Koks-Bäcker - RAG Deutsche Steinkohle
Koks-Bäcker - RAG Deutsche Steinkohle
Koks-Bäcker - RAG Deutsche Steinkohle
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VORSTELLEN � VORSTELLEN KOKEREI<br />
� KOKEREI<br />
Die <strong>Koks</strong>-<strong>Bäcker</strong><br />
Der frisch ausgedrückte<br />
<strong>Koks</strong> wird mit dem<br />
riesigen Wagen unter den<br />
Löschturm gefahren<br />
Auf der modernen Anlage Prosper werden jeden Tag aus 7.000 Tonnen Kohle<br />
5.500 Tonnen Qualitätskoks gemacht – und ganz nebenbei die Rohstoffe für<br />
Kunststoffe, Farben, Lacke und Pharmazeutika<br />
26_RagMagazin_0106 26 17.02.2006 11:31:48 Uhr
von Bottrop<br />
TEXT: MARTIN KUHNA<br />
FOTOS: CATRIN MORITZ<br />
DIE MANAGER, die den heimischen<br />
Schreibtisch verlassen, um in exotische<br />
Gefilde zu reisen, die edelsten Kaffeebohnen,<br />
die schönsten Orangen oder die prallsten<br />
Piemont-Kirschen für ihr Produkt zu finden,<br />
kennt man aus Werbespots. So ähnlich<br />
darf man sich auch Kokereichef Dr. Joa chim<br />
Strunk vorstellen, wenn er gelegentlich von<br />
Bottrop aus in die Welt fährt, um die besten<br />
Ingredienzien fürs <strong>Koks</strong>kuchenbacken<br />
zusammenzusuchen. Denn zwischen Kohle,<br />
die in Kraftwerken verfeuert wird, und Kohle,<br />
die zu <strong>Koks</strong> veredelt wird, bestehe ein Riesenunterschied,<br />
sagt Strunk – nicht ohne einen<br />
gewissen Stolz. Erstens sei <strong>Koks</strong>kohle fast doppelt<br />
so teuer. Und wenn man, zweitens, besten<br />
Weltklassekoks produzieren wolle wie bei<br />
Prosper in Bottrop, dann müsse man beim<br />
Einkauf schon genau hinschauen.<br />
30 Prozent der auf Prosper verkokten<br />
Kohle wird importiert – aus Australien, Kanada<br />
und den USA. Da Prosper direkt am Rhein-<br />
Herne-Kanal liegt, können die Binnenschiffe<br />
aus Rotterdam direkt vor der Ofentüre anlegen.<br />
Die übrige Kohle kommt mit der Bahn<br />
von den Bergwerken West (Kamp-Lintfort),<br />
Ost (Hamm), in kleineren Mengen auch von<br />
Auguste Victoria/Blumenthal (Marl/Haltern)<br />
und Lippe. Im Süden des Kokereigeländes<br />
wird die angelieferte Kohle zu einem lang<br />
gestreckten Berg aufgehäuft – 55.000 Tonnen<br />
für eine Woche. Acht bis zehn verschiedene<br />
Nur beste Kohle für exzellenten <strong>Koks</strong>: Dr. Joachim<br />
Strunk leitet die Kokerei Prosper in Bottrop<br />
><br />
<strong>RAG</strong>-Magazin 1⁄2006 27<br />
27_RagMagazin_0106 27 21.02.2006 10:05:23 Uhr
VORSTELLEN � KOKEREI<br />
Der <strong>Koks</strong>ofen: trockene Destillation<br />
Was sich im <strong>Koks</strong>ofen abspielt, nennt man korrekt „trockene Destillation“: Kohle wird unter Luftabschluss<br />
erhitzt, bis sich die „flüchtigen“ Bestandteile – nun, eben verflüchtigt haben. Die schematische<br />
Darstellung zeigt den Ablauf: Im Röhrchen-„<strong>Koks</strong>ofen“ links wird die Kohle erhitzt<br />
und wird zu <strong>Koks</strong>. Was dabei flüchtet, wird im U-Rohr rechts abgekühlt. Teer setzt sich ab; das<br />
reine Leuchtgas wird „abgefackelt“. Auf Prosper ist eine Ofenkammer sieben Meter hoch,<br />
17 Meter tief und nur 59 Zentimeter breit. Der Ofen wird beidseitig mit Gas beheizt; durch die Form<br />
der Kammer wird die ganze Kohle gleichmäßig erhitzt. Bei 350 Grad wird sie teigig, bläht sich<br />
