendienst, bei<br />
der Mini-Kirche und in der Konfirmandenarbeit<br />
Armin Wittig, 48, Hinrichssegen,<br />
Wirtschafts-Ingenieur, verheiratet,<br />
zwei Kinder<br />
Mitglied der Dekanatssynode, Beauftragter<br />
für Kirchenmusik, ehrenamtlicher<br />
Mitarbeiter beim Kirchenkaffee<br />
und im Kirchenchor<br />
Jan Oesterle, 24, Feldkirchen,<br />
Student, ledig<br />
Beauftragter für die Jugendarbeit,<br />
ehrenamtlicher Mitarbeiter<br />
bei Jugendfreizeiten in Großbritannien,<br />
im Jugendchor und<br />
bei Jugendgottesdiensten<br />
8 bis 10 Mal jährlich tagt unser Kirchenvorstand<br />
abwechselnd in Bruckmühl<br />
und Feldkirchen. Die Sitzungen<br />
beginnen um 19.30 Uhr und<br />
enden meist gegen 22 Uhr. Sie werden<br />
mit einer Andacht eröffnet und<br />
mit einem Lied oder Gebet und<br />
Abendsegen abgeschlossen.
Komm, bau ein Haus, das<br />
uns beschützt, pflanz einen<br />
Baum, der Schatten wirft,<br />
und beschreibe den Himmel, der uns<br />
blüht. Lad viele Kinder ein ins Haus,<br />
versammle sie bei unserem Baum,<br />
laß sie dort fröhlich tanzen, wo keiner<br />
ihre Kreise stört, laß sie dort lange<br />
tanzen, wo der Himmel blüht.“ – So<br />
der Text eines Liedes.<br />
Mit Kindergottesdiensten fing nach<br />
dem 2. Weltkrieg die Arbeit mit Kindern<br />
an. Bei ihren Gottesdiensten,<br />
Gruppenstunden und beim Ferienspaß<br />
erlebten Kinder, daß es beim<br />
Glauben um eine fröhliche und<br />
wichtige Sache geht und daß sie in<br />
unserer Kirchengemeinde einen<br />
Platz haben.<br />
Im Lauf der Jahre haben sich die<br />
Angebote für die Kinder gewandelt.<br />
Aktivitäten für und mit den Eltern<br />
kamen hinzu. Die ganze Familie<br />
rückte ins Blickfeld.<br />
Miteinander leben und glauben will<br />
ganz praktisch geübt werden. Solche<br />
Chancen bieten wir Familien<br />
und Kindern auch 2002 an:<br />
Familienarbeit Bruckmühl<br />
• wenn wir seit den 60er Jahren<br />
Familiengottesdienste feiern und<br />
damit jung und alt, groß und klein<br />
gleichermaßen ansprechen,<br />
• wenn Kinder und Eltern bei unseren<br />
Familienfreizeiten Gemeinschaft<br />
und praktizierten Glauben in<br />
der Gruppe erfahren,<br />
• wenn bei (be)sinnlichen Angeboten<br />
zur Advents- und Passionszeit<br />
Erwachsene und Kinder ausprobieren<br />
können und erfahren, was<br />
Glaube bedeuten kann,<br />
• wenn Kleinkinder von 0 bis 6 Jahren<br />
mit ihren Eltern alle zwei Monate<br />
in der Johanneskirche „Minikirche“<br />
feiern und anschließend im<br />
Gemeindehaus bei Kaffee, Saft und<br />
Keksen zusammensitzen,<br />
• wenn sich seit vielen Jahren jede<br />
Woche Mütter in unseren Mutter-<br />
Kind-Gruppen mit ihren Kleinkindern<br />
treffen, singen und spielen und<br />
sich gegenseitig beraten,<br />
• wenn engagierte Ehrenamtliche seit<br />
den 70er Jahren Kinderbibelwochen<br />
104<br />
durchführen. Schon lange finden<br />
diese Kinderbibelwochen auf ökumenischer<br />
Basis statt. Über 370<br />
Kinder haben auch 2001 in Bruckmühl,<br />
Vagen, Götting und Heufeld<br />
interessiert biblischen <strong>Geschichte</strong>n<br />
gelauscht, mit viel Freude gespielt,<br />
gebastelt und gesungen.<br />
• Nachdem es nicht mehr selbstverständlich<br />
ist, daß Familien mit Kindern<br />
regelmäßig in die Kirche gehen,<br />
war auch im Blick auf unsere<br />
Gottesdienste mit Kindern ein Umdenken<br />
angesagt: Im Advent, in der<br />
Passions- und Osterzeit, aber auch<br />
zum Erntedank gibt es in Bruckmühl<br />
besonders gestaltete Kindergottesdienste.<br />
• Unsere Kinderbibeltage wenden<br />
sich besonders an Schulkinder. Das<br />
begeisterte Echo auf den ersten Kinderpilgerweg<br />
am Buß- und Bettag<br />
2001 mit 70 Teilnehmern und 10<br />
Mitarbeitern hat uns ermutigt, auch<br />
Kinderbibeltage anzubieten.<br />
Familien mit Kindern brauchen einen<br />
Platz, wo sie willkommen sind<br />
und der Himmel über ihnen blüht.<br />
Unsere Kirchengemeinde will ein<br />
solcher Platz sein, wo Familien gern<br />
hinkommen und untereinander<br />
Kontakt knüpfen, wo die Freude<br />
wächst, weil der Himmel blüht und<br />
weil die frohe Botschaft, die Gott<br />
für uns hat, die Herzen der Kinder<br />
und der Erwachsenen erreicht.<br />
Friedrich Wiesinger<br />
Krippenspiel zum Familiengottesdienst am Heiligen<br />
Abend 2000 in der Johanneskirche Bruckmühl
W<br />
ir sind die Kleinen in<br />
der Gemeinde, doch<br />
ohne uns geht gar<br />
nichts!“ – „Hallo, ich heiße Peggy.<br />
Wie Du siehst, bin ich ein Dromedar!<br />
Verrätst auch Du mir Deinen<br />
Namen?“ – Manche Besucher würden<br />
wohl nicht schlecht staunen,<br />
wenn sie so zum sonntäglichen<br />
Gottesdienst begrüßt würden. Doch<br />
die Kinder, die alle zwei Monate<br />
zur Minikirche nach Feldkirchen<br />
kommen, können sich ihren Gottesdienst<br />
ohne Peggy, das Dromedar,<br />
gar nicht mehr vorstellen.<br />
Als im Oktober 2001 zur ersten<br />
Minikirche, einem Gottesdienst für<br />
Familien mit kleinen Kindern, eingeladen<br />
wurde, waren es fast 40<br />
Kinder mit ihren Eltern, die zu dieser<br />
lebendigen, bunten Feier zusammenkamen.<br />
Neben den etwa fünf Familiengottesdiensten<br />
im Jahr, die an<br />
den Bedürfnissen der Schulkinder<br />
und ihrer Eltern ausgerichtet sind,<br />
stellt nun auch die Minikirche einen<br />
festen Bestandteil des gottesdienstlichen<br />
Lebens in Feldkirchen dar.<br />
Nicht wegzudenken sind die verschiedenen<br />
Teams von Ehrenamtlichen,<br />
die zusammen mit der Pfarrerin<br />
sowohl den Kindergottesdienst,<br />
zu dem an jedem Sonntag parallel<br />
zum Hauptgottesdienst eingeladen<br />
wird, als auch die Minikirche und<br />
die Familiengottesdienste vorbereiten<br />
und durchführen.<br />
Feldkirchen ist eine überdurchschnittlich<br />
junge Gemeinde, in der<br />
fast 20 % der Mitglieder unter 18<br />
Jahre alt sind und in die viele Familien<br />
mit kleinen Kindern zuziehen.<br />
Deshalb taucht im Kirchenvor-<br />
Familienarbeit Feldkirchen<br />
stand auch in regelmäßigen Abständen<br />
die Frage auf, wie Familien<br />
mit Kindern noch besser in die<br />
Gemeindearbeit integriert werden<br />
können und welche Möglichkeiten<br />
wir als Kirchengemeinde haben,<br />
unsere Tür auch für die Kleinen und<br />
Kleinsten zu öffnen.<br />
Neben den gottesdienstlichen Angeboten<br />
finden Mütter und Väter<br />
mit Kleinkindern in den Eltern-<br />
Kind-Gruppen die Möglichkeit sich<br />
kennenzulernen und auszutauschen.<br />
Großen Anklang findet das seit einigen<br />
Jahren monatlich stattfindende<br />
Kinderkino. Daneben gibt es eine<br />
Kinderbibelstunde, die die Kinder<br />
mit biblischen Themen vertraut machen<br />
will. Sie hat wie der ökumenische<br />
Kinderkreuzweg und andere<br />
Einzelveranstaltungen für Kinder,<br />
mittlerweile auch schon eine lange<br />
Tradition in der Gemeinde.<br />
Den absoluten Höhepunkt jedoch<br />
bildet die ökumenische Kinderbibelwoche,<br />
die in diesem Jahr bereits<br />
105<br />
Fröhliche Runde bei einer „Kinder-Übernachtung“<br />
im Feldkirchener Gemeindesaal<br />
zum siebzehnten Mal durchgeführt<br />
wird. Bis zu 120 Kinder kommen an<br />
drei Nachmittagen im Emmaus-Kirchenzentrum<br />
zusammen, und beim<br />
ökumenischen Abschlußgottesdienst<br />
mit den Kindern und ihren Eltern<br />
platzt die Kirche aus allen Nähten.<br />
Doch was könnte schöner sein als<br />
eine begeisterte, lebendige, bunte<br />
Gemeinde aus Groß und Klein?<br />
So wünsche ich unserer Gemeinde,<br />
daß unsere Kinder auch in Zukunft<br />
