Wahlzeitung 2009 - Landeszentrale für politische Bildung ...
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2 <strong>Wahlzeitung</strong> KOMMUNALWAHL <strong>2009</strong> mai <strong>2009</strong><br />
Ute Lindenau ist gestandene<br />
Kom mu nalpolitikerin. Die Bürgermeisterin<br />
von Lübtheen ist in der<br />
Lindenstadt geboren, kennt viele in<br />
ihrer Heimatstadt und ist mit den<br />
Sorgen und Nöten ihrer Einwohner<br />
vertraut. Seit 2002 ist Lindenau<br />
Bürgermeisterin und weiß, welche<br />
Spielräume Kommunalpolitik bietet.<br />
„Die wesentliche Gestaltung der<br />
Gemeindeentwicklung, zum Beispiel<br />
des Straßenbaus, der Infrastruktur,<br />
der Bauleitplanung bis zum Brandschutz<br />
und den verschiedenen Facetten<br />
der Daseinsvorsorge von der<br />
Kinderbetreuung bis zu Freizeit- und<br />
Erholungseinrichtungen werden vor<br />
Ort durch die Stadtvertretung entschieden“,<br />
so Lindenau. Natürlich<br />
seien die finanziellen Möglichkeiten<br />
manchmal sehr begrenzt. Aber dann<br />
komme es eben darauf an, was man<br />
daraus mache.<br />
Lübtheen ist in den vergangenen<br />
Jahren immer wieder in die Schlagzeilen<br />
gekommen. Und das nicht<br />
wegen der Infrastrukturpolitik seiner<br />
Bürgermeisterin. Die rechte Szene ist<br />
in der Stadt in der Griesen Gegend<br />
überaus aktiv. „Es ist schwierig“, sagt<br />
die Bürgermeisterin. „Das Image der<br />
Stadt ist beschädigt. Bislang haben<br />
es Mitglieder rechtsextremer Parteien<br />
nicht versucht, in die Stadtvertretung<br />
von Lübtheen einzuziehen. Die<br />
Situation vor den Kommunalwahlen<br />
am 7. Juni sieht anders aus und<br />
scheint hingegen brisant. Auffällig<br />
viele Wahl plakate werben im Landkreis<br />
Ludwigslust für eine Partei, die<br />
sich außerhalb des demokratischen<br />
Spektrums befindet.<br />
Ute Lindenau wird deutlicher,<br />
wenn es um den Umgang mit solchen<br />
Parteien geht. „Man kann die<br />
NPD nur verbieten. Man weiß doch,<br />
was in Deutschland passiert ist. Mit<br />
unserer Vergangenheit, kann man so<br />
etwas nicht zulassen.“ An Informationen<br />
fehlt es nicht. Welche Gesinnung<br />
Standhaft für Demokratie<br />
und Mitmenschlichkeit<br />
Lübtheens Bürgermeisterin Ute Lindenau über den Job als Kommunalpolitikerin<br />
zu Tage tritt, wenn die Biedermänner<br />
ihre Maske fallen lassen und sich unter<br />
ihresgleichen bewegen, wird in<br />
regelmäßigen Abständen deutlich.<br />
Das Weltbild hinter den heimatverbunden<br />
und sozial engagiert klingenden<br />
Parolen ist geprägt von Hass und<br />
Menschenverachtung.<br />
Kommunal<strong>politische</strong> Entscheidungen<br />
können oftmals nur im Konsens<br />
zwischen den verschiedenen Parteien<br />
getroffen werden. Tages<strong>politische</strong><br />
Fragen werden da meistens nach<br />
Sachlage und nicht nach großen<br />
Ideologien entschieden. Das Miteinander<br />
zwischen den Menschen<br />
in den jeweiligen Gemeinden und<br />
Städten ist die Grundlage für eine<br />
gedeihliche Entwicklung der Kommunen.<br />
Auch bei unterschiedlichen<br />
Meinungen steht die Gesprächsbereitschaft<br />
der Kommunalpolitiker im<br />
Vordergrund. Wer seine <strong>politische</strong>n<br />
Ansichten mit Gewalt durchsetzen<br />
will, steht außerhalb der zivilisierten<br />
Kultur einer Demokratie.<br />
Die überwiegende Zahl der 4.800<br />
Einwohner in Lübtheen hat sich<br />
deutlich entschieden. So zählen die<br />
vielen Vereine der Stadt etwa 2.000<br />
Mitglieder. Ehrenamtliches Engagement<br />
wird bei den Lübtheenern groß<br />
geschrieben. „Hier kommt es wie in<br />
jeder anderen Stadt auf jeden einzelnen<br />
an, Zivilcourage zu zeigen und<br />
