Die vergleichende Analyse der gleichen Quiz-Formate im deutschen ...
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Universität Osnabrück<br />
Fachbereich 07<br />
Sprach- und Literaturwissenschaft<br />
Dissertation<br />
Zur Erlangung des akademischen Grades<br />
Doktor <strong>der</strong> Philosophie<br />
<strong>Die</strong> <strong>ver<strong>gleichen</strong>de</strong> <strong>Analyse</strong> <strong>der</strong> <strong>gleichen</strong> <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> und russischen Fernsehen<br />
von<br />
Galina Mavricheva<br />
2009
INHALT<br />
I. Einleitung …………………………….……………………………........ 3<br />
1.1. Definition des <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong>s ………………………...……................ 5<br />
1.2. <strong>Quiz</strong> und seine Platzierung unter den an<strong>der</strong>en Fernsehshows …….... 11<br />
1.3. <strong>Die</strong> Vorgeschichte …………………………………………..…....…. 16<br />
1.3.1. <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Sendungen in Deutschland<br />
(von den frühen Radio-<strong>Quiz</strong>, <strong>Quiz</strong>-Sendungen und<br />
Game-Shows <strong>der</strong> 50er („Einundzwanzig“), 80er<br />
Jahre („Glücksrad“, 1988) bis zu „Wer wird Millionär?“,<br />
1999, 2001 und „Deal or no deal“, 2006) …………......…... 19<br />
1.3.2. <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Sendungen in Russland (von<br />
den Vorgängern „Что, где, когда“ (Was, wo, wann? –<br />
80ger Jahre) und „Поле чудес“ (Glücksfeld) bis zu<br />
„О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), „Кто хочет стать<br />
миллионером?“ (Wer wird Millionär?) usw.) ……...…...... 33<br />
1.4. Internationale Verbreitung (Vermarktung) von <strong>Quiz</strong>- und<br />
Game-Shows des <strong>gleichen</strong> <strong>Formate</strong>s ...………..…………………...... 43<br />
II. Inhaltsanalyse ……………………………...…………………………… 46<br />
2.1. Kurzporträts <strong>der</strong> untersuchten <strong>Quiz</strong>-Sendungen <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Fernsehen …………………………………………………...………. 46<br />
2.1.1. Wer wird Millionär? ………………..……….……….…….. 46<br />
2.1.2. Das <strong>Quiz</strong> mit Jörg Pilawa ………..……………………....… 72<br />
2.1.3. Glücksrad ………………………………………………….. 76<br />
2.1.4. Einundzwanzig ………………………..…………...………. 83<br />
2.2. Kurzporträts <strong>der</strong> untersuchten Shows <strong>im</strong> russischen Fernsehen ......... 88<br />
2.2.1. КВН (KWN - Klub <strong>der</strong> Lustigen und Schlagfertigen) …..... 88<br />
2.2.2. Что, Где, Когда? (Was, wo, wann?)…………..………...… 93<br />
1
2.2.3. Поле чудес (Glücksfeld = Glücksrad) ……………...…...... 97<br />
2.2.4. Кто хочет стать миллионером? (Wer wird Millionär?) ... 100<br />
III. Ver<strong>gleichen</strong>de <strong>Analyse</strong> <strong>der</strong> gleichnamigen <strong>Quiz</strong>-Sendungen ........... 110<br />
3.1. Titel, Design, Logo …………………….…………………......….... 110<br />
3.2. Mo<strong>der</strong>atorenleistung ………………………...………….………..... 126<br />
3.3. <strong>Die</strong> Fragen und die Antworten ….…….……...……….….........…... 140<br />
3.4. Gewinne und Preise …………………………………...………....... 154<br />
3.5. Finanzierung und Werbung in <strong>der</strong> Sendung …….…………......….. 161<br />
3.6. Einschaltquoten …………………………...………...……...…....… 175<br />
IV. Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei <strong>der</strong><br />
internationalen Verbreitung <strong>der</strong> <strong>gleichen</strong> <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong> hinweisen ….. 189<br />
V. Zusammenfassung ………………………………..…….….………….. 201<br />
Zusätzliche Tabellen …………………………..…………………...…..….. 222<br />
Literaturverzeichnis …………………………………………..……………. 225<br />
2
I. Einleitung<br />
Durch die mo<strong>der</strong>nen Globalisierungsprozesse wird auch die Medienlandschaft<br />
in <strong>der</strong> ganzen Welt stark verän<strong>der</strong>t und dabei die grenzübergreifenden<br />
internationalen Verflechtungen <strong>der</strong> Medienindustrien verstärkt. <strong>Die</strong><br />
Interkommunikation <strong>im</strong> Bereich Fernsehen ist nur eine <strong>der</strong> Folgen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />
gesagt „begleitende Nebenwirkung“ bei <strong>der</strong> wirtschaftlichen Integration<br />
verschiedener Län<strong>der</strong>. <strong>Die</strong>s führt zur Standardisierung <strong>der</strong> Fernseh-<br />
produktionen und zur globalen, bereits vorprogrammierten Popularität <strong>der</strong><br />
maßgeschnei<strong>der</strong>ten Fernsehformate. Ein Dutzend Medienunternehmen<br />
vermarkten eine Idee in <strong>der</strong> ganzen Welt, die in einem Format geschickt<br />
verpackt ist.<br />
Auf einer tieferen Ebene erscheinen jedoch die Anzeichen, dass die<br />
Fernsehformate von den lokalen Beson<strong>der</strong>heiten, von <strong>der</strong> nationalen Kultur<br />
und von <strong>der</strong> Mentalität <strong>der</strong> Zuschauer wesentlich abhängen. <strong>Die</strong>se Tatsache<br />
lässt sich am Beispiel von populären <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong>n, die seit <strong>der</strong> Frühphase<br />
des Fernsehens zum festen Bestandteil des Programmangebots zählen, gerade<br />
gut beobachten.<br />
Das Ziel <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit ist, am Beispiel von <strong>gleichen</strong> <strong>Formate</strong>n von<br />
populären <strong>Quiz</strong>-Sendungen <strong>im</strong> russischen und <strong>deutschen</strong> Fernsehen zu<br />
beweisen, das das Fernsehen sowohl global aber auch national sein kann. Das<br />
Fernsehen ist durch wirtschaftliche Globalisierung von Massenmedien neu<br />
geformt und gleichzeitig durch lokale nationale Kulturen stark geprägt.<br />
Neben einer theoretisch orientierten Einführung und einer auf Struktur und<br />
Inhalt konzentrierten <strong>Analyse</strong> konkreter <strong>Formate</strong> interessiert mich die<br />
Entwicklung dieses Programmbereichs unter dem Aspekt, dass sich hier eine<br />
in hohem Maße nicht-autonome Programmentwicklung beobachten lässt. <strong>Die</strong><br />
Aufarbeitung von Geschichte und Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>- und Game-Shows<br />
3
erfolgt darüber hinaus unter Berücksichtigung allgemeiner Überlegungen zur<br />
Funktion dieser Unterhaltungsangebote innerhalb <strong>der</strong> Gesamtstruktur des<br />
Fernsehens.<br />
In dieser Arbeit werden die best<strong>im</strong>mten <strong>Quiz</strong>-Sendungen sorgfältig verglichen<br />
und genau analysiert. <strong>Die</strong> <strong>Analyse</strong> erfolgt aufgrund von Programm-<br />
beobachtungen von Sen<strong>der</strong>n und einzelnen Sendungen, von Reaktionen und<br />
von <strong>der</strong> interaktiven Teilnahme von Zuschauern <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> und russischen<br />
Fernsehen und von Interviews mit Verantwortlichen <strong>der</strong> TV-Produktions-<br />
unternehmen und Programmveranstaltern.<br />
In diese Programmbeobachtung sind folgende Sen<strong>der</strong> einbezogen worden:<br />
deutsche Sen<strong>der</strong><br />
RTL 9Live<br />
ARD<br />
Kabel 1<br />
ZDF<br />
SAT.1<br />
russische Sen<strong>der</strong><br />
ОРТ<br />
НТВ<br />
РТР<br />
Das Hauptziel <strong>der</strong> Arbeit besteht aber nicht darin, thematisch die Programme<br />
miteinan<strong>der</strong> zu ver<strong>gleichen</strong>, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> <strong>Analyse</strong> von tieferen,<br />
psychologisch bedingten Unterschieden. <strong>Die</strong>se Unterschiede werden<br />
heutzutage von einigen analytischen Unternehmen untersucht und aufgrund<br />
<strong>der</strong> Ergebnisse haben nun die TV-Produzenten die Möglichkeit, absolut<br />
rational Hit-Programme zu konstruieren, die ganz gezielt best<strong>im</strong>mte<br />
Zielgruppen schnell und erfolgreich erreichen.<br />
<strong>Die</strong> Beobachtungszeit erstreckte sich von 2000 bis 2008.<br />
4
1.1. Definition des <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong>s<br />
Ein <strong>Quiz</strong> aus dem Englischen bedeutet ein Fragespiel o<strong>der</strong> Ratespiel, in<br />
dessen Verlauf Denksportaufgaben und Wissensfragen möglichst richtig<br />
beantwortet werden müssen. Vor allem <strong>im</strong> Fernsehen gehören die<br />
<strong>Quiz</strong>sendungen seit Jahrzehnten zu den beliebtesten <strong>Formate</strong>n. Entsprechend<br />
hat sich eine große Vielfalt von <strong>Formate</strong>n entwickelt, die sich in Reglement,<br />
Kandidaten, Fragen und Gewinnen unterscheiden. 1<br />
<strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendung, auch <strong>Quiz</strong>show genannt, ist eine Unterhaltungssendung in<br />
Form eines Ratespiels. <strong>Quiz</strong>sendungen sind ein Untertyp <strong>der</strong> Spielshows.<br />
Neben den eigentlichen <strong>Quiz</strong>sendungen werden heute Ratespiele als<br />
Beiprogramm in verschiedenen TV-Sendungen veranstaltet (Sport-, Kin<strong>der</strong>-,<br />
Wissenschafts- o<strong>der</strong> Infotainmentsendungen).<br />
Das Wort „<strong>Quiz</strong>“ als Fremdwort hat in <strong>der</strong> russischen Sprache keinen breiten<br />
Gebrauch, weil seine russischen Äquivalente viel aussagekräftiger und<br />
gewohnter sind. Das russische Äquivalent (Entsprechung) dieses Begriffs ist –<br />
«телевикторина» („televiktorina“: „tele“ – vom „television“, lat. „victoria“ -<br />
Sieg), bzw. «телеигра» („teleigra“ - TV-Spiel, Fernsehspiel, TV-Game). 2<br />
Das Wort „викторина“ (viktorina) – russischer Begriff für das <strong>Quiz</strong> -<br />
entstand in den 20er Jahren. Das Wort hat ein bekannter Journalist und<br />
Schriftsteller, Michail Kolzov erfunden. Das war eine Überschrift auf einer<br />
Zeitungsseite mit unterschiedlichen Fragen, Kreuzworträtsel, Scharaden usw.<br />
<strong>Die</strong>ses Ressort gestaltete damals ein Mitarbeiter mit dem Namen Viktor, nach<br />
seinem Namen entstand das Wort „viktorina“. Der Name Viktor bedeutet<br />
1 Von „http://de.wikipedia.org“<br />
2 Краткий словарь современных понятий и терминов, М., издат-во "Республика", 1993 год:<br />
«КВИЗ - (англ.-амер. quiz - предварительный экзамен, проверочный опрос; викторина) - радио-<br />
или телевизионная игра на сообразительность и эрудицию, состоящая из вопросов и ответов на<br />
различные темы; лит. или муз. телевикторина с крупными призами для победителей и также<br />
утешительными - для наиболее активных (или всех) участников». Пример Квиз "Умники и<br />
умницы" очень популярен среди подростков.<br />
5
außerdem auf Latein „victoria“ – <strong>der</strong> Sieg. Danach wurde das Wort zum<br />
Sammelbegriff für alles, was mit Fragen und Antworten zu tun hat. 3<br />
"Format" ist zunächst kein Rechtsbegriff und findet sich dementsprechend in<br />
keiner Definition. "Format" ist ein in <strong>der</strong> Praxis entwickelter Begriff. Auf eine<br />
Kurzformel gebracht ist ein Format ein Konzept, auf dessen Grundlage die<br />
einzelnen Folgen einer Serie o<strong>der</strong> einer Show gefertigt werden.<br />
Der Begriff „Format“ stammt ursprünglich aus dem Druckgewerbe und<br />
bezeichnet eine best<strong>im</strong>mte Seitengröße in einem Buch. Anfang <strong>der</strong> 50er Jahre<br />
tauchte er erstmals in <strong>der</strong> Radioszene in den USA auf. Ein Radio-Format<br />
setzte sich damals aus einem kurzen Namen, einer Musikbeschreibung und<br />
<strong>der</strong> angesprochenen Zielgruppe zusammen. 4 In Deutschland hingegen sind<br />
Radio-<strong>Formate</strong> erst seit dem Ende <strong>der</strong> 80er Jahre bekannt, wobei hier das<br />
„Format“ den Überbegriff für die Kombination aus Struktur, Inhalt und<br />
Präsentation eines Radioprogramms bildet. 5 Mittlerweile ist diese<br />
Bezeichnung auch <strong>im</strong> Bereich des Fernsehens weit verbreitet.<br />
Be<strong>im</strong> „Paper Format“ handelt es sich um ein detailliert geschriebenes Skript,<br />
das ein Basis-Konzept für ein TV-Programm-Format darstellt („detailed<br />
written document that presents the initial concept for a TV programme<br />
format“ 6 ). Neben <strong>der</strong> Idee, dem Inhalt und dem Layout 7 können hier auch<br />
<strong>der</strong> Titel, die Zielgruppe o<strong>der</strong> die Länge <strong>der</strong> Sendung festgehalten sein.<br />
Das „TV format package“, bzw. das „TV programme format“, lässt sich als<br />
„recipe and ingredients that gives the knowledge to reproduce an existing TV<br />
programme in another country“ 8 definieren. Es repräsentiert also das Wissen,<br />
das <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> Produktion von auf dem „Paper Format“ aufbauenden<br />
Sendungen gewonnen wurde.<br />
3 www.tvigra.ru<br />
4 M. S. Müller, Entwicklung, Erfolg und Bewertung neuer internationaler TV-<strong>Formate</strong>,<br />
GRIN Verlag, 2005<br />
5 M. S. Müller, Entwicklung, Erfolg und Bewertung neuer internationaler TV-<strong>Formate</strong>,<br />
GRIN Verlag, 2005<br />
6 http://www.tvformats.com /formatsexplained.htm<br />
7 Hierzu zählen beispielsweise Bühnenbau, Studiodekoration, Vorspann und Logo.<br />
8 http://www.tvformats.com /formatsexplained.htm<br />
6
Mit dem Begriff Format werden regelmäßig „sämtliche wie<strong>der</strong>kehrenden<br />
Gestaltungselemente einer TV-Show, wie insbeson<strong>der</strong>e Spielidee,<br />
Mo<strong>der</strong>atorenleistung, Bühnendekoration, Titel, Logo, Ablauf <strong>der</strong> Sendung,<br />
Verwendung best<strong>im</strong>mter Befragungstechniken usw.“ 9 bezeichnet. Das Format<br />
einer TV-Show ist letztlich nichts an<strong>der</strong>es als die Gesamtheit <strong>der</strong><br />
Erscheinungsformen einer Show, so wie sie vom Zuschauer aufgenommen<br />
wird. 10<br />
Allgemein bekannt sind Beispiele von <strong>Formate</strong>n, die Fernsehgeschichte <strong>im</strong><br />
internationalen Umfang geprägt haben, wie "Wer wird Millionär?", "Big<br />
Brother" o<strong>der</strong> „Popstars“/ „Pop Idol“.<br />
Gute <strong>Formate</strong> stellen für die Medienwirtschaft einen attraktiven Content dar,<br />
<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> vergleichsweise billigen Herstellung und verlockenden Gewinnen<br />
zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor zwischen Fernsehsen<strong>der</strong>n wird.<br />
<strong>Die</strong> Innovation durch Adaption amerikanischer Programmideen (Eins-zu-eins-<br />
Adaption, die seit Jahrzehnten in den USA in <strong>der</strong> Praxis erprobten <strong>Formate</strong>n)<br />
wird bei vielen (vor allem bei den privaten, bzw. kommerziellen) Sen<strong>der</strong>n<br />
heute noch groß geschrieben. Der kommerzielle Erfolg von solcher Art<br />
Lizenz-Produktion ist in <strong>der</strong> Regel schon vorprogrammiert, genauer - soll<br />
vorprogrammiert werden. Dazu kommt <strong>der</strong> Konzept<strong>im</strong>port aus bislang<br />
weniger beachteten Län<strong>der</strong>n wie den Nie<strong>der</strong>landen (Endemol-Produktionen<br />
<strong>im</strong> RTL-Programm) o<strong>der</strong> Großbritannien („Wie bitte? Wie bitte?!“).<br />
<strong>Die</strong> Game-Shows ziehen breite Massen <strong>der</strong> Zuschauer an. Sie verwandeln das<br />
Publikum nicht nur in aktive Teilnehmer des Geschehens, son<strong>der</strong>n auch in<br />
Schöpfer des Prozesses.<br />
9 Von Have/Eickmeier, Der gesetzliche Rechtschutz von Fernseh-Show-<strong>Formate</strong>n, ZUM 1994, 269,<br />
270; vgl. auch Wolf Schwarz, Schutz und Lizenzierung von Fernseh-Show-<strong>Formate</strong>n in:<br />
Scheuermann/Strittmatter (Hg.), Urheberrechtliche Probleme <strong>der</strong> Gegenwart, Baden-Baden 1990,<br />
203, 204.<br />
10 NÖRR STIEFENHOFER LUTZ, Von Dr. Martin <strong>Die</strong>sbach, Schutzfähigkeit von Fernsehformaten<br />
7
Aus seiner praktischen Sicht bezeichnet <strong>der</strong> russische Mo<strong>der</strong>ator und TV-<br />
Produzent Alexan<strong>der</strong> Gurevitsch das Format 11 als eine exakte Beschreibung<br />
des Produkts: «Es gibt einen Text, in dem ausführlich beschrieben wird,<br />
welche Farbe dieses Produkt hat, welche musikalische Passage und wo sie<br />
eingeführt werden soll und ob dabei ein blaues Licht blinken muss. Es wird<br />
nicht das Produkt selbst verkauft, son<strong>der</strong>n seine genaue Gebrauchsanweisung<br />
zu <strong>der</strong>jenigen Produktion. Das Format ist so präzise ausgearbeitet, dass keine<br />
Schwierigkeiten sogar in außergewöhnlichen Spielsituationen entstehen<br />
können. Im Lizenzpaket für dies o<strong>der</strong> dasjenige Format ist ein dickes Buch<br />
unter dem Namen „Bibel“ beigelegt. Da steht alles nie<strong>der</strong>geschrieben».<br />
Obwohl einige Analytiker in Russland einhe<strong>im</strong>ische <strong>Formate</strong> für nicht<br />
dauerhafte halten und ihnen eine ungenügend industrielle Produktionsweise<br />
zuschreiben, ist es nicht zu übersehen, dass auch ausländische Lizenzhits (wie<br />
„Алчность“ (Greed), „Ca$h“ usw.) aus dem Programm rausfliegen. Dabei<br />
bleibt die noch in den sowjetischen Zeiten entstandene <strong>Quiz</strong>-Sendung „Was?<br />
Wo? Wann?“ seit 30 Jahren <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> Programm.<br />
Valdis Pelsch, <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator von „Rate die Melodie!“, meint, dass z. B.<br />
„Алчность“ (Greed) von Anfang an ein veraltetes Format aus den 90-ern war.<br />
Es war von Anfang an nur wenig interessant. 12<br />
Das Format <strong>der</strong> populären <strong>Quiz</strong>-Shows soll in <strong>der</strong> Regel nach den nationalen<br />
Beson<strong>der</strong>heiten des Publikums adoptiert werden. In den Fällen, wo die<br />
Besitzer von internationalen Rechten keine strikte Befolgung von „Bibel-<br />
11<br />
Von Anatolij Golubovskij (Анатолий Голубовский, «Эфирное счастье», Еженедельный<br />
ЖУРНАЛ, №021, 4.6.2002)<br />
Александр Гуревич: «Формат - это точное описание продукта. Существует текст, в котором<br />
подробно изложено, какого цвета должен быть этот продукт, где и какой музыкальный<br />
«блямс» нужно вставить и надо ли при этом мигать синим фонарем. Продается не сам продукт,<br />
а очень точная инструкция по его производству. Формат отлажен настолько, что вопрос: «А<br />
что делать в неожиданной игровой ситуации?» просто не может возникнуть. В пакете<br />
документов есть толстая книжка под названием Bible («Библия»). Там все сказано».<br />
12<br />
Von Anatolij Golubovskij (Анатолий Голубовский, «Эфирное счастье», Еженедельный<br />
ЖУРНАЛ, №021, 4.6.2002)<br />
Валдис Пельш: «Судьба «Алчности» печальна. С моей точки зрения, эта игра была устаревшей<br />
с самого начала. Как только я ее увидел, сложилось ощущение, что это телевидение 1993-1994<br />
годов. Неинтересно. Нет в ней таких крючков, которые цепляют в «Миллионере» или «Слабом<br />
звене».<br />
8
Regeln“ for<strong>der</strong>n, die das Aussehen und die Sprechcharakteristiken <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>atoren, Lichtpartitur(-palette) und an<strong>der</strong>e ähnliche „Kleinigkeiten“<br />
einschließen, steht <strong>der</strong> russischen Kreativität nichts mehr <strong>im</strong> Wege. Der<br />
Erfolg des <strong>Quiz</strong> hängt von <strong>der</strong> Intuition des Produzenten ab, von seiner<br />
Fähigkeit, die Melodie <strong>der</strong> Zuschauerseele zu erraten.<br />
Im Grunde genommen ist das Format eine Schablone, die aus<br />
psychologischer Sicht genau aus spannen<strong>der</strong>, aber auch mo<strong>der</strong>ner Musik,<br />
korrekter Mo<strong>der</strong>ation und präziser Folge vom best<strong>im</strong>mten Regeln<br />
zusammengestellt ist. <strong>Die</strong> Kosten für das Format hängen von <strong>der</strong> Spezifik des<br />
gesellschaftlichen Lebens <strong>im</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Land ab.<br />
Allgemein arbeitet die Formatindustrie in den Län<strong>der</strong>n mit einem gefestigten<br />
sozial-demographischen Stratum (Schicht). In den Län<strong>der</strong>n mit einer stabilen<br />
Wirtschaft und mit einer prognostizierbaren Entwicklung kann man dies o<strong>der</strong><br />
jenes Format sicher starten und schließlich eine erwartungsgerechte<br />
Zuschauergruppe erreichen, <strong>der</strong>en dementsprechendes Alter, Geschlecht,<br />
soziale Schicht, Ausbildung, psychotypische Charakteristiken<br />
vorprogrammiert waren.<br />
In den Län<strong>der</strong>n, die wirtschaftliche Rezession, politische Instabilität,<br />
Depressionen, totale Umwertung aller Werte erlebt haben (sowie Russland in<br />
90-er Jahren war), stößt die Formatindustrie auf große Schwierigkeiten. Das<br />
kann man mit einem Schichtsalat ver<strong>gleichen</strong>, in dem alle Schichten plötzlich<br />
vermischt wurden. Hier genau liegt das Problem: in so einer Gesellschaft läst<br />
sich keine sichere Prognose abgeben, denn in einer unstabilen Situation<br />
können öfters Gegenreaktionen ausgelöst werden, die die Prognose dann ins<br />
Leere laufen lassen.<br />
An<strong>der</strong>seits ist aber (und das hat europäische Fernsehgeschichte bewiesen) die<br />
Psychologie <strong>der</strong> Zuschauer gegenüber dem Format-Fernsehen nicht eindeutig.<br />
Ein gut gemachtes Format kann tief in den Zuschauer eindringen. Es gibt den<br />
Zuschauern genau das, was sie sehen wollen, es ist in den Tagesablauf <strong>der</strong><br />
Zuschauer perfekt eingepasst, mit Musik, Aktionen und interaktiven Spielen<br />
9
gefüllt, nahe liegend, leichtverständlich und nachvollziehbar. Solche <strong>Formate</strong><br />
können die Massen festhalten.<br />
Das Format des Fernsehspiels (sei es <strong>Quiz</strong> o<strong>der</strong> Game-Show) ist universell<br />
und sehr anpassungsfähig. Durch Än<strong>der</strong>ung einiger Elemente kann es zu<br />
verschiedenen Zielgruppen <strong>der</strong> Zuschauer adaptiert werden. Keine<br />
Seifenoper, keine Sport- o<strong>der</strong> Nachrichtensendung, an denen einige Zuschauer<br />
überhaupt kein Interesse zeigen, können nach ihrer Universalität mit den<br />
Game-Shows verglichen werden.<br />
<strong>Die</strong>s bestätigen auch die Erfahrungen von Alexan<strong>der</strong> Gurevitsch, des<br />
Produzenten, Mo<strong>der</strong>ators und gleichzeitig künstlerischen Leiters vom<br />
„Studio 2B“ (Gesellschaft, die die langlebigste TV-Spiele produziert): «<strong>Die</strong><br />
Game-Show ist eine sehr flexible Struktur. Einerseits kann sie auf einem<br />
Kanal den Charakter einer pseudopsychologischen Sadomaso-Form (wie<br />
„Слабое звено“ - Weakest Link = Der Schwächste fliegt) annehmen,<br />
an<strong>der</strong>erseits auf an<strong>der</strong>em Kanal schafft sie <strong>im</strong> Zusammenklang mit <strong>der</strong><br />
Konzeption des Produzenten ein ganz an<strong>der</strong>s Weltbild – durchaus friedlich,<br />
gemütlich, wie <strong>im</strong> Familienspiel „Устами младенца“ (Child´s Play)». 13<br />
<strong>Die</strong> großen und kostenspieligen Projekte – so wie Reality-Shows „Последний<br />
герой“ (Survivor - Der letzte Held), „Форт Байярд” (Fort Boyard), „За<br />
стеклом“ (Hinter Glas) usw. – können nicht täglich und ständig das<br />
Programm füllen. Sie sind schnell verbraucht. <strong>Die</strong> ständige (den Nachrichten<br />
ähnliche) spielerische Kulisse kann <strong>im</strong> Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Angeboten <strong>im</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Fernsehen ausschließlich das <strong>Quiz</strong> verschaffen (verleihen).<br />
13<br />
Von Alexan<strong>der</strong> Gurevitsch (Александр Гуревич, «Эфирное счастье, Еженедельный ЖУРНАЛ,<br />
№ 021, 4.6.2002)<br />
10
1.2. <strong>Quiz</strong> und seine Platzierung unter den an<strong>der</strong>en Fernsehshows<br />
Der globale Medienmarkt ist relativ jung. Bis zu 80-er Jahren hatten<br />
Mediensysteme hauptsächlich einen nationalen Charakter. Obwohl schon<br />
damals Bücher, Filme, Musikwerke, Fernsehshows <strong>im</strong>portiert wurden, waren<br />
die Rundfunksysteme und Verlage in den Händen von nationalen<br />
Kapitalgesellschaften. Der Medienmarkt wurde wegen seiner strategischen<br />
Bedeutung gesetzlich streng kontrolliert und die Teilnahme von ausländischen<br />
Investoren wurde begrenzt. Allmählich hat sich diese Situation verän<strong>der</strong>t.<br />
Einerseits spielten hier Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung <strong>der</strong><br />
Medien- und Kommunikationssysteme eine große Rolle, an<strong>der</strong>erseits führten<br />
die Entwicklung <strong>der</strong> Satellitenverbindung und <strong>der</strong> digitalen Technologien zur<br />
explosionsartigen Expansion <strong>der</strong> globalen Mediengiganten, die heutzutage in<br />
die transnationalen Informations<strong>im</strong>perien umgewandelt wurden.<br />
Viele Experten, Soziologen und Kulturologen bemerken eine ausgeprägte<br />
Tendenz zur Erhöhung <strong>der</strong> Unterhaltungsmotivation <strong>im</strong> Umgang des<br />
mo<strong>der</strong>nen Menschen mit <strong>der</strong> Information, Kultur, Kunst. Es entsteht ein<br />
Interesse zu den einfachen, entlasteten und verständlichen Formen in <strong>der</strong><br />
Kunst insgesamt, die keine intellektuellen Anstrengungen o<strong>der</strong><br />
Arbeitsaufwand für Konsumenten benötigen. <strong>Die</strong>se Passivität in <strong>der</strong><br />
Betrachtung ist in <strong>der</strong> heutigen Zeit auch für das Fernsehen charakteristisch.<br />
Je<strong>der</strong> Fernsehkanal, genau so wie jede Business-Institution, hat ein<br />
einleuchtendes Ziel – möglichst viel Geld zu verdienen. Wie man zu diesem<br />
Ziel kommt, entscheidet je<strong>der</strong> für sich. Im Grunde genommen haben alle<br />
Sen<strong>der</strong> nur eine einzige Motivation – die Zahl <strong>der</strong> Zuschauer, bzw.<br />
Einschaltquoten zu erhöhen. So muss je<strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> seinen Platz auf dem<br />
Medienmarkt behaupten und zusätzliche Zuschauer von den Konkurrenten<br />
weglocken. Durch die hohen Einschaltquoten wird die Attraktivität des TV-<br />
Kanals für Werbeträger, die wichtigsten Geldlieferanten <strong>im</strong> globalen<br />
Fernsehraum, automatisch erhöht. Um die Konkurrenzfähigkeit eines TV-<br />
11
Kanals zu erhöhen, muss dementsprechend die Qualität des<br />
Fernsehprogramms steigen.<br />
Wenn wir das Programmangebot von europäischen „Top 10“ nach Genre<br />
ver<strong>gleichen</strong>, so sehen wir nach Angaben von Eurodata TV 14 , dass<br />
Unterhaltungsprogramme, zu denen auch <strong>Quiz</strong>-Sendungen gehören, mit den<br />
Spitzenreitern - Film und Serien - konkurrieren und sogar wie „WWM“ in<br />
vielen Län<strong>der</strong>n führende Positionen auf den Top-Listen einnehmen. Man kann<br />
vermuten, dass in absehbarer Zukunft das Telecasino zum dominierenden<br />
Genre <strong>im</strong> Fernsehen wird.<br />
Wenn die führenden Positionen von Film und Serien in europäischen TV-<br />
Chats gedrängt wurden, dann dank dem phantastischen Erfolg vom <strong>Quiz</strong>-<br />
Format „Wer wird Millionär“. Erst 1999 erschien diese <strong>Quiz</strong>-Show in Chats<br />
in Kanada, Dänemark, Großbritannien und in den USA. Im Jahr 2000 ging<br />
diese Show ziemlich stürmisch durch zentral- und westeuropäische Län<strong>der</strong><br />
und den Nahen Osten (Belgien, Deutschland, Irland, Israel, Slowakei,<br />
Slowenien und Schweden). <strong>Die</strong> Möglichkeit, übergroße Gewinne zu erzielen,<br />
sammelte enorm viele Zuschauer vor den Bildschirm. Bis heute sind die<br />
Spiele mit großen Gewinnsummen sehr populär: „Wetten, das..?“ - <strong>im</strong><br />
deutschsprachigen Schweiz, „Alles ist möglich“ – in Österreich, „Carramba<br />
che fortuna!“ – in Italien, „Lottoreckning“ – in Norwegen und Nationallotterie<br />
„Bingo Liberto“ – in Rumänien.<br />
In 2001 beson<strong>der</strong>s populär war das Format des übernationalen Charakters<br />
„Wer wird Millionär“.<br />
14 Eurodata TV - ist ein Tochterunternehmen des französischen Fernsehforschungsinstitut<br />
Médiamétrie [www.mediametrie.fr]. Eurodata TV führt sendungsbezogene Daten aus mehr als 66<br />
Län<strong>der</strong>n weltweit zusammen. Das Institut vermarktet die AGF-Daten <strong>im</strong> Ausland. Das Projekt<br />
existiert seit 1993. Russland ist seit 1999 dabei. Als Grundlage für <strong>Analyse</strong> dienen die „Top(Hit)-<br />
Liste“ mit 10 besten Programmen jedes Landes, wo auch Genre und Produktionsland fixiert ist. Aus<br />
dieser <strong>Analyse</strong> werden die Präferenzen und die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Zuschauer weltweit anschaulich.<br />
Коломиец Виктор Петрович, «Телевизионное пространство глобального мира», Телефорум<br />
2002, № 2. Цель статьи: опираясь на данные исследования, проведенного «Eurodata TV» в 2000<br />
году, представить некоторые тенденции мирового и отечественного телевидения в аспекте<br />
процессов глобализации, формирования единого информационного пространства.<br />
12
<strong>Die</strong> meisten Programme in Hitlisten sind einhe<strong>im</strong>ischer Produktion 15 . Der<br />
größte Exporteur bleiben die USA, in verschiedenen Län<strong>der</strong>n variiert aber die<br />
Zahl <strong>der</strong> Programme „made in USA“ in den Hitlisten von 5% bis 30%. Der<br />
größte Teil amerikanischer Programme läuft in Südafrika, Ozeanien und<br />
Osteuropa, am wenigsten – in Westeuropa und Asien.<br />
35%<br />
10%<br />
67%<br />
Westeuropa<br />
32%<br />
9%<br />
5%<br />
22%<br />
Diagramm 1<br />
Struktur <strong>der</strong> Hitlisten nach dem Produktionsland<br />
10%<br />
8%<br />
Unterhaltungsprogramme<br />
Filme, Serien<br />
Nachrichten<br />
Sport<br />
USA<br />
regionale Produktion<br />
nationale Produktion<br />
unbest<strong>im</strong>mt<br />
Sonstiges<br />
In Westeuropa haben die Unterhaltungsprogramme (35%) die Filme und<br />
Serien (32%) von <strong>der</strong> führenden Position gedrängt. <strong>Die</strong>s passierte dank<br />
Fernsehspielen so wie „WWM“.<br />
Diagramm 2<br />
Osteuropa<br />
Im Osteuropa führen <strong>im</strong>mer noch Filme (43%), danach folgen jedoch<br />
Unterhaltungssendungen (28%).<br />
15 Nach Eurodata TV<br />
43%<br />
28%<br />
5%<br />
22%<br />
13
In einigen Län<strong>der</strong>n werden Hitlisten (fast o<strong>der</strong> ganz) ausschließlich von<br />
Programmen nationaler Produktion dominiert (Russland, Tschechei, Slowakei,<br />
Rumänien).<br />
Russland hat <strong>im</strong> Unterhaltungsbereich (vor allem <strong>Quiz</strong>, Game-Show, Reality-<br />
Show) einen eigenen Mittelweg gefunden. Einerseits werden fremde <strong>Formate</strong><br />
benutzt, mit denen ein Erfolg vorprogrammiert ist, an<strong>der</strong>erseits aber werden<br />
eigene Unterhaltungsshows weiter produziert, die <strong>im</strong> Laufe von mehreren<br />
dutzend Jahren <strong>im</strong>mer noch populär sind, so wie Fernsehspiele „Поле чудес“,<br />
„КВН“ или „Что? Где? Когда?“. Allgemein neue und vor allem kostspielige<br />
Projekte werden für Produzenten weniger verlockend, weil damit ein hohes<br />
Risiko verbunden ist, das investierte Geld nicht zurückzubekommen, sprich<br />
nicht eigene Gewinne zu erzielen. Es ist angenehmer für sie, die <strong>im</strong>portierten<br />
Fertig-Produkte zu Beson<strong>der</strong>heiten des eigenen Publikums zu adaptieren.<br />
<strong>Die</strong> Programmanalyse aller <strong>deutschen</strong> Fernsehangebote führt zu folgenden<br />
Befunden:<br />
Das Fernsehangebot <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen und privaten Hauptprogramme<br />
unterscheidet sich deutlich. Im Unterhaltungsbereich liegt das Schwergewicht<br />
des Ersten und des ZDF auf Fiction, während bei den Privaten die Sparten<br />
Fiction und nonfiktionale Unterhaltung annähernd gleichgewichtig sind.<br />
Während sich die öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme bei <strong>der</strong><br />
nonfiktionalen Unterhaltung vor allem auf konventionelle <strong>Formate</strong> wie<br />
Talkshows, <strong>Quiz</strong> und Darbietungsshows beschränken, tragen zur Dominanz<br />
<strong>der</strong> Privaten in dieser Sparte wesentlich die Gerichtsshows, Doku-<br />
Inszenierungen und Real-Life-Shows bei. 16<br />
<strong>Die</strong> Tendenzen des internationalen Fernsehens in den letzten Jahrzehnten<br />
zeigen allgemein die deutliche Neigung <strong>der</strong> Zuschauer zur Unterhaltung, zur<br />
TV ohne Tabus, Kabarett mit viel Humor und Witzen und auch Reality-TV,<br />
das verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens zeigt und wo die<br />
16 IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael Krüger/ Thomas Zapf-<br />
Schramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Fernsehangebot. Programmanalyse<br />
2005 von ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1 und ProSieben. Media Perspektiven 4/2006, S. 203.<br />
14
Hauptdarsteller einfache Menschen von <strong>der</strong> Straße sind. Nur ein solches<br />
Programmangebot kann den heutigen Zuschauer am Bildschirm noch<br />
festhalten.<br />
Das Verhalten <strong>der</strong> breiten Menschenmassen in einer relativ stabilen<br />
Gesellschaft lässt sich sehr präzise berechnen. <strong>Die</strong> Kalkulationen können<br />
weiter von den Kanälen strategisch gut umgesetzt werden, um höhere<br />
Einschaltquoten und Sympathien bei den konkreten sozial-demografischen<br />
Zielgruppen zu erobern. <strong>Die</strong> Kreativität, die treffsicheren Ideen, die den hellen<br />
Köpfen entspringen o<strong>der</strong> aber auch nicht, müssen den Platz fre<strong>im</strong>achen für das<br />
Rationale. Es ist in allen Bereichen des Lebens die Zeit <strong>der</strong> Technologien<br />
gekommen.<br />
Nach wie vor gilt das Radio als Tagesbegleitmedium, das Fernsehen als<br />
Spätnachmittag- und Abendmedium, die Zeitung als Morgenmedium und das<br />
Internet als Ganztagsmedium. Das Fernsehen wird meist in <strong>der</strong> Freizeit, <strong>der</strong><br />
Hörfunk eher bei <strong>der</strong> Arbeit o<strong>der</strong> auf dem Weg dorthin genutzt.<br />
Zwar kann man die Dynamik von Entwicklungen wie Fernsehen über Internet,<br />
TV-Bil<strong>der</strong> und Radio über Handy heute schwer abschätzen. Aus <strong>der</strong><br />
Erfahrung <strong>der</strong> Langzeitstudie <strong>der</strong> Massenkommunikation ist aber damit zu<br />
rechnen, dass die Mediennutzung weiter ansteigen wird, wenn auch nicht <strong>im</strong><br />
<strong>gleichen</strong> Maße wie in den letzten fünf Jahren.<br />
15
1.3. <strong>Die</strong> Vorgeschichte<br />
In <strong>der</strong> ganzen Welt beginnt die Geschichte TV-Game-Kultur nämlich mit<br />
einer <strong>Quiz</strong>-Show, die auf einer einfachen Standardprozedur aufgebaut ist –<br />
„Frage vom Fernsehsen<strong>der</strong> – Antwort vom Zuschauer“. Sie ist eine<br />
langlebige, populäre, flexible und unendlich verän<strong>der</strong>ungsfähige Form eines<br />
Fernsehspiels. Das Interesse an dieser Form bleibt stabil genauso wie an den<br />
Kreuzworträtseln o<strong>der</strong> an den Kartenspielen allgemein. Sogar die Entwicklung<br />
einiger Computermodifikationen konnte sie nicht schwächen.<br />
Dabei ist das "<strong>Quiz</strong>" als Unterhaltungsformat so alt wie die Medien selbst:<br />
zuerst <strong>im</strong> Radio in den 20-30er Jahren in den USA, dann als Ratespiel<br />
zwischen Unterhaltung und Bildung <strong>im</strong> Fernsehen <strong>der</strong> 50er Jahre. In ihrer<br />
Wandlung sind sie zu spannenden Vorstellungen (Shows) mit einer<br />
vielfältigen Struktur geworden.<br />
Wozu und wann entstanden die ersten TV-Spiele?<br />
In den 50er Jahren wurden die Sendungen <strong>im</strong> britischen Fernsehen<br />
vorwiegend live übertragen. Dabei gab es technische Unterbrechungen<br />
(Pausen) zwischen den Sendungen, weil die Bän<strong>der</strong> damals manuell<br />
gewechselt werden mussten. Dadurch entstand das Problem: womit sollen die<br />
ungeplanten und unberechenbaren Pausen gefüllt werden? Man könnte sie<br />
natürlich, wie damals in <strong>der</strong> UdSSR, mit einer tickenden Uhr o<strong>der</strong> mit<br />
aufgehenden Veilchen, mit dem frühjährlichen Getröpfel zu überbrücken.<br />
Mark Butson bot aber eine an<strong>der</strong>e Lösung an: mit schnellen Frage-Antwort-<br />
Spielen die Zuschauer während <strong>der</strong> Unterbrechungen zu beschäftigen. Später<br />
wurde klar, dass die Zuschauer den Kanal bevorzugen, bei dem es solche<br />
Spiele (diese amüsante „Pausenkiller“) gab. Auf Grund dieser ersten<br />
Erfahrungen entstand später die erste programmfüllende <strong>Quiz</strong>-Sendung, die<br />
Butson auch selbst produzierte. Darauf folgten an<strong>der</strong>e TV-Spiele (bis<br />
etwa 30), die bis heute noch in Europa zu sehen sind.<br />
16
<strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen <strong>der</strong> 50er unterscheiden sich von den heutigen. Früher<br />
trafen sich richtige Intellektuelle und Kenner (Allwissenskenner). <strong>Die</strong> Fragen<br />
waren auch anspruchsvoller und for<strong>der</strong>ten Intelligenz mit Hintergrund.<br />
Heutzutage genügt es mit <strong>der</strong> Massenkultur vertraut zu sein, man schöpft<br />
Kenntnisse aus Schlagzeilen von Zeitungen, Talk-Shows und Filmen, man<br />
studiert Boulevardpresse und Illustrierte, um den alltäglichen Klatsch und<br />
Tratsch abzuspeichern.<br />
Anfang <strong>der</strong> 50er Jahre sind es einfache Rätsel o<strong>der</strong> Frage-Antwort-Spiele,<br />
werden aber bald zu einem Spektakel mit angewandten Dekorationen und<br />
Teilnahme von Zuschauern, die eigene Humor und Phantasie mitbringen.<br />
In den ersten 5-7 Jahren überfluteten die <strong>Quiz</strong>-Sendungen die<br />
Fernsehprogramme. Mitte <strong>der</strong> 50er Jahre in den USA ist die Zeit <strong>der</strong> großen<br />
Gel<strong>der</strong> <strong>im</strong> TV-<strong>Quiz</strong>-Business. Zum Ende <strong>der</strong> 50er-Anfang 60er wurden sie<br />
zum populärsten Fernsehgenre. In vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt sammelten sie die<br />
großen Massen des Publikums. Für die Produktion wurden viele hochrangige<br />
Fachleute aus verschiedenen Gebieten <strong>der</strong> Wissenschaft, Kunst, Dramaturgie,<br />
Psychologie, eingeladen und populäre Schauspieler und Kabarettisten<br />
engagiert.<br />
Auf dem Höhepunkt <strong>der</strong> allgemeinen Begeisterung und massenhaften<br />
Euphorie platzten nacheinan<strong>der</strong> einige Skandale, ausgenommen in den<br />
Län<strong>der</strong>n, wo man um hohe Geldsummen spielte. Unter den Organisatoren<br />
waren unehrliche Leute, die diese Sendungen als Quelle für die schnelle<br />
eigennützige Bereicherung genutzt haben. (In Italien zum Beispiel: Ein<br />
gewisser Rogero suchte passende Personen, denen er gegen gewisses Entgelt<br />
die richtigen Antworten verriet, so konnten die Beteiligten ein Auto o<strong>der</strong><br />
einen an<strong>der</strong>en hochwertigen Gegenstand gewinnen.) In den USA haben solche<br />
Manipulationen große Empörung ausgelöst, so dass die Regierungsorgane<br />
gezwungen wurden, sie als Verbrechen des allgemeinen nationalen Charakters<br />
zu verurteilen. Den Komplizen drohten 10 Jahre Haft.<br />
17
Deutsches Fernsehen blieb auch von einem <strong>Quiz</strong>-Skandal nicht verschont.<br />
1953 mo<strong>der</strong>ierte Hans-Peter Rieschel bei „Er und sie“, einem Wettkampf<br />
zwischen Männern und Frauen, <strong>der</strong> in Form von Rate- und<br />
Geschicklichkeitsspielen ausgetragen wurde. Bei <strong>der</strong> ersten, <strong>im</strong> November<br />
1953 ausgestrahlten Folge war <strong>der</strong> Spielleiter nicht in <strong>der</strong> Lage, das Publikum<br />
zu begeistern. Trotz ansehnlicher Geldpreise – für eine richtige Antwort waren<br />
50 Mark zu gewinnen – kam das Publikum nur zögernd zum Mitmachen auf<br />
die Bühne. Um diesem Problem abzuhelfen, platzierte Rieschel bei <strong>der</strong><br />
zweiten Folge einige vorausgewählte „Kandidaten“ <strong>im</strong> Publikum. Im<br />
Unterschied zu ähnlichen Vorfällen in amerikanischen <strong>Quiz</strong>-Sendungen, die<br />
sich einige Jahre später ereignen sollten, waren Rieschels vorausgewählte<br />
Kandidaten noch nicht einmal über die Spielaufgaben informiert worden.<br />
Anfang <strong>der</strong> 60er verschwinden die <strong>Quiz</strong>-Shows beinahe aus allen zentralen<br />
Programmen. Der Wie<strong>der</strong>aufbauversuch Mitte <strong>der</strong> 60er scheiterte. <strong>Die</strong> Presse<br />
erklärte es durch das entstandene Misstrauen <strong>der</strong> Menschen zu dieser Art von<br />
Sendungen.<br />
Mehr als 10 Jahre wurden gebraucht, bis dieses Misstrauen überwunden<br />
wurde. 1972 werden sie wie<strong>der</strong> populär.<br />
In westlichen Län<strong>der</strong>n verlassen sie den Bildschirm nicht, obwohl ihre<br />
Vielzahl in den 60er Jahren merklich reduziert wurde.<br />
Heutzutage sind sie eines <strong>der</strong> beliebtesten Genre, sie werden in pr<strong>im</strong>e t<strong>im</strong>e<br />
ausgestrahlt und haben hohe Einschaltquoten.<br />
18
1.3.1. <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Sendungen in Deutschland<br />
Als Ausgangspunkt <strong>der</strong> Programmgeschichte von <strong>Quiz</strong>sendungen und Garne<br />
Shows <strong>im</strong> Fernsehen <strong>der</strong> Bundesrepublik wird <strong>der</strong> 25.12.1952 genommen. Ab<br />
diesem Zeitpunkt gab es ein kontinuierlich<br />
ausgestrahltes Fernsehprogramm, zunächst des<br />
Nordwest-<strong>deutschen</strong> Rundfunks (NWDR), an dem sich<br />
nach und nach weitere Sendeanstalten beteiligten, bis<br />
dann am 1.11.1954 das Gemeinschaftsprogramm „Deutsches Fernsehen<br />
(ARD)“ eingerichtet wurde. 17 Übrigens, die <strong>Quiz</strong>sendungen hatte es schon<br />
vorher gegeben, zwar nicht <strong>im</strong> historisch ersten Fernsehen auf deutschem<br />
Boden, dem Programm des Fernsehsen<strong>der</strong>s „Paul Nipkow“, <strong>der</strong> zu Zeiten des<br />
NS-Reg<strong>im</strong>es von 1935 bis 1944 in Betrieb war, aber <strong>im</strong> west<strong>deutschen</strong><br />
Rundfunk <strong>der</strong> frühen Nachkriegszeit – etwa <strong>im</strong> Jahr 1947.<br />
Im Grunde genommen gibt es zur Programmgeschichte von <strong>Quiz</strong> und Game<br />
Show <strong>im</strong> Fernsehen <strong>der</strong> Bundesrepublik nicht nur eine Vorgeschichte, son<strong>der</strong>n<br />
sogar zwei: Als Genre wurde diese Programmsparte nach 1945 zunächst von<br />
den USA in die BRD <strong>im</strong>portiert, und zwar in den Hörfunk; in einem zweiten<br />
Schritt wurde die Sendeform vom Hörfunk dann in das Fernsehen<br />
„Dalli-Dalli“, Hans Rosenthal<br />
übernommen. Zudem ist die Sendeform<br />
nicht nur abstrakt von den USA in den<br />
<strong>deutschen</strong> Hörfunk und von dort in das<br />
Fernsehen gelangt, son<strong>der</strong>n es wurden auch<br />
konkret einzelne Sen<strong>der</strong>eihen aus den USA<br />
<strong>im</strong>portiert, manchmal sogar beides<br />
zugleich. Ein Beispiel: 1940 hatte <strong>im</strong><br />
amerikanischen Radio eine <strong>Quiz</strong>sendung<br />
namens „Take It or Leave It“ Premiere, die<br />
1950 in „The $ 64 Question“ umbenannt<br />
wurde. Schon 1947 tauchte diese<br />
17 Hätten Sie´s gewusst?: <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows des <strong>deutschen</strong> Fernsehens / Gerd<br />
Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
19
Sen<strong>der</strong>eihe als „Doppelt o<strong>der</strong> nichts“ <strong>im</strong> Radioprogramm des Hessischen<br />
Rundfunks auf, die in den USA zur „$ 64 000 Question“ aufgewertet wurde<br />
und 1955 den Sprung ins Fernsehprogramm schaffte.<br />
So schreibt Hans Rosenthal, nicht erst seit „Dalli-Dalli“ einer <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Mo<strong>der</strong>atoren von <strong>Quiz</strong>sendungen, in seiner Autobiographie zu seinen<br />
Anfängen be<strong>im</strong> RIAS <strong>im</strong> Jahre 1948: «Im RIAS begegnete ich zum ersten<br />
Mal in meinem Leben einem Phänomen, das uns Deutschen gänzlich<br />
unbekannt gewesen war: <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Sendung» 18 . Kurz danach war sie unter<br />
dem Titel „Alles o<strong>der</strong> Nichts“ <strong>im</strong> vorabendlichen Werberahmenprogramm des<br />
Bayerischen Rundfunks auch <strong>im</strong> bundes<strong>deutschen</strong> Fernsehen zu sehen. Unter<br />
diesen Umständen empfiehlt es sich, lieber ganz weit auszuholen, und als<br />
erstes die Frage zu stellen, wie denn das <strong>Quiz</strong> in den USA überhaupt in das<br />
Radio kam.<br />
<strong>Die</strong> Anfänge dieses Radio-Genres in den USA sind bisher nicht genau<br />
festgestellt. Manche Autoren vermuten den Beginn in den zwanziger Jahren,<br />
an<strong>der</strong>e eher in den Dreißigern. Es lässt sich nicht so genau sagen, wann das<br />
allererste Radio-<strong>Quiz</strong> war, da es schon damals in den USA eine<br />
unüberschaubare Menge von lokalen Radiostationen gegeben hat.<br />
In den USA fand nach einer Exper<strong>im</strong>entierphase <strong>der</strong> offizielle Beginn des<br />
Fernseh-Zeitalters <strong>im</strong> Jahr 1939 statt – mit <strong>der</strong> Übertragung einer Rede von<br />
Präsident Franklin D. Roosevelt vom Gelände <strong>der</strong> New Yorker<br />
Weltausstellung. Von einem „Massenmedium Fernsehen“ konnte zu diesem<br />
Zeitpunkt noch keine Rede sein – es gab gerade ca. 500 Fernsehgeräte in<br />
Privatbesitz. Doch nach dem 2.Weltkrieg beschleunigte sich die Entwicklung<br />
drastisch. 1947 besaßen schon 142.000 amerikanische Haushalte einen<br />
Fernsehapparat, ein Jahr später waren es knapp eine Million. 1950 waren<br />
bereits 9,7 Millionen Geräte in Betrieb, 1952 – 21,8 Millionen. 19 Zum<br />
Vergleich: eine Million Fernsehgeräte gab es in <strong>der</strong> Bundesrepublik erst 1957;<br />
18 Hätten Sie´s gewusst?: <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows des <strong>deutschen</strong> Fernsehens / Gerd<br />
Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
19 Hätten Sie´s gewusst?: <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows des <strong>deutschen</strong> Fernsehens / Gerd<br />
Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
20
erücksichtigt man die unterschiedliche Bevölkerungszahl, wurde <strong>der</strong> in den<br />
USA 1952 erreichte Versorgungsstand hier erst 1962 eingeholt.<br />
Natürlich bedeutete <strong>der</strong> Aufstieg des Fernsehens zum elektronischen Medium<br />
Nr. 1 nicht den Untergang des Radios, ebenso wie später in <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik führte dieser Aufstieg lediglich zu einem Funktionswandel –<br />
wenn auch bei insgesamt niedrigeren Zuhörerzahlen. Ein Element dieses<br />
Funktionswandels war, dass das Fernsehen zum wichtigsten Unterhaltungsme-<br />
dium wurde und damit zugleich zum Stammsitz <strong>der</strong> «großen Unterhaltung»<br />
für die ganze Familie, zu <strong>der</strong> inzwischen längst das Genre <strong>Quiz</strong> und Game<br />
Show zählte.<br />
Um 1940 war aus dem jungen Radio-Genre bereits ein unverzichtbarer<br />
Programmbestandteil geworden: Laut Maxene Fabe wurden zu diesem<br />
Zeitpunkt bereits über 50 verschiedene <strong>Quiz</strong>sendungen ausgestrahlt. Während<br />
des Zweiten Weltkriegs verschwanden die meisten <strong>Quiz</strong>sendungen aus den<br />
Radioprogrammen – teils wegen nachlassenden Hörerinteresses, teils wegen<br />
<strong>der</strong> strengen Regierungskontrolle des Rundfunks, unter <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen<br />
beson<strong>der</strong>s zu leiden hatten, da sie live gesendet wurden, schließlich auch<br />
deswegen, weil viele Programmmacher zur Armee eingezogen wurden.<br />
Nach dem Krieg setzte sich <strong>der</strong> unterbrochene Aufstieg des Genres dann<br />
jedoch fort: Nach <strong>der</strong> Zählung von Maxene Fabe gab es Ende <strong>der</strong> 40er Jahre<br />
<strong>im</strong> amerikanischen Radio fast 200 <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows. 20 Von<br />
den Sendungen <strong>der</strong> Vorkriegszeit unterschieden sie sich vor allem in einem<br />
Punkt: Es gab generell viel mehr zu gewinnen. Außer mit hohen Geldpreisen<br />
lockten Radio-<strong>Quiz</strong>sendungen nun unter an<strong>der</strong>em mit Kühlschränken,<br />
Waschmaschinen, Pelzmänteln, Autos und sogar Häusern. Was sich in sol-<br />
chen wertvollen Gewinnen ausdrückte, war nicht nur das Bedürfnis einer<br />
Nachkriegsgesellschaft, in Kriegszeiten versagten Konsum nachzuholen, sie<br />
20 Hätten Sie´s gewusst?: <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows des <strong>deutschen</strong> Fernsehens / Gerd<br />
Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
21
zeugten auch schon vom Beginn des Konkurrenzkampfes mit dem neuen<br />
Medium Fernsehen.<br />
Etwa ab 1950 wan<strong>der</strong>te das <strong>Quiz</strong>-Genre insgesamt allmählich vom Radio ins<br />
Fernsehen ab. Zum einen in <strong>der</strong> Form, dass viele erfolgreiche Sen<strong>der</strong>eihen von<br />
dem neuen Medium übernommen wurden. Zum an<strong>der</strong>en dadurch, dass die <strong>im</strong><br />
Radio erprobten Bauelemente für eine erfolgreiche <strong>Quiz</strong>sendung o<strong>der</strong> Game<br />
Show auch <strong>im</strong> Fernsehen bei <strong>der</strong> Konstruktion neuer, fernsehgerechter<br />
Produktionen eingesetzt wurden.<br />
Der Abschluss des ersten Teils <strong>der</strong><br />
Vorgeschichte ist Ende <strong>der</strong> 40er Jahre<br />
aber noch aus einem an<strong>der</strong>en Grund<br />
erreicht: In diese Zeit fällt <strong>der</strong> Beginn<br />
<strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> <strong>Quiz</strong>- und Game-Show-<br />
Geschichte. <strong>Die</strong> weitere Entwicklung des<br />
Genres in den USA wird trotzdem nicht<br />
aus dem Auge verloren – zwischen amerikanischen und <strong>deutschen</strong><br />
<strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows bestanden <strong>im</strong>mer sehr enge Beziehungen,<br />
und sie bestehen heute noch. Selbst wenn <strong>im</strong> Folgenden in erster Linie von<br />
deutscher Programmgeschichte die Rede ist, wird es <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> auch um<br />
amerikanische Produktionen gehen.<br />
Nicht nur das Genre <strong>Quiz</strong>/Game Show<br />
insgesamt ist nach den Zweiten Weltkrieg<br />
aus den USA <strong>im</strong>portiert worden, son<strong>der</strong>n<br />
auch zu allen Zeiten haben US-<br />
amerikanische Lizenzproduktionen einen<br />
erheblichen Anteil des bundes<strong>deutschen</strong><br />
Programmangebots ausgemacht. Dazu<br />
zählten in den 50er Jahren solche<br />
Charles Van Doren (r.) mit "Twenty-<br />
One"-Mo<strong>der</strong>ator Jack Barry (Mitte)<br />
Sen<strong>der</strong>eihen wie „Was bin ich?“ (What's My Line?) und „Hätten Sie´s<br />
gewusst?“ (Twenty-One), später kamen unter an<strong>der</strong>em „Sag die Wahrheit“<br />
22
(To Tell the Truth) und „<strong>Die</strong> Pyramide“ (The Pyramid) hinzu, in neuerer Zeit<br />
wurden aus den USA beispielsweise „Dingsda“ (Child´s Play), „Das<br />
Glücksrad“ (Wheel of Fortune) und „Der Preis ist heiß“ (The Price Is Right)<br />
übernommen.<br />
„To Tell the Truth“<br />
„The Price Is Right“<br />
23
<strong>Die</strong> Vorgeschichte <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong> <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Rundfunk:<br />
1946 „Schnelldenker-Turnier“ von Hans Gertberg<br />
50er „Alles o<strong>der</strong> Nichts“ („Doppelt o<strong>der</strong> nichts“) – „Take It or Leave<br />
It“ = „The $ 64 Question“ – 1956 (Neuauflage - 1982-1988)<br />
„Was bin ich?” – „What's My Line?” (Neuauflage - Kabel1 /<br />
1999-2005)<br />
„Hätten Sie´s gewusst?” – „Twenty-One” – 1958-1969 (mit<br />
Hans Maegerlein)<br />
„Sag die Wahrheit” – “To Tell the Truth” – 1959<br />
„Der große Preiß” – ZDF – 1974- 1993<br />
„Dingsda” – „Child´s Play” – 1985<br />
„Das Glücksrad” – „Wheel of Fortune” – 1988<br />
„Erkennen Sie die Melodie?“ – 1969<br />
„Was bin ich? / Ja o<strong>der</strong> Nein“ – 1955<br />
15.02.1953 „Erzähler-Stafette“<br />
18.02.1953 „Kennst Du Europa?“<br />
60er „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joach<strong>im</strong> Kuhlenkampf –1964-<br />
1987<br />
„Raten Sie mit“ – eine Koproduktion des Hessischen<br />
Rundfunks und des deutschsprachigen <strong>Die</strong>nstes <strong>der</strong> englischen<br />
BBC – 1965<br />
„Wer fragt, gewinnt“<br />
„Allein gegen alle“ – 1963/1978<br />
„Gut gefragt ist halb gewonnen“ – ZDF – 1964<br />
1972-1987 „Dalli Dalli” – 1963 (Neuauflage: ZDF / 1995-1997)<br />
1974 „Der Preis ist heiß” – „The Price Is Right”<br />
1978-1993 „<strong>Die</strong> Pyramide” – ZDF / 1978-1993 – Mo<strong>der</strong>ation: <strong>Die</strong>ter<br />
Thomas Heck<br />
1985 „Dingsda” – „Child´s Play”<br />
24
Das deutsche Radio-<strong>Quiz</strong> ist sogar etwas älter als die Bundesrepublik. Als die<br />
ersten Sendungen dieses Typs ausgestrahlt wurden, bestand das Land noch aus<br />
einzelnen Besatzungszonen. Zum 1. Januar 1947 erfolgte <strong>der</strong> wirtschaftliche<br />
Zusammenschluss <strong>der</strong> britischen und amerikanischen Zone zur „Bizone“,<br />
später kam die französische Zone hinzu, wodurch aus den zukünftigen<br />
Bundesbürgern erst einmal Bewohner von „Trizonesien“ wurden. In dieser<br />
Übergangszeit, nach <strong>der</strong> Befreiung Deutschlands von <strong>der</strong> Nazi-Diktatur und<br />
vor <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Bundesrepublik, gab es bereits <strong>im</strong> Hörfunk erste<br />
<strong>Quiz</strong>sendungen.<br />
Was denn wirklich die allererste <strong>Quiz</strong>sendung war, lässt sich ebenso wie für<br />
die USA mangels einsehbarer Unterlagen nicht mit Best<strong>im</strong>mtheit sagen.<br />
Wahrscheinlich fand die Premiere des Genres aber <strong>im</strong> Jahr 1946 statt,<br />
zumindest lassen sich für diese Zeit erste Hinweise finden. So schreibt<br />
Joach<strong>im</strong> Drengberg zu den frühen Unterhaltungssendungen des<br />
Nordwest<strong>deutschen</strong> Rundfunks (NWDR): «<strong>Die</strong> Reihe <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Arten von Denk-, Rate- und Geschicklichkeitsspielen begann Weihnachten<br />
1946 mit dem „Schnelldenker-Turnier“ von Hans Gertberg». 21 Im folgenden<br />
Jahr sendete <strong>der</strong> spätere Hessische Rundfunk, <strong>der</strong> damals noch „Radio Frank-<br />
furt“ hieß, die erste Folge von «Doppelt o<strong>der</strong> nichts», mo<strong>der</strong>iert von Just<br />
Scheu. Es war die deutsche Version <strong>der</strong> US-Hörfunkproduktion „Take It or<br />
Leave It“, die in späteren Jahren auch <strong>im</strong> Fernsehen als „The $ 64000<br />
Question“ ein großer Erfolg werden sollte.<br />
"Doppelt o<strong>der</strong> nichts" hieß eine <strong>der</strong> ersten <strong>Quiz</strong>-Sendungen <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Radio. Mo<strong>der</strong>ator Justus Scheu ging <strong>im</strong> Jahr 1947 <strong>im</strong> Radio Frankfurt auf<br />
Sendung. Eine ganze Salami war neben 160 Reichsmarken <strong>der</strong> begehrteste<br />
Hauptgewinn in <strong>der</strong> Nachkriegszeit.<br />
<strong>Die</strong> Gewinnmöglichkeiten waren relativ gering, auch wenn sie bei „Take It or<br />
Leave It“ deutlich größer waren: hier ging es <strong>im</strong>merhin um $ 64. Der<br />
21 Hätten Sie´s gewusst?: <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows des <strong>deutschen</strong> Fernsehens / Gerd<br />
Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
25
Hauptgewinn bei „Doppelt o<strong>der</strong> nichts“ waren dagegen 160 Reichsmark, die<br />
sich, wie Hans-Otto Grünefeldt (ab 1951 Leiter <strong>der</strong> Unterhaltungsabteilung<br />
des Hessischen Rundfunks, später Fernseh-Programmdirektor des HR)<br />
berichtet, gleich <strong>der</strong> erste Kandidat <strong>der</strong> Sendung erspielte: «Aber als er eine<br />
echte Salami dazu bekam, vergaß er fast, die 160,- R-Mark zu kassieren». 22<br />
<strong>Die</strong> Reaktion des Kandidaten war verständlich – 1947 herrschte noch große<br />
wirtschaftliche Not, und es gab viele Versorgungsengpässe. Was florierte, war<br />
<strong>der</strong> Schwarzmarkt, und auf dem Frankfurter Schwarzmarkt hätte sich <strong>der</strong><br />
Kandidat für seinen Gewinn gerade ein Kilogramm Zucker kaufen können.<br />
Bis etwa Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre blieb eine «Gewinn-Schere» zwischen<br />
amerikanischen und <strong>deutschen</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen generell erhalten. Danach hat<br />
sich das Genre in den USA und in <strong>der</strong> Bundesrepublik deutlich an<strong>der</strong>s<br />
entwickelt. Während in den USA die Spielgewinne in Radio-<strong>Quiz</strong>sendungen<br />
rasch enorme Höhen erreichten, blieben sie in <strong>der</strong> Bundesrepublik relativ<br />
niedrig. Ein wesentlicher Grund für diese Differenz lag in <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Organisation des amerikanischen und des <strong>deutschen</strong><br />
Rundfunks. Sowohl Radio als auch Fernsehen waren in den USA von Anfang<br />
an privatwirtschaftlich organisiert, in <strong>der</strong> Bundesrepublik waren beide Medien<br />
dagegen lange Zeit ausschließlich öffentlich-rechtliche.<br />
Dazu wie<strong>der</strong> Hans-Otto Grünefeldt: «Als in den Jahren 1948/49 harte D-Mark<br />
ausgegeben wurden, begnügte man sich be<strong>im</strong> Hessischen Rundfunk mit dem<br />
Wertzuwachs <strong>der</strong> Gewinne durch die Währungsreform, obwohl die Anre-<br />
gungen nicht verstummten, den Endgewinn auf eine sensationellere Höhe<br />
heraufzusetzen. Im Gegenteil, in Frankfurt wie auch in an<strong>der</strong>en <strong>deutschen</strong><br />
Funkhäusern machte man sich daran, <strong>Quiz</strong>-Sendungen zu entwickeln, die auf<br />
das Spannungsmoment des sensationellen Geldgewinnes verzichteten. Sie<br />
suchten ihren Reiz <strong>im</strong> fairen Geisteswettkampf von Einzelpersonen o<strong>der</strong><br />
22 Hätten Sie´s gewusst?: <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows des <strong>deutschen</strong> Fernsehens / Gerd<br />
Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
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Mannschaften, um in einem harmlos lustigen Gesellschaftsspiel die Ratelust<br />
<strong>der</strong> Hörer zu wecken». 23<br />
Trotz dieser Selbstbeschränkung in Hinsicht auf die Spielgewinne wurde das<br />
neue Genre „<strong>Quiz</strong>“ ein großer Erfolg <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Hörfunk. Selbst solche,<br />
die auf beson<strong>der</strong>e Unterhaltungsreize völlig verzichteten wie etwa «Raten Sie<br />
mit», eine Koproduktion des Hessischen Rundfunks und des<br />
deutschsprachigen <strong>Die</strong>nstes <strong>der</strong> englischen BBC.<br />
«Wer fragt, gewinnt» wurde nicht nur <strong>im</strong> Hörfunk ein großer Erfolg und<br />
brachte es auf 300 Folgen, unter dem Titel „Gut gefragt ist halb gewonnen“<br />
lief die <strong>Quiz</strong>reihe ab 1964 auch <strong>im</strong> Fernsehen, <strong>im</strong> Vorabendprogramm des<br />
ZDF.<br />
Noch populärer wurde das ab 1963 ausgestrahlte Radio-<strong>Quiz</strong> „Allein gegen<br />
alle“, das von fast allen bundes<strong>deutschen</strong> Sen<strong>der</strong>n übernommen wurde und<br />
ebenfalls später ins Fernsehen gelangte.<br />
Mit den ersten Auftritten von Rosenthal als Spielleiter in „Wer fragt, gewinnt“<br />
haben wir dann auch das Ende des zweiten Teils <strong>der</strong> Vorgeschichte des<br />
Fernseh-Genres <strong>Quiz</strong> und Game Show erreicht: Zu diesem Zeitpunkt existierte<br />
bereits seit fast eineinhalb Jahren ein regelmäßiges Fernsehprogramm.<br />
In den 50ern wan<strong>der</strong>te das <strong>Quiz</strong> ins Fernsehen. Es bot Ton und Bild, und<br />
allein dadurch wurde es binnen kurzer Zeit wichtiges Leitmedium.<br />
In den 60ern wurde „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joach<strong>im</strong> Kuhlenkampf<br />
ein Riesenerfolg.<br />
Nach einer Vorbereitungsphase in den Jahren 1948 bis 1950 und einer Phase<br />