dieses Lied anstimmen können:<br />
„Wir sind die Kleinen in den<br />
Gemeinden, doch ohne uns geht<br />
gar nichts, ohne uns geht’s schief.<br />
Wir sind das Salz in der Suppe der<br />
Gemeinde. Egal, was andre meinen,<br />
wir machen mit.“<br />
Susanne Kießling-Prinz
N<br />
atürlich geht es unserer<br />
Kirchengemeinde auch<br />
nicht anders als vielen<br />
christlichen Gemeinden hier in<br />
Deutschland: unsere Kirchen bersten<br />
nicht vor Besuchern und die<br />
Kircheneintritte verursachen auch<br />
nicht gerade Panikanfälle im Pfarramt.<br />
Trotzdem meine ich, daß wir<br />
eine vergleichsweise lebendige und<br />
interessante Gemeinde sind und<br />
unsere Jugendarbeit eine gute Basis<br />
für die Zukunft darstellt.<br />
Die Arbeit mit Jugendlichen hat in<br />
unserer Gemeinde eine lange Tradition.<br />
So sammelte Pfarrer Wendt<br />
von Hahn bereits 1955 in Bruckmühl<br />
Kinder und Jugendliche in<br />
Gruppen. Zu dem vielgestaltigen<br />
Programmangebot gehörten auch<br />
Volkstanz, Laienspiel, Fahrten und<br />
Freizeiten. In Feldkirchen-Westerham<br />
wurde ebenfalls schon vor<br />
dem Bau des Emmaus-Kirchenzentrums<br />
mit dem Aufbau einer eigenständigen<br />
Jugendarbeit begonnen.<br />
Bei der Jungschararbeit, die von zahlreichen<br />
ehrenamtlichen Mitarbeitern<br />
getragen wurde, standen neben<br />
den biblischen Andachten gemeinsame<br />
Fahrten, Freizeiten und Zeltlager<br />
auf dem Programm.<br />
Pfarrer Wendler setzte von 1958 an,<br />
unterstützt von vielen ehrenamtlichen<br />
Mitarbeitern, die lebendige<br />
Jugendarbeit fort. Auch unter seinem<br />
Nachfolger, Pfarrer Höschler,<br />
ging die Tradition der Jugendfreizeiten<br />
und Jugendgruppen weiter. Ein<br />
anfangs noch kleiner Kreis von<br />
Jugendlichen traf sich unter seiner<br />
Leitung regelmäßig im Keller des<br />
Gemeindehauses in Bruckmühl. Von<br />
Jugendarbeit<br />
Bruckmühler Mädchengruppe beim Packen von Weihnachtspaketen<br />
für Strafgefangene, Dezember 1999<br />
Jahr zu Jahr wurden es mehr Teilnehmer,<br />
die hauptsächlich aus den<br />
Konfirmandengruppen nachkamen.<br />
Auch der Ursprung des mittlerweile<br />
recht beliebten und bekannten<br />
Bruckmühler Jugendchors liegt hier.<br />
Daneben wurden immer wieder<br />
neue Jungschargruppen ins Leben<br />
gerufen. Auch die Mädchenarbeit<br />
mit zeitweise zwei Gruppen in<br />
Bruckmühl war sehr erfolgreich.<br />
Wie in Bruckmühl, kam es auch in<br />
Feldkirchen zu dem für die Jugendarbeit<br />
üblichen Auf und Ab. Anschluß<br />
an die boomende Jugendarbeit<br />
vom Anfang der 90er Jahre, die<br />
leider durch den fast gleichzeitigen<br />
Wegzug von sechs Jugendleitern<br />
stark zurückgegangen war, konnte<br />
erst zu Beginn des neuen Jahrtausends<br />
gefunden werden.<br />
Seit Herbst 2001 kommen regelmäßig<br />
katholische und evangelische<br />
Jugendliche zusammen, die gemeinsam<br />
Jugendgottesdienste vorbereiten<br />
und durchführen. Außerdem<br />
wurde beschlossen, in Feldkir-<br />
106<br />
chen wieder eine Jugendgruppe anzubieten.<br />
Seit den Konfirmationen<br />
2001 trifft sie sich regelmäßig und<br />
unternimmt gemeinsam Sachen, die<br />
allen Spaß machen – wie das Jugendgruppenzeltlager<br />
in Königsdorf<br />
oder einen gemütlichen Videoabend<br />
im Gemeindesaal.<br />
Wie erfolgreich die Jugendarbeit ist<br />
und wieviel Freude sie den Jugendlichen<br />
an Kirche vermittelt, zeigt<br />
sich, wenn man die Zahl derer betrachtet,<br />
die an dem jährlich stattfindenden,<br />
ökumenischen „Kreuzweg<br />
der Jugend“ teilnehmen, zum<br />
Zeltlager mit nach England fahren,<br />
oder jetzt als ehrenamtliche Mitarbeiter<br />
überall in der Kirchengemeinde<br />
tätig sind. Von Jugendgruppenleitern<br />
über Mitarbeiter beim<br />
Kindergottesdienst, Jugendchorsänger<br />
und -sängerinnen und Mitarbeiter<br />
beim Konfirmandenunterricht<br />
bis hin zu Kirchenvorstehern sind<br />
sie überall in der Gemeinde vertreten.<br />
Und das lässt doch für die Zukunft<br />
hoffen.<br />
Jürgen Bretz
Am Anfang (Januar 1994) war<br />
es eher Zufall, ja beinahe<br />
ein Versehen: Ein paar<br />
Jugendliche sangen anläßlich der<br />
Verabschiedung eines Vikars aus<br />
der Gemeinde, und der Pfarrer<br />
machte eine launige Bemerkung,<br />
die den „Stein ins Rollen“ brachte.<br />
Schon bald folgten erste Einsätze in<br />
Gottesdiensten, beispielsweise bei<br />
Konfirmandenvorstellungen, Taufen,<br />
Hochzeiten und anderen Anlässen.<br />
Aus den bescheidenen Anfängen<br />
entwickelte sich der heutige Jugendchor<br />
mit derzeit 45 Mitgliedern.<br />
Anfangs sangen wir einfach Lieder<br />
aus dem Ergänzungsheft zum bayrischen<br />
Gesangbuch mit einfachster<br />
Begleitung. Das änderte sich aber<br />
schon bald. Inzwischen ist das Repertoire<br />
auf 120 Stücke angewachsen,<br />
davon 2/3 mehrstimmig. Etwa<br />
ein Viertel der Titel haben englische<br />
Texte. Der Rest ist deutsch, da die<br />
Gemeinde in aller Regel zum Mitsingen<br />
eingeladen ist. Auch Gospels,<br />
meditative Stücke aus Taizé<br />
oder liturgische Gesänge der Ostkirche<br />
gehören zum Repertoire.<br />
Im Laufe der Zeit kamen die verschiedensten<br />
Instrumente zum Einsatz:<br />
6- und 12saitige Westerngitarren,<br />
E-Gitarren und E-Bass, Keyboards<br />
mit elektronischem Rhythmusgerät,<br />
Schlagzeug, Saxophon,<br />
Synthesizer, Geigen und Flöten,<br />
selbst eine „Schleppdampferpfeife“.<br />
Über 130 Auftritte zu den verschiedensten<br />
Anlässen hat der Chor<br />
Gruppenfoto für die dritte CD<br />
„Majesty“ im Herbst 1999<br />
inzwischen absolviert, die meisten<br />
davon in der eigenen Gemeinde,<br />
etliche aber auch außerhalb.<br />
Beim Ökumenischen Kirchentag in<br />
Innsbruck 1998 und 2001 gestalteten<br />
wir den Abschlußgottesdienst.<br />
In München-Harlaching sangen wir<br />
in der American-Episcopal Church,<br />
in Rosenheim zur Firmung in der<br />
Alt-Katholischen Gemeinde. 1999<br />
wirkten wir in Bruck an der Leitha<br />
bei Wien beim 25jährigen Jubiläum<br />
der Partnerschaft mit Bruckmühl<br />
mit, und einem Gefängnisgottesdienst<br />
in der JVA München-Stadelheim<br />
Anfang 1999 folgten zwei<br />
unvergeßliche Konzerte an gleicher<br />
Stelle. 2001 und 2002 gaben wir<br />
zwei weitere Benefizkonzerte in<br />
München und Rosenheim.<br />
107<br />
Jugendchor<br />
Von der 1995/96 in der Johanneskirche<br />
produzierten ersten CD<br />
„Jesus is Lord" wurden 1.300 Stück<br />
verkauft. Sie ist leider ebenso vergriffen<br />
wie die zweite CD „Herr der<br />
Ewigkeit" (1997). Ein Traugespräch<br />
mit einem Tontechniker und seiner<br />
Braut 1999 gab den Anstoß zur Produktion<br />
der dritten CD „Majesty“.<br />
Sie erschien im Frühjahr 2000 – im<br />
Gemeindebrief scherzhaft als „Beitrag<br />
der Kirchengemeinde zum Millennium“<br />
bezeichnet.<br />
Im Lauf der Jahre mußte der Chor<br />
naturgemäß mehrere „Generationenwechsel“<br />
verkraften. Heute sind<br />
die Sänger und Sängerinnen 14 bis<br />
30 Jahre alt (die meisten zwischen<br />
14 und 17). Nach anfänglicher Ausgewogenheit<br />
haben die Mädchen<br />
inzwischen doch deutlich die Mehrheit<br />
erobert. Die Leitung teilen sich<br />
Harald Höschler, Angelika Höschler<br />
und Barbara Eberlein.<br />
Harald Höschler
Lagerfeuer und Geländespiele,<br />
Küchendienst und sportliche<br />
Wettbewerbe, Tischtennis<br />
und Volleyball, Rennen und<br />
Toben, Singen und Basteln, Bibelarbeiten<br />
und Andachten: Was wäre<br />