sich zu fragen, was er für seine Stadt<br />
tun kann“, sagt Ute Lindenau. (LpB)<br />
„Durch<br />
Wahlen<br />
kann man<br />
Extremisten<br />
verhindern.“<br />
Sascha Gluth, Schauspieler<br />
„Wählen zu gehen ist ein Recht,<br />
für das andere gekämpft haben.<br />
Deshalb finde ich es unheimlich<br />
wichtig, dass jeder von seinem<br />
Wahlrecht Gebrauch macht.<br />
So hat es jeder auch in der Hand,<br />
wo es künftig mit unserem Land<br />
Mecklenburg-Vorpommern und<br />
mit Europa hingeht.<br />
Und wir sind uns doch alle einig,<br />
dass man durch die Wahlen Extre<br />
misten verhindern kann.“<br />
LpB: Herr Tesch, Sie sind gleichzeitig<br />
Bürgermeister und Landesminister.<br />
Weshalb sind Sie Bürgermeister<br />
geblieben, wo man als Minister<br />
doch anscheinend viel mehr Macht<br />
hat<br />
Henry Tesch: Weil ich mich in der<br />
Umgebung, in der ich wohne, wohlfühle,<br />
mit ihr verbunden fühle und<br />
mich gerne für die Belange der Menschen<br />
engagiere. Im Übrigen, ich wurde<br />
gefragt, ob ich das Amt nicht doch<br />
weitermachen kann. Die erste Frage<br />
dabei ist nicht die nach der Macht,<br />
sondern die nach der Übernahme von<br />
Verantwortung für andere; das Eintreten<br />
für andere Men schen. Macht ist<br />
dabei ein eher nach rangiges Thema.<br />
Macht ist in einer Demokratie nur<br />
dann da, wenn sie gestützt und gemeinsam<br />
getragen wird, im gemeinsamen<br />
Interesse für eine gemeinsame<br />
Sache ausgeübt wird. Egal ob als Bürgermeister<br />
oder als Minister.<br />
LpB: Kann ein Bürgermeister<br />
manch mal vielleicht sogar mehr<br />
bewe gen als ein Minister<br />
Henry Tesch: Ein Bürgermeister<br />
kann auf Gemeindeebene viel bewegen,<br />
besonders, wenn er mit den<br />
Gemeindevertretern eng zusammenarbeitet.<br />
Ein Minister kann auf Landesebene<br />
ebenfalls viel bewegen. Dieses<br />
erfolgt in Zusammenarbeit mit den<br />
Abgeordneten des Landtages. In beiden<br />
Fällen muss man beweglich und<br />
kreativ an die Aufgaben herangehen.<br />
LpB: Weshalb haben Sie sich<br />
zuerst als Gemeindevertreter und<br />
dann als Bürgermeister überhaupt<br />
in der Kommune engagiert<br />
Auf ein Wort, Herr Tesch…<br />
Interview mit Henry Tesch,<br />
Bürgermeister von Roggentin im Landkreis Mecklenburg-<br />
Strelitz und Minister für <strong>Bildung</strong>, Wissenschaft und Kultur<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Henry Tesch: Ich wollte mithelfen<br />
und mit gestalten in meiner Gemeinde<br />
Roggentin. Deshalb habe ich mich<br />
1994 erstmals als Gemeindevertreter<br />
aufstellen lassen. Dann wurde ich von<br />
den Mitbürgerinnen und Mitbürgern<br />
gefragt, ob ich nicht auch als Bürgermeister<br />
kandidieren will. Ich habe<br />
mich der Verantwortung gestellt und<br />
wurde 1999 und 2004 als Bürgermeister<br />
direkt gewählt. Als Gemeindevertreter<br />
weiß man ganz genau, was vor<br />
Ort in der Gemeinde zu tun ist, um<br />
das Gemeindeleben voranzubringen.<br />
Die Aufgaben reichen von Wegebau<br />
über die Nutzung der KITA für junge<br />
Leute bis zu kleinen Alltagssorgen<br />
der Mitbürgerinnen und Mitbürger.<br />
Diese konkreten Aufgabenstellungen<br />
machten und machen mir Spaß.<br />
LpB: Liegt der Kommunalpolitiker<br />
Tesch auch manchmal mit dem<br />
Landespolitiker Tesch im Streit<br />
Henry Tesch: Manchmal ja. Die<br />
Kommunalpolitik ist – das liegt doch<br />
auf der Hand – näher an den Problemen<br />
dran. Der regionale Umfang<br />
ist doch recht überschaubar. In der<br />
Landespolitik ist die Interessenlage<br />
der einzelnen Beteiligten viel umfassender.<br />
Lösungen aufzuzeigen, unter<br />
Beteiligung all der Interessenvertreter,<br />
ist von daher nicht einfacher.<br />
