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Radarreflektor - Schiffergilde zu Berlin

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<strong>Radarreflektor</strong>: Im Dschungel der Vorschriften<br />

(21.12.2009) Es kann verwirrend sein, wenn Segler in die Tiefen der Vorschriften und Gesetze vorstoßen.<br />

Nachfragen lohnt sich: Vorschriften sollten eigentlich Dinge eindeutig regeln, auch die Ausrüstung mit einem<br />

<strong>Radarreflektor</strong>. Dass aber doch nicht alles so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick erscheint musste der<br />

Kieler Segler Helge Knaack (Name geändert) feststellen.<br />

Viele Köche verderben den Brei, sagt der Volksmund. Dass diese alte Weisheit auch <strong>zu</strong>trifft, wenn es um eine<br />

exakte Auskunft über die sicherheitsrelevante Ausrüstung für Segel- und Motoryachten wie <strong>zu</strong>m Beispiel einen<br />

<strong>Radarreflektor</strong> geht, erfuhr der Kieler Bootseigner Helge Knaack.<br />

Der pensionierte Beamte unternimmt in der Segelsaison lange Ostseereisen nach Skandinavien und segelt auch<br />

nachts. Kein Wunder, dass er für seine eigene Sicherheit die Nachrüstung seines neun Meter langen<br />

Segelbootes mit einem effektiven <strong>Radarreflektor</strong> plante. Um es vorweg <strong>zu</strong> nehmen: Er entschied sich für einen<br />

aktiven <strong>Radarreflektor</strong> (Radar-Target-Enhancer, kurz RTE).<br />

Wenn dieses Gerät ein Radarsignal empfängt, schaltet es sich automatisch ein, verstärkt das Signal und sendet<br />

es auf der gleichen Frequenz <strong>zu</strong>rück. Knaack weiß nach UKW-Funk-Nachfragen mit dem Brückenpersonal der<br />

Berufsschifffahrt, dass man ihn schon außerhalb der optischen Sichtweite wahrnimmt. Deshalb krönt der RTE die<br />

Mastspitze seines Bootes.<br />

Verpflichtungen und seemännische Sorgfaltspflichten<br />

Aber <strong>zu</strong>m Anfang: Die Recherche für seine Sicherheit begann, als der Kieler Segler in einem Merkblatt des<br />

Bundesministeriums für Verkehr (BMV) über das vorschriftsmäßige Verhalten von Sportfahrzeugen gegenüber<br />

Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen unter der Rubrik „Verpflichtungen und seemännische Sorgfaltspflichten nach<br />

der SeeSchStrO“ nachlesen konnte: „Prüfen Sie, ob Sie einen vom Bundesamt für Seeschifffahrt und<br />

Hydrographie (BSH) <strong>zu</strong>gelassenen <strong>Radarreflektor</strong> an Bord haben, weil nur solche eine gute Reflektionsfähigkeit<br />

garantieren…“.<br />

Welche rechtliche Bedeutung diese Verpflichtungen und seemännischen Sorgfaltspflichten haben, suchte Knaack<br />

vergeblich im Merkblatt, er informierte sich deshalb weiter. In der periodisch neu erscheinenden BSH-Broschüre<br />

„Sicherheit im See- und Küstenbereich, Sorgfaltsregeln für Wassersportler”, hoffte Helge Knaack auf<br />

umfassendere Informationen. Tatsächlich konnte er in der Rubrik gesetzliche Ausrüstungspflichten unter Ziffer<br />

2.12. nachlesen: „Alle Schiffe, unabhängig von ihrer Größe, die an oder nach dem 1. Juli 2002 gebaut worden<br />

sind, müssen mit Navigationsausrüstungen und -systemen wie folgt ausgerüstet sein.“ Weiter unter dem<br />

Buchstaben g: „Falls die Bruttoraumzahl des Schiffes weniger als 150 beträgt und sofern praktisch durchführbar,<br />

mit einem <strong>Radarreflektor</strong> oder einer anderen Vorrichtung, die das Auffinden durch andere Schiffe ermöglicht,<br />

deren Navigations-Radaranlage auf dem 9-GHz oder dem 3-GHz-Frequenzband arbeitet.“<br />

Knaacks Schluss daraus: Ist das Boot vor dem 1. Juli 2002 gebaut worden, dann braucht man nach gesetzlicher<br />

Grundlage gar keinen <strong>Radarreflektor</strong>. Ist das Boot nach dem 1. Juli 2002 gebaut worden, dann braucht man auf<br />

gesetzlicher Grundlage zwar einen <strong>Radarreflektor</strong>, der aber nicht <strong>zu</strong>gelassen sein muss. Dann stieß der Kieler<br />

