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Friedrich U. Mathiak<br />

Technische<br />

Mechanik I<br />

<strong>Grundlagen</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Statik</strong>


Technische Mechanik I<br />

<strong>Grundlagen</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Statik</strong><br />

Copyright Neubran<strong>de</strong><strong>nb</strong>urg 2000 / Friedrich U. Mathiak<br />

Der Nachdruck o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Kopieren dieses Skriptes ist auch auszugsweise nur mit<br />

Genehmigung <strong>de</strong>s Autors erlaubt.<br />

1. Auflage Neubran<strong>de</strong><strong>nb</strong>urg 1998<br />

2. Auflage Neubran<strong>de</strong><strong>nb</strong>urg 2000<br />

Fachhoc<strong>hs</strong>chule Neubran<strong>de</strong><strong>nb</strong>urg<br />

Prof. Dr.-Ing. Friedrich U. Mathiak<br />

Fachbereich:<br />

Bauingenieur- und Vermessungswesen<br />

Postanschrift:<br />

Brodaer Straße 2<br />

D-17033 Neubran<strong>de</strong><strong>nb</strong>urg Tel.: (0395) 5693-(0)-301


INHALTSVERZEICHNIS<br />

I<br />

1 EINFÜHRUNG 1<br />

1.1 Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Mechanik 1<br />

1.1.1 Einige historische Bemerkungen 3<br />

1.2 <strong>Grundlagen</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mechanik 9<br />

1.2.1 Physikalische Größen 9<br />

1.2.2 Das Internationale Einheitensystem (SI) 9<br />

1.3 Begriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Mechanik 15<br />

1.3.1 Der Körper 16<br />

1.3.2 Tragwerksformen 22<br />

1.3.3 Bewegungen 24<br />

2 ALLGEMEINE EINFÜHRUNG DES KRAFTBEGRIFFS 27<br />

2.1 Einteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte 29<br />

2.1.1 Räumlich verteilte Kräfte 29<br />

2.1.2 Flächenhaft verteilte Kräfte 31<br />

2.1.3 Linienhaft verteilte Kräfte 32<br />

2.1.4 Einzelkräfte 32<br />

2.1.5 Eingeprägte Kräfte 33<br />

2.1.6 Reaktionskräfte, das Befreiungsprinzip 34<br />

2.1.7 Äußere Kräfte 34<br />

2.1.8 Innere Kräfte, das Schnittprinzip 35<br />

2.2 Gravitation und Schwerkraft 36<br />

2.3 Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>kräfte elastischer Fe<strong><strong>de</strong>r</strong>n 39<br />

3 ZENTRALE KRÄFTESYSTEME 41<br />

3.1 Definitionen 41<br />

3.2 Zentrale, ebene Kräftesysteme 42<br />

3.3 Zentrale, räumliche Kräftesysteme 50<br />

4 ALLGEMEINE KRÄFTESYSTEME AM STARREN KÖRPER 55<br />

4.1 Definition 55<br />

4.2 Allgemeine ebene Kräftesysteme am starren Körper 56<br />

4.2.1 Parallele Kräfte mit gleicher Wirkungslinie 56<br />

4.2.2 Nicht parallele Kräfte 57<br />

4.2.3 Gleichgerichtete parallele Kräfte mit nicht gleicher Wirkungslinie 58<br />

4.2.4 Nicht sämtlich gleichgerichtete parallele Kräfte mit nicht gleicher Wirkungslinie 60<br />

4.2.5 Analytische Reduktion eines allgemeinen ebenen Kräftesystems 61<br />

4.2.6 Das Seileck 65<br />

4.2.7 Das Kräftepaar 67<br />

4.3 Allgemeine räumliche Kräftesysteme am starren Körper 71<br />

4.3.1 Das Versetzungsmoment 71<br />

4.3.2 Das Moment einer Kraft bezogen auf einen Punkt 71<br />

4.3.3 Das Moment einer Kraft bezogen auf eine Ac<strong>hs</strong>e 73<br />

4.3.4 Reduktion eines räumlichen Kräftesystems 74<br />

4.3.5 Die Kraftschraube o<strong><strong>de</strong>r</strong> Dyname 76<br />

4.3.6 Reduktion kontinuierlich verteilter Kräfte 79<br />

4.4 Gleichgewichtsbedingungen 83<br />

5 PHYSIKALISCHE UND GEOMETRISCHE GRÖßEN VON KÖRPERN, FLÄCHEN UND<br />

LINIEN 89<br />

5.1 Allgemeines 89<br />

5.2 Momente 0-ten Gra<strong>de</strong>s, Volumen, Masse und Gewicht eines Körpers 90<br />

5.3 Momente 1-ten Gra<strong>de</strong>s, Schwerpunkt und Massenmittelpunkt eines Körpers 91<br />

5.4 Schwerpunkt und Mittelpunkt einer Fläche 99<br />

5.5 Schwerpunkt und Mittelpunkt einer Linie 105<br />

5.6 Die Regeln von Guldin 108<br />

5.7 Flächenmomente 2. Gra<strong>de</strong>s, Flächenträgheitsmomente und das Flächen<strong>de</strong>viationsmoment 110<br />

