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Bertolt Brecht, Die heilige Johanna der ... - Stephan Suschke

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<strong>Bertolt</strong> <strong>Brecht</strong>, <strong>Die</strong> <strong>heilige</strong> <strong>Johanna</strong> <strong>der</strong> Schlachthöfe<br />

Theater Lübeck<br />

Premiere: 3. September 2010<br />

<strong>Johanna</strong><br />

Pierpont Mauler<br />

Slift<br />

Cridle<br />

Graham<br />

Sny<strong>der</strong>/Reporterin<br />

Anne Schramm<br />

Till Bauer<br />

Florian Hacke<br />

Dirk Witthuhn<br />

Hagen von <strong>der</strong> Lieth<br />

Claudia Hübschmann<br />

Arbeiter<br />

Kin<strong>der</strong> des Unterstufenchores des Katharineums<br />

sowie verschiedene Stimmen von Zeitungsjungen, Arbeitern, Arbeiteranführern und an<strong>der</strong>en<br />

gesprochen von Florian Hacke, Hagen von <strong>der</strong> Lieth und Dirk Witthuhn<br />

Inszenierung<br />

Ausstattung<br />

Chor<br />

Dramaturgie<br />

Regieassistenz<br />

Technische Leitung<br />

Technische Produktionsltg.<br />

Bühne<br />

Beleuchtung<br />

Ton<br />

<strong>Stephan</strong> <strong>Suschke</strong><br />

Momme Röhrbein<br />

Sven Albert<br />

Stefan Kolditz / Bettina Weiler<br />

Silke Hagedorn/ Matthias Kuhlemann<br />

Rainer Stute<br />

Kai Paulsmeier<br />

Reinhard Behrens<br />

Georg Marburg<br />

Christoph Bergmann<br />

»Einen netten Theaterabend bietet diese „Heilige <strong>Johanna</strong>“ nicht. Sie ist zu anstrengend.<br />

Geschaffen ist sie für eine großartige Begegnung mit <strong>Brecht</strong>. Das Premierenpublikum war<br />

spürbar berührt. Und begeistert.«<br />

Karin Lubowski, shz<br />

Ein Gespräch für das Programmheft mit Bettina Weiler<br />

<strong>Bertolt</strong> <strong>Brecht</strong> schrieb „<strong>Die</strong> <strong>heilige</strong> <strong>Johanna</strong> <strong>der</strong> Schlachthöfe“ mit Blick auf die<br />

Weltwirtschaftkrise von 1929. Wie liest sich das Stück heute Was macht für Dich die Qualität<br />

des Stücks aus<br />

<strong>Die</strong> Mechanismen <strong>der</strong> Gesellschaft haben sich nicht verän<strong>der</strong>t, man kann eher sagen, dass sie<br />

seit dem Fall <strong>der</strong> Mauer und dem Nie<strong>der</strong>gang des sozialistischen Experiments im Osten wie<strong>der</strong><br />

deutlicher hervortreten. <strong>Die</strong> Maske des sozialen wird abgenommen, übrig bleibt die reine Lehre<br />

einer durch nichts gebremsten Ausbeutung. Was sich verän<strong>der</strong>t hat, sind die Gegenkräfte. Das<br />

kapitalistische System ist effektiver geworden, es ist ihm gelungen sämtliche Wi<strong>der</strong>standskräfte


zu <strong>Bertolt</strong> vereinzeln. <strong>Brecht</strong>, Es gibt DIEkeine HEILIGE Arbeiterklasse JOHANNA mehr wie DER vor achtzig SCHLACHTHÖFE<br />

Jahren, auch wenn es Arbeiter<br />

gibt. Es gibt eine vollkommene Freiheit, sich zu den Verhältnissen zu äußern, aber kaum eine<br />

Theater Lübeck<br />

Möglichkeit, diese zu än<strong>der</strong>n. Dem hat <strong>Brecht</strong> durch sein Stück grundsätzlich wi<strong>der</strong>sprochen. Er<br />

Premiere: 3. September 2010<br />

hat es abgelehnt, die Verhältnisse als ewig, o<strong>der</strong> wie es heute so schön heißt „alternativlos“<br />

hinzunehmen. Das findet sich im Stück und das ist revolutionär, weil es Fragen stellt, durch<br />

<strong>Johanna</strong><br />

Anne Schramm<br />

<strong>Johanna</strong><br />

Pierpont<br />

manchmal<br />

Mauler<br />

sehr naive Fragen,<br />

Till<br />

die<br />

Bauer<br />

das System prinzipiell betreffen.<br />

Ich Slift glaube, dass <strong>Brecht</strong>s Wut über die Florian Verhältnisse Hacke auch ein Antrieb für das Stück war, aber<br />

das Cridle Stück nicht wütend, son<strong>der</strong>n mit einem Dirk Witthuhn kalten, sezierenden Blick geschrieben wurde. <strong>Brecht</strong><br />

hat Graham sich sehr intensiv mit den wirtschaftlichen Hagen von Prozessen <strong>der</strong> Liethbeschäftigt und ausgehend davon eine<br />

sozial Sny<strong>der</strong>/Reporterin<br />

sehr differenzierte BeschreibungClaudia <strong>der</strong> Gesellschaft Hübschmann vorgenommen. Eigentlich einen Schnitt<br />

durch das kapitalistische System und <strong>der</strong>en Abhängigkeiten. In dieses mehr o<strong>der</strong> weniger gut<br />

funktionierende System kommt eine etwas blauäugige, aber umso praktischere Person wie<br />

