Branche: Die fetten Jahre sind vorbei - FACTS Verlag GmbH
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<strong>Branche</strong> Büromöbel<br />
<strong>Die</strong> <strong>fetten</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>sind</strong> <strong>vorbei</strong><br />
Drastische Veränderungen prognostizierte<br />
im Oktober 2012 die zweite Auflage der<br />
Studie „Der Markt für Büromöbel in Deutschland<br />
bis 2020“ der Unternehmensberatung Titze. In der<br />
Tat häufen sich die Anzeichen dafür und <strong>Branche</strong>ninsider<br />
rechnen schon bald mit einer großen<br />
Konsolidierung im Markt.<br />
Einige große und viele kleine<br />
Hersteller teilen sich in<br />
Deutschland und Europa einen<br />
Markt, der im Jahr 2012<br />
Schreibtische, Schränke, Sitzmöbel<br />
und anderes Büromobiliar<br />
im Wert von 2,11 Milliarden Euro produzierte.<br />
Der Großteil seiner Teilnehmer erreicht<br />
dabei jedoch gerade mal einen Marktanteil<br />
von 0,2 bis 0,9 Prozent, während die<br />
fünf Großen zusammen auf über 20 Prozent<br />
kommen. Dabei <strong>sind</strong> es gerade diese „Kleinen“,<br />
die den diffizilen Büromöbelmarkt in<br />
Deutschland prägen – mittelständische, inhabergeführte<br />
Familienunternehmen. Deren<br />
Stärke ist jedoch gleichzeitig auch ihr Problem:<br />
Ist die Nachfolge nicht geregelt, droht<br />
auch den Stärksten unter ihnen das Aus. Und<br />
wer sich auf seiner Tradition ausruht, verpasst<br />
den Anschluss an die zukünftigen Themen<br />
wie die Veränderung der Arbeitswelt, die<br />
Fokussierung auf neue, junge Zielgruppen<br />
und den Verkauf von Gesamtkonzepten statt<br />
allein von Produkten.<br />
management, wechsle dich<br />
Andere Probleme finden sich bei den Großen.<br />
So drehte sich bei Steelcase das Personalkarussell<br />
in den vergangenen Monaten<br />
immer schneller: <strong>Die</strong> Meldungen zum Wechsel<br />
in der Marketingleitung und in der Konzernspitze<br />
kommen in immer kürzeren Abständen,<br />
seit Beginn des <strong>Jahre</strong>s bis Mitte<br />
März meldete Steelcase allein drei, in den<br />
vergangenen 24 Monaten acht Wechsel im<br />
Management: Chief Financial Officer (CFO),<br />
Marketingleitung, Key Account Manager, Director<br />
Field Marketing, Vice President Operations<br />
EMEA und gleich zwei Wechsel in der<br />
Position des Vice President Sales & Channel<br />
Division sowie im Vorstand.<br />
Dass Udo Heep seine Position des Vice President<br />
Sales and Channel Development wohl<br />
nicht lange innehaben würde, hörte man<br />
schon bei seiner Ernennung munkeln. Überraschend<br />
erreichte die Nachricht der Kündigung<br />
des Vorstandsvorsitzenden Henning Figge im<br />
56 <strong>FACTS</strong> SPECIAL
Dezember 2011 die <strong>Branche</strong>. Er wurde mit sofortiger<br />
Wirkung freigestellt wurde − um einige<br />
Monate darauf bei einem anderen Großen der<br />
<strong>Branche</strong> anzuheuern.<br />
Im Oktober 2012 übernahm Figge die Geschäftsleitung<br />
des europäischen Sektors von<br />
Haworth und bestätigte damit Gerüchte, die<br />
bereits seit Januar eben diesen Wechsel vermuteten;<br />
übrigens just zum selben Zeitpunkt,<br />
als das Unternehmen den Verkauf der<br />
Haworth-Organisation in Italien inklusive<br />
der Traditionsmarke Castelli verkündete.<br />
Sollte dies und die Ernennung Figges in die<br />
Geschäftsleitung die Umstrukturierung des<br />
europäischen Managements von Haworth<br />