5.7.1 Sätze über Flächenmomente 2. Gra<strong>de</strong>s 113<br />

5.7.2 Hauptflächenträgheitsmomente 117<br />

5.7.3 Dünnwandige Querschnitte 121


II<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

6 SPANNUNGEN 125<br />

6.1 Allgemeines 125<br />

6.2 Der Spannungszustand in einer beliebig gerichteten Schnittfläche 128<br />

6.3 Die statische Grundgleichung 130<br />

6.4 Der Satz von <strong>de</strong>n zugeordneten Schubspannungen 133<br />

6.5 Der ebene Spannungszustand 134<br />

6.5.1 Transformationsgleichungen <strong>de</strong>s ebenen Spannungszustan<strong>de</strong>s 137<br />

6.1.2 Hauptspannungen 138<br />

6.6 Der einac<strong>hs</strong>ige Spannungszustand 141<br />

6.7 Der Mohrsche Spannungskreis für <strong>de</strong>n ebenen Spannungszustand 143<br />

7 VERSCHIEBUNGEN UND VERZERRUNGEN 151<br />

7.1 Die Verschiebungen 151<br />

7.2 Der Verzerrungszustand 153<br />

7.2.1 Dehnungen 153<br />

7.2.2 Die Gleitungen 155<br />

7.2.3 Haupt<strong>de</strong>hnungen 159<br />

8 MATERIALGESETZE 163<br />

8.1 Allgemeines 163<br />

8.2 Das Elastizitätsgesetz für <strong>de</strong>n ebenen Spannungszustand 174<br />

8.3 Das Elastizitätsgesetz für <strong>de</strong>n ebenen Verzerrungszustand 175<br />

8.4 Das Prinzip von <strong>de</strong> Saint-Venant 177<br />

9 DIE STATIK DER STARREN KÖRPER 179<br />

9.1 Allgemeines 179<br />

9.2 Lager 180<br />

9.3 Der statisch und kinematisch bestimmt gelagerte Körper 184<br />

9.4 Berechnung von Auflagerreaktionskräften 186<br />

9.5 Zusammengesetzte Systeme starrer Körper 191<br />

10 SCHNITTLASTEN EINES BALKENS 197<br />

10.1 Schnittlastenermittlung am Träger auf zwei Stützen 204<br />

10.1.1 Der Träger auf zwei Stützen unter einer Einzelkraft Fz 204<br />

10.1.2 Der Träger auf zwei Stützen unter einer Einzelkraft Fx 207<br />

10.1.3 Der Träger auf zwei Stützen unter einem Einzelmoment My 208<br />

10.1.4 Der Träger auf zwei Stützen unter Linienlast q (x) 210<br />

10.1.5 Die Randwerte <strong><strong>de</strong>r</strong> Schnittlasten 213<br />

10.1.5.1 Freier Rand 214<br />

10.1.5.2 Gleitlager 214<br />

10.1.5.3 Festlager 215<br />

10.1.5.4 Einspannung 216<br />

10.2 Zusammenhang zwischen Schnittlasten und äußerer Belastung,<br />

die Schnittlastendifferentialgleichungen 217<br />

10.2.1 Integration <strong><strong>de</strong>r</strong> Differentialgleichungen 219<br />

11 EBENE FACHWERKE 223<br />

11.1 Statisch bestimmte Fachwerke 224<br />

11.2 Statisch u<strong>nb</strong>estimmte Fachwerke 226<br />

11.3 Ermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stabkräfte für statisch bestimmte Fachwerke 227<br />

11.3.1 Das Knotenschnittverfahren 227<br />

11.3.2 Die Rittersche Schnittmetho<strong>de</strong> 229<br />

12 WIDERSTANDSKRÄFTE 233<br />

12.1 Haftung 233<br />

12.2 Gleitreibung 236<br />

12.3 Viskose Dämpfung 237<br />

12.4 Luftwi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand 238<br />

12.5 Seilreibung 238<br />

A Anhang Tabellen 243


163<br />

8 Materialgesetze<br />

8.1 Allgemeines<br />

Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Begriffe Spannungen und Verzerrungen sind zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n Definition Beziehungen herzustellen, die vom verwen<strong>de</strong>ten Material abhängen. Die<br />

Gleichungen, die die Verzerrungen und die Spannungen miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> verknüpfen, wer<strong>de</strong>n<br />

Materialgleichungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch Stoffgleichungen genannt. Zur Bestimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Stoffgleichungen auftreten<strong>de</strong>n Werkstoffkennwerte wer<strong>de</strong>n Experimente benötigt. Im einfac<strong>hs</strong>ten<br />

Fall, und auf <strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n wir uns hier beschränken, bestehen die Werkstoffkennwerte<br />

aus Konstanten. Ein wichtiger Versuch zur Bestimmung <strong>de</strong>s Werkstoffverhaltens ist<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> einac<strong>hs</strong>ige Zug- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Druckversuch. Zur Durchführung <strong>de</strong>s Zugversuches 1 wird ein<br />

genormter Prüfkörper (etwa nach Abb. 8-1) aus <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Werkstoff hergestellt und<br />

dann über Spannvorrichtungen (Spannköpfe) in eine Zugprüfmaschine eingespannt.<br />

Abb. 8-1 Große ISO Flachzugprobe nach DIN 50114 (Maße in mm)<br />

Durch die Relativverschiebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Spannköpfe wird in die Probe mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Referenzlänge l 0<br />

eine Zugkraft N eingeleitet, die zu einer Längenän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ∆l führt. Durch Meßeinrichtungen<br />

wer<strong>de</strong>n die aktuelle Zugkraft und die im Meßbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Probe auftreten<strong>de</strong> Verlängerung<br />

kontinuierlich gemessen und bei Bedarf in einer Kraft-Verlängerungskurve grafisch


164 8 Materialgesetze<br />

ausgegeben. Wer<strong>de</strong>n durch die Prüfeinrichtung die Kraft N sofort auf die Querschnittsfläche<br />

A 0 und die Längenän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ∆l auf die Referenzlänge l 0<br />

bezogen, dann liegt das Versuc<strong>hs</strong>ergebnis<br />

mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ingenieurspannung: σ = N A 0<br />

und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ingenieur<strong>de</strong>hnung: ε = ∆l<br />

l 0<br />

als Spannungs-Dehnungsdiagramm (σ − ε -Diagramm) vor, aus <strong>de</strong>m gewisse Werkstoffkennwerte<br />

abgelesen wer<strong>de</strong>n können. Die genormten Probenformen sind so gestaltet, daß<br />

bei sachgemäßer Versuc<strong>hs</strong>durchführung im gesamten Meßbereich homogene Kraft- und<br />

Verformungszustän<strong>de</strong> zu erwarten sind.<br />

Abb. 8-2 Der einac<strong>hs</strong>ige Zugversuch, metallische Werkstoffe<br />

Abb. 8-2 zeigen das Spannungs-Dehnungsverhalten metallischer Werkstoffe. Diese Kurven<br />

weisen folgen<strong>de</strong> charakteristische Punkte auf, die be<strong>de</strong>utsam sind für die Klassifizierung<br />

