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SG (Sozialgericht) Lüneburg, S 30 AS 328/05 ER ... - Xylamin.de

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<strong>SG</strong> (<strong>Sozialgericht</strong>) Lüneburg, S <strong>30</strong> <strong>AS</strong> <strong>328</strong>/<strong>05</strong> <strong>ER</strong>,<br />

Eilverfahren, Arbeitslosengeld II, Kosten medizinischer<br />

Behandlung, Erhöhung Regelleistung,<br />

verfassungskonforme Auslegung<br />

<strong>Sozialgericht</strong> Lüneburg<br />

S <strong>30</strong> <strong>AS</strong> <strong>328</strong>/<strong>05</strong> <strong>ER</strong><br />

Beschluss<br />

In <strong>de</strong>m Rechtsstreit<br />

A.<br />

Antragstellerin,<br />

Prozessbevollmächtigte:<br />

B.<br />

gegen<br />

C.<br />

Antragsgegnerin,<br />

hat die <strong>30</strong>. Kammer <strong>de</strong>s <strong>Sozialgericht</strong>s Lüneburg am 11. August 20<strong>05</strong><br />

durch die Richterin am <strong>Sozialgericht</strong> Groenke - Vorsitzen<strong>de</strong> -<br />

beschlossen:<br />

Die Antragsgegnerin wird im Wege <strong>de</strong>r einstweiligen Anordnung verpflichtet, <strong>de</strong>r<br />

Antragstellerin ab Juli 20<strong>05</strong> einen Betrag in Höhe <strong>de</strong>r nachgewiesenen Kosten monatlich zu<br />

zahlen, solange dies zur Behandlung <strong>de</strong>r Krankheit ihrer Tochter D. medizinisch erfor<strong>de</strong>rlich<br />

ist.<br />

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten <strong>de</strong>r Antragstellerin.<br />

Gerichtskosten wer<strong>de</strong>n nicht erhoben.<br />

Grün<strong>de</strong><br />

I.<br />

Die Antragstellerin ist Bezieherin von Arbeitslosengeld II. Sie lebt in einer<br />

Bedarfsgemeinschaft mit ihren Töchtern D. und E. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004<br />

wur<strong>de</strong>n ihr Leistungen in Höhe von 980,67 € monatlich bewilligt. Hierin waren enthalten die<br />

Regelleistung für die Antragstellerin sowie ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung, das


Sozialgeld für ihre bei<strong>de</strong>n Töchter und Kosten <strong>de</strong>r Unterkunft und Heizung.<br />

Mit Schreiben vom 12. Januar 20<strong>05</strong> beantragte die Antragstellerin bei <strong>de</strong>r Antragsgegnerin<br />

einen Mehrbedarf für ihre 12-jährige Tochter D. Diese lei<strong>de</strong>t unter chronischer Neuro<strong>de</strong>rmitis<br />

sowie verschie<strong>de</strong>nen Nahrungsmittelallergien. Die Antragstellerin machte geltend, dass ihre<br />

Tochter für eine konsequente Dauertherapie bestimmte Pflegeprodukte sowie Medikamente<br />

benötigt, die sie nicht finanzieren könne. Sie legte ein Attest <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rärztin<br />

vor, in <strong>de</strong>m bestätigt wur<strong>de</strong>, dass D. eine konsequente Dauertherapie mit Pflegeprodukten für<br />

die Haut sowie bei Juckreiz antiallergische und Juckreiz hemmen<strong>de</strong> Medikamente benötige.<br />

Aus <strong>de</strong>m Attest ging auch hervor, dass diese Medikamente rezeptfrei erhältlich sind und daher<br />

nicht zu Lasten <strong>de</strong>r Krankenkasse verordnet wer<strong>de</strong>n können. Weiter legte die Antragstellerin<br />

ein fachärztliches Attest <strong>de</strong>s Oberarztes <strong>de</strong>s Städtischen Krankenhauses F. – Kin<strong>de</strong>rklinik –<br />

vor, aus <strong>de</strong>m hervorgeht, dass D. im März 20<strong>05</strong> stationär dort betreut wur<strong>de</strong>. Der Oberarzt G.<br />

legt dar, dass bei ihr eine starke Allergie und auch im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren Patienten eine<br />

erhöhte Pflegebedürftigkeit <strong>de</strong>r Haut bekannt sei. Weiter wird bestätigt, dass es aus<br />

medizinischer Sicht erfor<strong>de</strong>rlich sei, durch einen verstärkten Einsatz von Hautpflegemitteln<br />

einer erneuten gesundheitlichen Beeinträchtigung vorzubeugen. D. war seit Herbst 2004<br />

insgesamt dreimal zu einem längeren stationären bzw. Kuraufenthalt in <strong>de</strong>r Klinik.<br />