<strong>der</strong> Versuchssendungen in den Jahren 1950 bis 1952 fand <strong>der</strong> eigentliche<br />
Beginn des Fernsehens in <strong>der</strong> Bundesrepublik am 25.12.1952 statt – seit<br />
diesem Zeitpunkt gibt es jeden Tag ein Fernsehprogramm.<br />
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Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
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Ein „Massenmedium“, wie <strong>im</strong> Gegensatz das Radio, war das Fernsehen da-<br />
mals nicht. Zum Programmstart <strong>im</strong> Dezember 1952 gab es in <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik gerade 1.000 Fernsehgeräte, zum Jahresende waren es 3.657 –<br />
mehr als 40 % davon, nämlich 1.632, gehörten Gastwirten 24 , die sich von<br />
dem neuen Medium Umsatzsteigerungen erhofften. „Fernsehen“ war daher<br />
auch weniger ein privates als ein öffentliches Vergnügen. Den ersten Kontakt<br />
mit diesem neuen technischen Wun<strong>der</strong> hatten die meisten Bundesbürger in<br />
Gaststätten o<strong>der</strong> Sälen, wo ein solches Gerät aufgestellt war, o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong><br />
Straße, vor den Schaufenstern von Elektrogeschäften, die mit Hilfe eines<br />
eingeschalteten Apparats für ihr Angebot werben wollten. Und selbst die<br />
wenigen, die schon in den Anfangsjahren ein Fernsehgerät in ihrer Wohnung<br />
stehen hatten, blieben selten allein - dafür sorgten ihre Nachbarn, die auch<br />
einmal sehen wollten, was <strong>der</strong> „Zauberspiegel“ zu bieten hatte.<br />
Nachdem die Programmsparte <strong>Quiz</strong>/Game Show, erst wenige Jahre zuvor aus<br />
den USA <strong>im</strong>portiert, schon <strong>im</strong> bundes<strong>deutschen</strong> Hörfunk ihre Attraktivität<br />
bewiesen hatte, hielt sie nach kurzer Zeit Einzug in das Fernsehprogramm.<br />
Als eigenständige Sendeform, also nicht bloß als ein Element eines „Bunten<br />
Abends“, feierte sie am 15.2.1953 Premiere. Es handelte sich dabei um eine<br />
Produktion, die nach heutigen Maßstäben als „Game Show“ bezeichnet<br />
würde, eine etwas ungewöhnliche Inszenierung namens „Erzähler-Stafette“.<br />
Da von dieser Sendung keine Aufzeichnung existiert, soll an dieser Stelle eine<br />
zeitgenössische Beschreibung zitiert werden: „Drei namhafte Schriftsteller,<br />
Walther von Hollan<strong>der</strong>, Edgar Kahn und Hans Rehfisch, werden sich am<br />
Sonntag, 15. Februar, zum Stegreiferzählen <strong>im</strong> Hamburger Fernsehstudio<br />
zusammensetzen. Aus einer Schatulle wählen sie ein Thema. Der erste<br />
beginnt, eine Geschichte darüber zu erzählen; nach genau zwei Minuten<br />
unterbricht ihn ein Gong. Nun fängt <strong>der</strong> zweite an, über sein Thema zu<br />
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Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
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sprechen, nach wie<strong>der</strong> zwei Minuten <strong>der</strong> dritte, und dann geht es in <strong>der</strong><br />
<strong>gleichen</strong> Weise von vorn los“. 25<br />
Wenige Tage später, nämlich am 18.2.1953, folgte das erste echte „<strong>Quiz</strong>“, die<br />
von Franz Thomale geleitete Sendung „Kennst Du Europa?“.<br />
<strong>Die</strong>se beiden Produktionen blieben 1953 nicht die einzigen <strong>Quiz</strong>sendungen<br />
und Game Shows des Fernsehens, es wurden noch verschiedene an<strong>der</strong>e<br />
gezeigt. Darunter waren sowohl kürzere Formen wie „Hell und schnell“ als<br />
auch abendfüllende wie „Er o<strong>der</strong> Sie“ – ein Wettkampf zwischen Männern<br />
und Frauen, <strong>der</strong> in Form von Rate- und Geschicklichkeitsspielen ausgetragen<br />
wurde; geleitet wurden sie teils von weitgehend unbekannten Mo<strong>der</strong>atoren<br />
wie Hans-Peter Rieschel o<strong>der</strong> Franz Thomale, teils aber auch schon von<br />
Mo<strong>der</strong>atoren, die aus dem Hörfunk bekannt waren. <strong>Die</strong> Rede ist hier vor allem<br />
von Hans-Joach<strong>im</strong> Kulenkampff, <strong>der</strong> 1953 nicht nur in dem „kleinen“ <strong>Quiz</strong><br />
„Wo blieb deine Schulweisheit?“ auf <strong>deutschen</strong> Fernsehschirmen zu sehen<br />
war, son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong> „großen“ Produktion „Wer gegen wen?“, einer<br />
Übernahme aus dem Hörfunk. Während die Radio-Version jedoch nur ein<br />
Wettkampf zwischen hessischen Städten war, traten <strong>im</strong> Fernsehen Städte aus<br />
<strong>der</strong> ganzen Bundesrepublik gegeneinan<strong>der</strong> an. Eine weitere, ab 1955<br />
ausgetragene Spielrunde, wurde dann sogar international besetzt.<br />
<strong>Die</strong> Fernseh-Premiere von „Wer gegen wen?“ fand <strong>im</strong> September 1953<br />
während <strong>der</strong> „Großen Deutschen Rundfunk-, Phono- und Fernsehausstellung“<br />
in Düsseldorf statt, die die Bundesbürger vom hohen Standard <strong>der</strong><br />
Fernsehgeräteproduktion und des Fernsehprogramms überzeugen sollte. Bei<br />
dieser Veranstaltung feierte auch Peter Frankenfeld seinen ersten großen<br />
Fernseherfolg – mit dem täglich ausgestrahlten Talentwettbewerb „Wer will,<br />
<strong>der</strong> kann“. Es war wohl für alle Beteiligten keine große Überraschung, dass<br />
die Sendungen ihren Titel Lügen straften. Es wollten zwar viele auf die<br />
Bühne, das Können reichte bei den meisten aber nicht sehr weit. Der einzige,<br />
<strong>der</strong> sowohl wollte als auch konnte, war Frankenfeld selbst, und mit seinen<br />
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Auftritten in Düsseldorf brachte er sich nachdrücklich als kommen<strong>der</strong><br />
Spitzen-Unterhalter ins Gespräch.<br />
Eine Produktion ragt aus dem <strong>Quiz</strong>- und Game-Show-Angebot des Jahres<br />
1953 beson<strong>der</strong>s heraus, „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“: Obwohl sie<br />
keine große Bühnenveranstaltung war, erwies sie sich als enormer<br />
Zuschauererfolg und stellte mit <strong>der</strong> ersten Folge sogar einen Rekord auf, <strong>der</strong><br />
wahrscheinlich nie gebrochen werden kann. Zur Auftaktsendung schickten<br />
11.540 Zuschauer Lösungen ein, obwohl es zu diesem Zeitpunkt überhaupt<br />
nur 7.000 Fernsehteilnehmer gab. „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“ ba-<br />
sierte auf einer Idee des Regisseurs Ruprecht Essberger und wurde von <strong>der</strong><br />
Berliner Journalistin Dagmar Späth geleitet.<br />
Originell war an diesem Ratespiel vor allem <strong>der</strong> Grundgedanke, nicht bloß<br />
Hörfunk mit Bil<strong>der</strong>n machen zu wollen, was noch einige Jahre <strong>der</strong> übliche<br />
Weg war, <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows zu gestalten. Der Grund dafür ist<br />
nahe liegend: Das Fernsehen erreichte wenige, das Radio viele; folglich<br />
empfanden viele Programmacher das Fernsehen als eine Unterabteilung des<br />
Hörfunks. „Ich seh' etwas, was du nicht siehst“ bot dagegen ein<br />
fernsehspezifisches Konzept – es gab keine Kandidaten <strong>im</strong> Studio, Kandidaten<br />
waren potentiell alle Fernsehzuschauer dahe<strong>im</strong>. Ihnen wurden keine Fragen<br />
gestellt, sie hatten «optische Rätsel» zu lösen; die Spielaufgaben waren in den<br />
Fernsehbil<strong>der</strong>n versteckt. Es galt <strong>im</strong>mer, sich Details zu merken, um welches<br />
Detail es ging, wurde aber erst <strong>im</strong> Nachhinein gesagt. So wurde beispielsweise<br />
ein Musiktitel präsentiert und anschließend gefragt, wie viele Pedale die dabei<br />
gespielte Harfe hatte. O<strong>der</strong> es wurde eine Pantom<strong>im</strong>e gezeigt, auf die dann die<br />
Frage folgte, ob <strong>der</strong> Schauspieler dabei einen Schlüssel in die linke o<strong>der</strong><br />
rechte Jackentasche gesteckt hatte.<br />
Dazu eine zeitgenössische St<strong>im</strong>me: «<strong>Die</strong> Sendung war vollendet<br />
fernsehgemäß aufgebaut und ganz auf die gute Beobachtungsgabe abgestellt.<br />
Sie war erkennbar sorgsam vorbereitet und genau durchdacht, einschließlich<br />
<strong>der</strong> geschmackvollen Dekorationen, <strong>der</strong> glücklich zusammengestellten<br />
30
Mitwirkenden und <strong>der</strong> höchst ansprechenden Gesprächsführung <strong>der</strong><br />
Gastgeberin Dagmar Späth. <strong>Die</strong> Sendung ist ein Erfolg von Ruprecht<br />
Essberger, <strong>der</strong> stets sauber und wohlüberlegt gestaltet; er und Frau Späth<br />
haben offenbar genau die Wünsche <strong>der</strong> Zuschauer getroffen. <strong>Die</strong>se Sendung<br />
war beste Unterhaltung, reizend dargeboten, anregend dem Inhalt nach und<br />
psychologisch klug aufgebaut.» 26<br />
Sich einfach vergnügen – das ging in <strong>der</strong> Anfangszeit <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Sendungen<br />
nicht. Man sollte bei <strong>der</strong> Fernsehunterhaltung etwas Nützliches lernen. Das<br />
öffentlich-rechtliche Fernsehen hat einen Bildungsauftrag. Bildung und<br />
Wissen waren Rohstoffe für eine Gesellschaft <strong>im</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau.<br />
Der Erfolg von „Wer wird Millionär?“ und seiner zahlreichen Imitate hat<br />
mittlerweile einen ganz neuen Industriezweig entstehen lassen. Drei<br />
Sendungen <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Show mit Günther Jauch werden an einem Tag<br />
produziert. <strong>Die</strong> Fernsehfabrik „Köln-Hürth ist das Industriegebiet <strong>der</strong><br />
<strong>deutschen</strong> Fernsehnation“ schrieb einmal ein Spiegelreporter.<br />
<strong>Die</strong> Antworten in den Rateshows sind eine Mischung aus Alltagswissen,<br />
Abseitigem-, und Allgemeinwissen. Dabei kann die Frage nach <strong>der</strong> Turmfrisur<br />
denselben Stellenwert, wie die nach dem Vorsitzenden des Wiener<br />
Kongresses von 1814 bekommen. Da gerät <strong>der</strong> Bildungskanon aus den Fugen:<br />
So genanntes Herrschaftswissen wird entmachtet, <strong>der</strong> bildungsbürgerliche<br />
Fetisch „Wissen“, zerrupft, zerkleinert, filetiert.<br />
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Hallenberger / Joach<strong>im</strong> Kaps (Hg.) – Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
31
Tabelle 1<br />
Wissens-, <strong>Quiz</strong>- und Spielshows <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Fernsehen<br />
● Allein gegen Alle (RTL 2) - Game-Show 2000-2001<br />
● Ca$h - Das Eine-Million-Mark-<strong>Quiz</strong> (ZDF) - mit Ulla Kock am Brink 2000-2001<br />
● Chance Deines Lebens, <strong>Die</strong> (SAT.1) - 10 Millionen Mark Show<br />
mit Kai Pflaumе 2000<br />
● Crazy - <strong>Die</strong> Show (RTL 2) - Interaktive Wettshow mit Zuschauer-<br />
beteiligung 2001<br />
● Deal or no deal (SAT 1) - (2004 - mit Linda de Mol / 2005 -<br />
mit Guido Cantz) - Neuauflage 2006<br />
● DUELL - Das DSF <strong>Quiz</strong> (DSF) 2001-2002<br />
● Einer wird gewinnen (ZDF) - In <strong>der</strong> Show stehen acht Kandidaten<br />
aus acht europäischen Län<strong>der</strong>n <strong>im</strong> Mittelpunkt und spielen um Punkte<br />
und Preise (Neuauflage; Original – 1964-1987) 1998<br />
● Einundzwanzig (<strong>Quiz</strong> 21) (RTL) - <strong>Quiz</strong>-Show mit Hans Meiser 2000<br />
● Extreme Aktivity (Pro Sieben) - Mo<strong>der</strong>ation: Jürgen von <strong>der</strong> Lippe seit 2006<br />
● Familienduell (RTL) - Jeweils 2 Familien-Teams erraten<br />
die Meinung von 100 Leuten 1992-2003<br />
● Geh auf's Ganze (Kabel 1) 1992<br />
● Glücksrad (Kabel 1) 1988<br />
● Große IQ-Test, Der (RTL) 2001<br />
● Guinness - die Show <strong>der</strong> Rekorde (BR) - mit Reinhold Beckmann<br />
und Franziska Schenk 1998<br />
● Hast Du Töne? (VOX) - Kandidaten müssen Musikstücke erraten 1999-2001<br />
● Ihr seid wohl wahnsinnig (RTL) - zwei Mo<strong>der</strong>atoren suchen die<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung 1999-2000<br />
● Jede Sekunde zählt (ZDF) - zwei Familien duellieren sich<br />
um ihr Traumhaus 2000<br />
● Je<strong>der</strong> gegen Jeden (SAT.1) - Mo<strong>der</strong>ation: Hans-Hermann Gockel,<br />
Holger Speckhahn 1995-2001<br />
● Jeopardy! (RTL, tm3) 1994-2001<br />
● Lotto-Show, <strong>Die</strong> (ARD) 1998-2001<br />
● NDR-<strong>Quiz</strong>show (NDR) - Mo<strong>der</strong>ation: Ludger Abeln,<br />
Carlo von Tiedemann seit 2004<br />
32
● <strong>Quiz</strong>fire (SAT.1) 2001-2003<br />
● <strong>Quiz</strong> mit Jörg Pilawa, Das (ARD) seit 2000<br />
● <strong>Quiz</strong> Show, <strong>Die</strong> (SAT.1) - Mo<strong>der</strong>ation: J. Pilawa, C. Clerici,<br />
M. Opdenhövel 2000-2004<br />
● Ruck Zuck 1988<br />
● Schwächste fliegt, Der (RTL) 2001<br />
● Sudoku (ZDF) - Kombination aus typischen <strong>Quiz</strong>fragen und<br />
Sudoku-Rätseln 2006<br />
● Was bin ich? (Kabel 1) – Neuauflage des einst so erfolgreichen<br />
Ratespiels 2000<br />
● Wer Wird Millionär? (RTL) 1999<br />
● Wetten dass..? (ZDF) – mit Thomas Gottschalk 1987-1992, seit 1993<br />
1.3.2. <strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Sendungen in Russland<br />
Das Zeitalter des Fernsehens begann in Russland (damals Sowjetunion) in<br />
Moskau 1935. 1941-1945 folgte eine große Pause. <strong>Die</strong> wichtigsten Sendungen<br />
<strong>der</strong> Nachkriegszeit berichteten damals über die wirtschaftliche Erfolge in <strong>der</strong><br />
UdSSR, kulturelle Ereignisse und Sport.<br />
In den 60er Jahren erlebt <strong>der</strong> Rundfunk (Radio und Fernsehen) in <strong>der</strong><br />
Sowjetunion seine beson<strong>der</strong>s aktive Entwicklung. Das 2. Programm wird<br />
eröffnet, das Fernsehen entwickelt sich nicht nur in Moskau, son<strong>der</strong>n auch in<br />
Leningrad, in Ural, in Sibirien. Jede Sowjetrepublik, Gebiet und Region hatten<br />
eigene Sen<strong>der</strong>.<br />
In den Jahren 1960-70 wurden <strong>im</strong> Fernsehen alle wichtigsten Sendungsformen<br />
etabliert: die ersten Fernsehrubriken, die bis heute noch vorhanden sind.<br />
Darunter auch <strong>Quiz</strong>- und Game-Shows wie „KWN“ (Klub <strong>der</strong> Lustigen und<br />
Schlagfertigen) und „Was, Wo, Wann?“<br />
33
Im Leningra<strong>der</strong> (jetzt Petersburger) Fernsehen entstand in den 60ern das Spiel<br />
für die Intellektuellen „Turnier SK“ („Турнир СК“) und wurde in ganz<br />
Russland übertragen. Darauf folgte „Einer für alle und alle für einen“. Der<br />
Begriff «Fernsehspiel» wurde ins Leben gerufen. In Moskau wurde „Auktion“<br />
(von Voroschilov) unter den ersten Spielen produziert. Zum ersten Mal wurde<br />
dort ein Kühlschrank als Preis angeboten, was mit einem Streit endete. Wie<br />
konnte es passieren, dass ein sowjetischer Bürger ohne jegliche Mühe und <strong>im</strong><br />
Umgehen von damals üblichen Wartelisten einen Kühlschrank bekommen hat.<br />
Man hätte geschwindelt. Das Spiel war kein übliches Ratespiel, das war ein<br />
Wettbewerb zwischen den Chansonsängern, die eigene Lie<strong>der</strong> vorsangen. Das<br />
war das erste kommerzielle Spiel, in dem ein Gefrierbetrieb für seine Geräte<br />
Werbung machte. <strong>Die</strong> Kühlschränke wurden als Preis angeboten. Im<br />
staatlichen Fernsehen gab es keinerlei Werbung. <strong>Die</strong>se Idee <strong>der</strong> Preisvergabe<br />
verst<strong>im</strong>mte die Zuschauer und auch die Verwaltung des Fernsehkanals so<br />
sehr, dass diese Sendung nach wenigen Monaten auf <strong>im</strong>mer und ewig<br />
eingestellt wurde.<br />
Später entstanden solche Programme wie „А ну-ка, парни“ (Hey, Jungs!), „А<br />
ну-ка, девушки“ (Hey, Mädels!), „Klub <strong>der</strong> Lustigen und Schlagfertigen“ –<br />
„KWN“ (Klub Wessjolych i Nachodtschiwych) und „Was? Wo? Wann?“, die<br />
bis heute ein Phänomen bleiben.<br />
Be<strong>im</strong> „KWN“ (Klub <strong>der</strong> Lustigen und Schlagfertigen), wie das Programm zu<br />
Sowjetzeiten getauft wurde, handelt es sich um eine Art Mehrkampf in<br />
Humor, mit Elementen von Theater, Kabarett und Comedy. Mannschaften aus<br />
jungen Leuten wetteifern vor Publikum darum, wer mehr Witz hat. Das kann<br />
je nach Liga <strong>im</strong> Provinzkulturhaus sein, aber auch zur Pr<strong>im</strong>e T<strong>im</strong>e landesweit<br />
<strong>im</strong> TV. <strong>Die</strong>ses Spiel war eine Erfolgsidee.<br />
Von <strong>der</strong> ersten Life-Ausstrahlung <strong>im</strong> Zentralen Fernsehen hat das Fragespiel<br />
„Was? Wo? Wann?“ die Herzen <strong>der</strong> Zuschauer in <strong>der</strong> ganzen Sowjetunion<br />
erobert. Das war ein Test, um den eigenen Intellekt zu prüfen, und gleichzeitig<br />
ein Mittel, den eigenen Intellekt zu entwickeln. Durch Zusammenstellen und<br />
34
logische <strong>Analyse</strong> einzelner bekannter Fakten mussten die Spieler <strong>im</strong> Studio<br />
nach einer Bedenkzeit von einer Minute zu einer absolut neuen, vorher nicht<br />
bekannten Schlussfolgerung kommen, die die gestellte Zuschauerfrage erklärt<br />
und richtig beantwortet. Der Prozess des logischen Denkens eines<br />
Spielerteams, die Suche nach <strong>der</strong> einzig möglichen Lösung <strong>der</strong><br />
anspruchsvollen intellektuellen Aufgabe haben für hohen Respekt und<br />
Beliebtheit seitens <strong>der</strong> Zuschauer gesorgt. Das ist ein Wettbewerb zwischen<br />
den Zuschauer und den Spielern, bei dem <strong>der</strong> Prozess des Spieles spannen<strong>der</strong><br />
und wichtiger als das Ergebnis ist. Wer erinnert sich schon daran, wer in<br />
Wirklichkeit gewonnen hat.<br />
Das spektakuläre Genre „das Spiel – Fernsehspiel“ ist gekennzeichnet durch<br />
hoch professionelle Regie, durch das Charisma des Mo<strong>der</strong>aters, durch die<br />
Ungewissheit des Finales und durch die interaktive Form – <strong>der</strong> Zuschauer<br />
kann eine Frage stellen o<strong>der</strong> sogar eine Spielrunde gewinnen. Das<br />
Fernsehspiel gibt eine Möglichkeit zu den nichttrivialen Interaktivitätsformen.<br />
Zum Beispiel, einmal nach <strong>der</strong> jahrelangen Sendepause bat <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong><br />
populären in Russland „KWN“-Show Alexan<strong>der</strong> Masljakow darum, dass die<br />
Zuschauer in ihren Wohnungen das Licht für einige Zeit ausschalten. <strong>Die</strong><br />
speziell installierten Kameras zeigten das bemerkenswerte Panorama von zwei<br />
Stadtteilen in Moskau. <strong>Die</strong> Hochhäusermassive versanken in <strong>der</strong> Dunkelheit.<br />
Das waren eigene und originelle Projekte.<br />
Seit dem „Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>“ (1990) – „Wheel of Fortune“, in Deutschland<br />
unter „Glücksrad“ bekannt – begann eine neue Epoche <strong>im</strong> russischen<br />
Fernsehen – die Epoche <strong>der</strong> Ass<strong>im</strong>ilation <strong>der</strong> Importprodukte, die Epoche des<br />
Formatfernsehens und <strong>der</strong> Industrialisierung, die als Folge den Wechsel <strong>der</strong><br />
Spielkultur <strong>im</strong> russischen Fernsehen brachte.<br />
<strong>Die</strong> ausländischen <strong>Formate</strong> begannen also ihren Triumphzug <strong>im</strong> russischen<br />
Fernsehen <strong>im</strong> Jahre 1990, als <strong>der</strong> Journalist Vladislav Listjev die Capital-<br />
Show «Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>» – analog vom amerikanischen „Wheel of Fortune“<br />
(dt. - Glücksrad) – startete. Das „Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>“ erschien auf typisch<br />
35
ussische Weise – ohne jegliche Verträge und Vereinbarungen, Millionen<br />
Kostenaufwand für Format- o<strong>der</strong> Lizenzeinkauf und weitere juristische<br />
Formalitäten.<br />
Allerdings versuchte die Fernsehgesellschaft „VID“ 27 eine Lizenz bei<br />
„King’s World“ und später bei dem neuen Rechtsbesitzer „Columbia Pictures“<br />
zu erwerben, aber alle schriftlichen Anfragen von „VID“ wurden ignoriert. So<br />
produzierte man die Sendung auf eigenes Risiko. Es ist gut gegangen. Es<br />
wurde keinen Anspruch erhoben (Reklamation eingelegt).<br />
1994 war das Jahr des großen Aufbruches <strong>im</strong> Einkauf von lizenzierten<br />
Produkten. „РТР“ (RTR) kauft „Устами младенца“, „Сам себе режиссер“,<br />
„Свою игру“. <strong>Die</strong> zweite Welle kam auf das Jahr 1999, als „WWM“ gekauft<br />
wurde. Und danach fing <strong>der</strong> richtige Boom an. Auf dem Cannes Festival<br />
suchten die russischen Fernsehmacher gezielt die Lizenz-Produkte.<br />
<strong>Die</strong> zahlreichen Programme wurden auf die Zuschauer ausgeschüttet, wie aus<br />
einem Füllhorn. Das waren vor allem Game-Shows und Reality-Shows, die<br />
nach ausländischen Schablonen und Mustern geschnei<strong>der</strong>t wurden: „Любовь<br />
с первого взгляда“ (Liebe aus dem ersten Blick), „Своя игра“, „Кресло“,<br />
„Снимите это немедленно“, „Две блондинки против грязи“, „Сам себе<br />
режиссер“, „Блеф-клуб“, „Растительная жизнь“, „Спасите, ремонт!“ (Do<br />
it yourself S.O.S.), „Скрытая камера“ (Versteckte Kamera), „Ты –<br />
супермодель“ (Supermodel), „Угадай мелодию“ (Rate Melodie! = Erkennen<br />
Sie die Melodie?), „Сто к одному“, „Самый умный“ (Der Klügste), „Я<br />
готов на все!“, „Гарем“ (Harem), „Свидание вслепую“ (Blind Date),<br />
„Алчность“ (Greed), „Пан или пропал“, „Фактор страха“ (Angstfaktor),<br />
„Розыгрыш“ (Verstehen Sie Spaß?), „Русская рулетка“ (Russisch Roulette).<br />
<strong>Die</strong>smal mussten die russischen Produzenten für entliehene Ideen und<br />
geklonte <strong>Formate</strong> bezahlen. <strong>Die</strong> Preise liegen abhängig vom Erfolg <strong>der</strong> Show<br />
weit auseinan<strong>der</strong>.<br />
27 VID TV Entertainment Group, the largest producer of television programs in Russia and CIS<br />
36
Tabelle 2<br />
<strong>Die</strong> Vorgeschichte des Formatfernsehens in Russland:<br />
1968 – 1975<br />
1975 – 1980<br />
1983 – 2000<br />
seit 1961<br />
seit<br />
04.09.1975<br />
1989<br />
seit<br />
25.10.1990<br />
3.04.1995 –<br />
Nov. 1999<br />
1996<br />
1997<br />
„Один за всех и все за одного“ („Einer für alle und alle<br />
für einen“) – das Fernsehspiel für Jugendliche (junge<br />
Pioniere), Teamarbeit, das erste Fernsehspiel in <strong>der</strong><br />
UdSSR, alle zwei Wochen <strong>im</strong> Zentralen Fernsehen<br />
gesendet (Vlad<strong>im</strong>ir und Tamara Maks<strong>im</strong>ov); (ЦТ,<br />
ЛенТВ – Leningra<strong>der</strong> Rundfunk)<br />
„Янтарный ключ“ („Schlüssel aus Bernstein“) –<br />
Fernsehspiel für Jugendliche, die ersten UdSSR Life-<br />
Schaltungen, so genannte „telebridge“, zwischen<br />
Leningrad, Riga, Vilnius, Tallinn<br />
„Музыкальный ринг“ („Musikring“, o<strong>der</strong> „Der<br />
musikalische Kampfring“) – Diskussionsshow (Talk-<br />
Show), das freie Mikrophon, Legalisierung des<br />
Un<strong>der</strong>grounds, das direkte Telefongespräch mit den<br />
Zuschauern (freie Schaltung), die erste Benutzung des<br />
Internets und Mobilnetzes in <strong>der</strong> Life-Sendung<br />
„КВН“ - „Klub <strong>der</strong> Lustigen und Schlagfertigen“<br />
(Sendepause 1971-1986)<br />
„Что? Где? Когда?“ („Was? Wo? Wann?“) – Vlad<strong>im</strong>ir<br />
Voroshilov – <strong>der</strong> Autor und Mo<strong>der</strong>ator, 2005 feierte das<br />
Spiel sein 30-jähriges Jubiläum<br />
„Счастливый случай“ („Der Glücksfall“) – von<br />
Michail Marfin mo<strong>der</strong>iert<br />
„Поле чудес“ („Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>“/“Glücksrad“) – ORT<br />
– <strong>der</strong> erste Mo<strong>der</strong>ator war Vladislav Listjev, seit<br />
1.11.1991 mo<strong>der</strong>iert die Sendung Leonid Jakubovitch<br />
„Угадай мелодию!“ (Erkennen Sie die Melodie?),<br />
Mo<strong>der</strong>ation – Valdis Pelsh<br />
„Своя игра“ (Das eigene Spiel = Jeopardy!) – НТВ<br />
(NTV)<br />
„Народ против“ (Das Volk ist dagegen) – lief nur<br />
wenige Monate<br />
37
1.10.1999<br />
1.02.2001<br />
2001<br />
2001<br />
nach 2002<br />
„Империя страсти“ – НТВ (NTV) – Mo<strong>der</strong>ator Nikolaj<br />
Fomenko<br />
„О, Счастливчик!“ (O du, Glückspilz! = Who Wants To<br />
Be A Millionaire? – <strong>Die</strong> 1.Version), НТВ (NTV),<br />
Dmitrij Dibrov als Mo<strong>der</strong>ator<br />
„Кто хочет стать миллионером?” (Who Wants To Be<br />
A Millionaire?), ОРТ (ORT), Max<strong>im</strong> Galkin als<br />
Mo<strong>der</strong>ator<br />
„Слабое звено” (Weakest Link), Mo<strong>der</strong>ation – Maria<br />
Kisseleva<br />
„Алчность” (Greed), НТВ (NTV), Mo<strong>der</strong>ation –<br />
Alexan<strong>der</strong> Cekalo / Igor Jankovski / Dmitrij Dibrov /<br />
Alfred Koch<br />
„Русская рулетка” (Russisch Roulette), Mo<strong>der</strong>ation –<br />
Valdis Pelsh<br />
„Сто к одному” (100 zu 1)<br />
„Брейн-ринг” (Brain-ring)<br />
„Антимония” (Quatsch)<br />
„Антология” (Anthologie)<br />
„Колесо истории” (Das Rad <strong>der</strong> Geschichte)<br />
„Зигзаг удачи” (Zick Zack des Glücks)<br />
„Золотая лихорадка” (Goldfieber) – Mo<strong>der</strong>ator Leonid<br />
Jarmolnik<br />
„Окна” (Fenster) – Mo<strong>der</strong>ator Dmitrij Nagiev<br />
38
Wenn das ein Long-Play-Format ist (Ohne Anfang und Ende, jede Sendung<br />
stellt ein vollendetes Produkt dar), wird jede nach <strong>der</strong> <strong>im</strong>portierten<br />
Technologie produzierte Episode bezahlt: ab 5.000-7.000 USD<br />
„Kommissionsgebühren” für eine Folge <strong>der</strong> Sendung, die mittlere<br />
Einschaltquoten hat, bis 70.000 USD für supererfolgreiche Projekte sowie<br />
„Wer wird Millionär?”, „Слабое звено” (Weakest Link), „Форт Байярд”<br />
(Fort Boyard), wo auch <strong>der</strong> Drehort gemietet wird.<br />
Bei dem Einkauf von Shows mit einem Sujet („Фабрика звезд” – Star<br />
Academy, „Народный артист” – Superstar/Pop Idol, „Последний герой” –<br />
Survivor, „Большой брат” – Big Brother) wird in <strong>der</strong> Regel für die ganze<br />
Saison bezahlt. <strong>Die</strong>se Shows sind die teuersten TV-Projekte weltweit.<br />
<strong>Die</strong> Lizenzkosten hängen von <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>im</strong> Land und vom<br />
Umfang des Werbemarktes ab, ist aber kein Muss. Im Jahre 2001 betrug <strong>der</strong><br />
Werbemarkt in Russland 1,3 Mrd. USD, 2005 stiegen diesen Zahlen auf bis<br />
zu 4,65 Mrd. USD. Deswegen kostete „Big Brother” dem russischen Kanal<br />
„TNT” um 4 Mio. USD. Von <strong>der</strong> ukrainischen Fernsehgesellschaft „Pilot” hat<br />
die holländische Gesellschaft „Endemol”, die alle Rechte auf diese Reality-<br />
Show besitzt, 3 Mio. USD gefor<strong>der</strong>t, was den Ukrainern mit ihrem noch<br />
ungeformten und schwachen Werbemarkt nicht finanzierbar war. Der<br />
amerikanische Kanal CBS hat entgegen für „Big Brother” zügig 20 Mio. USD<br />
bezahlt.<br />
Im Vergleich zu den <strong>im</strong>portierten Programmen ist die Produktion <strong>der</strong><br />
he<strong>im</strong>ischen <strong>Formate</strong> wesentlich billiger. Zum Beispiel kostet das Spiel „Was?<br />
Wo? Wann?“ ungefähr 30.000-40.000 USD.<br />
Wozu ist es denn nötig, das große Geld zu investieren für das Recht, ein<br />
<strong>im</strong>portiertes Produkt, das nicht mehr komplett zeitgemäß ist, zu benutzen? In<br />
Wirklichkeit kaufen die Kanäle nicht nur eine Idee, Now-how, son<strong>der</strong>n auch<br />
die so genannte „Production Bible“, wo in Details die ganze<br />
Produktionstechnologie des Programms beschrieben ist: Anzahl von Kameras,<br />
39
alle Feinheiten <strong>der</strong> Beleuchtung und Promotion bis zur Farbe <strong>der</strong> Dekoration<br />
und Sprechweise für den Mo<strong>der</strong>ator.<br />
Westliche <strong>Formate</strong> haben sich schon als Brands in <strong>der</strong> ganzen Welt gezeigt.<br />
Der Kanal sieht vor Beginn die Einschaltquoten und die Zielgruppen in den<br />
an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n an und kann schon leicht hohe Einnahmen von <strong>der</strong> Werbung<br />
prognostizieren und den Erfolg des <strong>Formate</strong>s noch lange vor seinem Start<br />
vorhersagen. Das Format wird selbstverständlich in pr<strong>im</strong>e t<strong>im</strong>e gesendet und<br />
die Preise für die Werbung sind dementsprechend hoch. <strong>Die</strong> weltbekannten<br />
Lizenz-Hits sind den westlichen Werbeträgern gut bekannt, so kaufen die<br />
international tätigen Korporationen Sendezeit in solchen Formatsendungen als<br />
langfristige Sponsorenpakete und sind sehr an Product placement interessiert.<br />
Auf den ersten Blick scheint <strong>der</strong> Zuschauer überall in <strong>der</strong> Welt universell zu<br />
sein und die populären <strong>Formate</strong> praktisch <strong>im</strong>mer allen Erwartungen<br />
entsprechen. „Последний герой“ zum Beispiel hat in Russland <strong>im</strong><br />
Startjahr 2001 47,5% Zuschauer gewonnen. Und als Generalsponsor ist<br />
„W<strong>im</strong>m-Bill-Dann” mit seinem Brand von Fruchtgetränken Brand „J7“<br />
aufgetreten.<br />
Der Formatschlager «Pop Idol» („Народный артист“ – in Deutschland<br />
„Deutschland sucht den Superstar“), <strong>der</strong> in den USA und später in Europa<br />
super populär war, hatte in Russland einen mäßigen Erfolg (14,5% bis<br />
21,9%). 28 Einige Fachleute meinen, dass schuld daran die von <strong>der</strong> russischen<br />
Seite herangebrachte eigene Spezifik war. Es wäre besser gewesen, <strong>der</strong><br />
„Formatbibel“ zu folgen. Das kostenpflichtige Voting soll auch ein Fehler<br />
gewesen sein. In Amerika konnten die Zuschauer ihre St<strong>im</strong>men kostenfrei<br />
abgeben. „Фабрика звезд“ (Star Academy) beweist aber das Gegenteil. In<br />
diesem Format wurden mehr spezifische Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> russischen<br />
Musikszene und des Showbusinesses berücksichtigt. Und dieses Projekt hatte<br />
und hat einen großen Erfolg unter den breiten Massen <strong>der</strong> Zuschauer<br />
unterschiedlicher Altersgruppen (nicht nur unter den jungen Leuten) mit<br />
28 www.profile.ru<br />
40
vielen begleitenden Live-Konzerten auf den führenden Bühnen in Moskau<br />
zusammen mit den populärsten Sängern und Bands des Landes. (Insgesamt: 7<br />
Saisons, 110 Tage auf <strong>der</strong> Sendung, 16 Gala-Konzerte, mehr als 200 Songs)<br />
<strong>Die</strong>se Show ist zu einem untrennbaren Teil des allrussischen Showbusiness<br />
geworden. Für mehrere begabte junge Sänger ist diese Show zu einem<br />
wichtigen Sprungbrett zur großen Musikkarriere geworden. Aus diesem<br />
Projekt sind viele neue und begabte Sänger entstanden, die trotz ihrer noch<br />
kurzen Solokariere eine sehr eindrucksvolle Professionalität und eigene<br />
Charisma zeigen, einige Konkurrenten haben unter einan<strong>der</strong> Boys- o<strong>der</strong><br />
Girlsbands gebildet und seitdem erobern ihre Hits alle Musik-Charts in ganz<br />
Russland und werden weltweit in allen russischsprachigen Sen<strong>der</strong>n<br />
übertragen.<br />
Das an<strong>der</strong>e bekannte Format „Big Brother“ verwandelte sich auch zu einer<br />
Reihe von russischen Versionen „Дом“ (Haus), „За стеклом“ (Hinter Glas)<br />
o<strong>der</strong> „Голод“ (Hunger - wurde aus dem Container aus Deutschland gesendet).<br />
Nur so verän<strong>der</strong>t hatte dieses Format die Chance auf Erfolg in Russland.<br />
Aus den großen Welthits des Formatfernsehens blieben nur 2 Shows übrig:<br />
1) „The Apprentice“ – Show, wo ein bekannter Businessman aus einfachen<br />
jungen Leuten den besten aussucht und diese Person zu seinem Stellvertreter<br />
großzieht. In den USA war <strong>der</strong> «Erzieher» Donald Trump;<br />
2) „The Bachelorette“ – Show (<strong>Die</strong> Traumfrau), wo eine bekannte weibliche<br />
Person für sich einen Bräutigam aus sorgfältig ausgewählten Kandidaten<br />
aussucht.<br />
Seit 1993 wird das Fernsehen in Russland privatisiert.<br />
Das Marktwirtschaftsmodel des mächtigsten Mediums Fernsehen funktioniert<br />
in <strong>der</strong> heutigen Zeit unter harten Bedingungen: Max<strong>im</strong>ale Gewinne durch<br />
max<strong>im</strong>ale Zuschauerzahl.<br />
Das Management und die Produzenten suchen einen sicheren Weg und<br />
orientieren sich an bekannten und bewährten <strong>Formate</strong>n in beliebten Genres.<br />
41
Der Sen<strong>der</strong> neigt nicht zu Exper<strong>im</strong>enten und möchte kein Risiko eingehen.<br />
Man benutzt erprobte, kommerziell erfolgreiche Schemata. Kopieren, Klonen<br />
und Nachahmen werden zu den herrschenden grundlegenden Methoden des<br />
Fernsehschaffens. Als Folge wird eine große Menge von Lizenzsendungen<br />
(Talk-Show, Fernsehspiele) <strong>im</strong>portiert, die in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n die Kassen<br />
klingeln lassen. (WWM, „Ставка“, „Последний герой“, „Фабрика звезд“<br />
usw.)<br />
Das Fernsehen verliert seine Individualität und Vielfältigkeit. <strong>Die</strong> früheren<br />
Unterschiede zwischen den Filmen, Clips, Nachrichten, Werbung, aktuellen<br />
Interviews und Reportagen verwischen sich allmählich, stattdessen kommt ein<br />
neues Genre <strong>der</strong> universellen Entertainment-Show, universelle Programme (so<br />
genanntes Content), die an an<strong>der</strong>e verschlüsselte Satellitkanäle und seit<br />
kurzem ins Internet verkauft werden.<br />
Das Fernsehen än<strong>der</strong>t sich zusammen mit <strong>der</strong> Gesellschaft. Wenn das Geld in<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft zum Wertmesser für alles wird, baut auch das Fernsehen<br />
seine Tätigkeit auf dieser Dominanz auf. <strong>Die</strong> Einschaltquoten (Rating) sind<br />
nur das bequeme Instrument für ihre Manifestation. Das mo<strong>der</strong>ne Fernsehen<br />
verwandelt sich in ein Medium, das die Zuschauer nach ihren persönlichen<br />
Interessen gegen entsprechendes Entgelt unterhält.<br />
42
1.4. Internationale Verbreitung (Vermarktung) von <strong>Quiz</strong>- und<br />
Game-Shows des <strong>gleichen</strong> <strong>Formate</strong>s<br />
Heute sind Game- und <strong>Quiz</strong>-Spiele zum Instrument <strong>der</strong> Globalisierung<br />
geworden. Sie verbreiten sich schneller als «Macdonalds» und sie haben mehr<br />
Zuschauer als Besucher <strong>der</strong> Fast-Food-Ketten. Im Gegensatz demonstriert<br />
keiner dagegen. Es existiert schon die ganze Industrie, die die verschiedenen<br />
<strong>Formate</strong> heckt und verschiedene Elemente zusammenbringt, um weitere er-<br />
folgsträchtige Mixturen unter den Namen «<strong>Quiz</strong>» o<strong>der</strong> «Game» zu erzeugen.<br />
Wie schnell und flächendeckend ein Format, bzw. eine Musterschema die<br />
ganze Welt erobert kann, zeigt und das Beispiel des populärsten <strong>Quiz</strong>-<br />
<strong>Formate</strong>s.<br />
<strong>Die</strong> erste Formatsendung „Who Want To Be A Millionair“ wurde in England<br />
<strong>im</strong> September 1998 ausgestrahlt. Schon <strong>im</strong> ersten Jahr nach dem Start des<br />
englischen <strong>Quiz</strong> „Who Want To Be A Millionair“ haben 92 Län<strong>der</strong> die Lizenz<br />
auf das Klonen dieser Sendung gekauft. Heutzutage ist „WWM“ in 107<br />
Län<strong>der</strong>n zu sehen und fast überall ein Quotenhit: in den USA, Russland,<br />
Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Kolumbien, Venezuela, Mailand,<br />
Australien, Griechenland, Polen, Ukraine, Georgien, Kasachstan usw. In<br />
einigen Län<strong>der</strong>n (z.B.: Singapur) existieren sogar zwei Versionen <strong>der</strong><br />
„WWM“-Show, die auf verschiedenen Kanälen und manchmal in<br />
verschiedenen Sprachen ausgestrahlt werden. In Russland gab es am Anfang<br />
auch zwei Versionen eines <strong>Formate</strong>s mit verschiedenen Titeln – „WWM“ und<br />
„О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!). Nicht nur in Deutschland gibt es<br />
mittlerweile zahlreiche Imitate.<br />
Beson<strong>der</strong>s beliebt ist die Sendung in Indien. Hier versammelt sie rund 100<br />
Mio. Zuschauer. Nur in Ägypten wurde das <strong>Quiz</strong> „Who Wants to Be a<br />
Millionair?” als nicht „hoffähig“ und als ein sündhaftes Hasardspiel<br />
bezeichnet.<br />
43
<strong>Die</strong> englische Produktionsfirma „Celador” besitzt die alleinigen Rechte und ist<br />
inzwischen dabei, Spiele, Computerprogramme und Bücher mit dem Namen<br />
zu vermarkten.<br />
<strong>Die</strong> regionalen Töchter <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen Firma „Endemol” produzieren<br />
dieses Sendungsformat in Lizenz für Österreich, Belgien, Deutschland, die<br />
Nie<strong>der</strong>lande, Italien, Polen, Portugal und für die Schweiz. Das Aussehen <strong>der</strong><br />
Sendung ist überall gleich. Aufbau und Design des Studios,<br />
Musikeinspielungen, wie<strong>der</strong>kehrende Kameraschwenks und -fahrten sowie<br />
Lichtsetzung sind genau in <strong>der</strong> so genannten Produktionsbibel vom<br />
Lizenzgeber festgelegt und dürfen von den Lizenznehmern nicht eigenständig<br />
verän<strong>der</strong>t werden.<br />
„Endemol” ist eine international operierende TV-Produktions- und<br />
Entwicklungsfirma, die zum Telefónica-Konzern gehört und nach <strong>der</strong> zur<br />
RTL-Group gehörenden Freemantle-Gruppe, <strong>der</strong> zweitgrößte TV-Produzent<br />
<strong>der</strong> Welt ist. Endemol entstand durch die Fusion <strong>der</strong> Produktionsfirmen „Van<br />
den Ende Produkties B.V.“ des Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong>s Joop van den Ende und <strong>der</strong><br />
Produktionsfirma „De Mol Produkties B.V.“ von John de Mol, dem Bru<strong>der</strong><br />
von Fernsehmo<strong>der</strong>atorin Linda de Mol.<br />
Hauptsitz <strong>der</strong> <strong>im</strong> Unterhaltungs- und Fiktionsbereich operierenden Firma ist<br />
Hilversum in den Nie<strong>der</strong>landen; durch den weltweiten Erfolg des Formats<br />
"Big Brother» ist Endemol fast weltweit durch selbstgegründete o<strong>der</strong><br />
aufgekaufte Firmen vertreten, unter an<strong>der</strong>em in Deutschland, den USA o<strong>der</strong><br />
Australien. In Deutschland befindet sich <strong>der</strong> Hauptsitz <strong>der</strong> Endemol<br />
Deutschland GmbH <strong>im</strong> Studiokomplex Coloneum <strong>im</strong> nördlichen Stadtteil<br />
Köln-Ossendorf.<br />
<strong>Die</strong> Produktionsfirma produziert als von einer Sen<strong>der</strong>gruppe unabhängiger<br />
Prodzent für alle TV-Sen<strong>der</strong>, Hauptabnehmer <strong>der</strong> Produktionen sind zur Zeit<br />
SAT 1, RTL 2 und RTL.<br />
44
Bekannte Produktionen sind zum Beispiel „Big Brother“, „Nur die Liebe<br />
zählt“ o<strong>der</strong> das Lizenzformat „Wer wird Millionär“.<br />
<strong>Die</strong> Basis für die starke Position <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Markt hat „Endemol“ in den<br />
erfolgreichen 90er Jahren erarbeitet. Zusammen mit RTL produzierte die<br />
Firma solche erfolgreichen Shows, wie „Traumhochzeit“, „Glücksritter“,<br />
„<strong>Die</strong>-Hun<strong>der</strong>tausend-Mark-Show“ und „Wie Bitte“.<br />
Es ist eine Frage <strong>der</strong> Zeit, wie lange dieser Boom noch anhalten wird. In<br />
England hört man vereinzelt die Meinung, dort sei er schon vorbei. Wenn in<br />
die besten Jahren konnte die „WWM“ bis 19 Mio. englischer Zuschauer<br />
anlocken, haben heutzutage nur 7 Mio. Englän<strong>der</strong> Interesse dafür. In <strong>der</strong><br />
britischen Version <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>show gab es in 8 Jahren nur 4 Höchstgewinner.<br />
<strong>Die</strong> Gerüchte über das baldige Aus summierten sich, nachdem <strong>der</strong> Produzent<br />
von „Celador International“ Paul Smith vor kurzem (2006) seine Absicht<br />
geäußert hat, die Aktien <strong>der</strong> Firma an Management gegen 85 Mio. US Dollar<br />
zu verkaufen. Damit werden auch alle Rechte auf die Idee, auf das ganze<br />
Format und auf alle weltweit ausgegebenen Lizenzen verkauft.<br />
45
II. Inhaltsanalyse<br />
2.1. Kurzporträts <strong>der</strong> untersuchten <strong>Quiz</strong>-Sendungen <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Fernsehen<br />
Das Fernsehspiel ist ursprünglich und generell nach zwei kennzeichnenden<br />
Eigenschaften konzipiert. Das TV-Spiel ist:<br />
1) kommerziell hoch effektiv - es ist ursprünglich eng mit <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />
verbunden, den Zuschauer auf dem Kanal zu halten. An<strong>der</strong>s gesagt, das TV-<br />
Spiel ist ein Instrument für die Steuerung <strong>der</strong> Einschaltquoten (Rating).<br />
2) psychologisch einflussreich - mittels <strong>der</strong> Spielelemente wird <strong>der</strong> Zuschauer<br />
einfach, schnell und wi<strong>der</strong>standslos (auf <strong>der</strong> Unterbewusstseinsebene)<br />
beeinflusst. Außerdem gefällt es den Zuschauern schlechthin, wenn einer von<br />
ihnen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des Bildschirmes erscheint und einen Wettbewerb<br />
mit dem Fernsehen vertretend durch Mo<strong>der</strong>ator besteht.<br />
2.1.1. Wer wird Millionär?<br />
(Who wants to Be a Millionaire?)<br />
<strong>Die</strong> Vorgeschichte<br />
<strong>Die</strong> Entstehungsgeschichte von „Who Wants To Be A Millionaire?“ fing in<br />
einem Londoner Pub an, wo <strong>der</strong> Journalist David Briggs die Idee zur Show<br />
hatte und sie zusammen mit seinen beiden Kollegen bei Celador Steve Knight<br />
und Mike Whitehill weiter entwickelte. 29 <strong>Die</strong> 1982 gegründete britische<br />
Produktionsgesellschaft gilt seit dem Durchbruch des Formats als eine <strong>der</strong><br />
erfolgreichsten Produktionsfirmen Großbritanniens. Es bedurfte einer<br />
traditionell langwierigen Entwicklungs- und Testphase. Mehrere Monate lang<br />
29 Taddicken, M.: Fernsehformate <strong>im</strong> Interkulturellen Vergleich, Berlin, 2003<br />
46
durchlief die Show einen so genannten „dryrun“, um danach in mehreren<br />
„pilots“ abermals getestet zu werden. 30<br />
Am 4. September 1998 ging „Who Wants To Be A Millionaire?“ erstmalig<br />
be<strong>im</strong> englischen Fernsehsen<strong>der</strong> ITV auf Sendung. <strong>Die</strong> erste Probesendung<br />
wurde unter dem Titel „Cash Mountain“ gesendet. <strong>Die</strong> zweite Sendung hatte<br />
bereits den populär gewordenen Namen „Who wants to be a millionaire?“<br />
<strong>Die</strong>ser Titel stammte übrigens aus dem gleichnamigen Song von Frank<br />
Sinatra. Vorab bürgte Paul Smith, Chef <strong>der</strong> Produktionsgesellschaft Celador,<br />
mit seinem eigenen Haus dafür, dass – entgegen <strong>der</strong> Befürchtungen <strong>der</strong><br />
Programmverantwortlichen des Sen<strong>der</strong>s – <strong>der</strong> Jackpot nur höchst selten<br />
„geknackt“ werden würde. <strong>Die</strong> Show wurde ein großer Erfolg, was unter<br />
an<strong>der</strong>em am umfangreichen 169-seitigen Skript <strong>der</strong> Sendung lag. <strong>Die</strong>ses<br />
Regelmuster agiert als Bibel <strong>der</strong> Show und gibt von den Licht- und<br />
Toneffekten, über die Spielregeln bis zur Ausstattung alle relevanten Faktoren<br />
<strong>der</strong> Show vor. Nach dem ersten Ausstrahlungstermin wurde we<strong>der</strong> am<br />
eigentlichen Spiel noch am Studio Verän<strong>der</strong>ungen vorgenommen. Paul Smith<br />
ist seitdem Rechteinhaber <strong>der</strong> Show. Celador verkaufte 66 Versionen in 107<br />
verschiedene Län<strong>der</strong>, unter an<strong>der</strong>em nach Europa, wo die Produktionsfirma<br />
Endemol die Lizenzierungsrechte für elf europäische Län<strong>der</strong> besitzt. Das<br />
Medienunternehmen wurde 1994 gegründet und dominiert seither nicht nur<br />
das Formatgeschäft, son<strong>der</strong>n gilt auch als weltweit größte unabhängige TV-<br />
Company <strong>im</strong> Bereich Entwicklung, Produktion und Distribution von<br />
Fernsehformaten.<br />
„Wer wird Millionär?“ ist die deutsche Ausgabe <strong>der</strong> britischen <strong>Quiz</strong>show<br />
„Who Wants to Be a Millionair“ (in Österreich: <strong>Die</strong> Millionenshow). <strong>Die</strong><br />
<strong>Quiz</strong>sendung gehört zum geistigen Eigentum <strong>der</strong> Firma Celador und wurde <strong>im</strong><br />
Oktober 1998 in Großbritannien auf dem Privatsen<strong>der</strong> ITV 1 erstmals<br />
ausgestrahlt. Seit dem 3. September 1999 wird sie von dem Privatsen<strong>der</strong> RTL<br />
in Deutschland gesendet und läuft damit inzwischen in <strong>der</strong> neunten Staffel<br />
(2007/2008).<br />
30 Mason, D.: The Game Show Handbook, London, 1991, S. 40<br />
47
<strong>Die</strong> regionalen Töchter <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen Firma Endemol produzieren<br />
dieses Sendungsformat in Lizenz für Österreich, Belgien, Deutschland, die<br />
Nie<strong>der</strong>lande, Italien, Polen, Portugal und für die Schweiz. 31<br />
<strong>Die</strong> Fernsehaufnahmen für die deutsche und österreichische Ausgabe<br />
entstehen <strong>im</strong> Studio 7 <strong>der</strong> „nobeo GmbH“ in Hürth-Kalscheuren bei Köln.<br />
Entgegen dem vom Mo<strong>der</strong>ator suggerierten Eindruck wird die Sendung nicht<br />
live ausgestrahlt. Etwa zwei Wochen vor <strong>der</strong> Ausstrahlung werden in <strong>der</strong><br />
Regel drei Sendungen an einem <strong>Die</strong>nstag (Wer wird Millionär?) bzw.<br />
Mittwoch (<strong>Die</strong> Millionshow) ab 17.30 Uhr aufgezeichnet.<br />
Ausgestrahlt wird „Wer wird Millionär?“ <strong>der</strong>zeit am Montag und am Freitag<br />
um jeweils 20:15 Uhr. Bis Herbst 2007 wurde es auch samstags um 20:15 Uhr<br />
und in den ersten Staffeln sporadisch sogar auch am Sonntag <strong>im</strong><br />
Vorabendprogramm ausgestrahlt. <strong>Die</strong> Prominenten-Specials finden<br />
üblicherweise an einem Montag o<strong>der</strong> Donnerstag statt. In <strong>der</strong> aktuellen<br />
neunten Staffel (2007/2008) gibt es nur zwei Sendungen pro Woche, die<br />
montags und freitags ausgestrahlt werden und hinterher je<strong>der</strong>zeit bei<br />
RTLnow.de zu sehen sind.<br />
<strong>Die</strong> deutsche Version WWM dauert ca.<br />
60 Min. und wird von Günter Jauch<br />
mo<strong>der</strong>iert.<br />
Und was ist für Günther Jauch das<br />
Beson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> Show? "Sie hat Tempo<br />
und <strong>im</strong>mer neue Spannungsmomente.<br />
Ständig ist <strong>der</strong> Spagat zwischen <strong>der</strong> Million und dem Totalabsturz möglich.<br />
Wer mal ein paar Minuten verpasst hat, ist ganz schnell wie<strong>der</strong> mitten <strong>im</strong><br />
Geschehen. Außerdem gibt es einfach jede Menge witzige Momente o<strong>der</strong><br />
unvorhersehbare Reaktionen bei den Kandidaten", sagt Jauch. 32<br />
31<br />
vgl.: endemol Deutschland GmbH, http://www.endemol.de/<br />
32<br />
http://www.borlife.de<br />
Günther Jauch<br />
48
Spielregeln<br />
<strong>Die</strong> Regeln <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Ausgabe sind <strong>im</strong> Wesentlichen identisch mit den<br />
internationalen Regeln <strong>der</strong> Show.<br />
Das Spiel beginnt mit <strong>der</strong> so genannten Auswahlrunde: 10 Kandidaten müssen<br />
versuchen, vier Begriffe schnellstmöglich in eine best<strong>im</strong>mte, durch eine<br />
Aufgabenstellung vorgegebene, Reihenfolge zu bringen. Derjenige, <strong>der</strong> dies<br />
am schnellsten schafft, erhält die Möglichkeit, um eine Million Euro zu<br />
spielen.<br />
<strong>Quiz</strong>runde<br />
Der Kandidat bekommt 15 zufällig ausgewählte Fragen zu verschiedenen<br />
Wissensgebieten. <strong>Die</strong> Fragen werden von Stufe zu Stufe entsprechend dem<br />
Geldgewinn <strong>im</strong>mer schwieriger. Zu je<strong>der</strong> Frage gibt es vier<br />
Antwortmöglichkeiten, von denen nur eine richtig ist. Beantwortet <strong>der</strong><br />
Kandidat die Frage richtig, so steigt er eine Gewinnstufe höher und darf die<br />
nächste Frage in Angriff nehmen.<br />
<strong>Die</strong> Fragen werden von einem externen Redaktionsteam erarbeitet, für die<br />
<strong>deutschen</strong> Fragen ist die Firma Mind the Company verantwortlich. <strong>Die</strong><br />
Antworten werden durch das Studium mehrerer Quellen auf ihre Richtigkeit<br />
geprüft. Auch Wikipedia gehört zu den Quellen, wie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator Günter<br />
Jauch <strong>im</strong> Oktober 2005 in einer Sendung verriet.<br />
Zur Lösung <strong>der</strong> Fragen stehen dem Kandidaten 3 Joker zur Verfügung: So<br />
kann er 1mal das Publikum befragen, welches dann über die möglichen<br />
Antworten abst<strong>im</strong>mt; er kann eine Person zuhause anrufen o<strong>der</strong> sich 2 falsche<br />
Antworten wegstreichen lassen (50:50-Joker). Natürlich kann je<strong>der</strong> Joker nur<br />
ein einziges Mal gesetzt werden. Der Kandidat entscheidet selbst, wann er<br />
welche Hilfe einsetzen möchte. Alle drei Joker können auch bei ein und<br />
<strong>der</strong>selben Frage benutzt werden.<br />
Anlässlich <strong>der</strong> 500. Sendung am 10. September 2005 wurde <strong>der</strong> so genannte<br />
Kompetenzteam-Joker eingeführt. Hierbei konnten die vier bisherigen<br />
49
Millionäre <strong>der</strong> Sendung (angelehnt an den Telefonjoker) um Rat gefragt<br />
werden. <strong>Die</strong>sen Joker gab es allerdings nur in <strong>der</strong> Jubiläums-Ausgabe <strong>der</strong><br />
beliebten Kult-<strong>Quiz</strong>show.<br />
<strong>Die</strong> neuen Regeln<br />
Am 3. September 2007 (nach <strong>der</strong> Sommerpause) führte RTL jedoch einige<br />
Verän<strong>der</strong>ungen in den Regeln durch, die das Spiel anregen<strong>der</strong> gestalten<br />
sollen – eine Frischzellen-Kur für die Sendung. Der durch die Auswahlfrage<br />
best<strong>im</strong>mte Spieler muss zunächst entscheiden, ob er nach den alten Regeln<br />
spielen will o<strong>der</strong> die neue Version wählt.<br />
Wie bisher gibt es zwar die Möglichkeit, mit drei Jokern und Sicherheitsstufen<br />
bei 500 und 16.000 Euro Millionär zu werden. Zusätzlich soll es aber einen<br />
zweiten Weg „für Zocker und Wagemutige“ ohne die 16.000-Euro-<br />
Sicherheitsstufe geben – dafür erhalten diese Kandidaten einen vierten Joker<br />
und einen erweiterten Telefonjoker.<br />
Zusatzjoker<br />
Nach den neuen Regeln wird ein „Zusatzjoker“ eingeführt, den <strong>der</strong> Kandidat<br />
nutzen kann, dann muss er allerdings auf seine Sicherheitsstufe bei<br />
16.000 Euro verzichten. Sollte eine Frage (egal auf welchem Level) nicht<br />
beantwortet werden können, kann eine Person aus dem Publikum gewählt<br />
werden, die helfen soll. Der Mo<strong>der</strong>ator bittet die Zuschauer aufzustehen, die<br />
glauben, die Frage richtig beantworten zu können. Der Mo<strong>der</strong>ator fragt den<br />
vom Kandidaten ausgewählten Zuschauer nach seiner Antwort, die <strong>der</strong><br />
Kandidat annehmen kann, aber nicht muss. Sollte die Antwort des Zuschauers<br />
richtig sein, erhält die befragte Person aus dem Publikum 500 Euro.<br />
Der Immobilienfachwirt Thomas Vogt wählte in <strong>der</strong> Sendung vor <strong>der</strong><br />
Sommerpause 2007 die neue Variante. "Der Name welcher Religion geht auf<br />
einen späteren äthiopischen Kaiser zurück?", lautete die 64.000-Euro-Frage,<br />
bei <strong>der</strong> er sich nicht zwischen Hinduismus, Voodoo, Rastafari und<br />
Schintoismus entscheiden mochte. Genau zwei Studiogäste standen auf – und<br />
50
<strong>der</strong> freundliche Bauingenieur Fritz wusste die Verbindung zwischen Reggae,<br />
Rastafari und dem äthiopischen Kaiser Ras Tafari alias Haile Selassie<br />
herzustellen. Gut für Kandidat Thomas, dass er sich für seinen Retter<br />
entschieden hatte; <strong>der</strong> zweite vermeintlich Kundige aus dem Publikum hätte<br />
ihm Voodoo als Lösung empfohlen.<br />
Bei <strong>der</strong> 125.000-Euro-Frage allerdings war für den Kandidaten Thomas<br />
Schluss – weil er nicht raten wollte, ob Graf Zeppelin, Rudolf <strong>Die</strong>sel, Gustave<br />
Eiffel o<strong>der</strong> Wilhelm C. Röntgen 1913 auf mysteriöse Weise von einem Boot<br />
verschwand und nie mehr gesehen wurde (Antwort: <strong>Die</strong>sel). Er stieg aus und<br />
ging mit 64.000 Euro nach Hause.<br />
Weniger Glück mit den neuen Regeln hatte Volkswirt Sven aus Berlin. Zwar<br />
konnte ihm <strong>der</strong> aus dem Publikum erkorene "Herr <strong>im</strong> gestreiften Hemd" noch<br />
bei <strong>der</strong> 16.000-Euro-Frage nach <strong>der</strong> Mitralkappe weiterhelfen, die sich we<strong>der</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Die</strong>selmotor noch an <strong>der</strong> Bischofsmütze o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Querflöte, son<strong>der</strong>n <strong>im</strong><br />
menschlichen Herzen befindet. Doch in <strong>der</strong> nächsten Runde, als gefragt<br />
wurde, ob die Demokratische und die Republikanische Partei in den USA<br />
durch Bulle und Bär, Falke und Taube, Esel und Elefant o<strong>der</strong> Hund und Katze<br />
versinnbildlicht werden, erinnerte sich Sven an die vielbeschworenen Falken<br />
<strong>der</strong> Bush-Administration, setzte auf das Vogelpaar – und stürzte bitter auf 500<br />
Euro ab. Esel und Elefant wären richtig gewesen.<br />
Erweiterter Telefonjoker<br />
Wenn <strong>der</strong> Kandidat zwar den Telefonjoker einsetzen möchte, aber keinem<br />
seiner Bekannten zutraut, die richtige Antwort zu wissen, kann er einen per<br />
Zufallsgenerator ausgewählten Teilnehmer in Deutschland anrufen und um<br />
Hilfe bitten. Vorgaben wie etwa Geschlecht o<strong>der</strong> Wohnort sind möglich.<br />
Sobald jemand abhebt, gilt <strong>der</strong> Joker als gespielt, auch wenn <strong>der</strong> Angerufene<br />
nicht helfen will o<strong>der</strong> kann. Es wird so lange bei unterschiedlichen<br />
Teilnehmern angerufen, bis abgehoben wird. Nach 30 Sekunden wird <strong>der</strong><br />
Anruf gestoppt und <strong>der</strong> Kandidat kann wählen, ob er die Antwort des Jokers<br />
nehmen möchte o<strong>der</strong> nicht. Sollte die Antwort des Angerufenen richtig sein,<br />
51
so erhält dieser 500 Euro. Erstmals genutzt wurde er in <strong>der</strong> Sendung vom<br />
14. September 2007: <strong>Die</strong> zufällig ausgewählte Gesprächspartnerin aus Berlin<br />
wusste, dass die Berliner Siegessäule früher einen an<strong>der</strong>en Standort hatte.<br />
<strong>Die</strong> Neuerungen erwiesen sich zwar nicht als revolutionär, aber aus Sicht des<br />
TV-Zuschauers als durchaus geglückt, weil die zusätzliche Publikums-<br />
einbindung eindeutig belebend wirkte. Sie eröffnen auch Günther Jauch neue<br />
Möglichkeiten zur Interaktion und verlangt den Kandidaten ein bisschen mehr<br />
Risiko bei <strong>der</strong> Auswahl ihres Antwortgebers ab.<br />
Mit den neuen Regeln werde die Sendung spannen<strong>der</strong>, sagte Jauch <strong>der</strong> "Bild"-<br />
Zeitung zufolge. "Ich denke, von 125.000 o<strong>der</strong> sogar von 500.000 auf 500<br />
Euro herunterzufallen, das ist eine ganz an<strong>der</strong>e Geschichte, als in jedem Fall<br />
mit 16.000 nach Hause zu gehen." 33<br />
Für mehr Spannung sorgen die neuen Joker nicht unbedingt. Der vierte,<br />
zusätzliche Joker verlängert die Spielrunden, ohne wesentlich zum Kitzel <strong>der</strong><br />
Show beizutragen. Im Gegenteil: <strong>Die</strong> Kandidaten verlassen sich noch weniger<br />
auf das eigene Wissen, verbrauchen ziemlich rasch die zusätzlichen<br />
Antwortmöglichkeiten durch Publikumshilfen o<strong>der</strong> Telefonanrufe.<br />
Kandidat Thomas Vogt stieg nach dem<br />
Einsatz des letzten Jokers bei <strong>der</strong> 125.000-<br />
Euro-Frage aus und nahm mit 64.000 Euro<br />
vorlieb. Kandidat Piet hatte schon nach<br />
wenigen Fragen alle Joker verbraten und<br />
passte bei <strong>der</strong> Gewinnsumme von 16.000<br />
Euro. Das wäre wohl auch mit den alten Regeln nicht an<strong>der</strong>s gelaufen.<br />
Lediglich Kandidat Sven (hatte bei 16.000 Euro den letzten Joker gesetzt)<br />
stürzte mit den neuen Regeln ab: falsche Antwort bei 32.000 Euro, da blieben<br />
ihm nur 500 Euro.<br />
33 www.stern.de, Artikel vom 26. August 2007<br />
Thomas Vogt und Günther Jauch<br />
52
Also, es kommt nicht auf die Zahl <strong>der</strong> Joker, son<strong>der</strong>n, wie gehabt, auf die<br />
Cleverness <strong>der</strong> Kandidaten an. Und auf den <strong>Quiz</strong>master, <strong>der</strong> sich allerdings<br />
zum ersten Mal mit neuer und ungewohnter Brille präsentierte ("mit <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>ung leben und dazu stehen", so Jauch).<br />
Gewinnstufen<br />
Bis zur Einführung des Euro <strong>im</strong> Jahre 2002 gab es die Gewinnstufe 250.000<br />
DM (Frage 12 auf 13). Da man aber dem Titel <strong>der</strong> Sendung weiterhin gerecht<br />
werden, jedoch nicht bereits bei <strong>der</strong> 1. Frage mit 100 Euro beginnen wollte,<br />
wird <strong>der</strong> Gewinn zwischen <strong>der</strong> 13. und <strong>der</strong> 14. Frage nicht verdoppelt, son<strong>der</strong>n<br />
vervierfacht. Auch zwischen den Fragen 3 und 4, 4 und 5 sowie 12 und 13<br />
findet keine „Verdopplung" statt.<br />
Frage: 50 €<br />
Frage: 100 €<br />
Frage: 200 €<br />
Frage: 300 €<br />
Frage: 500 € Sicherheitsstufe*<br />
Frage: 1.000 €<br />
Frage: 2.000 €<br />
Frage: 4.000 €<br />
Frage: 8.000 €<br />
Frage: 16.000 € Sicherheitsstufe**<br />
Frage: 32.000 €<br />
Frage: 64.000 €<br />
Frage: 125.000 €<br />
Frage: 500.000 €<br />
Frage: 1.000.000 €<br />
* Der Betrag <strong>der</strong> Sicherheitsstufe bleibt dem Kandidaten auch nach den<br />
neuen Regeln erhalten, wenn er bei einer späteren Frage falsch antwortet.<br />
** Be<strong>im</strong> klassischen Spiel bleibt <strong>der</strong> Gewinn bei dieser Sicherheitsstufe<br />
erhalten, auch wenn <strong>der</strong> Kandidat bei einer späteren Frage falsch<br />
antwortet. Bei den neuen Regeln gibt es die Sicherheitsstufe von<br />
16.000 Euro nicht, dem Kandidaten bleiben also bei einer falschen<br />
Antwort 500 Euro. Wahlweise kann <strong>der</strong> Kandidat aber auch diese<br />
Sicherheitsstufe behalten und dafür den vierten, neuen Joker ablehnen.<br />
53
Eine beson<strong>der</strong>e Rolle kommt den Fragen 5 und 10 zu: Sie sind so genannte<br />
„Sicherheitsstufen“. Werden die Fragen dieser Stufen richtig beantwortet, so<br />
hat <strong>der</strong> Kandidat den entsprechenden Geldbetrag sicher gewonnen und verliert<br />
ihn auch nicht mehr. Beantwortet er eine <strong>der</strong> folgenden Fragen falsch, so fällt<br />
er auf die zuletzt erreichte Sicherheitsstufe zurück und beendet das Spiel mit<br />
dem Gewinnbetrag <strong>der</strong> Sicherheitsstufe.<br />
Der Kandidat kann je<strong>der</strong>zeit entscheiden, das Spiel zu beenden und den bis<br />
dahin erspielten Geldbetrag mit nach Hause nehmen.<br />
Sobald ein Kandidat das Spiel beendet, beginnt eine weitere Auswahlrunde<br />
und ein neuer Kandidat bekommt die Chance auf den Hauptgewinn. Wer es<br />
aus dieser Auswahlrunde nicht geschafft hat, darf sich frühestens drei Monate<br />
nach Ausstrahlung <strong>der</strong> Sendung wie<strong>der</strong> bewerben.<br />
Wenn <strong>im</strong> Studio während des Spiels das Licht ausgeht, beobachten zahlreiche<br />
Nachtsichtkameras das Geschehnis und zeichnen alles mit infrarotem Licht<br />
auf. <strong>Die</strong> Spieler werden auch von Mitarbeitern <strong>der</strong> Show beobachtet. Wenn<br />
einer von ihnen etwas Verdächtiges bemerkt, wird die Aufzeichnung des<br />
Spiels sofort abgebrochen.<br />
Während <strong>der</strong> Show ist es strikt verboten, ein Mobiltelefon o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
mo<strong>der</strong>ne Verbindungsmöglichkeiten zu benutzen. Das Studio ist direkt und<br />
ununterbrochen mit einem Geräteraum verbunden, <strong>der</strong> mit einem Funkscanner<br />
ausgestattet ist. Falls die Schwindler, in einem neben dem Studio geparkten<br />
Auto versteckt, ihrem Spielkandidaten durch einen <strong>im</strong> Ohr versteckten<br />
Miniempfänger eine richtige Antwort senden möchten, wird das Signal sofort<br />
fixiert und blockiert. Trotz strenger Kontrolle schließen die Organisatoren nie<br />
