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Borsos, Die Glaskunst im alten Ungarn ... - Pressglas-Korrespondenz

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<strong>Pressglas</strong>-<strong>Korrespondenz</strong> 2006-2<br />

<strong>Die</strong> Zeugnisse dieser dekorativen Kunst fanden in den<br />

mittelalterlichen Burgen, an den Höfen der Magnaten,<br />

und in den ungarischen Herrenhäusern der Provinz eine<br />

He<strong>im</strong>stätte. Während zu dem Pomp der Magnatenhöfe<br />

eher Gefäße aus purem Gold und Silber passten, spielte<br />

<strong>im</strong> int<strong>im</strong>eren Milieu des mittleren Adels das Glas eine<br />

<strong>im</strong>mer größere Rolle. Hier entfaltete sich die charakteristische<br />

ungarische Lebensform des 17. Jahrhunderts.<br />

Zahlreiche alte ungarische „Adelsgläser“ sind<br />

Ausdruck und Zeugnis des Wohlstandes dieser Herrenhöfe.<br />

Bald fand das Glas - neben Zinn-, Kupfer- oder<br />

Holzbechern - seinen Platz auch auf den ungehobelten<br />

Tischen der ärmlichen Behausungen. Den Bedürfnissen<br />

der ärmeren Volksschichten dienten jene einfachen<br />

Glasgefäße, die wir - vornehmlich seit dem 18. Jahrhundert<br />

- in die Gruppe der „rustikalen Gläser“ einordnen.<br />

Abb. 2006-2/103<br />

Pokal mit Fuß, trübes geblasenes Glas von grünlichem Farbton,<br />

der Fuß aus zylindrischen Stäbchen spiralenartig gedreht und<br />

geschweißt; sechseckige Mundöffnung; H 8,5 cm<br />

Stammt von einer unbekannten oberungarischen Fundstelle<br />

Anfang des 16. Jhdts.<br />

Ungarisches Nationalmuseum, Budapest<br />

aus <strong>Borsos</strong>, <strong>Glaskunst</strong> <strong>Ungarn</strong>, Budapest 1963, S. 25, Abb. 8<br />

Über die Hütten aus der Blütezeit der ungarischen <strong>Glaskunst</strong><br />

<strong>im</strong> 17. und 18. Jahrhundert haben wir reichhaltigere<br />

Angaben als über die des Mittelalters.<br />

Ein großer Teil der <strong>alten</strong> Hütten der Bergbaustädte<br />

[heute Südslowakei: Zvolen / Zolyom / Altsohl, /<br />

Kremnica / Körmözbanya / Kremnitz, Banská Stiavnica<br />

/ Selmezbanya / Schemnitz] ist durch die türkischen<br />

Verheerungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts und<br />

während der inneren Wirren vernichtet worden. So-<br />

bald jedoch ruhigere Zeiten eintraten, wurden sie wiederhergestellt,<br />

zum Teil neu errichtet.<br />

Neben den Hütten der Bergbaustädte kamen neue, für<br />

das 17. und 18. Jahrhundert besonders charakteristische<br />

auf, die in den Zentren der Besitzungen von Magnaten<br />

errichtet wurden. <strong>Die</strong>ser Typ entsprach der ökonomischen<br />

Entwicklung. Auf dem riesigen Grundbesitz<br />

der Magnaten in dem von der Türken-Herrschaft<br />

verschonten Teil Oberungarns zogen sich mächtige<br />

Waldungen hin. Um diese nutzbar zu machen, griff<br />

man zur Glasfabrikation, die Glashütten verschlangen<br />

förmlich das Brennholz, und zur Kaliumglasfabrikation<br />

brauchte man außerdem eine große Menge von Buchenholzasche.<br />

Von den Magnatenfamilien, die Glashütten<br />

errichteten, müssen besonders die Grafen Pálffy, Károlyi,<br />

Batthyány und Rákóczi erwähnt werden.<br />

Im 18. Jahrhundert können wir die Zahl der Glashütten<br />

in <strong>Ungarn</strong> mit weit mehr als hundert ansetzen.<br />

Sie verteilten sich geographisch auf drei große Gebiete,<br />

die sich entlang dem waldreichen Kranz der Karpaten<br />

erstreckten und den von den Türken besetzten, übrigens<br />

auch waldarmen, flachen, zur Glasfabrikation<br />

ungeeigneten zentralen Teil <strong>Ungarn</strong>s umsäumten: das<br />

Hügelgelände des früheren Pannoniens in Westungarn,<br />

die waldige Berggegend der heutigen Slowakei<br />

<strong>im</strong> Norden und Siebenbürgen <strong>im</strong> Südosten, das damals<br />

als selbständiges Fürstentum auch ein politisches<br />

Bollwerk bildete. <strong>Die</strong> Produkte dieser drei großen Gebiete<br />

weisen auch in künstlerischer Hinsicht beträchtliche<br />

Unterschiede auf. Leider ist eine umfassende Analyse<br />

dieser Unterschiede und eine Klassifizierung des<br />

Materials der verschiedenen Gegenden bei dem heutigen<br />

Stand der Forschung noch nicht möglich.<br />

Wer war nun der eigentliche Träger der <strong>Glaskunst</strong> in<br />

dieser Epoche? Keineswegs waren es die Magnaten, die<br />

die Hütten bauen ließen, obwohl sie oft ihren Geschmack<br />

durchsetzten. Keineswegs waren es die von ihnen<br />

eingesetzten Verwalter der Hütten. <strong>Die</strong> Namen der<br />

Künstler werden uns wahrscheinlich für <strong>im</strong>mer unbekannt<br />

bleiben, denn es waren die einfachen Glasbläser.<br />

Der Stil dieser Epoche, der besonders das geschmolzene<br />

Material des Glases in seiner geblasenen Form vollendet<br />

zum Ausdruck brachte, entfaltete sich in seiner vollen<br />

Pracht auch in der <strong>Glaskunst</strong> <strong>Ungarn</strong>s <strong>im</strong> 17. und 18.<br />

Jahrhundert. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend<br />

verrichteten die namenlosen Glasbläser ihre aufreibende<br />

Arbeit in der <strong>alten</strong> Hütte, be<strong>im</strong> Zwielicht der gelb flackernden<br />

Flammen, in der von Rauch und Gas verpesteten<br />

Luft. Dennoch strömen die <strong>alten</strong> Glasgegenstände<br />

eine ungeheure Schaffenskraft, spielerische Laune und<br />

Frohsinn aus. <strong>Die</strong> Glasmacher wurden aus der Bevölkerung<br />

der Gegend angeworben. Lediglich in der<br />

ersten Zeit nach der Errichtung einer Hütte arbeiteten<br />

dort auch ausländische Meister, die jedoch nach<br />

und nach, wie Jahrhunderte später in Herend, der<br />

ersten ungarischen Porzellanmanufaktur, ihren<br />

Platz und ihr Wissen den einhe<strong>im</strong>ischen, Freien oder<br />

Leibeigenen, übergaben.<br />

Wie wir gesehen haben, waren italienische Meister die<br />

Begründer der mittelalterlichen Glasfabrikation. <strong>Die</strong><br />

Spuren ihrer Tätigkeit sind auch später nachweisbar. Es<br />

Seite 138 von 306 Seiten pk-2006-2-04 Stand 17.05.2006

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