auf, backt zusammen und bekommt die feinporige <strong>Koks</strong>-Struktur. Bei 500 Grad wird sie wieder<br />
fest, bei 1.100 Grad ist nahezu alles Gas entwi chen. Der ganze Vorgang dauert 25 Stunden.<br />
> Kohlesorten werden zum optimalen „Coke-<br />
Tail“ gemischt und über Bandanlagen in die<br />
Kohlentürme befördert. Die Kokerei selbst<br />
besteht aus 146 nebeneinander liegenden<br />
Öfen in drei Batterien; die Reihe erstreckt<br />
sich über mehr als einen halben Kilometer.<br />
An jedem Tag schluckt das Riesending 7.000<br />
Tonnen Kohle und gibt 5.500 Tonnen <strong>Koks</strong><br />
von sich. Mit wenigen Menschen und großen<br />
Maschinen werden die 146 Öfen rund um die<br />
Uhr ohne Pause gefüllt und entleert.<br />
Die Ofendecke der Kokerei erinnert mit<br />
ihren Steinen, Metallschienen und Deckeln<br />
an eine altmodisch gepflasterte Stadtstraße.<br />
Nur dass über dieser Straße die Hitze der Öfen<br />
wabert; auf den Oberflächensteinen und erst<br />
recht den eingelassenen Metalldeckeln würden<br />
normal besohlte Schuhe sofort anschmoren.<br />
Auf den Schienen fährt der Füllwagen.<br />
Er dient der Fütterung des gefräßigen Organismus<br />
Kokerei. Mit Kohle aus den Kohletürmen<br />
fährt der Füllwagen auf der Ofendecke<br />
hin und her wie ein Portalkran. Über einem<br />
leeren Ofen hält der Wagen an, hebt den<br />
Deckel ab und senkt einen Rüssel auf die Öff-<br />
28 <strong>RAG</strong>-Magazin 1⁄2006<br />
nung. 50 Tonnen Kohle rauschen in den Ofen<br />
hi nein, dann wird der Deckel wieder aufgelegt.<br />
Gesteuert wird der riesige Füllwagen von<br />
zwei Männern. Einer von beiden – sie wechseln<br />
sich dabei ab – muss beim Füllen noch<br />
raus auf die Ofendecke, um den Deckel mit<br />
einer speziellen Dichtmasse zu bestreichen.<br />
DER GESAMTE PROZESS WIRD<br />
ELEKTRONISCH ÜBERWACHT<br />
Sonst ist heutzutage auf der Ofendecke kein<br />
Mensch mehr beschäftigt, wenn nicht gerade<br />
ein Koker die Innentemperatur der Öfen<br />
überprüft: Dafür öffnet er kleine Gucklöcher<br />
und richtet eine Infrarot-Messkamera auf<br />
die helle Glut. Die Messergebnisse werden<br />
in den Leitstand gemeldet, einen fensterlosen<br />
Raum im Kohlenbunker. Vom gelegentlichen<br />
Rumpeln der Füllmaschine abgesehen,<br />
nimmt man die Arbeit der Kokerei dort nur in<br />
Form elektronischer Daten wahr. Wenn nötig,<br />
könnte Leitstellenfahrer Klaus Knapps die<br />
Temperatur der Öfen nachregulieren. Vor<br />
allem aber ist der Leitstand Überwachungszentrale.<br />
Was immer von der Norm abweicht,<br />
zeichnet sich auf Informationswänden und<br />
Bildschirmen ab, gelegentlich durch akustische<br />
Warnungen untermalt.<br />
Wenn der <strong>Koks</strong> „gar“ ist, wird der Ofen<br />
von dem Rohrgewirr getrennt, welches das de -<br />
stillierte Gas ableitet. Oben auf dem Ofen öffnet<br />
sich eine Klappe, und mit einem lauten „Wupp“<br />
entzündet sich das ins Freie entweichende Restgas.<br />
Nun rollt auf der vorderen Seite der Kokerei,<br />
der „Maschinenseite“, die zweite große Maschine<br />
heran. „KAM“ heißt sie, <strong>Koks</strong>ausdrückmaschine,<br />
und so kompliziert wie der Name<br />
ist sie auch. Aber im Führerstand hat Manfred<br />
„Manni“ Franz das Gerät mit einigen wenigen<br />