Mit Bescheid vom 24. März 20<strong>05</strong> lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme von<br />

zusätzlichen Kosten für die Pflege von D. ab. Sie begrün<strong>de</strong>te dies damit, dass eine Erstattung<br />

von Leistungen zusätzlich zum Regelbedarf in <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s <strong>SG</strong>B II nicht vorgesehen<br />

ist. Mit Schreiben vom 22. April 20<strong>05</strong> legte die Antragstellerin Wi<strong>de</strong>rspruch gegen diesen<br />

Bescheid ein. Sie begrün<strong>de</strong>te diesen damit, dass D. durch das vorliegen<strong>de</strong> Krankheitsbild<br />

erheblich belastet sei. Sie sei mit schweren Schüben einer atopischen Dermatitis im Klinikum<br />

F. stationär aufgenommen wor<strong>de</strong>n. Es sei jedoch erfor<strong>de</strong>rlich, dass die Lin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r<br />

Krankheit durch weitere Versorgung auch im präventiven Bereich notwendig sei. Dies sei<br />

insbeson<strong>de</strong>re damit verbun<strong>de</strong>n, dass erhebliche Kosten im Hinblick <strong>de</strong>r Reinigung <strong>de</strong>r<br />

Kleidung, <strong>de</strong>r Anschaffung <strong>de</strong>r Kleidung sowie <strong>de</strong>r notwendigen Hautpflegeprodukte<br />

erfor<strong>de</strong>rlich seien. Zusätzlich wur<strong>de</strong> ein Befundbericht von G. vorgelegt, aus <strong>de</strong>m hervorgeht,<br />

dass D. auf Grund ihrer Krankheit stark angespannt ist und <strong>de</strong>pressiv sowie schmerzgequält<br />

und unruhig wirkt. Weiter geht hieraus hervor, dass D. einen hohen Verbrauch an differenten<br />

und indifferenten Hautpflegeprodukten hat.<br />

Die Antragsgegnerin schaltete im Rahmen <strong>de</strong>s Wie<strong>de</strong>rspruchsverfahrens ihren ärztlichen<br />

Dienst ein. Dieser bestätigte gutachterlich vorhan<strong>de</strong>ne chronisch entzündliche Verän<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>r Haut, ein überempfindliches Bronchialsystem sowie eine leichte seelische Erkrankung.<br />

Ein Mehrbedarf für Ernährung sei entsprechend <strong>de</strong>n Hinweisen nach § 21 Abs. 5 <strong>SG</strong>B II<br />

erfor<strong>de</strong>rlich und wer<strong>de</strong> voraussichtlich die Dauer von 12 Monaten übersteigen. Mit Bescheid<br />

vom 9. Februar 20<strong>05</strong> bewilligte die Antragsgegnerin <strong>de</strong>r Antragstellerin daraufhin<br />

Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung in Höhe von 25,56 € monatlich. Zugleich wur<strong>de</strong><br />

erneut <strong>de</strong>r medizinische Dienst eingeschaltet und angefragt, ob auf Grund <strong>de</strong>r Beson<strong>de</strong>rheit<br />

<strong>de</strong>s Einzelfalles ein höherer Mehrbedarf gewährt wer<strong>de</strong>n könne. Der ärztliche Dienst <strong>de</strong>r<br />

Antragsgegnerin äußerte sich dahingehend, dass sich <strong>de</strong>r Mehrbedarf ausschließlich auf die<br />

Ernährung beziehe und nach <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Unterlagen eine Erhöhung <strong>de</strong>s angegebenen<br />