die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit<br />
ohne ihre Freizeiten?<br />
Schon vor Jahrzehnten unternahmen<br />
die damaligen Vikare und Pfarrer<br />
der Kirchengemeinde, allen voran<br />
natürlich Willi Wendler, zahlreiche<br />
Fahrten und Ausflüge mit jungen<br />
Menschen, so zum Beispiel an<br />
die Leitzach oder an den Simssee<br />
bei Rosenheim, zum Walchsee<br />
nach Tirol oder nach Amersfoort in<br />
den Niederlanden.<br />
Prägende Erfahrungen waren das,<br />
von denen die, die damals dabei<br />
waren und inzwischen längst erwachsen<br />
geworden sind, heute<br />
noch gerne schwärmen.<br />
Andere Freizeiten führten später<br />
beispielsweise nach Nördlingen<br />
und Königsdorf, nicht zu vergessen<br />
die Fahrten zum Deutschen <strong>Evangelisch</strong>en<br />
Kirchentag oder zu den<br />
Internationalen Jugendtreffen der<br />
Gemeinschaft von Taizé, zuletzt<br />
2001 in Budapest.<br />
Jugendfreizeiten<br />
• Im Sommer 1986 fand das erste<br />
große Zeltlager in Großbritannien<br />
statt. Ziel war ein Campingplatz in<br />
Wales, die „Bryn Gloch Farm“, mitten<br />
im Nationalpark von Snowdonia.<br />
Nachdem wir bei der Ankunft<br />
nur knapp einem leibhaftigen<br />
„Hurrikan“ entronnen waren, der<br />
sich über den Atlantik verirrt hatte,<br />
verbrachten wir eine wunderschöne<br />
Zeit, bestiegen diverse Berge und<br />
lernten Land und Leute kennen.<br />
• Zwei Jahre darauf waren wir an<br />
der „englischen Riviera“ zu Gast, in<br />
Stoke Fleming bei Dartmouth, Devon.<br />
Dort standen neben dem Baden<br />
in beinahe schon mediterraner<br />
Umgebung Wanderungen an der Küste<br />
und im berüchtigten Dartmoor,<br />
sowie Fahrten in die Städte Exeter<br />
und Plymouth (einschließlich Hafenrundfahrt)<br />
auf dem Programm.<br />
• 1990 fanden wir ein neues Ziel:<br />
Cromer in der ostenglischen Grafschaft<br />
Norfolk, eine Kleinstadt an der<br />
Nordsee, die ihre Glanzzeit zur Jahrhundertwende<br />
hatte, aber doch nichts<br />
von ihrem Charme und ihrer liebenswürdigen<br />
Schönheit eingebüßt hat.<br />
• Die weiteste Fahrt unternahmen<br />
wir 1992, als wir uns auf den Weg<br />
108<br />
nach Schottland machten und nördlich<br />
von Glasgow unsere Zelte aufschlugen.<br />
Unvergessen bis heute<br />
die Schlammpfützen vor den<br />
Gemeinschaftszelten, der beständige<br />
Kampf gegen die Stechmücken,<br />
die herrlichen Exkursionen im<br />
Hochland und die trotz allen Widrigkeiten<br />
tolle Gemeinschaft! Die<br />
Fahrt nach Edinburgh mit dem Besuch<br />
des weltberühmten Tattoo vor<br />
der grandiosen Kulisse der königlichen<br />
Burg bildete den Höhepunkt.<br />
• 1994 waren wir wieder in Wales<br />
zu Gast, 1996 gefolgt von einem<br />
erneuten Abstecher nach Norfolk,<br />
diesmal in das traumhaft schöne<br />
Hafenstädtchen Wells-next-the-sea.<br />
Bis heute denken wir an die Abschiedsworte<br />
des schottischen Platzleiters<br />
zurück: „Sie waren eine Empfehlung<br />
für Ihr Land und Ihre Kirche.“<br />
– So was hört man gerne.<br />
• 1998 und 2000 verbrachten wir<br />
die Freizeit wieder auf unserem<br />
„Stammplatz“, der Bryn Gloch Farm<br />
in Nordwales. Beide Male war das<br />
Wetter zeitweise reichlich „durchwachsen“,<br />
was aber die Stimmung<br />
keineswegs trübte.<br />
• 2002 schließlich kehren wir nach<br />
langer Pause wieder in den (hoffentlich)<br />
sonnigen Süden Englands<br />
zurück, nach Devon. Eine tolle Tradition,<br />
die sich da bei uns entwickelt<br />
hat. Und so Gott will und<br />
wir leben, gehen diese Freizeiten<br />
auch noch lange weiter.<br />
Unser „Stammplatz“: die Bryn Gloch<br />
Farm in Snowdonia, Nordwales<br />
Harald Höschler
O<br />
b die Konfirmanden nun<br />
mit Wasser experimentieren<br />
und dabei über<br />
die Taufe nachdenken, diskutieren,<br />
welches Jesusposter sie in ihrem<br />
Zimmer aufhängen würden, die Kirchenglocken<br />
besichtigen, im Altenheim<br />
Kaffee ausschenken, um die<br />
Wette Bibelstellen aufschlagen, Konfirmationssprüche<br />
als Plakat gestalten,<br />
Kicker-Turniere austragen, Kollekten<br />
zählen, Osterkerzen basteln,<br />
Bibel-Monopoly spielen oder selbst<br />
Teile eines Gottesdienstes übernehmen<br />
– mit dem reinen Auswendiglernen<br />
von Bibelversen, Gesangbuchliedern<br />
oder Katechismustexten<br />
von einst hat die Vorbereitung<br />
auf die Konfirmation heute nicht<br />
mehr viel zu tun. Statt dessen bemühen<br />
wir uns, die in den landeskirchlichen<br />
Rahmenrichtlinien festgelegten<br />
Ziele so umzusetzen, daß<br />
die Jugendlichen:<br />
• mit ihren aktuellen Lebensfragen<br />
zu Wort kommen und lernen, zentrale<br />
Inhalte des christlichen Glaubens<br />
auf ihre Probleme und Anliegen<br />
zu beziehen,<br />
• im Glauben Orientierung für ihr<br />
Leben finden,<br />
• Kirche als einen Ort erleben, an<br />
dem sie willkommen sind und als<br />
Teil der Gemeinde verstanden und<br />
anerkannt werden,<br />
• ihre Gemeinde auch selbst mitgestalten<br />
können.<br />
Zwei Stunden pro Woche kommen<br />
die Konfirmanden und Konfirmandinnen<br />
in Bruckmühl und Feldkirchen<br />
zum Unterricht zusammen. Je<br />
Konfirmanden<br />
nach Größe des Jahrgangs, zwischen<br />
45 und 65 Jugendlichen, werden<br />
vier oder fünf Gruppen gebildet.<br />
Das Programm umfaßt auch gemeinsame<br />
Wochenenden, selbst<br />
vorbereitete und gestaltete Gottesdienste,<br />
Ausflüge zur Herzogsägmühle<br />
oder nach Niederaltaich,<br />
zwei Gottesdienstbesuche im Monat<br />
und vieles mehr. In verschiedenen<br />
Praktika können die Jugendlichen<br />
Gemeindegruppen besuchen<br />
und Einblick in die diakonische<br />
Arbeit gewinnen.<br />
Zu den besprochenen Themen gehören<br />
das Kennenlernen der eigenen<br />
Gemeinde und der verschiedenen<br />
Kirchen im Gemeindegebiet<br />
ebenso wie die Beschäftigung mit<br />
Bibel, Beichte, Taufe und Abendmahl<br />
oder Fragen der Ökumene.<br />
Am Abend vor der Konfirmation<br />
empfangen die Konfirmanden nach<br />
der gemeinsamen Feier der Beichte<br />
zum ersten Mal das Heilige Abendmahl.<br />
Und im Konfirmationsgottesdienst<br />
an den Sonntagen vor Pfingsten<br />
und an Christi Himmelfahrt<br />
109<br />
Spieleabend beim Konfi-Wochenende in Feldkirchen<br />
wird ihnen, nachdem sie ihr Versprechen<br />
abgelegt haben, Gottes<br />
Segen zugesprochen.<br />
Erfreulich viele Jugendliche arbeiten<br />
auch nach ihrer Konfirmation in<br />
der Gemeinde mit: Sie tragen Gemeindebriefe<br />
aus, singen im Jugendchor,<br />
leiten den Kindergottesdienst,<br />
übernehmen Lektorendienste oder<br />
besuchen Jugendgruppen. So reißt<br />
der Kontakt zur Gemeinde nicht ab.<br />
Die Konfirmierten spüren: jeder und<br />
jede ist eingeladen, wie Paulus aufzubauen<br />
auf den Grund, der uns in<br />
Jesus Christus gelegt ist.<br />
„Ich nach Gottes Gnade, die mir<br />
gegeben ist, habe den Grund gelegt<br />
als ein weiser Baumeister; ein anderer<br />
baut darauf.<br />
Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf<br />
baut. Einen andern Grund kann niemand<br />
legen, als den, der gelegt ist,<br />
welcher ist Jesus Christus.“<br />
(1. Korinther 3,10-11)<br />
Susanne Kießling-Prinz
Als wir im Herbst 1998<br />
damit anfingen, hatten<br />
wir wirklich keine<br />
Ahnung, wie es werden würde.<br />
Noch nicht einmal einen festen<br />
Namen hatte das neugeborene<br />
„Kind“: Konfirmandenunterricht<br />
für Erwachsene? Gesprächskreis?<br />
Diskussionsrunde?<br />
Wie auch immer, zunächst sah es<br />
nach einem völligen Fehlschlag<br />