<strong>Johanna</strong> Arbeiterhinein und wirbelt sie für einen Kin<strong>der</strong> kurzen desMoment Unterstufenchores durcheinan<strong>der</strong>, des Katharineums<br />

dabei alles infrage<br />

stellend, woran man sich gewöhnt hat. Sie bringt für einen kurzen Moment die Verhältnisse zum<br />

Tanzen sowie verschiedene und dabei kann Stimmen man beobachten, von Zeitungsjungen, wie sich die Arbeitern, bewegen, Arbeiteranführern die in diesen Verhältnissen und an<strong>der</strong>en<br />

tanzen, gesprochen aber auch von Florian die, welche Hacke, aufHagen dem Klo vondie <strong>der</strong>Gebühr Lieth und für Dirk das Pinkeln Witthuhn entgegennehmen. <strong>Die</strong><br />

Genauigkeit <strong>der</strong> Beschreibung und die sprachliche Qualität sind das Faszinierende.<br />

Das Inszenierung Stück wurde oft als politisches <strong>Stephan</strong> Lehrstück <strong>Suschke</strong> bezeichnet. Unsere Lebensumstände und die<br />

Spielregeln Ausstattungin unserer heutigen Momme (politischen) Röhrbein Welt werden immer komplizierter und<br />

undurchschaubarer.<br />

Chor<br />

InwiefernSven ist diese Albert Kategorisierung heute überhaupt noch gültig<br />

Dramaturgie<br />

Stefan Kolditz / Bettina Weiler<br />

<strong>Brecht</strong> Regieassistenz hat um das Lehrstück jaSilke eineHagedorn/ ganze Theorie Matthias gebaut. Kuhlemann Im Kern ging es ihm darum,<br />

diejenigen, <strong>der</strong>en Verhältnisse verhandelt werden in die Verhandlungen einzubeziehen, also ein<br />

sehr Technische emanzipatorischer Leitung Gedanke. Rainer <strong>Die</strong>Stute<br />

Arbeiter sollten sich spielen und die Kapitalisten, die<br />

Kapitalisten Technische sich Produktionsltg. und die Arbeiter. Kai Paulsmeier Das konnte er durch die Machtergreifung <strong>der</strong> Nazis nicht<br />

mehr<br />

Bühne<br />

ausprobieren, mit Ausnahme<br />

Reinhard<br />

seines<br />

Behrens<br />

Stückes <strong>Die</strong> Maßnahme, in dem 1932 ein 200-köpfiger<br />

Arbeiterchor<br />

Beleuchtung<br />

auf <strong>der</strong> Bühne stand.<br />

Georg<br />

Ihm<br />

Marburg<br />

ging es hauptsächlich darum, dass das Publikum<br />

Ton<br />

Christoph Bergmann<br />

Erfahrungen macht, weniger darum, es zu belehren. So ist auch die Heilige <strong>Johanna</strong> zu<br />

verstehen, ein Stück, in dem es keinen wirklichen Konflikt gibt, son<strong>der</strong>n unterschiedliche<br />

Auffassungen über den Kapitalismus verhandelt werden. Da es um die Fragen unseres Lebens<br />

geht, finde ich das spannend und aktuell.<br />

<strong>Die</strong> »Einen Beschreibung netten Theaterabend <strong>der</strong> Wirtschaftshandlung bietet diese „Heilige nimmt <strong>Johanna</strong>“ im Stück viel nicht. Raum Sie ist einzu und anstrengend. lässt sich kaum<br />

sinnlich Geschaffen und ist theatral sie fürumsetzen. eine großartige Wie gehst Begegnung Du damit mit in <strong>Brecht</strong>. Deiner Inszenierung Das Premierenpublikum um<br />

war<br />

spürbar berührt. Und begeistert.«<br />

<strong>Die</strong> Wirtschaftshandlung ist tatsächlich nicht sehr sinnlich. Aber was interessant ist, sind die<br />

Beziehungen Karin Lubowski, zwischen shz den Figuren, die sich daraus ergeben. Da gibt es Spannungen aus<br />

Abhängigkeiten und Wi<strong>der</strong>sprüche, da spürt man sehr schnell, dass man mit Moral nicht sehr<br />

weit kommt, weil die Gesellschaft unmoralisch ist. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite bricht <strong>Johanna</strong> in<br />

dieses sich selbstgenügende System ein und plötzlich streuen ihre Fragen Sand in das Getriebe.<br />

