Internate - Patentlösung bei Schulproblemen?
Internate - Patentlösung bei Schulproblemen?
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Noch glauben wir, in den<br />
Landerziehungsheimen mit unseren<br />
reformpädagogischen<br />
Schwimmwesten in einem<br />
sicheren Boot zu sitzen. Ich<br />
möchte mich nicht an dem<br />
allgemeinen Ausverkauf der<br />
Reformpädagogik durch Hermann<br />
Giesecke und durch die<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
beteiligen. Im Gegenteil.<br />
Aber mich beschleicht ein<br />
schlimmer Verdacht:<br />
Möglicherweise tragen unsere<br />
Schwimmwesten gar nicht<br />
mehr. Vielleicht ist die Luft<br />
längst raus [...] Wurde vielleicht<br />
aus dem umfassenden,<br />
den ganzen Menschen betreffenden<br />
“Lernen mit Kopf,<br />
Herz und Hand” ein Prinzip<br />
des "Alles mögliche, aber<br />
nichts richtig" Wurde vielleicht<br />
mit dem Anspruch "die<br />
Schule dem Leben öffnen",<br />
dessen Unübersichtlichkeit für<br />
die Kinder nur verstärkt, nicht<br />
aber aushaltbar gemacht<br />
Wurde vielleicht das für uns so<br />
kostbare pädagogische Prinzip<br />
der "Nähe" mit Kumpanei<br />
verwechselt“<br />
Die hier für die Oberstufe von<br />
Salem beschriebenen Probleme<br />
dürften auf alle Altersstufen<br />
und alle <strong>Internate</strong> übertragbar<br />
sein. Viele Berichte belegen,<br />
dass die Schule im Internat<br />
leicht zur Nebensache wird.<br />
Insbesondere die Auswirkungen<br />
des internatstypischen<br />
„Nachtlebens“ auf die Schulleistungen<br />
sind nicht zu leugnen.<br />
Es führt zu einer Spirale<br />
von immer größeren Schlafdefiziten<br />
zu immer neuen Leistungsstörungen.<br />
Hirnforscher können eindeutig<br />
belegen, dass Schlafmangel,<br />
wie er vor allem durch die<br />
nächtlichen Aktivitäten in den<br />
<strong>Internate</strong>n entsteht (z.B. durch<br />
das gemeinsame „Aussteigen“,<br />
Besuche in den Schlafräumen<br />
des jeweils anderen Geschlechts,<br />
endlose Unterhaltungen<br />
und gegenseitige Streiche<br />
in Mehrbettzimmern, verbunden<br />
zumeist mit Alkoholkonsum<br />
oder Genuss illegaler<br />
Drogen), die geistige Leistungsfähigkeit<br />
erheblich vermindert.<br />
Die Lehrinhalte werden<br />
schon vormittags kaum<br />
wahrgenommen, denn die<br />
„Nachtschwärmer“ sitzen übermüdet<br />
und mit Restalkohol im<br />
Unterricht. Der „tote Punkt“<br />
kommt dann in der Hausaufgabenzeit<br />
am Nachmittag. Auch<br />
hier findet das „konzentrierte<br />
Lernen“ also nicht statt. Nachts<br />
wird dann wieder gefeiert,<br />
usw.... Hirnphysiologisch betrachtet,<br />
geschieht folgendes:<br />
Das frisch erworbene Wissen,<br />
wenn es denn überhaupt erworben<br />
wurde, kann infolge des<br />
Fehlens nächtlicher Tiefschlafphasen<br />
nicht aus dem „Pufferspeicher“<br />
in die Gehirnrinde<br />
geschickt werden, sondern geht<br />
wieder verloren. Das Langzeitgedächtnis<br />
fällt aus.<br />
Da kaum ersichtlich ist, was<br />
Internatsschulen eigentlich zur<br />
Leistungssteigerung ihrer Eleven<br />
konkret <strong>bei</strong>tragen, geraten<br />
sie zunehmend in Erklärungsnöte<br />
hinsichtlich der z.T. erstaunlichen<br />
Schulkarrieren ihrer<br />
Zöglinge, mit denen sich<br />
noch immer trefflich werben<br />
lässt.<br />
So meldete etwa das Landerziehungsheim<br />
Marienau unter<br />
dem Titel „Auf einmal Überflieger“<br />
(in: Welt am Sonntag<br />
v. 28.12.2003, S. 47), wie aus<br />
einem früheren Sitzenbleiber<br />
plötzlich ein hochmotivierter<br />
Leistungsträger wurde, der bereits<br />
zwei Jahre später sogar<br />
eine Klasse überspringen konnte.<br />
Verblüffende Erklärung:<br />
Die „guten Noten“ hätten<br />
„Wunder gewirkt“.<br />
4<br />
Verschwiegen wird <strong>bei</strong> solchen<br />
Wundermärchen, was passiert,<br />
wenn solche „Überflieger“ aus<br />
irgendwelchen Gründen an<br />
eine öffentliche Schule zurückkehren<br />
wollen oder müssen,<br />
z.B. weil sie des Internatslebens<br />
überdrüssig sind, sie<br />
hinausgeworfen werden oder<br />
den Eltern das Geld ausgeht.<br />
Dann nämlich entpuppt sich<br />
die angebliche Leistungsexplosion<br />
leicht als Seifenblase,<br />
die auf einer „vermeintlich<br />
humanen Korruption nachsichtiger<br />
Zensuren“ (Prof. Walter<br />
Schäfer, ehemaliger Leiter der<br />
Odenwaldschule) beruht, für<br />
die private Internatsschulen in<br />
Deutschland (und nicht nur<br />
dort) seit je her berühmt-berüchtigt<br />
sind: Gut zwei bis drei<br />
Notenschritte liegen die Bewertungen<br />
privater <strong>Internate</strong><br />
häufig oft über denjenigen vergleichbarer<br />
staatlicher Lehranstalten.<br />
Diese „menschliche“ Mogelei,<br />
hinter der sich natürlich auch<br />
massives Eigeninteresse der<br />
privaten Träger am Erhalt ihrer<br />
Einrichtungen verbirgt, scheint<br />
vor dem Hintergrund der notwendigen<br />
Durchsetzung einheitlicher<br />
Bildungsstandards<br />
zunehmend riskant zu werden<br />
– zumindest in den als „schulstreng“<br />
geltenden Bundesländern<br />
mit konservativen Regierungen.<br />
Denn die SchülerInnen,<br />
die in private Internatsschulen<br />
streben, werden immer<br />
leistungsschwächer und verhaltensschwieriger!<br />
Kaum eine der in den letzten<br />
Jahren neugegründeten privaten<br />
Internatsschulen hat daher<br />
bislang die staatliche Anerkennung<br />
geschafft. Und auch<br />
für die bereits etablierten<br />
Institute, die sich seit Jahrzehnten<br />
mit der Bezeichnung<br />
„staatlich anerkannte private<br />
Ersatzschule“ schmücken dürfen,<br />
scheinen die staatlichen<br />
Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen<br />
zum Problem<br />
zu werden. Schon kündigte das<br />
bayrische „Landheim Schondorf<br />
am Ammersee“ die Eröffnung<br />
eines lediglich staatlich<br />
genehmigten Gymnasial-