aus. Viel Zustimmung und Ermutigung<br />
vor Beginn, gewiß, großes<br />
Interesse, packende Themen, eine<br />
gemütliche Atmosphäre.... und dann<br />
doch nur zwischen zwei und fünf<br />
Teilnehmern.<br />
Das hat sich glücklicherweise geändert.<br />
Irgendwann erfolgte der lange<br />
ersehnte „Durchbruch“. Mittlerweile<br />
kommen meist mehr als 20, manchmal<br />
sogar über 30 Besucher, so daß<br />
wir längst aus dem Jugendraum im<br />
Keller unseres Bruckmühler Gemeindehauses<br />
in den größeren Saal<br />
umgezogen sind.<br />
Und was haben wir in diesen vier<br />
Jahren nicht schon „beackert“! Hier<br />
eine kleine Auswahl der Themen:<br />
• Jesus Christus: Wer oder was war<br />
er wirklich?<br />
• Das Buch der Bücher oder ein<br />
Buch mit 7 Siegeln? – Einführung<br />
in die Bibel<br />
• Nobody is perfekt! Menschliches<br />
Scheitern als Schuld und Schicksal:<br />
die sogenannte „Erbsünde”<br />
• Was macht ein Pfarrer eigentlich<br />
den ganzen Tag?<br />
Gemeinde im Gespräch<br />
• 95 Thesen und ihre Folgen: Martin<br />
Luther und die Reformation<br />
• Riesenchance oder leere Illusion?<br />
Die Sache mit der Ökumene<br />
• Gottes bunter Garten: die christlichen<br />
Kirchen der Welt<br />
• Typisch evangelisch, typisch katholisch:<br />
was unterscheidet uns eigentlich<br />
wirklich?<br />
• Stammt der Mensch vom Affen<br />
ab? Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft<br />
• Dem Volk aufs Maul geschaut: die<br />
Kunst der Bibelübersetzung<br />
• Nur eine Institution? Die <strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong><br />
Kirche in Bayern<br />
• Auferstehung oder Seelenwanderung?<br />
Die Sache mit dem Tod<br />
• So ist Versöhnung: die Beichte,<br />
mittelalterliches Folterinstrument<br />
oder Akt der Befreiung?<br />
• ”Höre, Israel, der HERR ist unser<br />
Gott!” – Einführung in das Judentum,<br />
Glaube und <strong>Geschichte</strong><br />
• ”Das Land, aus dem Jesus kam”:<br />
ein Film mit Jörg Zink<br />
110<br />
• Wie kann Gott das zulassen? Die<br />
Sache mit dem Bösen und die Frage<br />
nach dem Sinn des Leidens<br />
• Ein Glaube, der Grenzen<br />
sprengt: das Evangelium<br />
nach Matthäus<br />
• Allahu akbar ....und Mohammed<br />
ist sein Prophet: Einführung in<br />
den Islam, <strong>Geschichte</strong> und Lehre<br />
Zu den Höhepunkten zählten der<br />
Besuch der jüdischen Synagoge in<br />
der Münchener Reichenbachstraße<br />
und die Begegnung mit den muslimischen<br />
Mitbürgern in ihrem islamischen<br />
Gebetsraum im Bruckmühler<br />
Krankenhausweg.<br />
Anfang 2002 veranstalteten wir<br />
unter der Überschrift „Wege in die<br />
Freiheit“ erstmals eine eigene Bibelwoche<br />
in Bruckmühl und lasen<br />
Abschnitte aus einem der wohl<br />
spannendsten Bücher der Bibel,<br />
dem Buch Exodus (= 2. Mose).<br />
Die genauen Termine und Themen<br />
der Reihe „Gemeinde im Gespräch“<br />
sind im jeweils aktuellen<br />
Gemeindebrief oder auf unserer<br />
Website zu finden: www. bruckmuehl-evangelisch.de.<br />
Sie können<br />
natürlich auch im Pfarramt nachfragen.<br />
Wir geben gerne Auskunft:<br />
08062 / 4770<br />
Harald Höschler
D<br />
aß Frauen sich treffen, ist<br />
in unserer Gemeinde<br />
nichts Neues: Bereits zu<br />
Zeiten von Pfarrer Wendler lud dessen<br />
Frau einmal im Monat zu einer<br />
Frauenstunde ins Bruckmühler Gemeindehaus<br />
ein. Noch heute erzählen<br />
ältere Gemeindeglieder begeistert<br />
von dieser großen Runde,<br />
die entscheidenden Anteil daran<br />
hatte, daß aus „Gottesdienstbesuchern“<br />
Gemeinde wurde.<br />
Mitte 1970 übernahm Elfriede Zahradnik<br />
die Leitung dieses Kreises<br />
und betreute ihn über viele Jahre.<br />
Die Frauen engagierten sich aktiv im<br />
diakonischen Bereich. Berühmt waren<br />
die Basare, von deren Erlös Teile<br />
der Innenausstattung des Emmaus-<br />
Kirchenzentrums finanziert wurden.<br />
Als Frau Zahradnik Ende 1990 in<br />
den wohlverdienten Ruhestand ging,<br />
fand sich niemand, der ihre Arbeit<br />
weiterführen wollte. Da die Teilnehmerinnen<br />
mittlerweile in „die Jahre“<br />
gekommen waren, ergriff Diakon<br />
Werner Nugel die Initiative und<br />
begann mit diesem „Stamm“ die<br />
Seniorenarbeit in Bruckmühl.<br />
Durch Zuzug vieler junger Familien<br />
wuchs der Bedarf nach einem<br />
Angebot für jüngere Frauen. Um<br />
dem gerecht zu werden, startete<br />
Ende der 80er Jahre der Bruckmühler<br />
Frauentreff. Er bot ein breitgefächertes<br />
Spektrum von Themen<br />
(Politik, Frauen- und Glaubensthemen)<br />
und Unternehmungen an.<br />
Highlights für die Gemeinde waren<br />
auch hier Basare, mit deren beachtlichen<br />
Erlösen vor allem Hilfsprojekte<br />
für Frauen unterstützt wurden.<br />
Doch was tat sich zu dieser Zeit<br />
eigentlich in Feldkirchen, im „Schatten<br />
von Hohenfried“?<br />
Dort hatte im Frühjahr 1987 eine<br />
größere Gruppe Frauen an einer<br />
Mutter-Kind-Freizeit des Bibellesebundes<br />
teilgenommen. Die Art und<br />
Weise, wie die Referentin den Glauben<br />
in den Alltag dieser Frauen<br />
brachte, war so begeisternd, daß bei<br />
allen Teilnehmerinnen der Wunsch<br />
wach wurde: Das müssen noch<br />
mehr Frauen erfahren!<br />
Der Wunsch ging in Erfüllung. Im<br />
September 1987 fand in der Emmauskirche,<br />
überraschend gut besucht,<br />
der erste Frauenabend mit<br />
der gleichen Referentin statt. Das<br />
Interesse an weiteren Gesprächen<br />
111<br />
Frauen<br />
war an diesem Abend so stark, daß<br />
die Verantwortlichen darauf reagieren<br />
mußten: Der Feldkirchener<br />
Frauenkreis war geboren.<br />
Seit nunmehr 15 Jahren treffen sich<br />
alle zwei Wochen, unter der Leitung<br />
von Elisabeth Eichelberger,<br />
Frauen unterschiedlichen Alters und<br />
verschiedener Konfessionen in Feldkirchen<br />
zum Austausch über Lebens-<br />
und Glaubensfragen. Einige<br />
Jahre später entstand in Bruckmühl<br />
ein ähnlicher Kreis.<br />
Mitte der 90er Jahre lernten Angela<br />
Keller und Elisabeth Eichelberger<br />
die „Frühstücks-Treffen für Frauen“<br />
kennen und waren von den dort<br />
gegebenen enormen missionarischen<br />
Möglichkeiten fasziniert. Mit einigen<br />
Frauen begannen sie, darum zu<br />
beten, daß auch im Mangfalltal eine<br />
solche überkonfessionelle Arbeit<br />
stattfinden konnte. Nach einem Jahr<br />
schloß sich die neu entstandene<br />
Gruppe dem Verein „Frühstücks-<br />
Treffen für Frauen e.V.“ an.<br />
Am 19. Oktober 1996 fand das<br />
erste Treffen statt, ein voller Erfolg.<br />
Nach nunmehr 19 Treffen mit zusammen<br />
rund 2500 Teilnehmerinnen<br />
sind die Mitarbeiterinnen –<br />
knapp 20 Frauen aus verschiedenen<br />
christlichen Kirchen – dankbar für<br />
das immer noch wachsende und<br />
überwältigende Interesse der Frauen,<br />
für viele Jahre gewachsenes Vertrauen<br />
und die erlebte Ökumene.<br />
Interessierte Zuhörerinnen beim Frühstückstreffen<br />
für Frauen im Bruckmühler Gemeindesaal<br />
Angela Keller
Senioren<br />
W<br />
er auf andere Frauen<br />
und Männer zugeht,<br />
wer Kontakt sucht, wer<br />
für andere ein offenes Ohr hat, der<br />
bleibt lebendig. Wer für sich bleibt,<br />
seine Kontakte vernachlässigt und<br />
nicht auf seine Mitmenschen zugeht,<br />
wird einsam und verkümmert.<br />
Es ist gut, dass es so viele verschiedene<br />
Angebote und Hilfen für<br />
Senioren gibt. Aber es bleibt in der<br />
Verantwortung jedes Einzelnen,<br />
sich auf das eigene Älterwerden<br />
vorzubereiten und es dann auch<br />