<strong>de</strong>s Materials.<br />

1. Die Proportionalitätsgrenze σ P<br />

Der lineare Zusammenhang zwischen Spannungen und Dehnungen en<strong>de</strong>t bei Erreichen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Proportionalitätsgrenze σ P . Wird die Probe entlastet, dann bil<strong>de</strong>n sich die<br />

Verformungen vollständig zurück, sofern σ<br />

≤ σ P<br />

.<br />

1 s.h. DIN 50145


165<br />

2. Die Elastizitätsgrenze σ E<br />

Sie stellt eine praktische Grenze <strong>de</strong>s elastischen Bereic<strong>hs</strong> dar. Um diesen Punkt zu<br />

fin<strong>de</strong>n, muß die Probe jedoch geringfügig plastisch verformt wer<strong>de</strong>n. Die Festlegung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Elastizitätsgrenze ist <strong>de</strong>mnach eine Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> Meßgenauigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Konvention.<br />

Es ist üblich, die Grenze für <strong>de</strong>n elastischen Bereich bei einer bleiben<strong>de</strong>n Dehnung<br />

von 0,2% festzulegen und nennt diese dann σ 0, 2<br />

-Grenze. Wird eine Zugprobe<br />

über die Elastizitätsgrenze hinaus bis beispielsweise zum Punkt P belastet, so verbleibt<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Entlastung eine bleiben<strong>de</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> plastische Dehnung ε P<br />

. Die Entlastungslinie<br />

verläuft dabei praktisch parallel zur Tangente an die σ − ε - Kurve durch<br />

<strong>de</strong>n Ursprung.<br />

3. Die Streck- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Fließgrenze σ F<br />

Einige metallische Werkstoffe (z.B. St 37) besitzen eine ausgeprägte Streckgrenze.<br />

Bei Erreichen <strong><strong>de</strong>r</strong> (Zug-) Fließgrenze σ F<br />

setzt plastisches Fließen ein. Die Probe<br />

verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t dabei ihr Aussehen, blanke Proben wer<strong>de</strong>n matt. Bei sprö<strong>de</strong>n Materialien<br />

führt eine Laststeigerung dann recht schnell zum Bruch. Beim Werkstoff Stahl lassen<br />

sich die Dehnungen noch erhöhen, ohne daß eine nennenswerte Krafterhöhung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich<br />

ist.<br />

4. Die Bruchgrenze σ B<br />

Nach Überschreiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fließgrenze läßt sich die Spannung weiter erhöhen. Die Probe<br />

verfestigt gewissermaßen bis zum Höc<strong>hs</strong>twert σ B<br />

, <strong>de</strong>nn betrachten wir z.B. <strong>de</strong>n<br />

Punkt P, dann zeigt eine Entlastung und sofortige Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>belastung, daß sich die Proportionalitätsgrenze<br />

σ P<br />

offensichtlich erhöht hat, nämlich auf das Spannungsniveau<br />

am Punkt P. Wird über die Bruchgrenze hinaus weiter belastet, dann beginnt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Querschnitt einzuschnüren. Das Material beginnt instabil zu wer<strong>de</strong>n, bis schließlich<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bruc<strong>hs</strong>pannung σ Z<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bruch <strong><strong>de</strong>r</strong> Probe erfolgt. Die Bruc<strong>hs</strong>pannung σ Z<br />

hat<br />

praktisch keine Be<strong>de</strong>utung.<br />

Hinweis: Wird die Kraft N nicht auf die konstante Ausgangsfläche A 0 , son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf die vom<br />

Verformungszustand abhängige aktuelle Fläche A bezogen, dann ergibt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> linken<br />

Grafik <strong><strong>de</strong>r</strong> Abb. 8-2 gestrichelt dargestellte Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Spannungs<strong>de</strong>hnungskurve.<br />

Für die folgen<strong>de</strong>n Untersuchungen beschränken wir uns auf <strong>de</strong>n einfac<strong>hs</strong>ten Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> homogenen<br />

linear-elastischen isotropen Stoffe. Dabei be<strong>de</strong>uten im einzelnen<br />

homogen:<br />

daß das Material überall dieselben, vom Ort unabhängigen Materialkonstanten<br />

besitzt


166 8 Materialgesetze<br />

linear-elastisch:<br />

daß zwischen <strong>de</strong>n Verzerrungen und <strong>de</strong>n Spannungen ein linearer<br />

Zusammenhang besteht und<br />

isotrop:<br />

daß die Richtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptspannungen und Hauptverzerrungen<br />

zusammenfallen sollen und gleiche Hauptspannungen bei beliebig<br />

gedrehtem Material zu gleichen Dehnungen führt.<br />

Der einfac<strong>hs</strong>te Zusammenhang zwischen Spannungen und Verzerrungen ist linear, d.h. von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Form:<br />

σ ≈ ε<br />

Um die obige Gleichung zu konkretisieren, betrachten wir <strong>de</strong>n einac<strong>hs</strong>igen Zugversuch<br />

nach Abb. 8-3 für <strong>de</strong>n gilt:<br />

σ<br />

ξξ<br />

lξ<br />

− l<br />

= E<br />

l<br />

ξ<br />

ξ<br />

= Eε<br />

ξξ<br />

Gl. 8-1<br />

Abb. 8-3 Einac<strong>hs</strong>iger Zugversuch<br />

Die Konstante E heißt Elastizitätsmodul. Der Elastizitätsmodul ist ein Maß für <strong>de</strong>n Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand<br />

<strong>de</strong>s Materials gegen Normalspannungsbeanspruchung. Je größer E ist, um so kleiner<br />

wer<strong>de</strong>n die Dehnungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stauchungen bei einer vorgegebenen Spannung. Der E-Modul


167<br />

kann unterhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Proportionalitätsgrenze wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> dort gültigen Beziehung<br />

σ<br />

ε<br />

= tan α = E <strong><strong>de</strong>r</strong> Spannungs-Dehnungskurve entnommen wer<strong>de</strong>n.<br />