aus, dass unehrliche <strong>Quiz</strong>-Kandidaten mo<strong>der</strong>nste Technologien benutzten<br />
können – zu hoch ist <strong>der</strong> Gewinneinsatz!<br />
54
Studiopublikum<br />
Wer als Zuschauer bei „Wer wird Millionär?" (RTL) <strong>im</strong> Studio dabei sein<br />
will, muss Eintritt zahlen. <strong>Die</strong> Aufzeichnung findet in <strong>der</strong> Regel dienstags<br />
statt. Der Eintrittspreis pro Person beträgt momentan 14,- Euro für den Besuch<br />
einer Einzel-Aufzeichnung bzw. 19,- Euro pro Person für den Besuch einer<br />
Doppel-Aufzeichnung. Das Studio fasst insgesamt 219 Zuschauer.<br />
Zurzeit liegen über 22.000 Voranmeldungen für Eintrittskarten vor. Daher<br />
können die Eintrittskarten nur über eine Warteliste vergeben werden. Durch<br />
die große Menge <strong>der</strong> Voranmeldungen beträgt die momentane Wartezeit ca.<br />
24 Monate (Stand: Januar 2007).<br />
Statistiken<br />
• <strong>Die</strong> 800. Sendung wurde am 20. März 2009 ausgestrahlt.<br />
• Bisher gab es in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Show acht Millionäre. Zwe<strong>im</strong>al wurde <strong>der</strong><br />
Hauptgewinn in Deutsche Mark, sechsmal in Euro erreicht.<br />
• Etwa 1.400 Kandidaten waren seit <strong>der</strong> ersten Show am 3. September 1999<br />
dabei. (Stand August 2007)<br />
• Sie erspielten insgesamt ca. 48 Millionen Euro. (Stand September 2007)<br />
• Durchschnittlich gewann je<strong>der</strong> Kandidat 34.000 Euro.<br />
• <strong>Die</strong> durchschnittliche Gewinnsumme aller Kandidaten zusammen beträgt pro<br />
Sendung 75.000 €.<br />
• <strong>Die</strong> Millionen-Frage wurde insgesamt 48 Mal gestellt. (Stand: 13. September<br />
2008)<br />
• Bisher gab es 20 Kandidaten, die das Spiel gänzlich ohne Gewinn beendeten.<br />
(Stand: 14. Oktober 2008)<br />
55
• Seit dem 22. Januar 2007 wird die Show in einem farblich leicht verän<strong>der</strong>ten<br />
Design ausgestrahlt. Das neue On-Screen-Design wirkt nicht mehr so seriös<br />
und "edel" wie das alte.<br />
• Am 7. März 2008 wurde die 20.000. Frage gestellt<br />
Bisherige Hauptgewinner<br />
Bisher gab es in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Show acht Millionäre. Zwe<strong>im</strong>al wurde <strong>der</strong><br />
Hauptgewinn in Deutscher Mark, sechsmal in Euro erreicht.<br />
1) 2. Dezember 2000: Eckhard Freise (56, Geschichtsprofessor)<br />
Millionenfrage: Mit wem stand Edmund Hillary<br />
1953 auf dem Gipfel des Mount Everest?<br />
A: Nasreddin Hodscha<br />
B: Nursay P<strong>im</strong>sorn<br />
C: Tenzing Norgay<br />
D: Abrindranath Singh<br />
2) 20. Mai 2001: Marlene Grabherr (48, Bürokauffrau)<br />
Millionenfrage: Welche beiden Gibb-Brü<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Popband The Bee Gees sind Zwillinge?<br />
A: Robin und Barry<br />
B: Maurice und Robin<br />
C: Barry und Maurice<br />
D: Andy und Robin<br />
3) 18. Oktober 2002: Gerhard Krammer (24, Student <strong>der</strong> Musik und<br />
Philosophie)<br />
Millionenfrage: Welcher berühmte Schriftsteller<br />
erbaute als diplomierter Architekt ein Freibad in<br />
Zürich?<br />
A: Joseph Roth<br />
B: Martin Walser<br />
C: Max Frisch<br />
D: Friedrich Dürrenmatt<br />
56
4) 29. März 2004: Dr. Maria Wienströer (38, Ärztin)<br />
Millionenfrage: Wer bekam 1954 den Chemie- und<br />
1962 den Friedensnobelpreis?<br />
A: Linus Pauling<br />
B: Otto Hahn (Nobelpreisträger für Chemie 1944)<br />
C: Pearl S. Buck (Literaturnobelpreis 1938)<br />
D: Albert Schweitzer (Friedensnobelpreis 1952)<br />
5) 9. Oktober 2006: Stefan Lang (32, Kl<strong>im</strong>aanlageninstallateur)<br />
Millionenfrage: Welches chemische Element macht<br />
mehr als die Hälfte <strong>der</strong> Masse eines menschlichen<br />
Körpers aus?<br />
A: Kohlenstoff (Element mit dem zweitgrößten<br />
Massenanteil <strong>im</strong> Körper)<br />
B: Kalzium<br />
C: Sauerstoff (Element mit dem größten<br />
Massenanteil <strong>im</strong> Körper)<br />
D: Eisen (nur Spurenelement)<br />
6) 8. Januar 2007: T<strong>im</strong>ur Hahn (27, Student <strong>der</strong> Anglistik, Medienwissenschaft<br />
und Informatik an <strong>der</strong> Philipps-Universität Marburg)<br />
Millionenfrage: Welches Meer ist nach einem<br />
mythologischen König benannt, <strong>der</strong> sich dort<br />
hineingestürzt haben soll?<br />
A: Ionisches Meer<br />
B: Ägäisches Meer (König Aigeus)<br />
C: Adriatisches Meer<br />
D: Kaspisches Meer<br />
7) 30. Mai 2008: Oliver Pocher (30, Comedian) – Prominenten Special<br />
Millionenfrage: Das Nagel-Schreckenberg-Modell<br />
liefert eine Erklärung für die Entstehung von…?<br />
A: Sandwüsten<br />
B: Verkehrsstaus<br />
C: Grippewellen<br />
D: Börsencrashs<br />
57
8) 20. November 2008: Thomas Gottschalk (58, Fernsehmo<strong>der</strong>ator) –<br />
Prominenten Special<br />
Auszeichnungen<br />
Millionenfrage: Wie hieß franz Kafkas letzte<br />
Lebensgefährtin, die er 1923, ein Jahr vor seinem<br />
Tod, kennenlernte?<br />
A: Dora Diamant<br />
B: Sarah Saphir<br />
C: Rita Rubin<br />
D: Olga Opal<br />
• 2000 - Deutscher Fernsehpreis - Beste Unterhaltungssendung<br />
• 2001 - Bambi für Günther Jauch<br />
• 2006 - Deutscher Fernsehpreis – Beste Unterhaltungssendung/<br />
Beste Mo<strong>der</strong>ation Unterhaltung für das „Prominenten Special WM 2006“<br />
<strong>Die</strong> 500. Folge<br />
Am 10. September 2005 wurde die 500. Folge <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>show ausgestrahlt.<br />
Dazu stand für die Kandidaten zusätzlich ein vierter Joker zur Verfügung, <strong>der</strong><br />
sogenannte "Kompetenzteam-Joker". <strong>Die</strong> vier bisherigen Millionäre<br />
Prof. Eckhard Freise, Marlene Grabherr, Gerhard Krammer und Dr. Maria<br />
Wienströer wurden noch einmal in die lange Son<strong>der</strong>sendung eingeladen, um<br />
sich in einem Kompetenzteam zusammenzusetzen und sich bei einer<br />
schwierigen Frage zu beraten. <strong>Die</strong>ser Joker konnte vom Kandidaten allerdings<br />
erst ab einer Gewinnsumme von 1.000 Euro eingesetzt werden. Das<br />
Kompetenzteam hatte wie <strong>der</strong> Angerufene be<strong>im</strong> Telefonjoker 30 Sekunden<br />
Zeit, um eine richtige Antwort abzugeben. <strong>Die</strong> Millionäre wurden aus einem<br />
an<strong>der</strong>en Studio per Bildschirm zugeschaltet.<br />
Normalerweise wird <strong>der</strong> Rest <strong>der</strong> zehn verbleibenden Kandidaten am Schluss<br />
ausgetauscht. In <strong>der</strong> 500. Folge durfte aber je<strong>der</strong> einzelne bis zum Schluss <strong>der</strong><br />
Sendung in <strong>der</strong> Mitte auf dem "heißen Stuhl" Platz nehmen und die Chance<br />
erhalten, als Millionär das Studio zu verlassen.<br />
58
Beson<strong>der</strong>e Sendungen<br />
Familien-Special<br />
Am 10. November 2006 wurde erstmalig ein Wer wird Millionär-<br />
Familienspecial ausgestrahlt. Dabei setzt RTL auf ein in Deutschland völlig<br />
neues Konzept: Innerhalb des „Wer wird Millionär? - Familienspecial“ trifft<br />
Jauch <strong>im</strong> Studio nicht auf einen einzigen Kandidaten son<strong>der</strong>n auf eine ganze<br />
Kandidatenfamilie. <strong>Die</strong> Familie konnte dabei best<strong>im</strong>men, welches Mitglied in<br />
die Auswahlrunde darf. Nachdem diese dann am schnellsten und richtig<br />
beantwortet wurde bewegt sich die komplette Familie zum Platz gegenüber<br />
von Günther Jauch. Neben den viel höheren Gewinnchancen durch das<br />
Wissen mehrerer Generationen wird allen Teilnehmern zur Beantwortung<br />
auch die doppelte Zeit zur Verfügung gestellt. Ansonsten wird zu den<br />
altbewährten Spielregeln gespielt.<br />
Drei Familien gewannen Beträge zwischen 4.000 und 125.000 Euro. Alle drei<br />
Familien traten mit ihren Töchtern an, die sich allesamt durch den Gewinn ein<br />
eigenes Pferd erhofften. In <strong>der</strong> Familie, die letztlich 125.000 Euro gewann,<br />
gab die Tochter, nachdem die Familie entschieden hatte, auszusteigen, sogar<br />
die richtige Antwort zur 500.000-Euro-Frage.<br />
Am 27. und 30. April 2007 wurde das zweite Familienspecial ausgestrahlt bei<br />
dem drei Familien zwischen 16.000 Euro und 64.000 Euro gewannen. Das<br />
dritte Familienspecial fand am 22. Dezember 2007 statt. <strong>Die</strong> drei Familien<br />
erspielten nacheinan<strong>der</strong> 32.000 Euro, 64.000 Euro und 32.000 Euro.<br />
<strong>Die</strong> zweite Chance<br />
Am 23. Dezember 2006 strahlte RTL erstmals ein Wer wird Millionär-Special<br />
mit dem Namen "<strong>Die</strong> Zweite Chance" aus. In dieser Sendung konnten zehn<br />
ehemalige Kandidaten, die das Studio ganz ohne Gewinn verlassen mussten,<br />
noch einmal antreten. Es gab sogar eine einmalige Regelän<strong>der</strong>ung, damit das<br />
59
<strong>Quiz</strong> für die Kandidaten nicht erneut ohne Gewinn endet. Dabei durften die<br />
Wie<strong>der</strong>holungsrater diesmal Verstärkung mitbringen und sich vor den<br />
Antworten absprechen, ein trauriger Mitleidsbonus, <strong>der</strong> allerdings dringend<br />
nötig war: <strong>Die</strong> mitgebrachten Freunde, Onkels o<strong>der</strong> Schwestern erwiesen sich<br />
an diesem Abend allesamt kompetenter als diejenigen, die sich ursprünglich<br />
mal als Schlaufüchse beworben hatten. Vielleicht ist die Aufregung be<strong>im</strong><br />
zweiten Mal noch größer. Weil man weiß, dass es jetzt doppelt so schl<strong>im</strong>m<br />
wäre, alles zu vermasseln. "Tun Sie mir einen Gefallen: Gehen Sie nicht noch<br />
mal mit null Euro nach Hause", sagte Jauch, als es einmal richtig brenzlig<br />
wurde.<br />
Eigentlich waren 15 Kandidaten ohne Gewinn ausgeschieden, doch<br />
verzichteten, wie Jauch in <strong>der</strong> Sendung erklärte, fünf <strong>der</strong> Kandidaten darauf,<br />
noch einmal an <strong>der</strong> Sendung teilzunehmen.<br />
Sonst bleiben die Spielregeln unverän<strong>der</strong>t:<br />
15 Fragen, drei Joker, kein Zeitl<strong>im</strong>it.<br />
Zuerst bestreitet <strong>der</strong> ehemalige "Nuller" -<br />
Kandidat die Auswahlrunde. Ist diese erst<br />
einmal geschafft, darf er gemeinsam mit<br />
seinem Co-Kandidaten Günther Jauch<br />
gegenüber Platz nehmen und sich über die<br />
Fragen beraten. Letztendlich entscheidet<br />
<strong>der</strong> Co-Kandidat, welche Antwort<br />
genommen wird. Da so das Wissen zweier<br />
Kandidaten zum Tragen kommen kann,<br />
dürften sich die Chancen auf einen hohen Gewinn durchaus um einiges<br />
verbessern.<br />
Zweite-Chance-Kandidat Martin<br />
Schnelle (l.), Jauch (r.):"Gehen Sie<br />
nicht noch mal mit null Euro nach<br />
Hause!"<br />
Natürlich ist es kein Weltuntergang, wenn man nicht weiß, wer "<strong>Die</strong><br />
Kameliendame" des französischen Autors Alexandre Dumas war (Marguerite<br />
Gautier), o<strong>der</strong> dass eine <strong>der</strong> Rheintöchter aus Wagners Oper "Rheingold"<br />
Floßhilde heißt (nicht etwa Barkenelse o<strong>der</strong> Kahnigunde). Sowieso gilt es ja<br />
60
als ungeschriebenes Gesetz, dass man vor dem Bildschirm <strong>im</strong>mer schlauer ist<br />
als wenn einen nachher sämtliche Kameras <strong>im</strong> Visier haben.<br />
Selbst die Co-Kandidaten hatten schwache Momente: "Machen wir ene, mene,<br />
muh?", schlug eine ihrem Freund vor, weil sie sich mit ihm eine Ewigkeit<br />
nicht über die Antwort einig wurde. An<strong>der</strong>e machten bloß ein ahnungsloses<br />
Gesicht und for<strong>der</strong>ten: "Sag du."<br />
<strong>Die</strong> Gewinne waren auch bei <strong>der</strong> zweiten Chance nicht beson<strong>der</strong>s spektakulär:<br />
zwe<strong>im</strong>al 8000 Euro, zwe<strong>im</strong>al 16.000 Euro.<br />
Blind-Date-Special<br />
Am Montag, den 11. Februar 2008<br />
gab es erstmals eine Sendung mit<br />
Paaren, die sich <strong>im</strong> Studio zum ersten<br />
Mal begegneten. Zuvor mussten sich<br />
die Bewerber online qualifizieren und<br />
sich in einem beson<strong>der</strong>en Chat eine/-<br />
n Partner/in wählen. Sie durften <strong>im</strong><br />
Chat nichts über ihr Aussehen schreiben. <strong>Die</strong> Sendung begann, wie üblich, mit<br />
<strong>der</strong> normalen Auswahlrunde und 10 Kandidaten. Auf die zwei Kandidaten, die<br />
es auf den Stuhl schafften, wartete hinter einer Studiotür <strong>der</strong> Chatpartner, <strong>der</strong><br />
sich, wie schon bei den Familien-Specials, dazusetzte.<br />
Während <strong>der</strong> Sendung lernten sich die Partner weiter kennen und wurden von<br />
Günther Jauch nach ihren Erwartungen an den Partner gefragt, und ob sich<br />
ihre Vorstellung vom Gegenüber erfüllt zeige. <strong>Die</strong> beiden Paare, die es auf<br />
den Stuhl schafften, gewannen 32.000 und 64.000 Euro. <strong>Die</strong> Gewinnsummen<br />
wurden zur Hälfte auf beide Partner aufgeteilt.<br />
Kandidaten Hess und Lippold<br />
61
Prominenten-Specials<br />
Alle sechs Monate findet eine Wer wird Millionär? - Sendung mit<br />
Prominenten statt, die mit über zwei Stunden länger als die normalen<br />
Sendungen dauert. <strong>Die</strong> prominenten Gewinner spenden dabei ihren Gewinn an<br />
wohltätige Einrichtungen o<strong>der</strong> Stiftungen. Aus diesem Grund sind in diesem<br />
Spiel die Regeln nicht so streng wie bei den normalen Ausgaben. Vor allem in<br />
den unteren Gewinn-Stufen sprechen sich die Kandidaten mitunter ab, um<br />
einen Joker zu sparen. Günther Jauch greift nicht ein, umgekehrt unterhält er<br />
sich humorvoll, herzhaft und hilfsbereit mit seinen berühmten Gästen. <strong>Die</strong><br />
Reihenfolge <strong>der</strong> Prominenten wird genauso wie in den normalen Sendungen<br />
durch Auswahlfragen best<strong>im</strong>mt. Im Unterschied zu diesen kommen hier aber<br />
<strong>im</strong>mer alle Kandidaten an die Reihe.<br />
Wenn die Promis zum "Wer wird Millionär"-Spezial eingeladen werden, um<br />
wie<strong>der</strong> für einen guten Zweck zu spielen, sind sehr oft einige beson<strong>der</strong>s<br />
populäre Sketch- o<strong>der</strong> Comedystars dabei. Als redegewandte Profis erhöhen<br />
sie <strong>im</strong>mer den Unterhaltungswert je<strong>der</strong> Sendung und erspielen in <strong>der</strong> Regel<br />
hohe Beträge für verschiedene karitative Hilfsprojekte. Einige sind ein echtes<br />
<strong>Quiz</strong>talent und, wenn sie dem Mo<strong>der</strong>ator gegenübersitzen, dabei auch sehr<br />
lustig.<br />
Anke Engelke Promi-Kandidat<br />
In einer <strong>deutschen</strong> Sendung "Wer wird<br />
Millionär"-Spezial (vom 22.11.2007) war<br />
zum Beispiel wie<strong>der</strong> die populäre Sat.1-<br />
Comedy-Frau Anke Engelke zu Gast. Sie<br />
räumt einen höheren Gewinn ab als alle ihre<br />
männlichen Kollegen zusammen und liefert<br />
sich mit Mo<strong>der</strong>ator Günther Jauch einen<br />
munteren Schlagabtausch. "Äthiopien!",<br />
platze es bei <strong>der</strong> 500.000-Euro Frage aus<br />
Engelke heraus, noch bevor Jauch die Frage<br />
hatte zu Ende lesen können: "Welches Land<br />
62
gilt als ursprüngliche He<strong>im</strong>at des Kaffeebaums Coffea arabica?" Weil ihre<br />
Eingebung tatsächlich zu den danach genannten Antwortvorschlägen gehörte,<br />
war die halbe Million sicher, und <strong>der</strong> verwirrte Jauch fragte, woher seine<br />
Kandidatin so ein Spezialwissen habe. Engelke antwortete trocken: "Ich<br />
meine, das mal auf einer Kaffeedose gesehen zu haben."<br />
Nur bei <strong>der</strong> Eine-Million-Euro-Frage hat Anke <strong>der</strong> Mut verlassen. Eigentlich<br />
hat sie gewusst, dass <strong>der</strong> Belgier Luc Luycx die Euro-Münzen kreiert hat -<br />
und nicht etwa den Oscar, das Atomium o<strong>der</strong> die Schlümpfe. Da war die<br />
Gefahr aber doch zu groß, be<strong>im</strong> Risiko-Spiel auf 500 Euro abzustürzen. Und<br />
für den guten Zweck pokert es sich so schlecht.<br />
Be<strong>im</strong> Prominenten-"Wer wird Millionär" geht es naturgemäß deutlich lockerer<br />
zu als in den üblichen Sendungen, wenn mit nervösen Medienprofis gespielt<br />
wird, die es spannend machen und dabei noch witzig sein sollen. Man sieht<br />
Jauch an, wie viel Spaß er jedes Mal bei diesen Sendungen hat. RTL<br />
überstrapaziert das Prinzip nicht und lädt nur ein o<strong>der</strong> zwei Mal <strong>im</strong> Jahr<br />
Prominente ein.<br />
Comedian Kaya Yanar hatte schon bei <strong>der</strong> zwölften<br />
Frage sämtliche Joker verbraten. "Kann ich denn<br />
best<strong>im</strong>men, welche Antworten be<strong>im</strong> Fifty-Fifty-<br />
Joker stehen bleiben?", witzelte er. Und wollte<br />
anfangs so zögerlich die Unterstützung des<br />
Publikums einsetzen, dass es Jauch von seinem<br />
Stuhl riss, um ihn zur Besinnung zu bringen. Als es<br />
dann um 64.000 Euro ging, musste Yanar aussteigen – trotz Telefonjoker, mit<br />
dem er einen Freund fragen konnte, was das "Schlafittchen", an dem man<br />
jemanden packen kann, ursprünglich bezeichnete. Den Bart? Ein Ohr? Das<br />
Horn? O<strong>der</strong> - und das wäre korrekt gewesen - einen Flügel? Yanar flehte:<br />
"Das kannste googeln, schnell! Ich hab gesagt: Bleib am Computer!"<br />
Kaya Yanar<br />
63
"Ich würd’ mich nicht aufs Publikum verlassen", brüllte Yanar aus dem<br />
Zuschauerraum heraus, als bei <strong>der</strong> nächsten Runde mit einem an<strong>der</strong>en Promi-<br />
Kandidaten wie<strong>der</strong> ein Zuschauervotum anstand. Später war Jauch sich sicher,<br />
dass "mindestens fünf Leute" <strong>im</strong> Studio wüssten, ob Angela Merkel,<br />
Wolfgang Tiefensee, Franz Josef Jung o<strong>der</strong> Brigitte Zypries in den neuen<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n geboren wurde. Es wusste aber keiner. "So ist das, wenn man<br />
sein Publikum überschätzt", witzelte <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator.<br />
Fast zehn Millionen Menschen wollten an diesem Abend das Prominenten-<br />
Special von "Wer wird Millionär" auf RTL sehen: Insgesamt schauten 9,57<br />
Millionen zu, in <strong>der</strong> für die Werbeindustrie wichtigen Zielgruppe <strong>der</strong> 14- bis<br />
49-Jährigen reichte es für einen starken Marktanteil von 33 Prozent –<br />
Topquoten für Jauch! 34<br />
Das Highlight von einem an<strong>der</strong>en "Wer wird Millionär"-Special stellte<br />
unbestreitbar <strong>der</strong> Auftritt von Horst Schlämmer (Hape Kerkeling) dar. Auf<br />
dem “heißen Stuhl” war er in seinem Element. Auf gewohnt witzige und<br />
plumpe Art brachte er Jauch schon bei den ersten Fragen ins Schwitzen.<br />
Ebenfalls eine lustige Showeinlage: Der stellvertretende Chefredakteur des<br />
Grevenbroicher Tagblatt zog zwei Kurze aus seiner schicken Herrentasche<br />
und trank mit Günther Jauch Brü<strong>der</strong>schaft – auf Ex. Dann küsste er den<br />
Günther Jauch gibt dem Enthüllungsjournalisten Horst<br />
Schlämmer <strong>im</strong> Studio Nachhilfe in Krankengymnastik:<br />
Er führt die Katzenbuckel-Übung vor.<br />
34 www.stern.de, Peer Scha<strong>der</strong>, Artikel "Das kannste googeln, schnell!" vom 23. November 2007<br />
64
Mo<strong>der</strong>ator auf die Wange. Günther Jauch: “Ich habe ja schon einiges erdulden<br />
müssen, aber das ist heute Abend zuschlagspflichtig.”<br />
Als Schlämmer nach <strong>der</strong> fünften Frage dann aufhören wollte, schauten alle<br />
ungläubig – Aufhören? Bei 500 Euro? Doch diese Idee nahm <strong>der</strong> Komiker<br />
zum Anlass um dass zu tun, was viele Zuschauer und TV-Blogger-Leser<br />
bereits <strong>im</strong> Vorfeld <strong>der</strong> Sendung ahnten: Er holte Günther Jauch auf den<br />
Kandidatenstuhl. Das erste Mal in <strong>der</strong> langen Karriere von “Wer wird<br />
Millionär?” musste sich <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator den Fragen stellen. Das gab es bislang<br />
auch bei keinem an<strong>der</strong>en Prominentenspecial.<br />
Jauch schlug sich tapfer. Er ertrug die Gymnastikübungen und blöden (aber<br />
witzigen) Sprüche des stellv. Chefredakteurs und kämpfte sich bis zur<br />
Millionenfrage durch. Bei <strong>der</strong> Frage “Wer stellt in einem Gedicht fest: ´Der<br />
Fußballwahn ist eine Krankheit, aber selten, Gott sei Dank´!?” kapitulierte<br />
Jauch. Am Ende stellte sich heraus, dass dies auch eine gute Entscheidung<br />
war. Immerhin lag <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator und vermeintliche Alleswisser mit seinen<br />
beiden Vermutungen deutlich daneben. (Antwort war übrigens D: Joach<strong>im</strong><br />
Ringelnatz). Immerhin gewann <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator 500.000 Euro - die Anspannung<br />
und Angst sich zu blamieren waren ihm anzusehen.<br />
Gemeinsam gewannen die beiden (Jauch und Kerkeling) an diesem<br />
spannenden Abend eine halbe Million für die deutsche Aids-Stiftung – und für<br />
den gelungenen Auftritt den Deutschen Fernsehpreis.<br />
So hatte <strong>der</strong> Zuschauer vor dem Fernseher an diesem Sonntag einiges erlebt.<br />
Jede Menge Spaß und eine hohe Spende für den guten Zweck waren das<br />
Resultat. Und auch mit <strong>der</strong> Quote kann RTL zufrieden sein. Mit 10,60<br />
Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 33,0 Prozent sind die<br />
Zuschauerzahlen enorm hoch. In <strong>der</strong> werberelevanten Zielgruppe sah es<br />
ebenfalls sehr gut aus: 5,19 Millionen 14- bis 49-Jährige schalteten ein, was<br />
einem Marktanteil von sehr guten 36,9 Prozent entspricht.<br />
65
Oliver Pocher<br />
Am 30. Mai 2008 knackte Oliver Pocher, <strong>der</strong><br />
populäre deutsche Comedian, die letzte Frage und<br />
gewann eine Million für wohltätige Zwecke. Standing<br />
Ovations, Feuerwerk und Glitzerregen für den siebten<br />
Millionengewinner bei „WWM“ und den ersten be<strong>im</strong><br />
“Prominenten-Special”.<br />
Als Günther Jauch die Millionenfrage stellte: "Das Nagel-Schreckenberg-<br />
Modell liefert eine Erklärung für die Entstehung von ...?" A: Sandwüsten, B:<br />
Verkehrsstaus, C: Grippewellen, D: Börsencrashs, hatte <strong>der</strong> ehemalige<br />
Realschüler nur noch seinen Publikumsjoker. Und die Zuschauer antworteten<br />
wie folgt: A:12 %, B:70 %, C:0 %, D:18 %. Was Oliver nicht wusste, nur 35<br />
Zuschauer hatten überhaupt abgest<strong>im</strong>mt. Seine erste Intuition waren die<br />
Verkehrsstaus und so entschied er: "...ich zocke und nehme Antwort B. Und<br />
ich biete an, dass ich 100.000 € aus eigener Tasche zahle, wenn ich mit <strong>der</strong><br />
Antwort falsch liege." Er konnte sein Geld behalten, auch wenn Günther<br />
Jauch schon Angst hatte: "Da muss man ja selbst bei <strong>der</strong> ARD lange für<br />
senden."<br />
Nach Oliver Pocher hat <strong>der</strong> Fernsehmo<strong>der</strong>ator<br />
Thomas Gottschalk die Million be<strong>im</strong> “Wer wird<br />
Millionär - Prominentenspecial” gewonnen. Er hat als<br />
Telefonjoker den bekannten Literaturkritiker Marcel<br />
Reich-Ranicki gewählt. Mit seiner Hilfe konnte er die<br />
letzte Frage problemlos beantworten: “Wie hieß<br />
Franz Kafkas letzte Lebensgefährtin, die er 1923, ein Jahr vor seinem Tod,<br />
kennenlernte?” Reich-Raniki meinte dazu nur: “<strong>Die</strong> letzte hieß Dora Diamant!<br />
Ob er noch nebenbei eine gestreichelt hat, weiß ich nicht.”<br />
Thomas Gottschalk und<br />
Marcel Reich-Ranicki<br />
66
Strittige Fragen<br />
<strong>Die</strong> Fragen für die Sendung werden von einem externen Redaktionsteam<br />
erarbeitet, für die <strong>deutschen</strong> Fragen ist die Firma Mind the Company<br />
verantwortlich. <strong>Die</strong> Antworten werden durch das Studium mehrerer Quellen<br />
auf ihre Richtigkeit geprüft, zu denen etwa die Brockhaus-Enzyklopädie und<br />
Wissen.de gehören. Auch Wikipedia gehörte dazu, wie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator <strong>im</strong><br />
Oktober 2005 in einer Sendung verriet. Nach <strong>der</strong> „Niels-Bohr-Frage“ (siehe<br />
unten) wird die Wikipedia von <strong>der</strong> WWM-Redaktion jedoch nicht mehr als<br />
Quelle zugelassen. Trotz intensiver Überprüfungen können in seltenen Fällen<br />
dennoch Fehler auftreten, zumeist aufgrund sich wi<strong>der</strong>sprechen<strong>der</strong> Quellen. In<br />
zwei Fällen durfte <strong>der</strong> betreffende Kandidat später neu einsteigen.<br />
Fragen mit Folgen:<br />
• Welcher Nobelpreisträger für Physik war mehrfacher Fußballnational-<br />
spieler seines Landes?<br />
Laut WWM soll es Niels Bohr gewesen sein. Belegbar ist aber nur, dass <strong>der</strong><br />
Bru<strong>der</strong> Harald Bohr Fußball-Nationalspieler für Dänemark war. Beide Brü<strong>der</strong><br />
waren erfolgreiche Vereinsfußballer. Der dänische Verband erklärte, für die<br />
Zeit Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts keine Aufzeichnungen mehr zu haben.<br />
Möglicherweise beruht die Information, dass auch Niels Bohr Nationalspieler<br />
war, auf <strong>der</strong> Meldung einer dänischen Tageszeitung anlässlich <strong>der</strong> Nobelpreis-<br />
Verleihung an Niels Bohr. Eine <strong>der</strong> Quellen für die WWM-Redaktion war<br />
(neben <strong>der</strong> Brockhaus-CD-ROM) Wikipedia. Im Anschluss an die strittige<br />
Frage wurde dort <strong>der</strong> Eintrag zu Niels Bohr geän<strong>der</strong>t. Der Kandidat wurde<br />
erneut eingeladen.<br />
• Jedes Rechteck ist ein …?<br />
Antwortmöglichkeiten: Rhombus, Quadrat, Trapez und Parallelogramm.<br />
Richtig sind zwei Antworten: Parallelogramm und Trapez, denn ein Rechteck<br />
ist sowohl Spezialfall des Trapezes als auch des Parallelogramms. Interessant<br />
ist in diesem Zusammenhang, dass die große Brockhaus-Enzyklopädie (1996,<br />
67
Band 22) das Trapez ausdrücklich mit zwei unterschiedlich langen parallelen<br />
Seiten definiert und dann tatsächlich nur das gesuchte Parallelogramm richtig<br />
gewesen wäre. <strong>Die</strong> Kandidatin, die bei dieser Frage ausgestiegen war, wurde<br />
erneut eingeladen.<br />
• Worauf weist das zu den Richtzeichen gehörende Verkehrszeichen<br />
317 hin?<br />
Antwortmöglichkeiten dieser 4.000 Euro-Frage waren Wan<strong>der</strong>düne,<br />
Wan<strong>der</strong>zirkus, Wan<strong>der</strong>parkplatz und Wan<strong>der</strong>ratten. Nach <strong>der</strong><br />
Straßenverkehrsordnung wäre die richtige Antwort Wan<strong>der</strong>erparkplatz.<br />
Daraufhin erhielt die Kandidatin in <strong>der</strong> folgenden Sendung den bei <strong>der</strong><br />
Wan<strong>der</strong>parkplatz-Frage verwendeten 50:50-Joker zurück. Jedoch ist <strong>der</strong><br />
Ausdruck "Wan<strong>der</strong>parkplatz" weitaus gebräuchlicher als das amtliche<br />
"Wan<strong>der</strong>erparkplatz". Eine Google-Suche etwa ergibt so ein Treffer-<br />
Verhältnis von rund 30 zu 1.<br />
• Wie nennt <strong>der</strong> Mathematiker die senkrechte Achse <strong>im</strong> Koordinatensystem?<br />
Antwortmöglichkeiten: s-, x-, y-, z-Achse. In <strong>der</strong> Sendung galt die y-Achse als<br />
richtige Antwort, wobei ein zweid<strong>im</strong>ensionales Koordinatensystem<br />
vorausgesetzt wurde. In <strong>der</strong> dreid<strong>im</strong>ensionalen Darstellung eines<br />
Koordinatensystems wird jedoch auch die z-Achse optisch senkrecht<br />
dargestellt.<br />
• Wer unterzeichnete die deutsche Kapitulation am Ende des Zweiten<br />
Weltkriegs?<br />
Antwortmöglichkeiten: Konrad Adenauer, Hermann Göring, Adolf Hitler und<br />
Karl Dönitz. <strong>Die</strong> Redaktion wertete Dönitz als richtige Antwort.<br />
Unterzeichner <strong>der</strong> Urkunde waren jedoch Alfred Jodl in Re<strong>im</strong>s und Wilhelm<br />
Keitel in Berlin-Karlshorst. Dönitz hatte als Staatsoberhaupt die Vollmacht<br />
zur Unterzeichnung gegeben. Daher wird die Kapitulation häufig Dönitz<br />
zugeschrieben, wie zum Beispiel in Schwanitz, Bildung (Frankfurt 1999,<br />
S. 202): "Und am 8. Mai unterzeichnete Admiral Dönitz die bedingungslose<br />
Kapitulation".<br />
68
• Was gehört nicht zu den drei Grundfarben?<br />
Antwortmöglichkeiten: rot, gelb, grün und blau. Tatsache ist, dass die richtige<br />
Antwort davon abhängt, ob an die subtraktive Farbmischung (in diesem Fall<br />
ist die richtige Antwort grün) o<strong>der</strong> an die additive Farbmischung (in diesem<br />
Fall ist gelb die richtige Antwort) gedacht wurde. Bei <strong>der</strong> subtraktiven<br />
Farbmischung hätten allerdings korrekterweise die Farben cyan, magenta,<br />
gelb, grün als Antworten vorgegeben werden müssen. So gesehen war die<br />
vom Kandidaten gegebene und von <strong>der</strong> Redaktion als richtig gewertete<br />
Antwort gelb richtig.<br />
• Glaubt man <strong>der</strong> Wortherkunft, so teilte man mit seinen Kumpanen<br />
ursprünglich...<br />
Antwortmöglichkeiten: das Brot, den Beruf, die Beute und die Geliebte. Anke<br />
Engelke entschied sich <strong>im</strong> Prominenten-Special für "das Brot", was die<br />
gesuchte richtige Antwort war (vom Lateinischen "cum"=mit und<br />
"panis"=Brot). Kumpan kann aber laut dem etymologischem Wörterbuch<br />
Kluge (2002, S. 546) von lat. compaginare (= sich vereinigen, sich<br />
zusammenschließen) abstammen. An<strong>der</strong>e Quellen (Duden Wortherkunft, dtv-<br />
etymolog. Wörterbuch, Petit Larousse) bestätigen jedoch die Lösung <strong>der</strong><br />
WWM-Redaktion.<br />
• Wobei handelt es sich um ein chemisches Element?<br />
Antwortmöglichkeiten waren Einsteinium, Heisenbergium, Planckium,<br />
Roentgenium. <strong>Die</strong> Kandidatin wählte Einsteinium aus, was als richtig<br />
gewertet wurde. Es handelt sich um das Element Es mit <strong>der</strong> Ordnungszahl 99.<br />
Aber auch die Antwort Roentgenium wäre korrekt gewesen, denn seit dem 8.<br />
November 2004 steht das Element mit <strong>der</strong> Ordnungszahl 111, von <strong>deutschen</strong><br />
Forschern bereits 1994 an <strong>der</strong> Gesellschaft für Schwerionenforschung in<br />
Darmstadt synthetisiert, als "Roentgenium" Rg <strong>im</strong> Periodensystem. Da die<br />
betreffende Frage bereits <strong>im</strong> Februar 2004 erstellt wurde, aber erst Mitte<br />
November (also eine Woche, nachdem Roentgenium ins Periodensystem<br />
aufgenommen wurde) gespielt wurde, wurde <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Frage in diesem<br />
69
Fall von einer aktuellen Entwicklung teilweise überholt. (<strong>Die</strong> Kandidatin hat<br />
die Frage trotzdem problemlos beantwortet und bekam deshalb keine<br />
"Entschädigung".)<br />
Gesellschaftlicher Einfluss<br />
Wie auch an<strong>der</strong>e Sendungen mit hohen Einschaltquoten <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Fernsehen hat WWM einen gesamtgesellschaftlichen Einfluss. So haben<br />
inzwischen die Begriffe „Telefonjoker“, „Publikumsjoker“ und „Fifty-fifty-<br />
Joker“ einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht, dass sie in <strong>der</strong> 24. Auflage<br />
des Duden-Rechtschreibwörterbuchs zu finden sind. <strong>Die</strong>se Tatsache wurde<br />
sogar in einer 125.000-Euro-Frage <strong>im</strong> Prominentenspecial vom 22. November<br />
2007 thematisiert: „Welcher Begriff schaffte es nicht in die aktuelle, 24.<br />
Auflage des Rechtschreibdudens? A: Millionenfrage B: Fifty-fifty-Joker C:<br />
Telefonjoker D: Publikumsjoker“ - Anke Engelke war die Kandidatin und<br />
beantwortete sie richtig.<br />
<strong>Die</strong> Kuriosität<br />
Norbert Göckel, ein Kraftfahrer aus Berlin, hatte seinen Job be<strong>im</strong> Bundestag-<br />
Subunternehmen RocVin beinahe verloren, weil er als Kandidat in Günther<br />
Jauchs RTL-<strong>Quiz</strong>show zu viel geplau<strong>der</strong>t hatte.<br />
Der Bundestags-Chauffeur, hatte auf die Frage Jauchs, ob die höher gestellten<br />
Bundestagsabgeordneten o<strong>der</strong> die Hinterbänkler die freundlicheren Fahrgäste<br />
seien, geantwortet: „Wollen Sie eine ehrliche Antwort? Je höher, desto<br />
arroganter...“ <strong>Die</strong>ser Satz hat dem 56-järigen fast seinen Job gekostet.<br />
Günther Jauch zeigte sich schockiert vom rabiaten Vorgehen gegenüber<br />
seinem <strong>Quiz</strong>-Gast. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass Herr Göckel wegen<br />
dieser Aussage seinen Job verlieren soll. Ich finde, es muss in unserem Land<br />
70
möglich sein, normal über seine Arbeit zu sprechen, ohne sich dabei um Kopf<br />
und Kragen zu reden“. Immerhin, 8.000 Euro nahm Göckel mit nach Hause.<br />
Seinem Arbeitgeber RocVin, <strong>der</strong> einen Vertrag mit dem Bundestag hat, war<br />
diese Antwort wohl zu fre<strong>im</strong>ütig. Aber <strong>der</strong> Kündigungsgrund ist nach Angabe<br />
von Geschäftsführer Manfred Reuter ein an<strong>der</strong>er: „Göckel hat sich als Fahrer<br />
des Deutschen Bundestages ausgegeben – das ist eine Falschaussage. Er ist<br />
bei uns angestellt und wir sind Vertragspartner des Bundestages. Allein das<br />
könnte Grund für eine fristlose Entlassung sein“, erklärte er <strong>der</strong> „Bild-<br />
Zeitung“. „Er hat als Fahrer in seinem Anstellungsvertrag eine absolute<br />
Verschwiegenheitspflicht“, sagte Reuter weiter zu <strong>der</strong> Entscheidung.<br />
Der Rausschmiss, laut BILD-Zeitung 35 ,<br />
entfachte bei Politikern des Bundestages<br />
einen Sturm <strong>der</strong> Entrüstung. Der SPD-<br />
Fraktionschef Peter Struck sagte: „Das<br />
ist doch kein Grund für eine<br />
Kündigung!“ Sein Fraktionskollege<br />
Hans-Joach<strong>im</strong> Hacker: „Eine<br />
unangemessene Reaktion.“ Der<br />
Bundestag hatte klargestellt, auf die<br />
Entscheidung <strong>der</strong> Firma RocVin keinen<br />
Einfluss ausgeübt zu haben. RocVin dagegen hatte behauptet, <strong>der</strong><br />
Auflösungsvertrag mit Göckel sei „in Absprache“ mit dem Bundestag erfolgt.<br />
Kurz danach kam plötzlich die überraschende Nachricht: Der Fahrer kann<br />
demnächst wie<strong>der</strong> Politiker chauffieren.<br />
35 http://www.bild.de<br />
Bundestags-Chauffeur Konrad Göckel<br />
neben TV-Mo<strong>der</strong>ator Günther Jauch<br />
(März 2008)<br />
71
2.1.2. Das <strong>Quiz</strong> mit Jörg Pilawa<br />
<strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendung ist eine leicht verän<strong>der</strong>t umgesetzte "Wer<br />
wird Millionär"-Variante, läuft <strong>im</strong>mer dienstags bis freitags<br />
um 19.20 Uhr <strong>im</strong> Ersten. Beste Quoten: bis zu 7,2 Mio.<br />
Zuschauer<br />
<strong>Die</strong> Vorgeschichte<br />
Am 25. Juli 2001 war die Premiere eines neuen <strong>deutschen</strong> Formats, am 5. Juli<br />
2005 um 19.20 Uhr wurde die 750. Sendung "Das <strong>Quiz</strong> mit Jörg Pilawa"<br />
ausgestrahlt. Bis dahin gab es fünf Höchstgewinner (einmal 500.000 DM,<br />
viermal 300.000 Euro).<br />
In "Das <strong>Quiz</strong> mit Jörg Pilawa" spielen Kandidatenpaare gemeinsam um das<br />
große Geld. Bewerben können sich nur Paare mit einer interessanten<br />
gemeinsamen Geschichte. Hier können alle mitmachen, die verliebt, verlobt,<br />
verheiratet sind, o<strong>der</strong> sonst in irgendeiner Beziehung zueinan<strong>der</strong> stehen: <strong>der</strong><br />
Vater mit dem Sohn, die Oma mit <strong>der</strong> Enkelin, eineiige Zwillinge, die<br />
Sekretärin mit ihrem Chef o<strong>der</strong> zwei Nonnen aus einem Kloster. Das Konzept<br />
lebt stark von <strong>der</strong> Kandidaten-Konstellation.<br />
Be<strong>im</strong> Spiel <strong>im</strong> Studio<br />
72
Bis zu 300.000 Euro kann jedes Paar gemeinsam gewinnen. Doch dazu sind<br />
gemeinsam zwölf knifflige Fragen richtig zu beantworten.<br />
<strong>Die</strong> Sendung wird in Hamburg in Staffeln produziert.<br />
<strong>Die</strong> Spielregeln<br />
Es spielt jeweils 1 Kandidatenpaar. Auf dem Weg zu 300.000 (früher 500.000<br />
Mark) Euro werden die beiden Partner abwechselnd befragt. Zwölf Fragen<br />
sind richtig zu beantworten. Dabei können die Kandidaten aus vier<br />
Antwortvorgaben wählen. Wenn ein Kandidat nicht weiter weiß, dann kann<br />
sein Partner einspringen. Und wenn er glaubt, dass sein Partner die falsche<br />
Antwort gegeben hat, kann er ein Veto einlegen.<br />
Zunächst legt das Paar zwei Gewinnstufen fest. Erlangt es diese durch richtige<br />
Antworten, kann es mit darauf folgenden falschen Antworten max<strong>im</strong>al bis zu<br />
<strong>der</strong> zuletzt erreichten Stufe zurückfallen. Das Hauptmotto <strong>der</strong> Kandidaten<br />
dabei lautet: Risiko mit ein bisschen Sicherheit ist die beste Strategie. Am<br />
häufigsten werden als Gewinnstufen 5.000 Euro ("eine sichere Sache") und<br />
20.000 Euro ("wenn's denn klappt") gewählt. Selten dagegen die<br />
Sicherheitsfanatiker, die als Gewinnstufen 2.000 Euro und 10.000 Euro<br />
wählten. 36 Genauso selten die Mutigen, die sich 30.000 Euro als erste<br />
Gewinnstufe zutrauten und die 100.000 Euro als Gewinnstufe 2 setzten. Der<br />
Hintergedanke ist klar: Habe ich 100.000 Euro sicher, dann spielt es sich<br />
leicht um die 300.000 Euro. Geklappt hat es bei den Draufgängern nie.<br />
Es werden <strong>Quiz</strong>fragen mit 4 Antwortmöglichkeiten (wie <strong>im</strong> WWM) gestellt,<br />
die zunächst <strong>im</strong>mer nur ein Teil des Paares beantworten muss. Ist die Antwort<br />
eingeloggt, darf <strong>der</strong> Partner nun zust<strong>im</strong>men und darauf hoffen, dass die<br />
Lösung st<strong>im</strong>mt - o<strong>der</strong> er legt ein "Veto" ein und än<strong>der</strong>t noch einmal die<br />
Antwort. 3 "Än<strong>der</strong>ungs-Vetos" und 1 "Tausch-Veto", bei dem eine neue<br />
Frage gestellt wird, stehen dem Paar auf dem Weg zu 300.000 Euro zur<br />
Verfügung.<br />
36 www.daserste.de/quiz/dasquiz.asp<br />
73
Mo<strong>der</strong>ator<br />
Als "Wer wird Millionär?" mit Günther Jauch<br />
Ende <strong>der</strong> 90er ein beispielloser Überraschungs-<br />
erfolg für RTL wurde, mo<strong>der</strong>ierte Pilawa erst eine<br />
Nachahmung auf Sat 1 und ging dann 2001 zur<br />
ARD, wo er die Idee für "Das <strong>Quiz</strong> mit Jörg Pi-<br />
lawa" mitentwickelte: Es spielt nicht ein Kandidat,<br />
son<strong>der</strong>n ein Kandidatenpaar; es sind Kollegen,<br />
Eheleute, Freunde. Vorteil: mehr Dynamik, weni-<br />
ger Aufregung bei den Kandidaten. Und: Der Mo<strong>der</strong>ator tritt viel mehr in den<br />
Hintergrund. Kandidaten, Saalpublikum und prominente Gäste behandelt<br />
Pilawa stets respektvoll und ohne jede Spur von Zynismus o<strong>der</strong> Sarkasmus.<br />
Im neuen Projekt stand Jörg Pilawa zum ersten Mal in seinem Berufsleben<br />
hinter <strong>der</strong> Kamera. Als Produzent seiner eigenen Firma "White Balance" und<br />
als Mitproduzent, zusammen mit "Pearson TV", eines neuen <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong>s<br />
musste er plötzlich ganz neue Sachen machen: kalkulieren, Aufträge<br />
vergeben, sich um Logo, Studiodesign und Musik kümmern – und zum ersten<br />
Mal Mitarbeiter einstellen.<br />
Jörg Pilawa ist 1965 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur studierte er<br />
Medizin und Geschichte. Ein Jahr arbeitete er in einem Kibbuz in Israel.<br />
Schon während des Studiums begann er für den Hörfunk und für das<br />
Fernsehen zu arbeiten. Seit 1994 als TV-Mo<strong>der</strong>ator erfolgreich, kommt Jörg<br />
Pilawa zur ARD: "Herzblatt“, "Das <strong>Quiz</strong> mit Jörg Pilawa“, "Star <strong>Quiz</strong>",<br />
"Rekord-Fieber“ und Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> NDR-Talkshow. Niemand mo<strong>der</strong>iert<br />
mehr Fernsehshows als Jörg Pilawa, die Allzweckwaffe <strong>der</strong> ARD: vom "Star-<br />
Biathlon" über den "Pisa-Test", "Ernährungstest", "Erziehungstest" und<br />
"Partnerschaftstest" bis zur großen Samstagabendshow "Frag doch mal die<br />
Maus". Er ist <strong>im</strong>mer solide, <strong>im</strong>mer freundlich – und <strong>der</strong> Liebling aller<br />
Schwiegermütter.<br />
Jörg Pilawa<br />
74
Durch vieljährige Arbeit in verschiedenen TV-<strong>Formate</strong>n konnte Jörg Pilawa<br />
viele Erfahrungen ins neue <strong>Quiz</strong>-Projekt mit einbringen, vor allem bei <strong>der</strong><br />
Planung <strong>der</strong> Dramaturgie <strong>der</strong> neuen Sendung. Be<strong>im</strong> Start des neuen<br />
<strong>Quiz</strong>formats benötigte Jörg Pilawa eine dre<strong>im</strong>onatige Fernsehpause.<br />
"Das <strong>Quiz</strong>" <strong>im</strong> Unterschied zu den an<strong>der</strong>en <strong>Quiz</strong>shows, die zurzeit <strong>im</strong><br />
<strong>deutschen</strong> Fernsehen ausgestrahlt werden, hat kein ausländisches Vorbild.<br />
Es ist die erste <strong>Quiz</strong>show, die in Deutschland selbst entwickelt wurde und auf<br />
Sendung ging. <strong>Die</strong> Hauptidee kam vom Co-Produzenten "Pearson TV", mit<br />
dem Jörg Pilawas Firma "White Balance" dann das neue Format weiter<br />
konzipiert hat. „Ein äußerst spannen<strong>der</strong> Prozess, bei <strong>der</strong> Geburt eines neuen<br />
Formats dabei zu sein. Und – läuft es gut, dann haben wir auch die Chance, es<br />
weltweit anzubieten,“ – berichtet stolz <strong>der</strong> beliebter Mo<strong>der</strong>ator über sein<br />
Vorbildprodukt 37 .<br />
Pilawa hat <strong>im</strong> Fernsehen zwei Gesichtsausdrücke: entwe<strong>der</strong> sein Gesicht ist<br />
auf abwartende Weise neutral, o<strong>der</strong> er lächelt. Viele Menschen mögen Pilawa<br />
sehr, in Umfragen ist er oft <strong>der</strong> beliebteste Fernsehmo<strong>der</strong>ator nach Günther<br />
Jauch und Thomas Gottschalk, die ewige Nummer drei unter den großen<br />
Fernsehjungs. An<strong>der</strong>erseits: Weil er so viel mo<strong>der</strong>iert und weil er dies <strong>im</strong>mer<br />
auf die gleiche freundliche, routinierte Art tut, finden ihn an<strong>der</strong>e sehr glatt und<br />
langweilig. Pilawas Image besteht <strong>im</strong> Grunde nur aus endlosen Variationen<br />
des Attributs "nett" - von "<strong>der</strong> nette Herr Pilawa" ("Bild am Sonntag") bis "<strong>der</strong><br />
große Blonde mit dem netten Lächeln" ("TZ").<br />
Pilawa hat sich zu dieser Sachlage in <strong>der</strong> Talkshow seines Kollegen Reinhold<br />
Beckmann einmal abschließend geäußert, indem er feststellte: "Ich find's nett,<br />
nett zu sein." 38<br />
Pilawas Vertrag mit <strong>der</strong> ARD läuft noch bis 2010. Dann gibt er auch die<br />
Geschäftsführung <strong>der</strong> Produktionsfirma "White Balance" ab, die er<br />
inzwischen ohnehin an MME Moviement verkauft hat. Spätestens dann will er<br />
auch als Mo<strong>der</strong>ator deutlich kürzer treten.<br />
37 www.joerg-pilawa.de<br />
38 www.stern.de Till Raether, „Endlose Variationen von "nett"“ (Stern-Artikel aus Heft 23/2007)<br />
75
2.1.3. Glücksrad<br />
<strong>Die</strong> Vorgeschichte<br />
„Glücksrad“ (engl. Wheel of Fortune – dt. Das Rad <strong>der</strong> Fortuna) ist eine<br />
bekannte Spielshow, die ursprünglich aus den USA stammt und in vielen<br />
Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Erde ausgestrahlt wird o<strong>der</strong> wurde.<br />
Wheel of Fortune ist eine <strong>der</strong> ältesten Gameshows <strong>der</strong> USA, welche 1971 von<br />
Merv Griffin erfunden wurde. Der legendäre Erfin<strong>der</strong> behauptet, dass dies<br />
während einer sehr langen Autofahrt mit seinen Kin<strong>der</strong>n geschah, die<br />
Hangman spielten.<br />
1973 zeichnete Produzent Merv Griffin den Piloten für das „Glücksrad“ auf.<br />
<strong>Die</strong> Show hieß „Shoppers Bazaar“ und wurde von Edd Byrnes präsentiert<br />
(bekannt als „Cookie“ aus <strong>der</strong> Serie „77 Sunset Strip“).<br />
Am 6. Januar 1975 ging die Show mit dem Namen „Wheel Of Fortune“ bei<br />
<strong>der</strong> NBC erstmals auf Sendung. Sie wurde zunächst von Chuck Woolery<br />
mo<strong>der</strong>iert, seine Assistentin –„Buchstabenfee“ (die Frau, die die Buchstaben<br />
<strong>der</strong> Ratewand umdreht) war Susan Stafford.<br />
Im September 1982 sicherte sich das Fernsehproduktions- und<br />
Vertriebsunternehmen „King World Productions“ mit Sitz in New Jersey die<br />
Rechte zur gemeinschaftlichen Ausstrahlung <strong>der</strong> Show. <strong>Die</strong> Sendung wird<br />
seitdem zentral von King World Productions produziert und dann an die<br />
zahlreichen amerikanischen TV-Stationen lizenziert. Kingworld produziert<br />
auch mehrfach <strong>im</strong> Jahr lokal, z.B. auf Hawaii, in Florida o<strong>der</strong> Las Vegas.<br />
19. September 1983: Nach mehr als 4.000 Shows wechselt das „Wheel Of<br />
Fortune“ in die TV-Syndication (Zusammenschluss aus verschiedenen TV-<br />
Sen<strong>der</strong>n, die gemeinsam die Ausstrahlungsrechte an einem Programm<br />
erworben haben). Seitdem wird diese Show in den USA von 200 Sen<strong>der</strong>n als<br />
„syndicated show“ übertragen. Als Mo<strong>der</strong>ator bleibt Pat Sajak (seit 1981)<br />
76
dabei. <strong>Die</strong> Buchstabenfee heißt Vanna White. Kurz nach ihrer Einstellung<br />
bricht in den USA die Vannamania aus. Sie erscheint auf dem Titel des<br />
Newsweek-Magazins, bekommt eine Rolle in dem TV Movie „Godness Of<br />
Love“. Ihre Autobiographie wird ein Bestseller. 1994 spielt Vanna White ihre<br />
eigene Rolle in dem Kinofilm „Nackte Kanone 33 1/3“ mit Leslie Nielsen.<br />
<strong>Die</strong> meisten amerikanischen Familien bevorzugen diese Unterhaltungsshow.<br />
Aufgrund seiner ungeheuren Popularität und <strong>der</strong> Lizenzeinnahmen sind die<br />
Gewinnsummen sehr hoch und die Sachpreise attraktiv. Dadurch hat diese<br />
Sendung nach wie vor einen enormen Zulauf.<br />
<strong>Die</strong> internationale Lizenzierung <strong>der</strong> Sendung liegt <strong>der</strong>zeit bei CBS<br />
International. Dabei unterliegen die Lizenznehmer engen Ristriktionen seitens<br />
Kingworld. Selbstverständlich werden aber lokale Eigenheiten berücksichtigt:<br />
In <strong>der</strong> Türkei ist Glücksrad eine mehrstündige Live-Sendung mit einem<br />
überaus populären Spaßvogel als Gastgeber, in Litauen ist die Ratewand<br />
(„puzzle board“) aus Kostengründen aus Karton, auf den Philippinen ist das<br />
Rad so angebracht, dass auch verschleierte Frauen es drehen können, ohne<br />
gegen die guten Sitten zu verstoßen.<br />
77
Deutsche Adaption als „Glücksrad“<br />
In Deutschland lief die Sendung etwa 15 Jahre lang auf verschiedenen<br />
Sen<strong>der</strong>n und ist mit über 4.000 produzierten Folgen die am häufigsten<br />
gesendete Spielshow Deutschlands.<br />
Am 7. November 1988 wird das „Glücksrad“ erstmals in Deutschland bei dem<br />
Privatsen<strong>der</strong> SAT.1 ausgestrahlt. Mo<strong>der</strong>iert wurde die Ratesendung damals<br />
von Fre<strong>der</strong>ic Meisner und dem Schauspieler Peter Bond, die sich wöchentlich<br />
abwechselten. „Buchstabenfee“ war Maren Gilzer.<br />
Glücksrad war in Deutschland die zweite sogenannte „Daily Gameshow“<br />
(Erste "Daily Gameshow" war Ruck Zuck (Sendestart: zehn Monate vor dem<br />
Glücksrad)). Aufgrund eines Beschlusses des Neustadter Verwaltungsgerichts<br />
musste die Sendung ab April 1991 als Dauerwerbesendung gekennzeichnet<br />
werden. Im Laufe <strong>der</strong> Zeit machte die Sendung einige Verän<strong>der</strong>ungen durch;<br />
viele Spielmodi (z.B. Temporunde, Bonusrunde) wurden eingeführt, verän<strong>der</strong>t<br />
o<strong>der</strong> abgeschafft. Mit an<strong>der</strong>en Worten – an die einhe<strong>im</strong>ischen Bedingungen<br />
angepasst.<br />
Das Glücksrad wurde zunächst montags bis freitags um 19:30 Uhr gesendet.<br />
Aufgrund des großen Erfolgs <strong>der</strong> Sendung wurde <strong>im</strong> April 1991 eine<br />
78
samstägliche und <strong>im</strong> September 1991 eine sonntägliche Ausgabe ins<br />
Programm genommen. Damit war das Glücksrad fast sieben Jahre lang täglich<br />
zu sehen.<br />
Obwohl das Glücksrad über lange Zeit zu den erfolgreichsten und<br />
zuschauerreichsten <strong>Formate</strong>n des Sen<strong>der</strong>s gehörte und auch gegen Ende<br />
<strong>im</strong>mer noch gute Quoten erreichte, wurde es <strong>im</strong> Mai 1998 eingestellt. <strong>Die</strong><br />
Zuschauer des Glücksrads waren überwiegend ältere Menschen, die für den<br />
Privatsen<strong>der</strong> zur „werbeunrelevanten“ Zielgruppe gehörten. Der geplanten<br />
„Programmverjüngung“ fielen nicht nur die Spielshows Glücksrad und Geh<br />
aufs Ganze!, son<strong>der</strong>n auch Serien wie Der Bergdoktor und Kurklinik Rosenau<br />
zum Opfer. <strong>Die</strong>ter Thomas Heck bezeichnete die Absetzungen von Sendungen<br />
für ältere Menschen aufgrund von Werbeinteressen damals als „respektlos“<br />
und als „Verletzung <strong>der</strong> Menschenwürde“. 39<br />
Nach <strong>der</strong> Einstellung <strong>der</strong> Sendung bei Sat.1 wechselt das bekannteste<br />
Spielformat <strong>der</strong> Welt am 18. Mai 1998 zu Kabel 1 und feiert <strong>im</strong> <strong>gleichen</strong> Jahr<br />
sein 10-jähriges Deutschland-Bestehen. Im Mo<strong>der</strong>atoren-Team gab es jedoch<br />
einige Verän<strong>der</strong>ungen: Peter Bond und Maren Gilzer verließen das Team,<br />
Sonya Kraus übernahm den Part <strong>der</strong> „Buchstabenfee“. Von <strong>der</strong> ursprünglichen<br />
Glücksrad-Besetzung blieb damit lediglich Fre<strong>der</strong>ic Meisner übrig.<br />
Ende 2001 hörte auch Fre<strong>der</strong>ic Meisner vorerst auf. Um die Show zu<br />
mo<strong>der</strong>nisieren, verpflichtete Kabel 1 den durch Dingsda und Versteckte<br />
Kamera bekannten ZDF-Mo<strong>der</strong>ator Thomas Ohrner als Glücksrad-Leiter.<br />
Neue Buchstabenfee wurde <strong>im</strong> Jahre 2002 das Fotomodell und damalige Miss<br />
Germany Katrin Wrobel.<br />
<strong>Die</strong> Sendung hatte ihre erfolgreichsten Zeiten jedoch schon hinter sich und<br />
wurde Ende 2002 wie<strong>der</strong> eingestellt, am 31. Oktober 2002 lief die letzte<br />
Ausgabe bei Kabel 1.<br />
39 http://de.wikipedia.org<br />
79
Im Jahre 2004 gab es bei dem <strong>Quiz</strong>sen<strong>der</strong> 9Live eine Rückkehr des<br />
Glücksrads. Von März 2004 bis März 2005 wurde die Sendung zunächst<br />
täglich, ab Juli 2004 dre<strong>im</strong>al wöchentlich ausgestrahlt. Mo<strong>der</strong>ator war erneut<br />
Fre<strong>der</strong>ic Meisner, für das Umdrehen <strong>der</strong> Buchstaben war nun Ramona Drews,<br />
die Frau von dem Popsänger Jürgen Drews, zuständig.<br />
Wie von Anfang an geplant wurde nur eine Staffel mit 100 Sendungen als so<br />
genannte „Low-Budget“-Produktion hergestellt. <strong>Die</strong>s zeigte sich<br />
beispielsweise in <strong>der</strong> ziemlich einfachen Aufmachung des Studios und den<br />
Applaus-Einspielern, da aus Kostengründen auf ein echtes Publikum<br />
verzichtet wurde. Denn <strong>im</strong> Gegensatz zu früheren Sendungen sollte die<br />
Produktion bei 9Live lediglich dazu dienen, neue Zuschauer für das<br />
eigentliche Kerngeschäft des Sen<strong>der</strong>s, die Call-In-Sendungen, anzulocken.<br />
Mit <strong>der</strong> Einstellung <strong>der</strong> Sendungen <strong>im</strong> März 2005 verschwand das Glücksrad<br />
von den <strong>deutschen</strong> Bildschirmen. Jedoch gab es 2007 <strong>im</strong> Gameshow-<br />
Marathon auf ProSieben eine Neuauflage des Glücksrads.<br />
<strong>Die</strong> Spielregeln<br />
"Glücksrad" ist eine Mischung aus<br />
Roulette und Kreuzworträtsel. Das<br />
Spiel setzt sich aus fünf Runden<br />
zusammen, in denen drei Kandidaten<br />
Begriffe und Redewendungen aus<br />
verschiedenen Bereichen (Ereignis,<br />
Titel, Ort, Sache, Person, Gruppe,<br />
Natur, Frage) erraten müssen. Dazu drehen sie ein Rad, das auf einem Geld-<br />
Feld mit Summen von 150 bis 5.000 DM o<strong>der</strong> auf einem <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>fel<strong>der</strong> -<br />
"Extra-Dreh", "Aussetzen", "Bankrott", "Son<strong>der</strong>preis" - zum Stillstand<br />
kommen kann. Falls sie auf einem Geld-Feld landen, nennen die Kandidaten<br />
einen Konsonanten und bekommen den Geldbetrag gutgeschrieben, wenn<br />
dieser <strong>im</strong> gesuchten Wort enthalten ist. Kommt <strong>der</strong> Konsonant mehrmals vor,<br />
80
wird <strong>der</strong> Betrag mit <strong>der</strong> entsprechenden Anzahl multipliziert. Mit einem<br />
Betrag können die Spieler Vokale kaufen.<br />
Ein Kandidat ist so lange am Zug, wie er einen <strong>im</strong> Wort enthaltenen<br />
Konsonanten rät, auf die "Extra-Dreh"- o<strong>der</strong> "Son<strong>der</strong>preis"-Son<strong>der</strong>fel<strong>der</strong><br />
kommt o<strong>der</strong> das gesuchte Wort nennt. In diesem Fall ist er Gewinner dieser<br />
Runde und darf <strong>im</strong> Gegenwert <strong>der</strong> gewonnenen Geldsumme <strong>im</strong> Studio Waren<br />
"kaufen", die anschließend ausführlich in Wort und Bild präsentiert werden.<br />
Nach <strong>der</strong> dritten Runde steht <strong>der</strong> Kandidat mit dem höchsten Geldbetrag auf<br />
seinem Konto als Tagessieger fest. In <strong>der</strong> vierten Runde spielen alle drei<br />
Kandidaten gemeinsam um den Superpreis - die Gesamtsumme <strong>der</strong> bis zu<br />
diesem Zeitpunkt erspielten Geldbeträge. Nachdem sie fünf Konsonanten und<br />
einen Vokal gewählt haben, bleiben ihnen 90 Sekunden Zeit (pro Kandidat 30<br />
Sekunden) um die gesuchten Begriffe zu erraten. In <strong>der</strong> fünften und letzten<br />
Runde spielt <strong>der</strong> Tagessieger aus den ersten drei Runden in <strong>der</strong> Bonusrunde<br />
um den Hauptpreis. Dabei muss er, nachdem er fünf Konsonanten und einen<br />
Vokal ausgewählt hat, einen Begriff innerhalb von 15 Sekunden erraten.<br />
Vor dem ersten Spiel stellt <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator die Kandidaten in einem<br />
Kurzinterview vor, meist fragt er nach einem Detail aus ihrem Leben. Im<br />
weiteren Verlauf <strong>der</strong> Sendung beschränken sich die verbalen Äußerungen <strong>der</strong><br />
Kandidaten und des Mo<strong>der</strong>ators ausschließlich auf das Spiel. Im<br />
eigentümlichen Kontrast zu diesen sparsamen Äußerungen stehen die<br />
ausführlichen Darstellungen <strong>der</strong> zu gewinnenden Preise. Ein Off-Mo<strong>der</strong>ator<br />
liest mit hoher Geschwindigkeit Beschreibungen von etwa 10 Produkten vor,<br />
die an <strong>der</strong> Sprache von Werbetexten orientiert sind: "<strong>Die</strong> neue Eschenbach-<br />
Kollektion Elena vereint Klassik und Mo<strong>der</strong>ne und lässt beide Komponenten<br />
mit <strong>der</strong> Renaissance des Schönen kommunizieren. <strong>Die</strong>ses Tafelservice hat<br />
einen Wert von 485 DM" (2. Januar 1994).<br />
Das Gewinn-System <strong>der</strong> Show wurde <strong>im</strong> Laufe <strong>der</strong> Jahre <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong><br />
verän<strong>der</strong>t - das Spielprinzip mit Worträtseln, <strong>der</strong>en Rubriken und dem Drehen<br />
am Rad jedoch nicht.<br />
81
«GLÜCKSRAD» (Deutsche Version von „Wheel of Fortune“)<br />
Im <strong>deutschen</strong> Studio<br />
«ПОЛЕ ЧУДЕС» (Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong> – Russische Version von<br />
„Wheel of Fortune“)<br />
Im russischen Studio<br />
Fre<strong>der</strong>ic Meisner<br />
(Glücksrad, Deutschland)<br />
Leonid Jakubovich<br />
(Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>, Russland)<br />
Das Studio in neuem Look, Russland<br />
82
2.1.4. Einundzwanzig<br />
<strong>Quiz</strong> / RTL / 2000-2002 / 60 Minuten /<br />
Mo<strong>der</strong>ation: Hans Meiser<br />
Produktion: Stormy Entertainment, <strong>im</strong> Auftrag von RTL<br />
<strong>Die</strong> Vorgeschichte<br />
<strong>Quiz</strong> 21 ist ein vom NBC als "twenty-one" entwickeltes <strong>Quiz</strong>-<br />
Sendungsformat.<br />
In den USA wurde von September 1956 bis Oktober 1958 <strong>im</strong><br />
Hauptabendprogramm von NBC ausgestrahlt. Mo<strong>der</strong>ator war Jack Barry. <strong>Die</strong><br />
Show sorgte in den USA für traurige Berühmtheit und für einen riesigen<br />
Skandal, weil die Gewinner vorher abgesprochen waren.<br />
Um den Erfolg <strong>der</strong> Sendung zu garantieren, wurden recht bald von den<br />
Produzenten nur Kandidaten ausgewählt, die be<strong>im</strong> Fernsehpublikum starke<br />
Sympathien hervorriefen und so gute Einschaltquoten garantierten. Deshalb<br />
war es wichtig, dass diese Kandidaten möglichst lange in <strong>der</strong> Show blieben.<br />
Und das wie<strong>der</strong>um ging nur, wenn sie alle Fragen richtig beantworten würden.<br />
Damit begann <strong>der</strong> Betrug. Er fing an mit <strong>der</strong> Wissensshow The $64,000<br />
Question – eine Art Genie-Version von Trivial Pursuit und später war auch ihr<br />
Konkurrenzformat, Twenty-One, betroffen.<br />
Charles Van Doren<br />
Seit dem 28. November 1956 war bei Twenty-One <strong>der</strong><br />
College-Professor Charles Van Doren vier Monate lang<br />
ungeschlagener Champion. Er gewann insgesamt<br />
129.000 Dollar. Charles Van Doren gestand 1959 vor<br />
einem Kongress-Son<strong>der</strong>ausschuss, <strong>der</strong> den <strong>Quiz</strong>show-<br />
Skandal untersuchte, dass die Redaktion ihm die<br />
Antworten auf die Fragen <strong>im</strong> Voraus mitgeteilt hatte,<br />
da man den arroganten Champion Herbert Stempel aus dem Weg räumen<br />
wollte. Später stellte sich heraus, dass auch an<strong>der</strong>e Kandidaten <strong>im</strong> Voraus mit<br />
Antworten versorgt wurden.<br />
83
Direkte Folge <strong>der</strong> Untersuchungen war, dass die Sen<strong>der</strong> sofort alle <strong>Quiz</strong>shows<br />
mit hohen Gewinnen aus dem Programm nahmen und die<br />
Programmverantwortlichen und Mo<strong>der</strong>atoren entließen. Einige durften nie<br />
wie<strong>der</strong> fürs Fernsehen arbeiteten. Außerdem wurden in den USA von da an<br />
alle Sendungen einer strengen staatlichen Kontrolle unterstellt. Und <strong>der</strong><br />
diskreditierte Begriff <strong>Quiz</strong> Show verschwand aus dem amerikanischen<br />
Sprachgebrauch und wurde durch das Wort Game Show ersetzt.<br />
Der US-Skandal <strong>der</strong> 1950er wurde 1994 von Robert Redford unter dem Titel<br />
<strong>Quiz</strong> Show verfilmt.<br />
2000/2001 wurde das <strong>Quiz</strong> wie<strong>der</strong>belebt. Mo<strong>der</strong>ator war diesmal Maury<br />
Povich.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>- und Rateshows in Deutschland blieb von diesem<br />
Skandal unberührt, obwohl damals die beiden hauptbetroffenen <strong>Formate</strong> auch<br />
hier ausgestrahlt wurden: „Alles o<strong>der</strong> nichts“ (The $64,000 Question) und<br />
„Hätten Sie's gewusst?“ (Twenty-One). Aber <strong>im</strong> quotenunabhängigen<br />
öffentlich-rechtlichen Fernsehen war (damals) Manipulation kein Thema.<br />
<strong>Die</strong> erste deutsche Version dieses Spieles lief zum ersten Mal von 1958 bis<br />
1969 unter dem Titel Hätten Sie’s gewusst? bei ARD. Hätten Sie's gewusst?<br />
war eine 45-minütige <strong>Quiz</strong>sendung mit hohen Einschaltquoten. Mo<strong>der</strong>ator<br />
was Heinz Maegerlein.<br />
Im Jahre 2000 strahlte <strong>der</strong> Privatsen<strong>der</strong> RTL das <strong>Quiz</strong> erstmals unter dem<br />
Originalnamen aus. Während <strong>der</strong> Sommerpause von Wer wird Millionär?<br />
wurden von Juli bis September 2000 montags um 20.15 Uhr 21 Folgen von<br />
<strong>Quiz</strong> Einundzwanzig gesendet. Mo<strong>der</strong>ator war Hans Meiser. In den Jahren<br />
2001 und 2002 wurden weitere Folgen produziert, die letzte Ausgabe <strong>der</strong><br />
Sendung gab es am 2. September 2002. 40<br />
40 http://de.wikipedia.org/wiki/Einundzwanzig<br />
84
<strong>Die</strong> Spielregeln<br />
Das Duellspiel<br />
<strong>Die</strong> deutsche einstündige Version dieser <strong>Quiz</strong>-Show<br />
mo<strong>der</strong>iert Hans Meiser.<br />
Ziel des Duellspiels ist, so schnell wie möglich 21 Punkte zu erreichen. Hans<br />
Meiser gibt den zwei Kandidaten zunächst eine Wissenskategorie vor und<br />
stellt ihnen anschließend Multiple-Choice-Fragen. Je zwei Kandidaten spielen<br />
insgesamt fünf Runden gegeneinan<strong>der</strong>. Jede Runde hat eine neue Kategorie<br />
wie zum Beispiel „Der menschliche Körper“ o<strong>der</strong> “Klatsch und Tratsch“.<br />
Dabei ist jede Kategorie in elf unterschiedlich schwierige Multiple-Choice-<br />