bewußt zu gestalten.<br />
Schon 1976 riefen Adolf Lux und<br />
Hans Boer in Bruckmühl einen<br />
Seniorenkreis ins Leben. Nach der<br />
Einweihung der Emmauskirche in<br />
Feldkirchen 1983 begannen Ruth<br />
Tippe, Gladys Mattern, Elfriede<br />
Zahradnik und Heidi Bellgardt auch<br />
dort mit der Seniorenarbeit.<br />
Die älteren Frauen und Männer<br />
kommen gern in unseren beiden<br />
Gemeindezentren zusammen. Beim<br />
gemeinsamen Kaffeetrinken und<br />
selbst gebackenen Kuchen kann<br />
man gut Kontakte pflegen, sich informieren,<br />
Diavorträge ansehen,<br />
miteinander feiern, über Gott nachdenken<br />
und Ausflüge machen.<br />
Schon viele Jahre gestalten Bringfriede<br />
von Hoessle und Sigrid Bornemann<br />
aus Feldkirchen, Brigitte<br />
Durner, Barbara Klimmek und Ilona<br />
Riedl aus Bruckmühl gemeinsam<br />
mit dem Diakon ein abwechslungsreiches<br />
Programm.<br />
Seniorennachmittag im Bruckmühler Gemeindesaal 2000<br />
Seit Herbst 2001 können Senioren<br />
im “Bruckmühler Erzählcafe“ auf<br />
die Stationen ihres Lebens zurückblicken.<br />
Es lohnt sich, aus der Erinnerung<br />
Orientierung und Kraft für<br />
die Gegenwart zu schöpfen.<br />
Die ersten Seniorenfreizeiten fanden<br />
schon 1976 bis 1978 in Allerheiligen<br />
im Schwarzwald statt. Mit<br />
Diakon Werner Nugel ging es ab<br />
1996 auf große Fahrt: Uttenheim in<br />
Südtirol, Oberschönau in Thüringen,<br />
Unterburg in Kärnten und Untertrubach<br />
in der Fränkischen<br />
Schweiz. Mit Diakon Friedrich Wiesinger<br />
fuhren die Senioren 2001<br />
nach Ringelai im Bayerischen Wald<br />
und 2002 nach Natz in Südtirol. Bei<br />
diesen Fahrten konnte man Land<br />
und Leute kennenlernen, wandern,<br />
miteinander reden und essen, singen<br />
und gemeinsame Gottesdienste<br />
feiern. Das schuf Urlaubseindrücke,<br />
von denen die Bruckmühler und die<br />
Feldkirchener Senioren immer wieder<br />
schwärmen.<br />
Seit vielen Jahren besuchen Pfarrer,<br />
Pfarrerin, Diakon und ehrenamtliche<br />
Mitarbeiterinnen die Senioren<br />
der Kirchengemeinde auch zum<br />
112<br />
Geburtstag und pflegen damit im<br />
Lauf eines Jahres zu über 450 Menschen<br />
persönlichen Kontakt.<br />
Für die älteren, pflegebedürftigen<br />
Menschen in den vier Alten- und<br />
Pflegeheimen finden regelmäßig<br />
Gottesdienste statt. Durch Besuche<br />
in den Heimen wird der Kontakt zur<br />
Kirche gepflegt. Mancher Heimbewohner<br />
wird auch zu den Seniorennachmittagen<br />
abgeholt und fährt<br />
bei den Ausflügen mit.<br />
Bei den Geburtstagsbesuchen, den<br />
Gottesdiensten in den Altenheimen<br />
und den Seniorenveranstaltungen<br />
der Kirchengemeinde ergeben sich<br />
wertvolle Begegnungen mit Frauen<br />
und Männern.<br />
So wünsche ich den Senioren, dass<br />
sie sich auch in Zukunft in ihrer<br />
Gemeinde zuhause fühlen und<br />
durch ihre Teilnahme, ihre Mitarbeit<br />
und ihr Gebet die Gemeinde mitgestalten,<br />
denn „einsam sind wir<br />
klein, aber gemeinsam werden wir<br />
Anwalt des Lebendigen sein.“<br />
Friedrich Wiesinger
Diakonie<br />
L<br />
iebe ist nicht nur ein Wort.<br />
Liebe, das sind Worte und<br />
Taten. Als Zeichen der Liebe<br />
ist Jesus geboren, als Zeichen der<br />
Liebe für diese Welt.“ – Glaube<br />
und Liebe, Gottesdienst und tätige<br />
Nächstenliebe gehören zusammen.<br />
Gottes Liebe in Jesus Christus glaubwürdig<br />
verkündigen kann nur, wer<br />
selbst Liebe lebt.<br />
Jesus selbst nennt die Liebe zu Gott<br />
und die Liebe zum Nächsten im<br />
gleichen Atemzug. Und im Gleich-<br />
Bruckmühler Konfirmandinnen bei der Herbstsammlung der inneren<br />
Mission (Diakonisches Werk), Oktober 2001<br />
nis vom Weltgericht in Matthäus 25<br />
erinnert er uns: „Was Ihr einem von<br />
diesen meinen geringsten Brüdern<br />
getan habt, das habt Ihr mir getan!“<br />
Natürlich kann eine Kirchengemeinde<br />
wie unsere keine großen sozialen<br />
Einrichtungen betreiben, wie sie sich<br />
etwa in den Zentren der bayerischen<br />
Diakonie in Neuendettelsau,<br />
Rummelsberg oder Herzogsägmühle<br />
finden. Das heißt aber nicht, daß<br />
praktizierte Nächstenliebe im Alltag<br />
der Gemeinde nicht vorkommt. Im<br />
Gegenteil:<br />
• Im Besuchsdienst gehen hauptund<br />
ehrenamtliche Mitarbeiter(innen)<br />
zu alten, alleinstehenden oder<br />
kranken Menschen, gratulieren ihnen<br />
zum Geburtstag oder hören zu,<br />
wenn sie ihr Herz ausschütten.<br />
• Unsere Seniorenarbeit bewahrt<br />
alte Menschen vor Vereinsamung<br />
und eröffnet ihnen neue Perspektiven<br />
und Kontakte.<br />
• In den beiden Ökumenischen<br />
Nachbarschaftshilfen Bruckmühl<br />
und Feldkirchen-<br />
Westerham kümmern<br />
sich Ehrenamtliche<br />
um kranke<br />
und behinderte<br />
Menschen, die auf<br />
fremde Hilfe angewiesen<br />
sind.<br />
• Im Wohnheim<br />
für rußlanddeutsche<br />
Aussiedler in<br />
Feldkirchen geben<br />
wir den Neuankommenden<br />
Hilfe<br />
und Orientierung.<br />
Wir besuchen sie<br />
und veranstalten Ausflüge und<br />
andere Aktivitäten mit ihnen.<br />
• Professionelle ambulante Altenund<br />
Krankenpflege leistet die<br />
Ökumenische Sozialstation Bad Aibling.<br />
Die Kirchengemeinde trägt diese<br />
Arbeit finanziell mit.<br />
• Im Bruckmühler Pfarrhaus werden<br />
Obdachlose freundlich empfangen.<br />
Sie erhalten Essen und Trinken,<br />
mitunter auch frische Kleidung,<br />
manchmal sogar einen Übernachtungsplatz.<br />
114<br />
• Wenn in der Gemeinde ein<br />
besonderer Notfall eintritt, leisten<br />
wir im Rahmen unserer Möglichkeiten<br />
manchmal auch finanzielle<br />
Unterstützung – dank eines eigens<br />
eingerichteten Sozialfonds.<br />
• Eine große Zahl von Ehrenamtlichen,<br />
Jugendliche wie Erwachsene,<br />
klappern zweimal im Jahr Straßen,<br />
Plätze und Häuser ab, wenn das<br />
Diakonische Werk seine großen<br />
Sammlungen durchführt. Zwischen<br />
6.000 und 8.000 Euro kommen da<br />
herein. Immerhin.<br />
• Bei der Aktion Brot für die Welt in<br />
der Adventszeit sind es noch einmal<br />
8.000 bis 10.000 Euro, die notleidenden<br />
Menschen in anderen Teilen<br />
der Welt zugute kommen.<br />
• Mit dem Diakonischen Werk in<br />
Rosenheim haben wir ferner eine<br />
kompetente Anlaufstelle, wenn Menschen<br />
fachlichen Rat und professionelle<br />
Hilfen brauchen.<br />
So versucht unsere Gemeinde auf<br />
vielfältige Weise, ihrem christlichen<br />
Auftrag gerecht zu werden. Dabei<br />
denken wir daran, was uns der Hebräerbrief<br />
ans Herz legt:<br />
„Gutes zu tun und mit andern zu<br />
teilen, vergeßt nicht; denn solche<br />
Opfer gefallen Gott.“<br />
(Hebräer 13,16)<br />
Friedrich Wiesinger
I<br />
ch wünschte gewiß von Herzen,<br />
daß jeder die göttliche<br />
und vortreffliche Gabe der<br />
Musik lobte und priese.“ – Mit<br />
solch überschwenglichen Worten<br />
bedachte schon Martin Luther die<br />
Musik, die von Anfang an auch in<br />
der evangelischen Kirche eine ganz<br />
zentrale Rolle einnahm.<br />
Kirchenmusik lebt von den Menschen,<br />
die sie machen und zur Ehre<br />
Gottes, sowie zur Freude und<br />
Erbauung der Menschen singen und<br />
musizieren – jede und jeder nach<br />
den ihnen geschenkten und anvertrauten<br />
Fähigkeiten.<br />
So gab es und gibt es auch in unserer<br />
Kirchengemeinde immer schon<br />
die unterschiedlichsten musikalischen<br />
Talente, die sich entdecken<br />
und einsetzen ließen und lassen:<br />
• Da ist zunächst einmal die Orgel,<br />
die „Königin der Instrumente“, wie<br />