einläuten<br />
sinkende nachfrage<br />
Gründe dafür gäbe es genug. 2011 verzeichnete<br />
Haworth noch eine Umsatzsteigerung<br />
um 15 Prozent, doch 2012 ging es bergab,<br />
mit einem Umsatzrückgang von rund 5<br />
Prozent. Dem Unternehmen zufolge liegen<br />
die Gründe im Verkauf der italienischen Gesellschaft<br />
Haworth S.p.A. – inklusive Castelli<br />
− an die Münchner Beteiligungsgesellschaft<br />
Mutares AG sowie im Verkauf der kanadischen<br />
Groupe Lacasse im Mai vergangenen<br />
<strong>Jahre</strong>s. Im Sommer 2012 erreichte 15 von<br />
rund 250 Arbeitnehmern am Standort Ahlen<br />
Kündigungen zum Ende des <strong>Jahre</strong>s, die jedoch<br />
kurze Zeit später als unwirksam zurückgewiesen<br />
wurden. Nun beantragte Haworth<br />
Kurzarbeit für 180 Mitarbeiter, zunächst für<br />
sechs Monate. Doch <strong>sind</strong> die Deinvestitionen<br />
durchaus nicht die alleinigen Gründe für den<br />
rückläufigen Umsatz, auch die Nachfrage<br />
nach Sitzmöbeln sei in weiten Teilen Europas<br />
nicht zufriedenstellend.<br />
Woran liegt es also, dass gerade Haworth –<br />
in der „Top 100“ der europäischen Büromöbelhersteller<br />
mit 187,2 Millionen Euro Umsatz auf<br />
Platz 8 – trotz seiner Größe im deutschen<br />
Markt solche Schwierigkeiten hat International<br />
ist das Unternehmen zweifellos gut aufgestellt<br />
und Haworth verzeichnet auch vergleichsweise<br />
gute Umsätze in Deutschland,<br />
hat in letzter Zeit sowohl das Geschäft mit<br />
seinen Handelspartnern als auch das Projektgeschäft<br />
intensiviert – jedoch hapert es mit<br />
dem Gewinn. Das liegt nicht zuletzt wohl<br />
auch an den Rabattschlachten, die sich die<br />
Hersteller der <strong>Branche</strong> liefern − Rabatte bis<br />
zu 70 Prozent lassen zwar den Umsatz gut<br />
aussehen, doch umso schlechter ist die Marge.<br />
Ein weiterer Grund: Das amerikanische<br />
Geschäftsprinzip lässt sich nicht ohne Weiteres<br />
auf den deutschen Markt übertragen.<br />
Arbeitsweise, Bürokultur und nicht zuletzt<br />
die Vertriebsstrategien unterscheiden sich<br />
erheblich, und so lassen sich auch die Produkte<br />
nicht ohne Weiteres hier wie dort an<br />
den Mann bringen.<br />
Einer, der davon ein Lied singen kann, ist<br />
Herman Miller. Trotz eines Portfolios, das sich<br />
allein optisch von dem Gros der Produkte unterscheidet,<br />
und trotz seines großen Namens<br />
ist Herman Miller heute in Deutschland eine<br />
Marke unter „ferner liefen“. <strong>Die</strong>s soll sich dem<br />
Unternehmen zufolge jetzt ändern − wie und<br />
ob es dieses Ziel erreicht, wird nicht zuletzt an<br />
seiner Fähigkeit liegen, sich dem diffizilen<br />
europäischen Büromöbelmarkt anzupassen.<br />
baldige konsolidierung<br />
Bleibt die Frage, ob es überhaupt weitere<br />
Teilnehmer im deutschen und europäischen<br />
Büromöbelmarkt braucht – vielmehr ist Insidern<br />
zufolge von weiteren Übernahmen die<br />
Rede, die schon bald anstehen sollen. Dann<br />
wird sich zeigen, wer im komplexen deutschen<br />
Markt wirklich bestehen kann. Angesichts<br />
der vergangenen von Wirtschaftskrisen<br />
geschüttelten <strong>Jahre</strong> ist es sowieso erstaunlich,<br />
dass die <strong>Branche</strong> bis heute in dieser Vielfalt<br />
bestanden hat. Fest steht, dass sich das<br />
ändern wird und sich alle, die großen wie die<br />
kleinen Hersteller, auf härtere Zeiten einstellen<br />
müssen.<br />
g<br />
SPECIAL <strong>FACTS</strong> 57