Masse<br />

Länge ⋅(<br />

Zeit )<br />

−1<br />

−2<br />

2<br />

[ E ] =<br />

; Einheitkgm s = N /<br />

2<br />

m<br />

0 ≤ E ≤ ∞<br />

Gl. 8-2<br />

Die Erfahrung zeigt allerdings auch, daß die Normalspannung σ ξξ<br />

Dehnungen in Richtung<br />

η und ζ hervorruft (Abb. 8-3). Zugspannungen in ξ-Richtungen verkürzen das Element in<br />

η - und ζ- Richtung:<br />

∆l<br />

l<br />

q<br />

q<br />

=<br />

l<br />

q<br />

− l<br />

l<br />

q<br />

q<br />

∆lξ<br />

= ε<br />

ηη<br />

= εζζ<br />

= − ν = −νε<br />

l<br />

ξ<br />

ξξ Gl. 8-3<br />

Die positive Konstante ν wird Querkontraktionszahl genannt. Damit ist neben <strong>de</strong>m Elastizitätsmodul<br />

E eine zweite Konstante eingeführt.<br />

Verallgemeinern wir die obigen Betrachtungen<br />

auf <strong>de</strong>n räumlichen Fall mit reiner<br />

Hauptnormalspannungsbeanspruchung, dann<br />

ist die folgen<strong>de</strong> Darstellung sinnvoll:<br />

Abb. 8-4 Hauptspannungsbeanspruchung<br />

1 1 1<br />

ε = σ − ν σ − ν σ<br />

E E E<br />

1<br />

= [ σξξ − ν( σ<br />

ηη<br />

+ σζζ<br />

)]<br />

E<br />

ξξ ξξ ηη ζζ<br />

Experimentelle Ergebnisse zeigen, daß die Normalspannungen am Element nur Dehnungen<br />

und Schubspannungen nur Gleitungen hervorrufen. Wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> vorausgesetzten Isotropie<br />

gibt es keine bevorzugten Richtungen und es kann insgesamt geschrieben wer<strong>de</strong>n:


168 8 Materialgesetze<br />

[ ( )]<br />

1 1 ν ν<br />

ε σ ν σ σ<br />

σ<br />

ν σ<br />

ξξ<br />

=<br />

ξξ<br />

−<br />

ηη<br />

+<br />

ζζ<br />

= + ⎡<br />

⎤<br />

ξξ<br />

−<br />

E<br />

E ⎣<br />

⎢ 1 + ⎦<br />

⎥<br />

1 1 ν ν<br />

ε [ σ ν( σ σ )]<br />

σ<br />

ν σ<br />

ηη<br />

=<br />

ηη<br />

−<br />

ξξ<br />

+<br />

ζζ<br />

= + ⎡<br />

⎤<br />

ηη<br />

−<br />

E<br />

E ⎣<br />

⎢ 1 + ⎦<br />

⎥<br />

1 1 ν ν<br />

ε [ σ ν( σ σ )]<br />

σ<br />

ν σ<br />

ζζ<br />

=<br />

ζζ<br />

−<br />

ξξ<br />

+<br />

ηη<br />

= + ⎡<br />

⎤<br />

ζζ<br />

−<br />

E<br />

E ⎣<br />

⎢ 1 + ⎦<br />

⎥<br />

Gl. 8-4<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> rechts stehen<strong>de</strong>n Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> obigen Gleichung wur<strong>de</strong> mit<br />

σ = σξξ + σ<br />

ηη<br />

+ σζζ<br />

Gl. 8-5<br />

die koordinateninvariante Spannungssumme 1 eingeführt. Die bei<strong>de</strong>n letzten Beziehungen in<br />

Gl. 8-4 erhalten wir durch einfache Vertauschung <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptac<strong>hs</strong>richtungen. Um eine Abschätzung<br />

für die Querkontraktionszahl ν zu erhalten, berechnen wir unter Beachtung von<br />

Gl. 8-4 die Volumen<strong>de</strong>hnung:<br />

( )<br />

1 ν ν<br />

ε ε ε ε σ<br />

ν σ ν ν<br />

= + + = + ⎡ 3 ⎤<br />

− σ σ σ σ<br />

⎣<br />

⎢ + ⎦<br />

⎥ = 1 − 2 1<br />

= − 2<br />

+ +<br />

E 1 E E<br />

ξξ ηη ζζ ξξ ηη ζζ<br />

Erfahrungsgemäß bewirken positive Längsspannungen stets eine Volumenvergrößerung, so<br />

daß die Querkontraktionszahl ν (positive Werte vorausgesetzt) die Werte<br />

0 ≤<br />

1<br />

≤<br />

2<br />

ν Gl. 8-6<br />

annehmen kann. Der Wert ν = 1 2 be<strong>de</strong>utet Volumenkonstanz, während für Baustahl und<br />

die meisten metallischen Werkstoffe etwa ν = 1/3 angesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Körper um T Kelvin gegenüber einer beliebigen Ausgangstemperatur erwärmt,<br />

so vergrößert sich je<strong>de</strong> beliebige Länge l <strong>de</strong>s Körpers um das Maß ∆ l<br />

= lα T<br />

T , wobei<br />

α T<br />

<strong>de</strong>n linearen Temperaturaus<strong>de</strong>hnungskoeffizienten be<strong>de</strong>utet. Zu je<strong><strong>de</strong>r</strong> beliebigen<br />

Richtung ergibt sich dann zusätzlich eine Temperatur<strong>de</strong>hnung, was zu <strong>de</strong>n Gesamt<strong>de</strong>hnungen<br />