Fragen unterteilt. <strong>Die</strong> leichteste ist die Ein-Punkt-Frage, die schwierigste die<br />
Elf-Punkte-Frage.<br />
Jede Runde startet, nachdem <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator den Spielern die Kategorie<br />
genannt hat. Danach wählen sie ihre Punkte-Frage, um die sie spielen<br />
möchten. Liegt einem Kandidaten die Kategorie, wird er eine schwierigere<br />
Punkte-Frage nehmen. Kennt er sich nicht aus, wird er eine leichte Frage<br />
wählen. Bei richtiger Antwort, werden die Punkte addiert. Bei falscher<br />
Antwort wird ein Strafpunkt registriert. Bei drei Strafpunkten ist das Spiel für<br />
den Kandidaten vorbei.<br />
Im Spielverlauf hat je<strong>der</strong> Kandidat die Möglichkeit einen Joker einzusetzen.<br />
Der Joker ist ein Freund o<strong>der</strong> ein Verwandter und sitzt Backstage – er darf<br />
helfen und gemeinsam mit dem Kandidaten die Antwort erörtern. Ist die<br />
Antwort trotz <strong>der</strong> Hilfe durch den „Joker“ falsch, bekommt <strong>der</strong> Kandidat zwei<br />
Strafpunkte.<br />
Hans Meiser<br />
Beide Kandidaten stehen in isolierten, schallgeschützten Kabinen. Sie hören<br />
laute Musik auf Kopfhörer und können nicht hinausgucken. Das ist wichtig,<br />
denn es kann sein, dass beide Kandidaten dieselbe Punkte-Frage beantworten<br />
müssen. Je<strong>der</strong> bekommt nur sein eigenes Spiel mit. Das Spiel des Gegners, die<br />
85
Reaktionen und Aktionen von Mo<strong>der</strong>ator und Publikum bleiben ihm<br />
verborgen.<br />
Risiko<br />
Nach <strong>der</strong> zweiten Runde des Duellspiels kann je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kandidaten das Spiel<br />
stoppen. In dieser Situation sind beide Kabinen „on air“ geschaltet. Der<br />
Spieler, <strong>der</strong> stoppt und zu diesem Zeitpunkt die höhere Punktzahl hat, gewinnt<br />
und ist Champion. <strong>Die</strong> Kandidaten wissen lediglich ihren eigenen Spielstand<br />
und können daher den Gesamt-Spielstand nur schätzen. Aus diesem Grund<br />
gehen sie bei einem eventuellen Spielabbruch ein hohes Risiko ein.<br />
Gleichstand<br />
Erreichen beide Kandidaten 21 Punkte, gibt es eine Stichfrage. Dasselbe gilt<br />
auch dann, wenn nach Spielrunde zwei das Spiel durch einen o<strong>der</strong> beide<br />
Kandidaten abgebrochen wird und sie denselben Punktestand haben.<br />
<strong>Die</strong> Stichfrage ist eine offene Frage, d.h. die Kandidaten müssen die Antwort<br />
selbst geben. Durch einen Buzzer können sich die Kandidaten in die Frage<br />
einschalten. Derjenige, <strong>der</strong> zuerst gedrückt hat, und die richtige Antwort gibt,<br />
ist Champion. Gibt er die falsche Antwort, hat <strong>der</strong> Gegner die Chance, die<br />
gleiche Frage ebenfalls zu beantworten. Drückt ein Kandidat den Buzzer<br />
schon während <strong>der</strong> Fragestellung, muss <strong>der</strong> Kandidat dem Mo<strong>der</strong>ator sofort<br />
antworten, ohne dass <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator die Frage zu Ende vorliest. Ist die<br />
Antwort falsch, bekommt <strong>der</strong> Gegner die vollständige Frage gestellt. Sind bei<br />
beiden Kandidaten die Antworten falsch, wird eine neue Stichfrage gestellt.<br />
Erreichen <strong>der</strong> 21<br />
Der Herausfor<strong>der</strong>er darf in jedem Duellspiel als erster antworten. Falls <strong>der</strong><br />
Herausfor<strong>der</strong>er als erster 21 Punkte erzielt, und <strong>der</strong> Champion eine Chance<br />
hat, mit <strong>der</strong> nächsten Frage auch 21 Punkte zu erreichen, bekommt er diese. In<br />
diesem Fall bleibt <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>er „on air“ geschaltet. Besteht für den<br />
Champion diese Chance nicht mehr, ist das Spiel beendet, und <strong>der</strong> neue<br />
Champion steht fest.<br />
86
Joker<br />
Je<strong>der</strong> Kandidat hat die Möglichkeit, während eines Duellspiels einmal seinen<br />
Joker zu nutzen. Der befindet sich während <strong>der</strong> Show hinter <strong>der</strong> Bühne in<br />
einer Kabine, hat Kopfhörer auf und hört nur das, was seinen Partner betrifft.<br />
Wenn <strong>der</strong> Kandidat seinen Joker einsetzt, wird dieser von einer Assistentin<br />
auf die Bühne geholt. Der Joker kann sich die Frage durch den Mo<strong>der</strong>ator<br />
auch wie<strong>der</strong>holen lassen. Kandidat und Joker können die Antwort diskutieren.<br />
Letztendlich muss <strong>der</strong> Kandidat die Antwort, die er für richtig hält, nennen.<br />
Ist die Antwort richtig, werden die Punkte entsprechend <strong>der</strong> Frage gewertet.<br />
Ist die Antwort falsch, erhält <strong>der</strong> Kandidat zwei Strafpunkte. Bei drei<br />
Strafpunkten ist das Spiel vorbei.<br />
Max<strong>im</strong>ale Spielrunden<br />
Das Duellspiel ist auf fünf Spielrunden begrenzt. Erreicht keiner <strong>der</strong> beiden<br />
Kandidaten die 21 Punkte, ist <strong>der</strong>jenige Champion, <strong>der</strong> inklusive <strong>der</strong> fünften<br />
Spielrunde die meisten Punkte hat. Zeigt sich in <strong>der</strong> fünften Runde, dass <strong>der</strong><br />
Führende eine Punktezahl hat, die <strong>der</strong> Gegner mathematisch nicht erreichen<br />
kann, ist das Spiel entschieden.<br />
<strong>Die</strong> Idee zu diesem Format kommt wohl vom Kartenspiel Blackjack (17 und<br />
4), bei dem es ebenfalls Ziel ist, mit den Kartenwerten 21 Punkte zu erreichen.<br />
21-Studio<br />
87
2.2. Kurzporträts <strong>der</strong> untersuchten Shows <strong>im</strong> russischen Fernsehen<br />
In Russland waren die ersten <strong>Quiz</strong>-Spiele (genau so wie <strong>der</strong> ganze Rundfunk)<br />
nicht kommerziell, außerdem hatten sie keinerlei ideologischen o<strong>der</strong><br />
politischen Hintergrund. Dank ihrer Spontaneität und ihrem<br />
Improvisationscharakter schufen diese Shows eine gewisse Zone <strong>der</strong><br />
intellektuellen Freiheit und Unvorhersagbarkeit. Das „reine“ (nicht<br />
ideologisch gefärbte) Genre sicherte einen unglaublichen Erfolg bei den<br />
Zuschauern.<br />
2.2.1. КВН (KWN – Klub <strong>der</strong> Lustigen<br />
und Schlagfertigen)<br />
seit 1961 (Sendepause 1971-1986)<br />
www.amik.ru<br />
Be<strong>im</strong> „Klub <strong>der</strong> Lustigen und Schlagfertigen“ (Klub Wessjolych i<br />
Nachodtschiwych) handelt es sich um eine Art Mehrkampf in Humor, mit<br />
Elementen von Theater, Kabarett und Comedy. <strong>Die</strong> Mannschaften aus jungen<br />
Leuten wetteifern vor Publikum darum, wer mehr Witz hat.<br />
KWN-Mo<strong>der</strong>ator Alexan<strong>der</strong> Masljakov<br />
KWN war die Typenbezeichnung<br />
eines <strong>der</strong> ersten sowjetischen<br />
Fernsehgeräte. Der Volksmund<br />
deutete diese Abkürzung mit:<br />
Gekauft (Kupil), Angeschaltet<br />
(Wkljutschil), Geht nicht (Ne<br />
rabotajet). <strong>Die</strong> Fl<strong>im</strong>merkiste machte<br />
ihren Besitzern nicht <strong>im</strong>mer Freude.<br />
<strong>Die</strong>se Bezeichnung übernahm dann die Sendung für junge Leute, KWN, so<br />
genannt in Anspielung auf den TV-Apparat, allerdings als „Klub <strong>der</strong> Lustigen<br />
88
und Schlagfertigen“ definiert. Der erste Wettbewerb wurde 1961 über die<br />
KWN-Bildschirme in die Haushalte übertragen.<br />
Auf <strong>der</strong> Bühne des Schabolowka-Fernsehstudios traten Laienkunstgruppen<br />
aus zwei Moskauer Hochschulen – dem Bauinstitut und dem<br />
Fremdspracheninstitut – gegeneinan<strong>der</strong> an. <strong>Die</strong> Mannschaften bestanden aus<br />
jeweils elf Spielern und zwei Reservisten, wie <strong>im</strong> Fußball. Und so nannten die<br />
KWN-Erfin<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Redaktion für Jugendprogramme ihr „Baby“ auch<br />
„intellektueller Fußball“. KWN wurde als Wissenssendung konzipiert. In<br />
hohem Tempo bekamen die Mannschaften Fragen und mussten sie <strong>im</strong><br />
Handumdrehen beantworten – wenn nicht richtig, dann eben witzig.<br />
Nach wenigen Runden überwogen die witzigen Erklärungen: Sie kamen be<strong>im</strong><br />
Zuschauer am besten an. Von heut auf morgen erlangte das Programm eine<br />
unglaubliche Popularität, mit Einschaltquoten höher als bei Spielfilmen.<br />
„Es war die erste sowjetische <strong>Quiz</strong>sendung“, erinnert sich <strong>der</strong> damalige<br />
KWN-Mo<strong>der</strong>ator Albert Axelrod <strong>im</strong> Buch „Wir starten KWN“. Erstmals in<br />
<strong>der</strong> hiesigen Fernsehgeschichte sei „das Mikrofon von Profis zu Laien“<br />
gelangt. „Und das – in einer Live-Übertragung! <strong>Die</strong> Sendung machte<br />
Furore.“ 41<br />
<strong>Die</strong> Improvisation war das Schlüsselwort und bald schon ein Problem. Schon<br />
<strong>der</strong> Vorgänger von KWN hatte auf seine Weise damit zu kämpfen. <strong>Die</strong><br />
Fernsehredaktion für Jugendprogramme wurde 1957 gegründet – ein Jahr<br />
nach dem 20. Kongress <strong>der</strong> KPdSU, auf dem Nikita Chruschtschow Stalins<br />
Personenkult verurteilt hatte. In <strong>der</strong> Sowjetunion begann die<br />
„Tauwetterperiode“. Und das Fernsehen sendete den „Abend <strong>der</strong> lustigen<br />
Fragen“ – Prototyp von KWN. Keine Zeitung, keine Zeitschrift <strong>der</strong> 60er<br />
konnte sich das erlauben, worüber studentische Mannschaften in KWN live<br />
gesprochen haben. Der KWN wurde oft mit dem Begriff „Freiheit“<br />
41<br />
"Мы начинаем КВН" Редколлегия: А.Масляков, М. Марфин, А. Чивурин, М. Щедринский,<br />
Москва – 2004<br />
89
identifiziert und seine Spieler beinahe als Dissidenten bezeichnet. Es lässt sich<br />
streiten, ob KWN eine Sammlung von Stürmern und Rebellen war o<strong>der</strong>, wie<br />
die Presse in den 60ern oft schrieb ein „Propagandamittel“, insofern KWN<br />
ein Ergebnis des freien und unabhängigen kreativen Laienschaffens war. Aber<br />
eines bleibt sicher: KWN hat die Jugendkultur <strong>der</strong> 60er stark geprägt. 42<br />
„Abend <strong>der</strong> lustigen Fragen“ erlebte allerdings nur drei Folgen. Schuld daran<br />
war ein Zuschauerwettbewerb: <strong>Die</strong> Leute wurden aufgefor<strong>der</strong>t, mitten <strong>im</strong><br />
Sommer in Filzstiefeln und Pelzmantel ins Studio zu kommen. Keine schwere<br />
Aufgabe für die Moskauer, die eine halbe Stunde später zu Dutzenden die<br />
Bühne stürmten, Kameras und Beleuchtung umkippten, Mikrofone abrissen.<br />
Als die Situation außer Kontrolle geriet, wurde die Live-Übertragung<br />
abgebrochen und auf den Bildschirmen sahen alle ein Standbild: technische<br />
Pause.<br />
<strong>Die</strong> „technische Pause“ dauerte vier Jahre – bis das Programm in seiner<br />
37 Аксельрод А. Ю. Клуб весёлых и находчивых / А. Ю. Аксельрод, С. А. Муратов,<br />
М. Ю. Яковлев. – М. : Советская Россия, 1965.<br />
90
heutigen Form wie<strong>der</strong>belebt wurde. Nach einigen Exper<strong>im</strong>enten stand die<br />
Struktur des Wettbewerbes fest. Nur die Teile „Begrüßung“ und<br />
„Hausaufgaben“ durften die Mannschaften <strong>im</strong> Vorfeld vorbereiten. Be<strong>im</strong><br />
„Aufwärmen“ und be<strong>im</strong> „Kapitäns-wettbewerb“ mussten die Teilnehmer<br />
spontan auf gerade gestellte Fragen reagieren. Für diverse Aufgaben wurden<br />
die Themen erst wenige Stunden vor dem Übertragungstermin bekannt<br />
gegeben und die Einzelheiten bis zum letzten Moment gehe<strong>im</strong> gehalten.<br />
<strong>Die</strong> Auftritte wurden von einer Jury bewertet, <strong>der</strong>en Noten anschließend den<br />
Sieger best<strong>im</strong>mten. Nach wenigen Sendungen wurde KWN zum Kult. In<br />
Schulen und an Universitäten entstanden Mannschaften, die in lokalen<br />
Wettbewerben ihre Improvisationskünste zeigten und davon träumten, eines<br />
Tages ihre Stadt auf <strong>der</strong> Moskauer Bühne vertreten zu dürfen. Parteichefs<br />
för<strong>der</strong>ten „ihre“ Teams und trieben nötigenfalls Gel<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Parteikasse<br />
auf. Bald wurde die Qualität einer Hochschule an <strong>der</strong> Qualität ihrer KWN-<br />
Mannschaft gemessen.<br />
<strong>Die</strong> freche Satire trug manchmal ungeahnte Früchte. Nach einer Sendung rief<br />
bei <strong>der</strong> Redaktion jemand vom Transportministerium an und bat um das<br />
Skript. In einer Szene hatten sich Studenten des Ölinstituts über den<br />
schlechten Kundenservice <strong>der</strong> sowjetischen Eisenbahn amüsiert. Im<br />
Ministerium wollte man nun das Skript aufmerksam lesen, um konkrete<br />
Mängel beseitigen zu können.<br />
Doch gleichzeitig beobachteten Partei und KGB <strong>im</strong>mer missmutiger, wie sich<br />
junge Leute über den sowjetischen Alltag lustig machten. Ab 1968 durfte<br />
KWN nicht mehr live gesendet werden. Auch die Aufzeichnung ging nicht<br />
ungeschnitten über den Sen<strong>der</strong>, die Zensur nahm zu. So wurde allen Spielern<br />
verboten, einen Bart zu tragen. Begründung: Man erlaube nicht, Karl Marx zu<br />
bespötteln. 1971 verschwand KWN für lange Zeit vom Bildschirm. Es heißt,<br />
damit sei ein lang gehegter Wunsch des damaligen Fernsehchefs Sergej Lapin<br />
in Erfüllung gegangen.<br />
91
Erst die Perestrojka erlaubte einen Neuanfang. 1986 trafen erstmals wie<strong>der</strong> <strong>im</strong><br />
Fernsehen zwei Mannschaften aufeinan<strong>der</strong>. <strong>Die</strong> Befürchtung des Sen<strong>der</strong>s,<br />
dass KWN in Vergessenheit geraten sein könnte, erwies sich als unbegründet.<br />
<strong>Die</strong> Bewegung hatte 15 Jahre Untergrund überlebt. Für die erste Show<br />
erhielten die Organisatoren mehr als 200 Bewerbungen. <strong>Die</strong> Erinnerungen an<br />
1971 waren jedoch so gegenwärtig, dass man sich zu starker Selbstzensur<br />
verpflichtete. Wie weit Michail Gorbatschows Glasnost gehen würde, wusste<br />
damals noch keiner.<br />
<strong>Die</strong>ses Jahr feiert <strong>der</strong> „neue“ KWN sein 20-jähriges Jubiläum. Mit <strong>der</strong> Zeit ist<br />
das Programm professioneller geworden, die Improvisation beschränkt sich<br />
heute auf nur noch einen Wettbewerb. Für die an<strong>der</strong>en Teile werden teilweise<br />
Schreiber engagiert. Igor Scharow ist einer von ihnen und erklärte in einem<br />
Interview für „Nowaja Gaseta“, die „Arbeitsteilung zwischen Autoren und<br />
Schauspielern“ sei <strong>der</strong> Lauf <strong>der</strong> Dinge: „Das ist auch KWN vor zehn Jahren<br />
naturgemäß passiert.“<br />
Trotzdem spielen abseits <strong>der</strong> Einschaltquoten Schüler und Studenten<br />
Amateur-KWN weiter. Und nach wie vor versammeln sich russische Familien<br />
vor dem Fernseher, wenn die bekannte Melodie „Wir starten KWN“ erklingt.<br />
Zwar sind die Auftritte größtenteils einstudiert und die nicht mehr so<br />
subversiv wie früher, dennoch vermitteln die Shows einen guten Eindruck,<br />
worüber heute in Russland gelacht wird. Und worüber eben nicht.<br />
Nach Angaben seiner Macher verbindet KWN heute etwa 40.000 aktive<br />
Mitspieler in 1.000 Studenten- und 2.000 Schülermannschaften aus 110<br />
russischen Städten. Teams gibt es auch in den GUS-Staaten sowie in Israel,<br />
den USA, Deutschland und an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. Russlandweit wird <strong>der</strong><br />
Wettbewerb in vier Ligen ausgetragen, die beiden höchsten überträgt <strong>der</strong> erste<br />
Kanal. Jährlich besuchen rund fünf Millionen Zuschauer die diversen<br />
Veranstaltungen. <strong>Die</strong> Eintrittskarten werden jedoch nicht frei verkauft,<br />
son<strong>der</strong>n an Fans <strong>der</strong> jeweiligen Teilnehmer verteilt.<br />
92
2.2.2. Что, Где, Когда? (Was, wo, wann?)<br />
seit 1975<br />
Produktion: "ИГРА" (Das Spiel)<br />
Start in ORT, später in NTV<br />
Vor mehr als 30 Jahren (am 4.September 1975) wurde die erste Sendung<br />
«Что? Где? Когда» («Was? Wo? Wann?») <strong>im</strong> zentralen Fernsehen live<br />
ausgestrahlt und hat sofort die Zuschauersympathien erweckt. Bis heute ist<br />
diese <strong>Quiz</strong>show beliebt. Seit 1975 mo<strong>der</strong>ierte diese Sendung Vlad<strong>im</strong>ir<br />
Voroshilov, <strong>der</strong> Autor des <strong>Quiz</strong> und Generaldirektor <strong>der</strong> TV-Gesellschaft<br />
«Игра» (Das Spiel). Nach seinem Tod am 10. April 2001 mo<strong>der</strong>iert die<br />
Sendung Boris Krjuk. Das war eine originelle (nicht nach westlichen<br />
Schablonen kopierte) <strong>Quiz</strong>-Sendung mit einem wissensför<strong>der</strong>nden<br />
Hintergrund. Das <strong>Quiz</strong> wird live übertragen.<br />
Am Spiel nehmen sechs Spieler<br />
(so genannte «Kenner») teil, die<br />
die zugesandten Zuschauerfragen<br />
beantworten. (Elemente dieses<br />
Spiels kann man in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Show «Genial daneben»<br />
erkennen.) <strong>Die</strong> Fragen stellen nicht<br />
übliche logische Rätsel dar und<br />
for<strong>der</strong>n von den Teilnehmern<br />
keine speziellen Kenntnisse.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>show «Что? Где? Когда»<br />
(«Was? Wo? Wann?») ist ein Test<br />
für den Intellekt und ein Mittel zur<br />
Entwicklung des Intellektes. <strong>Die</strong><br />
Hauptaufgabe besteht darin,<br />
<strong>Die</strong> „Kenner“ <strong>im</strong> Studio<br />
93
einzelne bekannte Fakten einan<strong>der</strong> gegenüberzustellen und daraus durch<br />
logische <strong>Analyse</strong> zu einer neuen und vorher nicht bekannten Schlussfolgerung<br />
zu kommen.<br />
<strong>Die</strong> Spielregeln, Preise und <strong>der</strong> Name des später gegründeten „Clubs <strong>der</strong><br />
Kenner“ än<strong>der</strong>ten sich <strong>im</strong> Laufe <strong>der</strong> Zeit. Bis zum Herbst 1991 wurden hoch<br />
begehrte seltene Bücher als Preise verliehen. Später spielten die Teilnehmer<br />
analog Casino gegen Geld.<br />
Im «intellektuellen» Casino sitzen die Spieler am runden Tisch, <strong>der</strong> in 13<br />
Sektoren geteilt ist. In <strong>der</strong> Tischmitte steht ein Brummkreisel, <strong>der</strong> mit einem<br />
Pfeil auf den gespielten Sektor zeigt. In 12 Sektoren liegen die Umschläge mit<br />
den Fragen, die von den Zuschauern per Post geschickt wurden und <strong>im</strong> 13.<br />
Sektor liegt ein Umschlag mit <strong>der</strong> Frage, die aus den per Internet während <strong>der</strong><br />
Live-Übertragung erhaltenen Fragen durch Zufall gewählt wurde (Sektor<br />
«Internet gegen Kenner»). Jedem Sektor entspricht eine best<strong>im</strong>mte geldliche<br />
Belohnung (abhängig vom Schwierigkeitsgrad dieser o<strong>der</strong> jener Frage).<br />
Nach dem die Spielfrage vom Mo<strong>der</strong>ator vorgelesen wird, bekommen die<br />
Spieler eine Minute Zeit, um die richtige Antwort zu finden. Der Gong<br />
verkündet den Schluss <strong>der</strong> Besprechungszeit und einer von den Spielern muss<br />
eine Antwort geben. Falls die Frage korrekt beantwortet ist, bekommen die<br />
Spieler einen Punkt, sonst bekommen die Zuschauer diesen Punkt und das<br />
Geld geht zum Autor <strong>der</strong> gespielten Frage. Das Spiel dauert insgesamt bis zu<br />
6 Punkten. (Einige Elemente sind <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> TV-Spiel „Genial daneben“ zu<br />
beobachten.)<br />
Einer <strong>der</strong> Sektoren auf dem Spieltisch stellt eine kompliziertere Variante des<br />
Spiels dar. Er wird als „Blitz“ bezeichnet. Dabei geht es um 3 Fragen in einer<br />
Spielrunde. Für jede <strong>der</strong> 3 Fragen stehen nur 20 Sekunden den Spielern zur<br />
Verfügung. <strong>Die</strong> Runde gilt als gewonnen, wenn die Spieler alle drei Fragen<br />
richtig beantwortet haben. Be<strong>im</strong> „Super Blitz“ am Tisch bleibt nur ein Spieler,<br />
<strong>der</strong> allein alle 3 Fragen beantworten muss.<br />
94
Der beste Spieler des Jahres bekommt eine „Kristalleule“ als Auszeichnung.<br />
Seit 1995 wird einem <strong>der</strong> Spieler in <strong>der</strong> Jubiläumssaison <strong>der</strong> Magister-Titel<br />
verliehen.<br />
Heutzutage existieren die Clubs <strong>der</strong> „WWW“ praktisch in allen großen<br />
Regionen <strong>der</strong> Russischen Fö<strong>der</strong>ation und in den Län<strong>der</strong>n, wo<br />
russischsprachige Neubürger aus <strong>der</strong> ehemaligen Sowjetunion leben. <strong>Die</strong>se<br />
Clubs organisieren die Spiele „WWW“ nach sportlicher Version, es werden<br />
regulär Meisterschaften, Festivals und Wettkämpfe unter <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong><br />
Internationalen Assoziation von WWW-Clubs durchgeführt. Es wird eine<br />
Zeitung unter dem Titel „Das Spiel“ verlegt, die über die wichtigsten<br />
Ereignisse in den Spielen „WWW“ und „KWN“ berichtet.<br />
Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov<br />
Der Regisseur und Off-Mo<strong>der</strong>ator Vlad<strong>im</strong>ir<br />
Voroshilov erklärt selbst das Phänomen <strong>der</strong><br />
langjährigen Popularität seines Projektes durch eine<br />
erfolgreiche Balance zwischen dem konstanten<br />
Format <strong>der</strong> Sendung (mit den festen Regeln, Ablauf<br />
und fast <strong>im</strong>mer <strong>gleichen</strong> Spielern) und <strong>der</strong><br />
Unvorhersehbarkeit, Spontaneität, Originalität, die<br />
die Spieler be<strong>im</strong> Antworten auf <strong>im</strong>mer neue Zuschauerfragen live zeigen.<br />
„Wie in jedem neuen Ansatz spielen traditionelle, gewohnte, stereotype<br />
Formen eine wichtige Rolle. Denn diese Kenntnisse sind für Regisseur und<br />
Veranstalter des Spieles genauso wichtig, wie auch das Gespür für Neues,<br />
Phantasie, erfin<strong>der</strong>ische Fähigkeiten, Courage für Innovationen usw.“ 43<br />
Millionen Zuschauerbriefe erreichen die Redaktion von WWW, man kann sie<br />
eindeutig in zwei gleichwertige Gruppen teilen. <strong>Die</strong> Hälfte davon hält dem<br />
Mo<strong>der</strong>ator vor, dass er den Spielern hilft. <strong>Die</strong> an<strong>der</strong>e Hälfte meint, dass er zu<br />
sehr auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Zuschauer steht. Eine Gruppe verlangt <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong><br />
nach neuen Spielern, die an<strong>der</strong>e wünscht nur ihre Lieblinge auf dem<br />
43 "Феномен игры" Владимир Ворошилов (znatoki.kulichki.net/dz/mats/fen00.html)<br />
95
Bildschirm zu sehen und droht ansonsten, sich von <strong>der</strong> Sendung völlig<br />
abzuwenden.<br />
<strong>Die</strong> geschickte Manipulation zwischen Stereotypen und An<strong>der</strong>sdenken,<br />
zwischen Alt und Neu macht die Sendung für Zuschauer unterschiedlichster<br />
Zielgruppen beson<strong>der</strong>s interessant. Der Moment <strong>der</strong> „unobjektiven<br />
Spannung“, des „unobjektiven Bösen“ muss <strong>im</strong> Spiel <strong>im</strong>mer dabei sein, das<br />
spornt sowohl die Spieler als auch die Zuschauer an. Dann ist <strong>der</strong><br />
Spannungsgrad hoch.<br />
Das Fernsehen in Russland ist ein Beispiel für<br />
das dialektische Gesetz von Einheit und Kampf<br />
<strong>der</strong> Gegensätze. Auf <strong>der</strong> einen Seite wollen die<br />
Zuschauer ein korrektes Fernsehen haben (top<br />
angezogene Mo<strong>der</strong>atoren, ein anziehendes<br />
Lächeln, die Propaganda <strong>der</strong> guten, vernünftigen<br />
und ewigen Werte), auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wollen<br />
sie Provokation, bis zu einem Skandal. Das<br />
große Geld ist gut, aber die Nuancen, wie man es<br />
bekommt, sind viel interessanter.<br />
<strong>Die</strong> gute Show, so Voroshilov, ist vor allem gute Regie und bei einer guten<br />
Regie sind alle Mittel erlaubt. Vor allem betrifft dies die Persönlichkeit des<br />
Mo<strong>der</strong>ators. Bei <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ationskunst in sowjetischen Zeiten kam es darauf<br />
heraus, wie man bescheiden und korrekt lächelt, fehlerfrei spricht und ob die<br />
Krawatte passt. Der mo<strong>der</strong>ne Mo<strong>der</strong>ator ist mobil und clever. Er soll ein<br />
bisschen Schwein sein; plump o<strong>der</strong> unwahrscheinlich neugierig sein, wenn es<br />
nötig ist, o<strong>der</strong> einen Gemütsmenschen spielen.<br />
Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov war nicht beson<strong>der</strong>s beliebt bei den Zuschauern, aber<br />
wie beliebt war seine Show!<br />
96
2.2.3. Поле чудес (Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>) = Wheel of Fortune/ Glücksrad<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Leonid Jakubovich<br />
ОРТ (ORT)<br />
45 Min., Fr., 19:45<br />
Lange Zeit blieb «Was? Wo? Wann?» die einzige TV-Sendung dieser Art.<br />
Aber <strong>der</strong> Start ist gemacht worden. 1990 kam die zweite Welle – die Sendung<br />
„Поле чудес“ (Wheel of Fortune). Bis heute sind beide Sendungen <strong>im</strong><br />
russischen Fernsehen präsent, dabei sind ihre hohen Einschaltquoten nicht<br />
weniger geworden, son<strong>der</strong>n steigen und gewinnen <strong>im</strong>mer neue Zuschauer.<br />
„Wheel of Fortune“ (deutsche Version - “Glücksrad“) ist die populärste<br />
Game-Show in <strong>der</strong> TV-Geschichte. Nach ihrem Start <strong>im</strong> Jahre 1975 in den<br />
USA ist dieses Format in vielen Län<strong>der</strong>n bekannt und beliebt geworden.<br />
„Поле чудес“ (Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>) ist die<br />
russische Version davon. <strong>Die</strong>ses Format ist<br />
von den Beson<strong>der</strong>heiten des russischen<br />
Charakters stark geprägt und beinah<br />
„umformatiert“ geworden. Seit 25.10.1990<br />
läuft die beliebteste Familiensendung in ORT.<br />
Der erste Mo<strong>der</strong>ator war Vladislav Listjev,<br />
seit 1.11.1991 mo<strong>der</strong>iert die Sendung Leonid Jakubovich.<br />
Prinzip <strong>der</strong> Sendung ist es, ähnlich einem Kreuzworträtsel, Wörter in einem<br />
Gitter zu erraten. Um das Rätseln zu erleichtern, wird vorher eine Kategorie<br />
genannt. <strong>Die</strong> drei Kandidaten haben das Ziel, möglichst hohe Geldbeträge zu<br />
erspielen. Dazu drehen sie am Glücksrad, das unterschiedliche Beträge<br />
anzeigt. Für jeden richtig erratenen Buchstaben wird <strong>der</strong> Betrag multipliziert<br />
und dem Kandidaten gutgeschrieben. In <strong>der</strong> russischen Version ist es egal, ob<br />
es um einen Vokal o<strong>der</strong> einen Konsonanten geht. <strong>Die</strong> Vokale <strong>im</strong> Unterschied<br />
zum US-amerikanischen Original o<strong>der</strong> deutscher Version werden nicht extra<br />
„gekauft“. Rät man falsch, o<strong>der</strong> zeigt das Glücksrad "Aussetzen" o<strong>der</strong><br />
97
"Bankrott" (Spieler verliert das gesamte Geld) an, kommt <strong>der</strong> nächste<br />
Kandidat an die Reihe. Wer auflöst ist Gewinner, dies wollen aber die Spieler<br />
natürlich möglichst weit hinauszögern. Von dem erspielten Betrag kann <strong>der</strong><br />
Kandidat aus einer Palette von Sachpreisen auswählen bzw. "kaufen".<br />
Vladislav Listjev hat diese Sendung nach dem „Feld<br />
<strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>“ aus <strong>der</strong> Carlo Collodis Erzählung<br />
"Pinocchio" genannt. Auf diesem sagenhaften Feld<br />
wollte Pinocchio seine vier Goldstücke sähen, mit<br />
großer Erwartung auf ein Bäumchen mit den goldenen<br />
Geldstücken. In dem Lied zur russischen Verfilmung<br />
„Abenteuer des Pinocchio“, das in Russland je<strong>der</strong><br />
kennt, gibt es Worte: „Das Feld des Wun<strong>der</strong>s <strong>im</strong> Land <strong>der</strong> Dummköpfe“. <strong>Die</strong><br />
allegorische Parallele konnte je<strong>der</strong> sehen. Aber in dieser Zeit <strong>der</strong> Perestroika<br />
konnte dieser Sendungsname weiter bestehen. – Das ist <strong>im</strong> übertragenen Sinne<br />
ein herbeigesehnter aber unerfüllbarer Wunsch, Dinge umsonst zu bekommen.<br />
Im Spiel wird <strong>der</strong> Traum, ein solches Wun<strong>der</strong>feld zu finden und fabelhaft<br />
reich zu werden, teilweise verwirklicht. <strong>Die</strong> Spieler können nützliche Sachen<br />
gewinnen: Fernsehgeräte, Musikzentren, Computer und… natürlich…<br />
mo<strong>der</strong>ne Autos.<br />
Im Studio<br />
Vladislav Listjev<br />
<strong>Die</strong> Teilnehmer des Spiels sind in <strong>der</strong><br />
russischen Sendung auch nicht<br />
undankbar, selten kommen sie ins Studio,<br />
ohne ein Geschenk (o<strong>der</strong> Geschenke)<br />
mitzubringen. So zeigt sich die<br />
gastfreundliche russische Seele mit ihrer<br />
freigiebigen Art - <strong>der</strong> Spieltisch wird<br />
reichlich beschert mit Gläsern mit eingelegten Gurken, mit Äpfeln und<br />
gigantischen Kürbissen von <strong>der</strong> eigenen Datscha, mit volkstümlichen<br />
Kostümen und mit handwerklichen Kunstwerken usw. Es interessiert keinen<br />
98
Spieler, ob er gewinnt o<strong>der</strong> nicht. Hauptsache – er/sie n<strong>im</strong>mt eine Menge<br />
Emotionen, neue Eindrücke und unvergessliche Gefühle mit nach Hause.<br />
In <strong>der</strong> gesamten Unterhaltungssparte bleibt die Sendung stabil mit einer<br />
Zuschauerrate bis zu 46%.<br />
Vladislav Listjev kann man überhaupt als Patriarch <strong>der</strong> TV-Show-Industrie<br />
bezeichnen. So wie das gegenwärtige Fernsehen in Russland aussieht, ist es<br />
ohne zu übertreiben seiner Hände Werk, die Verwirklichung seiner Ideen. Das<br />
russische Fernsehen von heute ist vor allem Show, von den News-Sendungen<br />
bis zu Kin<strong>der</strong>sendungen. Eine beliebige Show besteht aus zwei Komponenten<br />
– aus Ideen und Geld. Vladislav Listjev konnte eine richtige Show gestalten,<br />
die Ideen <strong>im</strong> Westen entlehnen und auf den „fruchtbaren russischen Boden“<br />
übertragen. Er hat als erster verstanden, welche unerschöpflichen<br />
Möglichkeiten für das Geldverdienen das Fernsehen hat. Er hat vor allem<br />
vorhergesehen, wie man mit Game-Shows Geld verdienen kann. In seiner<br />
ersten Show „Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>“ hat er zum ersten Mal statt Geschenke und<br />
Andenkenpreise den Spielern Geldpreise angeboten. Das <strong>Quiz</strong> „Feld <strong>der</strong><br />
Wun<strong>der</strong>“ war die erste Show, wo einfache Spieler Geld „verdienen“ konnten,<br />
und zwar nicht wenig. Es wurde einmal <strong>im</strong> russischen Fernsehen ein Beitrag<br />
gezeigt, wo sich eine Frau, gebildet und intellektuell, von einer Show in die<br />
an<strong>der</strong>e durchgeschleppt hatte und für die richtigen Antworten auf die nicht<br />
beson<strong>der</strong>s kniffeligen Fragen entwe<strong>der</strong> Geld, eine Teekanne o<strong>der</strong> ein<br />
Bügeleisen bekommen hatte. Man kann alles gut gebrauchen.<br />
Wenn in den sowjetischen Zeiten (es gab einen Sen<strong>der</strong> für das ganze Land und<br />
es gab nichts an<strong>der</strong>es als „Was? Wo? Wann?“ zu sehen) das<br />
Zuschauerinteresse bescheiden war (ob die „Kenner“ auf alle Fragen<br />
antworten o<strong>der</strong> nicht?), so waren in den 90er Jahren die Zuschauer bereits<br />
„anspruchsvoller“. Damals in den 90er Jahren hat Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov seine<br />
Show radikal geän<strong>der</strong>t und aus „Club <strong>der</strong> Kenner“ mit Bücherpreisen ein sog.<br />
„Casino“ „Was? Wo? Wann?“ mit Geldpreisen gemacht.<br />
99
<strong>Die</strong> großen Geldsummen faszinieren und machen gierig. Deswegen war <strong>der</strong><br />
erste russische virtuelle Klon von „Wer wird Millionär?“ – „О, счастливчик“<br />
(Oh, lucky Man) – von vornherein zu einem Erfolg best<strong>im</strong>mt, dank <strong>der</strong> hohen<br />
Gewinnsumme – eine Million Rubel (ca. 27.000 Euro). Das ist nicht eine<br />
Million Dollar, aber trotzdem beeindruckend. Natürlich haben <strong>der</strong> Charme <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>atoren (zuerst Dibrov und danach Galkin) eine gewisse Rolle gespielt,<br />
Tatsache bleibt aber: diese Show ist vor allem „Millionär-Show“ und erst<br />
dann ein intellektuelles <strong>Quiz</strong>. Vielleicht sind deswegen nicht die Fragen von<br />
entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung, nicht die Fragen bringen die Quoten, son<strong>der</strong>n die<br />
Gewinne. <strong>Die</strong> Zuschauer erinnern sich eher an die Gewinnsummen, nicht aber<br />
an die Fragen selbst o<strong>der</strong> an die Gewinner.<br />
2.2.4. Кто хочет стать миллионером? (Wer wird Millionär?)<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Max<strong>im</strong> Galkin<br />
Produktion: Ways Media (bis 2008),<br />
Теледом (Teledom) (bis 2008),<br />
Der erste Kanal ORT<br />
Dauer: 60 Min.<br />
<strong>Die</strong> dritte Welle <strong>der</strong> Game-Shows <strong>im</strong> russischen Fernsehen kam mit <strong>der</strong><br />
Wende des XX. Jahrhun<strong>der</strong>ts mit neuen Konzepten und neuen <strong>Formate</strong>n.<br />
Solche Sendungen wie „О, счастливчик“ (Oh, lucky Man) / „Кто хочет стать<br />
миллионером?“ (Wer wird Millionär?), „Слабое звено” (Weakest Link),<br />
„Русская рулетка“ (Russisch Roulette) u.a.<br />
In Russland heißt die Show genau wie das Original nur in russische Sprache<br />
wörtlich übersetzt "Кто хочет стать миллионером?" (Kto chotschet stat<br />
millionerom? - Who Wants To Be A Millionaire?).<br />
100
<strong>Die</strong> Vorgeschichte<br />
In Russland fand die Premiere <strong>der</strong> Sendung WWM am 1.Oktober 1999 auf<br />
dem Kanal NTV statt. Sie hieß „О, Счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), ihr<br />
erster Mo<strong>der</strong>ator war Dmitrij Dibrov. Sie wurde sofort populär. 21.10.2000<br />
bekam die Sendung die höchste Auszeichnung von <strong>der</strong> Akademie des<br />
russischen Fernsehens – „ТЭФИ“ (TEFI).<br />
Seit dem 19. Februar 2001 wird WWM auf dem russischen Sen<strong>der</strong> ORT<br />
ausgestrahlt und von dem sehr populären Entertainer Max<strong>im</strong> Galkin<br />
mo<strong>der</strong>iert.<br />
Einen Monat nach dem Sendestart bei ORT gab es den ersten 1-Million-<br />
Rubel-Gewinner.<br />
Spielregeln<br />
<strong>Die</strong> Regeln <strong>der</strong> russischen Ausgabe entsprechen <strong>im</strong> Wesentlichen den<br />
internationalen Regeln <strong>der</strong> WWM-Show, obwohl es auch einige Unterschiede<br />
gibt.<br />
Gewinnstufen<br />
Um 3 Mio. Rubel zu verdienen, muss man 15 Fragen aus verschiedenen<br />
Wissensbereichen richtig beantworten. Jede Frage hat vier Antwort-Varianten,<br />
aus denen nur eine korrekt und gewinnbringend ist.<br />
<strong>Die</strong> Fragen 5 (5.000 Rubel) und 10 (100.000 Rubel) sind so genannte<br />
„Sicherheitsstufen“. Sie bleiben dem Kandidaten erhalten, sogar wenn er bei<br />
einer späteren Frage falsch antwortet. Bei einer unkorrekten Antwort wird die<br />
Gewinnsumme auf die letzte Sicherheitsstufe herabgesetzt.<br />
101
In <strong>der</strong> russischen Ausgabe von WWM stehen dem Kandidaten 4 Joker zur<br />
Verfügung:<br />
1) 50:50-Joker – Der Kandidat kann sich 2 falsche Antworten<br />
wegstreichen lassen.<br />
2) Anruf bei einem Freund – Im Laufe von 30 Sek. kann <strong>der</strong> Kandidat eine<br />
Person zuhause anrufen.<br />
3) Publikumsjoker – Man darf einmal das Publikum befragen.<br />
4) „Drei Weisen“-Joker – Im Laufe von 30 Sek. kann man sich von drei<br />
prominenten Persönlichkeiten beraten lassen, die in einem separaten Raum<br />
sitzen.<br />
Fragenummer<br />
Gewinnsumme für<br />
richtige Antwort vor<br />
17.09.2005<br />
(in Rubel)<br />
Gewinnsumme für<br />
richtige Antwort<br />
nach 17.09.2005<br />
(in Rubel)<br />
15 1,000,000 3,000,000<br />
14 500,000 1,500,000<br />
13 250,000 800,000<br />
12 125,000 400,000<br />
11 64,000 200,000<br />
10 32,000 100,000*<br />
9 16,000 50,000<br />
8 8,000 25,000<br />
7 4,000 15,000<br />
6 2,000 10,000<br />
5 1,000 5,000<br />
4 500 3,000<br />
3 300 2,000<br />
2 200 1,000<br />
1 100 500<br />
* Ab dem 2.Mai 2008 gibt es in <strong>der</strong> russischen Version WWW die<br />
Sicherheitsstufe von 100.000 Rubeln nicht mehr, es bleiben nur<br />
5 000 und 3 000 000 Rubel als gewinnsicher.<br />
102
<strong>Die</strong> Fragen<br />
<strong>Die</strong> Spielfragen sind nach 3 Schwierigkeitsgraden unterteilt:<br />
1) von 1 bis 5 – leichte scherzhafte Fragen;<br />
2) von 6 bis 10 – anspruchsvollere Fragen aus verschiedenen<br />
Wissensbereichen;<br />
3) von 11 bis 15 – beson<strong>der</strong>s schwierige Fragen, die spezielle Kenntnisse<br />
in einzelnen Gebieten erfor<strong>der</strong>n.<br />
Einige Beispiele:<br />
1) Wie wird das Supermodel noch genannt? (A: Top-Model, B: Tjap-Model,<br />
C: Pop-Model, D: Ljap-Model)<br />
2) Wer wuchs <strong>im</strong> Dschungel unter wilden Tieren auf?<br />
(A: Kolobok (Teigklotz - ein Held aus dem russischen Volksmärchen),<br />
B: Mogli, C: Batman:, D: Charles Darwin)<br />
3) Wie hieß die Braut von Edmond Dantes, dem zukünftigen Graf von<br />
Montechristo? (A: Mercedes, B: Toyota, C: Honda, D: Lada)<br />
4) Welchen Farbton bekommt man bei <strong>der</strong> Mischung von Blau und Rot?<br />
(A: braun, B: Violett, C: Grün, D: Blau)<br />
5) Aus welchem Fleisch besteht die Füllung für Chebureki (A: Lammfleisch,<br />
B: Schweinefleisch, C: Rindfleisch, D: Pferdefleisch)<br />
6) Wer hat das Gehe<strong>im</strong>nis <strong>der</strong> drei Spielkarten <strong>der</strong> Gräfin in A. Puschkins<br />
„Dame Pique“ gelüftet? (A: Kasanova, B: Kaliostro, C: San German,<br />
D: Thomas Vogan)<br />
7) In welchem Land wurde <strong>der</strong> erste Ölbohrturm gebaut? (A: Kuweit, B: Iran,<br />
C: Irak, D: Aserbaidschan)<br />
103
Erneuerungen<br />
• Bereits in <strong>der</strong> 4. Folge <strong>der</strong> Show „О, Счастливчик“ (O du, Glückspilz)<br />
wurde <strong>der</strong> Spieltisch verän<strong>der</strong>t, woran <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator und <strong>der</strong> Kandidat sitzen.<br />
Er wurde wie in den an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n originalgetreu nachgebaut.<br />
• Im September 2001 wurden die Monitore aus <strong>der</strong> Auswahlrunde auch<br />
mo<strong>der</strong>nisiert, man kann sie jetzt um 180° drehen.<br />
• 2002 wurde das ganze Studio neu gestaltet: die Portale wurden geän<strong>der</strong>t,<br />
<strong>der</strong> Fußboden ist durchsichtig geworden.<br />
• Am 17. September 2005 kamen finanzielle Än<strong>der</strong>ungen: ab da konnte man<br />
bei WWM statt 1 Million 3 Millionen Rubel gewinnen (entspricht etwa<br />
100.000 Euro). Außerdem wurde ein SMS-Spiel für die Zuschauer eingeführt.<br />
• Am 21.Oktober 2006 wurde <strong>der</strong> neue „Drei Weisen“-Joker in die Spielregeln<br />
eingebettet (früher in <strong>der</strong> amerikanischen Version benutzt).<br />
• Seit dem 27. Dezember 2008 mo<strong>der</strong>iert Dmitri Dibrov, Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> ersten<br />
russischen Version „WWM“ („О, Счастливчик!“), wie<strong>der</strong> das populäre <strong>Quiz</strong><br />
(bis November 2008 von Max<strong>im</strong> Galkin mo<strong>der</strong>iert). Das Logo, die<br />
musikalische und grafische Gestaltung <strong>der</strong> Show wurden auch leicht<br />
verän<strong>der</strong>t.<br />
<strong>Die</strong> 10. Frage von 100.000 Rubel (die 2. Sicherheitsstufe), die am 1. Mai 2008<br />
abgesetzt wurde, wurde am 27. Dezember 2008 wie<strong>der</strong> eingeführt.<br />
Statistik<br />
• Bisher gibt es in <strong>der</strong> russischen Show drei Hauptgewinner.<br />
Eine interessante Anekdote zur russischen Ausgabe: Der Publikumsjoker soll<br />
bei den Kandidaten nicht beson<strong>der</strong>s beliebt sein, da das russische<br />
Studiopublikum angeblich gerne falsche Antworten gibt, weil es den<br />
Kandidaten den Gewinn neidet.<br />
104
Der Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> WWM-Version Günter Jauch ironisierte sogar<br />
aus diesem Anlass be<strong>im</strong> Stern TV: „Auf welches Publikum ist schon<br />
Verlass?“ 44<br />
Internationale Statistik von WWM<br />
• Der größte Teil <strong>der</strong> „Millionäre“ lebt <strong>im</strong> „Land <strong>der</strong> aufstehenden Sonne“ –<br />
Japan – 28. Ihre Zahl vergrößert sich auf 3-4 Hauptgewinner jährlich.<br />
Übrigens, „WWM“ ist die einzige <strong>im</strong>portierte Lizenzsendung <strong>im</strong> Land. Den<br />
zweiten Platz belegen die USA (11 Hauptgewinner), den dritten –<br />
Deutschland, Österreich und Großbritannien (je 6).<br />
• <strong>Die</strong> indische Ausgabe von „Wer wird Millionär?“ mit dem Namen „Kaun<br />
Benagi Corepati“ hatte bisher zwei auch in Deutschland bekannte<br />
Mo<strong>der</strong>atoren. Es handelt sich um die vor allem aus Bollywood - Filmen<br />
bekannten Schauspieler Amitabh Bachchan und Shahrukh Khan. Bachchan<br />
mo<strong>der</strong>ierte die Sendung zunächst von 2000 - 2002 und nochmals von 2005 -<br />
2006. Ab 2007 übernahm dann Shahrukh Khan die Mo<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> Sendung.<br />
<strong>Die</strong> Höchstgewinnsumme in Indien beträgt 20 Millionen indische Rupien<br />
(ca. 350.000 Euro).<br />
• Paggy Spooner – <strong>der</strong> einzige, <strong>der</strong> an drei Versionen des <strong>Quiz</strong> teilnehmen<br />
konnte: in Australien, in Irrland und in Großbritannien. In <strong>der</strong> australischen<br />
Version hat Paggy 250,000 $ gewonnen. Um zum Teilnehmer <strong>der</strong> englischen<br />
Version zu werden, hat er 400 Anrufe be<strong>im</strong> Call-Center gemacht. Jetzt<br />
versucht er in die amerikanische Version einzudringen.<br />
• In Russland werden am häufigsten die Prominenten-Specials produziert – bis<br />
20 Sendungen mit Prominenten <strong>im</strong> Jahr. Im Vergleich werden in Deutschland<br />
nur 2 Specials <strong>im</strong> Jahr gezeigt. In <strong>der</strong> russischen Version von WWM spielten<br />
inzwischen Mo<strong>der</strong>atoren, Politiker, Sportler, Theaterschauspieler,<br />
Schriftsteller, Filmstars, Sänger und viele an<strong>der</strong>e bekannte Persönlichkeiten.<br />
Alle Gewinne wurden karitativen Zwecken gespendet.<br />
44 Stern TV vom 21.02.2007<br />
105
• Am häufigsten wechselten sich die Mo<strong>der</strong>atoren in <strong>der</strong> portugiesischen<br />
Version vom WWM –seit dem Sendungsstart gab es vier Mo<strong>der</strong>atoren. Drei<br />
Mo<strong>der</strong>atoren gab es in Österreich und in Kasachstan, zwei mo<strong>der</strong>ierten in<br />
Indien, Russland, Griechenland, Litauen, Slowenien, Island, Malaysia,<br />
Norwegen, Schweiz.<br />
• Der jüngste Hauptgewinner wohnt in Indien. Ravi Saini hat <strong>im</strong> Alter von 14<br />
Jahren 10 Mio. Rupien (ca. 175.000 Euro) gewonnen. <strong>Die</strong>ses Geld reicht ihm<br />
für das ganze Leben, ohne überhaupt zu arbeiten müssen.<br />
• <strong>Die</strong> längste Bedenkzeit wurde mehrmals in Italien fixiert. Jetzt aber wird sie<br />
mit den festen Zeiten für Werbeblocks begrenzt. <strong>Die</strong> Kandidaten, die in <strong>der</strong><br />
Auswahlrunde waren, es aber nicht auf den Platz in <strong>der</strong> Mitte des Studios<br />
geschafft haben, dürfen in Italien noch 3-4 Mal versuchen. <strong>Die</strong>s erhöht ihre<br />
Chance, um den Hauptgewinn spielen zu dürfen.<br />
• Am meisten Frauen-Gewinnerinnen wohnen in Österreich. Heide Gondek,<br />
Sigrid Weiß-Lutz, Christiane de Piero und Karin Huber haben zu<br />
verschiedenen Zeitpunkten je 1 Mio. Euro gewonnen. Insgesamt gibt es in<br />
Österreich 6 Hauptgewinner (5 haben je 1 Mio. Euro gewonnen und einer – 10<br />
Mio. Schilling in 2001)<br />
• In den USA habe 11 Kandidaten den Hauptgewinn erzielt und nur einer<br />
davon war eine Frau. Ihr Name ist Nancy Christy. Nach ihr gab es noch keine<br />
neuen Millionäre.<br />
• Was die Höhe des Gewinnes angeht, haben die Englän<strong>der</strong> das größte Glück.<br />
Eine Million Britische Pfund beträgt rund 1.310.700 Euro (Stand vom<br />
29.02.2008). In Japan ist gesetzlich vorgeschrieben, dass <strong>der</strong> max<strong>im</strong>ale<br />
Gewinn in einem beliebigen Gewinnspiel nicht mehr als 2 Mio. Dollar sein<br />
darf. <strong>Die</strong> letzte 15. Frage wird mit 10 Mio. Japanischen Yen (rund 63.564 € –<br />
Stand vom 29.02.2008) belohnt. Den geringsten Gewinn bekommt man in<br />
Georgien. Der Preis dort beträgt nur 20 Tausend Lari (etwa 10 000 $).<br />
• Es gibt auch ein Land, wo die Gewinner ihre Millionen nur für den Besuch<br />
<strong>der</strong> Attraktionen ausgeben dürfen. <strong>Die</strong>ses Land heißt Disneyland. „The Walt<br />
106
Disney Company“ kaufte die Rechte auf „Who Wants to Be a Millionaire?“,<br />
um die Unterhaltung <strong>der</strong> Besucher <strong>im</strong> berühmten Freizeitpark dadurch zu<br />
erweitern. In einem Pavillon des Disney-Parks wurde eine genaue Kopie des<br />
TV-Studios mit Computern und zahlreichen Fernsehkameras nachgebaut. Der<br />
Gewinn wird nur in Disney-Dollar ausgezahlt – die Währung, die nur auf dem<br />
Territorium des Märchenlandes gültig ist.<br />
Beson<strong>der</strong>e Sendungen<br />
Prominenten-Specials<br />
Russland ist ohne Zweifel ein Spitzenreiter in<br />
Bezug auf Prominenten-Specials – bis zu 20<br />
Sendungen mit Prominenten <strong>im</strong> Jahr. Im<br />
Vergleich dazu werden in Deutschland nur<br />
2 Specials <strong>im</strong> Jahr gezeigt. <strong>Die</strong> prominenten<br />
Gäste werden praktisch anlässlich jeden<br />
Feiertags ins Studio eingeladen. O<strong>der</strong> wenn<br />
gerade eine Promotion-Aktion für ein neues o<strong>der</strong> gerade laufendes Projekt <strong>im</strong><br />
Ersten Kanal (ORT) organisiert wird (wie zum Beispiel: Star Academy –<br />
Фабрика звёзд). Da sind alle willkommen: von Schauspielern, Musikern bis<br />
Politikern, wenn gerade eine Wahlkampanie <strong>im</strong> Anmarsch ist. <strong>Die</strong> Anlässe,<br />
Themen und die Zusammensetzungen von Promi-Kandidaten für solche<br />
WWM-Specials werden ruck zuck gefunden.<br />
Wlad<strong>im</strong>ir Schirinowski<br />
In einer Prominenten-Special-Sendung mit politischen Prominenten war <strong>der</strong><br />
Abgeordnete <strong>der</strong> Duma, <strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> Liberal-Demokratischen Partei<br />
Russlands (LDPR), Wlad<strong>im</strong>ir Wolfowitsch Schirinowski zu Gast. Vor dem<br />
Spiel entflammte bereits eine lebhafte Diskussion über ein aktuelles<br />
Verkehrsproblem in Russland. Schirinowski hatte sofort eine Reihe von<br />
originellen Vorschlägen parat. Zum Beispiel: die Pferde zu benutzen, um den<br />
Staus auf den Straßen zu entgehen. Bei den ersten beinahe Scherzfragen hat er<br />
sehr gründlich und ausführlich seine Überlegungen dargelegt. Er zeigte<br />
107
ordentliche Kenntnisse in verschiedenen Gebieten: Geschichte, Geographie,<br />
Sport, Kunst. Aber bei <strong>der</strong> Frage „Wer von den Komponisten rieb die Nase<br />
mit den Fingern in <strong>der</strong> Überzeugung, dass dies seine Stupsnase gerade<br />
macht?“ – S. Tanejew, S. Rachmaninov, N. R<strong>im</strong>sky-Korsakov o<strong>der</strong><br />
A. Skrjabin – kam Wlad<strong>im</strong>ir Wolfowitsch ins Schwitzen und er hat alle Joker<br />
für die Suche nach einer richtigen Antwort gebraucht.<br />
Familien-Special<br />
Im November 2002 wurde eine Reihe vom Familien-Special aufgezeichnet, an<br />
welcher Ehepaare teilgenommen haben. Während <strong>der</strong> Aufzeichnung <strong>der</strong> ersten<br />
Folge haben Irina und Juri Chudinovskich aus Kirov den Millionen-Preis<br />
gewonnen. Sie waren die zweiten Hauptgewinner in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><br />
russischen Version von WWM.<br />
Am 2. Januar 2002 fand zum Beispiel <strong>im</strong> Studio „WWM“ ein ungewöhnliches<br />
Spiel statt. Neujahr (Silvester) ist in Russland ein beson<strong>der</strong>er Familienfeiertag.<br />
Um dieser alten Tradition zu folgen und die Familie an Feiertagen nicht zu<br />
trennen, wurden prominente Ehepaare ins Studio eingeladen. Alle<br />
Gewinnsummen wurden an die Eremitage in Sankt-Petersburg übergeben, als<br />
Geschenk zum 150. Jubiläum, das das weltberühmte Museum gerade <strong>im</strong> Jahre<br />
2002 feierte.<br />
In dieser Sendung nahmen unter an<strong>der</strong>em <strong>der</strong><br />
Regisseur Vlad<strong>im</strong>ir Menshov und die Schau-<br />
spielerin (und seine Ehegattin) Vera Alentova<br />
teil. Als es brenzlig wurde, haben sie ihre<br />
Tochter, auch eine bekannte Schauspielerin, als<br />
Telefonjoker angerufen. So gewann diese<br />
Familie 125.000 Rubel (ca. 3.400 Euro).<br />
<strong>Die</strong> populäre Kr<strong>im</strong>iautorin Alexandra Marinina und <strong>der</strong> Oberst MfiA<br />
(Innenministerium) Sergei Satochny behalten noch lange in Erinnerung, dass<br />
eine Schneeflocke nicht 8, son<strong>der</strong>n nur 6 Strahlen hat.<br />
V. Menshov und V. Alentova<br />
108
Und <strong>der</strong> bekannte Comedian Jan Arlasorov, als<br />
er als Telefonjoker vom Comedian-Ehepaar<br />
Evgenij Petrosjan und Elena Stepanenko um<br />
Hilfe gebeten wurde, hat ihnen empfohlen, auf<br />
das Spiel zu pfeifen und Neujahr feiern zu<br />
gehen.<br />
Bisherige Hauptgewinner<br />
Bisher gab es in <strong>der</strong> russischen Show drei Millionäre.<br />
1) Igor Saseev (21.03.2001 – 1.000.000 Rubel)<br />
Millionenfrage: <strong>Die</strong> Richtung welcher religiösen<br />
Philosophie zeigt die Lehre des Zen auf?<br />
A: Daoismus<br />
B: Hinduismus<br />
C: Judaismus<br />
D: Buddhismus<br />
2) Irina und Juri Chudinovskich (18.01.2003 – 1.000.000 Rubel)<br />
Millionenfrage: Mit welcher Figur fängt das Spiel<br />
„Städtchen“ an?<br />
A: Wache<br />
B: Artillerie<br />
C: Maschinengewehrnest<br />
D: Kanone<br />
3) Svetlana Jaroslavtzeva (19.02.2006 – 3.000.000 Rubel)<br />
Millionenfrage: Wer von den aufgezählten war<br />
Page in den Zeiten von Katharina I.?<br />
A: G. R. Derchavin<br />
B: N. M. Karamsin<br />
C: A. N. Radichev<br />
D: D. I. Fonvisin<br />
E. Petrosjan und E. Stepanenko<br />
109
III. Ver<strong>gleichen</strong>de <strong>Analyse</strong> <strong>der</strong> gleichnamigen <strong>Quiz</strong>-<br />
Sendungen<br />
Was macht das eine Fernsehformat so beliebt und warum verschwindet das<br />
an<strong>der</strong>e so sang- und klanglos? Warum feiern dieselben <strong>Formate</strong> und ihre<br />
Vermarktung in einem Land große Erfolge und in einem an<strong>der</strong>em bleiben sie<br />
unbeachtet?<br />
Das Erfolgsprojekt „WWM“ läuft <strong>im</strong> 1:1 Format in 107 Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt. Es<br />
bedeutet aber nicht, dass es überall wirklich und absolut gleich aussieht. Jedes<br />
Land hat eine eigene Spezifik – eigene Mo<strong>der</strong>atoren, eigene Fragen und<br />
Autoren, die diese Fragen zusammenstellen, und eigene Kandidaten, die diese<br />
Fragen auf ihre eigene Weise beantworten.<br />
3.1. Titel, Design, Logo<br />
Der Titel, das Logo und das gesamte Design sind Markenzeichen je<strong>der</strong><br />
Formatsendung.<br />
Betrachten wir die Rolle und die Wirkung des gesamten gestalterischen Pakets<br />
einer Formatsendung am Beispiel des heutigen Hits „Who Wants To Be A<br />
Millionaire?“.<br />
Titel<br />
Wenn man die Syntax des Titels untersucht, fällt vor allem auf, dass es sich<br />
um einen Fragesatz handelt. Eine Frage (sofern nicht rhetorisch) verlangt eine<br />
Antwort. <strong>Die</strong>se Antwort soll dem Zuschauer gegeben werden, wenn er die<br />
einzelnen Folgen <strong>der</strong> Sendung sieht. Außerdem weist <strong>der</strong> Fragesatz auf ein<br />
klares Ziel hin, das die Kandidaten in <strong>der</strong> Sendung verfolgen: Millionär<br />
werden!<br />
110
Eine weitere Komponente ist die Frage nach dem Subjekt des Satzes: Unter<br />
dem Wort ,,wer" kann sowohl <strong>der</strong> Kandidat <strong>im</strong> Studio als auch <strong>der</strong> Zuschauer<br />
zu Hause, <strong>der</strong> sich je<strong>der</strong>zeit als Kandidat bewerben kann, gemeint werden.<br />
Wenn wir die Übersetzungen vom Originaltitel „Who Wants To Be A<br />
Millionaire?“ in <strong>der</strong> russischen und in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Version des <strong>Quiz</strong><br />
ver<strong>gleichen</strong>, fällt sofort auf, dass in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Fassung das Wort „will“<br />
fehlt.<br />
Vergl.: Who Wants To Be A Millionaire? (Wer will Millionär werden?)<br />
Кто хочет стать миллионером? (Wer will Millionär werden?)<br />
Wer wird Millionär?<br />
Wahrscheinlich ist die wörtliche Übersetzung <strong>der</strong> Frage ins Deutsch<br />
überflüssig: Millionär zu werden „wollen“ alle. Wer aber Millionär wird, ist<br />
unklar.<br />
<strong>Die</strong> kasachische Version WWM heißt «Миллион кiмге буйырады?»<br />
(rus.: Кто возьмёт миллион? – dt.: Wer n<strong>im</strong>mt die Million?), als ob <strong>der</strong><br />
Kandidat auf dem Weg zu dieser Million für sein Glück richtig kämpfen soll,<br />
wie es <strong>im</strong> Osten traditionsgemäß mit Pferd und Schwert üblich war.<br />
In Russland hatte das Format be<strong>im</strong> Start (1999) auf dem Kanal NTV einen<br />
eigenen Titel: „О, счастливчик!“ (O du, Glückspilz!), in dem die zu<br />
damaliger Zeit typische ironische Ansicht des Russen auf das spielerisch<br />
erworbene Glück (<strong>im</strong> geldlichen Äquivalent) wi<strong>der</strong>gespiegelt wird. Erst zwei<br />
Jahre später (10 Jahre nach dem Zerfall <strong>der</strong> UdSSR) war die Frage „Wer will<br />
Millionär werden?“ – sprich „ich will Millionär werden“ – in aller Munde.<br />
Eigene Interpretationen des Titels WWM gibt es auch in Bulgarien<br />
(dt.: Sei reich! – rus.: Стань богатым!) und in <strong>der</strong> Slowakei „Lepo je biti<br />
millijonar“ (dt.: Wie schön ist es, Millionär zu sein! – rus.: Как прекрасно<br />
быть миллионером!).<br />
111
Der Titel erfüllt seinen Zweck als wichtige Komponente <strong>der</strong> Dramaturgie, ist<br />
allerdings allein stehend nicht ausschlaggebend für den Erfolg <strong>der</strong> Sendung.<br />
Design<br />
Das einheitliche Erscheinungsbild des<br />
Erfolgsmodells „Who Wants To Be A Millionaire“<br />
ist sehr gut durchgedacht und hat vor allem zwei<br />
grundlegende Elemente: den Kreis und die Farbe<br />
Blau.<br />
Den Kreis sehen wir bei WWM vor allem <strong>im</strong> Logo<br />
und in <strong>der</strong> Form des Studios.<br />
Der Kreis hat mehrere Eigenschaften und Bedeutungen:<br />
Er ist <strong>im</strong> Grunde genommen das wichtigste und beson<strong>der</strong>s verbreitete<br />
geometrische Symbol, das auf <strong>der</strong> äußeren Form <strong>der</strong> Sonne und des Mondes<br />
basiert. Der Kreis mit dem Punkt in seiner Mitte symbolisiert in <strong>der</strong><br />
traditionellen Astronomie die Sonne, für die Alchemisten war er <strong>im</strong>mer das<br />
Zeichen des Goldes. In <strong>der</strong> Magie trägt <strong>der</strong> Kreis die Funktion einer<br />
Schutzbarriere vor negativen Einflüssen.<br />
Zum einen bedeutet er Bewegung, Dynamik, einen zyklischen Ablauf. Der<br />
Kreis hat keinen Anfang und keine Ende. Aus philosophischer Sicht<br />
symbolisiert die ständig wie<strong>der</strong>holende Kreislinie den ewigen Kreis des<br />
Lebens. Indem <strong>der</strong> Kreis sich als eine Projektion <strong>der</strong> Sphäre erweist, bekommt<br />
er die Eigenschaften <strong>der</strong> zeitlichen und räumlichen Unendlichkeit und<br />
Vollendung.<br />
Zum an<strong>der</strong>en hat je<strong>der</strong> Kreis einen Schwerpunkt – den Mittelpunkt. Man<br />
konzentriert sich voll auf die Mitte, die ja eine entscheidende Rolle bei WWM<br />
spielt. Nur wer es in die Mitte schafft, hat die Chance auf eine Million. <strong>Die</strong><br />
Konzentration des Zuschauers soll auch in dem einen Punkt gebündelt<br />
112
werden, da sich nur dort die eigentliche Show abspielt und nur dorthin die<br />
gesamte dramaturgische Fäden führen. <strong>Die</strong>s wird <strong>im</strong> Trailer vor allem am<br />
Ende deutlich gemacht, wenn die Kamera auf den Mittelpunkt des Logos<br />
zoomt, in dem sich ein Loch befindet, durch das die Kamera fährt und dann<br />
Mo<strong>der</strong>ator und Kandidaten zeigt.<br />
Auch <strong>im</strong> Studio findet man den Kreis wie<strong>der</strong>: Das Publikum sitzt wie in einer<br />
Arena um den Kreis in <strong>der</strong> Mitte herum, in dessen Mittelpunkt zwei Monitore<br />
und zwei Sitzplätze jeweils für den Mo<strong>der</strong>ator und den Kandidaten einan<strong>der</strong><br />
gegenüber aufgestellt sind. Alle Linien auf dem Boden führen sogar auf das<br />
wesentliche hin. Ein Stilmittel, das auch in <strong>der</strong> Filmkunst oft angewandt wird,<br />
um best<strong>im</strong>mte Dinge zu betonen.<br />
Im Nahen Osten In Prag<br />
In Russland In Nie<strong>der</strong>landen<br />
113
In Deutschland<br />
In Indien<br />
Das typische Format-Studio<br />
114
Der Designer des Studios Andy Walmsley musste nur wenige Tage nach <strong>der</strong><br />
ersten misslungenen Sendung von „Haufen von Geld“ (Vorgänger von „Who<br />
Wants to Be a Millionaire?“) ein vollkommen neues Studio gestalten. Obwohl<br />
diese Variante noch 1998 entstand, wird sie bis heute in allen Län<strong>der</strong>n<br />
eingesetzt. Anfang des neuen Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde das Design des Studios<br />
mo<strong>der</strong>nisiert und leicht verän<strong>der</strong>t: drei Portale, die früher nur mit einem<br />
gelben Licht beleuchtet wurden, wechseln nun die Farbe von blau bis rosa, in<br />
vielen Län<strong>der</strong>n verschwand aus dem Studio <strong>der</strong> Aktenkoffer mit <strong>der</strong> Million,<br />
<strong>der</strong> lange Zeit ein Attribut <strong>der</strong> Zahlungsfähigkeit des <strong>Quiz</strong> war<br />
(Wahrscheinlich waren die Zuschauer inzwischen davon überzeugt), <strong>der</strong><br />
Grundstil wurde aber beibehalten.<br />
Logo und Vorspann<br />
Das Logo ist einer <strong>der</strong> wichtigsten designerischen Elemente je<strong>der</strong> Show und<br />
spielt eine entscheidende Rolle <strong>im</strong> Erkennungswert des Fernsehformates. Das<br />
gelungene Logo ist fähig, den Erfolg <strong>der</strong> Sendung zu erhöhen.<br />
Im Fall von WWM ist das Logo auch in <strong>der</strong> Form eines Kreises konzipiert. An<br />
den Rän<strong>der</strong>n des oberen und des unteren Halbbogens wird <strong>der</strong> Titel <strong>der</strong> Show<br />
doppelt platziert – „Wer wird Millionär?“ (Who Wants To Be A Millionaire? /<br />
Кто хочет стать миллионером?). In <strong>der</strong> Mitte wird das Wort „Millionär“ –<br />
das Hauptziel und <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> Show – noch einmal wie<strong>der</strong>holt und<br />
durch die zentrierte Lage schlüssig betont. Dazu wird die Schriftart<br />
Copperplate Gothic Bold verwendet. Sowohl die ellipsenförmigen und mit<br />
einan<strong>der</strong> geflochtenen Fäden in leichtem Lila-Violett <strong>im</strong> Hintergrund, als auch<br />
die acht grün gefärbten $-, €-, £- o<strong>der</strong> einfachen<br />
Fragezeichen treffen sich optisch <strong>im</strong> Zentrum des<br />
Kreises.<br />
Wenn aber <strong>der</strong> Titel nur aus einem Wort besteht,<br />
sowie „Milionerzy“ in Polen, wird <strong>der</strong> Titel in <strong>der</strong><br />
Mitte und <strong>im</strong> Kreis oben und unten gesetzt.<br />
Das Logo von <strong>der</strong> polnischen<br />
WWM-Version<br />
115
<strong>Die</strong> Auswahl <strong>der</strong> Farbe für das Logo ist nicht zufällig. <strong>Die</strong> Vielfarbigkeit wird<br />
bei <strong>der</strong> Fernsehproduktion in <strong>der</strong> Regel vermieden. Das bunte Logo prägt sich<br />
bei den Zuschauern schwer ein und kann unnötig reizen und dadurch als<br />
Störfaktor gesehen werden. Man darf die psychologische Wirkung auf den<br />
Menschen nicht vergessen.<br />
<strong>Die</strong> Farbe Blau wird als Symbol des Erhabenen und Geistigen betrachtet. Im<br />
Unterschied zum energiegeladenen Rot beruhigt das Blau, st<strong>im</strong>mt den<br />
Menschen zur Nachdenklichkeit ein. Unendlichkeit, Ewigkeit, Wahrheit,<br />
Glaube, Hingabe, Reinheit, ein geistiges und intellektuelles Leben – das sind<br />
