Ambulante Schmerztherapie 13 10 2012_Irnich
Ambulante Schmerztherapie 13 10 2012_Irnich
Ambulante Schmerztherapie 13 10 2012_Irnich
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Wirksame <strong>Schmerztherapie</strong> in der<br />
ambulanten Versorgung<br />
Was „kann“ der Arzt - Was „braucht“ der Patient<br />
Priv.-Doz. Dr. med. Dominik <strong>Irnich</strong><br />
Interdisziplinäre Schmerzambulanz<br />
Klinik für Anästhesiologie<br />
Poliklinik<br />
Pettenkoferstrasse 8 A<br />
Klinikum der Universität München<br />
Teil 1 des Vortrages nach einer Vorlage von<br />
Dr. med. Wolfgang Luppa<br />
Frauenstraße 9, 80469 München<br />
089 21 58 749 50 www.schmerzzentrum-muenchen.de
Fiktion versus Realität<br />
Obwohl die <strong>Schmerztherapie</strong> in der öffentlichen Diskussion<br />
mittlerweilen eine beachtliche Präsenz hat, müssen wir für den<br />
ambulanten Bereich eine zunehmend prekäre Situation an<br />
Unterversorgung konstatieren.
Was kann der Schmerztherapeut<br />
Arztkompetenzen<br />
• Ausbildung in spezieller <strong>Schmerztherapie</strong> (Basis)<br />
• Grundkenntnisse interventioneller Techniken<br />
• Grundkenntnisse multimodaler Therapieprogramme<br />
• Grundkenntnisse Tumorschmerz- Palliativtherapie<br />
• Grundkenntnisse Psychosomatik<br />
• Grundkenntnisse funktionelle Anatomie, manuelle Untersuchung,<br />
Anästhesie, Neurologie
Was kann der Schmerztherapeut vielleicht noch <br />
• Empathie<br />
• Zeit<br />
• Führung<br />
• Begleitung<br />
• Vertrauensbildung
Was braucht der Schmerzpatient<br />
Patientenbedürfnisse<br />
• ambulante schmerztherapeutische Einrichtungen wohnortnah<br />
• ausreichende Anzahl an Praxen / Wahlmöglichkeit<br />
• qualifizierte Schmerztherapeuten<br />
• akzeptable Wartezeiten für einen Behandlungstermin<br />
• möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn (Chronifizierung)
Was braucht der Schmerzpatient außerdem<br />
Spezialisten-Netzwerk und dessen Koordination<br />
Neurologie<br />
Schmerzpsychologie<br />
Neurochirurgie<br />
Orthopädie<br />
Hausarzt<br />
Onkologie<br />
Trainingstherapie<br />
<strong>Schmerztherapie</strong><br />
Manuelle<br />
Therapie<br />
Rheumatologie<br />
Osteopathie<br />
Innere<br />
Medizin<br />
Stat.<br />
Therapie
Behandlungsablauf ambulante <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Diagnose<br />
Rückmeldung / Kontrolle<br />
• Regelmäßige<br />
Wiedervorstellung/Auswertung<br />
Fragebögen<br />
• Therapieziel erreicht: kontrollierte<br />
Weiterführung d. Therapie<br />
• Wenn notwendig Modifikation d.<br />
Therapie<br />
• Neubewertung bei veränderten<br />
Symptomen (Neuerkrankung, Unfall,<br />
Operation)<br />
• Ausführliches persönliches<br />
Patientengespräch/Anamnese<br />
• Exakte körperliche Untersuchung<br />
/manuelle Diagnostik<br />
• Besprechung bereits<br />
durchgeführter Behandlungen u.<br />
diagn. Maßnahmen<br />
Multimodale Therapie<br />
Nach Stufenplan:<br />
• Physiotherapie, Trainingstherapie,<br />
Osteopathie<br />
• individuelle Schmerzmedikation,<br />
• Interventionen<br />
• Schmerzpsychologie<br />
Beratung<br />
• Erläuterung der theoretischen<br />
Therapiemöglichkeiten.<br />
• Ausarbeitung eines individuellen<br />
Behandlungsplans in Abstimmung<br />
mit dem Patienten:<br />
• So schonend wie möglich so invasiv<br />