1 die auch die Spur <strong>de</strong>s Spannungstensors genannt wird


169<br />

ε<br />

ε<br />

ε<br />

ξξ<br />

ηη<br />

ζζ<br />

1+ ν ⎛<br />

= ⎜σ<br />

E ⎝<br />

1+ ν ⎛<br />

= ⎜σ<br />

E ⎝<br />

1+ ν ⎛<br />

= ⎜σ<br />

E ⎝<br />

ξξ<br />

ηη<br />

ζζ<br />

−<br />

1<br />

−<br />

1<br />

−<br />

1<br />

ν<br />

+ ν<br />

ν<br />

+ ν<br />

ν<br />

+ ν<br />

⎞<br />

σ⎟<br />

+ α<br />

⎠<br />

T<br />

⎞<br />

σ⎟<br />

+ α<br />

⎠<br />

⎞<br />

σ⎟<br />

+ α<br />

⎠<br />

T<br />

T<br />

T<br />

T<br />

T<br />

Gl. 8-7<br />

führt. Im näc<strong>hs</strong>ten Schritt verallgemeinern wir unsere Ergebnisse aus Gl. 8-7 auf Elementorientierungen,<br />

die nicht <strong>de</strong>n Richtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptac<strong>hs</strong>en entsprechen. Wir benutzen dazu<br />

die getroffene Voraussetzung, daß Spannungs- und Verzerrungstensor gleiche Hauptac<strong>hs</strong>richtungen<br />

besitzen sollen. Aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinfachung behan<strong>de</strong>ln wir zunäc<strong>hs</strong>t nur<br />

das ebene Problem und verallgemeinern dann auf <strong>de</strong>n räumlichen Fall. Von Gl. 8-7 verbleiben<br />

für <strong>de</strong>n isothermen Fall (T = 0)<br />

ε<br />

ε<br />

ξξ<br />

ηη<br />

1+ ν ⎛<br />

= ⎜σ<br />

E ⎝<br />

1+ ν ⎛<br />

= ⎜σ<br />

E ⎝<br />

ξξ<br />

ηη<br />

−<br />

1<br />

−<br />

1<br />

ν<br />

+ ν<br />

ν<br />

+ ν<br />

⎞<br />

σ⎟<br />

⎠<br />

⎞<br />

σ⎟<br />

⎠<br />

Gl. 8-8<br />

Abb. 8-5 Transformation <strong>de</strong>s Hauptspannungszustan<strong>de</strong>s<br />

Die Drehung <strong>de</strong>s Hauptspannungszustan<strong>de</strong>s um <strong>de</strong>n Winkel ϕ wird durch die folgen<strong>de</strong><br />

Transformationsgleichungen beschrieben ( σ ξη<br />

= 0 )<br />

σ<br />

σ<br />

σ<br />

xx<br />

yy<br />

xy<br />

σ<br />

=<br />

σ<br />

=<br />

=<br />

ξξ<br />

ξξ<br />

+ σ<br />

2<br />

+ σ<br />

2<br />

ηη<br />

ηη<br />

σ<br />

+<br />

σ<br />

−<br />

σ<br />

−<br />

ξξ<br />

ξξ<br />

ξξ<br />

− σ<br />

2<br />

− σ<br />

2<br />

− σ<br />

2<br />

ηη<br />

ηη<br />

ηη<br />

cos 2ϕ<br />

cos 2ϕ<br />

sin 2ϕ<br />

Gl. 8-9


170 8 Materialgesetze<br />

und analog für die Verzerrungen<br />

ε<br />

ε<br />

ε<br />

xx<br />

yy<br />

xy<br />

ε<br />

=<br />

ε<br />

=<br />

=<br />

ξξ<br />

ξξ<br />

+ ε<br />

2<br />

+ ε<br />

2<br />

ηη<br />

ηη<br />

ε<br />

+<br />

ε<br />

−<br />

ε<br />

−<br />

ξξ<br />

ξξ<br />

ξξ<br />

− ε<br />

2<br />

− ε<br />

2<br />

− ε<br />

2<br />

ηη<br />

ηη<br />

ηη<br />

cos 2ϕ<br />

cos 2ϕ<br />

sin 2ϕ<br />

Gl. 8-10<br />

ν<br />

Mit εξξ<br />

+ ε<br />

ηη<br />

= ε = 1 − σ<br />

E<br />

1 ν<br />

und εξξ − ε<br />

ηη<br />

= + ( σ<br />

ξξ<br />

− σ<br />

ηη)<br />

E<br />

folgt dann<br />

ε<br />

xx<br />

=<br />

ε + ε ε − ε<br />

+<br />

2 2<br />

ξξ ηη ξξ ηη<br />

( ξξ ηη)<br />

1 ⎡1<br />

− ν 1 ν<br />

ϕ = σ + + ⎤<br />

cos 2<br />

σ − σ ϕ<br />

E ⎣<br />

⎢<br />

cos 2<br />

2 2<br />

⎦<br />

⎥<br />

und umsortiert<br />

ε<br />

xx<br />

=<br />

⎡<br />

⎤<br />

1<br />

⎢σ<br />

⎥<br />

ξξ<br />

+ σηη<br />

σξξ<br />

− σηη<br />

⎛ σξξ<br />

+ σηη<br />

σξξ<br />

− σηη<br />

⎞<br />

⎢ + cos 2ϕ − ν<br />

⎥<br />

⎢<br />

⎜ − cos 2ϕ<br />

⎟<br />

E 142<br />

4444 242<br />

44443<br />

⎝ 2 2 ⎠⎥<br />

⎢<br />

144444<br />

244444<br />

3<br />

=σxx<br />

⎥<br />

⎣<br />

=σ yy<br />

⎦<br />

Ein Vergleich mit Gl. 8-9 zeigt<br />

( )<br />

1<br />

ε = σ − νσ<br />

E<br />

xx xx yy<br />

Verallgemeinern wir dieses Ergebnis auf <strong>de</strong>n räumlichen Fall, so erhalten wir unter Ei<strong>nb</strong>eziehung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Temperaturterme<br />