Bedarfs medizinisch nicht gerechtfertigt sei. Mit Wi<strong>de</strong>rspruchsbescheid vom 14.Juni 20<strong>05</strong><br />

wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>r Antragstellerin, soweit <strong>de</strong>r Mehrbedarf die Höhe von 25, 56 €<br />

monatlich übersteigt, zurückgewiesen. Begrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> dies damit, dass für <strong>de</strong>n Bedarf von<br />

Pflegeprodukten das <strong>SG</strong>B II keine Leistungen vorsieht. Hiergegen hat die Antragstellerin am<br />

11. Juli 20<strong>05</strong> Klage erhoben und zugleich <strong>de</strong>n Erlass einer einstweiligen Anordnung<br />

beantragt.


Die Antragstellerin trägt vor, aufgrund <strong>de</strong>r vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ergäbe<br />

sich, dass D. schwer an Neuro<strong>de</strong>rmitis erkrankt sei und zur weiteren Behandlung hohe<br />

Verbrauchsmengen an verschie<strong>de</strong>nen Pflegeprodukten habe. Der Bedarf sei in diesem Fall so<br />

hoch, dass er ca. 240,00 € monatlich betrage. Diese Kosten könnte die Antragstellerin nicht<br />

tragen, da das Arbeitslosengeld II hierfür nicht ausreiche. Da die Kosten weithin laufend<br />

anfielen, sei <strong>de</strong>r notwendige Lebensunterhalt nicht gewährleistet. Die ärztlichen Atteste<br />

ergäben <strong>de</strong>s Weiteren, dass eine Verschlechterung <strong>de</strong>s gesundheitlichen Zustan<strong>de</strong>s drohe.<br />

Die Antragstellerin beantragt,<br />

die Antragsgegnerin im Wege <strong>de</strong>r einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr einen<br />

zusätzlichen Betrag in Höhe von 240,00 € monatlich bzw. in Höhe <strong>de</strong>r tatsächlich<br />

nachgewiesenen Kosten monatlich zu zahlen, solange dies zur Krankheit <strong>de</strong>r Tochter D.<br />

medizinisch erfor<strong>de</strong>rlich ist.<br />

Die Antragsgegnerin beantragt,<br />

<strong>de</strong>n Antrag abzulehnen.<br />

Sie trägt vor, wegen <strong>de</strong>r Erkrankung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s sei bereits ein Mehrbedarf für<br />

kostenaufwendige Ernährung in Höhe von monatlich 25,56 € anerkannt wor<strong>de</strong>n. Das <strong>SG</strong>B II<br />

sehe keine darüber hinausgehen<strong>de</strong> Erstattungsmöglichkeit für Kosten für Heil- und<br />

Pflegemittel vor. Im Übrigen bezieht sie sich auf ihre Ausführungen im<br />

Wi<strong>de</strong>rspruchsbescheid.<br />

Hinsichtlich <strong>de</strong>r weiteren Einzelheiten <strong>de</strong>s Sach- und Streitstan<strong>de</strong>s wird auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r<br />

beigezogenen Akten <strong>de</strong>r Antragsgegnerinnen sowie <strong>de</strong>r Gerichtsakten Bezug genommen.<br />

II.<br />

Der Antrag hat Erfolg.<br />

Nach § 86 b Abs. 2 <strong>SG</strong>G kann das Gericht <strong>de</strong>r Hauptsache, soweit ein Fall <strong>de</strong>s Absatzes 1<br />

nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in bezug auf <strong>de</strong>n Streitgegenstand<br />

treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Zustan<strong>de</strong>s die<br />

Verwirklichung eines Rechts <strong>de</strong>s Antragstellers vereitelt o<strong>de</strong>r wesentlich erschwert wer<strong>de</strong>n<br />

könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustan<strong>de</strong>s in<br />

bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung<br />

wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht <strong>de</strong>r Hauptsache ist das Gericht <strong>de</strong>s ersten<br />

Rechtszuges.<br />

Voraussetzung für <strong>de</strong>n Erlass <strong>de</strong>r hier vom Antragsteller begehrten Regelungsanordnung nach<br />