man sie auch nennt, in den drei Kirchen<br />
unserer Gemeinde gegenwärtig<br />
gespielt von Waltraud Herdtweck,<br />
Pauline Peetz und Barbara<br />
Eberlein. Keine weltberühmten Dom-<br />
Orgeln haben wir da, aber doch<br />
jede mit einem ganz eigenen<br />
Klangcharakter, von der Gemeinde<br />
geliebt und unter großen Anstrengungen<br />
angeschafft.<br />
• Da ist nun schon seit Jahrzehnten<br />
der Kirchenchor, der sich nach<br />
einer vakanzbedingten Unterbrechung<br />
unter der neuen und engagierten<br />
Leitung von Waltraud Herdtweck<br />
wieder sehr erfreulich entwickelt<br />
hat und gegenwärtig aus<br />
rund 25 Sängern und Sängerinnen<br />
besteht. Frühere Chorleiter, soweit<br />
Kirchenmusik<br />
sie uns heute noch bekannt sind,<br />
waren: Erna Schlegel, Ehrenfried<br />
Günther, Eckehard Schirp, Curt<br />
Haferkorn, Professor Hölzl, Pauline<br />
Peetz, Christof Sturm, Carmen<br />
Schrödle, Monika Aae, Matthias<br />
Günther, Corinna Lüers, Norbert<br />
Smolka und Andreas Mayer.<br />
113<br />
• Und da sind schließlich immer<br />
wieder einzelne Veranstaltungen<br />
und Projekte, die mit Hilfe der<br />
Musik Farbe und Leben in den Alltag<br />
der Gemeinde tragen: Adventsund<br />
Passionsmusiken, Gospeltage<br />
und Gitarrenkurse, Volkshochschulkonzerte,<br />
Serenaden und Sommer-<br />
Adventsmusik in der Johanneskirche Bruckmühl, Dezember 2001<br />
• Da ist seit 1994 der Jugendchor<br />
mit seinen rund 45 Mitgliedern, der<br />
inzwischen 130 Auftritte in der eigenen<br />
Gemeinde und auswärts absolviert<br />
und drei CDs produziert<br />
hat. Er wird an einer anderen Stelle<br />
in dieser Festschrift vorgestellt.<br />
• Da sind Gemeindeglieder, die<br />
immer wieder, alleine oder in kleinen<br />
Gruppen, regelmäßig oder nur<br />
zu besonderen Anlässen, musizieren<br />
– allen voran Elke Gross aus<br />
Feldolling, die mit ihrer Querflöte<br />
schon unzählige Male Gottesdienste,<br />
Taufen, Hochzeiten, Konfirmationen<br />
oder Beerdigungen musikalisch<br />
begleitet und mitgestaltet hat,<br />
oft auch unterstützt von Schülern<br />
und Schülerinnen oder dem Pro-<br />
Musica-Flötenensemble.<br />
konzerte, ein mittlerweile leider<br />
aufgelöster Bläserkreis (unter Leitung<br />
von Arno Fiedler) oder eine<br />
spontan ins Leben gerufene „Konfirmanden-Band“,<br />
ganz zu schweigen<br />
von all den Gruppen und Veranstaltungen,<br />
bei denen regelmäßig<br />
gesungen wird.<br />
Schön ist das, wenn so viele Talente<br />
sich einbringen und zusammen<br />
erklingen – eingedenk der Worte<br />
des Apostels Paulus an die Christen<br />
der Gemeinde von Ephesus:<br />
„Ermuntert einander mit Psalmen<br />
und Lobgesängen und geistlichen<br />
Liedern, singt und spielt dem Herrn<br />
in eurem Herzen!“ (Eph 5,19)<br />
Harald Höschler
Ein gutes Beispiel für die<br />
Lebendigkeit unserer Kirchengemeinde<br />
ist das alle<br />
zwei Jahre stattfindende Gemeindefest.<br />
Abwechselnd in Bruckmühl<br />
und Feldkirchen feiern Groß und<br />
Klein, Jung und Alt rund um das Kirchenzentrum<br />
ein Fest der Gemeinde<br />
für die Gemeinde.<br />
Schon im Frühjahr beginnt ein Festkomitee<br />
mit der Planung. Die wichtigste<br />
Frage ist natürlich zunächst<br />
der Termin: ein passendes Wochenende<br />
zwischen Pfingsten und den<br />
Sommerferien, das nicht schon anderweitig<br />
belegt ist. Wir suchen ein<br />
Motto, nach dem das Fest gestaltet<br />
werden kann, und überlegen, wofür<br />
der Erlös verwendet werden soll.<br />
Dies wird auch den Kirchenvorstand<br />
noch beschäftigen.<br />
Danach entsteht das Programm. Es<br />
wird uns den Nachmittag über begleiten:<br />
Musikalische Darbietungen,<br />
Infostände zu aktuellen Themen,<br />
Spiele für Kinder, kleine Theatergruppen,<br />
Volkstanz und der Dauerbrenner,<br />
nicht nur für kleine Kinder:<br />
die Hüpfburg.<br />
Dann geht es an<br />
unzählige Kleinigkeiten:<br />
wieviel hundert<br />
Würstl und<br />
Semmeln, wieviele<br />
Liter Getränke sollen<br />
eingekauft werden?<br />
Wobei frühere<br />
Feste immer gute<br />
Anhaltswerte liefern,<br />
nicht zuletzt<br />
mit Blick auf das<br />
Wetter, das einzig<br />
Unberechenbare.<br />
Gemeindefeste<br />
Für’s leibliche Wohl sorgen Berge<br />
von Salaten, Nachspeisen und<br />
Kuchen, von fleißigen Köchinnen<br />
frisch zum Fest angeliefert. All das,<br />
wie auch die Einteilung der Helfer<br />
(insgesamt 250 bis 300!), will gut<br />
vorbereitet sein.<br />
Aber dann ist es endlich soweit. Die<br />
letzten Vorbereitungen sind abgeschlossen,<br />
alles ist aufgebaut und<br />
ein (hoffentlich) warmer Sommertag<br />
steht uns bevor. Nach dem Gottesdienst<br />
kommen die ersten Besucher,<br />
die Kinder erstürmen ihre Burg und<br />
das Fest nimmt seinen Lauf.<br />
115<br />
Ohne den läuft gar nichts: der Bratwurstgrill!<br />
Neben der Unterhaltung gibt es<br />
immer wieder Gelegenheit zur Begegnung,<br />
und neue Kontakte werden<br />
geknüpft. Langeweile kommt<br />
jedenfalls keine auf.<br />
So vergeht der Nachmittag viel zu<br />
schnell und strebt bald seinem<br />
Höhepunkt zu, dem Jugendchorkonzert.<br />
Mit ihrem weitgespannten Programm<br />
begeistern die jungen Sänger/innen<br />
und Musiker/innen die Zuhörer<br />
in der regelmäßig überfüllten<br />
Kirche, und nach den unvermeidlichen<br />
Zugaben geht ein weiteres erfolgreiches<br />
Fest zu Ende.<br />
Wolfgang Claußner<br />
Gerne gesehen und gehört: die Bruckmühler<br />
Blasmusik, Feldkirchen 2001
Ob die kleine Schar evangelischer<br />
Christen, die sich<br />
vor 75 Jahren zu den<br />
ersten Gottesdiensten im Stollwerck-<br />
Mausoleum Hohenfried versammelte,<br />
sich das je hätte träumen lassen:<br />
daß in der Kirchengemeinde<br />
Bruckmühl mit Feldkirchen-Westerham<br />
nur ein dreiviertel Jahrhundert<br />
später rund 250 Schülerinnen und<br />
Schüler, Studentinnen und Studenten,<br />
Hausfrauen und -männer, Berufstätige,<br />
Senioren und Seniorinnen<br />
regelmäßig ehrenamtliche Aufgaben<br />
übernehmen würden?<br />
Sei es beim Musizieren und Singen<br />
im Jugend- oder Kirchenchor, im<br />
Vorbereitungsteam für Familienund<br />
Kindergottesdienste, bei Mini-<br />
Kirche, Weltgebetstag und Kinderbibelwoche,<br />
als Kinder- und Jugendgruppenleiter,<br />
beim Vorbereiten<br />
der Seniorennachmittage, als<br />
Leiter von Gesprächs- und Bibelkreisen,<br />
beim Sammeln für die Diakonie<br />
und im Besuchsdienst, beim<br />
Austragen des Gemeindebriefs und<br />
bei der Vorbereitung des Kirchenkaffees,<br />
im Eine-Welt-Laden und<br />
Ehrenamtliche<br />
bei der Gestaltung der Büchertische,<br />
im Lektorendienst oder als<br />
Kirchenvorsteher(in)....<br />
Auch ganz spezielle berufliche Fähigkeiten<br />
können da eingebracht<br />
werden, etwa beim Gestalten der<br />
gemeindlichen Homepage im Internet<br />
oder bei diversen Reparaturen<br />
und Baumaßnahmen.<br />
Höhepunkt dieses Engagements ist<br />
alle zwei Jahre das Gemeindefest.<br />
Jeweils um die 250 bis 300 Helfer<br />
werden dabei im 30-Minuten-Tur-<br />
Ehrenamtliche MitarbeiterInnen bei der alljährlichen Adventsfeier<br />
nus eingesetzt, damit auch wirklich<br />
für Jede und Jeden noch genügend<br />
Zeit zum eigenen Feiern bleibt.<br />
Woher kommt das eigentlich, daß<br />
sich so viele Menschen zu einer<br />
freiwilligen und unbezahlten Mitarbeit<br />
in unserer Gemeinde entschließen?<br />
Liegt das vielleicht daran:<br />
• daß wir seit Jahren die Konfirmanden<br />
am Ende des Konfirmandenjahres<br />