[ ( )]<br />

1 1 ν ν<br />

ε σ ν σ σ α σ<br />

ν σ α<br />

xx<br />

=<br />

xx<br />

−<br />

yy<br />

+<br />

zz<br />

+<br />

TT<br />

= + ⎡<br />

⎤<br />

xx<br />

−<br />

TT<br />

E<br />

E ⎣<br />

⎢ 1 + ⎦<br />

⎥ +<br />

1 1 ν ν<br />

ε [ σ ν( σ σ )]<br />

α σ<br />

ν σ α<br />

yy<br />

=<br />

yy<br />

−<br />

xx<br />

+<br />

zz<br />

+<br />

TT<br />

= + ⎡<br />

⎤<br />

yy<br />

−<br />

TT<br />

E<br />

E ⎣<br />

⎢ 1 + ⎦<br />

⎥ +<br />

1 1 ν ν<br />

ε [ σ ν( σ σ )]<br />

α σ<br />

ν σ α<br />

zz<br />

=<br />

zz<br />

−<br />

xx<br />

+<br />

yy<br />

+<br />

TT<br />

= + ⎡<br />

⎤<br />

zz<br />

−<br />

TT<br />

E<br />

E ⎣<br />

⎢ 1 + ⎦<br />

⎥ +<br />

Gl. 8-11


171<br />

Aus Gl. 8-11 folgt übrigens für die Dehnungssumme 1<br />

1 ν<br />

ε + ε + ε = ε = − 2 σ +<br />

E<br />

xx yy zz T<br />

3 α T<br />

Gl. 8-12<br />

Ein entsprechen<strong>de</strong> Rechnung für die Gleitungen liefert:<br />

ε<br />

ε<br />

= −<br />

− ε<br />

1 ν σ σ<br />

ν<br />

ϕ = − + −<br />

1<br />

ϕ = + 1<br />

sin 2<br />

sin 2 σ = σ<br />

E 2<br />

E 2G<br />

ξξ ηη ξξ ηη<br />

xy xy xy<br />

2<br />

wobei zur Abkürzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schubmodul<br />

G =<br />

E<br />

2( 1+ ν )<br />

Gl. 8-13<br />

eingeführt wur<strong>de</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> allerdings keine neue Materialkonstante darstellt, da er sich durch E<br />

und ν ausdrücken läßt. Die Dimension <strong>de</strong>s Schubmoduls ist<br />

Masse<br />

Länge ⋅(<br />

Zeit )<br />

−1<br />

−2<br />

2<br />

[ G ] =<br />

; Einheit kgm s = N /<br />

2<br />

m<br />

und es gilt wegen Gl. 8-2 und Gl. 8-6<br />

0 ≤ G ≤ ∞<br />

E E Gl. 8-14<br />

≤ G ≤<br />

3 2<br />

Hinweis: Der lineare Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n Dehnungen und <strong>de</strong>n Normalspannungen<br />

einerseits sowie zwischen <strong>de</strong>n Gleitungen und <strong>de</strong>n Schubspannungen an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits wird<br />

nach Hooke 2 als Hookesches Gesetz bezeichnet. Hooke fand dieses Gesetz empirisch und<br />

veröffentlichte seine Ergebnisse im Jahre 1678.<br />

Auflösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verzerrungs-Spannungs-Relationen nach <strong>de</strong>n Spannungen liefert:<br />

1 die auch Spur <strong>de</strong>s Verzerrungstensors genannt wird<br />

2 Robert Hooke, engl. Naturforscher, 1635-1703


172 8 Materialgesetze<br />

σ<br />

σ<br />

σ<br />

( )<br />

E ⎡<br />

ν ε ν<br />

ν ε ε ε 1 + ν<br />

ν α ⎤<br />

= + + + − T<br />

1 + ⎣<br />

⎢ 1 − 2<br />

1 − 2 ⎦<br />

⎥<br />

E ⎡<br />

( )<br />

ν ε ν<br />

ν ε ε ε 1 + ν<br />

ν α ⎤<br />

= + + + − T<br />

1 + ⎣<br />

⎢ 1 − 2<br />

1 − 2 ⎦<br />

⎥<br />

E ⎡<br />

( )<br />

ν ε ν<br />

ν ε ε ε 1 + ν<br />

= + + + −<br />

ν α ⎤<br />

T<br />

1 + ⎣<br />

⎢ 1 − 2<br />

1 − 2 ⎦<br />

⎥<br />

xx xx xx yy zz T<br />

yy yy xx yy zz T<br />

zz zz xx yy zz T<br />

Gl. 8-15<br />

σ<br />

σ<br />

σ<br />

xy<br />

xz<br />

yz<br />

E<br />

=<br />

1 ν ε +<br />

E<br />

=<br />

1 ν ε +<br />

E<br />

=<br />

1 ν ε +<br />

xy<br />

xz<br />

yz<br />

Gl. 8-16<br />

ê<br />

Beispiel 8-1:<br />

Abb. 8-6 Der Zugstab<br />

Der Zugstab <strong><strong>de</strong>r</strong> Länge l mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Querschnittsfläche<br />

A und <strong>de</strong>m Elastizitätsmodul E wird am Stab-en<strong>de</strong><br />

durch eine Einzellast F belastet. Gesucht wer<strong>de</strong>n die<br />

Spannung und die Dehnung längs <strong><strong>de</strong>r</strong> Stabac<strong>hs</strong>e.<br />

Wie groß ist die Verschiebung ∆l = u( x = l ) am<br />

Staben<strong>de</strong><br />

Geg.: E, A, l<br />

Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Geometrie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Belastung unterstellen wir im Stab einen einac<strong>hs</strong>igen Spannungszustand mit<br />

F<br />

σ xx = ; σ yy = 0; σ xy =<br />

A<br />

0 . Aus <strong>de</strong>m Hookeschen Gesetz folgt dann die Dehnung. ε<br />

xx<br />

= σ xx F<br />

E<br />

= EA<br />

. Unter<br />

Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dehnungs<strong>de</strong>finition ε = du F<br />

xx<br />

dx<br />

= EA<br />

erhalten wir aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Differentialgleichung 1. Ordnung die<br />

F<br />

Verschiebung → u( x ) = +<br />

EA x C . Die Konstante C wird aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Randbedingung u ( x = 0 ) = 0 = C bestimmt.<br />