Segler jedoch unter Punkt 2.2, Ziffer 1.3 der Broschüre auf folgende Sätze „Neben den Verhaltenspflichten<br />

aufgrund der Verkehrsvorschriften hat jeder Führer eines Wassersportfahrzeuges die seemännischen<br />

Sorgfaltspflichten <strong>zu</strong> beachten, die der allgemeine Seemannsbrauch oder die Besonderheiten der Situation<br />

erfordern. Damit kommt den Sorgfaltspflichten die gleiche rechtliche Bedeutung <strong>zu</strong> wie den Verkehrsvorschriften.<br />

Verlet<strong>zu</strong>ngen der Verkehrsvorschriften und der seemännischen Sorgfaltspflichten sind gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1<br />

SeeSchStrO bußgeldpflichtig. „Wurden die seemännischen Sorgfaltspflichten nicht beachtet, müssen die am<br />

Seeunfall Beteiligten nachweisen, dass die besonderen Umstände der Situation ein abweichendes Verhalten<br />

erforderlich gemacht haben.”<br />

Die gesetzliche Grundlage der seemännischen Sorgfaltspflicht<br />

„Verkehrsvorschriften wie die Kollisionsverhütungsregeln haben eine gesetzliche Grundlage“, wusste Knaack<br />

bisher, „seemännische Sorgfaltspflichten nicht“. Jetzt weiß er, dass beiden anscheinend die gleiche rechtliche<br />

Bedeutung <strong>zu</strong>kommt. Und <strong>zu</strong>r Sorgfaltspflicht konnte er unter Ziffer 2.2 der Sicherheit im See- und Küstenbereich<br />

nachlesen, dass die Mindestausrüstung für die sichere Navigation aufgrund seemännischer Sorgfaltspflichten<br />

einen <strong>Radarreflektor</strong>/Transponder einschließt. Damit war für ihn klar, dass die Ausrüstung mit einem<br />

<strong>Radarreflektor</strong> <strong>zu</strong> den seemännischen Sorgfaltspflichten gehört.<br />

Wie ein <strong>Radarreflektor</strong> beschaffen sein muss, hoffte Knaack im weitergehenden Text <strong>zu</strong> erfahren. Es heißt unter<br />

Ziffer 2.4.5: „Die Kantenlänge bei dreieckigen Flächen des Reflektors sollte mindesten 30 cm betragen, der<br />

Radius bei Viertelkreisflächen mindestens 22 cm. Mit einem solchen <strong>Radarreflektor</strong>, der fest angebracht ist, dürfte<br />

die Aussicht bestehen, dass auch eine kleinere Yacht auf eine Entfernung von 4-6 sm geortet werden kann.<br />

Kleinere <strong>Radarreflektor</strong>en sind in ihrer Wirkung stark eingeschränkt. Kleinere Sportboote im Sinne von § 2 Nr. 3<br />

der See-Sportbootverordnung vom 29. August 2002 (BGBl I S. 3547) müssen mit einem <strong>Radarreflektor</strong><br />

ausgerüstet sein, Sportfahrzeuge mit einer BRZ unter 150 müssen mit einem <strong>zu</strong>gelassenen <strong>Radarreflektor</strong>


ausgerüstet sein.“ Hier wurde definiert, was als „ausreichende Reflektionsfähigkeit“ im Sinne der seemännischen<br />

Sorgfaltspflichten <strong>zu</strong> verstehen ist, schloss der Segler aus dem Text, nämlich eine Ortung auf eine Entfernung<br />

von vier bis sechs Seemeilen.<br />

Helge Knaack erinnerte sich an Beschreibungen des gebräuchlichen Röhrenreflektors in Ausrüsterkatalogen mit<br />

dem Hinweis auf ein angeblich klares Echo bis <strong>zu</strong> einer Distanz von 2,5 Seemeilen und auch an die<br />

einschlägigen Tests – <strong>zu</strong>m Beispiel in der Zeitschrift Segeln Nummer 10/2006 – in denen nicht ein einziger der<br />

nicht <strong>zu</strong>gelassenen Reflektoren die geforderten vier bis sechs Seemeilen erreichte.<br />

Große Sportfahrzeuge müssen nach der BSH-Broschüre mit einem <strong>zu</strong>gelassenen Reflektor ausgerüstet sein. „Da<br />

steht nicht sollen, dürfen oder können, sondern müssen. Leider steht aber nicht da, was ein großes Sportboot ist,<br />

und das kann schon wieder <strong>zu</strong> Missverständnissen führen. Meine kleine Neunmeter-Yacht ist doch kein großes<br />