wie nötig<br />
• Bei Bedarf Einbeziehung und<br />
Koordination des Spezialisten<br />
Netzwerks
<strong>Ambulante</strong> <strong>Schmerztherapie</strong> in Bayern - Realität<br />
Drastische Unterversorgung<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
zwischen 600.000 und 1.200.000 Schmerzpatienten<br />
> <strong>10</strong>0 Ärzte, die an der <strong>Schmerztherapie</strong>vereinbarung<br />
theoretisch teilnehmen könnten<br />
ca. 40-50 aktive Schmerztherapeuten in Bayern (interne<br />
Erhebung Schmerznetz Bayern)<br />
Davon < <strong>10</strong> Vollzeit-Schmerztherapeuten<br />
(Schmerztherapeutische Zentren)
Gründe für die ambulante Unterversorgung:<br />
• Hohe Anforderung an Qualität (Dokumentation, kontinuierliche<br />
Weiterbildung, Überwachungsgeräte, barrierefreie Praxis etc.)<br />
• Nicht zufriedenstellende Vergütungssituation (lediglich 300<br />
Patienten pro Quartal, je nach Fachgruppenzugehörigkeit stark<br />
variierende QZV/RLV)<br />
• Hohes Regressrisiko<br />
• kaum Ausbildungsplätze<br />
• Komplexes Patientengut / Belastungsfaktoren
Interessantes Phänomen<br />
Es ist bemerkenswert, dass in den letzten Jahren tagesklinische und<br />
stationäre schmerztherapeutische Einrichtungen wie Pilze aus dem<br />
Boden schossen und zwar in weitaus größerer Anzahl als in<br />
vergleichbaren Gesellschaften (USA, Skandinavien, Australien,<br />
Schweiz)
Fazit<br />
<br />
<br />
<br />
Eine flächendeckende und qualitativ hochwertige ambulante<br />
Versorgung der bayerischen Schmerzpatienten ist nicht<br />
vorhanden<br />
Die aus der Fehl- und Nichtversorgung dieser Patienten<br />
resultierenden Kosten sind schon jetzt immens hoch und werden<br />
im Rahmen der demographischen Entwicklung weiter steigen<br />
(doctor shopping, Operationen, stationäre Maßnahmen)<br />
Bemühungen diese Situation zu ändern sollten nicht nur von<br />
den Schmerztherapeuten, sondern auch von den Betroffenen<br />
und den Patientenorganisationen intensiviert werden
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
- für wen, wie und warum<br />
Priv.-Doz. Dr. med. Dominik <strong>Irnich</strong><br />
Interdisziplinäre Schmerzambulanz<br />
Klinik für Anästhesiologie<br />
Poliklinik<br />
Pettenkoferstrasse 8 A<br />
Klinikum der Universität München
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Grundlagen<br />
Chronischer Schmerz<br />
- ca. <strong>10</strong>-17 Mio. chronische Schmerzpatienten in<br />
Deutschland<br />
- ca. 45 Mrd. €/Jahr allein für Rückenschmerzen<br />
- eigenständige Erkrankung<br />
- 38% voroperiert<br />
- biologische, psychologische, soziale und<br />
geistige Faktoren
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Periphere<br />
Sensibilisierung<br />
Zentrale<br />
Sensibilisierung<br />
Begutachtung<br />
„Bio“<br />
Arbeitsplatz<br />
Chronischer<br />
Schmerz<br />
„Sozial“<br />
Beziehungen<br />
Emotionaler<br />
Distress<br />
„Psycho“<br />
Familien<br />
Isolation<br />
Krankheitseinstellungen<br />
Individuelle<br />
Schmerzbewältigungs<br />
strategien<br />
Angst<br />
Erhöhte psychophysiologische<br />
Reagibilität<br />
Depression<br />
Somatisierung<br />
Lernen<br />
Konditionierung
Wunschziel<br />
Schmerzfreiheit !<br />
Aber es gibt für kein einzelnes Therapieverfahren den Nachweis<br />
einer langfristigen Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen!<br />