Hebeln im Griff. Zuerst lässt er seine KAM die<br />
hohe, schmale Tür von Ofen Nummer 79 öffnen.<br />
Franz schaut nun auf eine sieben Meter<br />
hohe, knapp 60 Zentimeter breite Wand gelbrot<br />
glühender Steine, aus der ihm Flammen<br />
entgegenschlagen. Zum Glück sitzt Franz in<br />
seinem Steuerstand hinter Glas und wird von<br />
einer Klimaanlage gekühlt. So kann er gelassen<br />
mit Hebeln und Knöpfen spielen, die stählerne<br />
Faust gegen die glosende <strong>Koks</strong>wand drücken<br />
und den ganzen, 40 Tonnen schweren Kuchen<br />
nach hinten wegschieben. Einige Minuten später<br />
kommt der Ausleger ratternd aus dem Ofen<br />
zurückgefahren. Zischend wird die Öffnung des<br />
Ofens gereinigt, dann schließt wieder die Tür<br />
davor. Die KAM fährt weiter, und oben kommt<br />
der Füllwagen heran, um neue Kohle in den<br />
Ofen Nummer 79 rauschen zu lassen.<br />
Vor vielen Jahren wäre auf der anderen<br />
Seite vom Ofen, auf der „<strong>Koks</strong>seite“, einfach<br />
28_RagMagazin_0106 28 21.02.2006 10:05:25 Uhr
Eine gewaltige Ofenbatterie produziert täglich über 5.000 Tonnen <strong>Koks</strong>. Ofen Nummer 37 wird gewartet und erlaubt einen Blick in den heißen Schlund<br />
Der <strong>Koks</strong>kuchen wird automatisch gelöscht<br />
In der Leitstelle der<br />
Kokerei hat Klaus<br />
Knapps die Produktion<br />
elektronisch unter<br />
Kontrolle<br />
nur die zweite Tür aufgemacht worden, ehe<br />
von der „Maschinenseite“ her gedrückt wurde.<br />
Der glühende <strong>Koks</strong> wäre auf die Fläche vor<br />
dem Ofen gesackt und von Kokern mit Wasser<br />
aus Schläuchen gelöscht worden. Nun aber<br />
haben gegenüber von „Manni“ Franz und<br />
seiner KAM die Kollegen von der <strong>Koks</strong>seite<br />
ihre „KÜM“ vor Ofen Nummer 79 in Position<br />
gebracht, die „<strong>Koks</strong>überleitungsmaschine“.<br />
Sie nimmt den <strong>Koks</strong>kuchen, Brand genannt,<br />
vom Ofen auf und gibt ihn nach unten weiter<br />
an den Löschwagen, der unterdessen automatisch<br />
vorgefahren ist. Für Besucher ist die<br />
KÜM eine leichte Enttäuschung, denn ihret-<br />
VORSTELLEN<br />
wegen sieht man von dem in sich zusammensackenden<br />
<strong>Koks</strong> nicht mehr viel. In der<br />
KÜM werden Staub und Gase weitgehend<br />
abgesaugt, um die Umwelt zu schützen.<br />
Koker Ömer Celali hat die Besucher auf<br />
einem kleinen Wartungsaufzug bis an die<br />
obere Kante der Öfen mitgenommen. Von<br />
dort kann man seitlich sehen, wie der <strong>Koks</strong><br />
in den stahlglänzenden Löschwagen fällt –<br />
mit einem seltsam weichen Geräusch, denn<br />
die porösen <strong>Koks</strong>brocken sind leichter, als sie<br />
aussehen. Dann setzt sich der Löschwagen,<br />
von Seilen über Schienen gezogen, in Bewegung<br />
und kommt unter der KÜM hervor. Die<br />
><br />
<strong>RAG</strong>-Magazin 1⁄2006 29<br />
29_RagMagazin_0106 29 21.02.2006 10:05:35 Uhr
VORSTELLEN � KOKEREI<br />
><br />
Hitze von 40 Tonnen brennendem <strong>Koks</strong> ist<br />
selbst aus sieben Meter Höhe so sengend,<br />
dass man sofort zurückzuckt.<br />
90.000 LITER LÖSCHWASSER<br />
Sich selbst überlassen, würde der frische<br />
<strong>Koks</strong> langsam verbrennen. Deswegen muss<br />
er abgelöscht werden – im Löschturm, einem<br />
