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Teil I: Adventgeschichten

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"UND ER HAT MIR DOCH VERGEBEN"<br />

Erbarmungslos raste der Bürgerkrieg über die spanische Erde. Entweihte Kirchen, brennende<br />

Dörfer, verstümmelte Leichen zeigten den Weg, den das rote Heer genommen hatte. Und auch die<br />

Nationalen kämpften mit einer Verbissenheit ohnegleichen. Als ein Trupp Nationaler nach hartem<br />

Kampf ein Dorf von den Gegnern gesäubert hatte, fanden sie an einer Mauerecke einen schwerverletzten<br />

Roten, dem ein Granatsplitter die Brust zerfetzt hatte.<br />

Aus glasigen Augen schaute der Verwundete die herankommende Patrouille an. Dann hob er mit<br />

schwacher Gebärde die Hand und stammelte: "Ein Priester! Holt mir einen Priester!"<br />

"Fahr zur Hölle, rote Kanaille!" fluchte einer der Nationalen. Doch einer seiner Kameraden hatte<br />

Mitleid: "Ich will sehen, ob ich einen Pfarrer finde."<br />

Wirklich kam er bald mit einem Priester zurück. Mitleidig beugte sich dieser zu dem<br />

Schwerverletzten, einem blutjungen Burschen, nieder.<br />

"Sie wollen beichten?" fragte er ihn.<br />

"Ja, ich will beichten!" keuchte der Soldat. "Aber sagen Sie, sind Sie der Pfarrer dieses Ortes?"<br />

"Ja, der bin ich!"<br />

"Mein Gott!" stammelte der Junge.<br />

Lange dauerte es, bis der Priester den Sterbenden verließ. Schweißnass war sein Haar, und sein<br />

Gesicht war bleich wie die Wand, als er zu der wartenden Patrouille der Nationalen zurückkam.<br />

"Brüder!" stieß er mühselig hervor. "Bringt den Verwundeten ins nächste Haus, damit er nicht auf der<br />

Strasse stirbt."<br />

Als die Soldaten sich dem Jungen näherten, richtete dieser sich ein wenig auf und winkte sie heran.<br />

"Er hat mir vergeben! Er gab mir die Lossprechung!" keuchte er, nach Atem ringend.<br />

"Warum soll er dir nicht vergeben? Das ist ja sein Amt!" sagte einer der Nationalen.<br />

"Ihr wisst nicht, was ich getan habe!" stöhnte der Sterbende. "Ich habe alleine zweiunddreißig Priester<br />

getötet, erstochen, erschossen, erschlagen, erwürgt. In jedem Dorf bin ich zuerst ins Pfarrhaus eingedrungen.<br />

Auch hier hab' ich das getan. Den Priester fand ich nicht, aber seinen Vater und seine beiden<br />

Brüder. Ich fragte sie, wo der Pfarrer sei. Sie weigerten sich, ihn zu verraten. Da habe ich alle drei<br />

erschossen! Versteht ihr? Dem Priester, der meine Beichte hörte, habe ich Vater und Brüder getötet .<br />

. . Und er hat mir doch vergeben."<br />

VATER, ICH SEHE DICH NICHT!<br />

Eines Nachts bricht in einem Haus ein Brand aus. Während die Flammen hervorschießen, stürzen<br />

Eltern und Kinder aus dem Haus. Entsetzt sehen sie zu, wie das Feuer ihr Heim vernichtet.<br />

Plötzlich bemerken sie, dass der Jüngste fehlt, ein fünfjähriger Junge, der sich im Augenblick der<br />

Flucht vor Rauch und Flammen fürchtete und in den oberen Stock kletterte. Man schaut einander an.<br />

Es gibt keine Möglichkeit, zurück in das brennende Haus zu gelangen.<br />

Da öffnet sich oben ein Fenster. Der Junge ruft um Hilfe. Sein Vater sieht es und schreit ihm zu<br />

»Spring!« Der Junge sieht nur Rauch und Flammen. Er hört aber die Stimme des Vaters und antwortet:<br />

»Vater, ich sehe dich nicht!«<br />

Der Vater ruft ihm zu: »Aber ich sehe dich, und das genügt. Spring!«<br />

Das Kind springt und findet sich heil und gesund in den Armen seines Vaters, der es aufgefangen hat.

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