§ 86 b Abs. 2 Satz 2 <strong>SG</strong>G, mit <strong>de</strong>r er die Gewährung von Leistungen nach <strong>de</strong>m <strong>SG</strong>B II<br />

begehrt, ist neben einer beson<strong>de</strong>ren Eilbedürftigkeit <strong>de</strong>r Regelung (Anordnungsgrund) ein<br />

Anspruch <strong>de</strong>s Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch).<br />

Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3<br />

<strong>SG</strong>G i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).<br />

Dabei darf die einstweilige Anordnung <strong>de</strong>s Gerichts wegen <strong>de</strong>s summarischen Charakters<br />

dieses Verfahrens grundsätzlich nicht die endgültige Entscheidung in <strong>de</strong>r Hauptsache


vorwegnehmen, weil sonst die Erfor<strong>de</strong>rnisse, die bei einem Hauptsacheverfahren zu beachten<br />

sind, umgangen wür<strong>de</strong>n. Auch besteht die Gefahr, dass eventuell in einem Eilverfahren<br />

vorläufig, aber zu Unrecht gewährte Leistungen später nach einem Hauptsacheverfahren, dass<br />

zu Lasten <strong>de</strong>s Antragstellers ausginge, nur unter sehr großen Schwierigkeiten erfolgreich<br />

wie<strong>de</strong>r zurückgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n könnten. Daher ist <strong>de</strong>r vorläufige Rechtsschutz nur dann zu<br />

gewähren, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, an<strong>de</strong>rs nicht abzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Nachteile<br />

entstün<strong>de</strong>n, zur <strong>de</strong>ren Beseitigung eine spätere Entscheidung in <strong>de</strong>r Hauptsache nicht mehr in<br />

<strong>de</strong>r Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69, 74 m.w.N.).<br />

Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf<br />

Zahlung <strong>de</strong>r tatsächlich entstehen<strong>de</strong>n Kosten für Heil- und Pflegeprodukte für ihre an<br />

Neuro<strong>de</strong>rmitis erkrankte Tochter nach § 23 Abs. 1 <strong>SG</strong>B II.<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich bei <strong>de</strong>n Kosten für die Medikamente und Pflegeprodukte um einen von <strong>de</strong>n<br />

Regelleistungen umfassten und nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n unabweisbaren Bedarf zu Sicherung <strong>de</strong>s<br />

Lebensunterhaltes. Die Regelleistung umfasst nach § 20 Abs. 1 <strong>SG</strong>B II insbeson<strong>de</strong>re<br />

Ernährung, Kleidung, Körperpflege u.a. Hierzu gehören auch Kosten für Medikamente und<br />

Produkte, die von <strong>de</strong>r gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen wird, so z. B. auch die<br />

Praxisgebühr. Es han<strong>de</strong>lt sich daher bei Körperpflegeprodukten und nicht<br />

verschreibungspflichtigen Medikamenten um einen von <strong>de</strong>r Regelleistung umfassten Bedarf.<br />

Dieser ist auch unabweisbar, da es sich im vorliegen<strong>de</strong>n Fall je<strong>de</strong>nfalls nach summarischer<br />

Prüfung um einen medizinisch notwendigen Bedarf han<strong>de</strong>lt. Dies ist belegt durch das von <strong>de</strong>r<br />

Antragstellerin vorgelegte Attest <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rärztin und das fachärztliche Attest <strong>de</strong>s<br />

Klinikarztes G. vom 15. März 20<strong>05</strong> sowie durch <strong>de</strong>n ebenfalls vorgelegten Befundbericht von<br />

G. vom 17. März 20<strong>05</strong>. Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, nach Ansicht ihres<br />

ärztlichen Dienstes sei dieser Bedarf medizinisch nicht notwendig, kann dies nach <strong>de</strong>n<br />

vorgelegten Unterlagen nicht überzeugen. Die Stellungnahme <strong>de</strong>s ärztlichen Dienstes lautet<br />

wörtlich: „Der Mehrbedarf bezieht sich ausschließlich auf die Ernährung und hier ist nach <strong>de</strong>n<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Unterlagen keine Erhöhung <strong>de</strong>s angegebenen Bedarfs medizinisch<br />

gerechtfertigt.“ Diese Stellungnahme lässt eine Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n vorgelegten<br />

Attesten nicht erkennen. Es fehlt auch an einer Begründung, weshalb trotz <strong>de</strong>r schweren<br />