unscheinbaren Gebilde mit Holzaufsatz am<br />
westlichen Ende der langen Ofenreihe (ein<br />
Reserveturm steht auf der östlichen Seite).<br />
„Schalke“ steht auf dem silbrigen Löschwagen<br />
– aber nicht, weil die Prosper-Koker<br />
allesamt Freunde der „Königsblauen“ wären,<br />
sondern, weil das Gefährt bei der „Schalker<br />
Eisenhütte“ gebaut wurde, dem Marktführer<br />
in Sachen „<strong>Koks</strong>ofenbedienmaschinen“. Mit<br />
jaulendem Warnton fährt der Wagen auf den<br />
Löschturm zu. Als er zur Hälfte im Turm verschwunden<br />
ist, beginnt sich Wasser auf den<br />
Wagen zu ergießen. Binnen Sekunden stürzen<br />
90.000 Liter Wasser auf den glühenden, 1.100<br />
Grad heißen <strong>Koks</strong>. Oben schießt eine dicke,<br />
weiße Dampfwolke aus dem Turm und pilzt<br />
sich hoch in den Himmel über Bottrop. Im<br />
Inneren des Turms rumort es, das Geräusch<br />
steigert sich zu einem Krachen und Stöhnen,<br />
als winde sich ein gefangenes Ungeheuer in<br />
Todeskrämpfen. „Der <strong>Koks</strong> tobt“, hatte Joachim<br />
Strunk versprochen – es stimmt. Das Zusammentreffen<br />
mit dem kalten Wasser ist so heftig,<br />
dass die <strong>Koks</strong>brocken im Löschturm meterhoch<br />
springen. Einige landen neben dem<br />
Feuerungsmaurer Athanasius Kotzrampassis: auf der Ofendecke vor Nummer 129<br />
Ohne guten <strong>Koks</strong> keine Stahlproduktion<br />
Die Kokerei Prosper:<br />
links der Gasometer,<br />
rechts das Bottroper<br />
„Alpincenter“ auf der<br />
aufgeforsteten Halde<br />
Löschwagen: graue, poröse „Steine“, beim Aufheben<br />
verblüffend leicht. „Silbern muss der<br />
<strong>Koks</strong> sein und klingen wie ein Glöckchen“, sagt<br />
Kokereichef Strunk, eine alte Koker-Weisheit<br />
zitierend. Nach ein paar Minuten kommt der<br />
Löschwagen jaulend wieder aus dem dampfenden<br />
Turm hervor. Vor den Öfen kippt er die<br />
grauen Brocken auf eine schräge Rampe, wo<br />
sie noch eine Weile auskühlen und trocknen.<br />
Über Bandanlagen wird der <strong>Koks</strong> zu den Eisenbahnwagen<br />
befördert – noch immer warm wie<br />
frisch gebackene Brötchen.<br />
Dass sich mit <strong>Koks</strong> wunderbar und praktisch<br />
rauchfrei heizen lässt, kann man beim<br />
Blick auf den frisch gefüllten Löschwagen<br />
30_RagMagazin_0106 30 21.02.2006 10:05:36 Uhr
spüren. Dennoch sind <strong>Koks</strong>heizungen selten<br />
geworden. Nur die Stahlindustrie kann<br />
in ihren Hochöfen nicht auf <strong>Koks</strong> verzichten.<br />
In den Hochöfen nämlich wird aus Eisenerz,<br />
verschiedenen Zuschlagstoffen und eben<br />
<strong>Koks</strong> die „Möller-Säule“ gebildet. In ihr bildet<br />
hochwertiger <strong>Koks</strong> eine Art Gerüst, das auch<br />
bei 1.500 Grad fest bleibt und durchlässig für<br />
flüssiges Roheisen und Schlacke auf dem Weg<br />
von oben nach unten, für den eingeblasenen<br />
Heißwind und die im Eisen entstehenden<br />
Gase. Als Energielieferant wurde <strong>Koks</strong> auch<br />
am Hochofen durch Öl, Gas oder gar granulierte<br />
Kunststoffabfälle weitgehend ersetzt.<br />
Statt einer Tonne <strong>Koks</strong> pro Tonne Roheisen,<br />
wie vor 50 Jahren, werden heute nur noch 350<br />
Kilogramm benötigt. Aber die sind auf absehbare<br />
Zeit durch nichts zu ersetzen.<br />