Damit liegt die Verschiebung fest:<br />

F<br />

u x<br />

EA x u Fl<br />

( ) = → ∆ l = ( l ) =<br />

EA<br />

é<br />

Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereitstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Materialgleichungen für einen linear-elastischen Körper soll<br />

nun kurz die Herleitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundgleichungen <strong><strong>de</strong>r</strong> linearen Elastizitätstheorie ange<strong>de</strong>utet<br />

wer<strong>de</strong>n. Der 1. Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> Elastizitätstheorie, bei <strong>de</strong>m die Spannungen aus <strong>de</strong>n Grundgleichungen<br />

eliminiert wer<strong>de</strong>n, geht von <strong>de</strong>n bekannten lokalen Gleichgewichtsbedingungen


173<br />

∂σ ∂σ<br />

xx yx ∂σ<br />

zx<br />

+ + + f<br />

x<br />

∂x ∂y ∂z<br />

= 0<br />

∂σ<br />

xy<br />

∂σ<br />

yy<br />

∂σ<br />

zy<br />

+ + + f<br />

y<br />

∂x ∂y ∂z<br />

= 0<br />

∂σ ∂σ<br />

xz yz ∂σ<br />

zz<br />

+ + + f<br />

z<br />

∂x ∂y ∂z<br />

= 0<br />

aus, in die das Hookesche Gesetz, aufgelöst nach <strong>de</strong>n Spannungen, eingesetzt wird.<br />

⎡ 1 ∂ε 2( 1 + ν )<br />

G ∆u<br />

+ −<br />

⎣<br />

⎢ 1 − 2ν<br />

∂x<br />

1 − 2ν α<br />

⎡ 1 ∂ε 2( 1 + ν )<br />

G⎢∆v<br />

+ −<br />

⎣ 1 − 2ν<br />

∂y<br />

1 − 2ν α<br />

⎡ 1 ∂ε 2( 1 + ν )<br />

G ∆w<br />

+ −<br />

⎣<br />

⎢ 1 − 2ν<br />

∂z<br />

1 − 2ν α<br />

T<br />

T<br />

T<br />

∂ T ⎤<br />

f<br />

x<br />

x ⎦<br />

⎥ + = 0<br />

∂<br />

∂ T ⎤<br />

f<br />

y<br />

⎥ y<br />

⎦<br />

+ = 0<br />

∂<br />

∂ T ⎤<br />

f<br />

z<br />

z ⎦<br />

⎥ + = 0<br />

∂<br />

Gl. 8-17<br />

mit <strong>de</strong>m Differentialoperator 1 2<br />

2<br />

2<br />

∂ ∂ ∂<br />

: ∆( L ) = ( L ) + ( L ) + ( L )<br />

2<br />

2<br />

2<br />

∂x ∂y ∂z<br />

und <strong>de</strong>m symbolischen Vektor 2 ( L ) ( L ) ( L )<br />

: grad ( L ) = Gradient ( L ) = ⎡ ; ;<br />

⎣ ⎢ ∂ ∂ ∂ ⎤<br />

∂x ∂y ∂z<br />

⎥<br />

⎦<br />

sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Divergenz 3 <strong>de</strong>s Verschiebungsvektors<br />

∂u<br />

∂v<br />

∂w<br />

div u = ( Divergenz von u)<br />

= + + = ε<br />

xx<br />

+ ε<br />

yy<br />

+ ε<br />

zz<br />

= ε<br />

∂x<br />

∂y<br />

∂z<br />

läßt sich Gl. 8-17 auch als Vektorgleichung schreiben:<br />

⎡ 1<br />

2 1 + ν ⎤<br />

G ∆ u + grad div u −<br />

T<br />

gradT f<br />

⎣<br />

⎢ 1 − 2<br />

1 − 2<br />

⎦<br />

⎥ + = 0<br />

ν<br />

( ) ( )<br />

ν α<br />

Gl. 8-18<br />

Die obige Vektorgleichung entspricht drei gekoppelten partiellen Differentialgleichungen<br />

für die u<strong>nb</strong>ekannten Verschiebungsfunktionen u,v und w. Sie wird auch Verschiebungsgleichung<br />

genannt, weil als U<strong>nb</strong>ekannte nur noch Verschiebungen auftreten. Mit dieser<br />

Gleichung läßt sich prinzipiell das linear-elastische Verschiebungsrandwertproblem lösen,<br />

1 Auch Delta-Operator genannt<br />

2 Die Anwendung grad(...) auf ein skalares Feld führt zu einem Vektorfeld<br />

3 Die Divergenz eines Vektorfel<strong>de</strong>s liefert ein skalares Feld


174 8 Materialgesetze<br />

wenn zusätzlich die Randbedingungen und die Temperaturverteilung bekannt sind. Allerdings<br />

ist die Lösung dieses Randwertproblems noch so kompliziert, daß vereinfachte Annahmen<br />

getroffen wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

8.2 Das Elastizitätsgesetz für <strong>de</strong>n ebenen Spannungszustand<br />

Für <strong>de</strong>n ebenen Spannungszustand galt: σ jz<br />

= ( j = x y z)<br />

Spannungen<br />

0 , , . Es verbleiben<strong>de</strong>n somit die<br />

σ = σ ( x, y ); σ = σ ( x, y ); σ = σ ( x, y )<br />

xx xx yy yy xy xy<br />

Durch die Reduktion <strong><strong>de</strong>r</strong> zu ermitteln<strong>de</strong>n Spannungsfunktionen von 6 auf 3 läßt sich das<br />

Aufstellen <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundgleichungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Scheibentheorie, im Vergleich zum räumlichen Fall,<br />

erheblich vereinfachen. Von <strong>de</strong>n Dehnungen verbleiben<br />

[ ]<br />

1<br />

ε<br />

xx<br />

= σ<br />

xx<br />

− νσ<br />

yy<br />

+ αTT<br />

E<br />

1<br />

ε<br />

yy<br />

= [ σ<br />

yy<br />

− νσ<br />

xx ] + αTT<br />

E<br />

ν<br />

ε<br />

zz<br />

= − ( σ<br />

xx<br />

+ σ<br />

yy ) + α<br />

TT<br />

≠ 0<br />

E<br />

Gl. 8-19<br />

und entsprechend von <strong>de</strong>n Gleitungen (Gl. 8-16)<br />

1+ ν 1<br />

ε xy = σ xy = σ<br />

Gl. 8-20<br />

xy<br />

E 2G<br />

Lösen wir die obigen Gleichungen nach <strong>de</strong>n Spannungen auf, dann erhalten wir<br />