ansprechen, ob und an<br />
welcher Stelle sie über ihre Konfir-<br />
116<br />
mation hinaus Aufgaben in der<br />
Gemeinde übernehmen wollen ?<br />
• daß man mit seinen Aufgaben<br />
nicht alleine gelassen, sondern von<br />
Pfarrer, Pfarrerin und Diakon mit<br />
Rat und Tat unterstützt wird?<br />
• daß jede(r) Mitarbeiter(in) zum<br />
Geburtstag besucht und beschenkt<br />
wird und so, nicht nur bei der alljährlichen<br />
Mitarbeiter-Adventfeier<br />
Lob und Anerkennung erfährt?<br />
• daß Jede(r) die einmal übernommene<br />
Aufgabe ohne schlechtes<br />
Gewissen auch wieder abgeben<br />
darf, wenn sich Interessen und<br />
Lebensumstände geändert haben?<br />
• daß es einfach Freude macht, mit<br />
interessanten Menschen zusammenzuarbeiten<br />
und Aufgaben zu<br />
übernehmen, die einem sinnvoll<br />
erscheinen und durch die man sich<br />
persönlich weiterentwickeln kann?<br />
• daß zwischendurch bei aller Mühe<br />
auch Zeit zum Feiern, Lachen<br />
und für gute Gespräche bleibt?<br />
Sicher spielt das alles eine Rolle.<br />
Aber in einer Gemeinde mitzuarbeiten,<br />
heißt auch zu erleben, was<br />
es bedeutet, wenn der Apostel Paulus<br />
sagt (Römer 12,4-6):<br />
„Wie wir an einem Leib viele Glieder<br />
haben, aber nicht alle Glieder<br />
dieselbe Aufgabe, so sind wir viele<br />
ein Leib in Christus, aber untereinander<br />
ist einer des anderen Glied<br />
und haben verschiedene Gaben nach<br />
der Gnade, die uns gegeben ist.“<br />
Assja Neumann
C<br />
hristsein in der Ökumene<br />
heißt Christsein in einer<br />
Welt, in der Christenmenschen<br />
gemeinsam leben, auch wo<br />
die Kirchen nicht eins sind. Was die<br />
Christen in dieser Welt für die Ökumene<br />
bedeuten, das ist darum noch<br />
einmal von anderer Qualität als<br />
das, was die Kirchen und Kirchenleitungen<br />
dazu beitragen. Grenzen,<br />
die um der Wahrheit und Wahrhaftigkeit<br />
willen nötig zu achten sind,<br />
müssen nicht Grenzen im Leben<br />
sein.“ – So der Theologe Trutz<br />
Rendtorff vor vielen Jahren schon<br />
vor der Landessynode.<br />
Treffender könnte man die Grundlage<br />
der vielfältigen ökumenischen<br />
Beziehungen in unserer Gemeinde<br />
kaum beschreiben. Da kann man<br />
Grenzen überwinden, die für Kirchenleitungen<br />
noch unüberwindbar<br />
scheinen. Und es lassen sich Formen<br />
finden, die von verschiedenen<br />
Konfessionen gemeinsam getragen<br />
werden können.<br />
Natürlich sind es in erster Linie die<br />
Beziehungen zu unseren römischkatholischen<br />
Schwestergemeinden,<br />
die das ökumenische Miteinander<br />
vor Ort ausmachen:<br />
• ob es nun die längst gemeinsamen<br />
Schulgottesdienste sind,<br />
• oder der Weltgebetstag, von Frauen<br />
beider Konfessionen vorbereitet,<br />
• ob man sich bei der Bibelwoche<br />
über die gemeinsamen Wurzeln des<br />
Glaubens austauscht,<br />
• bei Exerzitien im Alltag den eigenen<br />
Glauben zu vertiefen sucht,<br />
• oder ob Kinder oder Jugendliche<br />
gemeinsam den Kreuzweg gehen,<br />
• ob man die andere Konfession<br />
zum Sonntagsgottesdienst einlädt,<br />
bei dem der jeweilige Gastpfarrer /<br />
die Gastpfarrerin die Predigt hält,<br />
• ob mehrere hundert Kinder an 5<br />
verschiedenen Orten zur Kinderbibelwoche<br />
zusammenkommen,<br />
• oder die beiden ökumenischen<br />
Nachbarschaftshilfen ihren sozialen<br />
Beitrag leisten.<br />
• Auch zur anglikanischen Kirche<br />
unterhalten wir Beziehungen. Zwölf<br />
Jahre lang stellten wir der Church of<br />
the Ascension, München monatlich<br />
die Johanneskirche für die kleine<br />
englischsprachige Gemeinde im<br />
Bruckmühler Raum zur Verfügung.<br />
Mancher Gottesdienst wurde auch<br />
ökumenisch, deutsch-englisch, gefeiert.<br />
Leider mußte dieses Angebot<br />
wegen des Fehlens eines Predigers<br />
und nachlassender Beteiligung nach<br />
117<br />
Ökumene<br />
dem Wegzug einiger Familien im<br />
Herbst 2000 eingestellt werden.<br />
• Zu einer Begegnung mit der Liturgie<br />
der orthodoxen Kirche laden wir<br />
die Konfirmanden ein. Ein Ausflug<br />
führt zum Kloster Niederaltaich, wo<br />
Gottesdienste nach byzantinischem<br />
Ritus gefeiert werden.<br />
Überall, wo Christen verschiedener<br />
Konfessionen zusammenkommen<br />
und gemeinsam beten, in der Bibel<br />
lesen und sich austauschen, wird<br />
deutlich, was die Christen in dieser<br />
Ökumenische Kinderbibelwoche Feldkirchen 1999<br />
Welt für die Ökumene bedeuten.<br />
All diese Begegnungen bergen für<br />
mich eine Erfahrung, wie ich sie im<br />
Schlußwort der Landessynode zusammengefaßt<br />
finde: „Wir erleben<br />
eine sich vertiefende Gemeinschaft,<br />
die ihre Kraft aus der Entdeckung<br />
der gemeinsamen Wurzeln des Glaubens<br />
bezieht und zu einem gegenseitigen<br />
Geben und Nehmen führt.“<br />
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W<br />
er nicht wirbt, der<br />
stirbt!“ lautet eine<br />
Redensart in Wirtschaft<br />
und Industrie. Sie läßt sich zwar<br />
nicht direkt auf die Kirche übertragen,<br />
weil diese ja nicht von ihrer<br />
Werbung, sondern aus ganz anderen<br />
Quellen lebt. Die Notwendigkeit,<br />
sich auf dem „Markt der Möglichkeiten“<br />
inmitten einer vielschichtigen<br />
und zunehmend „entkirchlichten“<br />
Gesellschaft bekannt<br />
zu machen und immer wieder neu<br />
in Erinnerung zu bringen, hat in den<br />
letzten Jahrzehnten aber doch<br />
enorm zugenommen.<br />
Neben den klassischen „Abkündigungen“<br />
im Sonntagsgottesdienst –<br />
Kirchengemeinde Gemeindebrief gestern und heute<br />
Der Gemeindebrief<br />
für die<br />
<strong>Evangelisch</strong>-lutherische Kirchengemeinde<br />
Bruckmühl – Feldkirchen-Westerham<br />
Herbst 2002<br />
die aber natürlich nur die Gottesdienstbesucher<br />
erreichen, die ohnehin<br />
schon da sind – und anderen<br />
Möglichkeiten wie Plakaten oder<br />
Handzetteln ist der Gemeindebrief<br />
heute mit Abstand unser wichtigstes<br />
Medium. Seit Ende der 70er Jahre<br />
gibt es ihn nun schon in unserer<br />
Gemeinde. Und er hat während<br />
dieser Zeit in seinem Inhalt,<br />
Umfang und Aussehen eine enorme<br />
Entwicklung durchlaufen.<br />
Viermal im Jahr erscheint er in einer<br />
Auflage von mittlerweile 3.200<br />
Exemplaren im vertrauten Format<br />
DIN A5. Er hat in der Regel 32 bis<br />
36 Seiten, wird von rund 100 freiwilligen<br />
Helfern allen evangeli-<br />
120<br />
schen Gemeindegliedern ins Haus<br />
gebracht und informiert über alle<br />
wichtigen Ereignisse und Entwicklungen<br />
in der Gemeinde. Den aktuellen<br />
Gottesdienstplan, Vorträge und<br />
Konzerte, Fahrten, Feste und Basare<br />
findet man dort ebenso wie unsere<br />
regelmäßigen Gruppen und Kreise<br />
oder auch thematische Beiträge.<br />
Und unterschätze niemand seine<br />
Wirkung: Wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
zufolge zählen die<br />
kirchlichen Gemeindeblätter, wiewohl<br />
von den Profis manchmal mitleidig<br />
belächelt, zu den meistgelesenen<br />
Publikationen in Deutschland.<br />
Wer hätte das gedacht?<br />
So versuchen wir mit Hilfe des<br />
Gemeindebriefs, den Kontakt auch<br />
zu denjenigen Gemeindegliedern<br />
aufrecht zu erhalten, die der Kirche<br />
mehr oder weniger fernstehen und<br />
selten oder nie am Leben der<br />
Gemeinde teilnehmen. Und wir<br />
erleben immer wieder gleichermaßen<br />
erstaunt wie erfreut, daß er<br />
auch dort durchaus „ankommt“ und<br />
wahrgenommen wird.<br />
Nicht zuletzt ist der Gemeindebrief<br />
aber auch so eine Art „Visitenkarte“<br />