die Assoziationen, die in vielen alten Kulturen aus einem Gedanken<br />
entstanden sind – das Blau ist die Farbe des H<strong>im</strong>mels und ist in <strong>der</strong> ganzen<br />
Farbpalette beson<strong>der</strong>s ruhig und am wenigstens „materiell“. <strong>Die</strong>ses Argument<br />
steht übrigens <strong>im</strong> starken Wi<strong>der</strong>spruch mit dem eigentlichen Ziel <strong>der</strong> Show –<br />
materielle Werte durch das Spiel zu erlangen.<br />
<strong>Die</strong> Farben <strong>im</strong> Logo von WWM haben eine ähnliche Funktion wie die Form<br />
des Kreises.<br />
Nach den Lehren <strong>der</strong> Farbpsychologie drückt also das dominierende Blau<br />
Ernst aus und bewirkt Vertiefung. Genauso wie be<strong>im</strong> Kreis wird hier die<br />
Konzentration gebündelt. Noch zwei weitere Farben fallen <strong>im</strong> Logo auf: Grün<br />
und Violett. Grün drückt laut He<strong>im</strong>endahl 45 Bewahrung aus – Violett<br />
hingegen Verzicht. Das Grün steht dann für die Bewahrung <strong>der</strong> Chance auf<br />
die Million, das Violett für den Verzicht, z.B. durch frühzeitigen Jokereinsatz<br />
o<strong>der</strong> Ausstieg aus dem Spiel.<br />
Niemals soll das Logo inhaltlich überlastet werden. Nur die Eleganz und die<br />
Bündigkeit machen das Logo erkennungsleicht und unikal. Bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
eines Logo für ein Fernsehformat, das wie WWM die internationale und<br />
multikulturelle Szene betreten hat, muss man beson<strong>der</strong>s vorsichtig und<br />
45 He<strong>im</strong>endahl, Eckart: ,,Licht und Farbe. Ordnung und Funktion <strong>der</strong> Farbenwelt" Berlin 1961<br />
116
aufmerksam herangehen. Im Fall des WWM wurde das Logo in vielen<br />
Län<strong>der</strong>n leicht verän<strong>der</strong>t und an die entsprechende Währung angepasst. (Siehe<br />
Logo-Tabelle)<br />
Kurz gefasst ist das einheitliche Design eines TV-Formats für den Zuschauer<br />
eine Hilfe, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, was ihn das<br />
dramatische Geschehnis intensiver erleben lässt und somit in eine vom Alltag<br />
abweichende Welt entführt. Da dies von dem durchschnittlichen Zuschauer als<br />
positiv empfunden wird, schaltet er auch das nächste Mal wie<strong>der</strong> ein.<br />
Der erste Vorspann für die <strong>Quiz</strong>-Show “Who<br />
Wants to Be a Millionaire?” wurde von <strong>der</strong><br />
Firma “JumpDesign” (Großbritannien)<br />
ausgearbeitet. Gerade dieser Vorspann wurde<br />
<strong>im</strong> Laufe von mehreren Jahren praktisch in<br />
allen Län<strong>der</strong>n benutzt, wo dieses Format lief<br />
(und noch läuft). In diesem Vorspann sehen wir die Menschen, auf welche<br />
verschiedenfarbige Lichtstrahlen fallen. Alle diese Menschen sind mit einem<br />
Ziel vereint – Streben nach Wissen. Später wurde dieser Vorspann in einigen<br />
Län<strong>der</strong>n geän<strong>der</strong>t, die Idee blieb aber dieselbe.<br />
Im Jahre 2005 haben fast alle Län<strong>der</strong>, wo die <strong>Quiz</strong>-Show gesendet wird, den<br />
Vorspann und das Logo des Spiels modifiziert. Jetzt sieht man <strong>im</strong> Vorspann<br />
keine Menschen, son<strong>der</strong>n es werden verschiedene Elemente des Logo<br />
verwendet, die letztendlich ein ganzes Logo bilden. <strong>Die</strong> Farbpalette wurde<br />
auch erneuert. Jetzt sind auch goldfarbige und silberfarbige Elemente zu<br />
sehen.<br />
<strong>Die</strong> Software für den gesamten Programmablauf – Auswahlrunde, Auswahl<br />
<strong>der</strong> Fragen aus <strong>der</strong> Datenbank, Licht- und Musikbegleitung während <strong>der</strong><br />
Show, Bearbeitung des Zuschauer-Votings usw. – wurde von <strong>der</strong> englische<br />
Firma „Cat & Mouse“ entwickelt.<br />
117
Das Logo von „WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?“<br />
international<br />
«WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?»<br />
(Großbritannien)<br />
Start: 4. September 1998<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Chris Tarrent<br />
Hauptgewinn: £1,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 5<br />
Sen<strong>der</strong>: ITV1<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
«WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?»<br />
(Australien und Neuseeland)<br />
Start: 18. April 1999<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Eddie McGuire<br />
Hauptgewinn: $1,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 2<br />
Sen<strong>der</strong>: Nine Networks<br />
Status: eingestellt<br />
«WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?»<br />
(USA)<br />
Start: 16. August 1999<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Meredith Vieira<br />
Hauptgewinn: $1,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 11<br />
Sen<strong>der</strong>: ABC<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
«CHI VUOL ESSERE MILIONARIO?»<br />
(Italien)<br />
Start: 22 мая 2000<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Gerry Scotti<br />
Hauptgewinn: €1,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 2<br />
Sen<strong>der</strong>: Canale 5<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
«HALUATKO MILJONÄÄRIKSI?»<br />
(Finnland)<br />
Start: 1999<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Ville Klinga<br />
Hauptgewinn: €1,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 0<br />
Sen<strong>der</strong>: MTV3<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
118
«WER WIRD MILLIONÄR?»<br />
(Deutschland)<br />
Start: 3. September 1999<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Günther Jauch<br />
Hauptgewinn: €1,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 7<br />
Sen<strong>der</strong>: RTL Television<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
«КТО ХОЧЕТ СТАТЬ МИЛЛИОНЕРОМ?»<br />
(Russland)<br />
Start: 1999 - NTV; seit dem 19. Februar 2001 - ORT<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Max<strong>im</strong> Galkin<br />
Hauptgewinn: 3 Millionen Rubel (etwa 100.000 €)<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 3<br />
Sen<strong>der</strong>: ORT<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
«KAUN BANEGA CROREPATI?»<br />
(Indien)<br />
Start: 2000<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Shah Rukh Khan<br />
Hauptgewinn: Rs. 20,000,000 (Rupien)<br />
Max<strong>im</strong>aler Gewinn: Rs. 10,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 3<br />
Sen<strong>der</strong>: Star Plus<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
«MAN SA YARBAH 2 MALYOON?»<br />
(Naher Osten)<br />
Start: 2000<br />
Mo<strong>der</strong>ator: George Kurdahi<br />
Hauptgewinn: SR 2,000,000<br />
Max<strong>im</strong>aler Gewinn: SR 2,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 1<br />
Sen<strong>der</strong>: MBC 1<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
«QUIÉN QUIERE SER MILLONARIO?»<br />
(Spanien)<br />
Start: 1999<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Carlos Sobera<br />
Hauptgewinn: € 1,000,000<br />
Max<strong>im</strong>aler Gewinn: 50,000,000 Pst<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 1<br />
Sen<strong>der</strong>: Antena 3<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
119
Quelle: www.khsm.ru/index.files/foreign.htm<br />
«LOTTO WEEKEND MILJONAIRS»<br />
(Nie<strong>der</strong>lande)<br />
Start: 2002 (1998-2001 Weekend Miljonairs)<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Robert ten Brink<br />
Hauptgewinn: € 1,000,000<br />
Max<strong>im</strong>aler Gewinn: € 1,000,000<br />
Zahl <strong>der</strong> Hauptgewinner: 1 (Weekend Miljonairs)<br />
Sen<strong>der</strong>: RTL 4 (früher SBS6)<br />
Status: wird ausgestrahlt<br />
Seit dem Sendestart in Deutschland wurde das <strong>Quiz</strong>-Logo zwei Mal geän<strong>der</strong>t.<br />
Zuerst war es orangefarbig mit schwarzen Elementen. <strong>Die</strong>ses Logo wurde<br />
lange Zeit in Ungarn verwendet. Später wurde es durch das bereits gewohnte<br />
Logo ersetzt. Für die "Wer wird Millionär"-Spezial-Shows wird in<br />
Deutschland ein leicht verän<strong>der</strong>tes Logo<br />
benutzt. Da wird das Wort hinzufügt, das auf<br />
das Thema <strong>der</strong> Sendung hinweist. Ähnliches<br />
passiert auch in <strong>der</strong> australischen Version.<br />
<strong>Die</strong> Grafik in <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Show wurde<br />
übrigens drei Mal erneuert.<br />
Grafik<br />
<strong>Die</strong> grafischen Grundelemente, die in <strong>der</strong> „Millionär“-Show benutzt werden,<br />
sind folgende:<br />
1) die Form mit einer Frage und vier Antwort-Varianten,<br />
2) die Form mit <strong>der</strong> Summe des Gewinnes,<br />
3) <strong>der</strong> so genannte „Geldbaum“,<br />
4) <strong>der</strong> T<strong>im</strong>er,<br />
5) die Tabelle mit Zuschauervoting,<br />
6) die Darstellungen von Jokern.<br />
120
Für die Frage und die Antworten wird die Schrift Arial verwendet, für die<br />
Buchstaben A, B, C, D benutzt man in <strong>der</strong> Frage Copperplate Gothic Bold.<br />
Bis vor kurzem wurde in <strong>der</strong> russischen Version für die Darstellung <strong>der</strong> Zeit<br />
auf dem T<strong>im</strong>er Copperplate Gothic Bold verwendet, jetzt Arial Narrow.<br />
Praktisch in allen Län<strong>der</strong>n, wo das WWM-<strong>Quiz</strong> gesendet wird, hat die Frage-<br />
Antworten-Form einen schwarzen Hintergrund und einen dünnen Rahmen des<br />
helleren Tons (blau an den Seiten und zur Mitte weiß). In einigen Län<strong>der</strong>n<br />
benutzt man aber eine eigene grafische Gestaltung. Zum Beispiel: in<br />
Deutschland hat die Frage-Antworten-Form eine verlaufende lila-blaue<br />
Farbfüllung, die Buchstaben A, B, C, D sind schwarz und die Gewinn-Form<br />
ist an<strong>im</strong>iert.<br />
<strong>Die</strong> Frage-Antworten-Form in Deutschland<br />
Frage-Antworten-Form in Russland <strong>Die</strong> Name-Form in den USA<br />
121
Was die Gewinn-Form betrifft, gibt es in verschiedenen Län<strong>der</strong>n einige<br />
Unterschiede: in Italien hat sie keine verlaufende Farbfüllung, in den USA,<br />
Spanien, Aserbaidschan und einigen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n ist die Gewinn-Form<br />
etwas kürzer in <strong>der</strong> Länge, so, das die mehrzähligen Summen gerade in die<br />
Formrahmen gehen.<br />
<strong>Die</strong> Gewinn-Form in Deutschland<br />
<strong>Die</strong> Gewinn-Formen in Russland<br />
„Geldbaum“ in Russland „Geldbaum“ in Deutschland<br />
122
Publikumsjoker<br />
T<strong>im</strong>er in Russland T<strong>im</strong>er in Italien<br />
Auswahlrunde für Kandidaten<br />
123
<strong>Die</strong> Richtige Fragenfolge bei <strong>der</strong> Auswahlrunde<br />
<strong>Die</strong> Namensliste <strong>der</strong> richtig geantworteten Kandidaten<br />
Joker „Drei Weisen“ (Russland)<br />
124
Musik<br />
<strong>Die</strong> musikalische Kulisse für die <strong>Quiz</strong>-Schow wurde von den englischen<br />
Musikern Matthew and Keith Strachan komponiert, ClubMix und RadioMix<br />
wurden von Nick Magnus Rod Edwards aufgezeichnet. Es gibt insgesamt 105<br />
musikalische Themen (in <strong>der</strong> russischen Version werden nur 74 benutzt). 46<br />
<strong>Die</strong> Musik verleiht eine leichte (am Anfang des Spiels) und eine dramatische<br />
(mit den letzten Fragen) Atmosphäre. <strong>Die</strong>se Musik, so die zahlreichen Fans<br />
<strong>der</strong> Sendung, passt sehr gut zu diesem TV-Format. Seit dem ersten Sendetag<br />
<strong>der</strong> Show bleibt die Musik des Formats in allen Län<strong>der</strong>n unverän<strong>der</strong>t.<br />
Übrigens, die Musik von Matthew and Keith Strachan wird nicht nur in <strong>der</strong><br />
„Millionär“-Show benutzt, son<strong>der</strong>n auch in an<strong>der</strong>en populären TV-<strong>Formate</strong>n.<br />
46 http://khsm.ru/index.files/firmstyle.htm<br />
Millionär-Gewinner<br />
Joker „50x50“<br />
125
3.2. Mo<strong>der</strong>atorenleistung<br />
Geleitet wird die Sendung typischerweise von einem <strong>Quiz</strong>master – mit<br />
mo<strong>der</strong>neren Worten Mo<strong>der</strong>ator. Während heutzutage <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator in <strong>der</strong><br />
Regel allein auf <strong>der</strong> Bühne auftritt, gehörte in früheren Zeiten <strong>der</strong> Assistent<br />
o<strong>der</strong> die Assistentin zum Standardpersonal <strong>der</strong> meisten <strong>Quiz</strong>sendungen.<br />
Manche Assistenten und Assistentinnen sind fast so berühmt geworden, wie<br />
die <strong>Quiz</strong>master. Man denke nur an Martin Jente (als „Butler“ in Einer wird<br />
gewinnen), Walter Spahrbier (Der große Preis) o<strong>der</strong> Maren Gilzer<br />
(Glücksrad).<br />
Manche Sendungen hatten darüber hinaus auch eine Jury o<strong>der</strong> einen<br />
"Juristen", <strong>der</strong> über die Einhaltung <strong>der</strong> Regeln wachte und in Zweifelsfällen zu<br />
entscheiden hatte. Bekanntes Beispiel: „Der große Preis“.<br />
Das beliebige Spiel (und desto mehr eine Game-Show) ist ein komplizierter<br />
Mechanismus. Aber nicht von <strong>der</strong> technischen Seite, son<strong>der</strong>n weil es nach<br />
einer strikt klaren Koordination und nach einem ununterbrochenen Rhythmus<br />
verlangt. <strong>Die</strong>s soll aber unbemerkt bleiben. Tonsignale, Lichtwechsel,<br />
Tausende kleinste Details passieren sanft, exakt, blitzschnell. Je<strong>der</strong> Techniker<br />
und Assistent hat seinen Platz. Und nur eine Person – <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator – hat die<br />
reale Möglichkeit, jede Zone <strong>der</strong> Handlung zu betreten. Er ist ständig <strong>im</strong><br />
Kontakt mit Spielenden, beobachtet und koordiniert alle Kettenglie<strong>der</strong> dieses<br />
Mechanismus. Das ist seine Aufgabe.<br />
Der Mo<strong>der</strong>ator muss sofort nach Lage <strong>der</strong> Dinge alle Pannen in den Griff<br />
kriegen, einige unabsehbare Situationen frühzeitig spüren und ihnen<br />
unauffällig o<strong>der</strong> mit Humor ausweichen. Er ist <strong>im</strong> Epizentrum des Geschehens<br />
und verwaltet es. Er arbeitet nicht mit professionellen Darstellern, son<strong>der</strong>n<br />
mit normalen Menschen, er muss auf jeden Fehler vorbereitet sein, er muss<br />
die Spannung halten und das Spiel/Show zu Ende bringen. Er hat keine<br />
Chance auf eine Wie<strong>der</strong>holung.<br />
126
Der Mo<strong>der</strong>ator spielt zwei Rollen, hat zwei Gesichter. Einerseits ist er eisern<br />
und hart mit seinen Mitarbeitern – mit seinem Team, an<strong>der</strong>erseits ist er<br />
gutmütig mit den Spielern und dem Publikum <strong>im</strong> Studio. Gerade die Spieler<br />
sind die Hauptakteure <strong>im</strong> Moment des Spiels. Auf sie wird die ganze<br />
Aufmerksamkeit gerichtet, nicht auf die Produzenten, Direktoren und an<strong>der</strong>es<br />
Personal. Unbemerkbar verwaltet er die technischen o<strong>der</strong> organisatorischen<br />
Probleme, lässt sie nicht das Spiel stören und verschafft nach einem schon<br />
längst eingespielten Schema das reibungslose Entertainment. Der Mo<strong>der</strong>ator<br />
ist <strong>der</strong> Hauptwächter <strong>der</strong> Show.<br />
Außer den professionellen Fähigkeiten eines Mo<strong>der</strong>ators, den hervorragenden<br />
Kenntnissen <strong>im</strong> Bereich Regie und Dramaturgie muss er ein hohes Niveau an<br />
Allgemeinwissen, eine gewisse Charisma und ein nicht standardisiertes<br />
Denken haben. Der gute Mo<strong>der</strong>ator ist nicht nur ein guter Beobachter, son<strong>der</strong>n<br />
auch ein Provokateur <strong>im</strong> guten Sinne des Wortes.<br />
Wenn sich <strong>der</strong> Befragte für eine Antwort entschieden hat, kitzelt <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ator in seinem <strong>Quiz</strong> auch die Auflösung bis aufs Letzte heraus und<br />
erhöht damit die Spannung um ein Vielfaches. Nicht umsonst werden die<br />
Werbepausen in diese Momente gelegt.<br />
Etablierte Sendungen wie Wer wird Millionär? zeichnen sich nicht nur durch<br />
das Konzept <strong>der</strong> Sendung aus, son<strong>der</strong>n auch sehr stark durch ihre<br />
Mo<strong>der</strong>atoren. Menschen, die für diese Programme und somit den Sen<strong>der</strong><br />
stehen.<br />
<strong>Die</strong> Aufgabe des Mo<strong>der</strong>ators in WWM ist bei allen internationalen Versionen<br />
gleich und alle Kandidaten wurden nach best<strong>im</strong>mten Kriterien ausgesucht.<br />
Vor allem sind alle Mo<strong>der</strong>atoren grundsätzlich Männer, die einem<br />
vorgeschriebenen Typ entsprechen: intellektuell, konservativ – sowohl in<br />
M<strong>im</strong>ik und Gestik, als auch in <strong>der</strong> Bekleidung. Anzug, Krawatte, guter<br />
Haarschnitt und Manieren sind ein Muss, in Maßen aber gleichzeitig<br />
ehrgeizig, egoistisch und hochnäsig – alles in einem, alles nach dem guten und<br />
127
festen englischen Muster. <strong>Die</strong> anspruchsvolle Rolle des Londoner Dandys<br />
erfüllt Max<strong>im</strong> Galkin in <strong>der</strong> russischen Version virtuos. Sein deutscher<br />
Kollege Günther Jauch führt seinen Job genauso perfekt aus.<br />
Günther Jauch<br />
Der Mo<strong>der</strong>ator von WWM in<br />
Deutschland ist Günther Jauch. Er<br />
wurde 1956 in Münster geboren, hat<br />
Politik und Neuere Geschichte studiert<br />
und eine vorbildliche Journalisten-<br />
karriere gemacht. Günter Jauch<br />
präsentiert das Konzept perfekt, seine<br />
Verunsicherungsversuche sind <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> unterhaltsam. Er versteht es, die<br />
schwierige Lage, in <strong>der</strong> sich die Kandidaten befinden, um ein weiteres<br />
spannen<strong>der</strong> zu machen. ,,Ich arbeite nach dem Prinzip <strong>der</strong> permanenten<br />
Verunsicherung", sagt Jauch 47 und bringt es damit auf den Punkt. Inzwischen<br />
hat es sich zwar herumgesprochen, dass er, wenn er die Frage stellt, die<br />
Antwort noch nicht auf seinem Monitor hat. Dennoch suchen die Kandidaten<br />
und die Zuschauer am Bildschirm <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> bei ihm nach Hilfe. Z.B.<br />
versuchen sie, aus seiner <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en M<strong>im</strong>ik und Gestik<br />
Rückschlüsse auf die richtige Antwort zu ziehen, und üben sich somit in<br />
Menschenkenntnis. Neben <strong>der</strong> Spannung am Spiel selbst sind es seine<br />
Gespräche mit Kandidaten, Begleitern und Telefonjokern, die zum Erfolg <strong>der</strong><br />
Sendung in Deutschland beitragen. Heute ist er laut Umfragen <strong>der</strong> beliebteste<br />
Mo<strong>der</strong>ator in Deutschland und wird vielfach als Quelle des Erfolges <strong>der</strong><br />
Sendung gesehen. Doch das muss ein wenig relativiert werden. <strong>Die</strong> Sendung<br />
ist schließlich in vielen Län<strong>der</strong>n auch ohne ihn erfolgreich und in jedem<br />
an<strong>der</strong>en Land steht <strong>der</strong> eigene Mo<strong>der</strong>ator an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> eigenen<br />
Popularität. Manchmal verliert die Show nur durch langweilige Kandidaten an<br />
Dynamik. Aber das ist überall so.<br />
47 Christoph Schwab, Wirkungsanalyse <strong>der</strong> Sendung "Wer wird Millionär?" - Warum die Sendung so<br />
erfolgreich ist (christoph.schwab@web.de)<br />
128
Max<strong>im</strong> Galkin<br />
Der Mo<strong>der</strong>ator von WWM in<br />
Russland – Max<strong>im</strong> Galkin – ist 1976<br />
in Moskau geboren, hat Linguistik an<br />
<strong>der</strong> Staatlichen Humanitären<br />
Universität in Moskau studiert und<br />
arbeitet <strong>der</strong>zeit an <strong>der</strong> Dissertation <strong>im</strong><br />
Bereich Ver<strong>gleichen</strong>de Sprach-<br />
wissenschaft. Noch in den mittleren<br />
Klassen <strong>der</strong> Schule begann er, Parodien auf prominente Leute zu machen.<br />
1994 debütierte er auf <strong>der</strong> professionellen Bühne mit Parodien auf Jelzin,<br />
Putin, Jirinowski. Seit 2001 ist er <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> populären <strong>Quiz</strong>-Sendung<br />
WWM <strong>im</strong> Ersten Kanal. Seitdem tritt Galkin neben den WWM-<br />
Aufzeichnungen mit eigenen Solo-Kabarett-Shows auf. „Als ich als<br />
Mo<strong>der</strong>ator in die WWM-Show eingeladen wurde, - so Galkin - dachte ich,<br />
dass für mich als Kabarettisten von Vorteil wäre, <strong>im</strong> Fernsehen öfter gesehen<br />
zu werden. Je besser mich das Publikum kennen wird, desto mehr Menschen<br />
kommen zu meinen Shows. Am Anfang fiel mir die neue Aufgabe schwer. Je<br />
länger ich aber die Sendung mo<strong>der</strong>iere, desto interessanter finde ich sie… Es<br />
ist bemerkenswert, dass die Menschen <strong>im</strong> Westen, die als Kandidaten zu<br />
WWM kommen, nur auf den Hauptgewinn setzen. Unsere Kandidaten<br />
interessiert das Geld nicht. Sie reizt <strong>der</strong> Spielprozess selbst“. 48<br />
Nach den Ergebnissen ist <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator von "Who Wants to be a<br />
Millionaire?" Regis Philbin <strong>der</strong> beste Mo<strong>der</strong>ator in <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Geschichte des <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong>s. Er hat dem Sen<strong>der</strong> ABC unzählige Millionen<br />
Gewinne eingebracht. Richtig bekannt aber wurde er nach <strong>der</strong> Rolle in dem<br />
Film von Woody Allen Everything You Always Wanted to Know About Sex,<br />
But Were Afraid to Ask, wo er eine Karikatur eines Mo<strong>der</strong>ators darstellt.<br />
Durch die Popularität des Spiels werden einige Mo<strong>der</strong>atoren genauso beliebt.<br />
Im Madame Tussaud´s Wachsfigurenkabinett in London findet man eine<br />
48<br />
Interview mit Max<strong>im</strong> Galkin in "Факты и комментарии" (Fakten und Kommentare) vom<br />
3. August 2001<br />
129
Wachsfigur von Chris Tarrant, dem berühmten britischen Mo<strong>der</strong>ator von<br />
WWM. In Großbritannien sehen 10 bis 11 Mio. Zuschauer die Sendung<br />
WWM. Ihre Ratings sind die höchsten. Nach Meinung von Chris Tarrant:<br />
Wenn WWM einmal in <strong>der</strong> Woche samstags gesendet wird, ist die Sendung<br />
für die nächsten 100 Jahre gesichert. 49<br />
Der Erfolg einer Sendung hängt in vieler Hinsicht vom Mo<strong>der</strong>ator ab. <strong>Die</strong><br />
ganze Sendung ist von seiner Persönlichkeit, seinem Charakter geprägt, auch<br />
wenn er Off-Screen arbeitet.<br />
Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov<br />
Der Mo<strong>der</strong>ator von „Что? Где? Когда“ (Was? Wo?<br />
Wann?) Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov, zum Beispiel, wurde<br />
von einer zentralen Zeitung „Inkognito aus<br />
Ostankino“ 50 genannt. Im Unterschied zu den an<strong>der</strong>en<br />
Kollegen-Mo<strong>der</strong>atoren ist er auf dem Bildschirm<br />
nicht zu sehen. In Live-Übertragungen seines<br />
intellektuellen Spiels ist nur seine St<strong>im</strong>me <strong>im</strong>mer<br />
präsent. <strong>Die</strong>s verschafft einen unikalen<br />
Anziehungseffekt für die Zuschauer und ein wachsendes Interesse an <strong>der</strong><br />
Person des versteckten Mo<strong>der</strong>ators und an dem Szenario (er selbst nannte es<br />
Doku-Spektakel), das er live leitet und mit erstaunlicher Leichtigkeit<br />
manipuliert. Das Interesse an Wissen, <strong>der</strong> Geschmack von inhaltsreicher<br />
Kommunikation, <strong>der</strong> Wunsch, seine Kräfte <strong>im</strong> intellektuellen Kampf zu testen<br />
– das alles inspiriert die Menschen, beson<strong>der</strong>s die jungen, zum Spiel WWW,<br />
das von Voroshilov erfunden und ständig weiter entwickelt wurde.<br />
Von 29. März 1969 bis 6. November 1977 mo<strong>der</strong>ierte Ernst Stankovski die in<br />
den 70ern beliebte <strong>Quiz</strong>-Sendung "Erkennen Sie die Melodie" <strong>im</strong> ZDF und<br />
einmal <strong>im</strong> Monat fragte er seine <strong>Quiz</strong>kandidaten "Erkennen Sie die<br />
Melodie?". <strong>Die</strong> zu erratenden Musiktitel entstammten <strong>der</strong> Oper, <strong>der</strong> Operette<br />
und dem Musical. Falsche Dekorationen und Kostüme sollten die Kandidaten<br />
49 http://www.utro.ru/articles/200104131530309325.shtml ("Кто хочет стать миллионером?" –<br />
Джек-Пот более $2 Млн., 13.04.2001)<br />
50 Fernsehanstalt in Moskau<br />
130
verwirren. Außerdem stellte das "Ratekarussell" mit seinem verzwickten<br />
Motiv-Potpourri die Beteiligten vor Probleme. Eine Vielzahl bekannter<br />
Künstler von Oper, Operette und <strong>der</strong> leichten Muse traten als Gäste in <strong>der</strong><br />
Sendung auf. 1980 wurde die Sendung wie<strong>der</strong> aufgelegt, diesmal mit Johanna<br />
von Koczian, nach einem Jahr übernahm Günther Schramm. Doch am<br />
erfolgreichsten war sie mit Ernst Stankovski.<br />
Ernst Stankovski suchte man wohl hauptsächlich wegen seines Charmes und<br />
seiner wienerischen Eleganz für dieses <strong>Quiz</strong> aus. Er selbst - übrigens gelernter<br />
Friseur - war jedoch zu Recht <strong>der</strong> Meinung, dass er mehr könne und sah sich<br />
nicht als geborener <strong>Quiz</strong>master, son<strong>der</strong>n als Schauspieler, Sänger und<br />
Kabarettist. 51 Und als solcher war er ebenfalls sehr erfolgreich. Er spielte<br />
einige Instrumente und konnte sehr gut steppen.<br />
"ERKENNEN SIE DIE MELODIE?" (Угадай мелодию!)<br />
a<br />
Ernst Stankovski (Deutschland)<br />
V<br />
Valdis Pelsh (Russland)<br />
51 http://www.tv-nostalgie.de/Sound/Erkennensiediemelodie.htm<br />
131
<strong>Die</strong> russische Version mit dem Namen „Угадай мелодию“ (dt.: Rate die<br />
Melodie) lief gut und war sehr erfolgreich 5,5 Jahre und wurde dann<br />
unerwartet für meisten Zuschauer ein für allemal eingestellt. Der Mo<strong>der</strong>ator<br />
Valdis Pelsh erklärte in einem Interview für die russische Tageszeitung<br />
„Iswestija“ (Nachrichten) das plötzliches Ende des populären Pr<strong>im</strong>e-T<strong>im</strong>e-<br />
Quotenführers folgen<strong>der</strong>maßen: „Es entstand ein Gefühl <strong>der</strong> Müdigkeit von<br />
<strong>der</strong> Sendung sowohl bei <strong>der</strong> Produktionsfirma, als auch be<strong>im</strong> Sen<strong>der</strong>-Kanal.<br />
Es schien, dass sie auch den Zuschauern zu den Ohren herauskam. Obwohl<br />
mich lässt in <strong>der</strong> letzten Zeit <strong>der</strong> Gedanke nicht los, dass wir das zu unrecht<br />
gemacht hatten. Aber man will <strong>im</strong>mer etwas Besseres und Größeres. „Rate die<br />
Melodie“ hörte jedoch auf, sich weiterzuentwickeln. Daran lag das<br />
Problem.“ 52<br />
Bei den Format-Shows kann es auch sein, dass die Mo<strong>der</strong>atoren formatbedingt<br />
und quotengerecht eine an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Präsentation <strong>der</strong> Sendung zeigen.<br />
Der Umgangston <strong>der</strong> "<strong>Quiz</strong>-Domina" aus „Weakest Link“ (Der Schwächste<br />
fliegt) schockiert nicht nur die Spieler <strong>im</strong> Studio. Der harte Konkurrenzkampf,<br />
die kalte und gefühlslose Art <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation lassen keinen gleichgültig. <strong>Die</strong><br />
eingeübten abrupten Phrasen, die eingedrillten Bewegungen, eine eingefrorene<br />
M<strong>im</strong>ik und beinahe uniformierte Bekleidung sind das Kennzeichen dieses<br />
<strong>im</strong>portierten Fernsehformates.<br />
Jede richtig beantwortete Frage wird von <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>atorin mit einem harschen<br />
„Korrrrrrrekt“ erwi<strong>der</strong>t. Bevor <strong>der</strong> Schwächste gewählt wird, folgen nochmals<br />
markige Sprüche à la „Da wollen wir doch mal sehen, wer unsere kostbare<br />
Studioluft lang genug weggeatmet hat„ o<strong>der</strong> „In wessen Kopf steckt weniger<br />
Hirn als in einer Dose Chappi“ seitens <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>atorin. Nach dem <strong>der</strong><br />
Rausgewählte feststand, folgte <strong>der</strong> obligatorische Spruch „(Name des<br />
Kandidaten), du bist <strong>der</strong> Schwächste, du fliegst und tschüss“.<br />
52 http://www.izvestia.ru, Artikel von Anna Kovaljowa vom 25.05.02 "После провала будем больше<br />
шутить": "Возникло ощущение усталости от программы и у производителя, и у каналавещателя.<br />
Казалось, что и зрителям она надоела, хотя последнее время меня все чаще<br />
преследует мысль, что, может быть, зря мы это сделали. Но всегда хочется чего-то лучшего и<br />
большего, а "Угадай мелодию" перестала развиваться. Может, в этом вся проблема“.<br />
132
<strong>Die</strong> Originalsendung Weakest Link läuft 2007 <strong>im</strong>mer noch auf BBC. In<br />
Deutschland und Russland fand dieses <strong>Quiz</strong> kein großes Interesse.<br />
Weakest Link müsste in deutscher Version<br />
eigentlich mit Das schwächste Glied (<strong>der</strong><br />
Kette) übersetzt werden. (In <strong>der</strong> russischen<br />
Version hat <strong>der</strong> Titel die direkte Übersetzung –<br />
Слабое звено.) Mit diesem Titel wird<br />
verdeutlicht, dass die einzelnen Teilnehmer<br />
jeweils wie die Glie<strong>der</strong> einer Kette funktionieren, die nur so stark ist wie ihr<br />
schwächstes Glied, weshalb die Teams sich von eben diesem „schwächsten<br />
Glied“ trennen müssen. <strong>Die</strong>se Team-Auffassung steht <strong>im</strong> Kontrast zu<br />
mo<strong>der</strong>nen Auffassungen von Team-Geist - wo den Schwachen geholfen wird -<br />
und soll für die notwendigen menschlichen Spannungen unter den Mitstreitern<br />
sorgen.<br />
Vermutlich wegen <strong>der</strong> nahe liegenden und unangemessen albernen sexuellen<br />
Interpretierbarkeit <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Übersetzung Das schwächste Glied wurde<br />
die Show aber Der Schwächste fliegt! genannt, was ebenfalls das Spielprinzip<br />
treffend und knapp umschreibt, allerdings in einer saloppen<br />
Alternativformulierung des Grundprinzips <strong>der</strong> Darwinschen Auslese (Der<br />
Stärkste überlebt).<br />
Der Mo<strong>der</strong>ator als schwaches Glied in einer TV-Show-Kette ist eine seltene<br />
Erscheinung. Er kann besser o<strong>der</strong> schlechter werden, in sein Training aber<br />
wird viel investiert, mehr als für die Vorbereitung <strong>der</strong> Fragen. Der Mo<strong>der</strong>ator<br />
muss nicht beson<strong>der</strong>s intellektuell sein und alle Fragen und Antworten wissen.<br />
Aber manchmal kann das Schicksal ihm einen bösen Streich spielen – er<br />
bekommt eine falsche Antwort auf die gestellte Frage von <strong>der</strong> Redaktion. Der<br />
Mo<strong>der</strong>ator verkündet ein strenges Urteil: „Falsch!“ Der Spieler und die<br />
Zuschauer sind zuerst erstaunt und dann empört über die intellektuellen<br />
Fähigkeiten des Mo<strong>der</strong>ators.<br />
133
„DER SCHWÄCHSTE FLIEGT“ (Weakest Link / Слабое звено)<br />
Sonja Zietlow<br />
(deutsche Version)<br />
Anne Robinson (UK-Version)<br />
Maria Kisseleva<br />
(russische Version)<br />
Im Studio (Russland)<br />
134
Noch schl<strong>im</strong>mer ist, wenn es mehrere richtige Antworten gibt und <strong>der</strong><br />
Mo<strong>der</strong>ator nur eine Antwort weiß. So eine peinliche Situation war <strong>im</strong> letzten<br />
Spiel <strong>der</strong> russischen Version „Der schwächste fliegt“ (Weakest Link) zu<br />
sehen. Auf die Frage „Wer hat die 12 berühmten Heldentaten vollbracht? “<br />
antwortete <strong>der</strong> Spieler: „Herkules“ und war ziemlich erstaunt, als die<br />
Mo<strong>der</strong>atorin erwi<strong>der</strong>te: „Falsch! <strong>Die</strong> richtige Antwort ist Herakles“. <strong>Die</strong><br />
Mo<strong>der</strong>atorin muss nicht wissen, dass Herakles und Herkules die<br />
verschiedenen Schreibweisen von ein und demselben Namen sind. In <strong>der</strong><br />
Achtung <strong>der</strong> Zuschauer ist die Sendung sofort gesunken.<br />
Wenn wir die untersuchten <strong>Quiz</strong>- und Game-Shows betrachten, ist die Figur<br />
des Mo<strong>der</strong>ators ein untrennbarer Teil aller Fernsehformate. So kommt man zu<br />
<strong>der</strong> berechtigten Frage: Kann man in einem TV-Spiel überhaupt auf den<br />
Mo<strong>der</strong>ator verzichten? In Schach, Hockey und in vielen an<strong>der</strong>en Sportarten<br />
zum Beispiel gibt es Trainer, Richter, Assistenten, aber keinen Mo<strong>der</strong>ator. Im<br />
Fernsehgeschäft hängt die Qualität des Spiels <strong>im</strong> Wesentlichen von <strong>der</strong> Rolle<br />
des Mo<strong>der</strong>ators ab.<br />
135
<strong>Die</strong> wichtigste Aufgabe eines <strong>Quiz</strong>-Meisters ist, die Fragen neutral und<br />
objektiv anzukündigen. Das Vorlesen <strong>der</strong> Frage ist eine Einladung zum Spiel,<br />
zu einem Kampf, Duell. <strong>Die</strong> Auswahl <strong>der</strong> „Waffen“ (wie er die Frage stellt)<br />
liegt auch bei dem neutralen Profi-<strong>Quiz</strong>master. Bei <strong>der</strong> Ankündigung <strong>der</strong><br />
Frage übermittelt er den Spielern nicht nur seine eigene Sicht <strong>der</strong> Frage. Er<br />
kann durch die Intonation o<strong>der</strong> M<strong>im</strong>ik manchmal den Spieler auf eine falsche<br />
Fährte führen. Allgemein kann die Funktion des Mo<strong>der</strong>ators mit dem Öffnen<br />
des Deckels auf einem Topf ver<strong>gleichen</strong>, <strong>der</strong> eine heiße und köstliche Suppe<br />
enthält. Das feine und verführerische Aroma dieser Gourmetsuppe – die<br />
Pointe <strong>der</strong> Frage – verteilt und dosiert <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator.<br />
Es gibt Mo<strong>der</strong>atoren, bei denen (formatbezogen) <strong>der</strong> Mund nie still steht. So<br />
mo<strong>der</strong>ierte Valdis Pelsh „Угадай мелодию!“ (Rate die Melodie!). Er machte<br />
Ansagen, erklärte die Spielregeln, kontrollierte alle Geschehnisse und<br />
ermunterte die Teilnehmer, unterhielt sich mit den Zuschauern, scherzte,<br />
flirtete, manchmal spielte und sang er mit und vergab anschließend die<br />
Punkte. Desto größer war <strong>der</strong> Kontrast zu seiner späteren neuen<br />
Mo<strong>der</strong>atorenleistung in <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Show „Russisch Roulette“ (Originalformat<br />
kommt aus den USA - von Columbia Tristar International Television), wo er<br />
die Rolle eines strengen, wortkargen und seriösen <strong>Quiz</strong>-Meister übernahm.<br />
<strong>Die</strong> Mo<strong>der</strong>atoren sind Menschen mit vielen Gesichtern – Conferencier<br />
(Ansager), Entertainer, Richter, Journalist, Reporter, Regisseur – alles in<br />
einem, ein Multitalent. Mit so einem Mo<strong>der</strong>ator kann es sehr lustig und<br />
amüsant werden. Wenn wir aus solchem Spiel den Mo<strong>der</strong>atoren wegnehmen,<br />
wird alles sofort aus <strong>der</strong> Reihe tanzen. Je weniger aber das Spiel von einem<br />
Mo<strong>der</strong>ator abhängt, desto hochwertiger und professioneller ist es.<br />
136
„РУССКАЯ РУЛЕТКА” (Russisch Roulette)<br />
Russisch Roulette<br />
Im Studio<br />
Valdis Pelsh (Mo<strong>der</strong>ator)<br />
„Das wichtigste für einen Mo<strong>der</strong>ator, was ihm das Recht auf seine Präsenz auf<br />
<strong>der</strong> Bühne gibt, ist eine bedingungslos Liebe, eine Begeisterung für den<br />
eigentlichen Prozess des Spiels. Wenn Sie richtig an den Geschehnissen<br />
interessiert sind, wenn es für Sie <strong>im</strong> gegebenen Moment nichts Wichtigeres <strong>im</strong><br />
Leben gibt, seien Sie sicher – Sie dürfen dieses Spiel mo<strong>der</strong>ieren. Dann<br />
erkennen, erspüren Sie mit dem ganzen Herzen seine Großartigkeit und<br />
unbestrittene Priorität. Dann verstehen Sie die ganze Umgebung den<br />
Interessen des Spiels dienstbar zu machen. Dagegen alles, was das Spiel, seine<br />
Prestige, sein Autorität stört, lernen Sie schnell sofort und gnadenlos<br />
wegzulassen,“ – daran sieht <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator des russischen Game-Show „Was,<br />
wo, wann?“ Voroshilov das Credo eines Mo<strong>der</strong>ators. 53<br />
53 „Феномен игры“ В.Ворошилов („Phänomen des Spiels“ V.Voroshilov): „Главное, что дает<br />
ведущему право быть на сцене, - безусловно, это любовь, увлеченность самим процессом игры.<br />
Если вы по-настоящему заинтересованы происходящим, если в данный момент нет для вас<br />
более важного дела в жизни, не беспокойтесь, вы можете вести эту игру. И тогда вы признаете,<br />
137
Also, durch die persönlich eingebrachte Leistung und die vom Publikum<br />
entgegengebrachte große Sympathie ist je<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator sicherlich ein<br />
wichtiges Glied <strong>im</strong> Erfolg <strong>der</strong> Sendung – allerdings nicht das einzige!<br />
DIE MODERATOREN VON „WHO WANTS TO BE A MILLIONAIRE?“<br />
Chris Tarrant (Großbritannien)<br />
Der populärste englische Fernseh- und<br />
Radiomo<strong>der</strong>ator. Seit 1998 mo<strong>der</strong>iert er die<br />
<strong>Quiz</strong>-Show „Who Wants to Be a<br />
Millionaire?“ in ITV1. Er ist so beliebt,<br />
dass seine Wachsfigur <strong>im</strong> Madame<br />
Tussaud´s Wachsfiguren Museum in<br />
Frankreich ausgestellt wurde.<br />
Jean-Pierre Foucault (Frankreich)<br />
Der bekannte französische Fernseh- und<br />
Radiomo<strong>der</strong>ator. Seit 1982 <strong>im</strong><br />
Fernsehgeschäft (begann bei RMC). Der<br />
erste Erfolg kam 1982 mit dem<br />
Fernsehprojekt «l'Académie des neuf». Seit<br />
1987 arbeitet er an TF1, wo «Qui veut<br />
gagner des millions?» seit 2000<br />
ausgestrahlt wird. Gegenwärtig mo<strong>der</strong>iert<br />
er auch «Balavoine, 20 ans déjà», «Je suis<br />
une célébrité sortez moi de là», «Le<br />
meilleur des célébrités».<br />
Shah Rukh Khan (Indien)<br />
Indiens Bollywood-Superstar, seit 2006<br />
übern<strong>im</strong>mt er die Mo<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>show<br />
Kaun Banega Crorepati - <strong>der</strong> indischen<br />
Ausgabe von "Wer wird Millionär" - und<br />
wagt sich damit auf ein völlig neues<br />
Terrain.<br />
Gerry Scotti (Italien)<br />
Einer <strong>der</strong> populärsten Mo<strong>der</strong>atoren des<br />
italienischen Canale 5. Er begann 1982 als<br />
DJ <strong>im</strong> «Radio Deejay». Gegenwärtig<br />
mo<strong>der</strong>iert er «Passaparola», «La Corrida»,<br />
«Striscia lanotizia» u. a. Dank seiner<br />
originellen Mo<strong>der</strong>ationsart ist er <strong>der</strong><br />
почувствуете всем сердцем ее величие, ее Liebling бесспорный Italiens. приоритет. Übrigens, И тогда вы подчините er ist <strong>der</strong> все<br />
окружающее вас только интересам игры. А все, что будет мешать игре, ее престижу,<br />
авторитету, вы научитесь тут же безжалостно einzige, отметать. <strong>der</strong> Таково, zu <strong>der</strong> на мой „Millionär“-Musik<br />
взгляд, кредо любого<br />
ведущего.“<br />
tanzen konnte.<br />
138
Günter Jauch (Deutschland)<br />
Der Mo<strong>der</strong>ator vom Sendestart <strong>der</strong><br />
<strong>Quiz</strong>show „Wer wird Millionär?“ in<br />
Deutschland. Einer <strong>der</strong> beliebtesten<br />
Fernsehshowmaster in Deutschland,<br />
Fernsehjournalist und Fernsehproduzent.<br />
Außerdem mo<strong>der</strong>iert Günther Jauch<br />
folgende Sendungen: „Stern TV“<br />
(Talkshow), „Menschen, Bil<strong>der</strong>, Emotionen“<br />
(jährliche Show über bedeutendste<br />
Highlights des vergangenen Jahres), „<strong>Die</strong> 5<br />
Millionen SKL Show“, „Der Große IQ-<br />
Dmitri Dibrov (Russland)<br />
Journalist, Fernsehmo<strong>der</strong>ator und Musiker,<br />
von 1999 bis 2001 mo<strong>der</strong>ierte er die erste<br />
Version „WWM“ («О, Счастливчик!») <strong>im</strong><br />
НТВ (NTV). <strong>Die</strong>se WWM-Show wurde als<br />
beste Gameshow-2001 ausgezeichnet und<br />
hat den TEFI-Preis (den höchsten Preis <strong>der</strong><br />
russischen nationalen Fernsehakademie)<br />
bekommen.<br />
Max<strong>im</strong> Galkin (Russland)<br />
Der gegenwärtige Mo<strong>der</strong>ator von <strong>der</strong><br />
<strong>Quiz</strong>show „ WWM“ («Кто хочет стать<br />
миллионером?»), die vom 19. Februar 2001<br />
bis heute <strong>im</strong> ОРТ (ORT) ausgestrahlt wird.<br />
Der bekannte Parodist (Parodien auf<br />
Politiker, Künstler, Popsänger und TV-<br />
Mo<strong>der</strong>atoren), spricht fließend Englisch,<br />
Französisch, Deutsch, mo<strong>der</strong>iert mehrere<br />
TV-Musik-Shows und Galakonzerte.<br />
Carlos Sobera (Spanien)<br />
Rechtsanwalt, arbeitet aber seit 1997 <strong>im</strong><br />
Fernsehen. 1982 spielte er zum ersten Mal<br />
<strong>im</strong> Film «Quítate tú 'pa' ponerme yo». Er ist<br />
einer <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> vom Theater «La<br />
espuela» und <strong>der</strong> Mitarbeiter vom «Aula de<br />
Teatro de la Universidad del País Vasco».<br />
2000 wurde er Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> Gameshow<br />
«50 por 15» <strong>im</strong> Fernsehkanal Telecinco<br />
(später «Quién quiere ser millonario?» <strong>im</strong><br />
Fernsehkanal Antena 3).<br />
139
3.3. <strong>Die</strong> Fragen und die Antworten<br />
Alle <strong>Quiz</strong>-Sendungen sind nach dem <strong>gleichen</strong> „Frage-Antwort“-Prinzip<br />
aufgebaut.<br />
<strong>Die</strong> Formatsendungen, so wie bei „WWM“, sind strukturell und äußerlich in<br />
allen Län<strong>der</strong>n identisch. Für die inhaltlichen Unterschiede sorgen die vorher<br />
von einem jeweiligen speziellen Profi-Team sorgfältig vorbereiteten, aber<br />
vom Computer zufällig ausgewählten Fragen und best<strong>im</strong>mte<br />
Ankündigungstechniken, die die gecasteten Mo<strong>der</strong>atoren schnell beherrschen.<br />
Jedoch je<strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-Meister und auch je<strong>der</strong> Spieler bringen in die Show eine<br />
eigene persönliche und unberechenbare Note. <strong>Die</strong>s kann jedem Moment <strong>im</strong><br />
<strong>im</strong>provisierten Dialog eine Lebendigkeit und Spontaneität verleihen, aber<br />
manchmal auch eine gegenseitige Wirkung zeigen. Der erfahrene Mo<strong>der</strong>ator<br />
(o<strong>der</strong> die Regie) spürt es sofort, wenn die Situation aus dem Ru<strong>der</strong> zu laufen<br />
droht. Der langweilige o<strong>der</strong> verklemmte Kandidat wird nicht „verschont“ und<br />
kann schon nach <strong>der</strong> ersten Frage sein Spiel beenden.<br />
Regis Philbin (USA)<br />
Regis ist <strong>im</strong> TV-Geschäft seit den 50ern.<br />
Mehrmals wurde er für einen „Emmy“ (<strong>der</strong><br />
bedeutendste Fernsehpreis <strong>der</strong> USA)<br />
nominiert als bester Mo<strong>der</strong>ator von Game-<br />
Shows, Talkshows und als Sänger. Sein<br />
Name steht <strong>im</strong> Guinness-Buch <strong>der</strong> Rekorde<br />
als Mensch, <strong>der</strong> am häufigsten vor <strong>der</strong><br />
Kamera steht. Von 1999 bis 2003<br />
mo<strong>der</strong>ierte er die WWM-Show und<br />
„SuperMillionaire“ bei ABC.<br />
Wenn man verschiedene Versionen <strong>der</strong> gleichnamigen <strong>Quiz</strong>-Shows<br />
vergleicht, kann man sowohl die gelungenen Leistungen als auch skurrilen<br />
Momente, die lei<strong>der</strong> unvermeidbar sind, deutlicher sehen. Wie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator<br />
aus solchen Pannen-Situationen herauskommt, zeigt seine Professionalität.<br />
140
Sogar bei <strong>der</strong> Ankündigung <strong>der</strong> Frage<br />
wi<strong>der</strong>spiegelt sich die Persönlichkeit<br />
eines <strong>Quiz</strong>-Meisters. Zum Beispiel <strong>der</strong><br />
italienische Mo<strong>der</strong>ator von „WWM“<br />
Gerry Scotti (Canale 5) hat ein<br />
eigenartiges und sehr kreatives Modell,<br />
Fragen zu stellen. Er kleidet die<br />
einfachen Fragen in eine ungewöhnliche Form ein. Statt einfach vorzulesen:<br />
„Was ist...?“, was an<strong>der</strong>e Kollegen in jeweiligen internationalen Versionen<br />
üblicherweise machen, fängt er von weitem an: „Nehmen wir an, dass Sie in<br />
ein indisches Restaurant gekommen sind und eine Speise bestellt haben. Was<br />
bekommen Sie?“ O<strong>der</strong> statt <strong>der</strong> direkten Frage: „In welchem Jahr…?“<br />
<strong>im</strong>provisiert er weiter: „Wer unter den gegebenen Personen konnte kein<br />
Faxgerät bedienen?“ Es gibt noch eine Beson<strong>der</strong>heit in <strong>der</strong> Sendung von<br />
Scotti: Unmittelbar nach je<strong>der</strong> richtig beantworteten Frage bekommt <strong>der</strong><br />
Spieler den ihm zustehenden Cheque. Er wird in <strong>der</strong> Großaufnahme den<br />
Zuschauern gezeigt, damit keinen Zweifel aufkommt, dass hier alles ernst und<br />
real ist. Vor <strong>der</strong> nächsten Antwort aber gibt <strong>der</strong> Spieler diesen Cheque zurück<br />
und versucht eine größere Summe zu gewinnen.<br />
In einer italienischen WWM-Folge lautete eine Frage: „Wieviel Welpen gab<br />
es <strong>im</strong> Disney´s Märchen von den Dalmatinern?“ Der Kandidat antwortete<br />
selbstverständlich: „101“. Der Mo<strong>der</strong>ator Gerry Scotti wollte gerade das<br />
erfreuliche „Richtig!“ aussprechen, erblickte aber <strong>im</strong> letzten Moment seinen<br />
Monitor und griff sich fassungslos an den Kopf… <strong>Die</strong> richtige Antwort war –<br />
„99“ (99 Welpen + Mutter + Vater). Der Kandidat verließ das Studio ohne<br />
Gewinn.<br />
Günter Jauch (deutsche Version) mo<strong>der</strong>iert<br />
souverän und etwas reserviert, wie man es <strong>im</strong><br />
Norden kennt. <strong>Die</strong> Temperamente <strong>der</strong><br />
Deutschen und Italiener sind einfach<br />
unterschiedlich.<br />
Gerry Scotti<br />
Günter Jauch<br />
141
Wenn wir bedenken, dass die <strong>Quiz</strong>-Sendungen zur Verbreitung von<br />
Allgemein- o<strong>der</strong> Spezialwissen beitragen sollen, können wir lei<strong>der</strong> feststellen,<br />
dass diese Funktion eher als gering eingeschätzt werden muss. In dieser<br />
Meinung sind sich viele Medienwissenschaftler sowohl in Russland, als auch<br />
in Deutschland einig. (Vergl.: Gerd Hallenberger und I.A. Poluechtova)<br />
Nach <strong>der</strong> Wissensgrad <strong>der</strong> Fragen in einem <strong>Quiz</strong> kann man nicht (und soll<br />
man nicht) über die Intelligenz und das Allgemeinwissen desjenigen Volkes<br />
urteilen. Aber manchmal kommen einige Exemplare (unabhängig vom Alter)<br />
ins Studio, die die einfachsten Fragen nicht beantworten können. Solche<br />
Beispiele kommen in jedem Land vor. So konnte in <strong>der</strong> russischen Version<br />
WWM ein Mann mittleren Alters nicht erklären, was Bronze ist. Eine auf den<br />
ersten Blick intelligente Frau hat dem Mo<strong>der</strong>ator gestanden, dass sie noch nie<br />
von solchen Künstlern wie Cézanne gehört hat. Eine junge Abiturientin hatte<br />
keine Ahnung von Puschkins Märchen „Ruslan und Ludmila“ (das Werk, das<br />
<strong>im</strong> Schulprogramm steht). Eine italienische Kandidatin hat lange Zeit<br />
zwischen zwei nach dem 50:50 Joker gebliebenen Varianten geraten, wer das<br />
Buch „Sherlock Holmes“ geschrieben hat: Agatha Christie o<strong>der</strong> Artur Conan<br />
Doyle.<br />
Keiner erwartet, dass <strong>der</strong> russische Rentner etwas über „Led Zeppelin“ o<strong>der</strong><br />
Paris Hilton weiß o<strong>der</strong> ein deutscher Schüler den Namen des letzten UdSSR-<br />
Generalsekretärs <strong>der</strong> KPdSU nennt. Aber wenn jemand etwas <strong>im</strong> <strong>Quiz</strong><br />
gewinnen möchte, soll er schon ein höheres Niveau mitbringen.<br />
In England gibt es viele Fragen über die Royals Familie, Golf und Reiten, was<br />
<strong>der</strong> russischen Mentalität absolut fremd ist. Ebenso viel gibt es in Russland<br />
landesspezifische Fragen über die Generalsekretäre <strong>der</strong> KPdSU, Vodka und<br />
den Sportclub „Spartak“, was für einen Englän<strong>der</strong> kaum etwas bedeutet. <strong>Die</strong><br />
Fragen können statistisch nur nach <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Gewinne verglichen werden,<br />
die auf den Schwierigkeitsgrad hinweisen. <strong>Die</strong> Fragen für die<br />
Formatsendungen werden nicht übersetzt und die Ideen für neue Fragen<br />
werden nicht aus Ausland <strong>im</strong>portiert.<br />
142
In <strong>der</strong> Ukraine zum Beispiel beträgt <strong>der</strong> Preisfond 1 Mio. Griven, was in <strong>der</strong><br />
Umrechnung fünfmal mehr als in Russland ist. Aber diese „brü<strong>der</strong>lichen<br />
Slawen“ sind nicht beson<strong>der</strong>s freigiebig: <strong>der</strong> größte gewonnene Preis<br />
überschreitet nicht 32.000 Griven (5.000 Euro). <strong>Die</strong> dramatischen Szenen ums<br />
Geld beginnen nicht ab 16.000 (Vergl.: Russland), son<strong>der</strong>n schon ab 1.000.<br />
Mit dieser Stufe erhöht sich <strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong> danach folgenden<br />
Fragen.<br />
In den USA sind die Fragen wesentlich<br />
leichter als in Europa. Da gibt es schon 11<br />
Hauptgewinner. Beson<strong>der</strong>s zu beklagen ist<br />
die Versicherungsfirma, die den Preisfond<br />
<strong>der</strong> WWM-Show sichert, sie droht schon<br />
mit einer Klage. <strong>Die</strong> meisten Millionen-<br />
Gewinner wohnen übrigens <strong>im</strong> Land <strong>der</strong><br />
aufgehenden Sonne – Japan (20).<br />
<strong>Die</strong> Kandidaten bei WWM haben genug Bedenkzeit. Kein Zeitl<strong>im</strong>it stört ihren<br />
Gedankengang. Manchmal können die Authentizität <strong>der</strong> Person, ihr<br />
unverstellbar natürliches und charismatisches Verhalten und Reaktionen, die<br />
sich be<strong>im</strong> Antworten offenbaren, zum Höhepunkt des Spiels werden. So ein<br />
Szenario kann von keinem Redakteur <strong>im</strong> Vorfeld geschrieben werden. In<br />
dieser Situation hängt vieles, wenn nicht alles, vom Mo<strong>der</strong>ator ab. Es muss<br />
doch für Zuschauer <strong>im</strong>mer spannend bleiben.<br />
Japanische Version von WWM<br />
In <strong>der</strong> italienischen Version von WWM gab es eine sehr dramatische<br />
Sendung. Eine junge Frau erreichte die letzte Stufe: es blieb nur die letzte<br />
Frage, die sie von einer Milliarde Lira (bevor Euro kam) trennte. <strong>Die</strong> Frage<br />
war nicht einfach: sie sollte ein Musikinstrument nennen, das einer bekannter<br />
Jazzmusiker und Komponist spielte. <strong>Die</strong>se Frage konnte nur ein Kenner <strong>der</strong><br />
Jazzmusik beantworten, zu denen die Frau nicht gehörte. Sie entschloss sich<br />
zu riskieren. Obwohl <strong>der</strong> Name des Musikers ihr geläufig war, hat sie<br />
praktisch die ganze Sendung lang überlegt. Es ging um eine Milliarde Lira<br />
143
und ganz Italien saß vor dem Bildschirm mit angehaltenem Atem wie bei <strong>der</strong><br />
Fußball-WM. Als Mo<strong>der</strong>ator Scotti langsam und extra verzögernd die richtige<br />
Antwort las, saß die Frau da blass wie <strong>der</strong> Tod. Als Scotti erklärte, dass sie<br />
zwei Musiker mit dem <strong>gleichen</strong> Namen verwechselt hat, flossen die Tränen<br />
aus ihren Augen. Es ist nicht schwer vorzustellen, dass alle Hausfrauen<br />
Italiens mit ihr zusammen weinten. <strong>Die</strong> Großaufnahmen von <strong>der</strong><br />
schluchzenden Kandidatin mit <strong>der</strong> bis zu den Wangen verschmierten Mascara<br />
ließen die Einschaltquoten alle D<strong>im</strong>ensionen sprengen. Als Scotti letztendlich<br />
mit seinen Erklärungspassagen fertig war und das abschließende Urteil<br />
mitteilen wollte, verkündete er die junge Frau als Milliardärin. Obwohl sie<br />
beide betroffenen Musiker verwechselt hatte, war das zum Glück nicht<br />
schl<strong>im</strong>m, weil beide dasselbe Instrument spielten. Da atmete das ganze Land<br />
mit Erleichterung auf.<br />
<strong>Die</strong> Fragen haben wohl eine offensichtliche Funktion – das Schaffen von<br />
Interaktivität. Der Zuschauer wird bewusst in die gleiche Situation versetzt<br />
wie <strong>der</strong> Kandidat <strong>im</strong> Studio, die Fragen werden auch ihm gestellt (o<strong>der</strong> er<br />
stellt sich das vor). Doch was reizt den Zuschauer an dieser Interaktivität? <strong>Die</strong><br />
menschliche Eigenschaft, unbewusst alles auf sich zu beziehen, wird damit<br />
direkt befriedigt. Ein wichtiger Faktor ist best<strong>im</strong>mt, dass er sich ernst<br />
genommen fühlt. Auch er könnte sich als Kandidat bewerben. Doch das ist<br />
nicht alles! <strong>Die</strong> Fragen lassen dem Zuschauer viel Freiraum für eigene<br />
Gedanken. Zum Beispiel lautet die Frage: ,,Wo hat <strong>der</strong> Fernsehkanal ARTE<br />
seinen Sitz?" (A Paris B Straßburg C Mainz D Baden-Baden) wird <strong>der</strong><br />
Zuschauer in Gedanken vielleicht zunächst das ARTE-Logo sehen, sich dann<br />
an seinen letzten Urlaub in Paris erinnern und überlegen, wo er schon einmal<br />
etwas über den Sen<strong>der</strong> gelesen o<strong>der</strong> gehört hat. Er wird dabei vom Kandidaten<br />
<strong>im</strong> Studio unterstützt, <strong>der</strong> dazu verpflichtet wird, seinen Gedankengang<br />
preiszugeben. Dadurch, dass die Fragen die unterschiedlichsten<br />
Themengebiete abdecken, erlauben sie den verschiedensten Leuten, eine<br />
bedeutsame Erfahrung zu machen, die oft weit intensiver ist als ihre<br />
alltägliche Routine.<br />
144
Dirk Blothner stellt in seinem Buch ,,Erlebniswelt Kino" auf Grund von<br />
Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen diesen Erlebensprozessen<br />
und dem Erfolg von Spielfilmen fest: Je intensiver Platz für eigene<br />
Gedankengänge gelassen wird, desto besser gefällt dem Zuschauer <strong>der</strong> Film. 54<br />
Da WWM diesen unbewussten Prozess in großem Maße auch för<strong>der</strong>t, kann<br />
man davon ausgehen, dass dies <strong>im</strong> Wesentlichen zum Erfolg <strong>der</strong> Sendung<br />
beiträgt.<br />
Noch einen weiteren Vorteil hat die Themenvielfalt <strong>der</strong> gestellten <strong>im</strong> <strong>Quiz</strong><br />
Fragen: Je<strong>der</strong> kann einmal mit Wissen glänzen o<strong>der</strong> sich selbst bestätigt<br />
fühlen, indem er mehr weiß als <strong>der</strong> Kandidat. Kin<strong>der</strong> wissen z.B., dass<br />
,,Mautzi" ein Pokemon ist, und die Mama kann etwas mit ,,Frida Lyngstad"<br />
(Sängerin aus ABBA) anfangen. So wird jedem Zuschauer ein Erfolgsgefühl<br />
gegönnt und die Kommunikation, od. so genannte Interaktivität, vor dem<br />
Bildschirm wird stattfinden.<br />
<strong>Die</strong> Fragen für die <strong>Quiz</strong>-Show werden von einer speziellen Redaktion<br />
ausgesucht, sorgfältig überprüft und vor <strong>der</strong> Aufzeichnung <strong>der</strong> Sendung <strong>im</strong><br />
Computer gespeichert. <strong>Die</strong> meisten von ihnen brauchen keine beson<strong>der</strong>en<br />
Kenntnisse, sie prüfen nur, welchen Umfang <strong>der</strong> Massenkultur <strong>der</strong> normale<br />
Mensch aufnehmen kann. Z.B.: In welcher Reihenfolge wurden die Filme von<br />
Woody Allen gedreht? O<strong>der</strong>: Was bedeutet es, wenn Sie <strong>im</strong> Office eine<br />
Benachrichtigung auf rosa Blattpapier bekommen? – Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> in Amerika<br />
war, weißt, dass dieses rosa Blattpapier eine Kündigung bedeutet. O<strong>der</strong>:<br />
Wieviel Zellen hat die Amöbe? usw. Alle diese Fragen mit meistens unnötiger<br />
Information för<strong>der</strong>n keine Kenntnisse, kein Intellekt nur ein mechanisches<br />
Gedächtnis.<br />
54 Blothner, Dirk: Erlebniswelt Kino. Wirksame Filmthemen, Bergisch Gladbach, 1999<br />
145
Suche nach den Fragen<br />
Für die russische Version <strong>der</strong> WWM ist ein Team aus 4 Autoren von <strong>der</strong><br />
Programmredaktion für die Fragen zuständig. 55 Sie müssen ein<br />
Informationsgespür haben, um die Fragen nach den best<strong>im</strong>mten Themen<br />
auszusuchen, dann werden diese Fragen von 2 weiteren Mitarbeitern nach<br />
Quellen und die Antworten nach Richtigkeit überprüft. Außerdem arbeiten für<br />
die Redaktion rund 20 freiberufliche Autoren. Sie bringen die Fragen mit den<br />
Antworten-Varianten und mit dem Hinweis auf die Quelle. Wenn keine<br />
Antworten-Varianten hinzufügt sind, denkt das Redaktionsteam sie aus. Um<br />
den Klang und die Schärfe <strong>der</strong> Frage kümmert sich anschließend <strong>der</strong> Chef-<br />
Redakteur.<br />
Je<strong>der</strong> Autor bringt in <strong>der</strong> Regel wöchentlich fast 200 Fragen, 30 von ihnen<br />
werden <strong>im</strong> besten Fall für die weitere Bearbeitung aussortiert. Hauptfor<strong>der</strong>ung<br />
an die Fragen – Einfachheit. Um sie zu beantworten, sollen die Kandidaten<br />
keine spezielle Ausbildung haben. Z.B. die Frage: Zu welcher Art <strong>der</strong><br />
Erdschichten gehört <strong>der</strong> Sand? – A: Alluvium, B: Kolluvium, C: Proluvium,<br />
D: Elluvium. <strong>Die</strong> richtige Antwort – Alluvium (Marschboden). Obwohl diese<br />
millionenwert hoch eingeschätzte Frage gut ist, kann sie aber nicht ins Spiel<br />
genommen werden, weil sie nur ein ausgebildeter Geologe richtig<br />
beantworten kann.<br />
<strong>Die</strong> Fragen werden erst in 4 Kategorien eingeteilt: die Fragen für die<br />
Auswahlrunde, die lustigen, die einfachen und die schwierigen Fragen. Man<br />
kann natürlich fragen, wie <strong>der</strong> erste russische Kosmonaut Gagarin mit dem<br />
Vorname hieß. Aber WWM ist eine Unterhaltungsshow und kein Idiotentest.<br />
Oft akzentuieren die Fragen die Aufmerksamkeit auf ein unbemerktes Detail.<br />
Z.B.: Aus welchem Anlass fand <strong>der</strong> Ball statt, wo Tatjana und Eugen Onegin<br />
einan<strong>der</strong> kennen gelernt haben? (Namenstag) Allein <strong>im</strong> schulpflichtigen<br />
durchgelesenen Roman von A. Puschkin „Eugen Onegin“ gibt es Millionen<br />
Kleinigkeiten, sie alle kann man nicht <strong>im</strong> Gedächtnis behalten. Obwohl in<br />
55 www.novayagazeta.ru: Курсы ловли удачи за хвост: Как делается передача «Кто хочет стать<br />
миллионером», Надежда Прусенкова, 21.05.2001<br />
146
einem Spiel kannte <strong>der</strong> Kandidat das Buch von Michail Bulgakow „Der<br />
Meister und Margarita“ so gut, dass er sich nicht nur daran erinnern konnte,<br />
was Margarita auf dem Ball be<strong>im</strong> Satan getrunken hat, son<strong>der</strong>n zitierte: „Ich<br />
kann mir doch nicht erlauben, einer Dame Vodka einzuschenken! Das ist<br />
Feinsprit!“ <strong>Die</strong>ser Fall ist mehr eine Ausnahme. Übrigens, das Buch von<br />
Bulgakow ist für die russische Intelligenz eine Pflichtlektüre.<br />
Jeden Monat werden rund 500 neue fertige Fragen in den Computer<br />
eingetragen. <strong>Die</strong> gespielten Fragen werden automatisch aus dem Computer<br />
gelöscht. Einmal in drei Monaten überprüft <strong>der</strong> Chef-Redakteur den Bestand<br />
des Computers und „reinigt“ die Datenbank, löscht die Fragen, die nicht mehr<br />
aktuell sind.<br />
Tricks<br />
Es gibt einige Tricks bei <strong>der</strong> thematischen Auswahl <strong>der</strong> Frage. <strong>Die</strong><br />
Balletttänzerin bekommt auf keinen Fall die Frage über Zahl <strong>der</strong><br />
Umdrehungen in einer Fouetté und <strong>der</strong> Botaniker über die vegetative<br />
Vermehrung bei den Pflanzen. Das Computerprogramm ist so programmiert,<br />
dass manche Kategorien <strong>im</strong> Voraus ausgeschaltet werden können. <strong>Die</strong>se<br />
Funktion wird aber selten benutzt. Nicht je<strong>der</strong> Kandidat hat eine eng<br />
spezifische Ausbildung.<br />
Bei den Prominenten-Specials werden die Themenüberkreuzungen nicht<br />
beachtet. <strong>Die</strong> Gewinne gehen an karitative Projekte. <strong>Die</strong> prominenten Gäste<br />
bei solchen Sendungen werden in Russland sehr originell gemischt. Einmal<br />
zum Neujahrsfest versammelten sich die berühmten Journalisten von NTV,<br />
an<strong>der</strong>mal kamen die „Top 10“ aus dem Showbusiness, es gab sogar ein Spiel<br />