σ<br />

σ<br />

σ<br />

xx<br />

yy<br />

xy<br />

E<br />

=<br />

2<br />

1 − ν<br />

E<br />

=<br />

2<br />

1 − ν<br />

E<br />

= ε<br />

1 + ν<br />

[ ε + νε − ( 1 + ν)<br />

α T ]<br />

[ ε + νε − ( 1 + ν)<br />

α T ]<br />

xy<br />

xx<br />

yy<br />

= 2Gε<br />

yy<br />

xx<br />

xy<br />

T<br />

T<br />

Gl. 8-21


175<br />

8.3 Das Elastizitätsgesetz für <strong>de</strong>n ebenen Verzerrungszustand<br />

Der ebene Verzerrungszustand wird in langgestreckten Körpern unterstellt, bei <strong>de</strong>nen<br />

Geometrie und die Belastung in Längsrichtung nahezu konstant sind. Das trifft z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

in Abb. 8-7 dargestellten Stützmauern zu.<br />

Abb. 8-7 Stützmauer, ebener Verzerrungszustand<br />

Ein ebener Verzerrungszustand in <strong><strong>de</strong>r</strong> x,y-Ebene wird durch<br />

w( x, y, z ) = 0<br />

<strong>de</strong>finiert. Punkte <strong><strong>de</strong>r</strong> x,y-Ebene sollen sich auch nur in dieser Ebenen veschieben können.<br />

Von Gl. 8-1 verbleibt<br />

u = { u( x, y ), v( x, y}<br />

Gl. 8-22<br />

und damit<br />

ε<br />

xz<br />

= ε<br />

yz<br />

= ε<br />

zz<br />

= 0 Gl. 8-23<br />

Nach Gl. 8-16 ist dann


176 8 Materialgesetze<br />

σ<br />

σ<br />

σ<br />

xy<br />

xz<br />

yz<br />

= E<br />

1 ν ε +<br />

= 0<br />

= 0<br />

xy<br />

Gl. 8-24<br />

Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> 3. von Gl. 8-11 erhalten wir zunäc<strong>hs</strong>t wegen ε zz<br />

= 0<br />

( )<br />

σ = ν σ + σ − Eα<br />

T ≠ 0 Gl. 8-25<br />

zz xx yy T<br />

Einsetzen in die bei<strong>de</strong>n ersten Gleichungen von Gl. 8-11 liefert<br />

ε<br />

ε<br />

ε<br />

xx<br />

yy<br />

zz<br />

1 − ν<br />

=<br />

E<br />

1 − ν<br />

=<br />

E<br />

= 0<br />

2<br />

2<br />

⎡<br />

⎢σ<br />

⎣<br />

⎡<br />

⎢σ<br />

⎣<br />

xx<br />

yy<br />

ν<br />

−<br />

1 − ν<br />

ν<br />

−<br />

1 − ν<br />

σ<br />

σ<br />

yy<br />

xx<br />

⎤<br />

⎥ +<br />

⎦<br />

⎤<br />

⎥ +<br />

⎦<br />

( 1 + ν)<br />

( 1 + ν)<br />

α<br />

α<br />

T<br />

T<br />

T<br />

T<br />

Gl. 8-26<br />

Von <strong>de</strong>n Gleitungen verbleibt nur<br />

ε<br />

xy<br />

ν<br />

= 1 + σ<br />

xy<br />

Gl. 8-27<br />

E<br />

Lösen wir Gl. 8-26 nach <strong>de</strong>n Spannungen auf, dann erhalten wir<br />

σ<br />

σ<br />

σ<br />

=<br />

E<br />

[ ν ε νε ν α T]<br />

( )( ) ( 1 − ) + − ( 1 + )<br />

1 + ν 1 − 2ν<br />

xx xx yy T<br />

=<br />

E<br />

[ ν ε νε ν α T]<br />

( )( ) ( 1 − ) + − ( 1 + )<br />

1 + ν 1 − 2ν<br />

yy yy xx T<br />

=<br />

( 1 + )( 1 − 2 )<br />

[ ( + ) − ( 1 + ) T ]<br />

E<br />

ν ν ν ε ε ν α<br />

zz xx yy T<br />

Gl. 8-28<br />

Und<br />

σ<br />

xy<br />

E<br />

= ε<br />

1+ ν<br />

xy<br />

Gl. 8-29


177<br />

8.4 Das Prinzip von <strong>de</strong> Saint-Venant<br />

Dieses Prinzip besagt, daß statisch äquivalente Kräftesysteme, die in einem gegenüber <strong>de</strong>n<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Abmessungen kleinen Bereich angreifen, in hinreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Entfernung von <strong>de</strong>n<br />

Lasteinleitungsstellen gleiche Spannungen und Verformungen hervorrufen. Der linke von<br />

<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n sonst gleichen Druckstäben in Abb. 8-8 wird über die Querschnittsfläche A mit<br />

einer gleichmäßig verteilten Druckspannung p 0 belastet.<br />

Abb. 8-8 Das Prinzip von <strong>de</strong> Saint-Venant<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> in Abb. 8-8 rechts dargestellten Stütze ist die gleichmäßig verteilte Druckspannung<br />

durch eine statisch äquivalente Einzelkraft F = p 0 A ersetzt wor<strong>de</strong>n. Das Saint-Venantsche<br />

Prinzip besagt nun:<br />

Äquivalente Kräftesysteme, die auf (feste) <strong>de</strong>formierbare Körper wirken, sind in hinreichen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entfernung vom Angriffsgebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte auch hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Spannungen und<br />

Verformungen äquivalent.<br />

Die Aussage dieses Prinzips läßt sich allgemein nicht beweisen. Auch was unter hinreichen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entfernung vom Angriffsgebiet zu verstehen ist, hängt von <strong>de</strong>n speziellen Bedingungen<br />

<strong>de</strong>s Einzelfalls und <strong><strong>de</strong>r</strong> angestrebten Rechengenauigkeit ab.


178 8 Materialgesetze

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