Neuro<strong>de</strong>rmitis <strong>de</strong>r beantragte Bedarf medizinisch nicht gerechtfertigt sei. Darüber hinaus<br />

wur<strong>de</strong> die Stellungnahme nach Aktenlage abgegeben, so dass keine Untersuchung <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s<br />

D. durch <strong>de</strong>n ärztlichen Dienst erfolgt ist. Im Gegensatz dazu stammen die von <strong>de</strong>r<br />

Antragstellerin vorgelegten Atteste von behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Ärzten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Darüber hinaus sind<br />

je<strong>de</strong>nfalls in <strong>de</strong>m Befundbericht vom 17. März 20<strong>05</strong> <strong>de</strong>r Gesundheitszustand und die<br />

medizinische Vorgeschichte <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s ausführlich dargestellt. Die Antragstellerin hat weiter<br />

mittels <strong>de</strong>r vorgelegten Atteste glaubhaft vorgetragen, dass ihr <strong>de</strong>utlich erhöhte Ausgaben für<br />

die Hautpflegeprodukte und nicht verschreibungspflichtigen Medikamente entstehen. Da die<br />

Ausgaben für die benötigten Heil- und Körperpflegemittel von <strong>de</strong>r Krankenkasse nicht<br />

übernommen wer<strong>de</strong>n, sind sie grundsätzlich von <strong>de</strong>r Antragstellerin aus <strong>de</strong>r Regelleistung zu<br />

zahlen. Angesichts <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Ausgaben ist jedoch offensichtlich, dass die Regelleistungen<br />

zur Bedarfs<strong>de</strong>ckung nicht ausreichen, weil sie die in diesem Rahmen üblicherweise<br />

anzusetzen<strong>de</strong>n Beträge für <strong>de</strong>rartige Produkte weit überschreiten.<br />

Die im Antrag angegebene Höhe <strong>de</strong>r Ausgaben mit ca. 240.- € monatlich ist jedoch nicht<br />

glaubhaft gemacht, je<strong>de</strong>nfalls nicht als Bedarf, <strong>de</strong>r in dieser Höhe regelmäßig je<strong>de</strong>n Monat<br />

anfällt. Die (Anfang Juli) vorgelegten Nachweise für <strong>de</strong>n Monat Juni belegen Kosten in Höhe<br />

von 92, 67 €. Es ist daher davon auszugehen, dass <strong>de</strong>r Bedarf entsprechend <strong>de</strong>m<br />

Gesundheitszustand von D. erheblich schwanken kann. Aus diesem Grund sind die Kosten<br />

von <strong>de</strong>r Antragsgegnerin jeweils in <strong>de</strong>r Höhe zu übernehmen, wie sie nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.


Die Leistungen sind nach § 23 Abs. 1 Satz 1 <strong>SG</strong>B II als Darlehen zu erbringen. Allerdings<br />

erscheint problematisch, dass dieses Darlehen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 <strong>SG</strong>B II durch<br />

monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 von Hun<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r an die Antragstellerin zu<br />

zahlen<strong>de</strong>n Regelleistung zu tilgen ist. Im Hinblick auf die Höhe <strong>de</strong>r zu gewähren<strong>de</strong>n<br />

Leistungen könnte darin möglicherweise ein Verfassungsverstoß liegen. Wie oben bereits<br />

dargelegt, ist im Rahmen <strong>de</strong>s Eilverfahrens davon auszugehen, dass es sich um einen<br />

medizinisch notwendigen Bedarf an Heil- und Körperpflegeprodukten han<strong>de</strong>lt. Dieser ist im<br />

speziellen Fall <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s D. überdurchschnittlich hoch. Aus diesem Grund reicht die<br />

Regelleistung zur Deckung <strong>de</strong>s Bedarfes nicht aus. Das <strong>SG</strong>B II muss jedoch, um eine<br />

Grundsicherung zu gewährleisten, einen solchen medizinisch notwendigen Bedarf gewähren.<br />

Zwar gibt es keine Vorschrift im <strong>SG</strong>B II, wonach in beson<strong>de</strong>rs begrün<strong>de</strong>ten Einzelfällen die<br />