mit den Kandidaten zum Präsidenten.<br />
Der Haupttrick ist es, dass <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator, solange <strong>der</strong> Kandidat antwortet, die<br />
richtige Antwort nicht kennt. Auf dem Monitor leuchten zwei kleinen<br />
Quadrate – grün und orange. Wenn die Antwort des Kandidaten<br />
aufgenommen wurde und das orange Feld leuchtet, erscheint in einem <strong>der</strong><br />
147
Quadrate ein Punkt, den die Zuschauer hinter dem Rücken des Mo<strong>der</strong>ators<br />
nicht sehen können, aber wodurch <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator Bescheid weiß, ob die<br />
Antwort korrekt o<strong>der</strong> falsch war. Nun ab jetzt kann <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator den<br />
Kandidaten und die Zuschauer ein bisschen mit <strong>der</strong> Verzögerung bei <strong>der</strong><br />
Ankündigung <strong>der</strong> richtigen Antwort „quälen“. Gerade an diesem Moment<br />
kommt oft die Werbungspause und die Zuschauer Zuhause können anrufen<br />
und ihre Version <strong>der</strong> Antwort geben. <strong>Die</strong> Anrufe kosten extra Geld, damit<br />
werden zusätzliche Einnahmen des Sen<strong>der</strong>s erzielt.<br />
<strong>Die</strong> Fehler<br />
<strong>Die</strong> Wahrscheinlichkeit eines Fehlers gibt es <strong>im</strong>mer. Falls es zu einem Fehler<br />
kommt, hat <strong>der</strong> Kandidat das volle Recht, noch einmal zu spielen. Dabei fängt<br />
er mit <strong>der</strong> Fragenstufe an, bei <strong>der</strong> er rausflog.<br />
In <strong>der</strong> russischen Version von WWM gab es einen Fehler in <strong>der</strong> Sendung zum<br />
Frauentag am 8. März. <strong>Die</strong> Frage war: „<strong>Die</strong> Zweige welches Baums werden<br />
überall als M<strong>im</strong>ose verkauft?“ – A: Akazien, B: Zypresse, C: Weide, D: Eibe.<br />
<strong>Die</strong> richtige Antwort sollte „Akazien“ sein. <strong>Die</strong> Frage wurde überprüft und <strong>im</strong><br />
Computer gespeichert. Manchmal kann es dazu kommen, dass <strong>im</strong> Spiel<br />
mehrmals nacheinan<strong>der</strong> die Fragen mit den richtigen Antworten auf dem<br />
Buchstabe „A“ ausfallen. Daran gibt es nichts Schl<strong>im</strong>mes aber <strong>der</strong> Zuschauer<br />
kann misstrauisch werden. Im Fall mit den Akazien passierte dasselbe. <strong>Die</strong><br />
richtige Antwort sollte nun schnell auf einen an<strong>der</strong>en Buchstabe verlegt<br />
werden. In <strong>der</strong> Hektik verschwand die Variante „Akazien“ überhaupt aus <strong>der</strong><br />
Datenbank und wurde unerklärlich durch eine unnötige „Aster“ ersetzt. Den<br />
Fehler bemerkte man während des Spiels. <strong>Die</strong> fassungslose Kandidatin fand<br />
unter den vorgegebenen Antworten keine richtige, nahm das bisher<br />
gewonnene Geld und beendete das Spiel. Kurz danach haben die Autoren<br />
ihren Fehler öffentlich bekannt gemacht. <strong>Die</strong> Frau wurde noch einmal ins<br />
Studio eingeladen. Sie durfte mit <strong>der</strong> 9. Frage anfangen und hat anschließend<br />
64,000 Rubel erworben. <strong>Die</strong> Gerechtigkeit hat gesiegt.<br />
148
Der menschliche Faktor endet vor <strong>der</strong> Aufzeichnung, danach übern<strong>im</strong>mt alles<br />
die Technik, die auch mal versagen kann. In Großbritannien gab ein Kandidat<br />
eine falsche Antwort, <strong>der</strong> Computer erkannte sie aber als richtig und damit hat<br />
<strong>der</strong> Mann 125,000 Pfund gewonnen. Als <strong>der</strong> Fehler auffiel, durfte <strong>der</strong> Mann<br />
Geld <strong>im</strong>merhin behalten – Der Computer hat den Fehler gemacht.<br />
In <strong>der</strong> russischen Version von „Russisches Roulette“ sind nicht nur<br />
enzyklopädische Kenntnisse erfor<strong>der</strong>lich. <strong>Die</strong> Spieler werden hier be<strong>im</strong><br />
Antworten zusätzlich in eine äußerst nervenkitzelige Lage gebracht. Je<strong>der</strong><br />
Spieler bekommt ein spezielles Pulsmessgerät, damit wird die Stabilität des<br />
Nervensystems <strong>der</strong> Spieler für den Einzelnen unbemerkt kontrolliert. Wenn<br />
ein Spieler aufgeregt ist, nachdem er die Frage gehört hat, ist das ein Beweis,<br />
dass er die Antwort nicht kennt. Deshalb wird er als Erster aufgefor<strong>der</strong>t, seine<br />
Antwort zu geben. Nach einer unkorrekten Antwort zieht er einen Hebel und<br />
schaltet damit symbolisch ein Roulette ein. Wie be<strong>im</strong> Russisch Roulette gibt<br />
es eine drehbare Scheibe mit <strong>der</strong> Möglichkeit zu „sterben o<strong>der</strong> weiter zu<br />
leben“. Wenn er Glück hat, bleibt er weiter <strong>im</strong> Spiel. Wenn nicht – öffnet sich<br />
unter seinen Füßen ein Loch und er fällt unerwartet in einen Schacht unter die<br />
Bühne. Obwohl die Organisatoren behaupten, dass es gar nicht gefährlich ist,<br />
kostet dieses Erlebnis den Spielern viel Nerven.<br />
An<strong>der</strong>es <strong>Quiz</strong> – an<strong>der</strong>e Fragen<br />
Be<strong>im</strong> Aussuchten <strong>der</strong> Fragen für das Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was? Wo?<br />
Wann?) werden an<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt.<br />
Sowohl die Zuschauer als auch die Spieler sind lei<strong>der</strong> an das Denken in<br />
Schablonen gewöhnt. Das gesamte Ausbildungssystem (Lehrbücher,<br />
Vorlesungen, Prüfungen) verleitet die Menschen dazu.<br />
<strong>Die</strong> Aufnahmefähigkeit bei den meisten mo<strong>der</strong>nen Menschen ist auf<br />
Stereotypen, d.h. die in dem Bewusstsein gefestigten Assoziationen o<strong>der</strong><br />
Schemata aufgebaut. Von dieser mentalen Ebene aus kann das ganze<br />
Gefühlssystem gesteuert werden. <strong>Die</strong>s wissen alle Künstler, Schauspieler und<br />
149
Regisseure aus den verschiedensten Kunstrichtungen. Wenn <strong>der</strong> Zuschauer in<br />
<strong>der</strong> ersten Sekunde „nicht versteht“, was auf dem Bildschirm (Bühne usw.)<br />
passiert, wird es ihm langweilig und er bleibt nicht länger dran.<br />
An<strong>der</strong>erseits wenn es keinen Platz für neue Gedanken, Lösungen, Ideen gäbe,<br />
wäre es noch trauriger. <strong>Die</strong> Balance muss gehalten werden. Nur so erreichen<br />
die Produzenten ihr Ziel.<br />
Nicht an<strong>der</strong>s geht es be<strong>im</strong> <strong>Quiz</strong>. <strong>Die</strong> Sendungsmacher berücksichtigen alle<br />
Stereotypen <strong>der</strong> Gedanken- und <strong>der</strong> Gefühlsebene, manipulieren geschickt<br />
damit – entwe<strong>der</strong> zerstören sie o<strong>der</strong> bauen neu auf. Es wird gebastelt: Man<br />
nehme ein Thema, z.B. „Kennen Sie Bulgarien?“ o<strong>der</strong> „Was wissen Sie über<br />
Chemie?“ Der Mo<strong>der</strong>ator stellt die Fragen, die Spieler o<strong>der</strong> Zuschauer<br />
antworten, live o<strong>der</strong> auch nicht, die Gewinner bekommen irgendwelche Preise<br />
(Product Placement) o<strong>der</strong> einfach hohe o<strong>der</strong> kleinere Geldsummen… Dazu<br />
kommt ein Videobeitrag über die paradiesische Schönheit und über die<br />
Touristen anlockenden Ecken (o<strong>der</strong> über chemische Reaktionen und<br />
Forschungsprojekte), plus einen Song von einem bekannten bulgarischen<br />
Popsänger (o<strong>der</strong> ein Statement von einem anerkannten Wissenschaftler). Und<br />
somit ist ein <strong>Quiz</strong> fertig, genauer gesagt – sein Stereotyp.<br />
<strong>Die</strong> Hauptaufgabe des WWW-Spiels («Что? Где? Когда?» - «Was? Wo?<br />
Wann?») besteht darin, das stereotype Denken (Schablonedenken)<br />
aufzulockern. Dazu ein Beispiel:<br />
Frage:<br />
Hätten die alten Griechen den Roman von Dostojewski „Idiot“ gelesen, mit<br />
welchem Wort könnten sie die Hauptfigur dieses Romans bezeichnen?<br />
Minute für Besprechung:<br />
Aus <strong>der</strong> Erinnerung tauchen sämtliche Informationen über Griechenland auf.<br />
Das stereotype Denken herrscht. Das alte Griechenland ist das Land <strong>der</strong><br />
Philosophen, Dichter, Bildhauer, Sklaven, Plebejer und Patrizier, Sportler,<br />
Stadien, Kathedralen, Kriege… <strong>Die</strong>se Reihe kann weiter verlängert werden,<br />
150
eson<strong>der</strong>s wenn sich in die Besprechung 6 Spieler einschalten. Aber was<br />
haben alle diese Wörter mit dem Roman von Dostojewski, genauer gesagt mit<br />
dem Romanheld gemeinsames? Vielleicht ist er ein Philosoph? Im Roman<br />
philosophiert er oft. Mit demselben Erfolg kann man ihn als Plebejer<br />
bezeichnen. Er ist nach Sankt Petersburg völlig mittellos gekommen. Lei<strong>der</strong><br />
können diese Antworte nicht die einzigen sein. Und warum werden<br />
Griechischkenntnisse getestet? Nein, da ist etwas faul. Anscheinend ist diese<br />
Frage eine Provokation. Aber wo liegt sie?<br />
Antwort auf die Frage:<br />
Es geht darum, dass die Griechen den Romanheld genauso genannt hätten, wie<br />
Dostojewski ihn selbst, nämlich einen Idioten!<br />
Idiot – das ist ein griechisches Wort und bezeichnet einen Menschen, <strong>der</strong> nicht<br />
beamtet ist, keine Interesse für Politik und gesellschaftliches Leben hat.<br />
Be<strong>im</strong> Spiel WWW werden multiple Assoziationen ausgerufen, da kommen<br />
mehrere Genres zusammen:<br />
• WWW ist eine typische <strong>Quiz</strong>sendung;<br />
• WWW basiert auf einem typischen Wettbewerbprinzip wie <strong>im</strong> Sport. Da<br />
sind feste Regeln und Bedingungen, streitende (gegnerische)<br />
Mannschaften, Kommentare (wie Sportkommentare), Auszählung von<br />
Pluspunkten usw. vorhanden;<br />
• WWW ist ein Disput, eine Diskussion.<br />
Es bedeutet aber nicht, dass die Fragen für den „Club <strong>der</strong> Kenner“ (WWW)<br />
aus einem für die Mehrheit unbekannten Gebiet kommen sollen. Sie müssen<br />
genauso, wie in einer Kunst, etwas Bekanntes, Gewohntes und Alltägliches<br />
gleichzeitig darstellen, sie müssen die klischeehaften Assoziationen und<br />
Reaktionen <strong>der</strong> Zuschauer provozieren, aber gleichzeitig sie auch bestreiten,<br />
vom Kopf auf den Fuß stellen, das Bewusstsein <strong>der</strong> Zuschauer lockern. Das<br />
Unbekannte über etwas Bekanntem. Das Ungewöhnliche <strong>im</strong> Gewöhnlichen.<br />
Das Unglaubliche in einem Offensichtlichen. Das ist das Hauptkriterium bei<br />
<strong>der</strong> Fragenauswahl für WWW.<br />
151
Noch ein Beispiel:<br />
Frage:<br />
"Saepe stilum vertas" aus dem Latein bedeutet "Öfter deinen Stiel umdrehen".<br />
<strong>Die</strong>se Phrase wie<strong>der</strong>holten die Römer sehr oft. Wozu muss <strong>der</strong> Stiel so oft<br />
umgedreht werden?<br />
Minute <strong>der</strong> Besprechung:<br />
Das Schlüsselwort ist hier „Stiel“ (stilum). Man kann sich daran erinnern, dass<br />
man früher <strong>im</strong> Alten Rom auf Wachstafeln schrieb. Jemand kann bemerken,<br />
dass zwischen den Wörtern „Stiel“, „stilum“, „Stilett“. Stilett ist ein<br />
Schnappmesser. Vielleicht hat man mit solchen Messern – gespitzten<br />
Stäbchen – auf den Tafeln geschrieben? Wozu müssen sie dann umgedreht<br />
werden? Eine logische Sackgasse. Fangen wir von vorne an. Der<br />
philosophische Sinn dieser Phrase ist klar. „Deinen Stiel umdrehen“ bedeutet<br />
Vervollkommnung, Weiterentwicklung, Verfeinerung, Verschärfung. Das<br />
Stäbchen „stilum“ muss auch geschärft werden. Das Stäbchen hatte zwei<br />
gespitzte Enden. Wenn ein Ende stumpf wurde, wurde das Stäbchen<br />
umgedreht.<br />
Also, „öfter deinen Stiel umdrehen“ bedeutete für die Römer, einfach „mehr<br />
und öfter zu schreiben“.<br />
Antwort:<br />
<strong>Die</strong> Spieler waren sehr nah an <strong>der</strong> richtigen Antwort. Es fehlte nur ein Detail,<br />
ein logischer Schritt. Es ist schwer zu glauben, dass die Stäbchen bei <strong>der</strong><br />
Berührung mit <strong>der</strong> Wachstafel stumpf werden konnten. Das zweite Ende war<br />
stumpf. Damit konnte man das Geschriebene wegradieren. Jetzt wird <strong>der</strong> Sinn<br />
dieser Phrase deutlicher: Um die Fehler zu korrigieren (wegradieren), an<br />
seinem Stil zu arbeiten, muss man öfter das Stäbchen „stilum“ umdrehen.<br />
Bevor eine Frage den Spielern („Kennern“) gestellt wird, geht eine große<br />
Vorbereitungsarbeit voraus:<br />
- Auswahl <strong>der</strong> Frage aus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> zugesandten Zuschauerfragen,<br />
genauer gesagt – Auswahl des Themas;<br />
152
- Suche nach <strong>der</strong> Dynamik, Formulierung, d.h. dramaturgische Bearbeitung<br />
<strong>der</strong> Frage;<br />
- Ausarbeitung des Regiekonzeptes;<br />
- Musikalische Lösung, Licht, Dekoration;<br />
- Einschätzung <strong>der</strong> Antwort, Verkündung <strong>der</strong> Ergebnisse (in diesem Fall<br />
kennt <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator die richtige Antwort, er muss schnell reagieren, um das<br />
Wesentliche in <strong>der</strong> Antwort von dem Zufälligen zu trennen und das<br />
Wesentliche auf die Richtigkeit zu beurteilen. Während des Spiels gibt es für<br />
all dies bei <strong>der</strong> Live-Sendung keine Zeit);<br />
- Man muss zur richtigen Zeit und zum richtigen Ort die nötigen<br />
Informationen über die Spielregeln geben. <strong>Die</strong> Anmo<strong>der</strong>ation muss<br />
vorbereitet werden.<br />
Bevor die Show beginnt, wird sie be<strong>im</strong> Mo<strong>der</strong>ator <strong>im</strong> Kopf, in Gedanken und<br />
Phantasien durchgespielt. Schritt für Schritt. Der langjährige Mo<strong>der</strong>ator<br />
Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov vergleicht in seinem Buch „Das Phänomen des Spiels“ 56<br />
WWW mit dem Phänomen <strong>der</strong> Theaterkunst und bezeichnet WWW als<br />
„Dokumentationsspektakel“. Das Spiel wie in einem Stück ist auf einem<br />
Konflikt aufgebaut. Hier stehen zwei Kräfte gegeneinan<strong>der</strong>: die Kenner und<br />
die Zuschauer. In <strong>der</strong> Dramaturgie ist <strong>der</strong> Konflikt die Grundlage für die<br />
ganzen Geschehnisse. So ist alles bei WWW den dramaturgischen Gesetzen<br />
untergeordnet. Das Sujet und die Fabel bekommen ihre vollendete<br />
Entwicklung <strong>im</strong> Spiel mit seiner Exposition, Knoten, Kulmination und<br />
Auflösung, mit <strong>der</strong> komplizierten Verflechtung von Haupt- und Nebenlinien<br />
<strong>im</strong> Sujet. <strong>Die</strong> Haupt und Nebenrollen sind <strong>im</strong> Spiel auch vorhanden. Der<br />
Hauptfigur, ihr Charakter, das innere Gefühlsleben <strong>der</strong> Person offenbart sich<br />
<strong>im</strong> Spiel nicht nur genauso gut, son<strong>der</strong>n noch authentischer, wie in an<strong>der</strong>en<br />
verwandten darstellerischen Kunstarten – Theater und Film. Nur <strong>im</strong><br />
Unterschied ist die Show statt professioneller Akteure mit den normalen<br />
einfachen Leuten besetzt. Nicht ohne Grund lehrt eine Volksweisheit: „Im<br />
Spiele lernt man die Leute kennen.“<br />
56<br />
Владимир Ворошилов „Феномен игры", М, Советская Россия, 1982 („Das Phänomen des<br />
Spiels“ Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov)<br />
153
Also, <strong>der</strong> Dramaturg hat das Spiel geschrieben, <strong>der</strong> Regisseur hat es<br />
inszeniert, die Spieler spielen, die Zuschauer sehen es an. „Je ernster wir uns<br />
dem Fernsehspiel gegenüber wie ein Spektakel (Theaterstück/ dramatisches<br />
Werk) verhalten, desto schneller erfinden wir neue Shows für den<br />
Massenkonsum, desto schneller gehen wir von den „Veranstaltungen“ zu <strong>der</strong><br />
wahren Kunst über,“ 57 – so Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov, <strong>der</strong> sein Spiel WWW<br />
erfunden, nach den dramatischen Gesetzen inszeniert und dementsprechend<br />
kunstvoll mo<strong>der</strong>iert hat.<br />
Nicht ohne Grund existiert das Spiel WWW in Russland schon über 30 Jahre<br />
und ist <strong>im</strong>mer noch populär, obwohl viele europäische Analytiker das Alter<br />
einer erfolgreichen Game-Show mit max<strong>im</strong>al 6-7 Jahren begrenzen, danach<br />
sollte das Publikumsinteresse für dieses o<strong>der</strong> jenes Format sinken. Was auch<br />
zurzeit mit dem aktuellen <strong>Quiz</strong>-Hit „WWM“ passiert. Das Format verliert in<br />
mehreren Län<strong>der</strong>n an Zuschauer. In Deutschland hat es auch eine kritische<br />
Grenze erreicht und vor allem jüngere Zuschauer zeigen ein geringeres<br />
Interesse an <strong>der</strong> inzwischen „ältesten“ RTL-Sendung <strong>im</strong> <strong>Quiz</strong>-Format.<br />
57 Владимир Ворошилов „Феномен игры", М, Советская Россия, 1982 („Das Phänomen des<br />
Spiels“ Vlad<strong>im</strong>ir Voroshilov): „Чем серьезнее мы начнем относиться к игре как к спектаклю, тем<br />
быстрее создадим новые массовые игровые зрелища, тем быстрее мы перейдем от<br />
"мероприятий" к искусству".<br />
154
3.4. Gewinne und Preise<br />
Heutzutage verzichtet kaum eine Sendung auf Gewinne. <strong>Die</strong> Gewinne<br />
schwanken von kleineren Geld- und Sachpreisen bis hin zu<br />
Millionenbeträgen. Seit dem <strong>Quiz</strong>boom <strong>der</strong> 90er Jahre sind die<br />
Höchstgewinne bei einigen Sendungen heftig gestiegen. Derart hohe Summen<br />
werden längst nicht mehr aus Fernsehgebühren o<strong>der</strong> Werbeeinnahmen<br />
finanziert.<br />
Ein Weg sind so genannte Servicenummern, bei denen die Bewerber anrufen<br />
o<strong>der</strong> die Zuschauer bei <strong>der</strong> Live-Übertragung mitspielen o<strong>der</strong> votieren<br />
können. <strong>Die</strong> erhöhten Gebühren dieser Nummern spielen in <strong>der</strong> Regel weit<br />
mehr ein als hinterher an Gewinnen ausgeschüttet wird, was die Beliebtheit<br />
<strong>der</strong>artiger Sendungen bei den Sen<strong>der</strong>n erklärt. Z.B.: „Wer wird Millionär?“,<br />
„<strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong> Show“, „DSdS“<br />
Einen an<strong>der</strong>en Weg gehen Sendungen, die über Lotterien finanziert werden,<br />
wie "<strong>Die</strong> 5 Millionen SKL-Show", bei <strong>der</strong> die Teilnahme vom Kauf eines<br />
SKL-Loses abhängt.<br />
Das entgegengesetzte Extrem bildete bis vor kurzem (2005) eine Sendung wie<br />
"Was bin ich?", bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Gewinn seit Jahrzehnten bei max<strong>im</strong>al 50 DM lag.<br />
(Seit Euroeinführung auf Euro umgerechnet.)<br />
Nicht <strong>im</strong>mer gehen Gewinne an die Kandidaten. In manchen Fällen, meistens<br />
bei den beson<strong>der</strong>en "Prominentenspecials", wo die Prominenten als<br />
Kandidaten auftreten, werden die Gewinne wohltätigen Zwecken gespendet.<br />
In <strong>der</strong> Regel werden dann best<strong>im</strong>mte Organisationen o<strong>der</strong> Projekte genannt,<br />
an die das Geld gehen soll. So wie bei: „Wer wird Millionär?“, „Das <strong>Quiz</strong>“.<br />
<strong>Die</strong> Organisatoren glauben, dass die Teilnahme <strong>der</strong> Prominenten an <strong>der</strong> Show<br />
höhere Einschaltquoten bringt. Nur teilweise. <strong>Die</strong> hohen Ratings hängen nicht<br />
davon ab, wie populär die Spieler sind, son<strong>der</strong>n wie sie selbst zu dem Spiel<br />
stehen.<br />
155
Ein spezieller Fall sind <strong>Quiz</strong>sendungen für Kin<strong>der</strong>. Hier werden fast<br />
ausnahmslos Sachpreise ausgespielt: Spiele, Reisen in Freizeitparks, Fahrrä<strong>der</strong><br />
etc.<br />
<strong>Die</strong> Sendungen, vor allem mit hohen Gewinnen, beschränken in <strong>der</strong> Regel die<br />
Teilnahme ausdrücklich auf Erwachsene. (z.B.: „Wer wird Millionär?“)<br />
Eine Beson<strong>der</strong>heit ist <strong>der</strong> Jackpot. Gewinne, die nicht ausgespielt wurden,<br />
werden gesammelt und weiter ausgespielt. <strong>Die</strong> Gewinnsumme wird dadurch<br />
erhöht. Typisch ist dies vor allem für "Anrufsendungen", wie sie heutzutage<br />
vor allem das Nachtprogramm vieler Privatsen<strong>der</strong> besiedeln.<br />
<strong>Die</strong> meisten Sendungen mit Studiokandidaten werden jedoch ohne Jackpot<br />
gespielt. Nicht ausgespielte Gewinne verfallen.<br />
Bei <strong>der</strong> internationalen Verbreitung eines Fernsehformates kann es zu einigen<br />
spezifischen Probleme kommen, die aus den Eigenheiten <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Währung entstehen. Beson<strong>der</strong>s deutlich sieht man dies an <strong>der</strong><br />
Sendung "Wer wird Millionär?".<br />
<strong>Die</strong>ses Format läuft in mehreren Län<strong>der</strong>n. <strong>Die</strong> Regel lautet, dass max<strong>im</strong>al eine<br />
Million in Landeswährung zu gewinnen sind. <strong>Die</strong>s führt zu erheblichen<br />
Unterschieden zwischen den einzelnen Län<strong>der</strong>n. So entsprechen eine Million<br />
russische Rubel <strong>der</strong>zeit (16. Juni 2007) nur ca. 28.800 Euro. Was für russische<br />
Verhältnisse trotzdem viel Geld ist und die Show auch dort attraktiv macht.<br />
Eine Million britische Pfund hingegen sind rund 1,5 Millionen Euro.<br />
Problematisch sieht die Lage in <strong>der</strong> Türkei aus. Eine Million türkische Lira ist<br />
etwa ein halber Euro. Aus diesem Grund werden dort die Gewinne in Gold<br />
ausgespielt.<br />
Zusätzliche Schwierigkeiten kamen mit <strong>der</strong> Euroumstellung. In vielen<br />
Sendungen bevorzugt man runde Werte. <strong>Die</strong> krummen Umrechnungskurse<br />
156
standen dem entgegen. Sogar in Deutschland musste man sich entscheiden, ob<br />
man:<br />
1) die Gewinne rundet,<br />
2) exakt umrechnet o<strong>der</strong><br />
3) aus DM Euro macht.<br />
Das erste führt für die Kandidaten gewöhnlich zu Einbußen. So wurden bei<br />
"Familenduell" aus 100.000 DM 50.000 Euro Höchstgewinn. Bei korrekter<br />
Umrechnung wären dies jedoch 51.129,19 Euro sein müssen. (Ein Verlust für<br />
Kandidaten von über 1.000 Euro!)<br />
Das zweite wird selten benutzt. Ein Beispiel wäre "Was bin ich?".<br />
Der dritte Weg führt zwar für die Sen<strong>der</strong> zu höheren Kosten, macht die<br />
Sendungen jedoch für die Kandidaten attraktiver. Zum Beispiel „Wer wird<br />
Millionär?“, „Jeopardy“ haben das gemacht.<br />
Bei <strong>der</strong> Arbeit mit den Preisen ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass <strong>der</strong><br />
Preis nicht nur eine materielle Kategorie ist. Der Preis ist ein Maß für den<br />
Erfolg des Spielers, eine Skala von Sieg und Nie<strong>der</strong>lage, materielle<br />
Wi<strong>der</strong>spiegelung <strong>der</strong> gegebenen Situation <strong>im</strong> Spiel, mit an<strong>der</strong>en Worten - sein<br />
materielles Äquivalent. Der Preis ist kein Ergebnis, nur ein Element des<br />
Spieles, dabei nicht das wichtigste. Er best<strong>im</strong>mt nicht das Schicksal (den<br />
Ablauf) des Spiels. <strong>Die</strong> jegliche Verletzung dieses Grundsatzes führt zum<br />
Misserfolg <strong>der</strong> Sendung. Wenn aber dieses Element geschickt eingesetzt wird,<br />
spielt für die Spieler <strong>im</strong> Endeffekt keine Rolle, wie hoch <strong>der</strong> Preis überhaupt<br />
ist.<br />
Der Preis ist nur einer <strong>der</strong> vielen Mitteln in <strong>der</strong> Dramaturgie des Spiels. Und<br />
wenn dieser Preis bis zur Vergabe wie die „Katze <strong>im</strong> Sack“ gehe<strong>im</strong> bleibt,<br />
steigt nur die gesamte Spannung. So ein Beispiel aus <strong>der</strong> russischen Version<br />
des Spiels “Glücksrad“ –„Поле чудес“, auch durch freigebige Preise bekannt:<br />
Wenn <strong>der</strong> Pfeil des Trommels auf dem Sektor „Preis“ stehen bleibt, muss <strong>der</strong><br />
Spieler entscheiden zwischen <strong>der</strong> weiteren Teilnahme am Spiel o<strong>der</strong> dem<br />
157
„Schwarzen Kasten“, in dem <strong>der</strong> Schlüssel von <strong>der</strong> nagelneuen L<strong>im</strong>ousine<br />
o<strong>der</strong> aber auch ein Kohlkopf liegen kann. O<strong>der</strong> wenn <strong>der</strong> Spieler drei Mal<br />
nacheinan<strong>der</strong> die richtigen Buchstaben erraten hat, bekommt er zwei<br />
Schatullen. Nur in einer liegt aber Geld, das er <strong>im</strong> Glücksfall als<br />
Zwischenpreis ohne weiteres bekommen kann.<br />
In Russland war <strong>der</strong> Umstieg auf die geldgebundenen Preise beson<strong>der</strong>s<br />
empfindlich. Viele Zuschauer haben sich nach <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Geld-Preise<br />
von den Lieblingssendungen abgewendet. Der Gedanke, um Geld zu spielen,<br />
war vielen einfach fremd und unannehmbar (für manche bis heute noch). So<br />
hat die erfolgreichste <strong>Quiz</strong>-Sendung „Что? Где? Когда?“ (Was? Wo? Wann?)<br />
nach dem Zerfall <strong>der</strong> Sowjetunion einen bedeutenden Wandel erlebt. Vorher<br />
wurde die Sendung <strong>im</strong>mer durch die Originalität <strong>der</strong> „nicht geklonten“<br />
Eigenproduktion und durch die Fragen mit dem hohen Erkenntniswert<br />
geprägt. Als Preise wurden seltene Bücher und Enzyklopädien ausgelobt. Mit<br />
dem Marktwirtschaftssystem kam auch <strong>der</strong> gierige Geist des Geldes ins Spiel.<br />
Statt geistiger Nahrung (Bücher) lagen nun Geldscheine auf dem Spieltisch.<br />
Einer <strong>der</strong> Spieler („Kenner“), Fjodor Dwinjatin, hat in einem Interview für die<br />
Tageszeitung „Izvestia“ gesagt: „Mir gefiel diese Idee mit dem Geld als Preis<br />
von Anfang an kategorisch nicht. Aber nur weil dieses Spiel für mich ein<br />
Steckenpferd ist, ein paar Tage interessante Freizeit <strong>im</strong> Jahr, habe ich diese<br />
neuen Regeln akzeptiert. Übrigens, Geld treibt das Zuschauerinteresse – die<br />
Menschen erfinden die Fragen, um Geld zu verdienen. Wenn es keine<br />
Zuschauer mehr gibt, die für die Sendung Fragen schicken, stirbt sie.“ 58<br />
Eine ähnliche Spielidee hat die deutsche Sendung „Genial daneben“, die auf<br />
Sat.1 seit 2003 ausgestrahlt wird. Fünf Comedians stellen sich kuriosen<br />
Fragen von Zuschauern und versuchen mit Witz und mit Charme an die<br />
58 Юлия Кантор «Какая жизнь, такая и игра», Известия (Julia Kantor „Wie das Leben, so das<br />
Spiel“, IZVESTIA vom 28. Januar 2000). Федор Двинятин: "Мне категорически и сразу не<br />
понравилась денежная идея. Но поскольку "Что? Где? Когда?" для меня увлекательное<br />
времяпрепровождение, несколько дней в году интересного досуга, я принял эти условия.<br />
Кстати, деньги стимулируют и зрительский интерес - люди придумывают вопросы, чтобы<br />
заработать деньги. Если не будет зрителей, пишущих в программу, она умрет."<br />
58 Валерий Павлов "Деньги" http://www.ccgrp.ru/creative/ccg481/Print.php?NewsID=45<br />
158
Lösung zu gelangen. Dafür brauchen sie keinen Autor. Wird eine Frage nicht<br />
richtig beantwortet, erhält <strong>der</strong> Einsen<strong>der</strong> 500 Euro.<br />
<strong>Die</strong> Vergabe <strong>der</strong> teueren und begehrten Preise in <strong>der</strong> russischen Game-Show<br />
„Поле чудес“ (Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>) hat in den Zeiten des totalen Defizits eine<br />
interessante Zuschauerreaktion ausgelöst. Je<strong>der</strong> Spieler brachte ins Studio<br />
Säcke und Taschen, voll mit „eigenen“ Geschenken gestopft. Während des<br />
herzhaften Talking mit dem Lieblingsmo<strong>der</strong>atoren Leonin Jakubovich wurden<br />
die Gläser von unterschiedlichem Kaliber mit eingelegten Gurken, Honig,<br />
Konfitüre, aber auch die Körbe mit Obst und Gemüse, dem Selbstgebackenen,<br />
Selbstgebastelten, Selbstgebrannten...übergeben. <strong>Die</strong> Redaktion konnte nach<br />
je<strong>der</strong> live übertragenen Sendung richtig feiern. Für zahlreiche Geschenke<br />
wurde sogar ein spezielles Museum geöffnet: Das Museum <strong>der</strong> Kapital-Show<br />
„Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>“.<br />
Interessant ist es, dass in Deutschland die erworbene in „WWM“<br />
Gewinnsumme (einschl. Hauptgewinn) nicht steuerpflichtig ist. In Russland<br />
muss je<strong>der</strong> Spieler 13% Mehrwertsteuer von seinem Gewinn dem Staat<br />
zahlen. Und das ist noch milde, weil die Produktionsfirma „W-Media“ die<br />
Steuerbehörden überzeugt hat, dass „WWM“ kein Kasino-Projekt ist. <strong>Die</strong><br />
Gewinner des Spiels "Своя игра" (Jeopardy!) zahlen ein Drittel <strong>der</strong><br />
Gewinnsumme als Steuergeld dem Staat. 59<br />
In den USA wird <strong>der</strong> Preisfond von einer Versicherungsgesellschaft geschützt.<br />
<strong>Die</strong> Vertreter dieser Gesellschaft sind während <strong>der</strong> Aufnahmen <strong>der</strong> Show<br />
anwesend und beobachten, damit kein Betrug vorkommt: <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> und<br />
Produzent sind an hohen Gewinnchancen <strong>der</strong> Spieler interessiert. <strong>Die</strong><br />
beträchtlichen Gewinnsummen erhöhen das Rating <strong>der</strong> Sendung und die<br />
„ungeplanten“ Ausgaben für Supergewinne übern<strong>im</strong>mt die Versicherung.<br />
59 Praktisch je<strong>der</strong> Einwohner Deutschlands, <strong>der</strong> betriebsbereite Empfangsgeräte zu Hause hat, ist<br />
gebührenpflichtig. Er muss eine Rundfunkgebühr an die Gebühreneinzugszentrale <strong>der</strong> öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunkanstalten in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland (GEZ) zahlen. Mit den Einnahmen<br />
werden u.a. <strong>der</strong> öffentlich-rechtliche Rundfunk (außer die Deutsche Welle) und die Aufsichtsbehörden<br />
finanziert.<br />
159
In Russland sind solche Praktiken aus gesetzlichen Gründen unmöglich. Der<br />
Sen<strong>der</strong> finanziert gewöhnlich die Produktion <strong>der</strong> Sendung. <strong>Die</strong> Gewinne sind<br />
in diesen Ausgaben nicht enthalten. Der Produzent zahlt die Gewinnsumme<br />
aus eigener Tasche. Nur bei dem Hauptgewinn übern<strong>im</strong>mt <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> die<br />
Kosten, d.h. spielt die Rolle eines Versicherers.<br />
Der Produzent bekommt in diesem Fall seinen Profit von dem Sponsoring.<br />
Das ist auch eine Art <strong>der</strong> Werbung, aber nicht in Werbeblocks, son<strong>der</strong>n in den<br />
Körper <strong>der</strong> Sendung eingebaut. So kann das Logo von <strong>der</strong> Sponsorfirma <strong>im</strong><br />
Hintergrund auf einer Werbetafel platziert werden und die Kamera wird es<br />
regelmäßig heranholen, <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator wird energisch alkoholfreies Bier<br />
anbieten o<strong>der</strong> demonstrativ die Kugelschreiber von best<strong>im</strong>mter Marke<br />
benutzen. Im Grunde genommen ist das eine typische Beispiel für Product<br />
Placement.<br />
<strong>Die</strong> weitere Einnahmequelle ist das Geld, das von den<br />
Telekommunikationsfirmen für die Anrufe <strong>der</strong> Zuschauer erzielt wird (Voting,<br />
Fragen, interaktives Spiel). Der Produzent kann mit rund <strong>der</strong> Hälfte dieser<br />
Summe rechnen. In Deutschland o<strong>der</strong> England, wo die Minute rund 1 Euro<br />
kostet (bzw. 1 Pfund pro Anruf), kann man mit diesen Gel<strong>der</strong>n den ganzen<br />
Preisfond füllen. In Russland kostet ein Anruf nicht viel – 20 Rubel (ca. 60<br />
Cent). Außerdem ist die Verbindung mit den Regionen hinter dem Ural so<br />
problematisch, dass die Zuschauer aus den weiten Regionen kaum Chancen<br />
haben, das Moskau-Studio zu erreichen.<br />
Also, weil die Einnahmen von einer Sendung für russische Produzenten nicht<br />
ausreichend sind, versuchen sie die Ausgaben zu reduzieren (zum Beispiel<br />
Studiomiete) und sparen damit Geld. So werden die Sendungen (so wie z.B.<br />
"Своя игра" - Jeopardy!) mit vier Folgen (und manchmal sogar mehr) an<br />
einem Tag produziert. Der Mo<strong>der</strong>ator und die Spieler sind dann merklich<br />
müde, woran die Qualität <strong>der</strong> Sendung leidet.<br />
160
3.5. Finanzierung und Vermarktung <strong>der</strong> Sendung<br />
(Merchandising)<br />
Während die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland hauptsächlich durch die gebührenpflichtigen Fernsehgeräte-<br />
besitzer bezahlt werden, finanzieren sich die kommerziellen Sen<strong>der</strong><br />
größtenteils durch Fernsehwerbung. Der Preis für die Werbung richtet sich<br />
nach Erfahrungswerten (Einschaltquoten). Ein Betrag von 15.000 EUR pro<br />
Werbesekunde <strong>im</strong> Abendprogramm (pr<strong>im</strong>e t<strong>im</strong>e) ist in Deutschland keine<br />
Seltenheit. Vielen Unternehmen sind diese Ausgaben aufgrund enormer<br />
Reichweite und Wirkung <strong>der</strong> Fernsehwerbung wert. Weitere Finanzierungs-<br />
möglichkeiten sind Spenden (z.B. Bibel TV), Verkauf von Produkten<br />
(Homeshopping-Sen<strong>der</strong>) o<strong>der</strong> Telefonanrufkosten (9live).<br />
In Russland wurden die Medien (incl. das Fernsehen) von ihren Anfängen bis<br />
zur Gegenwart weitgehend vom Staat kontrolliert und finanziert. In <strong>der</strong> Jelzin-<br />
Ära wurden einige Medien von Firmengruppen russischer Oligarchen<br />
übernommen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Putin wurden etliche<br />
Medien von staatlich kontrollierten Holdings o<strong>der</strong> durch Tochterfirmen von<br />
Staatskonzernen übernommen. <strong>Die</strong> drei wichtigsten Fernsehsen<strong>der</strong> – ORT,<br />
Rossija und NTW werden durch staatliche Konzerne (NTW – Gazprom,<br />
ORT – Wneschtorgbank) o<strong>der</strong> durch den Staat direkt (RTR) kontrolliert. <strong>Die</strong><br />
Werbeeinnahmen sind aber für alle Sen<strong>der</strong>gruppen eine pr<strong>im</strong>äre und<br />
vorherrschende Teil des Budgets.<br />
161
Liste <strong>der</strong> wichtigsten Fernsehsen<strong>der</strong> in Russland:<br />
<strong>Die</strong> Liste folgt den Angaben des Auswärtigen Amtes <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland, <strong>der</strong> britischen Fernsehgesellschaft BBC, den russischen, für<br />
Medienmonitoring zuständigen Unternehmen Comcom und mediaatlas.ru,<br />
sowie den Angaben <strong>der</strong> Forschungsstelle Osteuropa <strong>der</strong> Universität<br />
Bremen.<br />
In Klammern erfolgt zuerst die wöchentliche Reichweite in Prozent <strong>der</strong><br />
Gesamtbevölkerung Russlands (3. Quartal 2006) und dann die Nennung<br />
<strong>der</strong> Eigentümer<br />
Landesweit.<br />
- Erster Kanal (Reichweite 86,2 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung Russlands;<br />
<strong>der</strong> Staat ist Mehrheitseigentümer),<br />
- Rossija (79,1 Prozent; Teil <strong>der</strong> staatlichen Medienholding<br />
WGTRK),<br />
- NTV (60,8 Prozent; Mehrheitlich <strong>im</strong> Besitz <strong>der</strong> staatlich<br />
kontrollierten Gasprom-Media,<br />
- Ren TV (31,2 Prozent; Lukoil beziehungsweise Wagit Alekperow)),<br />
- STS (55 Prozent; Besitzer: STS Media, an dieser sind beteiligt die<br />
Alfa Group Michail Fridmans zu 26 Prozent, die schwedische<br />
Mo<strong>der</strong>n T<strong>im</strong>es Group zu 40 Prozent, 25 Prozent gehören anonymen<br />
Kapitalgebern, 9 Prozent einer russischen Kapitalinvestment-<br />
Gesellschaft),<br />
- TNT (38,9 Prozent; Gasprom-Media).<br />
Regional<br />
- TVC (19,4 Prozent; Moskauer Stadtverwaltung),<br />
- Kultura (18,6 Prozent; Teil <strong>der</strong> staatlichen Medienholding<br />
WGTRK).<br />
Quelle: Reichweiten <strong>der</strong> TV-Anstalten, gemessen von <strong>der</strong> Firma comcon<br />
<strong>Die</strong> Fernsehformate, gerade in <strong>der</strong> Sparte Unterhaltung/Spiele, wurden a priori<br />
ins Leben gerufen, um in ihrer Sendezeit (am besten in pr<strong>im</strong>e t<strong>im</strong>e) möglichst<br />
viel Geld zu erwirtschaften. Viele Spiel-Shows werden extra für diese<br />
kommerziellen Zwecke zusammengebastelt. Wenn das Pilot-Projekt für eine<br />
Game-Show fertig ist, stellt sich die Frage <strong>der</strong> Finanzierung und kurz danach<br />
schaltet sich schon eine Vermarktungsmaschinerie ein.<br />
162
<strong>Die</strong> globale Medienwelt ist ohne Werbung<br />
nicht vorstellbar. Im Fernsehen wie<br />
nirgendwo sonst funktioniert die Formel<br />
„Zeit ist Geld“. <strong>Die</strong> Sendungen sind in<br />
regelmäßigen Abständen mit Werbeblocks<br />
unterbrochen. Lei<strong>der</strong> verdrängt dabei das<br />
Kommerzielle das Kulturelle.<br />
<strong>Die</strong> Werbung in den <strong>Quiz</strong>-Shows kostet heutzutage viel Geld. Je höher die<br />
Einschaltquoten, desto effektiver (aber auch teurer) die Werbung.<br />
In den USA sind die <strong>Quiz</strong>-Shows die umfassendste Massenerscheinung.<br />
Sexuelle Skandale <strong>im</strong> Weißen Haus, Börsenaktien sind wesentlich weniger<br />
populär <strong>im</strong> Vergleich zu den <strong>Quiz</strong>-Sendungen. Zum Beispiel, die<br />
amerikanische Kultsendung „Who Wants To Be A Millionair“, die dre<strong>im</strong>al<br />
wöchentlich in pr<strong>im</strong>e t<strong>im</strong>e ausgestrahlt wird, wirkt auf 22 Mio. Zuschauer wie<br />
eine Lokalanästhesie. Das ist eine hervorragende Voraussetzung für den<br />
manipulierenden Einfluss durch bunte schreiende Werbespots auf das<br />
Unterbewusstsein <strong>der</strong> potentiellen Konsumenten (Verbraucher, Wähler,<br />
einfach Leichtgläubige). Mit dem großen Geld (Gewinnen) werden die<br />
Massen angelockt, um daraus noch mehr Geld zu machen. Es geht in jedem<br />
Fall <strong>im</strong> Endeffekt auf Kosten des normalen Verbrauchers.<br />
Mark Twain bezeichnete seinerzeit das kommende 20. Jahrhun<strong>der</strong>t als Zeit <strong>der</strong><br />
Gier nach Geld. Das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t kann man als die Zeit des Schautriebes<br />
nach dem großen Geld nennen. Viele Analysten erklären dieses Phänomen<br />
durch die Abwendung <strong>der</strong> großen Zuschauermasse von den eintönigen<br />
langweiligen Comedy-Shows mit den billigen „Unter Gürtellinie“-Scherzen<br />
und von den dramatischen Serien überfüllt mit Horror und Gewalt. Das <strong>Quiz</strong><br />
kann man sich <strong>im</strong> Unterschied dazu mit <strong>der</strong> ganzen Familie anschauen. <strong>Die</strong><br />
Eltern müssen keine Sorgen haben, in diesen Sendungen gibt keine<br />
Schlägereien, Blutvergießen, Mord, Sex usw. <strong>Die</strong>se Sendungen sind spannend<br />
163
und erreichen mit einem Zuge viele Zielgruppen gleichzeitig. Deswegen<br />
werden diese Sendungen mit <strong>der</strong> Werbung überflutet.<br />
Bei <strong>der</strong> italienischen Version von „WWM“ zum Beispiel baut „Italia1“<br />
Werbeblöcke in die Sendung ein, in denen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator Gerry Scotti selbst<br />
mitspielt. Er kündigt eine „piccola pausa“ an, eine „kleine Pause“, verlässt das<br />
Studio nach rechts und landet in einem an<strong>der</strong>en Studio, in dem er von einer<br />
natürlich hübschen jungen Dame empfangen wird, die ihm a) einen Teppich<br />
b) eine Couch c) einen Rasenmäher verkaufen will. Ist das wun<strong>der</strong>bar<br />
eingeübte Verkaufsgespräch vorbei, geht <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator wie<strong>der</strong> rüber ins<br />
an<strong>der</strong>e Studio zu seinem Kandidaten. Der hofft jetzt bei <strong>der</strong> nächsten Frage<br />
auf 32.000 Euro. <strong>Die</strong> hat Gerry Scotti wahrscheinlich gerade locker in einer<br />
Minute Werbung verdient.<br />
Bei <strong>der</strong> russischen Version von<br />
„WWM“ bot <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator Max<strong>im</strong><br />
Galkin dem Kandidaten gegen<br />
Nervosität <strong>im</strong>mer geschickt und<br />
passend eine Tasse Tee o<strong>der</strong><br />
Sprudelwasser von dieser o<strong>der</strong> jener<br />
bekannten Marke an. Einige Zeit<br />
(bevor dies durch neue Werbungsgesetze noch nicht verboten wurde)<br />
bekamen die <strong>Quiz</strong>-Kandidaten am Spieltisch nichts an<strong>der</strong>es als<br />
alkoholhaltiges Bier, generalgesponsort von einer großen Brauerei. Danach<br />
war das begehrte Getränk lange Zeit buchstäblich in aller Munde.<br />
<strong>Die</strong> Werbeträger mögen ebenfalls das <strong>Quiz</strong>-Format. Oft werden die Rollen in<br />
Werbespots mit den Stars- und Prominenten aus dem Bereich Showbusiness,<br />
Musik. Politik usw. besetzt. <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>-Sendung gucken alle – von 7-jährigen<br />
bis zu 80-jährigen. So verfolgte eine 100-jährige Oma in den USA begeistert<br />
das Spiel, in dem ihr Enkel versuchte, eine Million zu gewinnen.<br />
Der Erfolg vieler <strong>Quiz</strong>sendungen hat dazu geführt, ihn über das Fernsehen<br />
(bzw. Radio) hinaus auch in Deutschland vermarkten zu wollen. <strong>Die</strong>s war<br />
164
keineswegs neu. Bereits in den 70er Jahren wurden Shows entsprechend<br />
vermarktet. Beispiel: Der Große Preis (alte Version mit W<strong>im</strong> Thoelke): Wum-<br />
und Wendelin-Figuren, Wum-Schallplatten ("Ich wünsch mir 'ne kleine<br />
Miezekatze"), Spiel.<br />
<strong>Die</strong> Show ,,Wer wird Millionär?" ist heute weltweit vermarktet. Sein Titel ist<br />
Markenname geworden und garantiert inzwischen neben Brett- o<strong>der</strong><br />
Kartenspielen auch Computer-, Online- und jetzt ganz neu – Handy-Spielen<br />
hohen Absatz.<br />
Viele <strong>Quiz</strong>master haben durch ihre Sendungen einen hohen Bekanntheitsgrad<br />
erreicht, so dass sie unter ihrem Namen auch Produkte vermarkten konnten,<br />
die nicht unmittelbar mit <strong>der</strong> jeweiligen Sendung in Zusammenhang standen.<br />
Neue Formen des <strong>Quiz</strong>es<br />
<strong>Die</strong> Werbesendungen in Form eines <strong>Quiz</strong>es, ein Werbequiz, die eine neue Art<br />
<strong>der</strong> Umsetzung von Werbetechnologien darstellen, verbreiten sich in letzter<br />
Zeit sehr aktiv. Das ist eine hervorragende Arena, um effektiv die<br />
unterschiedlichsten Produkte, Marken und <strong>Die</strong>nstleistungen auf dem Markt zu<br />
präsentieren.<br />
Max<strong>im</strong>ale Effektivität des Werbequizes wird erreicht:<br />
• durch den breiten Zuschauerumfang – das <strong>Quiz</strong> kann auf mehreren zentralen<br />
Kanälen gleichzeitig gesendet werden, incl. in pr<strong>im</strong>e t<strong>im</strong>e und mit den hohen<br />
Einschaltquoten unter <strong>der</strong> gewünschten Zielgruppe.<br />
• das Werbequiz unterscheidet sich prinzipiell von <strong>der</strong> normalen Werbung<br />
dadurch, dass es dem Zuschauer ermöglicht, an dem eigentlichen<br />
Werbeprozess teilzunehmen und Preise zu gewinnen. Der potentielle Kunde<br />
merkt sich garantiert die hervordrängende Ware, den Namen <strong>der</strong> Firma o<strong>der</strong><br />
die angebotene Leistung.<br />
• das Werbequiz kann zusätzlich in den Printmedien und <strong>im</strong> Internet platziert<br />
werden.<br />
165
Solche Werbesendungen sind sehr einfach und standardmäßig produziert. <strong>Die</strong><br />
Fragen sind entsprechend eines Kleinkin<strong>der</strong>verstands, die Preise nicht hoch,<br />
aber scheinen leicht zu gewinnen zu sein. <strong>Die</strong> mehrkanalige Telefonie ist<br />
dafür verantwortlich, dass möglichst viele kostenpflichtige Telefonate<br />
gleichzeitig aufgenommen werden können. Eine Barbie-ähnliche Blondinen-<br />
Mo<strong>der</strong>atorin ist verpflichtet, die Zuschauer zu den Anrufen mit allen<br />
denkbaren und undenkbaren Mitteln zu an<strong>im</strong>ieren. (Im Spätprogramm<br />
erscheint sie halbnackt – <strong>im</strong> Mini-Bikini-Badeanzug o<strong>der</strong> sogar topless.)<br />
Auf solchen so genannten Call-in-Gewinnspielen ist zum Beispiel <strong>der</strong><br />
private deutschsprachige Fernsehsen<strong>der</strong> 9Live spezialisiert. 60 Er<br />
finanziert sich praktisch durch diese Gewinnspiele und Werbung.<br />
9Live bezeichnet sich selbst als Mitmachfernsehen o<strong>der</strong> Deutschlands erster<br />
<strong>Quiz</strong>sen<strong>der</strong>. Das aktuelle Neun-Live Motto lautet, "Heute ist mein Tag". 61<br />
Der Marktanteil des Sen<strong>der</strong>s liegt <strong>der</strong>zeit bei 0,2 Prozent. 62 Außer zur<br />
Selbstnutzung produziert 9Live auch ähnliche Call-In-Shows für an<strong>der</strong>e,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong>familie ProSiebenSat.1 Media AG angehörige<br />
Fernsehsen<strong>der</strong> (ProSieben, Sat.1, kabel eins). Aber auch für externe Sen<strong>der</strong><br />
und international; beispielsweise werden für einen türkischen TV-Sen<strong>der</strong> Call-<br />
In-<strong>Formate</strong> produziert.<br />
Im Jahr 2002 betrug <strong>der</strong> Umsatz von 9Live<br />
60,6 Mio. Euro, <strong>im</strong> Jahr 2003 – 78,7 Mio.<br />
Euro. Man geht von bis zu 20 Millionen<br />
kostenpflichtigen Anrufen bei 9Live pro<br />
Monat aus, wobei die Wahrscheinlichkeit<br />
bei 1:2500 liegt, in das Studio durchgestellt<br />
60 9Live ist ein privater deutschsprachiger Fernsehsen<strong>der</strong>, <strong>der</strong> am 1.09.2001 aus dem Privatsen<strong>der</strong> tm3<br />
hervorgegangen ist. 9Live ist eine hun<strong>der</strong>tprozentige Tochter <strong>der</strong> ProSiebenSat.1 Media AG.<br />
61 http://de.wikipedia.org/wiki/9Live<br />
62 http://de.wikipedia.org/wiki/9Live<br />
166
zu werden. Von den Anrufkosten in Höhe von 0,50 Euro aus dem Festnetz <strong>der</strong><br />
Deutschen Telekom o<strong>der</strong> 0,70 Euro pro Anruf aus Österreich verbleiben bis<br />
zu 70 % be<strong>im</strong> Sen<strong>der</strong>. 63<br />
9Live-Geschäftsführerin, Christiane von Salm, zufolge ergeben die neuen TV-<br />
Interaktionsmöglichkeiten via Telefon eine Vielzahl neuartiger<br />
Geschäftsmodelle: "Das Fernsehen ist entzaubert und wird mehr und mehr zu<br />
einer <strong>Die</strong>nstleistung. Vor allem <strong>Quiz</strong>fernsehen ist nichts an<strong>der</strong>es als ein<br />
Gebrauchsartikel. Und dass sich hinter dieser neuen Art von<br />
Transaktionsfernsehen Industrien positionieren, sei es die Reiseindustrie o<strong>der</strong><br />
Teleshopping, Partnervermittlungen o<strong>der</strong> Telekomunternehmen, das ist eine<br />
unvermeidbare Entwicklung, an <strong>der</strong>en Schnittstellen neue Geschäftsmodelle<br />
entstehen." 64<br />
Und noch eine Tendenz geht mit dem Vormarsch von Call-TV einher. Früher<br />
wurde für bestehende Sendungen nach einem geeigneten Telefonanbieter<br />
gesucht (meist T-Com). Heute gehen <strong>im</strong>mer mehr Telefongesellschaften dazu<br />
über, selbst ganze Programmflächen <strong>im</strong> Fernsehen zu erwerben und diese<br />
dann mit eigenen interaktiven Programmformaten zu füllen. <strong>Die</strong>ser Trend<br />
führt dazu, dass mehr und mehr Anbieter von Service-Rufnummern ins<br />
Fernsehgeschäft einsteigen und/o<strong>der</strong> mit TV-Sen<strong>der</strong>n kooperieren, z.B.:<br />
- 9Live mit Talkline ID<br />
- Tele5 mit Arcor (Vodafone)<br />
- n-tv mit DTMS<br />
- DSF mit Q1<br />
63 markenlexikon.com: „Mitmach-TV statt Marken-Werbung <strong>im</strong> Fernsehen“, 8. Februar 2005<br />
64 Christiane von Salm, "Fernsehen entzaubert" (Interview) in: WiWo, 36/2004, S. 63<br />
167
<strong>Die</strong> folgende Übersicht verdeutlicht den aktuellen Anteil <strong>der</strong> Sendungen mit<br />
Telefoneinwahl am Gesamtprogramm <strong>der</strong> führenden sechs Fernsehsen<strong>der</strong> <strong>im</strong><br />
Jahr 2004:<br />
Sen<strong>der</strong> Sendungen mit Beispiel mit höchster Zuschauer<br />
Call-Ins (in %) Quote* (in Mio.)<br />
Pro7 68 "<strong>Die</strong> Wok-WM" von "TV-Total " 4,80<br />
RTL 49 "Wer wird Millionär?" 10,61<br />
Sat1 34 "Genial daneben" 3,94<br />
ZDF 33 "Wetten dass...?" 15,48<br />
ARD 19 "Eurovision Song Contest" 11,11<br />
RTL2 14 "Big Brother" 3,12<br />
* ohne Sportübertragungen<br />
Allein bei "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"<br />
gingen be<strong>im</strong> ersten Finale rund 1,3 Mio. Anrufe<br />
ein, die dem Sen<strong>der</strong> 0,35 Mio. EUR Gewinn<br />
einbrachten. Be<strong>im</strong> Finale von "Popstars" erhielt<br />
Pro7 sogar mehr als 2 Mio. Anrufe und be<strong>im</strong> Finale<br />
Quelle: WiWo, 36/2004, S. 60<br />
von "Deutschland sucht den Superstar" (1.Stafel – 2002-2003) gingen bei<br />
RTL etwa 4,5 Mio. Anrufe ein, die Gesangsdarsteller Alexan<strong>der</strong> Klaws zum<br />
Sieger kürten und dem Sen<strong>der</strong> als eigentlichem Gewinner <strong>der</strong> Sendung rund<br />
1,2 Mio. EUR Profit bescherten, rund 1/4 dessen, was <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> mit<br />
klassischer Fernsehwerbung am selben Abend einnahm. 65<br />
Mit knapp 4 Mrd. EUR pro Jahr ist Fernsehwerbung in Deutschland für fast<br />
alle Markenartikelhersteller noch <strong>im</strong>mer erste Wahl, wenn es um die<br />
Kommunikation ihrer Markenbotschaften gegenüber ihrer Zielgruppe geht.<br />
Dennoch steckt die Fernsehwerbung aktuell in einem großen Dilemma mit<br />
65 markenlexikon.com: „Mitmach-TV statt Marken-Werbung <strong>im</strong> Fernsehen“, 8. Februar 2005<br />
168
schwer vorhersehbaren Folgen. Zum einen nehmen die Werbeeinnahmen ab,<br />
zum an<strong>der</strong>en for<strong>der</strong>n die werbenden Markenhersteller ein ansprechen<strong>der</strong>es,<br />
breiteres Umfeld für ihre Werbebotschaften. Unter diesen Bedingungen wird<br />
es für die TV-Sen<strong>der</strong> <strong>im</strong>mer schwieriger, die hochwertigen eigenen TV-<br />
<strong>Formate</strong> auf die Beine zu stellen. Stattdessen wird lieber mit <strong>im</strong>mer denselben<br />
<strong>Formate</strong>n gearbeitet (Reality-TV, Doku-Soaps, Retro-Shows) o<strong>der</strong> es werden<br />
Serien und Shows aus dem Ausland kostengünstig eingekauft. Und mit Call-<br />
Ins werden von fast allen Sen<strong>der</strong>n mittels interaktiver Gewinnspiele neue<br />
Erlösquellen erschlossen.<br />
<strong>Die</strong> Problemfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> TV-Werbung in Deutschland <strong>im</strong> Überblick:<br />
1) Sinkende Programmqualität<br />
2) Abnehmende Werbeeinnahmen<br />
3) Steigende Verbreitung von DVD- und Festplattenrekor<strong>der</strong>n<br />
4) Weitere Spartenkanäle<br />
5) Zunehmend mehr Mitmach-Shows und TV-Gewinnspiele (Call-Ins)<br />
Viele Markenverantwortliche großer Unternehmen sind zunehmend mit dem<br />
ihnen angebotenen werblichen Umfeld, sprich dem Inhalt <strong>der</strong> Sendungen,<br />
unzufrieden, wie die folgenden Aussagen beispielhaft verdeutlichen:<br />
"Was in jüngster Zeit über die Bildschirme flackert, ist für uns <strong>im</strong>mer weniger<br />
als Werbeumfeld geeignet." Torsten Müller-Ötvös von BMW (Der Spiegel,<br />
49/2004, S. 211)<br />
"<strong>Die</strong> Sen<strong>der</strong> werden von <strong>im</strong>mer denselben <strong>Formate</strong>n verstopft, und die<br />
Qualität bleibt auf <strong>der</strong> Strecke." Uwe Becker von Unilever (Der Spiegel,<br />
49/2004, S. 210)<br />
"Wir brauchen endlich wie<strong>der</strong> ein breites Umfeld für alle Zielgruppen."<br />
Margret Buhse, Beiersdorf (Der Spiegel, 49/2004, S. 210f.)<br />
169
<strong>Die</strong> abnehmende Programmqualität führt zunächst dazu, dass das Interesse an<br />
Fernsehspots insgesamt nachlässt, <strong>im</strong> weiteren bei den weiterhin TV-Werbung<br />
betreibenden Markenartikeln dazu, dass die Zahlungsbereitschaft für<br />
Fernsehwerbung merklich abn<strong>im</strong>mt, wie auch die zurückgehenden TV-<br />
Werbeeinnahmen deutlich machen.<br />
Auch die zunehmende Verbreitung von DVD- und Festplattenrekor<strong>der</strong>n, die<br />
u.a. die Möglichkeit bieten, aufgenommene Fernsehfilme noch während <strong>der</strong>en<br />
Ausstrahlung zeitversetzt anzuschauen, tragen ihren Teil dazu bei, den TV-<br />
Werbemarkt für Markenartikelhersteller zunehmend unattraktiver werden zu<br />
lassen. So wird es mit Festplattenrekor<strong>der</strong>n <strong>im</strong>mer leichter, Fernsehwerbung<br />
vollständig "zu überspringen" und damit <strong>der</strong>en Reichweite zu<br />
untermin<strong>im</strong>ieren, was mittelfristig weiteren Druck auf die Werbezeitenerlöse<br />
haben dürfte.<br />
Durch die Digitalisierung des Fernsehens entstehen zunehmend<br />
Spartenkanäle, die durch Spots allein nicht überleben können.<br />
Das Beispiel "tv.gusto" 66 zeigt zugleich, dass sich die Zusammenarbeit<br />
zwischen TV-Sen<strong>der</strong> und Werbekunde zu verän<strong>der</strong>n beginnt: "Manchmal<br />
kommen Kunden (z.B. Lebensmittelkonzerne) mit Ideen zu uns, wie man ein<br />
geeignetes Umfeld für Werbung schaffen kann." (Focus, 3/2005, S. 116) Jörg<br />
Schütte (TV-Gusto-Grün<strong>der</strong>)<br />
Mitverantwortlich für den "zweiten Kulturschock nach <strong>der</strong> Einführung des<br />
Privatfernsehens" (Der Spiegel, 38/2004, S. 102), so NeunLive-Chefin von<br />
Salm, sind so genannte "Call-TV"-Sendungen, die als Ausgleich für<br />
abnehmende Werbeeinnahmen in <strong>im</strong>mer mehr Sen<strong>der</strong>n Einzug halten. <strong>Die</strong><br />
eigenen Gewinnspiele und Mitmach-Shows sind auf Interaktivität<br />
66 „tv.gusto“ ist <strong>der</strong> erste und einzige deutsche TV-Sen<strong>der</strong> rund um das Thema Essen und Genießen.<br />
Mit Kochshows, kulinarischen Reportagen und Dokumentationen bietet „tv.gusto“ eine attraktive<br />
Kombination von Information und guter Unterhaltung. <strong>Die</strong> Palette <strong>der</strong> Inhalte reicht von Großmutters<br />
Küche bis zur Spielshow, in <strong>der</strong> Hobbyköche gegen Profiköche antreten.<br />
170
mit dem Zuschauer via gebührenpflichtigen Anruf ausgelegt und erzielen über<br />
0137-Servicenummern <strong>im</strong> Schnitt 49 Cent pro Anruf ("Call-In"), von denen<br />
27 bis 34 Cent be<strong>im</strong> Sen<strong>der</strong> verbleiben.<br />
Und solange hierdurch mehr Geld verdient wird als durch den Verkauf reiner<br />
Werbezeiten an Markenhersteller, werden TV-Gewinnspiele, Televotings<br />
(z.B. Wahl von "Superstars" und "Dschungelkönigen" auf RTL) o<strong>der</strong> sonstige<br />
Mehrwertdienste (z.B. Servicenummern bei "WISO" <strong>im</strong> ZDF) weiter<br />
zunehmen und mehr und mehr zum festen Programmbestandteil werden, wie<br />
auch die Einschätzung von Jürgen Doetz, Präsident des VPRT (Lobbyverband<br />
<strong>der</strong> Privatsen<strong>der</strong>) deutlich macht: "Auf Werbung alleine kann sich heute kein<br />
Sen<strong>der</strong> mehr verlassen." (WiWo, 36/2004, S. 60)<br />
Vorreiter war und ist Mitmachsen<strong>der</strong> "NeunLive", <strong>der</strong> sich mit billig<br />
produzierten <strong>Quiz</strong>sendungen und kaum zu durchschauenden Regeln zu fast<br />
100% aus Zuschaueranrufen finanziert und dessen Geschäftsführerin<br />
Christiane zu Salm sogar so weit geht, vorherzusagen, dass "das Call-TV bei<br />
den Erlösen <strong>der</strong> Sen<strong>der</strong> jenseits <strong>der</strong> Werbung den Löwenanteil ausmachen<br />
[wird]" (WiWo, 36/2004, S. 60).<br />
Von den monatlich bis zu 20 Mio. Anrufen wird via "Vorzählfaktor" nur ca.<br />
je<strong>der</strong> 25. Anruf in die Sendung durchgestellt. Dank Echtzeit-Reportings sind<br />
Mo<strong>der</strong>ator(in) und Regie je<strong>der</strong>zeit genaustens darüber informiert, wie viele<br />
Zuschauer gerade anrufen und können auf diese Weise die Spiele<br />
gewinnopt<strong>im</strong>ierend verkürzen o<strong>der</strong> ins Endlose verlängern. Bei 49 Cent pro<br />
Anruf, von denen mindestens 30% bei Talkline und bis zu 70% be<strong>im</strong> Sen<strong>der</strong><br />
verbleiben, lassen sich so monatlich bis zu 7,0 Mio. EUR Umsatz<br />
erwirtschaften, bei Gewinnprämien unterhalb 1 Mio. EUR (z.B. 880.000 EUR<br />
<strong>im</strong> Juli 2004). 2003 erzielte NeunLive einen gegenüber 2002 um 30% auf 78,7<br />
Mio. EUR gestiegenen Umsatz bei einem Vorsteuergewinn von 29,3 Mio.<br />
EUR, dre<strong>im</strong>al so viel wie 2002. Von einer Umsatzrendite von 37% können<br />
an<strong>der</strong>e Sen<strong>der</strong> bis dato nur träumen, wenngleich bereits fas alle Sen<strong>der</strong> damit<br />
begonnen haben, das "Call-TV"-Prinzip zu kopieren. So geht die ARD davon<br />
171
aus, neben rund 5 Mrd. EUR GEZ-Gebührengel<strong>der</strong>n durch Telefonanrufe zu<br />
TV-Gewinnspielen 2004 rund 11 Mio. EUR zu erlösen und RTL erzielte<br />
bereits 2003 rund 15% des Gesamtumsatzes mittels dieser so genannten<br />
"Diversifikations-Geschäfte".<br />
Im Gegensatz zu dem <strong>deutschen</strong> Werbemarkt nehmen die Werbeeinnahmen<br />
momentan <strong>im</strong> russischen Fernsehen erst ihren Anlauf. <strong>Die</strong>se vorteilhafte<br />
Situation auf dem Werbemarkt ist dem starken wirtschaftlichen Aufschwung<br />
<strong>im</strong> Land und dem wachsenden Einkaufspotenzial <strong>der</strong> Bürger zu verdanken.<br />
<strong>Die</strong> Tendenz ist steigend.<br />
<strong>Die</strong> ersten registrierten Erfolge <strong>der</strong> Werbungsindustrie <strong>im</strong> russischen<br />
Fernsehen wurden <strong>im</strong> Jahr 1992 veröffentlicht. Sie waren mehr als<br />
bescheiden: 10 Mio. Dollar. In zwei Jahren erreichten die Gewinne von <strong>der</strong><br />
Werbung schon 250 Mio. Dollar. 67 <strong>Die</strong> weiteren 8 Jahre brachten sowohl<br />
Aufstiege, als auch Abstürze mit sich.<br />
Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre kam in Russland die Privatisierung und damit die<br />
„goldene“ Zeit für die so genannten Finanzpyramiden – Aktiengesellschaften,<br />
die, wie es später aufgedeckt wurde, viele Anleger um Millionen betrogen<br />
hatten. In den 90er Jahren wurden in Russland 1700 Finanzpyramiden gebaut.<br />
<strong>Die</strong> Organisatoren, so wie Sergej Mawrodi von „MMM“ gaben <strong>im</strong>mense<br />
Summen für ihre Errichtung aus, nicht zuletzt für Werbung.<br />
<strong>Die</strong> massive, geschickt organisierte Werbung be<strong>im</strong> „MMM"-<br />
Schwindelgeschäft hat eine verhängnisvolle Rolle gespielt. Denn hinter <strong>der</strong><br />
„MMM" stand kein ernsthaftes und hochrentables Business: we<strong>der</strong><br />
Erdölför<strong>der</strong>ung, noch Ausbeutung von Gasvorkommen, noch Hüttenwerke,<br />
noch Uranbergwerke o<strong>der</strong> Goldminen. Es waren aber <strong>im</strong>mense Gewinne den<br />
„MMM"-Einleger versprochen worden - nämlich bis zu 1000 Prozent <strong>der</strong><br />
Jahreszinsen.<br />
67 Время - деньги (рынок телевизионной рекламы России).<br />
Коломиец Виктор Петрович// Рекламные технологии.2003. № 2, с. 2-5<br />
172
Nachdem diese Aktiengesellschaften eine nacheinan<strong>der</strong> wie Luftballons<br />
zerplatzten, hat die russische Werbeindustrie 1995 einen tiefen Schlag erlitten.<br />
Dazu trug auch die von Gorbatschows Antialkohol-Kampagne geschädigte<br />
Tabak- und Alkoholindustrie bei. So hat die Werbeindustrie ihre<br />
Hauptwerbeträger verloren. <strong>Die</strong> Werbezeit ist stark gesunken (bis 1527<br />
Stunden <strong>im</strong> Jahr), die Geldeinnahmen auch (bis 200 Mio.) <strong>Die</strong> führenden<br />
Positionen auf dem Werbemarkt nahmen sofort die ausländischen<br />
Werbeträger ein, die ihre führenden Positionen in <strong>der</strong> Werbebranche bis heute<br />
behalten haben.<br />
1997 betrugen die Werbeeinahmen <strong>im</strong> Fernsehen 550 Mio. Dollar für 2,5<br />
Tausend Werbestunden. In 5 Jahren (seit <strong>der</strong> ersten Registrierung <strong>der</strong><br />
Werbeeinnahmen <strong>im</strong> Fernsehgeschäft) stiegen die Kapazitäten um 55 Mal,<br />
trotz Unzufriedenheit seitens <strong>der</strong> Zuschauer, die von den überflüssigen<br />
Pampers-, Slipeinlagen- und Snickers-Werbespots überströmt wurden. Dabei<br />
wurden die Werbezeiten <strong>im</strong> damaligen Russland gesetzlich noch nicht<br />
geregelt.<br />
Als Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre die ersten Werbeblocks ins russische Fernsehen<br />
kamen, versuchte <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator <strong>der</strong> Kapital-Show „Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>“<br />
Jakubovich die Werbepausen beson<strong>der</strong>s schmackhaft zu machen. Aus je<strong>der</strong><br />
Ankündigung machte er ein kleines lustiges Spektakel. Seine berühmen<br />
Werbepausen (Рекламная пауза) sind zum Markenzeichen <strong>der</strong> Show<br />