<strong>Irnich</strong>, 2011
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
-<br />
Interdisziplinäres teilstationäres Assessment der Schmerzambulanz<br />
(60 Min.)<br />
(60 Min.)<br />
(60 Min.)<br />
Fragebögen<br />
Deutscher Schmerzfragebogen<br />
+<br />
Fakultative Testverfahren<br />
2 Ärzte<br />
Arzt-<br />
PMR<br />
Gespräch<br />
(60 AN<br />
Min.)<br />
Psychologen-<br />
Gespräch<br />
Unter-<br />
Suchungen<br />
Ausführliche Körperliche körperliche Untersuchung<br />
+<br />
weitere Untersuchungen bei Bedarf<br />
Sichtung<br />
sämtlicher<br />
relevanter<br />
Vorbefunde<br />
Teambesprechung (Untersucher, Therapeuten, Pflege)<br />
mit Erarbeitung eines individuellen Therapiekonzeptes<br />
Abschlussbesprechung mit dem Patienten<br />
Therapieempfehlung an Patient und Einweiser
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Gleichzeitige, inhaltlich, zeitlich und in der Vorgehensweise<br />
aufeinander abgestimmte umfassende Behandlung<br />
Somatische, körperlich und psychologisch übende und<br />
psychotherapeutische Verfahren mit identischem Therapieziel<br />
Interdisziplinäres Therapeutenteam unter ärztlicher Leitung<br />
Kleingruppen maximal 8 Patienten<br />
Gemeinsame Beurteilung bei regelmäßigen vorgeplanten<br />
Teambesprechungen<br />
DGSS ad hoc Komission Multimodale<br />
<strong>Schmerztherapie</strong><br />
Arnold B.et al., Schmerz 2009.23:112-120<br />
Nationale Versorgungsleitlinie<br />
Kreuzschmerz 20<strong>10</strong>
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
OPS 8-918<br />
Dieser Kode erfordert die gleichzeitige Anwendung von<br />
mindestens drei der folgenden aktiven Therapieverfahren:<br />
- Psychotherapie (Verhaltenstherapie)<br />
- Spezielle Physiotherapie<br />
- Entspannungsverfahren<br />
- Ergotherapie<br />
- medizinische Trainingstherapie<br />
- sensomotorisches Training<br />
- Arbeitsplatztraining<br />
- Kunst- oder Musiktherapie oder sonstige übenden Therapien.
Multimodale<br />
Schmerzprogramme<br />
28/<strong>10</strong>/<strong>13</strong> 19
Münchner naturheilkundliches Schmerz-Intensivprogramm<br />
MNS<br />
28/<strong>10</strong>/<strong>13</strong> 20
MNS - Methoden<br />
Rhythmik<br />
Seminare<br />
Qigong<br />
Meditation<br />
Atemtherapie<br />
Tuina<br />
Akupressur<br />
Physiotherapie<br />
Blockaden<br />
Psychotonik<br />
Akupunktur in der Gruppe<br />
Analgetika<br />
28/<strong>10</strong>/<strong>13</strong> 21<br />
Wickel Kunsttherapie Ernährung Güsse Infiltrationen
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong>
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong> ist effektiv im Gegensatz zu<br />
Einzeltherapieverfahren in der Behandlung chronischer Schmerzen<br />
Qualitätskriterien sind weitgehend definiert<br />
Eindeutig ist, dass höherintensive Programme ein besseres outcome haben<br />
Offen ist die differenzierte Indikationsstellung und die Zusammensetzung der<br />
Programme
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong><br />
KONTAKT:<br />
Interdisziplinäre Schmerzambulanz<br />
Klinik für Anaesthesiologie<br />
Klinikum der Universität München<br />
Campus Innenstadt<br />
Pettenkoferstr. 8A<br />
80366 München<br />
Tel.: ++49 (0) 89 5160 7508<br />
Fax: ++49 (0) 89 5160 7507
Multimodale <strong>Schmerztherapie</strong>