Regelleistungen zu erhöhen wären o<strong>de</strong>r eine nicht rückzahlbare Beihilfe zu zahlen wäre.<br />

Jedoch gebietet <strong>de</strong>r Individualisierungsgrundsatz, dass dieser Bedarf zu <strong>de</strong>cken ist. Der<br />

Individualisierungsgrundsatz ist Ausdruck <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Menschenwür<strong>de</strong> ausgerichteten<br />

Zielsetzung <strong>de</strong>r Sozialhilfe und damit verfassungsrechtlich unverzichtbar (Brünner in LPK –<br />

<strong>SG</strong>B II, Rd-Nr. 22 zu § 20). Im früheren BSHG war <strong>de</strong>r Individualisierungsgrundsatz in § 3<br />

geregelt. Eine entsprechen<strong>de</strong> Regelung fin<strong>de</strong>t sich heute in § 9 <strong>SG</strong>B XII; im <strong>SG</strong>B II ist jedoch<br />

keine entsprechen<strong>de</strong> Vorschrift vorhan<strong>de</strong>n. Eine Öffnung <strong>de</strong>r Regelleistung für die<br />

individuelle Bedarfssituation ist damit weitgehend verhin<strong>de</strong>rt (Hauck/Noftz <strong>SG</strong>B II, Rd.Nr. 6<br />

zu § 20). Da es jedoch – wie im vorliegen<strong>de</strong>n Fall - in Einzelfällen vorkommen kann, dass die<br />

Regelleistung für <strong>de</strong>n individuell anzuerkennen<strong>de</strong>n Bedarf nicht ausreicht, wür<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>rartigen Einzelfällen die Regelleistung das soziokulturelle Existenzminimum nicht mehr<br />

ab<strong>de</strong>cken. Sie wäre damit unangemessen niedrig und verfassungswidrig. In diesen Fällen ist<br />

es angebracht, im Wege <strong>de</strong>r verfassungskonformen Auslegung im Einzelfall einen höheren<br />

Bedarf anzuerkennen (Eicher/Spellbrink, <strong>SG</strong>B II, Rd.-Nr. 8 zu § 20; Brünner in LPK –<strong>SG</strong>B<br />

II, Rd.-Nr. 23 zu § 20). Da im Fall <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Antragstellerin die Kosten für Heil- und<br />

Körperpflegemittel zur Gewährleistung <strong>de</strong>r medizinischen Versorgung und zur<br />

Gesun<strong>de</strong>rhaltung notwendig sind, könnte in <strong>de</strong>r Rückfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Darlehens möglicherweise<br />

ein Verfassungsverstoß liegen, weil die Tochter <strong>de</strong>r Antragstellerin dann durch Wahrnehmung<br />

ihres Grundrechtes aus Artikel 2 Grundgesetz auf Dauer finanziell benachteiligt wird. Wenn<br />

die Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 <strong>SG</strong>B II für längere Zeit – etwa mehr als ein Jahr - zu<br />

zahlen sind, wird die Antragsgegnerin zu prüfen haben, ob sie im Wege <strong>de</strong>r<br />

Ermessungsausübung von einer Aufrechnung absieht. Denn im Wege verfassungskonformer<br />

Auslegung könnte dazu Anlass bestehen (s. für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r Wahrnehmung <strong>de</strong>s<br />

Umgangsrechts Beschluss <strong>de</strong>s L<strong>SG</strong> Nie<strong>de</strong>rsachsen-Bremen vom 28. April 20<strong>05</strong>,<br />

Aktenzeichen L 8 <strong>AS</strong> 57/<strong>05</strong> <strong>ER</strong>).<br />

Die von <strong>de</strong>r Antragstellerin favorisierte Heranziehung von § 47 ff. <strong>SG</strong>B XII kommt nicht in<br />

Betracht. Nach § 48 <strong>SG</strong>B XII wer<strong>de</strong>n Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend <strong>de</strong>m<br />

Dritten Kapitel 5. Abschnitt ersten Titel <strong>de</strong>s Fünften Buches erbracht. Damit gewährt die<br />

Vorschrift Hilfe bei Krankheit im selben Umfang wie die gesetzliche Krankenversicherung.<br />

