Koks-Bäcker - RAG Deutsche Steinkohle

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von Bottrop TEXT: MARTIN KUHNA FOTOS: CATRIN MORITZ DIE MANAGER, die den heimischen Schreibtisch verlassen, um in exotische Gefilde zu reisen, die edelsten Kaffeebohnen, die schönsten Orangen oder die prallsten Piemont-Kirschen für ihr Produkt zu finden, kennt man aus Werbespots. So ähnlich darf man sich auch Kokereichef Dr. Joa chim Strunk vorstellen, wenn er gelegentlich von Bottrop aus in die Welt fährt, um die besten Ingredienzien fürs Kokskuchenbacken zusammenzusuchen. Denn zwischen Kohle, die in Kraftwerken verfeuert wird, und Kohle, die zu Koks veredelt wird, bestehe ein Riesenunterschied, sagt Strunk – nicht ohne einen gewissen Stolz. Erstens sei Kokskohle fast doppelt so teuer. Und wenn man, zweitens, besten Weltklassekoks produzieren wolle wie bei Prosper in Bottrop, dann müsse man beim Einkauf schon genau hinschauen. 30 Prozent der auf Prosper verkokten Kohle wird importiert – aus Australien, Kanada und den USA. Da Prosper direkt am Rhein- Herne-Kanal liegt, können die Binnenschiffe aus Rotterdam direkt vor der Ofentüre anlegen. Die übrige Kohle kommt mit der Bahn von den Bergwerken West (Kamp-Lintfort), Ost (Hamm), in kleineren Mengen auch von Auguste Victoria/Blumenthal (Marl/Haltern) und Lippe. Im Süden des Kokereigeländes wird die angelieferte Kohle zu einem lang gestreckten Berg aufgehäuft – 55.000 Tonnen für eine Woche. Acht bis zehn verschiedene Nur beste Kohle für exzellenten Koks: Dr. Joachim Strunk leitet die Kokerei Prosper in Bottrop > RAG-Magazin 1⁄2006 27 27_RagMagazin_0106 27 21.02.2006 10:05:23 Uhr
VORSTELLEN � KOKEREI Der Koksofen: trockene Destillation Was sich im Koksofen abspielt, nennt man korrekt „trockene Destillation“: Kohle wird unter Luftabschluss erhitzt, bis sich die „flüchtigen“ Bestandteile – nun, eben verflüchtigt haben. Die schematische Darstellung zeigt den Ablauf: Im Röhrchen-„Koksofen“ links wird die Kohle erhitzt und wird zu Koks. Was dabei flüchtet, wird im U-Rohr rechts abgekühlt. Teer setzt sich ab; das reine Leuchtgas wird „abgefackelt“. Auf Prosper ist eine Ofenkammer sieben Meter hoch, 17 Meter tief und nur 59 Zentimeter breit. Der Ofen wird beidseitig mit Gas beheizt; durch die Form der Kammer wird die ganze Kohle gleichmäßig erhitzt. Bei 350 Grad wird sie teigig, bläht sich auf, backt zusammen und bekommt die feinporige Koks-Struktur. Bei 500 Grad wird sie wieder fest, bei 1.100 Grad ist nahezu alles Gas entwi chen. Der ganze Vorgang dauert 25 Stunden. > Kohlesorten werden zum optimalen „Coke- Tail“ gemischt und über Bandanlagen in die Kohlentürme befördert. Die Kokerei selbst besteht aus 146 nebeneinander liegenden Öfen in drei Batterien; die Reihe erstreckt sich über mehr als einen halben Kilometer. An jedem Tag schluckt das Riesending 7.000 Tonnen Kohle und gibt 5.500 Tonnen Koks von sich. Mit wenigen Menschen und großen Maschinen werden die 146 Öfen rund um die Uhr ohne Pause gefüllt und entleert. Die Ofendecke der Kokerei erinnert mit ihren Steinen, Metallschienen und Deckeln an eine altmodisch gepflasterte Stadtstraße. Nur dass über dieser Straße die Hitze der Öfen wabert; auf den Oberflächensteinen und erst recht den eingelassenen Metalldeckeln würden normal besohlte Schuhe sofort anschmoren. Auf den Schienen fährt der Füllwagen. Er dient der Fütterung des gefräßigen Organismus Kokerei. Mit Kohle aus den Kohletürmen fährt der Füllwagen auf der Ofendecke hin und her wie ein Portalkran. Über einem leeren Ofen hält der Wagen an, hebt den Deckel ab und senkt einen Rüssel auf die Öff- 28 RAG-Magazin 1⁄2006 nung. 50 Tonnen Kohle rauschen in den Ofen hi nein, dann wird der Deckel wieder aufgelegt. Gesteuert wird der riesige Füllwagen von zwei Männern. Einer von beiden – sie wechseln sich dabei ab – muss beim Füllen noch raus auf die Ofendecke, um den Deckel mit einer speziellen Dichtmasse zu bestreichen. DER GESAMTE PROZESS WIRD ELEKTRONISCH ÜBERWACHT Sonst ist heutzutage auf der Ofendecke kein Mensch mehr beschäftigt, wenn nicht gerade ein Koker die Innentemperatur der Öfen überprüft: Dafür öffnet er kleine Gucklöcher und richtet eine Infrarot-Messkamera auf die helle Glut. Die Messergebnisse werden in den Leitstand gemeldet, einen fensterlosen Raum im Kohlenbunker. Vom gelegentlichen Rumpeln der Füllmaschine abgesehen, nimmt man die Arbeit der Kokerei dort nur in Form elektronischer Daten wahr. Wenn nötig, könnte Leitstellenfahrer Klaus Knapps die Temperatur der Öfen nachregulieren. Vor allem aber ist der Leitstand Überwachungszentrale. Was immer von der Norm abweicht, zeichnet sich auf Informationswänden und Bildschirmen ab, gelegentlich durch akustische Warnungen untermalt. Wenn der Koks „gar“ ist, wird der Ofen von dem Rohrgewirr getrennt, welches das de - stillierte Gas ableitet. Oben auf dem Ofen öffnet sich eine Klappe, und mit einem lauten „Wupp“ entzündet sich das ins Freie entweichende Restgas. Nun rollt auf der vorderen Seite der Kokerei, der „Maschinenseite“, die zweite große Maschine heran. „KAM“ heißt sie, Koksausdrückmaschine, und so kompliziert wie der Name ist sie auch. Aber im Führerstand hat Manfred „Manni“ Franz das Gerät mit einigen wenigen Hebeln im Griff. Zuerst lässt er seine KAM die hohe, schmale Tür von Ofen Nummer 79 öffnen. Franz schaut nun auf eine sieben Meter hohe, knapp 60 Zentimeter breite Wand gelbrot glühender Steine, aus der ihm Flammen entgegenschlagen. Zum Glück sitzt Franz in seinem Steuerstand hinter Glas und wird von einer Klimaanlage gekühlt. So kann er gelassen mit Hebeln und Knöpfen spielen, die stählerne Faust gegen die glosende Kokswand drücken und den ganzen, 40 Tonnen schweren Kuchen nach hinten wegschieben. Einige Minuten später kommt der Ausleger ratternd aus dem Ofen zurückgefahren. Zischend wird die Öffnung des Ofens gereinigt, dann schließt wieder die Tür davor. Die KAM fährt weiter, und oben kommt der Füllwagen heran, um neue Kohle in den Ofen Nummer 79 rauschen zu lassen. Vor vielen Jahren wäre auf der anderen Seite vom Ofen, auf der „Koksseite“, einfach 28_RagMagazin_0106 28 21.02.2006 10:05:25 Uhr
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