geworden. Manchmal durften die Spieler selbst die heißersehnte „Reklame-<br />
Pause“ aussprechen. Beson<strong>der</strong>s die Kin<strong>der</strong>, die mit ihren Spieler-Eltern o<strong>der</strong><br />
Großeltern <strong>im</strong> Studio an <strong>der</strong> Spieltrommel standen, wurden geför<strong>der</strong>t. Sie<br />
durften ein Ständchen <strong>im</strong> Vorfeld <strong>der</strong> Werbepause singen, ein Tänzchen<br />
ausführen o<strong>der</strong> ein Gedicht rezitieren. <strong>Die</strong> Platzierung eines Werbespots in<br />
dieser Sendung war <strong>im</strong>mer begehrt und die Preise für die Werbeträger waren<br />
und bleiben <strong>im</strong>mer noch hoch.<br />
Schon heute ist ein klarer Trend festzustellen, wonach die Werbetreibenden<br />
<strong>im</strong>mer näher an – teilweise sogar -– in die Sendungsformate drängen, um dem<br />
173
Zapping-Phänomen entgegenzusteuern. Einer aktuellen Umfrage in den USA<br />
zufolge verfügen 20 Prozent <strong>der</strong> Haushalte über digitales Fernsehen, wovon<br />
80 Prozent bereits die neueste Generation <strong>der</strong> Digitalrecor<strong>der</strong> nutzen, um<br />
Werbeblocks auszublenden. 68 Es liegt auf <strong>der</strong> Hand, dass es hier zu einer<br />
Umverteilung des Kommunikationsetats zu Gunsten <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>werbeformen,<br />
des Product Placements und des Sponsorings kommen wird.<br />
Im Gegensatz zum <strong>deutschen</strong> Fernsehen, wo bis heute Product Placements<br />
offiziell verboten ist und als Schleichwerbung bezeichnet wird, findet diese<br />
Form <strong>der</strong> TV-Werbung reibungslos und erfolgreich ihren Platz in<br />
unterschiedlichen russischen Sendungen und am häufigsten in Serien und<br />
Filmen.<br />
<strong>Die</strong> Werbetreibenden wollten vor allem <strong>der</strong> Gestaltung und Platzierung ihrer<br />
Botschaften und Werbeflächen mehr Bedeutung be<strong>im</strong>essen, damit ihre<br />
Werbung (sprich Geld) nicht wirkungslos verpufft. Schätzungsweise sind rund<br />
40 Prozent <strong>der</strong> Werbebotschaften <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> TV opt<strong>im</strong>ierbar. Aber nicht<br />
alles ist gleichermaßen geeignet, via TV transportiert zu werden.<br />
Heutzutage entwickelt sich weltweit noch eine neue, aber deutliche Tendenz:<br />
die Werbeeinnahmen in <strong>der</strong> Fernsehbranche sinken und fließen ins Internet<br />
hinüber. Immer mehr große Unternehmen planen, ins Internet-TV<br />
einzusteigen. Es fehlen noch einige technische Voraussetzungen, aber es wird<br />
daran intensiv gearbeitet. So hat die Korporation „American Express“ ihre<br />
Werbestrategie geän<strong>der</strong>t und bereitet ein unterhaltsames Content <strong>im</strong> Internet<br />
vor, unter an<strong>der</strong>em eine Show mit Jerry Seinfeld, dem bekannten<br />
amerikanischen Schauspieler, Comedian und Autor.<br />
<strong>Die</strong> neuen Kommunikationstechnologien gewinnen weiter an Attraktivität.<br />
Das Internet hat schon bewiesen, dass es eine Hauptinformationsquelle für den<br />
zukünftigen Konsum darstellen wird. <strong>Die</strong> Schnelligkeit, die Effektivität des<br />
Internets und die Umfangbreite seiner Benutzer (potentiellen Konsumenten)<br />
überschlagen alle Auswertungen <strong>im</strong> Fernsehen mehrfach. Das Management<br />
68 MEDIAGRAMM 01/2005: Was ist das Fazit des Sportjahres 2004? S.22<br />
174
von „American Express“ setzt nicht mehr aufs Fernsehen, son<strong>der</strong>n auf neue<br />
Technologien: Wenn <strong>im</strong> Jahre 1994 „American Express“ 80% ihres<br />
Werbebudgets für Fernsehen stiftete, bleiben 10 Jahre später knapp 35% dafür<br />
übrig. 69<br />
3.6. Einschaltquoten<br />
Es ist eindeutig, dass ein Fernsehkanal mehr Geld heranziehen kann, wenn<br />
- seine Sendungen hohe Einschaltquoten<br />
(o<strong>der</strong> TV-Zuschauerinteresse) erzielen,<br />
- mehr Werbezeit zur Verfügung steht,<br />
- die Werbepreise dementsprechend hoch sind.<br />
<strong>Die</strong>se drei Merkmale sind eng mit einan<strong>der</strong> verbunden. Dennoch sind die<br />
Einschaltquoten heutzutage eine bedingungslose Dominante, nur sie diktieren<br />
die Preise und Platzierung <strong>der</strong> kommerziellen Werbespots.<br />
Was beliebt ist, bringt auch hohe Quoten und Einnahmen. Kein Mensch sieht<br />
auf Dauer, was ihm nicht gefällt. Das Medienangebot regelt sich weltweit<br />
<strong>im</strong>mer noch über die Einschaltquoten und Hitlisten.<br />
Einschaltquoten, auch Ratings genannt, werden in Deutschland seit 1985 von<br />
<strong>der</strong> GfK, das ist die Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung in<br />
Nürnberg gemessen. <strong>Die</strong> Auftraggeber sind ARD, ZDF, RTL, SAT.1, Pro<br />
Sieben, Kabel 1 und RTL 2. <strong>Die</strong> Kosten, jährlich rund 35 Millionen DM,<br />
werden von den Fernsehsen<strong>der</strong>n und den Firmen <strong>der</strong> Werbewirtschaft<br />
gemeinsam getragen. <strong>Die</strong> GfK arbeitet mit einer repräsentativen Auswahl aus<br />
allen Bevölkerungsschichten. 1998 sind 4.760 ausgewählte Haushalte (ohne<br />
die Ballungsräume) des gesamten Bundesgebiets <strong>im</strong> Beobachtungspanel,<br />
69 Дмитрий Прокудин Advertology.ru 16.02.2004 по материалам Adage.com<br />
175
insgesamt rund 11.000 Personen. 70 Seit 1995 ist das Panel auf Zuschauer ab<br />
drei Jahre erweitert (in Russland ab vier Jahre), um das Kin<strong>der</strong>publikum<br />
besser in den Werbegriff zu bekommen. Der Zentralcomputer hat<br />
Informationen über Alter, Einkommen, Schulbildung und Konsum-<br />
gewohnheiten <strong>der</strong> Teilnehmer gespeichert.<br />
<strong>Die</strong> Haushalte beziehungsweise Personen des Panels entsprechen in ihrer<br />
Verteilung dem Bundesdurchschnitt des Anteils von Frauen und Männern,<br />
Alten und Jungen, verschiedenen Einkommensgruppen, Mehr-Personen-<br />
Haushalten, Single-Haushalten et cetera. Eine Person entspricht etwa 6.455<br />
Menschen <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung. <strong>Die</strong> circa 7,3 Millionen Auslän<strong>der</strong> sind <strong>im</strong><br />
Panel nicht enthalten, weil sie nicht, wie die <strong>deutschen</strong> Haushalte, auf <strong>der</strong><br />
Basis von Wahl-Statistiken ausgewählt werden können. Ab 1999 werden sie<br />
in einer Extra-Stichprobe untersucht.<br />
<strong>Die</strong> Fernsehapparate <strong>der</strong> ausgewählten Haushalte sind mit einem Messgerät<br />
versehen. Das Gerät, „Peoplemeter“, also Volks-Vermesser o<strong>der</strong> „GfK-Meter“<br />
genannt, misst, sobald ein Panelmitglied sich über die Fernbedienung<br />
einschaltet, in je<strong>der</strong> Sekunde dessen Ein- und Umschalten <strong>der</strong><br />
Fernsehprogramme. Es misst auch die Nutzung von Videotext und<br />
Videorecor<strong>der</strong>. Das Messgerät schickt die Daten nachts über die<br />
Telefonleitung an den Zentralcomputer <strong>der</strong> GfK.<br />
Alle Daten des Vortages stehen am nächsten Morgen den Redaktionen und<br />
Werbeagenturen zur Verfügung. <strong>Die</strong> von <strong>der</strong> GfK gemessenen Daten dienen<br />
als Grundlage für die Berechnung von Werbepreisen und für<br />
programmbezogene <strong>Analyse</strong>n. Aus den Berechnungen <strong>der</strong> GfK ergeben sich<br />
die Werte Fernsehnutzung, Sehdauer und Marktanteile.<br />
<strong>Die</strong> Einschaltquote ist nach Programmen und Sendungen differenzierbar.<br />
70 <strong>Die</strong>ter Prokop „Warum Einschaltquoten und Hitlisten kein demokratisches Bild <strong>der</strong><br />
Publikumswünsche ergeben» (http://www.medienrezeption.de)<br />
176
<strong>Die</strong> Einschaltquote (Zuschauerzahl) ist die Zahl (o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Prozentsatz) <strong>der</strong><br />
Haushalte, die während einer Sendung o<strong>der</strong> während eines best<strong>im</strong>mten<br />
Zeitraums den Fernseher eingeschaltet hatten. <strong>Die</strong> Einschaltquoten<br />
entsprechen Reichweiten auf Haushaltsebene. Das wird auch<br />
Haushaltsreichweite genannt.<br />
Interessanter für die Werbebranche ist eine beson<strong>der</strong>e Art von Einschaltquote,<br />
die Reichweite bei speziellen Zuschauergruppen, man nennt diese speziellen<br />
Reichweiten auch „Ratings“. (nach dem amerikanischen Messverfahren von<br />
Nielsen Ratings) 71<br />
Wenn von 100 Mio. bei 50 Mio. Zuschauern <strong>der</strong> Fernseher eingeschaltet ist<br />
und 15 Mio. davon einen best<strong>im</strong>mten Kanal (Programm) ansehen, beträgt die<br />
Einschaltquote dieses Kanals (Programms) runde 30%.<br />
Der Marktanteil ist <strong>der</strong> Anteil eines Kanals o<strong>der</strong> einer Sendung an zeitgleich<br />
zusehenden Zuschauern. Der Marktanteil ist vor allem für die Chefs <strong>der</strong><br />
kommerziellen Kanäle wichtig.<br />
Wenn von 100 Mio. 20 Mio. Zuschauer während eines best<strong>im</strong>mten Zeitraums<br />
einen best<strong>im</strong>mten Kanal (Programm) ansehen, beträgt sein Marktanteil 20%.<br />
<strong>Die</strong> Mediaplaner <strong>der</strong> Werbeagenturen haben die Einschaltquoten <strong>der</strong><br />
Programme und <strong>der</strong> Werbeblöcke vor sich und wissen auch, wie das Publikum<br />
strukturiert ist. Sie vergeben keine Aufträge, wenn ihre Zielgruppen nicht zu<br />
den Zuschauern gehören. O<strong>der</strong> wenn die Zuschauer eines Programms aus zu<br />
vielen verschiedenen Zielgruppen bestehen. Denn je<strong>der</strong> Kontakt kostet.<br />
<strong>Die</strong> Programmdirektionen betrachten keine neuen Sendungsvorschläge o<strong>der</strong><br />
nehmen keine TV-<strong>Formate</strong>, wenn sie ihrem Programmkonzept nicht<br />
entsprechen, bzw. nicht für die „spezifischen Zielgruppen“ angepasst werden<br />
können, die die Auftraggeber von Werbespots wünschen. Immer öfter richten<br />
Programmdirektionen Spartenkanäle ein: Kanäle für potentielle Käufer von<br />
71 Von „http://de.wikipedia.org/wiki/Einschaltquote“<br />
177
Sportartikeln, Kanäle für Kin<strong>der</strong> und junge Leute, Frauenkanäle. Alle haben<br />
nur ein Interesse: den Werbeagenturen die gewünschten Zuschauergruppen zu<br />
verkaufen.<br />
<strong>Die</strong> Preise für die Sendung eines Werbespots sind unterschiedlich. Ein 30-<br />
Sekunden-Werbespot <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Abendprogramm kostet Ende <strong>der</strong> 90er<br />
Jahre circa 80.000 bis 100.000 DM, in den USA kostet ein 30-Sekunden-Spot<br />
in einer erfolgreichen Pr<strong>im</strong>et<strong>im</strong>e-Fernsehserie bis zu 600.000 Dollar, in einer<br />
„Superbowl“-Übertragung eine Million Dollar. 72<br />
Entscheidende Größe ist <strong>der</strong> Tausen<strong>der</strong>-Kontakt-Preis. Das ist <strong>der</strong> Preis, den<br />
die Werbeagenturen für 1.000 Personen zahlen müssen, die zur Sendezeit<br />
ihrer Werbung fernsehen. Der Preis hängt allein davon ab, wieviele Zuschauer<br />
zur jeweiligen Sendezeit zu erwarten sind. Je mehr Kontakte, desto niedriger<br />
kann <strong>der</strong> Preis für jeweils 1.000 Kontakte sein. Allerdings ist <strong>der</strong> Tausen<strong>der</strong>-<br />
Kontakt-Preis nicht alles. Ist eine spezielle Zielgruppe gewünscht, hängt <strong>der</strong><br />
Preis vom Anteil <strong>der</strong> speziellen Zielgruppe ab, zum Beispiel <strong>der</strong><br />
Traumzielgruppe <strong>der</strong> Werbung: Männer bis 25 Jahren und einem<br />
Monatseinkommen über 12.500 €. Oft n<strong>im</strong>mt ein Mediaplaner einen höheren<br />
Tausen<strong>der</strong>-Kontakt-Preis in Kauf, wenn die Zielgruppe, die er erreicht,<br />
opt<strong>im</strong>al für sein Produkt ist. Wirbt er zum Beispiel für turbogestylte<br />
Turnschuhe, ist ein Werbespot in einem Musik-Spartenkanal mit speziell<br />
jugendlichem Publikum sinnvoller als in einem „normalen“ Kanal, selbst<br />
wenn <strong>im</strong> Spartenkanal die Einschaltquote niedriger ist.<br />
Trotz aller kommerziellen Interessen werden die Einschaltquoten <strong>im</strong>mer<br />
ignoriert, wenn mit einem beson<strong>der</strong>s kaufkräftigen Publikum argumentiert<br />
werden kann. Dann wird nicht mehr mit <strong>der</strong> Menge, son<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong><br />
„Qualität“ <strong>der</strong> Zuschauer argumentiert, dass zum Beispiel eine Sendung vor<br />
allem von Jugendlichen gesehen wird, die frühzeitig zum richtigen<br />
Markenbewußtsein erzogen werden müssen, o<strong>der</strong> dass einige <strong>der</strong> Zuschauer<br />
zur großartigsten aller Zielgruppen gehören, den bereits erwähnten Jung-<br />
72<br />
Warum Einschaltquoten und Hitlisten kein demokratisches Bild <strong>der</strong> Publikumswünsche ergeben,<br />
<strong>Die</strong>ter Prokop<br />
178
Dynamikern mit einem Monatseinkommen über 12.500 €, <strong>der</strong>en Leben<br />
angeblich ein einziges Konsumziel ist.<br />
Das Problem <strong>der</strong> quantitativen Zielgruppen ist nämlich, dass vor dem<br />
Fernseher zum großen Teil Menschen mit einem min<strong>im</strong>alen Einkommen<br />
sitzen, Arbeitslose und Rentner, Hausfrauen <strong>der</strong> Unterschicht. Ihre<br />
Möglichkeiten, sich Alternativen zum Fernsehen zu suchen, sind gering, sie<br />
sind auf kostenlose Unterhaltung angewiesen.<br />
Natürlich st<strong>im</strong>mt es, dass auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten den Erfolg<br />
ihrer Sendungen an <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Einschaltquoten messen, schließlich<br />
finanzieren sie sich in ständig steigendem Anteil aus Werbeeinnahmen. Sie<br />
übernehmen von kommerziellen Firmen Programme, und sie verkaufen selbst<br />
Programme. Auch die innerbetriebliche Konkurrenz <strong>der</strong> Redaktionen regelt<br />
sich über Einschaltquoten. Auch die Politiker achten auf die Einschaltquoten:<br />
Wer die höchsten Einschaltquoten bietet, bekommt zuerst die begehrtesten<br />
Politiker. Deshalb zeigen sich Politiker lieber <strong>im</strong> Sportstudio als bei einer<br />
Bundestagsdebatte.<br />
<strong>Die</strong> Industrie schaltet Werbung und zahlt entsprechend, von <strong>der</strong> private<br />
kommerzielle Sendeanstalten nahezu ausschließlich und öffentlich-rechtliche<br />
teilweise leben. Je höher die Einschaltquoten einer Sendung sind, desto<br />
begehrter und dementsprechend teurer ist die Platzierung <strong>der</strong> Werbung<br />
während und <strong>im</strong> Rahmen ihrer Sendezeit.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game-Shows sind ein gewinnsicheres Format für alle<br />
Werbeinteressierten. Sie sind zum integralen Bestandteil des Fernsehalltags<br />
geworden. <strong>Die</strong> beständige Anwesenheit von <strong>Quiz</strong>sendungen und Game-Shows<br />
in allen Programmen ist dadurch erklärbar, dass sie (beson<strong>der</strong>s die populärsten<br />
Reihen) kontinuierlich und regelmäßig hohe Zuschauerzahlen erbringen<br />
(übrigens nicht die höchsten). So findet man in den täglichen<br />
Zuschauerranglisten häufig Game-Shows und <strong>Quiz</strong>sendungen auf den ersten<br />
Plätzen, nicht aber in den entsprechenden Jahreslisten. Dort dominieren<br />
beispielsweise <strong>im</strong> Jahr 2006 Fußballübertragungen (von <strong>der</strong><br />
179
Weltmeisterschaft), die Folgen von populären Serien und Spielfilme. Für die<br />
Werbeträger ist aber <strong>der</strong> einmalige Publikumserfolg weniger von Bedeutung<br />
als <strong>der</strong> kontinuierliche, <strong>der</strong> allgemein die Höhe <strong>der</strong> Werbeeinnahmen<br />
best<strong>im</strong>mt. <strong>Die</strong>s spornt sowohl die Konkurrenz zwischen den öffentlich-<br />
rechtlichen Programmanbietern als auch die Konkurrenz zwischen öffentlich-<br />
rechtlichen und privaten Anbietern an. Einmal (zu einer guten Sendezeit,<br />
pr<strong>im</strong>e t<strong>im</strong>e) 60% aller potentiellen Kunden-Zuschauer zu erreichen, ist zwar<br />
gut, besser ist jedoch, wenn an diesem Sendeplatz regelmäßig zuverlässig<br />
wenigstens 40% erreicht werden 73 .<br />
<strong>Die</strong> Einschaltquoten sind das Barometer <strong>der</strong> Popularität beliebiger<br />
Fernsehformate.<br />
Woraus besteht die Popularität des Spiels, sein Erfolg und seine<br />
Anerkennung?<br />
Im Glossarium von D. N. Uschakov hat das Wort „Popularität“ zwei<br />
Bedeutungen:<br />
• Fassbarkeit <strong>der</strong> Darstellung (Transparenz), Einfachheit<br />
(die 1.Bedeutung);<br />
• Bekanntheit, öffentliche Anerkennung (die 2.Bedeutung). 74<br />
Das heißt, dass das Format einfach und verständlich sein soll, dann kann es<br />
geschätzt werden. Man soll in einer Sprache mit dem Zuschauer<br />
kommunizieren, sonst gibt es keinen Sinn.<br />
Der Erfolg einer Spiel-Show <strong>im</strong> großen Maß liegt in <strong>der</strong> Einfachheit <strong>der</strong><br />
Spielregeln. Der Zuschauer soll schon in <strong>der</strong> ersten Sendung diese Regeln<br />
verstehen und intuitiv ihre Gerechtigkeit und Harmonie erkennen. <strong>Die</strong><br />
73 Gerd Hallenberger, <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>- und Game-Show-Zuschauer. Anmerkungen zu den GFK-<br />
Zuschauerzahlen <strong>der</strong> 1986 von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ausgestrahlten <strong>Quiz</strong>- und<br />
Game-Show-Reihen, Arbeitshefte Bildschirmmedien 9, 1989<br />
74 Толковый словарь русского языка. Под ред. Д. Н. Ушакова (Glossarium von D. N. Uschakov)<br />
180
überflüssigen Elemente, so wie Manipulationen mit irgendwelchen Hebeln<br />
(„Russisch Roulette“) o<strong>der</strong> mit den an<strong>der</strong>en gruseligen Mechanismen, können<br />
nur Abneigung hervorrufen.<br />
<strong>Die</strong> Fassbarkeit <strong>der</strong> Darstellung ist aber nur ein Fundament <strong>der</strong> Popularität.<br />
Das Gebäude muss nun noch gebaut werden. Wir müssen uns den<br />
hypothetischen Zuschauer gut vorstellen können, er hat aber Tausende<br />
Gesichter. Und jedes Gesicht muss <strong>im</strong> Format etwas Anziehendes für sich<br />
finden. Es soll dabei kein Durcheinan<strong>der</strong> herauskommen, was für Regisseure<br />
oft eine Lösung ist. Nein, in einem Spiel, in einer Struktur, in einem Format<br />
muss je<strong>der</strong> Zuschauer das finden, was ausgerechnet nach seinem Geschmack<br />
präzise serviert wurde. Dann werden alle zufrieden sein.<br />
Es gibt best<strong>im</strong>mte allgemeine Regeln, die best<strong>im</strong>mte Zuschauergruppe<br />
heranziehen:<br />
1) Im Spiel muss ein reiner Wettbewerb, ein Spieleifer sein. Nur in diesem<br />
Fall sitzen die Spielfreunde vor dem Bildschirm wie gefesselt.<br />
2) Das Spiel muss nach den dramaturgischen Gesetzen aufgebaut werden:<br />
unerwartete Än<strong>der</strong>ung des Sujets, Aufstieg und Absturz <strong>der</strong> Spielenden, mit<br />
perfekter Intrige. Dann gewinnen Sie die Freunde von allen Arten <strong>der</strong><br />
dramatischen Kunst, Theater und Film.<br />
3) Im Spiel muss es nichts Künstliches geben, viel Improvisation und<br />
Spontaneität, genauso wie das Leben selbst. Dann sind diejenigen einbezogen,<br />
die eigene Schlussfolgerungen daraus ziehen wollen, was sie sehen und hören.<br />
4) Das Spiel muss mit den mo<strong>der</strong>nen Rhythmen durchgedrungen werden. Es<br />
muss dynamisch sein. Es geht nicht nur um musikalische Einschlüsse, son<strong>der</strong>n<br />
auch um die „Musik <strong>der</strong> Formen“, um das Regie- und dramaturgische Denken.<br />
Damit werden die Zuschauer erobert, die ihr Leben nach den Rhythmen <strong>der</strong><br />
heutigen Zeit richten.<br />
181
5) Das Spiel soll eine Grundregel erfüllen: In Min<strong>im</strong>um Zeit – Max<strong>im</strong>um<br />
Information. Keine leeren Worte, keine überflüssigen Erklärungen, die keiner<br />
braucht. Umgekehrt – direkte Antworte auf direkte Fragen, für die sich die<br />
Zuschauer interessieren.<br />
6) Intelligente Leute verfolgen <strong>im</strong>mer neue Informationen und versuchen sie<br />
auch <strong>im</strong> Spiel zu finden. Gelingt es, sind sie voll dabei.<br />
<strong>Die</strong>se Aufzählung von Zuschauergruppen kann man weiter fortsetzen. Das<br />
wichtigste ist, dass jede von ihnen in diesem Spiel sich selbst finden soll. Wie<br />
<strong>der</strong> Stein, <strong>der</strong> ins Wasser fällt und viele Kreise um sich herum bildet, bedeutet<br />
je<strong>der</strong> Kreis ein Zuschauerinteresse. Wieviel Kreise braucht man, um die<br />
Popularität zu erreichen?<br />
Sogar ungeplante Kuriositäten <strong>im</strong> Spiel tragen zu seinem Popularität bei.<br />
Kuriositäten bei WWW in Deutschland:<br />
• Der Mo<strong>der</strong>ator von WWW, Günther Jauch, hat für jede Auswahlrunde drei<br />
Fragen bei sich. Es ist mal vorgekommen, dass keine <strong>der</strong> Fragen beantwortet<br />
wurde und Jauch spontan eine vierte Frage sich ausdenken musste. (Zitat von<br />
Günther Jauch: Ich sag's, wie's is', ich hab' keine Fragen mehr! Was wollen<br />
Sie für Fragen? – Ordnen Sie nach dem Alphabet: A, B, C, D.)<br />
• In einer Folge schieden nacheinan<strong>der</strong> drei Kandidatinnen bei <strong>der</strong> zweiten<br />
Frage aus, die vom Schwierigkeitsgrad eigentlich nur zum Aufwärmen<br />
gedacht ist. Jauch nannte dieses Ereignis „Blondinenkegeln“.<br />
• Diverse Male gab es Fehler be<strong>im</strong> Anrufen des Telefonkandidaten. Häufig<br />
entwickelte sich daraus ein nettes Gespräch zwischen Jauch und <strong>der</strong><br />
überraschten Person am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Leitung. Einmal war am an<strong>der</strong>en<br />
Ende <strong>der</strong> Leitung auch ein Anrufbeantworter zu hören.<br />
182
• Bis ungefähr zur 500-Euro-Frage werden <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> kuriose<br />
Doppeldeutigkeiten thematisiert. Beispielsweise wurde am 11. Januar 2008<br />
gefragt: „Bei welcher Gartenarbeit sollte ein Pyrotechniker auf seine gelernte<br />
Arbeitsweise verzichten?“ Antwortmöglichkeiten: Rasen sprengen, Unkraut<br />
jäten, Hecken schneiden, Beete anlegen. Natürlich wird auf die<br />
Doppeldeutigkeit des Wortes sprengen („explodieren lassen“ und „beregnen“)<br />
angespielt.<br />
• Vergisst ein Kandidat bei <strong>der</strong> Auswahlfrage, die „OK-Taste“ zu drücken,<br />
gibt aber ansonsten eine richtige Antwort ein, so wird er mit <strong>der</strong> Max<strong>im</strong>alzeit<br />
von 20 Sekunden gewertet. Es ist bereits mehrmals vorgekommen, dass ein<br />
Kandidat auf diese Weise auf den Stuhl kam, weil niemand an<strong>der</strong>es die<br />
richtige Antwort gegeben hatte.<br />
• Im Februar 2005 konnten zwei Kandidaten eine Auswahlfrage auf die<br />
hun<strong>der</strong>tstel Sekunde genau gleich schnell richtig beantworten. Es folgte ein<br />
Stechen zwischen diesen beiden Kandidaten. Da sie die folgende<br />
Auswahlfrage nicht gleich beantworten konnten, musste eine weitere<br />
Auswahlfrage herhalten. Dadurch dauerte es einige Zeit, bis endlich <strong>der</strong><br />
nächste Kandidat best<strong>im</strong>mt werden konnte. <strong>Die</strong>ser gewann in <strong>der</strong> Folge<br />
32.000 Euro.<br />
• Be<strong>im</strong> Prominentenspecial vom 22. November 2007 wurde eine Eine-<br />
Million-Euro-Frage gestellt („Was kreierte <strong>der</strong> Belgier Luc Luycx? A: Oscar-<br />
Statue B: Schlümpfe C: Euro-Münzen D: Atomium“) und das Publikum per<br />
Abst<strong>im</strong>mung befragt. Es wurde hier von Günther Jauch behauptet, das<br />
geschähe zum ersten Mal. Tatsächlich wurde aber am 14. Dezember 2001 in<br />
einer regulären Sendung bereits das Publikum für eine Eine-Million-Mark-<br />
Frage bemüht („Für was steht das "D" in D-Zug? A: Direkt B: Drehstrom C:<br />
Durchgang D: Durchfahrt“). Bei beiden Fragen war die Antwortmöglichkeit C<br />
richtig.<br />
183
• Am 3. März 2008 verwechselte eine Kandidatin die Stühle und setze sich auf<br />
den Platz von Günther Jauch. Er spielte daraufhin bis zur 500-Euro-Frage und<br />
ließ die Kandidatin mo<strong>der</strong>ieren.<br />
Kuriositäten aus <strong>der</strong> weiten Welt<br />
Manchmal kann es bei den <strong>Quiz</strong>fragen zu grausamen Absurditäten kommen.<br />
So in China, laut russischer Nachrichtenagentur РИА „Новости“ 75 vom<br />
27.09.2004, wurde in einem zentralen Kanal mitten einer Nachrichten-<br />
Sendung Today´s, die über das Geiseldrama in Beslan berichtete, eine <strong>Quiz</strong>-<br />
Frage gegen Preis gestellt: Wieviel Menschen wurden in Beslan ermordet? Es<br />
sind viel Varianten angeboten worden: von 302 bis 402.<br />
Es sind auch manche Manipulationsversuche aus <strong>der</strong> Geschichte des <strong>Quiz</strong>-<br />
<strong>Formate</strong>s bekannt.<br />
Aber man sagt: Auch schlechte Werbung ist Publicity.<br />
Manipulationsfälle<br />
So startete <strong>im</strong> November 1953 <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Fernsehen die Rate- und<br />
Geschicklichkeitsshow „Er und Sie“, bei <strong>der</strong> Kandidaten aus dem<br />
Studiopublikum aufgrund <strong>der</strong> Nummer ihrer Eintrittskarte ausgewählt wurden.<br />
Spielleiter war Hans-Peter Rieschel. <strong>Die</strong> erste Sendung verlief katastrophal.<br />
Ohne präzise Regie, umständlich erklärt und angesagt und von bizarren<br />
Situationen bedroht, quälte sich die Sendung mühsam durch die Zeit. Trotz<br />
ansehnlicher Geldpreise kam das Publikum nur zögernd zum Mitmachen auf<br />
die Bühne. Deshalb platzierte Rieschel für die zweite Folge <strong>im</strong> Voraus<br />
gewählte Kandidaten mit präparierten Eintrittskarten <strong>im</strong> Publikum. (Sie waren<br />
allerdings über den weiteren Spielverlauf nicht informiert.) Im Nachhinein<br />
wurde Rieschel vom NWDR (dem Vorläufersen<strong>der</strong> von WDR und NDR)<br />
entlassen und die Sendung abgesetzt.<br />
75 RIA Novosti – Russische Nachrichten-Agentur NOWOSTI<br />
184
In <strong>der</strong> englischen Version <strong>der</strong> Show „Wer wird Millionär?“ gewann am 10.<br />
September 2001 Charles Ingram den Hauptpreis. Bei <strong>der</strong> Überprüfung <strong>der</strong><br />
Aufzeichnung stellte sich heraus, dass ein Helfer <strong>im</strong> Publikum Ingram durch<br />
Husten bei den Antworten geholfen hatte. Ingram erhielt das Geld nicht, er<br />
wurde stattdessen angezeigt und 2003 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.<br />
2006 schaffte es Reinhold Schlager unter falschem Namen ein zweites Mal<br />
auf den Stuhl <strong>der</strong> RTL-<strong>Quiz</strong>show „Wer wird Millionär?“ Schon 2003 hatte er<br />
sich unter dem falschen Namen Luis Meyer für die Show beworben, aber nur<br />
500 Euro gewonnen. <strong>Die</strong> Namensfälschung war damals niemandem<br />
aufgefallen. Der niedrige Gewinn hätte ihn so geärgert, dass er sich<br />
regelwidrig ein zweites Mal beworben habe, erklärte er. <strong>Die</strong><br />
Sendungsverantwortlichen haben den Spieler, <strong>der</strong> zufällig von einem<br />
Zuschauer wie<strong>der</strong> erkannt wurde, nachträglich disqualifiziert und zahlten den<br />
Betrag von 64.000 Euro nicht aus. <strong>Die</strong> verbliebenen Kandidaten <strong>der</strong> Show<br />
vom 10. April 2006 bekamen am 8. Mai 2006 eine zweite Chance.<br />
Dem Call-In-Sen<strong>der</strong> 9Live wird von Zuschauern wegen vermuteter<br />
willkürlicher Regelauslegungen und angeblicher Manipulationen an den<br />
eingeblendeten Grafiken <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> Betrug vorgeworfen.<br />
Verdacht auf Schleichwerbung<br />
In <strong>der</strong> Sendung vom 8. Dezember 2006 fragte Jauch nach einem –<br />
körpereigenen – Wirkstoff, <strong>der</strong> als Anti-Falten-Mittel Verwendung findet. In<br />
<strong>der</strong> folgenden Werbepause zeigte RTL einen Spot für eine Creme mit genau<br />
dieser Substanz. RTL bestritt einen Zusammenhang zwischen Frage und<br />
Werbespot; die für RTL zuständige nie<strong>der</strong>sächsische Landesmedienanstalt sah<br />
darin ebenfalls keine Schleichwerbung und wertete das Vorkommnis als<br />
Zufall.<br />
185
«Wer wird Millionär?» als Sorgenkind<br />
In <strong>der</strong> letzten Zeit ist «Wer wird Millionär?» in Deutschland zum Sorgenkind<br />
von RTL geworden. Trotz hoher Ratings verliert das <strong>Quiz</strong> mehr und mehr<br />
Zuschauer. Eine <strong>der</strong> Erklärungen: die Kandidaten wollen nicht auf Risiko<br />
gehen und bis zum Ende spielen. <strong>Die</strong>se Position <strong>der</strong> Kandidaten enttäuscht die<br />
Zuschauer. Das Spiel erfüllt nicht mehr seinen eigentlichen Sinn und sein Ziel,<br />
dadurch geht <strong>der</strong> Reiz an <strong>der</strong> Show in den Augen <strong>der</strong> Zuschauer verloren.<br />
Show/<br />
Staffel<br />
Staffel I<br />
Staffel II<br />
Staffel III<br />
Staffel IV<br />
Staffel V<br />
WWM-Einschaltquoten in Deutschland:<br />
Datum<br />
3.9.- 9.9.1999<br />
27.1.-7.2.2000<br />
26.5-10.6.2000<br />
31.8.- 9.9.2000<br />
6.10. -<br />
25.12.2000<br />
Durchschnittl.<br />
in Mio.<br />
> 3 Jahre<br />
4,64<br />
8,31<br />
7,11<br />
8,15<br />
10,02<br />
Durchschnittl.<br />
MA Gesamt in<br />
%<br />
19,8 %<br />
26,0 %<br />
29,9 %<br />
29,8 %<br />
32,3 %<br />
Durchschnittl.<br />
MA 14-49<br />
in %<br />
26,6 %<br />
35,7 %<br />
39,0 %<br />
37,4 %<br />
39,53 %<br />
Quelle:http://www.rtl.de/rtlworld.html?page=http://www.rtl.de/werwirdmillionaer.html&ba<br />
nner=/world/shows/wer_wird_millionaer/home&Color=150050<br />
WWM gehört mittlerweile zu den "ältesten" RTL-Sendungen (seit 1999<br />
ausgestrahlt – 7 Jahre!). Inzwischen meiden die jüngeren Zuschauer den<br />
Dauerbrenner <strong>im</strong>mer häufiger. Schon mehrfach berichtete Quotenmeter.de<br />
über die <strong>im</strong>mer stärker werdenden Quotenprobleme. Das belegt nun auch eine<br />
für das Nachrichtenmagazin "Focus" erstellte Auswertung von Media Control.<br />
Demnach lag <strong>der</strong> Altersdurchschnitt <strong>der</strong> «Wer wird Millionär?»-Zuschauer <strong>im</strong><br />
Jahr 2006 bei 55 Jahren, 2000 war das Publikum <strong>im</strong> Schnitt noch 45 Jahre alt.<br />
186
<strong>Die</strong>se Entwicklung wird auch bei den Marktanteilen deutlich: Während die<br />
<strong>Quiz</strong>show vor sieben Jahren noch einen durchschnittlichen Zielgruppen-<br />
Marktanteil von 38,4 Prozent einfahren konnte, betrug <strong>der</strong> Schnitt <strong>im</strong> Jahr<br />
2006 nur noch 19,2 Prozent – selbst dieser Wert wird inzwischen nicht mehr<br />
selten deutlich unterboten.<br />
Nach wie vor gilt die Gruppe <strong>der</strong> 14- bis 49-jährigen als für die<br />
Werbewirtschaft beson<strong>der</strong>s interessant. RTL hat auf das gesunkene Interesse<br />
bereits reagiert und verzichtet seit dem Start <strong>der</strong> neuen «Superstar»-Staffel auf<br />
«Wer wird Millionär?»-Ausgaben am Samstagabend.<br />
Nur die Montagsausgaben <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>sendung machen noch die Quoten und<br />
bringen es nach Ergebnissen des Fernsehjahres 2006/2007 <strong>im</strong> Schnitt auf 7,31<br />
Millionen Zuschauer. Damit bleibt „Wer wird Millionär?“ be<strong>im</strong><br />
Gesamtpublikum unter den ersten drei Vorreitern, mit «Wetten, dass..?»<br />
(ZDF) an <strong>der</strong> Spitze (die sechs gezeigten Folgen unterhielten <strong>im</strong> Durchschnitt<br />
12,51 Mio. Zuschauer ab drei Jahren), gefolgt von «Tatort» <strong>im</strong> Ersten (7,37<br />
Mio. Zuschauer). 76<br />
<strong>Die</strong> Trends <strong>der</strong> nächsten Saison sieht man deutlich am Beispiel <strong>der</strong> neuen Hits<br />
in <strong>der</strong> Zielgruppe <strong>der</strong> 14- bis 49-jährigen. Da wurde sogar Thomas<br />
Gottschalks «Wetten, dass..?» von «Deutschland sucht den Superstar»<br />
geschlagen. Ein an<strong>der</strong>er Quotenmacher ist die Show mit Heidi Klum<br />
«Germany’s Next Topmodel», die schon die Kin<strong>der</strong> ab 3 Jahren als ein<br />
wun<strong>der</strong>schönes Märchen wahrnehmen und nicht zur gewohnten Zeit ins Bett<br />
gehen wollen. In diesem Fall soll die Sendezeit nachgebessert werden.<br />
Am 3. September startete Günther Jauchs RTL-<strong>Quiz</strong> „Wer wird Millionär?“<br />
mit einer Doppelfolge und neuen Regeln in die Saison 2007/2008.<br />
Sendetermine sind ausschließlich montags und freitags um 20.15 Uhr, die<br />
gelegentlichen Ausstrahlungen am Samstagabend entfallen.<br />
76 www.quotenmeter.de<br />
187
Zur Begründung verwies <strong>der</strong> für die Sendung zuständige RTL-Sprecher Frank<br />
Rendez darauf, dass <strong>der</strong> Samstagabend in <strong>der</strong> kommenden Saison mit<br />
zahlreichen großen Shows belegt sei, darunter auch zwei neue mit Jauch. In<br />
<strong>der</strong> vergangenen Saison war Jauchs <strong>Quiz</strong>sendung an sechs Samstagabenden<br />
außerhalb <strong>der</strong> Sendetermine von „Deutschland sucht den Superstar“ gelaufen.<br />
Zu den in den vergangenen Jahren gesunkenen Einschaltquoten von „Wer<br />
wird Millionär“ verwies Rendez darauf, dass die Sendung „mit knapp sieben<br />
Millionen Zuschauern <strong>im</strong> Schnitt Quoten hat, von denen an<strong>der</strong>e nur träumen<br />
können“. Und: „Ein Ende ist nicht in Sicht.“ 77<br />
Das war ein kluger und gelungener Schachzug von RTL, Jauch und sein <strong>Quiz</strong><br />
ab sofort nur noch zwe<strong>im</strong>al die Woche einzusetzen (montags und freitags).<br />
Das bewahrt den Mo<strong>der</strong>ator, die Show und die Zuschauer vor<br />
Ermüdungserscheinungen. Und das ist wahrscheinlich wirkungsvoller als ein<br />
erweiterter Joker.<br />
In Russland<br />
Im September 2008 tauchten Informationen auf, wonach Max<strong>im</strong> Galkin den<br />
Ersten Kanal verlässt und die Millionär-Show kurz vor dem Aus steht. Unter<br />
den Zuschauern wurde eine Umfrage durchgeführt, wen sie als Galkins<br />
Nachfolger bei <strong>der</strong> Million-Show sehen möchten.<br />
<strong>Die</strong> Produktionsrechte hat <strong>der</strong> Erste Kanal inzwischen erworben. Seit dem<br />
27. Dezember 2008 mo<strong>der</strong>iert Dmitri Dibrov, <strong>Quiz</strong>master <strong>der</strong> ersten<br />
russischen Version „WWM“ („О, Счастливчик!“), den Publikumsliebling<br />
wie<strong>der</strong>.<br />
77 www.welt.de, Neue Regeln bei "Wer wird Millionär" - vom 1.August 2007<br />
188
IV. Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei<br />
<strong>der</strong> internationalen Verbreitung <strong>der</strong> <strong>gleichen</strong> <strong>Quiz</strong>-<br />
<strong>Formate</strong>n hinweisen<br />
Es gibt unterschiedliche Auswirkungen in <strong>der</strong> Globalisierung <strong>der</strong><br />
Massenmedien, sowohl positive als auch negative. Gerade Medien und nicht<br />
zuletzt das Fernsehen sind verantwortlich dafür, das die Menschen aus<br />
verschiedenen Staaten allmählich ihre Zugehörigkeit zu einer gewissen<br />
Weltgemeinschaft spüren lernen, <strong>im</strong> Sinne einer Abkehr von geschlossenen<br />
Informations-, Wirtschafts-, Politik- und Kulturarealen in <strong>der</strong> Welt.<br />
Trotzdem neigt je<strong>der</strong> Mensch, jedes Volk und jedes Land dazu, seine<br />
Individualität, Identität, Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu erhalten, seine<br />
Lebensweise und seine Lebensqualität zu bewahren, seine Kultur nicht zu<br />
verlieren, was je<strong>der</strong>mann <strong>im</strong> Grunde eigenartig macht. <strong>Die</strong>ser Aspekt muss<br />
unbedingt berücksichtigt werden, wenn es um die Einführung an<strong>der</strong>er<br />
Lebensstandards in einem an<strong>der</strong>en Umfeld geht. Man sollte dabei nicht an<strong>der</strong>e<br />
Kulturen vereinnahmen.<br />
Das betrifft auch den Prozess des weltweiten Exports von Medienprodukten,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Fernsehformate, die an die hiesigen Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong><br />
Mentalität <strong>der</strong> Menschen in je<strong>der</strong> neueröffneten Landschaft angepasst werden<br />
sollen.<br />
<strong>Die</strong> Mentalität<br />
Mentalität (lat. mens, Geist) bezeichnet vorherrschende Denk- und<br />
Verhaltensmuster einer Person o<strong>der</strong> einer sozialen Gruppe von Menschen<br />
189
(z. B. einer Bevölkerungs- o<strong>der</strong> Berufsgruppe) und wird auch auf gesamte<br />
Nationen bezogen. 78<br />
Genauso wie manche Wörter und Redewendungen nicht direkt in eine an<strong>der</strong>e<br />
Sprache übersetzbar sind, können die Fernsehformate nicht 1 zu 1 ins an<strong>der</strong>e<br />
kulturelle Umfeld übertragen werden.<br />
Nehmen wir als Beispiel das kleinste Format – ein Werbespot. Viele westliche<br />
Unternehmer, die auf den russischen Markt kommen und russische Menschen<br />
für westliche Produkte gewinnen wollen, machen <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> einen Fehler.<br />
Sie meinen, dass <strong>der</strong> Werbespot, dessen Produktion sie viel Geld gekostet hat<br />
und <strong>der</strong> <strong>im</strong> Westen gut ankommt, genauso von den Menschen mit an<strong>der</strong>er<br />
Mentalität aufgenommen wird. Sie lassen den Spot nur in eine an<strong>der</strong>e Sprache<br />
übersetzen und sind enttäuscht, weil die großen Erwartungen auf eine hohe<br />
Nachfrage nicht erfüllt werden. Und dabei ist das sehr einfach zu erklären.<br />
Ein Beispiel für die missverstandene Wirkung eines Werbespots:<br />
<strong>Die</strong> Lehrerin erklärt den Schülern: „<strong>Die</strong>ser Dinosaurier lebte vor 65 Mio.<br />
Jahre.“<br />
„Und unsere Zähne? Können sie auch so lange und gut erhalten werden?“ –<br />
fragt ein Schüler.<br />
Der an<strong>der</strong>e Schüler antwortet: „Meine best<strong>im</strong>mt, weil ich sie mit <strong>der</strong><br />
Zahnpaste „X“ putze.“<br />
Im Westen ist dieser Spot von den Zuschauern gut aufgenommen worden und<br />
be<strong>im</strong> nächsten Einkauf <strong>im</strong> Supermarkt besorgen sie best<strong>im</strong>mt dieses<br />
Zahnwun<strong>der</strong>.<br />
Was macht aber ein Zuschauer irgendwo in einem kleinen russischen Dorf,<br />
<strong>der</strong> seine Vorratseinkäufe einmal <strong>im</strong> Monat erledigen kann, wenn ein mobiles<br />
„Geschäft auf Rä<strong>der</strong>n“ kommt? O<strong>der</strong> <strong>der</strong> das letzte Mal be<strong>im</strong> Zahnarzt<br />
78 http://de.wikipedia.org/wiki/Mentalit%C3%A4t<br />
190
während <strong>der</strong> Schulzeit war? Er hat eine an<strong>der</strong>e Logik und kommt sofort auf<br />
einen an<strong>der</strong>en Gedanken: „Wenn die Zähne vom Dinosaurier für 65 Mio.<br />
Jahre <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> guten Zustand sind und dabei keine Zahnpaste „X“<br />
dieses Wun<strong>der</strong> bewirkt hat… wozu soll ich meine Zähne überhaupt putzen?“<br />
Das heißt, diese Werbung bewirkt eine Gegenreaktion – die Zähne brauchen<br />
keine Hygiene.<br />
Wie die Fernsehpraxis zeigt, gibt es die <strong>Formate</strong>, die von vornherein nicht<br />
anpassungsfähig sind. <strong>Die</strong>ser Meinung ist Sergej Kordo, <strong>der</strong> russische<br />
Produzent von „W-Media“, Produktionsfirma von "Кто хочет стать<br />
миллионером?" (WWM), "Слабое звено" (Weakest Link), "Народный<br />
артист" (DSDS). Zum Beispiel ist das Spiel „Алчность” (Greed) exakt auf<br />
amerikanische Zuschauer zugeschnitten und kann nicht auf die russische<br />
Mentalität übertragen werden. 79<br />
Eine weitere Beson<strong>der</strong>heit, die das Wahrnehmen <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Sendung<br />
enthaltenden Informationen unterschiedlich macht, ist <strong>der</strong> kulturelle<br />
Hintergrund <strong>der</strong> Menschen. Er ist von Land zu Land spezifisch.<br />
<strong>Die</strong> Kultur<br />
Nach William James Durant´s folgen<strong>der</strong> populärer Definition bedeutet die<br />
Kultur eine „soziale Ordnung, welche schöpferische Tätigkeiten begünstigt.<br />
Vier Elemente setzen sie zusammen: Wirtschaftliche Vorsorge, politische<br />
Organisation, moralische Traditionen und das Streben nach Wissenschaft und<br />
Kunst.“ 80<br />
Allgemein wird die Kultur verstanden als Dreiklang von Kunst, Religion und<br />
Wissenschaft. Dazu gehören auch Sprache, Ethik, Wirtschaft und<br />
Rechtsprechung.<br />
79 Валерий Павлов "Деньги" http://www.ccgrp.ru/creative/ccg481/Print.php?NewsID=45<br />
80 William James Durant „Kulturgeschichte <strong>der</strong> Menschheit“<br />
191
Es ist bekannt, dass man in je<strong>der</strong> Kultur sowohl universelle Eigenschaften<br />
finden kann, als auch Elemente, die nur für eine best<strong>im</strong>mte Gemeinschaft<br />
charakteristisch ist. Neben den allmenschlichen, allregionalen Informationen<br />
(z.B.: relevant für die europäische o<strong>der</strong> asiatische Region usw.) bewahrt jede<br />
Sprache (als Träger <strong>der</strong> Kultur) dank ihrer kumulativen Funktion die<br />
spezifische kultur-historische Information, die nur für das konkrete Volk<br />
typisch ist. <strong>Die</strong>se Information spiegelt die Beson<strong>der</strong>heiten wi<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Entwicklung, <strong>der</strong> geographischen Lage und <strong>der</strong><br />
gesellschaftlichen Ordnung, die Eigentümlichkeit <strong>der</strong> Folklore, aller<br />
Kunstarten, <strong>der</strong> Wissenschaft, <strong>der</strong> unterschiedlichen Facetten des<br />
Alltagslebens und Bräuche. <strong>Die</strong> Sprache in <strong>der</strong> kumulativen Funktion (neben<br />
<strong>der</strong> kommunikativen Funktion) verbindet als ein Kettenglied die<br />
Generationen, ist ein Reservoir und ein Mittel für die Übermittlung <strong>der</strong><br />
außersprachlichen kollektiven Erfahrungen.<br />
Das Fernsehen ist ein Teil <strong>der</strong> Kultur des jeweiligen Landes, des jeweiligen<br />
Volkes, ein Mittel für ihre facettenreiche audiovisuelle Selbstdarstellung. Und<br />
die Menschen sehen am liebsten die Sendungen o<strong>der</strong> Filme an, die über ihre<br />
Probleme berichten, die Ratschläge und Lösungen für ihre Lebenssituationen<br />
enthalten, die ihren Lebensstandards entsprechen, mit ihren Gewohnheiten<br />
vertraut sind und natürlich in ihrer Muttersprache berichten.<br />
Der europäische Kanal „ARTE“ bleibt weiterhin ein einsames Beispiel <strong>der</strong><br />
multikulturellen Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich. Für<br />
bessere Verständigung wird ARTE zweisprachig in Europa über Satellit<br />
ausgestrahlt. Um einen Beitrag zur europäischen Integration zu leisten und<br />
mehr Zuschauer zu gewinnen, wird das Spartenprogramm mit den Europa<br />
relevanten und kulturellen Themen gefüllt. <strong>Die</strong> Formatsendungen – solche wie<br />
<strong>Quiz</strong> – haben dort bislang noch keinen Fuß gefasst.<br />
Nichts desto trotz ist die globale Welt in den letzten Jahren viel offener und<br />
für die breiten Massen zugängiger geworden. <strong>Die</strong> Menschen reisen mehr,<br />
lernen neue Kulturen kennen, an<strong>der</strong>e Menschen und an<strong>der</strong>e Gewohnheiten.<br />
192
<strong>Die</strong> Kin<strong>der</strong>, die in Mischehen geboren werden, haben ein neues Bewusstsein,<br />
tragen eine ganz neue Kultur in sich, mit vielseitigen Interessen und breiteren<br />
Horizonten.<br />
Der kulturelle Hintergrund spielt eine große Rolle in <strong>der</strong> Wahrnehmung und in<br />
<strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> Informationen, die <strong>der</strong> Mensch über Massenmedien (in<br />
unserem Fall – Fernsehen) als geistige Nahrung bekommt. Eine und dieselbe<br />
Information kann in verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich verstanden<br />
werden. <strong>Die</strong>s beweisen zahlreiche empirische Untersuchungen in Bereichen<br />
Nachrichten, Kunst, organisatorische Strukturen, professionelle Werte <strong>der</strong><br />
Journalisten usw.<br />
Wenn wir Fernsehformate betrachten, sehen wir dasselbe Bild.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>-Show „Weakest Link“ (Слабое звено/ Der schwächste fliegt) ist das<br />
am meisten verkaufte Format in Großbritannien (an 79 Län<strong>der</strong> verkauft). Ihre<br />
russische Version wurde nur wenige Monate gesendet und ist danach vom<br />
Bildschirm verschwunden. Solcher Art Sendungen, wo von vornherein die<br />
Unkorrektheit gegenüber und zwischen den Spielern eingebettet war, schaffen<br />
öfter weniger Quoten, stattdessen mehr kontroverse Reaktionen und<br />
Ablenkung. Anne Robinson, die die englische Original-Version (später auch<br />
die amerikanische Version in den USA) mo<strong>der</strong>iert, ist die topbezahlte<br />
Mo<strong>der</strong>atorin <strong>der</strong> ganzen Welt. Sie wurde auch zur gröbsten Mo<strong>der</strong>atorin <strong>im</strong><br />
britischen Fernsehen ernannt. Anne erinnert sich gut an die Worte ihrer<br />
Mutter, die zu ihrem Lebensmotto geworden sind: „Wenn du die Letzte in <strong>der</strong><br />
Schlange zum Bus bist, steige als Erste ein.“ 81 In den USA gelang es zum<br />
Beispiel nicht, eine Mo<strong>der</strong>atorin für „Weakest Link“ nach dem<br />
vorgeschriebenen Muster zu finden. So wurde Anne Robinson gebeten auch<br />
die amerikanische Version (für 5 Mio. US-Dollar) zu mo<strong>der</strong>ieren. <strong>Die</strong><br />
russische Version mo<strong>der</strong>ierte Maria Kisseleva, zweifache Weltmeisterin <strong>im</strong><br />
Synchronschw<strong>im</strong>men. <strong>Die</strong> einzige Abweichung, die die russische Mo<strong>der</strong>atorin<br />
81 „Газета Дона“ (21.03.2002), http://wmedia.ru/sz/press/gd_21_03_2002.html<br />
193
sich erlaubte, war das zurückhaltende „Gratuliere!“ an den Gewinner <strong>im</strong><br />
Finale.<br />
In Großbritannien ist diese Show sehr populär. Wahrscheinlich ist die<br />
Atmosphäre des Kampfes für Geld, für einen Platz <strong>im</strong> Spiel, für das<br />
Überleben den Englän<strong>der</strong>n sehr nah und nachvollziehbar. <strong>Die</strong> Russen<br />
assoziieren die Spielregeln von „Weakest Link“ mit einer grausamen Welt, wo<br />
je<strong>der</strong> gegen jeden ist und <strong>der</strong> Schwächste kann <strong>der</strong> Stärkste werden, wenn er<br />
schlau, kompromisslos und gnadenlos an<strong>der</strong>en gegenüber ist.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse einer Umfrage 82 erklären deutlich die Reaktionen <strong>der</strong><br />
russischen Zuschauer auf dieses Fernsehformat. Befragt wurden 53 Personen<br />
<strong>im</strong> Alter von 15 bis 17 Jahre alt: 26 Männer und 27 Frauen. Es wurden<br />
folgende Fragen gestellt:<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Warum hat die Sendung nicht gefallen?<br />
In dieser Sendung werden die negativen<br />
Charaktereigenschaften geför<strong>der</strong>t / Hier wird<br />
Feindlichkeit deutlich kultiviert / Gier ist die<br />
Krankheit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Welt / Gefällt nicht,<br />
wenn die Menschen nach Geld gierig sind und<br />
dabei die an<strong>der</strong>en Menschen verachten<br />
Demütigend / Brutales Spiel / <strong>Die</strong> Spieler<br />
werden oft unfair behandelt / Hohe Anspannung<br />
<strong>im</strong> Spiel<br />
Gefällt nicht / Dumme Sendung<br />
82 http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm<br />
31,3 %<br />
(von den<br />
Befragten)<br />
17,0 %<br />
11,3 %<br />
194
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
An welche Zuschauer ist die Sendung adressiert? (in %)<br />
An alle<br />
An Dumme / An Vollidioten<br />
An einen gierigen Menschen, <strong>der</strong> für Geld aufs Ganze<br />
geht / An die Zuschauer, die geldgierig sind<br />
An die Bedürfnislosen, die den ganzen Tag fernsehen<br />
An Akademiker / An die Intellektuellen, die viel lesen<br />
An diejenigen, die Frage-Antwort-Spiele mögen und<br />
ihr IQ testen<br />
An diejenigen, die einen Nervenkitzel brauchen<br />
An die 15- bis 25-Järigen<br />
An diejenigen, die nach <strong>der</strong> Arbeit o<strong>der</strong> Studium<br />
müde nach Hause gekommen sind<br />
An die Zuschauer, die aus <strong>der</strong> Mittelschicht kommen<br />
An diejenigen, die hochgestochen, reich sind und sich<br />
über die an<strong>der</strong>en erheben und die an<strong>der</strong>en verachten<br />
An die Zuschauer bis 30 Jahre alt<br />
32,1<br />
13,2<br />
13,2<br />
11,3<br />
9,4<br />
5,7<br />
5,7<br />
3,8<br />
3,8<br />
3,8<br />
1,9<br />
1,9<br />
195
Was wollten die Autoren <strong>der</strong> Sendung damit bezwecken?<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
Gier entwickeln / <strong>Die</strong> Sendung trennt die Menschen<br />
voneinan<strong>der</strong> / Sie wollten die Bösartigkeit <strong>der</strong><br />
Menschen zeigen, ihren Hass aufeinan<strong>der</strong> und zu den<br />
an<strong>der</strong>en in einer best<strong>im</strong>mten Situation / Hier wird<br />
<strong>im</strong>mer jemand ungerecht herausgeworfen / Hier<br />
werden die menschlichen Mankos gezeigt / Alles<br />
scheint zu grob / Nur negative Emotionen<br />
Sie verdienen nur Geld damit<br />
Eine Unterhaltungsshow / Entspannung nach dem<br />
Arbeitstag<br />
…dass die Menschen des Geldes wegen nicht <strong>im</strong><br />
Stich gelassen werden sollen / …dass das Geld die<br />
Menschen verdirbt und dass es nicht das Wichtigste<br />
<strong>im</strong> Leben ist.<br />
Nichts<br />
Sie geben den Leuten eine Möglichkeit, das Geld zu<br />
verdienen / Man kann Geld verdienen mittels <strong>der</strong><br />
An<strong>der</strong>en<br />
<strong>Die</strong> Leute weiterentwickeln / Sie bringen ihnen bei,<br />
an eigene intellektuelle Fähigkeiten zu glauben<br />
Mehr Zuschauer für die Sendung gewinnen<br />
Wenn du wenig weißt, bist du schwach.<br />
<strong>Die</strong> Autoren wollten eine mögliche Reaktion <strong>der</strong><br />
Menschen in einer Situation zeigen, wie er sich<br />
ben<strong>im</strong>mt und handelt<br />
Eigene Strategie in den Handlungen ausarbeiten. Sich<br />
dumm anstellen und <strong>im</strong> Finale gewinnen<br />
Das ist eine Kopie einer ausländischen Show<br />
43,4<br />
17,0<br />
13,2<br />
11,4<br />
11,4<br />
9,4<br />
9,4<br />
7,6<br />
7,6<br />
5,7<br />
3,8<br />
1,9<br />
196
So unterschiedlich kann ein <strong>Quiz</strong>-Format, wie „Weakest Link“, von den<br />
Menschen mit verschiedenen Kulturhintergründen interpretiert werden.<br />
In den Län<strong>der</strong>n, wo die ausländischen <strong>Formate</strong> ins Fernsehprogramm<br />
eingebaut werden, stößt man auf eine klare und eindeutige Position (sowohl<br />
unter den Zuschauern als auch unter den Fachleuten) in den Fragen <strong>der</strong><br />
„Formatierung“ <strong>im</strong> Fernsehen und des Einkaufs von fertigen ausländischen<br />
TV-Produkten. Manche (meist ältere) Opponenten betrachten die <strong>im</strong>portierten<br />
TV-Shows als aufgedrungenes Muster des fremden, „westlichen“ (oft gemeint<br />
als „amerikanischen“) Lebens und diese werden strikt abgelehnt. Dabei sind<br />
die an<strong>der</strong>en (die jüngeren) einer gegenseitigen Meinung. Sie haben das<br />
„fremde“ Leben und die Kultur an<strong>der</strong>er Völker schon kennen gelernt: aus <strong>der</strong><br />
Studienzeit, durch viel Reisen o<strong>der</strong> sie waren dienstlich viel <strong>im</strong> Ausland<br />
unterwegs). Beide Gruppen haben Recht. Aber in einem sind sie sich einig:<br />
<strong>Die</strong> eingeborene Mentalität ist stärker als erworbene Kenntnisse. Mit dieser<br />
Rücksicht sollen alle international verbreitenden <strong>Formate</strong> in jedem einzelnen<br />
Land adaptiert werden, d.h. sie sollen <strong>der</strong> Kultur, den Traditionen des Landes<br />
und <strong>der</strong> dortigen Mentalität angepasst werden.<br />
<strong>Die</strong> Globalisierung <strong>im</strong> Bereich Massenmedien (und in unserem Fall des<br />
Fernsehens) wird oft mit <strong>der</strong> Internationalisierung in Verbindung gebracht.<br />
Unter <strong>der</strong> Internationalisierung ist aber auch <strong>der</strong> Prozess gemeint, <strong>der</strong> auf<br />
Gegenseitigkeit <strong>der</strong> Beziehungen basiert. In <strong>der</strong> Frage von Verkauf/Einkauf<br />
von Lizenzen von fertigen TV-<strong>Formate</strong>n zwischen dem europäischen und dem<br />
russischen TV-Markt wurde <strong>der</strong> Ball bis heute nur in ein Tor geschossen:<br />
Warum werden <strong>im</strong> Westen keine russischen <strong>Formate</strong> gekauft – zu spezifisch?<br />
Am Beispiel <strong>der</strong> amerikanischen Fernsehserie „Dallas“ (in den 80er Jahre<br />
produziert) hat man die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Rezeption bei den verschiedenen<br />
ethnokulturellen Zuschauergruppen untersucht, die in den USA, Japan und<br />
Israel wohnten. <strong>Die</strong> ausgewählten Ehepaare aus den unterschiedlichen<br />
ethnokulturellen Gruppen, <strong>im</strong> <strong>gleichen</strong> Alter und mit gleicher Ausbildung,<br />
sollten den Inhalt <strong>der</strong> Serie (o<strong>der</strong> einer <strong>der</strong> Folgen) nacherzählen. Dadurch<br />
197
sollte <strong>der</strong> Decodierungsmechanismus in verschiedenen Gruppen sichtbar<br />
werden. Es wurde festgestellt, dass die Gruppen Unterschiede in <strong>der</strong><br />
Wahrnehmung <strong>der</strong> empfangenen Informationen haben, die durch die Serie<br />
vermittelt wurden: Sie setzen die Akzente <strong>der</strong> erhöhten Aufmerksamkeit auf<br />
verschiedene inhaltliche Momente, sie haben auch verschiedene Modelle <strong>der</strong><br />
Inhaltsinterpretation. <strong>Die</strong>se Beson<strong>der</strong>heiten resultieren aus den allgemeinen<br />
Wertvorstellungen und Erwartungen <strong>der</strong>jenigen Zuschauergruppe. So findet<br />
die Wahrnehmung <strong>der</strong> Informationen/Texten, die mittels Massenmedien<br />
weltweit verbreitet werden, durch das Prisma des kulturellen Kontextes statt. 83<br />
Unterschiedliches Niveau von Allgemeinwissen<br />
<strong>Die</strong> wesentlichen Unterschiede <strong>der</strong> Bildungssysteme in verschiedenen<br />
Län<strong>der</strong>n können auch einige eventuelle Korrekturen in die strikten Regeln<br />
eines <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong>s einbringen.<br />
Wenn wir die russische und amerikanische Version von WWM ver<strong>gleichen</strong>,<br />
so lässt es sich merken, dass <strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong> Fragen <strong>im</strong> russischen<br />
und amerikanischen <strong>Quiz</strong> unterschiedlich ist. Das Allgemeinwissen <strong>der</strong><br />
russischen Spieler (statistisch gesehen) ist wesentlich höher als bei den<br />
Amerikanern. Ein Grund liegt in den unterschiedlichen Bildungssystemen.<br />
Das amerikanische Bildungssystem stellt die spezielle berufliche Ausbildung<br />
und Kenntnisse in Vor<strong>der</strong>grund. Der zukünftige Broker, Zahnarzt,<br />
Psychoanalytiker, geschweige Fernlastfahrer, muss nicht unbedingt ein<br />
Kenner <strong>der</strong> amerikanischen Literatur sein. So ist die amerikanische Mentalität,<br />
dementsprechend „schwer“ sind allgemein die Fragen in allen <strong>Quiz</strong>-Shows.<br />
Sie stützen sich auf die amerikanische Realität. Es reicht, wenn die<br />
Amerikaner den richtigen Namen von Britney Spears kennen und die<br />
Hauptstadt von eigenem Staat nicht vergessen. Ein typisch amerikanischer<br />
Scherz: Wenn jemand einige kluge, aber für den Beruf unnütze Kenntnisse<br />
aufzeigt, wird gesagt: „Ich behalte das fürs <strong>Quiz</strong>.“<br />
83<br />
Liebes Т., Katz E. The Export of Meaning. Cross Cultural Readings of Dallas. Dallas: Polity Press,<br />
1993.<br />
198
<strong>Die</strong> Redakteure <strong>der</strong> russischen Sendung „WWM“ orientieren sich daran, dass<br />
die Teilnehmer des Spiels gut das Schulprogramm kennen und einen<br />
umfassenden Umfang von Informationen mitbringen, <strong>der</strong> mindestens den<br />
ersten vier Studiensemestern an den Hochschulen o<strong>der</strong> Universitäten<br />
entsprechen. Dazu gehört auch die obligatorische Kenntnis best<strong>im</strong>mter<br />
Pflichtlektüre, einiger Vorstellungen vom Schaffen <strong>der</strong> mindestens zwei<br />
Dutzend weltberühmten Künstler, etwas Ahnung von Sport und Musik<br />
(sowohl klassisch, als auch mo<strong>der</strong>n) und ein wenig Klatsch-Tratsch um die<br />
Royals-Familie. <strong>Die</strong> letzten drei sind nicht in den Enzyklopädien zu finden<br />
und sind extra für die jüngere Generation gedacht. Dadurch werden die<br />
Gewinnchancen für die verschiedenen Generationen ausgeglichen und die<br />
Einschaltquoten steigen.<br />
Wenn wir die Wahrnehmung <strong>der</strong> Zuschauer in die <strong>Analyse</strong> <strong>der</strong> Fernsehspiele<br />
einbeziehen, so können die intellektuellen Spiele (<strong>Quiz</strong>-Shows) in drei<br />
Gruppen geteilt werden:<br />
1. Der Zuschauer fühlt sich viel klüger als Spieler und <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator ("Поле<br />
чудес" – Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>; "Угадай мелодию" – Rate die Melodie!).<br />
2. Der Zuschauer fühlt sich auf dem <strong>gleichen</strong> intellektuellen Niveau mit den<br />
Spielern ("Миллионер" - WWM und "Слабое звено" - Weakest Link).<br />
3. Der Zuschauer betrachtet die Spieler aus <strong>der</strong> Froschperspektive. Manchmal<br />
kann er die einzelnen Fragen beantworten, aber er erkennt, dass es dem<br />
Spieler besser gelingt ("Что? Где? Когда?" – Was?Wo?Wann? и "Своя игра"<br />
– Jeopardy!).<br />
<strong>Die</strong> hohe Popularität des Spiels "Что? Где? Когда?" (Was?Wo?Wann?), das<br />
zur 3. Gruppe gehört, weist darauf hin, dass die Menschen zu den<br />
intellektuellen Anstrengungen streben und dass sie sich für neue Kenntnisse<br />
interessieren.<br />
199
Außerdem hat das Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?) unbewusst<br />
eine effektive Brainstorming-Methode zur Ideenfindung entwickelt, die jetzt<br />
auch in vielen Consulting-Firmen erfolgreich benutzt wird: <strong>Die</strong> Mannschaft<br />
generiert einige Zeit beliebige (bis wahnsinnige) Ideen für die Lösung eines<br />
best<strong>im</strong>mten Problems. Danach betrachtet und bearbeitet ein Experte diese<br />
Ideen. Im Spiel war die Ergebnis vollkommen: <strong>im</strong> Endeffekt hatten die Spieler<br />
die einzig richtige Antwort.<br />
Das intellektuelle Spiel „Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?) hat mehrere<br />
Profi-Spieler geschaffen. In Europa und Amerika gibt es auch solche Spieler,<br />
die sich aber mehr auf die Computer-Versionen <strong>der</strong> bekannten Fernsehspiele<br />
beschränken. Sie schicken SMS´s o<strong>der</strong> attackieren die entsprechenden<br />
Spielautomate, die sich als Nebenbusiness <strong>der</strong> Produktionsfirmen erweisen,<br />
die die Lizenz zum Merchandising des <strong>Formate</strong>s besitzen.<br />
Unter den ersten Redaktionsmitarbeitern <strong>der</strong> russischen Version von „WWM“<br />
waren auch die bekannten Spieler von „WWW“. Sie kannten viele Profi-<br />
Spieler und sollten sie vom neuen Projekt fern halten. Das <strong>im</strong>portierte <strong>Quiz</strong><br />
„WWM“ wurde für normale Menschen, nicht für Profis, gedacht.<br />
Im an<strong>der</strong>en Lizenz-Projekt "Своя игра" (Jeopardy!) wurde ein an<strong>der</strong>er Weg<br />
eingeschlagen. Hier spielen viele ehemalige „Kenner“ aus<br />
„Что? Где? Когда?“ (Was?Wo?Wann?). Und das ist nur die Spitze des<br />
Eisbergs. Jede populäre Spiel-Show hat eigene Fans, die durch eine Art von<br />
Clubs miteinan<strong>der</strong> vernetzt sind. Sie treffen sich und spielen nach allen<br />
Spielregeln. Zum Beispiel existieren rund 6000 Clubs von WWW weltweit.<br />
Es gibt einen Internet-Club von WWW-Anhängern, <strong>der</strong> mehrmals <strong>im</strong> Jahr<br />
WWW-Online-Spiele organisiert, einschließlich Offline. In den Spielen<br />
werden alle Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> ehemaliger Sowjetunion, die USA, Deutschland,<br />
Kanada, Israel, Finnland, Großbritannien, Holland, Österreich präsentiert.<br />
In Moskau findet jedes Jahr eine Meisterschaft statt für "Брейн-ринг" (Brain-<br />