Wie <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Antragstellerin vorgelegte Nachweis ihrer Krankenversicherung zeigt,<br />

übernimmt diese <strong>de</strong>rartige Leistungen jedoch nicht.<br />

Die Anwendung von § 73 <strong>SG</strong>B XII scheitert daran, dass unter Geltung <strong>de</strong>s BSHG die hier<br />

fraglichen Leistungen <strong>de</strong>r Hilfe zum Lebensunterhalt und nicht <strong>de</strong>r Hilfe in beson<strong>de</strong>ren<br />

Lebenslagen zugeordnet wor<strong>de</strong>n wären. Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 73 <strong>SG</strong>B XII entspricht <strong>de</strong>r<br />

Vorschrift <strong>de</strong>s § 27 Abs. 2 BSHG, die sich in <strong>de</strong>m Abschnitt über die Hilfe in beson<strong>de</strong>ren<br />

Lebenslagen befand. Auch wenn das <strong>SG</strong>B XII die ausdrückliche Unterscheidung zwischen<br />

Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in beson<strong>de</strong>ren Lebenslagen nicht mehr erkennt, ist sie in


<strong>de</strong>r Sache beibehalten wor<strong>de</strong>n. Es besteht keinen Anlass, unter Geltung <strong>de</strong>s <strong>SG</strong>B II bzw. <strong>de</strong>s<br />

<strong>SG</strong>B XII zu einer an<strong>de</strong>ren Betrachtungsweise überzugehen (ebenso L<strong>SG</strong> Nie<strong>de</strong>rsachen-<br />

Bremen, Beschluss vom 28. April 20<strong>05</strong>, a.a.O.), also die Kosten für die Heil- und<br />

Körperpflegemittel nunmehr <strong>de</strong>r Hilfe in beson<strong>de</strong>ren Lebenslagen zuzuordnen.<br />

Die Vorschrift <strong>de</strong>s § 28 <strong>SG</strong>B XII in <strong>de</strong>r eine Erhöhung eines Mehrbedarfs vorgesehen ist,<br />

kann nicht herangezogen wer<strong>de</strong>n, da nach § 5 Abs. 2 <strong>SG</strong>B II diese Leistung ausgeschlossen<br />

ist für Empfänger von Arbeitslosengeld II. Im Hinblick darauf, dass die Ermessensausübung<br />

<strong>de</strong>r Antragsgegnerin bei <strong>de</strong>r Darlehensrückfor<strong>de</strong>rung sich an einer verfassungskonformen<br />

Auslegung zu orientieren hat, kann von einer Schlechterstellung <strong>de</strong>r <strong>SG</strong>B II-Empfänger<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Sozialhilfeempfängern nicht ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Abs. 1, 193 Abs. 1 <strong>SG</strong>G.<br />

Rechtsmittelbelehrung<br />

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwer<strong>de</strong> zulässig. Sie ist binnen eines Monats nach<br />

Bekanntgabe <strong>de</strong>s Beschlusses beim <strong>Sozialgericht</strong> Lüneburg, Lessingstraße 1, 21335<br />

Lüneburg, schriftlich o<strong>de</strong>r zur Nie<strong>de</strong>rschrift <strong>de</strong>s Urkundsbeamten <strong>de</strong>r Geschäftsstelle<br />

einzulegen. Hilft das <strong>Sozialgericht</strong> <strong>de</strong>r Beschwer<strong>de</strong> nicht ab, legt es sie <strong>de</strong>m<br />

Lan<strong>de</strong>ssozialgericht Nie<strong>de</strong>rsachsen-Bremen zur Entscheidung vor. Die Beschwer<strong>de</strong>frist ist<br />

auch gewahrt, wenn die Beschwer<strong>de</strong> innerhalb <strong>de</strong>r Frist bei <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>ssozialgericht<br />

Nie<strong>de</strong>rsachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle, o<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Zweigstelle <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>ssozialgerichts Nie<strong>de</strong>rsachsen-Bremen, Am Wall 201, 28195 Bremen, schriftlich o<strong>de</strong>r<br />

zur Nie<strong>de</strong>rschrift <strong>de</strong>s Urkundsbeamten <strong>de</strong>r Geschäftsstelle eingelegt wird.

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