DER TEER IST EIN WICHTIGER<br />
ROHSTOFF FÜR DIE CHEMIE<br />
75 Prozent der eingesetzten Kohle werden<br />
im Ofen zu <strong>Koks</strong>. Der Rest ist „flüchtig“, löst<br />
sich aber keineswegs in Luft auf. Was da fliehen<br />
könnte, wird als heißes Gas oben an<br />
den Öfen eingefangen und über Rohrleitungen<br />
zur „weißen Seite“ der Kokerei gesogen;<br />
dafür stehen im alten „Saugerhaus“ vier<br />
riesige Motoren. Im Übrigen sieht die „weiße<br />
Seite“ mit ihrem Gewirr aus Rohren und<br />
Metallbehältern kaum anders aus als eine<br />
Chemiefabrik und macht aus den „flüchtigen<br />
Bestand teilen“ der Kohle verkäufliche Nebenprodukte.<br />
Zuallererst fällt Teer an, wenn das<br />
abgesaugte Gas in den Rohren gekühlt wird.<br />
160 Tonnen Rohteer werden Tag für Tag auf<br />
Prosper mit Tank last wa gen abgeholt; die<br />
chemische Industrie verwendet ihn zur Produktion<br />
von Kunststoffen, Farben, Lacken,<br />
Pharmazeu tika. Das Blau der Jeans kommt<br />
zum Beispiel aus dem Kohlenteer, ebenso<br />
das Schwarz der Zeitungsbuchstaben und<br />
der Autoreifen. Bei der weiteren Reinigung<br />
des Kokereigases werden Benzol, Toluol und<br />
Xylol gewonnen – auch sie sind Grundstoffe<br />
der chemischen Industrie und finden sich,<br />
zum Beispiel, im allgegenwärtigen Kunststoff<br />
Polystyrol. Benzol dient als Klopfbremse im<br />
Superbenzin. Das im Gas enthaltene Ammoniak<br />
wird mit Hilfe von Schwefelsäure ausgetrieben<br />
– dabei entsteht Ammoniumsulfat.<br />
Das weiße Salz wird in Düngern verwandt,<br />
aber auch in Pulver-Feuerlöschern.<br />
Wenn aus dem abgesaugten Gas der <strong>Koks</strong>öfen<br />
alle Wertstoffe und Verunreinigungen > <strong>Koks</strong>entnahme - glühender <strong>Koks</strong> wird gleich aus der Batterie ausgedrückt und fällt in den Löschwagen<br />
<strong>RAG</strong>-Magazin 1⁄2006 31<br />
31_RagMagazin_0106 31 17.02.2006 11:51:41 Uhr
VORSTELLEN � KOKEREI<br />
Nicht nur eine Männerwelt<br />
> herausgeholt sind, bleibt das gereinigte Gas<br />
selbst als letztes Nebenprodukt übrig. 45 Prozent<br />
davon werden zu den <strong>Koks</strong>öfen zurückgeleitet<br />
– als Heizgas. Die übrigen 55 Prozent<br />
werden auf sechs bis neun Bar verdichtet –<br />
und noch einmal feingereinigt, bis sie Stadtgas-Qualität<br />
haben. Städte allerdings gehören<br />
nicht mehr zu den Kunden; sie haben nach<br />
und nach das als „Leuchtgas“ weit verbreitete<br />
Kokereigas durch Erdgas ersetzt. Zuletzt stell-<br />
Der Bergbau ist traditionell eine männliche<br />
Welt, und auch die Koker sind weit gehend<br />
unter sich. Das lag unter anderem an den<br />
Arbeitsschutzgesetzen. Nach und nach<br />
ändert sich das: Birgit Lohkamp, 24-jährige<br />
Diplomingenieurin, ist Trainee auf der<br />
Kokerei Prosper. Nach einer Exkursion zur<br />
Bottroper Kokerei bewarb sie sich für die<br />
Trainee-Stelle. Ein halbes Jahr lang lernt sie<br />
die „schwarze Seite“ der Kokerei gründlich<br />
kennen, ein halbes Jahr lang die „weiße<br />
Seite“. Weiß ist auch der Stoff, mit dem sie<br />
sich über ihre ganze Trainee-Zeit im Rahmen<br />
eines Projekts befasst: Ammonium sulfat.<br />
Bislang wird der Dünger als staubiges Pulver<br />
verkauft. Nun plant Birgit Lohkamp eine<br />
Kompaktierungsanlage, in der das Salz<br />