Ring), "Своя игра" (Jeopardy!) und an<strong>der</strong>e Abzweigungen von dem<br />
200
populären WWW-Format. Dazu gibt es noch gleichlaufende (s<strong>im</strong>ultane)<br />
Turniere, auswärtige Festivals, Weltmeisterschaften.<br />
Das Spiel WWW ist in Russland zum Kult geworden. Mit höchsten<br />
Einschaltquoten wird es von 5 Mio. Zuschauern verfolgt. Dabei ist WWW die<br />
einzige Spiel-Show, die bis heute <strong>im</strong> russischen Fernsehen live übertragen<br />
wird.<br />
V. Zusammenfassung<br />
Nach <strong>der</strong> durchgeführten <strong>Analyse</strong> <strong>der</strong> Inhalte und <strong>der</strong> Gestaltungselemente<br />
einiger beson<strong>der</strong>s populärer Formatsendungen aus <strong>der</strong> Sparte Unterhaltungs-,<br />
<strong>Quiz</strong>- und Spielshows, <strong>der</strong>en Entwicklungs- und weltweiten<br />
Verbreitungsgeschichte, sowie nach einer Betrachtung <strong>der</strong> internationalen<br />
Reaktionen auf die Sendungen in <strong>der</strong> Öffentlichkeit ist die Autorin <strong>der</strong><br />
vorgelegten Arbeit zu folgenden Schlussfolgerungen gekommen:<br />
1. <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Spielform <strong>im</strong> Leben des Menschen<br />
Formel: Aufmerksamkeit plus Respekt plus Mitgefühl plus Gemeinschaft plus<br />
Freiheit minus Passivität minus Chaos minus Aggression minus Schablone ist<br />
gleich SPIEL.<br />
Das Spiel begleitet den Menschen seit seiner Geburt. Das Spiel macht sein<br />
Leben fröhlicher, glücklicher, entwickelt seine Kreativität. Dort, wo es Spiele<br />
nicht gibt, wird das Leben monoton und langweilig.<br />
Was ist das Spiel? Es gibt sportliche Spiele, Olympische Spiele,<br />
Fernsehspiele, Theaterspiele und sogar Hasardspiele (Glücksspiele). <strong>Die</strong><br />
Kin<strong>der</strong> spielen gern. Spielen bedeutet Spaß machen, scherzen, sich<br />
unterhalten. Man spielt Puppen, Verstecken, musikalische Instrumente…<br />
Fedja Protassov in „Der lebende Leichnam“ von Leo Tolstoi sagt, dass er Lisa<br />
nicht mehr liebt, weil es zwischen beiden <strong>im</strong> Leben kein Spiel war. Über<br />
201
Spieler werden Bücher geschrieben, Filme gedreht: „Pique Dame“ von<br />
Puschkin, „<strong>Die</strong> Spieler“ von Gogol, „Das Glasperlenspiel“ von Hermann<br />
Hesse… Das Roulette in Monte Karlo hat einen Anstoß zur Relativitätstheorie<br />
gegeben. Seriöse Menschen, erfahrene Ingeniere, Betriebsdirektoren, Minister<br />
fangen an, Businessspiele zu spielen. Kurz gesagt, wie Herman in <strong>der</strong><br />
Tschaikowskis Oper „Pique Dame“ sagte: „Was ist unser Leben? – Ein<br />
Spiel!“<br />
Zusammengefasst ist das Spiel eine grundlegende menschliche Aktivität, die<br />
Kreativität, und <strong>im</strong> Wettkampf Energie und Kraft freisetzt. Damit enthält das<br />
Spiel das Potential, verfestigte Strukturen zu durchbrechen und Innovation<br />
hervorzubringen. Deshalb sind spielerische Elemente auch in vielen<br />
Kreativitätstechniken, mo<strong>der</strong>nen Managementschulungen enthalten, die darauf<br />
zielen, neue, kreative und innovative Ergebnisse zu erzeugen. Das Spiel<br />
scheint eine menschliche Aktivität zu sein, die in <strong>der</strong> Lage ist, die Elemente<br />
einer Situation so zu verän<strong>der</strong>n, dass Neues und Unbekanntes entsteht und<br />
Lösungen für scheinbar nicht mehr lösbare Probleme gefunden werden<br />
können.<br />
Alle diese Momente werden in den Fernsehformaten exakt berücksichtigt und<br />
effektiv genutzt. Das Fernsehen verstärkt das Interesse an spielerischer Form<br />
und verfeinert den Genuss am Spiel.<br />
Das Pr<strong>im</strong>ärziel <strong>im</strong> Fernsehgeschäft stellt das Erreichen möglichst hoher<br />
Quoten dar. Im Konkurrenzkampf um die Gunst des Publikums erweist es sich<br />
für die einzelnen Sen<strong>der</strong> als notwendig, möglichst viele Zuschauer an ihr<br />
Programm binden zu können. Bei diesem Prozess kommt <strong>der</strong> Schaffung eines<br />
klaren Sen<strong>der</strong>profils eine wesentliche Bedeutung zu. Ein <strong>der</strong>artiges Profil lässt<br />
sich durch regelmäßig ausgestrahlte Programminhalte, wie beispielsweise<br />
Unterhaltungssendungen, schärfen.<br />
Als eine <strong>der</strong> ältesten Aktivitäten n<strong>im</strong>mt das Spiel alle Sphären des<br />
menschlichen Daseins ein und begleitet den Menschen sein ganzes Leben. Das<br />
Spiel ist zu einem wichtigen Teil <strong>der</strong> menschlichen Kultur geworden. Durch<br />
202
das Spiel, Rituale, Bräuche schafft <strong>der</strong> Mensch eigene Kultur, erwirbt seine<br />
Kenntnisse. Beson<strong>der</strong>s Kin<strong>der</strong> und Jugendliche entwickeln über das Spiel ihre<br />
Fähigkeiten. In <strong>der</strong> Philosophie existiert sogar eine wissenschaftliche<br />
Richtung, <strong>der</strong>en Vertreter behaupten, dass das Spiel sogar älter als Kultur<br />
selbst ist.<br />
Friedrich Schiller hob in seinen Briefen Über die ästhetische Erziehung des<br />
Menschen die Wichtigkeit des Spielens hervor und sprach sich gegen die<br />
Spezialisierung und Mechanisierung des Lebens aus: „…und er (<strong>der</strong> Mensch)<br />
ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. 84<br />
Der nie<strong>der</strong>ländische Kulturhistoriker Johan Huizinga (1872-1945) entwickelte<br />
in den 1930er Jahren seine Theorie <strong>der</strong> Entstehung von Kultur aus dem Spiel.<br />
Er bezeichnete den Menschen nicht nur als Homo sapiens (denkendes Wesen),<br />
son<strong>der</strong>n auch als Homo ludens (spielfreudiges Wesen). 85<br />
Das Spiel n<strong>im</strong>mt Anspannung, Hemmungen, Selbstkritik, kritische<br />
Wahrnehmung <strong>der</strong> Umwelt und soziales Rollenspiel weg. <strong>Die</strong> Illusion ersetzt<br />
die Realität. Alle haben die <strong>gleichen</strong> Voraussetzungen und Bedingungen, für<br />
alle gelten dieselben Regeln und alle haben ein konkretes Ziel, das durch ein<br />
Spielelement (z.B.: Preis) vorgegeben wird. In dieser zeitlich und räumlich<br />
bedingten Welt ist <strong>der</strong> Mensch wesentlich entspannter, offener, „realer“ als in<br />
seinem „normalen“ Leben.<br />
Öfter <strong>im</strong> realen Leben spielt <strong>der</strong> Mensch irgendwelche Rollen o<strong>der</strong> versteckt<br />
sich hinter dem dicken Vorhang seiner nicht realen aber erwünschten Träume,<br />
um von <strong>der</strong> unerwünschten Realität wegzugehen.<br />
Wie Johan Heising behauptet, das Spiel sei eine Erholung jenseits <strong>der</strong><br />
For<strong>der</strong>ungen des alltäglichen Lebens. Es gebe die Möglichkeit, die Fragmente<br />
<strong>der</strong> Zukunft zu erleben, Perspektive <strong>der</strong> Freude von Morgen zu erblicken. Das<br />
84 http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens<br />
85 Й. Хейзинга. Homo ludens. - М., 1992<br />
203
Spiel schaffe die Bedingungen für das Erfassen von Elementen aus <strong>der</strong> Kultur<br />
des eigenen Volkes. 86<br />
Doch das Spiel bleibt <strong>im</strong>mer nur ein Spiel. Es soll auf keinen Fall mit <strong>der</strong><br />
Realität gemischt werden. Im Spiel kann alles vorkommen, was man <strong>im</strong> realen<br />
Leben nicht hat o<strong>der</strong> nicht bekommt. Wenn <strong>der</strong> Spieler (und Zuschauer) sich<br />
<strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> perfekt kreierten und maßgeschnei<strong>der</strong>ten Show angenehm und<br />
wohl fühlt, wird er sie lieben. Wenn aber ins Spiel sogar ein winzigkleines<br />
Teil aus <strong>der</strong> belastenden und unerwünschten Realität eindringt, wenn aus Spiel<br />
"Ernst" wird, wenn sich die Regeln erst richtig "eingespielt" haben und nicht<br />
mehr ohne weiteres zu än<strong>der</strong>n sind o<strong>der</strong> beginnen sogar ihrerseits<br />
Zwangscharakter anzunehmen, wird das Spiel nicht mehr akzeptiert. <strong>Die</strong>s<br />
betrifft alle Spielformate.<br />
<strong>Die</strong> Gefühle, die Emotionen, die <strong>der</strong> Mensch <strong>im</strong> Spiel empfindet und zeigt,<br />
spiegelt sein echtes Ich wi<strong>der</strong>, was sehr individuell ist und nicht gespielt,<br />
gestellt o<strong>der</strong> eingebildet ist, was sehr natürlich herüberkommt. Gerade diese<br />
unverwechselbare und nicht zu rekonstruierende Ausstrahlung zieht die<br />
Zuschauer be<strong>im</strong> Fernsehen beson<strong>der</strong>s an.<br />
Sei es „Wer wird Millionär?“ o<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>es Fernsehformat, ihm liegt ein<br />
perfekt durchdachtes Konzept zugrunde, das es schafft, extrem viele<br />
Zuschauer vor den Bildschirm zu locken.<br />
Entscheidend für den Erfolg eines Spielformates sind drei Hauptfaktoren:<br />
1. Durch eine perfekt durchdachte und ausgereizte Dramaturgie, die durch die<br />
formellen Mittel wirksam unterstützt werden, ist eine <strong>Quiz</strong>sendung<br />
spannen<strong>der</strong> als manch ein Kr<strong>im</strong>i.<br />
2. Der Zuschauer wird durch die interaktive Kommunikationssituation in<br />
höchstem Maße ernst genommen. Sein Selbstwertgefühl steigt dadurch, was er<br />
wie<strong>der</strong>um als positiv empfindet.<br />
86 http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens<br />
204
3. <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendung schafft es, die ganze Familie vor dem Fernseher zu<br />
vereinen. <strong>Die</strong>ser Aspekt war zum Beispiel bei den Machern von WWM zwar<br />
nicht geplant, aber sehr entscheidend für den Erfolg <strong>der</strong> Sendung.<br />
Das Spektrum <strong>der</strong> Fernsehprogramme aller fünf Kontinente ist seit Jahren von<br />
einem Genre <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> nonfiktionalen Unterhaltung dominiert - die<br />
<strong>Quiz</strong>show. Das Erfolgsformat „Wer wird Millionär?“ gilt mittlerweile als<br />
Publikumsliebling. Kein an<strong>der</strong>es Format hat den gesamten internationalen<br />
Fernsehmarkt so beeinflusst und Verän<strong>der</strong>ungen darin bewirkt.<br />
Es gibt keine Erfolgsgarantie für an<strong>der</strong>e verwandte Formatsendungen. Eines<br />
ist aber sicher: Ohne Berücksichtigung <strong>der</strong> län<strong>der</strong>spezifischen Unterschiede<br />
wird es <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> problematische internationale Vermarktungsversuche<br />
des jeweiligen Formats geben.<br />
Ein Beispiel für die misslungene Einsetzung eines unadaptierten<br />
Spielformates sind die russischen Versionen von „Weakest Link“ - „Слабое<br />
звено“ („Der Schwächste fliegt“) und von „Russisch Roulette“, die wegen<br />
ihrer harten Regeln und <strong>der</strong> gefühlslosen Art <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ation schnell aus dem<br />
Fernsehprogramm verschwunden waren. Übrigens in Deutschland hatte die<br />
Sendung „Der Schwächste fliegt“ auch keine hohen Einschaltquoten und<br />
wurde nach einem Jahr abgesetzt.<br />
Das Spiel mit dem Motto „Der Schwächste fliegt“ o<strong>der</strong> „Geiz ist geil“ kann<br />
nur <strong>der</strong>jenige gewinnen, <strong>der</strong> schamlos, zynisch und hinterhältig ist. Eine<br />
Teilnehmerin des Spiels „Слабое звено“ (Russische Version „Weakest Link“)<br />
hat mit großer Enttäuschung gesagt: „Da muss man zu einem Schakal<br />
mutieren, um hier zu gewinnen!“<br />
Es st<strong>im</strong>mt, die Untersuchungen87 bestätigen das. 31,3 % <strong>der</strong> Befragten<br />
meinen: Da werden solche Qualitäten gefor<strong>der</strong>t, wie gemein und intrigant zu<br />
denken, auf das Ganze gehen, um seinen „Nächsten“ (hier: Konkurrent <strong>im</strong><br />
Spiel) wegen <strong>der</strong> sch<strong>im</strong>ärischen (illusorischen) Million nichtig zu machen.<br />
87 http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm<br />
205
<strong>Die</strong> Showmen schikanieren offen die Spieler und bezeichnen sie als „geizig“<br />
und als „schwaches Glied“. <strong>Die</strong> <strong>Formate</strong> dieser Art finden keine Beliebtheit<br />
be<strong>im</strong> Publikum und sind vom Anfang an auf ein unvermeidliches<br />
Quotendesaster vorprogrammiert.<br />
2. Strategische Zielsetzungen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Game-Shows<br />
In den Strategien vieler Spielshows zeigen sich einige best<strong>im</strong>mte Tendenzen,<br />
die ihrerseits bei den Zuschauern best<strong>im</strong>mte Erwartungen generiert haben:<br />
1) Psychologismus<br />
Um möglichst mehr Zuschauer ans Format zu binden, ist es notwendig, dass<br />
die Teilnehmer einer Game-Sendung authentisch und persönlichkeitsbetont da<br />
stehen. <strong>Die</strong>s wird erreicht durch die Nutzung von Elementen des<br />
psychologischen Porträts des Teilnehmers: seine Interessen,<br />
Charaktereigenschaften, lebhafte emotionale Reaktionen. <strong>Die</strong> Zuschauer<br />
beobachten verschiedene Menschentypen beson<strong>der</strong>s gern, genauso wie<br />
unterschiedliche Verhaltensmuster in den extremen Situationen (Solche<br />
Porträts sind in vielen aktuellen Game-Shows zu sehen: „Wer wird<br />
Millionär?“, „Der schwächste fliegt“, „Geer“, „Wheel of Fortune“)<br />
2) Der „einfache Mensch“ als Spieler („Volkstümlichkeit“ des Formats)<br />
Das große Interesse und die Unterstützung durch die Zuschauer zeigen die<br />
Sendungen, an denen die normalen Menschen „aus dem Volk“ teilnehmen.<br />
Dazu gehören die Teilnehmer <strong>der</strong> Shows („Поле чудес“ - Wheel of Fortune);<br />
die Zuschauer <strong>im</strong> Studio (ihr Voting); die Fernsehzuschauer, die die Fragen<br />
per Post schicken o<strong>der</strong> live <strong>im</strong> Studio stellen, bzw. beantworten<br />
(„Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?); die Fernsehzuschauer, die ihr<br />
Voting während einer Sendungsübertragung per SMS o<strong>der</strong> telefonisch<br />
abgeben (DSDS, Star Academy) usw.<br />
206
Das Zuschauersinteresse steigt:<br />
- wenn <strong>im</strong> Spiel die Atmosphäre eines Spieleifers, eines Kampfes, eines<br />
Wettbewerbs herrscht, aber gleichzeitig auch die Intrige und das Element <strong>der</strong><br />
Zufälligkeit beiwohnt;<br />
- wenn die Spielregeln deutlich und verständlich sind;<br />
- wenn eine Wissbegierigkeit bei den Zuschauern entsteht, die von den<br />
Inhalten <strong>der</strong> Shows unterschiedlich sein kann:<br />
a) In den Game-Shows mit <strong>der</strong> intellektuellen Zielsetzung (wie bei<br />
„Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?) ist für den Zuschauer <strong>der</strong><br />
Bildungswert <strong>der</strong> Sendung und das Gefühl „klüger zu sein“ pr<strong>im</strong>är.<br />
b) In den Game-Shows mit <strong>der</strong> materiellen Zielsetzung ist bei den Zuschauern<br />
das Interesse an den Strategien und an dem Verhaltensmuster <strong>der</strong> Spielenden<br />
in den Extremsituationen vor<strong>der</strong>gründig.<br />
In den aktuellen populären Game-Shows sind in <strong>der</strong> Regel beide Aspekte<br />
präsent.<br />
<strong>Die</strong> oben genannten Bedingungen, um das höhere Zuschauerinteresse zu<br />
erzeugen, werden von den <strong>Quiz</strong>- und Game-Machern erfolgreich genutzt, sind<br />
aber nicht ausreichend für den absoluten Erfolg eines <strong>Formate</strong>s.<br />
Ein Erfolgsformat hat <strong>im</strong>mer eine innerliche Strategie, die auf die aktive<br />
Teilnahme von Zuschauern am Spiel (an so genanntem interaktivem Spiel)<br />
gerichtet ist. Das Spiel, das „<strong>der</strong> Fernseher mit dem Zuschauer spielt“, muss<br />
für sie spannend und aktuell sein.<br />
Daraus folgend kann man über einen Aktualitätsgrad <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Informationen für Zuschauer sprechen. Und zwar:<br />
- Intellektuelle Game-Shows verlieren allmählich an ihrer sozial-kulturellen<br />
Aktualität, weil <strong>der</strong> Intellekt nicht mehr <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> sozial geför<strong>der</strong>ten<br />
207
Qualitäten steht. <strong>Die</strong>s bedeutet aber nicht, dass intellektuelle Spiele nicht<br />
mehr populär werden, sie haben <strong>im</strong> Vergleich zu an<strong>der</strong>en Spielen mit<br />
Geldgewinnen eher keine Ressource zur intensiven Entwicklung.<br />
- Das Thema <strong>der</strong> „harten“ Prüfungen, nach denen eine materielle Belohnung<br />
(ein Geldpreis) folgt, hat eine hohe sozial-kulturelle Bedeutung. <strong>Die</strong>s<br />
befindet sich in <strong>der</strong> Phase des aktuellen Wechsels von Lebensnormen in<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft (wie man zum Geld steht, soll ein Geld-Preis ins Spiel<br />
herangezogen werden o<strong>der</strong> nicht).<br />
<strong>Die</strong> russischen Zuschauer, die an den Befragungen teilnehmen (beson<strong>der</strong>s die<br />
ältere Generation), äußern sich negativ gegenüber den Regeln in den harten<br />
materiellen Game-Shows wie zum Beispiel „Weakest Link“. Einerseits<br />
verzichtet ein Teil von solchen Zuschauern auf solche Sendungen.<br />
An<strong>der</strong>erseits (beson<strong>der</strong>s in Europa) garantieren gerade diese harten Regeln<br />
einen kräftigen Spieleifer, <strong>der</strong> Zuschauer anzieht, trotz ihrer negativen<br />
Einstellung zu den Spielregeln. Dabei stellt die Unzufriedenheit mit den<br />
Spielregeln in den „harten“ Spielen ein sozial-kulturelles Phänomen dar, das<br />
das Thema „Ethik <strong>der</strong> Game-Shows“ in Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Diskussionen bringt.<br />
<strong>Die</strong> Beson<strong>der</strong>heiten in <strong>der</strong> Wahrnehmung einiger Formatsendungen<br />
„Weakest Link” (Слабое звено / Der Schwächste fliegt),<br />
„Русская рулетка” (Russisch Roulette)<br />
In dieser Game-Show wird das Element des Psychologismus verstärkt. <strong>Die</strong><br />
Zuschauer interessieren sich für die Taktik <strong>der</strong> Spielenden, wie sie die<br />
Konkurrenten „herauswerfen“. <strong>Die</strong> Motive des Zuschauerinteresses sind<br />
sportlichen Wettkämpfen ähnlich: Am Anfang des Spiels wird eine<br />
Kräftekonstellation vorgestuft. Es wird eingeschätzt, wer und wann aus dem<br />
Spiel aussteigen kann. In diesem Spiel gewinnt nicht <strong>der</strong> Intellektuelle,<br />
208
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> clever seine Konkurrenten „geschlagen“ hat. Dadurch<br />
überprüft <strong>der</strong> Zuschauer seine Kenntnisse in <strong>der</strong> Menschenpsychologie.<br />
<strong>Die</strong> harten Kommentare <strong>der</strong> ausgeschiedenen Spieler verschärfen das<br />
emotionale Zuschauerinteresse an <strong>der</strong> Show. Dabei geht es von einem Extrem<br />
ins an<strong>der</strong>e – von <strong>der</strong> Beachtung bis zur Verärgerung.<br />
„Wer wird Millionär?” (Who wants to be a millionaire?)<br />
Das Hauptereignis für Zuschauer in dieser Sendung ist das Verhalten <strong>der</strong><br />
Spielenden in einer extremen Situation von Angesicht zu Angesicht mit dem<br />
Mo<strong>der</strong>ator: Kann <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ator den Spieler von seiner Meinung abbringen?<br />
Überwindet <strong>der</strong> Spieler seine Nervosität? Dazu steigt die Spannung angesichts<br />
des großen Millionen-Gewinns: Gewinnt er o<strong>der</strong> nicht?<br />
Im Vergleich mit an<strong>der</strong>en materiell orientierten Spielen ist <strong>der</strong> „Millionär“<br />
wesentlich ruhiger und gütig. Er ist abwechslungsreicher als „Weakest Link“,<br />
ab den höheren Gewinnstufen <strong>der</strong> Fragen steigt <strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad <strong>der</strong><br />
Fragen. <strong>Die</strong> Aufgabe des Mo<strong>der</strong>ators ist es, eine Intrige zu schaffen, das<br />
Gefühl eines Spieleifers durch die scheinbare Konfrontation zu erregen und<br />
den Spieler zur Meinungsän<strong>der</strong>ung zu provozieren.<br />
„Geer” (Алчность)<br />
Das Hauptereignis für Zuschauer dieser Sendung sind ein Zusammenspiel in<br />
<strong>der</strong> Mannschaft aus den Unbekannten und ihr Smalltalk mit dem Mo<strong>der</strong>ator.<br />
<strong>Die</strong>ses Format enthält den Psychologismus (Enthüllung <strong>der</strong> persönlichen<br />
Fähigkeiten <strong>der</strong> Spieler durch ihre Kommunikation mit dem Mo<strong>der</strong>ator,<br />
Nuancen <strong>im</strong> Verhalten des Kapitäns, Beson<strong>der</strong>heiten seiner Kommunikation<br />
mit seiner Crew, seine Entscheidung usw.) und die „Volkstümlichkeit“<br />
(Teilnahme <strong>der</strong> einfachen Menschen <strong>im</strong> Spiel), was für den heutigen<br />
Zuschauer aktuell ist.<br />
Das beson<strong>der</strong>e Merkmal dieses <strong>Formate</strong>s – das Spiel <strong>der</strong> Teilnehmer in einer<br />
Mannschaft. <strong>Die</strong> Tatsache, dass die Teilnehmer vorher nicht bekannt waren,<br />
209
ist ungewöhnlich für die Zuschauer und schafft das Gefühl <strong>der</strong><br />
Unvorhersagbarkeit.<br />
Wie die Untersuchungen zeigten, lockt diese Sendung die Zuschauer am<br />
wenigsten an. Dem Format „Geer“ gelingt es nicht, ihre Aufmerksamkeit an<br />
sich zu ziehen. Es entwickelt sich mangelhafte Spannung.<br />
„Wheel of Fortune” (Поле чудес)<br />
<strong>Die</strong> russischen Zuschauer nehmen diese Game-Show ein wenig geson<strong>der</strong>t von<br />
den an<strong>der</strong>en verwandten <strong>Formate</strong>n wahr. Trotz <strong>der</strong> Meinungen, dass die<br />
Sendung sich ausgelebt hat, hat dieses Format sehr hohe Einschaltquoten. <strong>Die</strong><br />
Zuschauer betrachten es als eine wirkliche Volksshow – unterhaltend,<br />
feierlich, witzig, warmherzig. <strong>Die</strong> Hauptbotschaft lautet: „Trotz alltäglicher<br />
Probleme haben wir ein Recht auf Feiern und wir können uns das gönnen.“<br />
<strong>Die</strong> rationaleren Zuschauer sehen in dieser Sendung eher eine Schaubude, die<br />
die russische Mentalität anspricht und gucken sie mehr aus alter Gewohnheit.<br />
„Что? Где? Когда?” (Was?Wo?Wann?),<br />
„Своя игра” (Jeopardy!)<br />
Das sind intellektuelle Spielsendungen. Das Geld als Gewinn ist kein<br />
Hauptziel. Das wichtigste ist ein intellektueller Wettbewerb <strong>der</strong><br />
Spielteilnehmer. <strong>Die</strong> Zuschauer haben die Möglichkeit, sich zu den<br />
Intellektuellen zu gesellen.<br />
„Угадай мелодию” (Rate die Melodie!)<br />
Für die Zuschauer ist das eine unterhaltende, lustige, musikalische Show. Hier<br />
wird die Teilnahme <strong>der</strong> Zuschauer max<strong>im</strong>al einbezogen: Von <strong>der</strong> bildenden<br />
Seite muss ein Lied o<strong>der</strong> eine Melodie erraten werden. Von <strong>der</strong> emotionalen<br />
Seite gibt es die Möglichkeit, zusammen mit den Teilnehmern das Lied zu<br />
singen. Durch die Musik werden angenehme Erinnerungen ausgelöst und<br />
positive Emotionen steigen.<br />
210
Zusammengefasst kann man sagen, dass die Strategien verschiedener Game-<br />
Shows die unterschiedlichen soziokulturellen Informationen in sich tragen:<br />
<strong>Die</strong> Strategien in den Game-Shows mit Geld-Gewinnen (Weakest Link,<br />
Who wants to be a millionaire?) sind um das Geld herum aufgebaut: um die<br />
Rolle des Geldes und um den Spieleifer <strong>im</strong> „Kampf um das Geld“. Als<br />
obligatorisches Element enthalten solche Spiele die Situationen <strong>der</strong><br />
max<strong>im</strong>alen psychologischen Anspannung unter den Teilnehmern, bis zu<br />
extremen Situationen.<br />
<strong>Die</strong> Strategien in den intellektuellen Game-Shows (so wie<br />
„Что?Где?Когда?“ - Was?Wo?Wann?, Jeopardy!) werden auf den<br />
intellektuellen Werten, auf dem Spieleifer eines intellektuelles Wettbewerbes<br />
aufgebaut. Dabei entwickelt sich die innere Strategie des Spieles (und<br />
inhaltliche Struktur des Spiels) weniger aus den Spielregeln o<strong>der</strong><br />
intellektuellen Aufgaben, son<strong>der</strong>n mehr daraus, dass die Lösung intellektueller<br />
Fragen und die wahre Begeisterung vom Spielprozess für die Teilnehmer <strong>im</strong><br />
Vor<strong>der</strong>grund stehen. Und <strong>der</strong> Zuschauer kriegt alle Informationen von den<br />
Verhaltensreaktionen <strong>der</strong> Spieler mit.<br />
<strong>Die</strong> Strategien in solchen Game-Shows wie „Поле чудес” (Wheel of<br />
Fortune), „Угадай мелодию” (Rate die Melodie!) schaffen eine lockere<br />
Atmosphäre einer Volksfeier. <strong>Die</strong>se Feier ist mehr o<strong>der</strong> weniger mit den<br />
Ereignissen auf dem Bildschirm verbunden. Wichtig ist es, dass <strong>der</strong> Zuschauer<br />
seinen eigenen Platz in diesem Spiel hat. Dazu braucht man die Atmosphäre<br />
des Mitspiels (Interaktion), erst dann feiert <strong>der</strong> Zuschauer mit. Also, erstens<br />
Interaktion und zweitens Spiel mit den einfachen Menschen (Volk) sind die<br />
Hauptelemente solcher Game-Shows.<br />
211
3. Globalisierung <strong>der</strong> Information<br />
Unsere Welt wird <strong>im</strong>mer globaler. <strong>Die</strong> grenzüberschreitenden<br />
Wirtschaftsaktivitäten haben zugenommen. <strong>Die</strong> Konsequenzen <strong>der</strong><br />
Internationalisierung von nationalen Volkswirtschaften bleiben nicht auf die<br />
Ökonomie beschränkt. Durch das Außenhandelswachstum ergeben sich<br />
vielfältige Auswirkungen auf die Gesellschaft.<br />
<strong>Die</strong> Globalisierung auf <strong>der</strong> Wirtschaftsebene intensiviert unvermeidlich die<br />
Umtauschprozesse auf <strong>der</strong> Informationsebene, erhöht die Interkommunikation<br />
und verstärkt die Zusammenhänge <strong>der</strong> Menschheit auf dem ganzen Planeten.<br />
Gleichzeitig spiegeln die Massenmedien die Konstellation <strong>der</strong> politischen<br />
Kräfte in <strong>der</strong> Welt wi<strong>der</strong>. <strong>Die</strong> führenden transnationalen Medienstrukturen<br />
kontrollieren die Entstehung und Verteilung <strong>der</strong> Informationsströme weltweit.<br />
<strong>Die</strong> globale Liberalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft und die Reduzierung <strong>der</strong><br />
Regulierungsrolle bei dem Staat modellieren auch die mo<strong>der</strong>nen<br />
Massenmedien. <strong>Die</strong> Regierungen favorisieren kommerzielle<br />
Medienstrukturen. Im Gegensatz dazu werden die Möglichkeiten für die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen unkommerziellen Medien verengt. Es<br />
werden <strong>im</strong>mer mehr <strong>Formate</strong> hergestellt, die sich nur auf den kommerziellen<br />
Erfolg richten. Dadurch werden lei<strong>der</strong> die Inhalte vernachlässigt. <strong>Die</strong><br />
Massenmedien (und beson<strong>der</strong>s das Fernsehen) sind zu einem mächtigen<br />
Translator <strong>der</strong> Werte in <strong>der</strong> Konsumgesellschaft als Weltphänomen geworden,<br />
wobei es mehr um einen globalen Konsum von Massenmedien geht, als um<br />
die globale Produktion <strong>der</strong> Massenmedien.<br />
<strong>Die</strong> Globalisierung des Medienmarktes führt unter an<strong>der</strong>em auch dazu, dass<br />
einige Menschenrechte auch global durchgesetzt werden. Nach dem Urteil des<br />
Europäischen Gerichtshofs für die Menschenrechte von 1990 gilt <strong>der</strong><br />
ungehin<strong>der</strong>te Empfang aller über Satelliten gesendeten Programme als<br />
„unantastbares Menschenrecht“. Es ist sicherlich besser, wenn das Publikum<br />
international eine Begeisterung teilt (so wie bei <strong>der</strong> letzten Fußball-WM<br />
2006), als sich in nationalen Volkstümlichkeiten fanatisch abzugrenzen.<br />
212
<strong>Die</strong> nationalen Staaten stehen vor ernsthaften Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Globalisierungsprozesse <strong>im</strong> Bereich Information und Kommunikation. <strong>Die</strong><br />
transnationalen Medienkonzerne werden oft zum Instrument zur<br />
Machtentfaltung in den politisch-kulturellen Bereichen, wo früher die<br />
nationalen staatlichen Institutionen dominierten.<br />
Im Gegensatz zu Vorstellungen davon, dass die Konkurrenz in <strong>der</strong><br />
Marktwirtschaft zu <strong>der</strong> unendlichen Vielfältigkeit des Angebots führt, wird in<br />
<strong>der</strong> Wirklichkeit die wachsende Standardisierung <strong>der</strong> Fernsehproduktion<br />
kultiviert. <strong>Die</strong> großen Medienkonzerne o<strong>der</strong> Mediengruppen sind bestrebt,<br />
durch Kürzung <strong>der</strong> Ausgaben höhere Gewinne zu erzielen. Sie produzieren<br />
am laufenden Band, massenhaft und dauernd, unterschiedliche Unterhaltungs-<br />
programme, <strong>Quiz</strong>, Shows. Dabei wollen sie genau denselben Typ von<br />
Produkten haben, wie bei ihren Konkurrenten. Der Kampf um Zuschauer, um<br />
höhere Ratings führt zur Kommerzialisierung <strong>der</strong> Kultur und dazu, dass <strong>der</strong><br />
Vermarkter anfängt, dem Schöpfer zu diktieren88.<br />
<strong>Die</strong> Logik <strong>der</strong> max<strong>im</strong>alen Gewinne für min<strong>im</strong>ale Zeit ist inkompatibel mit <strong>der</strong><br />
Idee <strong>der</strong> Kultur.<br />
Deswegen versucht je<strong>der</strong> nationale Staat seinerseits, den negativen<br />
Auswirkungen <strong>der</strong> Globalisierung vorzubeugen, bzw. denen zu wi<strong>der</strong>stehen.<br />
4. Globalisierung in <strong>der</strong> Fernsehwelt<br />
<strong>Die</strong> fortschreitenden Prozesse <strong>der</strong> Globalisierung <strong>der</strong> Information zeigen sich<br />
beson<strong>der</strong>s stark in <strong>der</strong> Fernsehbranche. Immer mehr Programmformate sind<br />
internationalen Ursprungs und fesseln Zuschauer aus unterschiedlichen<br />
Kulturen vor dem Fernseher.<br />
Betrachtet man die Entwicklungen <strong>der</strong> letzten 10 Jahre in den Unterhaltungs-<br />
programmen <strong>der</strong> Fernsehstationen, so lässt sich ein deutlicher Zuwachs an<br />
88 Vergl. : Pierre Bourdieu „Sur la télévision at le journalisme“, Liber Raison d´agir, 1996<br />
213
<strong>Quiz</strong>sendungen und den so genannten Reality-<strong>Formate</strong>n erkennen. Waren <strong>im</strong><br />
Jahr 1998 noch kaum <strong>der</strong>artige Sendungen in den Programmen vertreten, so<br />
stellten sie fünf Jahre später in den USA, in Großbritannien, Deutschland,<br />
Frankreich und in den Nie<strong>der</strong>landen rund 15 Prozent aller Sendungen während<br />
<strong>der</strong> Pr<strong>im</strong>e T<strong>im</strong>e dar. Einige dieser Reality-Shows erreichten teilweise<br />
Kultstatus.<br />
Ein weiterer Trend <strong>der</strong> letzten Jahre besteht in einem Bedeutungszuwachs<br />
internationaler <strong>Formate</strong>. Verbuchten diese <strong>im</strong> Jahr 1998 auf den<br />
Fernsehmärkten einen Anteil von zwölf Prozent unter allen Programmen in<br />
<strong>der</strong> Pr<strong>im</strong>e T<strong>im</strong>e, so stieg dieser Wert bis zum Jahr 2003 auf 30 Prozent. In<br />
Deutschland stellte <strong>im</strong> Jahr 2003 ein Drittel <strong>der</strong> erfolgreichsten<br />
15 Unterhaltungssendungen ausländische <strong>Formate</strong> dar (Tabelle 1), in<br />
Frankreich und in den USA war sogar fast die Hälfte <strong>der</strong> quotenstärksten<br />
15 Sendungen des Jahres fremdländischer Herkunft.<br />
Liste <strong>der</strong> populärsten in Deutschland Shows<br />
Top regelmäßige Shows 2004<br />
Tabelle 1<br />
Rating<br />
%<br />
Marktanteil<br />
Ursprung<br />
1. Wetten dass …? (ZDF) 15.4 42.2 Germany<br />
2. I'm A Celebrity … (RTL) 12.9 41.2 UK<br />
3. <strong>Die</strong> Ult<strong>im</strong>ative Chart Show<br />
(RTL)<br />
9.1 27.1 Germany<br />
4. Who Wants To<br />
Be/Millionaire? (RTL)<br />
8.4 24.2 UK<br />
5. Idols (RTL) 8.0 23.0 UK<br />
6. <strong>Die</strong> 100 Nervigsten …<br />
(PRO7)<br />
6.3 17.9 Germany<br />
7. Mania Show (RTL) 6.2 16.8 UK<br />
8. Genial daneben (SAT1) 5.6 19.1 Germany<br />
9. Was guckst Du? (SAT1) 5.2 15.7 Germany<br />
10. <strong>Die</strong> Alm (PRO7) 5.2 18.7 Germany<br />
11. Mittermeiers Saturday …<br />
(RTL)<br />
5.2 18.0 Germany<br />
12. <strong>Die</strong> Hit Giganten (SAT1) 5.1 15.9 Germany<br />
13. 7 Tage – 7 Köpfe (RTL) 5.1 17.5 Germany<br />
14. Nur die Liebe zählt (SAT1) 5.0 14.3 The<br />
Netherlands<br />
15. Bully Parade (PRO7) 4.9 13.8 Germany<br />
Quelle: Eurodata TV 1.1.04-8.8.04 (*3+ Episoden: Erwachsene 14-49)<br />
214
Der zunehmende internationale Handel mit den <strong>Formate</strong>n führt dazu, dass in<br />
zahlreichen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt ähnliche Fernsehprogramminhalte vertreten<br />
sind.<br />
In Russland wurde das Fernsehen Ende <strong>der</strong> 90er – Anfang <strong>der</strong> 2000er Jahre<br />
mit den amerikanischen und europäischen TV-<strong>Formate</strong>n überflutet. Das<br />
Interesse <strong>der</strong> Zuschauer an neuen Sendungen war anfangs sehr groß. Es stellte<br />
sich aber schnell heraus, dass eigene TV-Spiele interessanter und<br />
verständlicher sind und die neuen <strong>im</strong>portierten <strong>Formate</strong> (sogenannte „fertigen<br />
Konserven“) eine unvermeidliche Adaption (Anpassung) benötigen: Sie<br />
müssen nationale Gewohnheiten, Kultur und Voraussetzungen<br />
berücksichtigen. Heutzutage sind einige <strong>der</strong> erfolgreichsten internationalen<br />
<strong>Formate</strong> auch in russischen Toplisten zu sehen. (Tabelle 2)<br />
Liste <strong>der</strong> populärsten in Russland Shows<br />
Top Shows 2004<br />
Tabelle 2<br />
1. Фабрика звёзд (Star Academy) – Erster<br />
Kanal<br />
2. Кто хочет стать миллионером?<br />
(Wer wird Millionär?) – Erster Kanal<br />
3. Поле чудес (Feld <strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>) –<br />
Erster Kanal<br />
4. Что?Где?Когда? (Was?Wo?Wann?) –<br />
Erster Kanal<br />
5. КВН (Klub <strong>der</strong> Lustigen und<br />
Schlagfertigen) – Erster Kanal<br />
6. Угадай мелодию! (Rate die Melodie!) –<br />
Erster Kanal<br />
7. Своя игра (Jeopardy!) – NTV<br />
Quelle: TNS Gallup Media<br />
Rating<br />
%<br />
11.9<br />
7.0<br />
Markt-<br />
anteil<br />
35.4<br />
25.3<br />
Ursprung<br />
The<br />
Netherlands<br />
UK<br />
6.7 22.1 USA<br />
6.1 26.0 Russia<br />
5.1 22.8 Russia<br />
3.8 24.5 Germany<br />
3.3 13.3 USA<br />
215
In den letzten Jahren gehören europäische Programmformate zu denen, die<br />
weltweit am häufigsten auch in an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> verkauft wurden. Top sind<br />
dabei vor allem <strong>Formate</strong> aus den Nie<strong>der</strong>landen und England (Tabelle 3).<br />
TOP "reisende"<br />
<strong>Formate</strong><br />
<strong>Die</strong> am weitesten „gereisten“ Programmformate<br />
Sendestart<br />
Tabelle 3<br />
Län<strong>der</strong>*<br />
Ursprung<br />
Besitzer<br />
1. Idols Okt. 2001 26 UK FremantleMedia<br />
2. Now or<br />
Neverland/Fear Factor<br />
Sep. 1999 15 The Netherlands Endemol<br />
3. Star Academy/Op.<br />
Triunfo<br />
März 2001 15 The Netherlands Endemol<br />
4. The Weakest Link Aug. 2000 14 UK BBC<br />
5. Test The Nation Jan. 2001 13 The Netherlands Eyeworks.tv<br />
6. Big Brother/Loft<br />
Story<br />
Sep. 1999 11 The Netherlands Endemol<br />
7. Popstars Apr. 1999 11 The Netherlands Screent<strong>im</strong>e<br />
8. Russian Roulette März 2002 11 USA Sony Pictures<br />
9. Temptation Island Jan. 2001 11 USA FOX<br />
10. Joe Millionaire Jan. 2003 9 USA FOX<br />
11. The Bachelor März 2002 9 USA Warner Bros.<br />
12. Deal Or No Deal Dec. 2002 8 The Netherlands Endemol<br />
13. Expedition<br />
Robinson/Survivor<br />
Sep. 2097 8 UK Castaway<br />
14. Caméra Café Sep. 2001 7 France Calt Productions<br />
15. Make My Day Nov. 2001 7 UK Target<br />
16. The Chair<br />
Jan. 2002 7 New Zealand Touchdown<br />
Quelle: The WIT, Juli 2001 – Juni 2004; *Anzahl Län<strong>der</strong> mit Programmstart vom July 2001 bis Juni<br />
2004.<br />
<strong>Die</strong> Spielformate konkurrieren heftig nicht nur mit den populären Sendungen<br />
aus an<strong>der</strong>en Sparten und von an<strong>der</strong>en Sen<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch unter einan<strong>der</strong>.<br />
<strong>Die</strong> globalen <strong>Formate</strong> nehmen mitlerweile den TV-Markt weltweit in<br />
Beschlag und verän<strong>der</strong>n ihn allmählich:<br />
- In Bezug auf die Fernsehlandschaft kann tatsächlich von einem „global<br />
village“ gesprochen werden, das überall gerne die internationalen<br />
Erfolgsformate am TV nutzt. Dabei prägen <strong>im</strong>mer noch auch nationale<br />
216
<strong>Formate</strong> die Fernsehgewohnheiten. <strong>Die</strong> Entwicklungen auf den wichtigsten<br />
TV-Märkten <strong>der</strong> ganzen Welt werden beobachtet und untersucht. Erfolgreiche<br />
Programmformate werden von den Sen<strong>der</strong>n in einzelnen Län<strong>der</strong>n für eigene<br />
Programme erworben.<br />
- Da <strong>der</strong> internationale Austausch einfacher geworden ist, lassen sich<br />
innovative <strong>Formate</strong> weltweit leichter vermarkten. Angezogen von diesem<br />
Wachstumsmarkt gibt es einen breiten Einstieg von verschiedenen Seiten in<br />
das Geschäft mit Programmformaten.<br />
- Außerdem bringen die internationalen Programmformate hohe Gewinne aus<br />
dem Verkauf <strong>der</strong> Vermarktungsrechte mit sich (z.B. Merchandising,<br />
Telefonmarketing).<br />
5. <strong>Die</strong> wichtigsten Trends <strong>im</strong> Unterhaltungsbereich<br />
Im Unterhaltungsbereich zeichnen sich einige wichtige und deutliche<br />
Tendenzen ab: 89<br />
- Globale Unterhaltungsformate erreichen weiterhin eine große<br />
Zuschauerschaft;<br />
- Traditionelle Reality-<strong>Formate</strong> bleiben stark präsent. <strong>Die</strong> neueste<br />
Entwicklung hierbei ist <strong>der</strong> Import von US-Reality-<strong>Formate</strong>n nach Europa:<br />
“The Bachelor”, “Joe Millionaire”, “My Big Fat Obnoxious Fiancé”;<br />
- Wachsen<strong>der</strong> Trend zu “factual entertainment”- Programmen: Das TV-<br />
Publikum kann be<strong>im</strong> Austausch von Haus, Leben, Ehefrau, Job, Gesicht und<br />
Body zuschauen. <strong>Die</strong>s sind <strong>Formate</strong> wie “Wife Swap”, “How Clean Is Your<br />
House?”, “Faking It“, “Queer Eye”, „The Swan“, „Brat Camp“;<br />
- Europa (und Großbritannien <strong>im</strong> Speziellen) ist die Hauptquelle dieser neuen<br />
Welle von „factualbasierten“ Programmformaten;<br />
89 Quelle: fremantle (FremantleMedia ist <strong>der</strong> weltweit führen<strong>der</strong> Produzent von TV-Inhalten, <strong>der</strong><br />
unter an<strong>der</strong>em mehrere TV-<strong>Formate</strong> <strong>im</strong> Bereich Unterhaltung kreiert und produziert. FremantleMedia<br />
ist ein Tochterunternehmen von RTL Group.<br />
217
- Sendungen, in denen Talente gesucht werden, bleiben stark und werden zu<br />
neuen Versionen weiterentwickelt. (Popstars, Star Academy, Pop Idol);<br />
- Reality mit Stars und Sternchen ist stark wie noch nie. <strong>Die</strong>s trifft auf<br />
folgende Sendungen zu: “Survivor”, “The Farm”, “I’m A Celebrity Get Me<br />
Out Of Here!”, “<strong>Die</strong> Alm”;<br />
- Top Listen und Countdowns beginnen anzuziehen: „Brainiest“, „<strong>Die</strong><br />
Ult<strong>im</strong>ative Chart Show“, „100 Plus Grands“, „<strong>Die</strong> 100 Nervigsten…“;<br />
- <strong>Die</strong> <strong>Formate</strong> und ihre Abwandlungen werden <strong>im</strong>mer schneller kopiert. Es ist<br />
eine Tatsache, dass jede quotenstarke neu entwickelte Sendung zu zahlreichen<br />
Kopien und ähnlich konzipierten <strong>Formate</strong>n bei Konkurrenzsen<strong>der</strong>n führt.<br />
6. <strong>Die</strong> Lieblingsformate bei Werbeträgern<br />
<strong>Die</strong> zahlreichen <strong>Quiz</strong>- und Game-Shows sind einerseits eine einfache, schnelle<br />
und effektive Lösung (zeitlich und inhaltlich) für das Content (Programm)<br />
jedes Sen<strong>der</strong>s. An<strong>der</strong>erseits sind sie auch beson<strong>der</strong>s beliebte <strong>Formate</strong> bei<br />
Werbeträgern.<br />
<strong>Die</strong> Logik des Werbemarktes ist strikt und eindeutig, sie entwickelt sich nach<br />
folgendem Muster: Ein Unternehmer ist an höheren Gewinnen durch seine<br />
neuen Produkte interessiert. <strong>Die</strong> Gewinne können durch die Fernsehwerbung<br />
angespornt werden. Der Werbeträger geht zu dem Kanal, <strong>der</strong> die meisten<br />
Segmente <strong>der</strong> zahlungsstarken Zuschauer kontrolliert. <strong>Die</strong> Kanäle<br />
konkurrieren untereinan<strong>der</strong> um die höheren Zuschauerzahlen, wodurch sie<br />
ihre Programme für die Zuschauer attraktiver machen. Im Kampf um die<br />
Werbeträger werden also die Ratings entscheidend. So bildet sich ein<br />
ununterbrochener Zyklus: Werbung – Geld – Zuschauer – Werbung.<br />
<strong>Die</strong> Auswirkungen des Marktmechanismus <strong>im</strong> Medienbereich haben einen<br />
globalen Charakter.<br />
218
<strong>Die</strong> Programme von kommerziellen Kanälen in Russland unterscheiden sich<br />
kaum von den Inhalten <strong>der</strong> westlichen Fernsehkanäle. <strong>Die</strong> Programme richten<br />
den Zuschauer auf ein best<strong>im</strong>mtes Lebensmuster, einen best<strong>im</strong>mten Lebensstil<br />
und eine best<strong>im</strong>mte Überlebensstrategie. <strong>Die</strong> Sendungen werden <strong>im</strong>mer<br />
kalkulierbarer (was das Genre angeht), die gleichartigen Programme werden<br />
dupliziert, die kommerzielle Kanäle werden vermengt.<br />
<strong>Die</strong> Praktika <strong>der</strong> Kommerzialisierung des Fernsehens, sowohl <strong>der</strong><br />
kommerziellen als auch <strong>der</strong> staatlich kontrollierten (in Russland) o<strong>der</strong><br />
öffentlich-rechtlichen (in Deutschland) Kanälen, zeigt, dass seine Inhalte<br />
(Programme) <strong>im</strong>mer mehr <strong>der</strong> globalen Massenkultur unterliegen.<br />
7. <strong>Die</strong> Adaptionsnotwendigkeit <strong>der</strong> Formatsendungen<br />
Laut einer Legende wandte sich ein Lehrling an den großen Michelangelo:<br />
„Wie gelingen Ihnen solche wun<strong>der</strong>schönen Skulpturen? Wo liegt das<br />
Gehe<strong>im</strong>nis Ihres künstlerischen Schaffens?“ Der Meister antwortete: „Es gibt<br />
kein Gehe<strong>im</strong>nis. Ich hacke einfach das Überflüssige ab“.<br />
Bevor das Überflüssige abgehakt wird, ist es überhaupt ein Meisterwerk,<br />
dieses Überflüssige von <strong>der</strong> wahren Kunst zu unterscheiden.<br />
Bei <strong>der</strong> Produktion eines Spielformates ist es auch wichtig, präzise, einfache<br />
und verständliche Regeln als Grundlage nehmen, nichts Überflüssiges<br />
zulassen. Nicht weniger wichtig ist es, dass man Regeln kompetent <strong>im</strong><br />
richtigen Umfeld einsetzt.<br />
Das erste Gesetz des Spieles ist seine Dualität: einerseits – Spiel als<br />
Improvisation, Phantasie, Zufall, etwas Erfrischendes und <strong>im</strong>mer Neues,<br />
an<strong>der</strong>erseits – durch strenge, vorgegebene und unverän<strong>der</strong>te Regeln<br />
eingeschränkt. Es gibt aber noch eine Eigenschaft, ein Merkmal, ohne dies<br />
kann das Spiel nicht existieren. Das ist das Vergnügen, die Freude an <strong>der</strong><br />
Teilnahme an dem Spiel.<br />
219
Mit <strong>der</strong> attraktiven Verpackung (Design) – Lichteffekte, bunte Dekorationen,<br />
musikalische Begleitung, humorvolle Texte des Mo<strong>der</strong>ators, repräsentative<br />
Jury und prominente Gäste – soll man nicht übertreiben.<br />
Schon bei <strong>der</strong> Gestaltung und Wahl des Logos ist es wichtig, zu<br />
berücksichtigen, dass die Farben und geometrischen Formen von den<br />
verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich aufgenommen werden. Beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig ist es, wenn das Format sowohl für das internationale und<br />
multikulturelle Auditorium als auch für die Konsumenten, die zu<br />
verschiedenen religiösen Konfessionen gehören, konzipiert wird.<br />
Es gibt einige Faktoren, die auf eine Anpassungsnotwendigkeit bei <strong>der</strong><br />
internationalen Verbreitung <strong>der</strong> <strong>Quiz</strong>-<strong>Formate</strong> hinweisen. Das sind die<br />
Beson<strong>der</strong>heiten:<br />
- in <strong>der</strong> Mentalität des jeweiligen Volkes;<br />
- in seiner Kultur, die auf Kunst, Religion und Wissenschaft beruht und die<br />
Sprache, Ethik, Wirtschaft und Rechtsprechung prägt;<br />
- Dazu gibt es einige Unterschiede <strong>im</strong> Niveau von Allgemeinwissen.<br />
Aufgrund dieser Beson<strong>der</strong>heiten wird die innere und manchmal die äußere<br />
Struktur des <strong>Formate</strong>s in jedem einzelnen Land vorsichtig korrigiert, die<br />
Regeln leicht verän<strong>der</strong>t. Der Erfolg des Programms wird obwohl genau<br />
mathematisch errechnet, aber harmonisch und phantasievoll in die neue<br />
Umgebung eingesetzt.<br />
Auf den ersten Blick lassen die Formatsendungen mit strengen<br />
„Produktionsanweisungen“ keine Möglichkeit zu allerlei Abweichungen zu.<br />
<strong>Die</strong> realen Situationen bei <strong>der</strong> Aufzeichnung <strong>der</strong> Sendung <strong>im</strong> Fernsehstudio<br />
führen aber <strong>im</strong>mer wie<strong>der</strong> zu einigen Korrekturen. Dank <strong>der</strong> unberechenbaren<br />
Antworten und Reaktionen <strong>der</strong> Spieler, des Publikums <strong>im</strong> Studio o<strong>der</strong> des<br />
Telefonjokers an <strong>der</strong> Leitung, durch Findigkeit, Improvisationstalent, Sinn für<br />
Humor und Intelligenz des Mo<strong>der</strong>ators und mit Hilfe des gut aufeinan<strong>der</strong><br />
220
eingespielten Produktionsteams bekommt die Sendung eine eigene beson<strong>der</strong>e<br />
Note. <strong>Die</strong>s verleiht einem weltweit verkauften Format eine Lebendigkeit, die<br />
mit <strong>der</strong> best<strong>im</strong>mten Kultur und den Traditionen <strong>im</strong> Einklang steht, und<br />
dadurch den Grad <strong>der</strong> Unterhaltung wesentlich erhöht.<br />
8. Das Fernsehen als Mittel <strong>der</strong> internationalen Kommunikation<br />
Im Laufe <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Arbeit durchgeführten Untersuchungen wurde es<br />
deutlicher, dass die Globalisierung zu einem internationalen Fernsehmarkt mit<br />
nationalen Gewohnheiten, Kulturen und Voraussetzungen einher zu gehen<br />
vermag.<br />
Das Fernsehen, genauso wie alle an<strong>der</strong>en Massenmedien, muss zu einem<br />
Instrument <strong>der</strong> internationalen Kommunikation, <strong>der</strong> internationalen<br />
Information werden. Sie müssen die Lösung globaler Probleme suchen und<br />
die Völkerverständigung för<strong>der</strong>n. Mitten in unseren Unterschieden <strong>im</strong> sozialen<br />
Leben und in den politischen Ansichten müssen die Massenmedien die<br />
Konfrontation stilllegen und vom „Bild des Feindes“ abwenden und zu einer<br />
realen internationalen Partnerschaft wechseln.<br />
221
Zusätzliche Tabellen:<br />
Spartenprofile ausgewählter deutscher Sen<strong>der</strong> 2005<br />
ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1, ProSieben (in %)<br />
Sparten<br />
ARD/<br />
Das Erste<br />
ZDF<br />
RTL<br />
SAT.<br />
1<br />
ProSieben<br />
Information 43,0 48,8 25,2 17,7 27,7<br />
Sport 6,8 5,5 2,1 0,5 0,0<br />
Nonfiktionale<br />
Unterhaltung<br />
6,9 5,6 19,9 31,7 20,8<br />
Musik 1,5 1,1 1,7 0,5 0,6<br />
Kin<strong>der</strong>-/<br />
Jugendsendungen<br />
5,7 5,0 1,4 0,2 2,4<br />
Fiction 32,2 30,5 23,8 24,1 28,7<br />
Sonstiges 2,4 2,3 5,4 4,7 5,4<br />
Werbung 1,4 1,3 20,5 20,5 14,5<br />
Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Quelle: IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael Krüger/<br />
Thomas Zapf-Schramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong><br />
Fernsehangebot. Programmanalyse 2005 von ARD/Das Erste, ZDF, RTL, SAT.1 und<br />
ProSieben. Media Perspektiven 4/2006, S. 203.<br />
222
40%<br />
30%<br />
10%<br />
15%<br />
5%<br />
Первый<br />
канал<br />
(Erster<br />
Kanal)<br />
Unterhaltung<br />
Spielfilme<br />
TV-Serien<br />
Zeichentrickfilme<br />
Spartenprofile ausgewählter russischen Sen<strong>der</strong> 2004<br />
Erster Kanal, Rossija, NTV, STS, REN TV, TNT, TVC<br />
45%<br />
10%<br />
30%<br />
15%<br />
Россия<br />
(Rossija)<br />
Quelle: TNS Gallup Media<br />
35%<br />
50%<br />
15%<br />
НТВ<br />
(NTV)<br />
5%<br />
75%<br />
20%<br />
СТС<br />
(STS)<br />
5%<br />
40%<br />
30%<br />
15%<br />
5%<br />
5%<br />
REN TV<br />
Dokumentationen<br />
Politik<br />
Sport<br />
50%<br />
45%<br />
5%<br />
ТНТ<br />
(TNT)<br />
10%<br />
55%<br />
10%<br />
5%<br />
20%<br />
ТВЦ<br />
(TVC)<br />
55%<br />
5%<br />
35%<br />
5%<br />
Культура<br />
(Kultura)<br />
223
Spartenangebot und -nutzung <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong> Fernsehen 2000, 2005, 2006 (1)<br />
Zuschauer ab 3 Jahre, in %<br />
Information<br />
Sport<br />
Unterhaltung<br />
Fiction<br />
Werbung<br />
Sonstiges<br />
Angebot<br />
2000<br />
39<br />
9<br />
11<br />
27<br />
8<br />
5<br />
2005<br />
42<br />
8<br />
10<br />
25<br />
10<br />
5<br />
2006<br />
42<br />
8<br />
10<br />
25<br />
10<br />
5<br />
Nutzung<br />
2000<br />
2005<br />
2006<br />
Nettoreichweite (2)<br />
2000<br />
2005<br />
1) Basis: 19 Programme: Das Erste/ARD, ZDF, 7 Dritte Programme, 3sat, RTL,<br />
SAT.1, ProSieben, kabel eins, RTL II, VOX, Super RTL, DSF, Eurosport.<br />
2) Nettireichweite: Programmsparte mindestens eine Minute fortlaufend gesehen.<br />
Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, PC#TV, Fernsehpanel (D+EU), vor 2001 Fernsehpanel (D)<br />
28<br />
8<br />
14<br />
38<br />
9<br />
3<br />
32<br />
7<br />
16<br />
34<br />
8<br />
3<br />
32<br />
9<br />
15<br />
34<br />
8<br />
3<br />
62<br />
27<br />
46<br />
62<br />
56<br />
64<br />
65<br />
23<br />
47<br />
62<br />
57<br />
65<br />
2006<br />
64<br />
25<br />
46<br />
60<br />
56<br />
64<br />
224
Land<br />
Deutschland<br />
Pre-Euro<br />
Frankreich<br />
Pre-Euro<br />
Großbritannien<br />
Italien<br />
Pre-Euro<br />
Japan<br />
Nie<strong>der</strong>landen<br />
Russland<br />
USA<br />
«Who wants to be a millionaire?» in einigen Län<strong>der</strong>n<br />
Jahr<br />
1999-<br />
2001<br />
seit<br />
2002<br />
seit<br />
2002<br />
seit<br />
1998<br />
2000-<br />
2001<br />
2002-<br />
2000-<br />
2007<br />
1998-<br />
2001<br />
2002-<br />
1999-<br />
2000<br />
2001-<br />
2008<br />
2008-<br />
1999-<br />
2002<br />
(on<br />
ABC)<br />
2002-<br />
(in<br />
first-run<br />
syndica<br />
tion)<br />
Lokaltitel<br />
Wer wird<br />
Millionär?<br />
Qui veut gagner<br />
des millions?<br />
Who Wants to Be a<br />
Millionaire?<br />
Chi vuol essere<br />
miliardario?<br />
Chi vuol essere<br />
milionario?<br />
Kuizu $ Mirionea<br />
Weekend<br />
Miljonairs (earlier)<br />
Lotto Weekend<br />
Miljonairs<br />
О, счастливчик!<br />
(Oh, schastlivchik!)<br />
Кто хочет стать<br />
миллионером?<br />
(Kto hochyet stat<br />
millionyerom?)<br />
Who Wants to Be a<br />
Millionaire?<br />
Mo<strong>der</strong>ation<br />
Günther Jauch<br />
Jean-Pierre Foucault<br />
Chris Tarrent<br />
Gerry Scotti<br />
Mino Monta (Norio<br />
Minorikawa)<br />
Robert ten Brink<br />
Dmitry Dibrov<br />
Max<strong>im</strong> Galkin<br />
Dmitry Dibrov<br />
Syndicated version:<br />
Meredith Vieira<br />
Network version: Regis<br />
Philbin<br />
Kanal<br />
RTL<br />
TF1<br />
ITV1<br />
Canale 5<br />
Fuji TV<br />
SBS6,<br />
seit 2006<br />
RTL4<br />
NTV<br />
ORT<br />
ORT<br />
Canada, first on<br />
CTV (the network<br />
version); the<br />
syndicated show<br />
on Citytv and A-<br />
Channel stations,<br />
among others<br />
Preis<br />
(Landeswährung)<br />
1,000,000 DM<br />
1,000,000 €<br />
3,000,000,<br />
später 4,000,000<br />
Franc<br />
1,000,000 €<br />
£1,000,000<br />
1,000,000,000<br />
Lira<br />
1,000,000 €<br />
10,000,000<br />
Jen<br />
1,000,000<br />
Gulden<br />
1,000,000 Rubel<br />
3,000,000 Rubel<br />
(etwa 100.000 €)<br />
US$ 1,000,000<br />
225<br />
Gewinner<br />
8<br />
(2 x in DM,<br />
6 x in €)<br />
3<br />
(alle 4,000,000 F-<br />
Gewinner)<br />
1<br />
5<br />
1<br />
1<br />
20<br />
1<br />
3<br />
(2 in <strong>der</strong> 1.Version;<br />
1 in <strong>der</strong> 2.Version)<br />
11
Literaturverzeichnis:<br />
Bücher:<br />
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zu den GFK-Zuschauerzahlen <strong>der</strong> 1986 von den öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehanstalten ausgestrahlten <strong>Quiz</strong>- und Game-Show-Reihen,<br />
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– Universität-GH-Siegen / DFG-Son<strong>der</strong>forschungsbereicht 240, 1990<br />
4. Hätten Sie´s gewusst?: <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>sendungen und Game Shows des<br />
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Marburg: Jonas Verl., 1991<br />
5. Fernseh-Shows auf <strong>deutschen</strong> Bildschirmen: Eine <strong>Analyse</strong> aus<br />
Zuschauersicht / Margot Berghaus; Joach<strong>im</strong> Friedrich Staab; unter<br />
Mitarbeit von Ursula Hocker – München: Verlag Reinhard Fischer, 1995<br />
(Reihe Medien-Skripten; Bd. 24)<br />
6. <strong>Die</strong> <strong>Quiz</strong>- und Game-Show-Zuschauer. Anmerkungenzu den GFK-<br />
Zuschauerzahlen <strong>der</strong> 1986 von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten<br />
ausgestrahlten <strong>Quiz</strong>- und Game-Show-Reihen / Gerd Hallenberger –<br />
Universität-GH-Siegen / DFG-Son<strong>der</strong>forschungs-bereicht 240 „Ästhetik,<br />
Pragmatik und Geschichte <strong>der</strong> Bildschirmmedien. Schwerpunkt:<br />
Fernsehen in <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland“, 1989<br />
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8. Владимир Ворошилов „Феномен игры", М, Советская Россия, 1982<br />
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9. "Мы начинаем КВН" Редколлегия: А. Масляков, М. Марфин,<br />
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СССР по телевидению и радиовещанию. Центр научного<br />
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226
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телевидения/ Телерекламный бизнес (Информационно-аналитическое<br />
обеспечение) / Сост. и общ. ред. В. П. Коломиец. М., 2001<br />
14. Pierre Bourdieu „Sur la télévision at le journalisme“, Liber Raison d´agir,<br />
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15. Erlinger, H. D.: Geschichte des Fernsehens in <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland: Unterhaltung, Werbung und Zielgruppenprogramme,<br />
München, 1994<br />
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19. Goldmedia GmbH: Weltweiter Handel mit TV-<strong>Formate</strong>n weiter auf<br />
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20. Nina Röhr, Internationale Formatverwertung von "Who Wants To Be A<br />
Millionaire?", Grin Verlag für akademische Texte<br />
(www.grin.com/de/preview/42956.html)<br />
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"Республика", 1993<br />
22. M. S. Müller, Entwicklung, Erfolg und Bewertung neuer internationaler<br />
TV-<strong>Formate</strong>, GRIN Verlag, 2005<br />
23. Nörr Stiefenhofer Lutz, Von Dr. Martin <strong>Die</strong>sbach, Schutzfähigkeit von<br />
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24. Have/Eickmeier, Der gesetzliche Rechtschutz von Fernseh-Show-<br />
<strong>Formate</strong>n, ZUM 1994, 269, 270; vgl. auch Wolf Schwarz, Schutz und<br />
Lizenzierung von Fernseh-Show-<strong>Formate</strong>n in: Scheuermann/Strittmatter<br />
(Hg.), Urheberrechtliche Probleme <strong>der</strong> Gegenwart, Baden-Baden, 1990<br />
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Farbenwelt", Berlin, 1961<br />
26. Аксельрод А. Ю. Клуб весёлых и находчивых / А. Ю. Аксельрод,<br />
С. А. Муратов, М. Ю. Яковлев. – М. : Советская Россия, 1965<br />
27. Blothner, Dirk: Erlebniswelt Kino. Wirksame Filmthemen, Bergisch<br />
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28. Й. Хейзинг. Homo ludens. - М., 1992<br />
29. William James Durant „Kulturgeschichte <strong>der</strong> Menschheit“<br />
227
30. Толковый словарь русского языка. Под ред. Д. Н. Ушакова<br />
(Glossarium von D. N. Uschakov)<br />
31. Prokop, <strong>Die</strong>ter „Warum Einschaltquoten und Hitlisten kein<br />
demokratisches Bild <strong>der</strong> Publikumswünsche ergeben»<br />
(http://www.medienrezeption.de)<br />
32. Bernd Klepin: <strong>Quiz</strong>- und Rateshows. Köln: A<strong>im</strong> 1998 (Nemoqua-<br />
Seminarskripte)<br />
33. John P. Holms / Ernest Wood: Game Show Almanac. Radnor (Penn.):<br />
Chilton 1995, ISBN 0801987407<br />
34. Richard N. Goodwin: <strong>Quiz</strong> Show. Aus den Erinnerungen von Richard N.<br />
Goodwin, Reinbek: Rowohlt 1995. ISBN 3499136546<br />
Zeitschriften, Zeitungen, Online-Magazine:<br />
FLIMMO - Programmberatung für Eltern - Bayrische Landeszentrale für neue<br />
Medien Februar - Mai 2001<br />
Stern Nr. 45 2.11.2000 S. 30 - 38, „<strong>Die</strong> Millionärsmacher" Autoren: Creutz,<br />
Oliver/ Draf, Stephan<br />
„Отечественные записки“, № 4 (13)б 2003, „По ту сторону экрана“,<br />
Виктория Сухарева<br />
Еженедельный ЖУРНАЛ, № 021, 4.06.2002, „Эфирное счастье“,<br />
Анатолий Голубовский<br />
Телефорум, 2002, №2, „Телевизионное пространство глобального мира“,<br />
Коломиец Виктор Петрович<br />
Рекламные технологии, 2003, №2, „Время - деньги (рынок<br />
телевизионной рекламы России)“, Коломиец Виктор Петрович<br />
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IFEM Institut für empirische Medienforschung, Köln. In: Udo Michael<br />
Krüger/ Thomas Zapf-Schramm: Sparten, Sendungsformen und Inhalte <strong>im</strong><br />
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RTL, SAT.1 und ProSieben. Media Perspektiven 4/2006<br />
http://www.novayagazeta.ru: Курсы ловли удачи за хвост: Как делается<br />
передача «Кто хочет стать миллионером», Надежда Прусенкова,<br />
21.05.2001<br />
Валерий Павлов "Деньги" ,<br />
http://www.ccgrp.ru/creative/ccg481/Print.php?NewsID=45<br />
Известия, «Какая жизнь, такая и игра», Юлия Кантор, 28.01. 2000 (Julia<br />
Kantor „Wie das Leben, so das Spiel“, IZVESTIA)<br />
228
http://www.izvestia.ru, "После провала будем больше шутить", Анна<br />
Ковалева<br />
Liebes Т., Katz E. The Export of Meaning. Cross Cultural Readings of Dallas.<br />
Dallas: Polity Press, 1993<br />
„Газета Дона“ (21.03.2002), http://wmedia.ru<br />
MEDIAGRAMM 01/2005: Was ist das Fazit des Sportjahres 2004?<br />
http://www.ccgrp.ru, "Деньги", Валерий Павлов<br />
Christiane von Salm, "Fernsehen entzaubert" (Interview) in: WiWo, 36/2004,<br />
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Interview mit Max<strong>im</strong> Galkin in "Факты и комментарии" (Fakten und<br />
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http://www.znatoki.kulichki.net/dz/mats/fen00.html, "Феномен игры",<br />
Владимир Ворошилов<br />
http://www.utro.ru/articles/200104131530309325.shtml ("Кто хочет стать<br />
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http://www.mediaguardian.co.uk/mediaguardian/story/0,7558,403282,00.html<br />
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http://www.rte.ie/tv/millionaire/history_body.html<br />
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http://de.wikipedia.org/wiki/9Live<br />
http://www.daserste.de/quiz/dasquiz.asp<br />
http://www.joerg-pilawa.de<br />
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http://de.wikipedia.org/wiki/Einundzwanzig<br />
http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens<br />
http//de.wikipedia.org/wiki/Fernsehen_in_Deutschland#Finanzierung<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Medien_in_Russland<br />
http://www.comcon-2.ru/default.asp?artID=1481<br />
http://www.khsm.ru/index.files/foreign.htm<br />
http://www.quotenmeter.de<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Mentalit%C3%A4t<br />
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http://2001.isras.ru/Publications/Adamyants/TOL_7.htm<br />
229
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Quellen: Der Spiegel, Focus, Bild, Stern, Wirtschaftswoche, Goldmedia, GfK<br />
Eurodata TV, TNS Gallup Media sowie eigene Recherchen<br />
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