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Internate - Patentlösung bei Schulproblemen?

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nasien der Bundesrepublik aus<br />

dem Internet (www.dooyoo.de,<br />

geschrieben am 23.04.2002),<br />

umreißt die Problematik in voller<br />

Schärfe:<br />

"Die Lehrer mit ihren individuellen<br />

Methoden wechseln<br />

häufig. Die Urspringschule<br />

bleibt eine schlechte Schule.<br />

(...) Die Noten sind oft besser<br />

als in der Heimatschule. Das<br />

gilt aber nicht für die schulischen<br />

Leistungen. Ein großer<br />

Teil der Mitschüler ist ständig<br />

versetzungsgefährdet. Im Notfall<br />

werden auch mal Zeugnisse<br />

zum Guten ‚berichtigt’.<br />

Paragrafenversetzungen gibt es<br />

jedes Jahr bis zur Schmerzgrenze.<br />

Ehemalige Lehrer beschweren<br />

sich schon <strong>bei</strong>m<br />

Oberschulamt in Tübingen.<br />

Bei der Abi-Prüfung fallen ca.<br />

10% der Schüler durch.<br />

Das Klima Wenn die externen<br />

Abi-Prüfer aufs Gelände<br />

kommen, werden alle anderen<br />

Schüler zum Ausflug geschickt,<br />

damit bloß keiner den<br />

Abi-Prüfern frech kommt. Das<br />

könnte die Prüfer ungnädig<br />

stimmen.<br />

Schlägereien gibt es noch, aber<br />

Angriffe auf Lehrer sind seltener<br />

geworden, seit der neue<br />

Heimleiter Hr. W. die Jugendhilfeeinrichtung<br />

bewacht und<br />

führt."<br />

Nicht nur die schlechte Schülerauswahl<br />

verdirbt das Leistungsniveau.<br />

Auch die sogenannten<br />

„Lernhilfen“ der <strong>Internate</strong><br />

halten oft nicht, was die<br />

Prospekte versprechen.<br />

Von der angepriesenen „regelmäßigen<br />

Hausaufgabenbetreuung“<br />

etwa darf man nicht<br />

zu viel erwarten. Oft ist sie<br />

schlecht organisiert und kaum<br />

geeignet, bestehende Kenntnislücken<br />

aufzuar<strong>bei</strong>ten und fehlende<br />

Ar<strong>bei</strong>tstechniken zu vermitteln.<br />

Doch selbst das größte Bemühen<br />

um optimale Fördermaßnahmen<br />

kann gegen eine<br />

„Null-Bock-Haltung“, neurotische<br />

Vermeidungsstrategien<br />

oder eine „spaßorientierte“ Lebensführung<br />

(Drogen, Vergnügungssucht,<br />

Schlafmangel) der<br />

SchülerInnen wenig ausrichten.<br />

Hierzu bedürfte es eines erzieherischen<br />

Gesamtkonzepts, das<br />

auf grundlegende Einstellungsund<br />

Verhaltensänderungen zielen<br />

müsste, nicht zuletzt die<br />

Rückkehr zu den guten alten<br />

„Sekundärtugenden“.<br />

Doch selbst die teuersten Institute<br />

mit den kleinsten Klassen<br />

und den individuellsten Erziehungsmöglichkeiten<br />

tragen<br />

hierzu wenig <strong>bei</strong>. Im Gegenteil:<br />

So berichtet etwa die<br />

ehemalige Louisenlunderin<br />

Dagmar von Taube über ihre<br />

Schulzeit in dem norddeutschen<br />

Nobelinstitut :<br />

„Zugegeben, ich habe dort<br />

nicht das beste Abitur gemacht.<br />

(...) Habe sicher viel zu<br />

wenig kluge Bücher gelesen,<br />

weil Segeln so viel schöner<br />

war. (...) Überhaupt gewöhnte<br />

man sich in vielen Dingen eine<br />

sehr lässige Art an, mit der<br />

man sich im späteren Leben<br />

nicht unbedingt sofort Freunde<br />

machte. Als Internatler sah<br />

man halt so manches wie auch<br />

zum Beispiel Pünktlichkeit,<br />

Disziplin, Fleiß sehr, sehr<br />

großzügig“.<br />

(D. v. Taube: Das Geheimnis<br />

Internat. In: Welt am Sonntag<br />

vom 4.6.2000, S. 37).<br />

2<br />

In der ARD-Talkshow „Fliege“<br />

vom 11.1.2000 begründete<br />

die Tochter des Berliner<br />

SPD-Politikers Walter Momper,<br />

Friederike Momper, ihre<br />

Entscheidung, nach Probeaufenthalten<br />

in mehreren Landerziehungsheimen<br />

lieber wieder<br />

nach Berlin zurückzukehren<br />

und ein öffentliches Gymnasium<br />

zu besuchen:<br />

„...weil es nicht so war, wie<br />

ich mir das vorgestellt hatte,<br />

also dieses Sich-auf-die-Schule-Konzentrieren<br />

und dieses<br />

Dafür-Ar<strong>bei</strong>ten, das war da<br />

nicht...“<br />

Fliege: „Da war Party angesagt...“<br />

„Ja, eher das. Und dann haben<br />

alle gesagt, ja, das vergisst du<br />

hinterher... Erfolgsorientiert<br />

waren die an diesen Schulen<br />

nicht.“<br />

Schrifteinblendung während<br />

des Interviews:<br />

Friederike Momper:<br />

„Im Internat wird man nicht<br />

zum Lernen motiviert.“<br />

Eltern glauben häufig, dass bereits<br />

die Festsetzung einer geregelten<br />

Studierzeit und die<br />

ständige Beaufsichtigung ihrer<br />

Kinder durch Lehrer und Erzieher<br />

ausreichten, um alle Ablenkungen<br />

fernzuhalten und die<br />

SchülerInnen zu zwingen, sich<br />

ganz auf die Schule zu konzentrieren.<br />

Das folgende Spottgedicht<br />

eines enttäuschten Internatsschülers<br />

spricht die erhebliche<br />

Diskrepanz an zwischen dem<br />

naiven Glauben an die Segnungen<br />

der täglichen Studierzeit<br />

und der ernüchternden<br />

Wirklichkeit:<br />

Das Studium, voll Zuversicht /<br />

wollte ich zum Lernen nützen.<br />

/ Doch leider, es gelang mir<br />

nicht! / Möglich war nur ödes<br />

Sitzen / gepaart mit blödem<br />

Schabernack. / Genervt von<br />

pubertären Witzen / hatte ich<br />

das Treiben satt / und zog<br />

daraus die Konsequenzen: /<br />

Nach Hause zog es mich<br />

zurück - / Dort konnt‘ ich mich<br />

gut verschanzen / zu lernen für<br />

mein eig’nes Glück. / [...]<br />

Dieses Werkes schließend<br />

Wort / sollte im Gedächtnis<br />

bleiben. / Denn es gilt an<br />

jedem Ort, / mag’s auch ein<br />

wenig übertreiben: / Der höchste<br />

Zweck vom <strong>Internate</strong> / ist<br />

nicht, den Geist zu exerzieren,<br />

/ sondern mit gewitztem Mute /

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