für auswärtige Besucher und neuzugezogene<br />
Gemeindeglieder, die<br />
ihnen einen ersten Eindruck vom<br />
Leben der Gemeinde vermittelt.<br />
Und wenn man ihn dann womöglich,<br />
wie wir das im Pfarramt tun,<br />
über Jahre hinweg sammelt, stellt er<br />
ganz nebenbei auch noch eine<br />
phantastische Gemeindechronik dar.<br />
Harald Höschler
Na klar sind wir „drin“!<br />
Und wie wir „drin“ sind!<br />
Vor knapp zwei Jahren,<br />
kurz vor Weihnachten 2000, gingen<br />
wir mit unserer Website „online“.<br />
Für Nicht-Eingeweihte: Seither sind<br />
wir als Kirchengemeinde mit einer<br />
eigenen Seite im „Internet“ vertreten.<br />
Öffentlich bekannt wurde die<br />
Sache aber erst mit der Frühjahrsausgabe<br />
unseres Gemeindebriefs<br />
2001. Das Ergebnis übertraf unsere<br />
kühnsten Erwartungen:<br />
• Mehr als 180.000 sogenannte<br />
„Zugriffe“ konnten wir alleine im<br />
ersten Jahr verzeichnen. Bei Redaktionsschluß<br />
dieser Festschrift im Juni<br />
2002 waren es bereits knapp<br />
300.000. Je nachdem, wie man<br />
rechnet, müßten das mindestens<br />
30.000 Menschen gewesen sein,<br />
die uns über das Internet einen<br />
Besuch abstatteten. So viele hatten<br />
wir natürlich nie und nimmer erwartet.<br />
Donnerwetter, da muß man<br />
sich ja richtig Mühe geben!<br />
• Was uns auch nicht wenig erstaunte:<br />
Unsere „Besucher“ kamen<br />
und kommen mitnichten nur aus<br />
der eigenen Gemeinde, sondern<br />
aus der ganzen Welt. Auf welchen<br />
Wegen sie sich zu uns „verirren“,<br />
wissen wir freilich nicht. Vielleicht<br />
über andere Websites, vielleicht<br />
auch über sogenannte „Suchmaschinen“<br />
oder auch nur per Zufall.<br />
Egal, Hauptsache, sie kommen und<br />
finden eine interessante Seite.<br />
• Die Rückmeldungen im sogenannten<br />
Gästebuch der Website<br />
waren durchgehend positiv und<br />
ermutigend. Einige Beispiele: „total<br />
super“ / „ey yo, fette seite!“ / „lohnt<br />
Kirchenvorstand Internet<br />
sich<br />
wirklich,<br />
hier<br />
mal reinzuschauen“<br />
/<br />
„sehr schön gemacht“<br />
/ „sehr gute<br />
Seite“ / „ein großes<br />
Lob für die Gestaltung<br />
der Seite und<br />
ihre Funktionalität“ /<br />
„von dieser tollen Seite<br />
begeistert“ / „sehr interessant“<br />
– Das tut den Machern<br />
der Website, die doch einige<br />
Zeit und Mühe investiert haben,<br />
allen voran unser „Webmaster“<br />
Helmut Katheder aus Götting,<br />
natürlich auch mal ganz gut.<br />
• Und noch eine positive Überraschung:<br />
Die umfangreich geratenen<br />
Seiten über Glaubensfragen, die wir<br />
ursprünglich einmal, angeregt durch<br />
andere christliche oder auch nichtchristliche<br />
Websites, mit dem Hintergedanken<br />
eingebaut hatten: „Das<br />
wird zwar nicht viele interessieren,<br />
aber fehlen darf es trotzdem nicht!“,<br />
zählen zusammen mit dem Gottesdienstplan<br />
und den Predigten zum<br />
„Herunterladen“ zu den meistbesuchten<br />
Seiten überhaupt. Da schau<br />
her! Wer hätte das gedacht?<br />
• Ganz besonders gut kamen Fotogalerien<br />
im Anschluß an größere<br />
Veranstaltungen beim „geschätzten<br />
Publikum“ an: Ob das ein Gemeindefest<br />
war oder das Sommerkonzert<br />
unseres Jugendchors, die neue „Minikirche“<br />
oder andere Ereignisse aus<br />
dem Leben der Gemeinde: solche<br />
Bilderserien ließen die „Zugriffsstatistik“<br />
ebenso spürbar nach oben<br />
schnellen wie die neu eingerichtete<br />
121<br />
„Konfirmandengalerie“.<br />
• Einmal hinterließ<br />
uns ein<br />
(unbekannter) Besucher<br />
als Gästebucheintrag<br />
das Farbfoto<br />
einer durchaus<br />
attraktiven nackten blonden<br />
Schönheit. Das hätte<br />
unsere Zugriffsstatistik zwar<br />
möglicherweise noch einmal<br />
deutlich in die Höhe getrieben,<br />
wir haben es aber dann doch lieber<br />
gelöscht. Auf diese Art und Weise<br />
wollten wir eigentlich nicht auf<br />
uns aufmerksam machen.<br />
• Natürlich bildet sich nun niemand<br />
ein, mit Hilfe des Internet<br />
dem Evangelium zu einem neuen<br />
Siegeszug verhelfen zu können.<br />
Das kann nur EINER, nämlich der,<br />
der SEINER Kirche, wo sie sich auf<br />
ein klares Christusbekenntnis gründet<br />
(Mt 16,18), die Verheißung gegeben<br />
hat, „die Pforten der Hölle<br />
sollten sie nicht überwinden“.<br />
Als eine tolle Chance, Menschen<br />
anzusprechen und für die vielfältigen<br />
Angebote der Kirchengemeinde<br />
zu interessieren, hat sich das neue<br />
Medium aber doch erwiesen. Und<br />
wir sind mächtig gespannt, wie es<br />
sich weiter entwickeln wird.<br />
Harald Höschler
1) Kirchengemeinde:<br />
xxx Wichtige Adressen<br />
Harald Höschler, Pfarrer (gleichzeitig auch Pfarramt):<br />
Adalbert-Stifter-Straße 2, 83052 Bruckmühl,<br />
Telefon: 0 80 62 / 47 70 – Fax: 0 80 62 / 80 53 39<br />
E-mail: haraldhoeschler@t-online.de<br />
Susanne Kießling-Prinz, Pfarrerin:<br />
Sudetenweg 36, 83620 Feldkirchen-Westerham,<br />
Telefon: 0 80 63 / 54 07 – Fax: 0 80 63 / 97 29 37<br />
E-mail: prinz.feldkirchen.kiessling@t-online.de<br />
Friedrich Wiesinger, Diakon:<br />
Gottlob-Weiler-Straße 1d, 83052 Heufeldmühle,<br />
Telefon: 0 80 62 / 80 79 06 – E-mail:<br />
wiesinger.friedrich@freenet.de<br />
Erwin Sergel, Lehrvikar:<br />
Dr. Hans-Jakob-Str. 9, 83059 Kolbermoor, Telefon:<br />
0 80 31 / 23 31 63 – E-mail: erwin.sergel@gmx.de<br />
Angela Keller und Ulrike Mack, Pfarramtssekretärinnen:<br />
Montag bis Freitag von 8 bis13 Uhr im Pfarramt<br />
(siehe oben bei Pfarrer Höschler) – E-mail:<br />
bruckmuehl.evangelisch@web.de<br />
Wolfgang Claußner, Vertrauensmann<br />
des Kirchenvorstands:<br />
Pater-Maier-Straße 16, 83620 Feldkirchen-Westerham,<br />
Telefon: 0 80 63 / 10 53 – E-mail: wclaussner@epo.org<br />
Gerdi Dietrich, stellvertretende Vertrauensfrau<br />
des Kirchenvorstands:<br />
Kiem-Pauli-Weg 16, 83052 Heufeld, Telefon: 0 80 62 /<br />
21 98 – E-mail: gerdidietrich@yahoo.de<br />
INTERNET-ADRESSE:<br />
www.bruckmuehl-evangelisch.de<br />
122<br />
2) Dekanatsbezirk:<br />
<strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong>s Dekanat:<br />
Königstraße 23, 83022 Rosenheim, Telefon:<br />
0 80 31 / 1 70 82, Fax: 0 80 31 / 38 27 57 – Website:<br />
www.ejro.de/dekanat – E-mail: dekanat@ejro.de<br />
<strong>Evangelisch</strong>e Jugend:<br />
Königstraße 23, 83022 Rosenheim, Tel.: 0 80 31 / 1 74 75<br />
– Website: www.ejro.de – E-mail: ej-dekanat@ejro.de<br />
<strong>Evangelisch</strong>es Bildungswerk:<br />
Münchener Straße 38, 83022 Rosenheim, Telefon:<br />
0 80 31 /3 49 00, Fax: 0 80 31 / 38 13 95<br />
Diakonisches Werk:<br />
Innstraße 72, 83022 Rosenheim, Telefon: 0 80 31 / 3 00 90<br />
– Fax: 0 80 31 / 30 09 13 – Website: www.dwro.org<br />
E-mail: selensky@dwro.org<br />
3) <strong>Evangelisch</strong>e Kirche<br />
überregional:<br />
<strong>Evangelisch</strong>-<strong>Lutherische</strong> Kirche in Bayern:<br />
Meiserstrasse 11-13, 80333 München, Telefon: 089 /<br />
55 95-0 – Website: www.bayern-evangelisch.de<br />
E-mail: poep@elkb.de<br />
<strong>Evangelisch</strong>e Kirche in Deutschland:<br />
Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover, Telefon:<br />
05 11 / 27 96-0, Fax: 05 11 / 27 96-707 – Website:<br />
www.ekd.de – E-mail: info@ekd.de<br />
Vereinigte Evang.-Luth. Kirche in Deutschland:<br />
Richard-Wagner-Straße 26, 30177 Hannover, Telefon:<br />
05 11 / 6 26 12 36 – Fax: 05 11 / 6 26 15 11 – Website:<br />
www.velkd.de – E-mail: pressestelle@velkd.de
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