Wir brauchen eine Agrarwende - Michael-Succow-Stiftung
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<strong>Succow</strong>: „<strong>Wir</strong> <strong>brauchen</strong> <strong>eine</strong> <strong>Agrarwende</strong>“ - - OSTSEE ZEITUNG<br />
http://www.ostsee-zeitung.de/nachrichten/wirtschaft/index_artikel_komp...<br />
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Montag, 25. Juni 2012<br />
OSTSEE-ZEITUNG.DE<br />
<strong>Agrarwende</strong>“<br />
/OZ vom 19.06.2012 20:53<br />
<strong>Succow</strong>: „<strong>Wir</strong> <strong>brauchen</strong> <strong>eine</strong><br />
Prof. <strong>Michael</strong> <strong>Succow</strong> äußert sich zur „Allianz der Vernünftigen/Gegen die<br />
subventionierte Unvernunft“.<br />
Sieht k<strong>eine</strong>n Grund, s<strong>eine</strong> Kritik an der Landwirtschaft abzuschwächen - <strong>Michael</strong> <strong>Succow</strong>, Träger des alternativen<br />
Nobelpreises.<br />
Foto: Martin Schutt/dpa<br />
Greifswald (OZ) - OSTSEE-ZEITUNG: Sie riefen im Februar zu <strong>eine</strong>r Allianz der Vernünftigen gegen industrielle<br />
Agrarnutzung auf. Was ist daraus geworden<br />
<strong>Michael</strong> <strong>Succow</strong>: Ich erhielt großen Zuspruch: Briefe, Mails, Anrufe und Einladungen zu Veranstaltungen. Das Thema<br />
beschäftigt wirklich sehr viele Menschen, die bestimmte Entwicklungen in der Agrarproduktion nicht mehr akzeptieren<br />
und ähnlich wie bei der Energiewende <strong>eine</strong> <strong>Agrarwende</strong> einfordern. Ich bin froh, dass ein öffentliches Nachdenken<br />
darüber einsetzt. Großanlagen wie die in Alt Tellin bei Greifswald „produzieren“ jährlich 250 000 Ferkel – das sind jede<br />
Woche 5000 Tiere, die zum Mäster gehen. Das würde zu <strong>eine</strong>r Lawine in der Schw<strong>eine</strong>aufzucht führen, die das Land<br />
nicht verkraften kann und die bestehende Zuchtanlagen in überschaubarer Größe in den Ruin treibt.<br />
OZ: Wer antwortete auf Ihren Aufruf<br />
<strong>Succow</strong>: Menschen aus der ganzen Breite der Bevölkerung, die sagten, sie möchten sich in solch <strong>eine</strong> Allianz<br />
einbringen. Es gab aber auch Echo aus anderen Bundesländern, darunter Medienanfragen bis aus Bayern.<br />
OZ: Gründen Sie jetzt <strong>eine</strong> neue Organisation<br />
<strong>Succow</strong>: Nein. Es gibt ja viele Bürgerninitiativen und Verbände, die sich mit dem Thema bestens auskennen. Es geht<br />
darum, diese zu stärken und besser zu vernetzen. Über m<strong>eine</strong> <strong>Stiftung</strong> kann ich viele Kontakte vermittelt zu<br />
Bürgerinitiativen, Landtagsabgeordneten, zu Naturschutzorganisationen und zur Arbeitsgemeinschaft bäuerliche<br />
Landwirtschaft.<br />
OZ: Zu welchen Veranstaltungen fahren Sie<br />
<strong>Succow</strong>: Am 2. Juli fahre ich zur Montagsdemo nach Alt Tellin, wo <strong>eine</strong> Bürgerinitiative sich sehr tapfer mit dem<br />
Investor Straathof auseinandersetzt. Der hat gerade ein Gutachten vorgelegt, wonach es möglich sein soll, bei <strong>eine</strong>m<br />
Brand in nur zehn Minuten Tausende von Sauen und Ferkel zu evakuieren. Für Wildschw<strong>eine</strong> mag das zutreffen. Bei<br />
Tieren, die noch nie im Freien waren, halte ich das für Schwindel.<br />
OZ: Gab es auch Reaktionen von Landes-Politikern
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<strong>Succow</strong>: Ja, ich habe bei Agrarminister Till Backhaus und <strong>Wir</strong>tschaftsminister Harry Glawe offene Ohren gefunden.<br />