gepresst und dann zu einem Granulat verarbeitet<br />
wird, das leichter zu handhaben und<br />
daher besser zu vermarkten sein wird.<br />
Wenn es nach der Ingenieurin geht, ist ihre<br />
Trainee zeit keine Episode: Sie kann sich<br />
eine Zukunft als Kokerin gut vorstellen. Ihre<br />
Koker-Kollegen, sagt sie, seien jedenfalls<br />
alle fair, freundlich und hilfsbereit.<br />
Mit dem Gas heizt die Industrie<br />
Silbern muss er<br />
sein und klingen wie<br />
ein Glöckchen –<br />
so wünschen sich die<br />
Koker ihren <strong>Koks</strong><br />
32 <strong>RAG</strong>-Magazin 1⁄2006<br />
ten vor knapp 20 Jahren Gelsenkirchen und<br />
Gladbeck ihre Netze um. Heute übernimmt<br />
die Firma E. ON Ruhrgas das Produkt gleich an<br />
der Kokerei und verschickt es in ihrem Netz<br />
an Industriekunden, die mit dem Gas ihre<br />
Anlagen befeuern.<br />
Vor ein paar Jahren sah es noch so aus, als<br />
werde auch die Kokerei Prosper bald der Vergangenheit<br />
angehören. Dann folgten Stahlboom<br />
und <strong>Koks</strong>knappheit; die Industrie roll-<br />
te Kokereichef Strunk rote Teppiche aus und<br />
bettelte um mehr <strong>Koks</strong>. In Bottrop holten die<br />
Koker aus der Anlage heraus, was nur eben<br />
herauszuholen war: gut 2,1 Millionen Tonnen<br />
im Jahr. Eine Erweiterung der Kokerei war so<br />
gut wie beschlossen. Inzwischen, sagt Joachim<br />
Strunk, sei der Boom abgeflaut und der<br />
<strong>Koks</strong>markt bei sinkenden Preisen deutlich<br />
entspannt. Der Ausbau in Bottrop ist zurückgestellt;<br />
die Stahlindustrie möchte zuerst die<br />
Kokerei der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann<br />
in Duisburg-Huckingen vergrößern.<br />
Danach, meint Struck, werde man weitersehen.<br />
Er ist zuversichtlich: In Deutschland,<br />
dem weltgrößten <strong>Koks</strong>-Importeur, fehlten<br />
nach wie vor 3,5 bis 4 Millionen Tonnen<br />
im Jahr. „Selbst wenn beide, Huckingen und<br />
Prosper, ausgebaut würden, wären das erst<br />
2,4 Millionen Tonnen – also noch längst keine<br />
Überversorgung.“ Die Frage sei immer:<br />
Was macht China? Was passiert, wenn die ihre<br />
Exporte wieder reduzieren? Mit Genugtuung<br />
zitiert Joachim Strunk eine neue Studie des<br />
Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts. Sie<br />
fordert von Politikern, dem Niedergang der<br />
Kokereien in Deutschland Einhalt zu gebieten<br />
und den Trend umzukehren.<br />
WASSERSTOFF<br />
FÜR DIE ZUKUNFT<br />
Neue heimische Kokereikapazitäten, so die<br />
Studie, erhöhten die Versorgungssicherheit<br />
der Unternehmen und verhinderten die<br />
Abwanderung hochspezialisierten Knowhows.<br />
„Na bitte“, kann man auf dem Gesicht<br />
des Kokereichefs lesen. Als Argument für seine<br />
Zuversicht dient ihm nicht nur der <strong>Koks</strong>-,<br />
sondern auch der Ölpreis. Angesichts des teuren<br />
Öls würden die Nebenprodukte der Kokerei<br />
preislich immer interessanter. Man müsse<br />
sogar, sagt Strunk, wieder über Kohleverflüssigung<br />
nachdenken. Die gab es schon mal in<br />
Bottrop: eine Anlage gleich neben der Kokerei,<br />
nach der Ölkrise. Doch während ein Wiederaufleben<br />
dieser Technologie Zukunftsmusik<br />
und Kohleverflüssigung auch nur eine<br />
verwandte Art der Kohleveredelung ist, hat<br />