Das macht den Reiz des Stückes aus, dass existentielle Fragen gestellt werden, die man nicht<br />

mal aufs Heute übertragen muss, weil sie heutig sind.<br />

Ein Gespräch für das Programmheft mit Bettina Weiler<br />

<strong>Johanna</strong>s zweiter Gang in die Tiefe, in <strong>der</strong> ihr die Schlechtigkeit <strong>der</strong> Armen vor Augen geführt<br />

werden soll, wird in Deiner Inszenierung nicht gezeigt. (<strong>Die</strong> Szene mit Frau Luckerniddle,<br />

<strong>der</strong>en Mann aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen in <strong>der</strong> Fleischfabrik umgekommen ist<br />

und die sich kaufen lässt und auf eine Nachforschung nach ihrem Mann verzichtet, fehlt.)<br />

Aus welchem Grund


Ich <strong>Bertolt</strong> fand die <strong>Brecht</strong>, Szene DIE zu didaktisch, HEILIGE zu ausgedacht JOHANNA undDER viel zu SCHLACHTHÖFE<br />

lang. Es kommt auch merkwürdig<br />

viel Milieu darin vor. Deshalb haben wir uns für eine „Übersetzung“ entschieden, die klar<br />

Theater Lübeck<br />

macht, worum es heute geht. <strong>Die</strong> heutigen Erfahrungen werden hauptsächlich durch Medien<br />

Premiere: 3. September 2010<br />

gemacht, deshalb <strong>der</strong> Film.<br />

<strong>Johanna</strong><br />

Anne Schramm<br />

<strong>Die</strong> Arbeiter hast du mit Kin<strong>der</strong>n des Unterstufenchors des Katharineums besetzt. Warum<br />

Pierpont Mauler<br />

Till Bauer<br />

Slift<br />

Florian Hacke<br />

Ich<br />

Cridle<br />

glaube nicht daran, dass man Arbeiter<br />

Dirk<br />

mit<br />

Witthuhn<br />

ein paar Statisten darstellen kann. Es gibt sie nicht<br />

mehr<br />

Graham<br />

als Klasse mit einer eigenen Kultur,<br />

Hagen<br />

eigenen<br />

von <strong>der</strong><br />

Kneipen,<br />

Lieth<br />

Fußballstadien, Organisationen etc.<br />

<strong>Die</strong> Sny<strong>der</strong>/Reporterin<br />

<strong>Brecht</strong>sche Arbeiterklasse war dieClaudia Arbeiterklasse Hübschmann vor dem 2. Weltkrieg, eine Arbeiterklasse,<br />

die noch unschuldig war. Eine Arbeiterklasse, die sich nicht von den Machthabern für ihre<br />

Kriege benutzen ließ, die Millionen Menschen abgeschlachtet hat.<br />

<strong>Die</strong> Arbeiter Undarstellbarkeit und die verlorene Kin<strong>der</strong> Unschuld des Unterstufenchores waren für mich zwei desgute Katharineums Gründe, die<br />

Arbeiter mit Kin<strong>der</strong>n zu besetzen. Außerdem haben Kin<strong>der</strong> ein natürliches utopisches Potential,<br />

einfach sowie verschiedene weil sie jungStimmen sind. Dasvon ist so Zeitungsjungen, etwas wie Hoffnung Arbeitern, für mich Arbeiteranführern in diesem düsteren und an<strong>der</strong>en Stück,<br />

auch gesprochen wenn amvon Schluss Florianalles Hacke, in Unterhaltung Hagen von <strong>der</strong> untergeht. Lieth und Dirk Witthuhn<br />

Wer ist diese <strong>Johanna</strong> für Dich heute<br />

Inszenierung<br />

<strong>Stephan</strong> <strong>Suschke</strong><br />

Das Ausstattung Prinzip Hoffnung. <strong>Die</strong> naive Momme und zugleich Röhrbein unendlich kluge Frage des Kindes nach den<br />

neuen Chor Klei<strong>der</strong>n des Kaisers. <strong>Die</strong> Sven Hoffnung Albert auf die Fragen jenseits <strong>der</strong> Ideologien. <strong>Die</strong> simple<br />

Frage, Dramaturgie warum immer weniger Menschen Stefan Kolditz reich/ Bettina und immer Weiler mehr Menschen arm werden und<br />

warum Regieassistenz dieses ungerechte System Silke geschützt Hagedorn/ wird. Matthias Außerdem Kuhlemann arrangiert sich <strong>Johanna</strong> nicht mit<br />

den Verhältnissen, son<strong>der</strong> kämpft und vollzieht dadurch einen an<strong>der</strong>en Gang in die Tiefe. Sie<br />

kommt Technische den Dingen Leitungauf den Grund. Rainer Stute<br />

Technische Produktionsltg. Kai Paulsmeier<br />

Bühne<br />

Reinhard Behrens<br />

Beleuchtung<br />

Georg Marburg<br />

Ton<br />

Christoph Bergmann<br />

»Einen netten Theaterabend bietet diese „Heilige <strong>Johanna</strong>“ nicht. Sie ist zu anstrengend.<br />

Geschaffen ist sie für eine großartige Begegnung mit <strong>Brecht</strong>. Das Premierenpublikum war<br />

spürbar berührt. Und begeistert.«<br />

Karin Lubowski, shz<br />

Ein Gespräch für das Programmheft mit Bettina Weiler

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