OZ: Sie hatten aber nicht nur Zuspruch, Sie wurden auch hart attackiert. Landesbauernpräsident Rainer Tietböhl<br />
verlangte <strong>eine</strong> öffentliche Entschuldigung von Ihnen. Was wurde daraus<br />
<strong>Succow</strong>: Herr Tietböhl und der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Martin Piehl, haben mich in Greifswald in m<strong>eine</strong>r<br />
<strong>Stiftung</strong> besucht. <strong>Wir</strong> führten ein sehr ausführliches, sachliches und ernsthaftes Gespräch. Herr Tietböhl hat mir von<br />
s<strong>eine</strong>m eigenen Betrieb berichtet, der nicht in solchen Größenordnungen wirtschaftet wie die Ferkelfabrik in Alt Tellin.<br />
Tietböhl schlug mir vor, s<strong>eine</strong>n Hof beim Demmin anzusehen.<br />
OZ: Werden sie das tun<br />
<strong>Succow</strong>: Ja, sobald es sich zeitlich einrichten lässt. Außerdem wurde ich gebeten, m<strong>eine</strong> Gedanken in der<br />
Bauernverbands-Zeitung darzulegen. Das tue ich gern, der Artikel soll in <strong>eine</strong>m der nächsten Hefte ersch<strong>eine</strong>n.<br />
OZ: Nehmen Sie von Ihren Äußerungen etwas zurück<br />
<strong>Succow</strong>: Nein, dafür sehe ich k<strong>eine</strong>n Grund. Um das Thema Entschuldigung ging es in dem Gespräch nur am Rande,<br />
es wird auch k<strong>eine</strong> geben.<br />
OZ: Sie verwendeten Reizworte wie Verödung des ländlichen Raums, Neonazis und Tier-Zuchthäuser. Bauern<br />
fühlten sich damit in die Nähe von Nazis gerückt.<br />
<strong>Succow</strong>: Wer das so darstellt, wollte mich vielleicht missverstehen. Fakt ist, dass in vielen Dörfern Menschen sich nicht<br />
mehr gebraucht fühlen, weil hochtechnisierte Landtechnik ihre Arbeit machen. Reizworte sind dafür gar nicht nötig. Ich<br />
will ja k<strong>eine</strong> Wut erzeugen, sondern überzeugen. Es gibt genug Argumente, die moderater klingen, aber das Problem<br />
genauso benennen.<br />
OZ: Welche<br />
<strong>Succow</strong>: Der <strong>Wir</strong>tschaftsgeograf Prof. Dr. Helmut Klüter von der Universität Greifswald hat dazu <strong>eine</strong>n<br />
deutschlandweiten Vergleich erarbeitet. S<strong>eine</strong> Analyse verdeutlicht, dass Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaft,<br />
obwohl hochsubventioniert, nur bedingt in der Lage ist, Wachstumseffekte für den ländlichen Raum zu erzielen. Wer<br />
ihre hohe Effizienz lobt, verschweigt, dass die Bruttowertschöpfung nur noch bei 2,8 Prozent liegt. Die Landwirtschaft ist<br />
ein schrumpfender <strong>Wir</strong>tschaftszweig, der zu ökologischen und sozialen Problemen führt. Der Artenschwund ist<br />
nachweisbar. <strong>Wir</strong> haben weniger Feldlerchen, weniger, weniger Störche...<br />
OZ: Woran machen Sie das fest<br />
<strong>Succow</strong>: Ein wichtiger Indikator dafür ist, dass die so genannte ordnungsgemäße Landwirtschaft zu Bodenerosion und<br />
weiterem Humusschwund führt. Der wird durch Kunstdünger ausgeglichen. Das belastet unser Grundwasser, ebenso<br />
wie die Exkremente aus überdimensionierten Tieranlagen, für deren Gülle nur begrenzte Flächen verfügbar sind.<br />
Global gesehen hat die Menschheit das akzeptable Limit in drei Bereichen bereits überschritten: bei der<br />
Klimaerwärmung, beim Artensterben und bei der Stickstoffanreicherung. In weiteren Bereichen bewegen wir uns auf die<br />
akzeptable Grenze zu, so bei der Phosphorbelastung, der Versauerung der Ozeane, der Land- und Wassernutzung. Im<br />