Sportboot“, so Knaack. Er recherchierte und fand in der SeeSpbootV die Definition, dass „kleinere Sportboote für<br />

Fahrten binnenwärts oder in Strandnähe geeignet sind, insbesondere offene Ruder-, Falt-, Schlauch-,<br />

Wassertretboote“. Yachten mit Kajüte und Übernachtungsmöglichkeit werden dagegen als große Sportboote<br />

bezeichnet. Knaacks logischer Schluss daraus: Also brauchen fast alle Yachten einen <strong>zu</strong>gelassenen<br />

<strong>Radarreflektor</strong>.<br />

Knaack erkannte immer noch keine klare Linie und fragte weiter nach. Zum Beispiel per E-Mail beim BSH und<br />

erhielt eine Antwort, in der ausführlich auf SOLAS, auf die gesetzliche Ausrüstungspflicht für Sportboote, auf das<br />

Schiffssicherheitsgesetz und die Schiffssicherheitsverordnung eingegangen wird, und in dem es heißt, dass nur<br />

seegehende Yachten, die nach dem 30. Juni 2002 gebaut wurden, mit einem <strong>Radarreflektor</strong> ausgerüstet sein<br />

müssen, dieser aber nicht vom BSH <strong>zu</strong>gelassen sein muss.<br />

Auf eine E-Mail-Nachfrage beim Landesseglerverband Schleswig-Holstein (LSVSH) bekam Knaack als Antwort<br />

eine Aussage der Kreuzer-Abteilung im Deutschen Segler Verband <strong>zu</strong> dem Thema, nach der ein Reflektor nur<br />

„wenn möglich“ vorgeschrieben sei und nicht zertifiziert sein müsse.<br />

Knaack: „Aber ich gab mich damit nicht <strong>zu</strong>frieden, denn wieder einmal wurden die seemännischen<br />

Sorgfaltspflichten überhaupt nicht erwähnt. Und was heißt hier, „wenn möglich“? Darüber hinaus konnte er in<br />

diesem Zusammenhang mit dem Satz, der <strong>Radarreflektor</strong> müsse nicht zertifiziert sein, wenig anfangen. Er<br />

richtete sich noch einmal an den Landesseglerverband und erhielt kurz darauf eine E-mail des<br />

Bundesministeriums für Verkehr <strong>zu</strong>r Kenntnis. Der LSVSH hatte diesmal gezielt um eine Stellungnahme <strong>zu</strong>r<br />

Broschüre des BSH und <strong>zu</strong> den seemännischen Sorgfaltspflichten gebeten, so dass der BMV sich nicht auf die<br />

gesetzlichen Regelungen <strong>zu</strong>rückziehen konnte.<br />

Der feine Unterschied: „Zertifiziert sein müssen die Reflektoren nicht, <strong>zu</strong>gelassen sein aber sehr wohl.“<br />

Tatsächlich wurde bestätigt, dass die seemännischen Sorgfaltspflichten eingehalten werden müssen, dass ihnen<br />

eine den Verkehrsvorschriften vergleichbare Bedeutung <strong>zu</strong>kommt, und dass sie sich nicht nur auf das Verhalten<br />

im Verkehr, sondern auch auf die Ausrüstung eines Bootes erstrecken. Aber dann hieß es wieder:<br />

„<strong>Radarreflektor</strong>en bedürfen keiner besonderen Zertifizierung.“ Knaack rief den Verfasser der E-mail im BMV an<br />

und fragte, wie diese Aussage mit der Broschüre des BSH <strong>zu</strong> vereinbaren sei. Antwort: „Eine Zertifizierung ist<br />

nicht dasselbe wie eine Zulassung. Zertifiziert sein müssen die Reflektoren nicht, <strong>zu</strong>gelassen sein aber sehr<br />

wohl.“<br />

Der Kieler Segler hat aus den vielen Antworten seinen eigenen Schluss gezogen und sich den am Anfang<br />

erwähnten <strong>zu</strong>gelassenen RTE angeschafft. Er befürchtete, dass er mit einem nicht <strong>zu</strong>gelassenen <strong>Radarreflektor</strong><br />

nach einem möglichen Seeunfall in einer schlechten rechtlichen Situation wäre. Die Gegenseite könne<br />

behaupten, er habe gegen die seemännischen Sorgfaltspflichten verstoßen, und man habe ihn deshalb auf dem<br />

Radarschirm nicht erkennen können.

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