Prosper eine Anlage zur Wasserstoffgewinnung<br />
aus Kokereigas fix und fertig da stehen<br />
– angesichts der intensiven Forschungen<br />
zum Wasserstoffantrieb sieht Strunk auch<br />
für dieses Nebenprodukt eine große Zukunft.<br />
Schließlich experimentiert die Autoindustrie<br />
seit der Ölpreisexplosion verstärkt mit Wasserstoffantrieben.<br />
ıııı<br />
32_RagMagazin_0106 32 21.02.2006 10:05:42 Uhr
Politik<br />
Präsent und effizient<br />
Wilfried Czernie und Markus Schulz vertreten die <strong>RAG</strong><br />
in der Hauptstadt Berlin<br />
In Berlin regiert seit einigen Monaten nicht nur eine neue Regierung – auch<br />
die <strong>RAG</strong> hat ihre Repräsentanz in der Hauptstadt neu formiert. Dr. Wilfried<br />
Czernie ist der Leiter als Bevollmächtigter des Vorstands. Ebenfalls neu ist<br />
Markus Schulz als zweiter Mann. Aufgabe und Ziel des neuen Duos: die Interessen<br />
der <strong>RAG</strong> im neuen Umfeld der Berliner Politik mehr denn je sichtbar zu<br />
vertreten und zu kommunizieren.<br />
Die Presse nannte Wilfried Czernie (65) nach seiner Berufung „graue<br />
Eminenz“, weil der drahtige und energiegeladene Mann lange Jahre für<br />
E.ON Ruhrgas die Fäden zog. Nicht im medialen Vordergrund, aber doch<br />
stets präsent und effizient. „Mit dem Titel kann ich leben“, sagt denn<br />
auch Wilfried Czernie; er bezeichne ja eine gewisse Noblesse, und in der<br />
Tat dürfe ein erfolgreicher Lobbyist auch nicht zu laut auftreten.<br />
Seine Erfahrung stellt er nun in den Dienst der <strong>RAG</strong> – ist doch der<br />
geplante Börsengang des Konzerns nur im Einvernehmen mit der Politik<br />
in die Tat umzusetzen. Seine Aufgabe nennt Czernie eine Dienstleistung<br />
für das Unternehmen, aber auch für die Politik; denn es gelte, auf<br />
jeder Seite Verständnis für die Situation der jeweils anderen Seite zu<br />
fördern. Czernie hat vor seiner Zeit bei E.ON im Bundeswirtschaftsminis-<br />
Zeitschriften<br />
Eine überraschende<br />
Metropole<br />
Opulente Bilder und spannende<br />
Reportagen aus und über die Stadt<br />
Essen im neuen MERIAN extra<br />
Essen ist eine andere Stadt geworden – das<br />
musste das Reisemagazin „Merian“ aus dem<br />
Hamburger JAHRESZEITEN VERLAG feststellen.<br />
Gut 40 Jahre nachdem sich zuletzt eine Aus gabe<br />
der Kultur- und Reisezeitschrift mit der Ruhrmetropole<br />
beschäftigt hatte, dokumentiert die<br />
Redaktion in ihrem jüngst erschienenen Sonderheft<br />
„Merian extra Essen“ die „Entdeckung einer<br />
Unbekannten“.<br />
Journalisten, Schriftsteller und Fotografieschüler<br />
der Klasse von Prof. Roman Bezjak aus<br />
Bielefeld haben auf ihren Streifzügen Bekanntes<br />
wieder entdeckt und Unerwartetes zu Tage ge -<br />
fördert: die Villa Hügel der Industriellen-Dynastie<br />
Krupp ebenso wie das künstlerisch-unternehmerische<br />
Zukunfts-Labor „Unperfekthaus“<br />
und die schummrig-schrägen Treffpunkte<br />
der Essener Nachtschwärmer. <strong>RAG</strong>-Chef Werner<br />
Müller philosophiert in dem Heft mit dem<br />
RuhrTriennale-Intendanten Jürgen Flimm über<br />
Geld, Kultur und die Liebe zur Kunst – in einer<br />
Stadt, wo neben der <strong>RAG</strong> und anderen wichtigen<br />
Großunternehmen auch Musik, Tanz und Thea ter<br />
terium und bei der<br />
OECD in Paris gearbeitet;<br />