Wesentlichen ist dafür die moderne Landwirtschaft verantwortlich.<br />
OZ: Das klingt nach hoher Theorie, was lässt sich praktisch daraus ableiten<br />
<strong>Succow</strong>: Für die Energiewende sind die Weichen bereits gestellt. <strong>Wir</strong> <strong>brauchen</strong> aber auch <strong>eine</strong> <strong>Agrarwende</strong>, müssen<br />
uns stärker auf regionales <strong>Wir</strong>tschaften orientieren und Subventionen abbauen, die nachhaltige Entwicklung behindern.<br />
OZ: Sie wollen, dass Subventionen stärker an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden<br />
<strong>Succow</strong>: Ja, künftig sollten Transferleistungen aus Steuergeldern an ökologische und soziale Leistungen gebunden<br />
werden. Das will übrigens auch die EU-Kommission. Die Agrarreform verlangt Greening-Leistungen, die<br />
umweltfreundlich sind. <strong>Wir</strong> müssen der Mehrung der natürlichen Fruchtbarkeit mehr Aufmerksamkeit widmen und den<br />
Boden als Organismus, als Lebensgrundlage der Menschheit begreifen.<br />
OZ: Die Bauern behaupten aber, dass sie nachhaltig wirtschaften...<br />
<strong>Succow</strong>: Die Realität sieht leider oft anders aus. In Söllen auf Feldern haben Messungen <strong>eine</strong> Anreicherung von Giften<br />
ergeben, die selbst Ökologen nicht für möglich hielten.<br />
OZ: Was schlagen Sie vor<br />
<strong>Succow</strong>: Die Landwirtschaft sollte schrittweise umgebaut werden. Subventionen könnten genutzt werden, um<br />
zertifizierte, regionale Produkte zu fördern. Flussauen sollten nicht mehr gedüngt werden. Der Boden sollte nicht mehr –
<strong>Succow</strong>: „<strong>Wir</strong> <strong>brauchen</strong> <strong>eine</strong> <strong>Agrarwende</strong>“ - - OSTSEE ZEITUNG<br />
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wie häufig beim Maisanbau – ein halbes Jahr brachliegen. Denn das begünstigt Bodenerosion und Sandstürme. Für<br />
Biogasanlagen können statt Mais umweltvertäglichere Dauerkulturen wie Topinambur oder Gras eingesetzt werden.<br />
OZ: Läßt sich das überhaupt umsetzen, so lange viele Bauern nicht mitziehen wollen<br />
<strong>Succow</strong>: Teile des Bauernverbandes sind der Meinung, wie sie Landwirtschaft betreiben, ist es richtig. Damit verdrängt<br />
der Verband wichtige Zeichen der Zeit. Ich gehe davon aus, dass sich gerade in der Tierhaltung in absehbarer Zeit<br />
einiges ändert.<br />
OZ: Woher nehmen Sie die Gewissheit<br />
<strong>Succow</strong>: Vieles deutet darauf hin, dass die nächste Bundesregierung auch auf Druck der EU-Komission<br />
Gesetzesänderungen anschieben wird. Die Belastung auf das Grundwasser durch Exkremente aus der Landwirtschaft<br />
ist in der Umgebung von Großanlagen so hoch, dass es schon Einbrüche in tiefe Schichten und damit ins Trinkwasser<br />
gibt.<br />
OZ: Sie wurden zur Nationalen Branchenkonferenz Gesundheit im Juli nach Warnemünde eingeladen. Welche<br />
Rolle spielt für Ökologen der gesundheitliche Aspekt<br />
<strong>Succow</strong>: Saubere Luft, gesunde Böden, sauberes Wasser und gesunde Nahrung sind wichtig, damit Menschen nicht<br />
krank werden. Alte Wälder, die Ehrfurcht geben, sind wichtig für Körper und Seele. Die Gesundheitskonferenz ist <strong>eine</strong><br />
Zukunftskonferenz, auf der es ebenfalls um Allianzen der Vernunft geht. Ich sage es immer wieder: Dieses Land ist zu<br />
schade für Massentierhaltung.<br />
Interview: Elke Ehlers<br />
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