Wir brauchen eine Agrarwende - Michael-Succow-Stiftung

Succow: „Wir brauchen eine Agrarwende“ - - OSTSEE ZEITUNG
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2 von 3 25.06.2012 10:15
Succow: Ja, ich habe bei Agrarminister Till Backhaus und Wirtschaftsminister Harry Glawe offene Ohren gefunden.
OZ: Sie hatten aber nicht nur Zuspruch, Sie wurden auch hart attackiert. Landesbauernpräsident Rainer Tietböhl
verlangte eine öffentliche Entschuldigung von Ihnen. Was wurde daraus
Succow: Herr Tietböhl und der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Martin Piehl, haben mich in Greifswald in meiner
Stiftung besucht. Wir führten ein sehr ausführliches, sachliches und ernsthaftes Gespräch. Herr Tietböhl hat mir von
seinem eigenen Betrieb berichtet, der nicht in solchen Größenordnungen wirtschaftet wie die Ferkelfabrik in Alt Tellin.
Tietböhl schlug mir vor, seinen Hof beim Demmin anzusehen.
OZ: Werden sie das tun
Succow: Ja, sobald es sich zeitlich einrichten lässt. Außerdem wurde ich gebeten, meine Gedanken in der
Bauernverbands-Zeitung darzulegen. Das tue ich gern, der Artikel soll in einem der nächsten Hefte erscheinen.
OZ: Nehmen Sie von Ihren Äußerungen etwas zurück
Succow: Nein, dafür sehe ich keinen Grund. Um das Thema Entschuldigung ging es in dem Gespräch nur am Rande,
es wird auch keine geben.
OZ: Sie verwendeten Reizworte wie Verödung des ländlichen Raums, Neonazis und Tier-Zuchthäuser. Bauern
fühlten sich damit in die Nähe von Nazis gerückt.
Succow: Wer das so darstellt, wollte mich vielleicht missverstehen. Fakt ist, dass in vielen Dörfern Menschen sich nicht
mehr gebraucht fühlen, weil hochtechnisierte Landtechnik ihre Arbeit machen. Reizworte sind dafür gar nicht nötig. Ich
will ja keine Wut erzeugen, sondern überzeugen. Es gibt genug Argumente, die moderater klingen, aber das Problem
genauso benennen.
OZ: Welche
Succow: Der Wirtschaftsgeograf Prof. Dr. Helmut Klüter von der Universität Greifswald hat dazu einen
deutschlandweiten Vergleich erarbeitet. Seine Analyse verdeutlicht, dass Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaft,
obwohl hochsubventioniert, nur bedingt in der Lage ist, Wachstumseffekte für den ländlichen Raum zu erzielen. Wer
ihre hohe Effizienz lobt, verschweigt, dass die Bruttowertschöpfung nur noch bei 2,8 Prozent liegt. Die Landwirtschaft ist
ein schrumpfender Wirtschaftszweig, der zu ökologischen und sozialen Problemen führt. Der Artenschwund ist
nachweisbar. Wir haben weniger Feldlerchen, weniger, weniger Störche...
OZ: Woran machen Sie das fest
Succow: Ein wichtiger Indikator dafür ist, dass die so genannte ordnungsgemäße Landwirtschaft zu Bodenerosion und
weiterem Humusschwund führt. Der wird durch Kunstdünger ausgeglichen. Das belastet unser Grundwasser, ebenso
wie die Exkremente aus überdimensionierten Tieranlagen, für deren Gülle nur begrenzte Flächen verfügbar sind.
Global gesehen hat die Menschheit das akzeptable Limit in drei Bereichen bereits überschritten: bei der
Klimaerwärmung, beim Artensterben und bei der Stickstoffanreicherung. In weiteren Bereichen bewegen wir uns auf die
akzeptable Grenze zu, so bei der Phosphorbelastung, der Versauerung der Ozeane, der Land- und Wassernutzung. Im
Wesentlichen ist dafür die moderne Landwirtschaft verantwortlich.
OZ: Das klingt nach hoher Theorie, was lässt sich praktisch daraus ableiten
Succow: Für die Energiewende sind die Weichen bereits gestellt. Wir brauchen aber auch eine Agrarwende, müssen
uns stärker auf regionales Wirtschaften orientieren und Subventionen abbauen, die nachhaltige Entwicklung behindern.
OZ: Sie wollen, dass Subventionen stärker an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden
Succow: Ja, künftig sollten Transferleistungen aus Steuergeldern an ökologische und soziale Leistungen gebunden
werden. Das will übrigens auch die EU-Kommission. Die Agrarreform verlangt Greening-Leistungen, die
umweltfreundlich sind. Wir müssen der Mehrung der natürlichen Fruchtbarkeit mehr Aufmerksamkeit widmen und den
Boden als Organismus, als Lebensgrundlage der Menschheit begreifen.
OZ: Die Bauern behaupten aber, dass sie nachhaltig wirtschaften...
Succow: Die Realität sieht leider oft anders aus. In Söllen auf Feldern haben Messungen eine Anreicherung von Giften
ergeben, die selbst Ökologen nicht für möglich hielten.
OZ: Was schlagen Sie vor
Succow: Die Landwirtschaft sollte schrittweise umgebaut werden. Subventionen könnten genutzt werden, um
zertifizierte, regionale Produkte zu fördern. Flussauen sollten nicht mehr gedüngt werden. Der Boden sollte nicht mehr –