die Erfahrung<br />
„auf beiden Seiten<br />
des Schreibtisches“<br />
sei für einen Lobbyisten<br />
unerlässlich.<br />
Die beiden Seiten<br />
des Schreibtisches hat<br />
Markus Schulz ge rade<br />
zu Hause sind, wo heute mit dem Folkwang<br />
eines der renommiertesten Museen für moderne<br />
Kunst neben dem industriearchitektonischen<br />
UNESCO-Welt kultur erbe Zeche Zollverein steht.<br />
Der Leser kann der wechselvollen Geschichte<br />
von Helmut Rahns einstigem Fuß ballverein Rot-<br />
Weiss Essen ebenso folgen wie dem Lauf der<br />
Ruhr durch grüne Paradiese. In spiriert und informiert<br />
durch den umfangreichen Serviceteil,<br />
lohnt sich dann die Ausrüstung einer eigenen<br />
Expedi tion zu Highlights und Geheimtipps in<br />
Essens Tag- und Nacht leben: Denn „unter den<br />
Top Ten der großen deutschen Städte ist<br />
Essen ganz gewiss die über ra schendste“, so<br />
das Versprechen der „Merian“-Redaktion.<br />
INFORMIEREN<br />
getauscht. Der 42-Jährige war Geschäftsführer der NRW-Landes gruppe<br />
in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er kennt sich also aus auf dem Berliner<br />
politischen Parkett. In einem „Vertrauensverhältnis“ zu seinen ehemaligen<br />
Kollegen kann er nun „die Botschaft des Konzerns <strong>RAG</strong>“ ver mitteln, „klar,<br />
offen, verlässlich und seriös“. Die Arbeit der beiden <strong>RAG</strong>-Repräsentanten<br />
wird sich nur zum kleineren Teil im Büro an der Friedrich straße ab spielen,<br />
sondern überwiegend dort, wo ihre Hilfe und ihr Rat gefragt sind. „Ein guter<br />
Lobbyist“, sagt Wilfried Czernie, „muss auf Zuruf da sein.“<br />
Neues und<br />
Bekanntes<br />
ins rechte<br />
Licht<br />
gerückt:<br />
MERIAN<br />
präsentiert<br />
Essen<br />
FOTOS: MARTIN BÜTTNER, PR<br />
„Dienstleister“ für das Weltunternehmen <strong>RAG</strong><br />
in Berlin: Dr. Wilfried Czernie und Markus Schulz<br />
Wissenschaft<br />
Degussa stiftet<br />
Forschungspreis<br />
„Science-to-Business Award“<br />
fördert den europäischen Nachwuchs<br />
Mit einem Preisgeld von 100.000 Euro ist der<br />
neue europäische „Science-to-Business Award“,<br />
den die Degussa in diesem Jahr zum ersten Mal<br />
ausschreibt, einer der höchstdotierten Preise<br />
der Wissenschaft. Das Engagement des Unternehmens<br />
begründet Degussa-Vorstandsvorsitzender<br />
Professor Utz-Hellmuth Felcht:<br />
„An den europäischen Universitäten und<br />
Forschungsinstituten werden nach wie vor<br />
wissenschaftliche Spitzenleistungen erbracht.<br />
Bei der Umsetzung in wirtschaftlich erfolgreiche<br />
Produkte gibt es aber Defizite. Hier setzt<br />
unser neuer ‚Science-to-Business Award‘ an.“<br />
Thema des Preises sind Materialwissenschaften<br />
und verwandte Technologien.<br />
Teilnehmen können Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler, die an einer Forschungseinrichtung<br />
in Europa arbeiten. Die Preisverleihung<br />
findet im Sommer dieses Jahres statt.<br />
Schirmherr ist der Europa-Kommissar für<br />
Wissenschaft und Forschung Janez Potocnik.<br />
Weitere Informationen unter: http://www.<br />
degussa-award.com/en/innovations/r_d_<br />
awards/science_to_business_award.html<br />
<strong>RAG</strong>-Magazin 1⁄2006 33<br />
Abs2:33_RagMagazin_0106 Abs2:33 17.02.2006 10:51:54 Uhr