Gleichwohl ist das die große Kunst<br />
in der Landespolitik. Mir gelingt das<br />
ganz gut und darum werde ich mich<br />
auch weiterhin bemühen.<br />
LpB: Was sagen Sie Menschen,<br />
die am 7. Juni lieber zu Hause bleiben,<br />
als zur Wahl zu gehen<br />
Henry Tesch: Zur Europawahl am<br />
7. Juni <strong>2009</strong> gab es einem Plakatwettbewerb<br />
der Europäischen Kommission.<br />
Dazu haben Jugendliche Plakat-<br />
und Sloganentwürfe ein gesandt.<br />
Ein Vorschlag hat mich besonders<br />
beeindruckt. Der Plakat slogan lautet:<br />
`Schockt Eure Eltern – geht wählen!´<br />
(siehe Abbildung).<br />
Diesem Aufruf kann ich mich nur<br />
anschließen: Geht wählen, nutzt diese<br />
Gelegenheit, um Euch einzubringen.<br />
Die gewählte – demokratisch<br />
gewählte! – Mehrheit be stimmt die<br />
Kommunalpolitik und im Großen –<br />
also in Europa – die Eu ro pa politik.<br />
Wichtig ist: Geht wäh len, um die<br />
Demokratie, unser gro ßes Gut, das<br />
wir in Deutschland und Europa haben,<br />
zu stützen. Jeder der nicht wählen<br />
geht, jede, die nicht wählen geht,<br />
stützt – schon rein rechnerisch – die<br />
undemokratischen rechten Kräfte.<br />
LpB: Herr Tesch, vielen Dank für<br />
das Gespräch.<br />
Revolution an der Wahlurne<br />
Die Kommunalwahl 1989 war Beginn des Umbruchs<br />
Welch weitreichende Folgen<br />
Kom munalwahlen haben können,<br />
zeigt die jüngste Geschichte. Im<br />
Mai 1989 sollten in der DDR zwar<br />
eigent lich nur die kommunalen Vertretungen<br />
gewählt werden, doch es<br />
entwickelte sich daraus eine immer<br />
stärker werdende Opposition gegen<br />
das staatliche System der DDR. Dr.<br />
Klaus Bästlein, Mitarbeiter bei der<br />
Landesbeauftragten für die Unterlagen<br />
des Staatssicherheitsdienstes<br />
der ehemaligen DDR in Berlin, mit<br />
einem Rückblick auf die Ereignisse<br />
im Frühjahr 1989.<br />
Die Kommunalwahlen in der<br />
DDR am 7. Mai 1989 –<br />
Vom Vertuschen einer<br />
Fälschung zum Sturz der SED-<br />
Diktatur<br />
„98,85 Prozent stimmten für die<br />
Kandidaten der Nationalen Front!“<br />
verkündete der Vorsitzende der zentralen<br />
Wahlkommission Egon Krenz<br />
am 8. Mai 1989. Doch er hatte die<br />
Rechnung ohne die Opposition in<br />
der DDR gemacht. Denn allein in<br />
Berlin war die Auszählung der Stimmen<br />
in rund 200 Wahllokalen beobachtet<br />
worden. In Weißensee war das<br />
sogar in 66 der 67 Stimmbezirke gelungen.<br />
Damit konnte die Fälschung<br />
der offiziellen Ergebnisse entlarvt<br />
wer den.<br />
Die Bürger hatten bei den Einheitslisten<br />
in der DDR ja ohnehin keine<br />
Wahl. Dass aber selbst die so herbeigeführten<br />
Ergebnisse noch gefälscht<br />
wurden, sorgte für Wut und Empörung.<br />
Bürger erstatteten Anzeige wegen<br />
Wahlfälschung – und gerieten<br />
damit ins Visier der Staatssicherheit.<br />
Die Justiz wurde sofort „angeleitet“,<br />
auf Anzeigen nicht zu reagieren.<br />
Die Anweisungen dazu gingen<br />
von Egon Krenz über Erich Mielke<br />
und den Stellvertretenden DDR-<br />
Generalstaats anwalt Karl-Heinrich<br />
Borchert an die Staats anwaltschaften<br />
vor Ort.<br />
Der Zugriff auf die Justiz gelang.<br />
Die Staatsanwaltschaften sollten keine<br />
Nachforschungen zu den Wahlfälschungen<br />
anstellen, sondern nur<br />
die Verfahren einstellen. Darüber gerieten<br />
aber selbst DDR-Staatsanwälte<br />
in Zweifel. Der Zorn der Bürger ließ<br />
sich ohnehin nicht mehr besänftigen.<br />
Es kam zu Demonstrationen, die Stasi<br />
und Polizei gewaltsam unterdrückten.<br />
Die Proteste sollten aber nicht<br />
mehr enden. Sie waren vielmehr der<br />
Auftakt zum Ende der SED-Diktatur.<br />
Dr. Klaus Bästlein<br />
„För düsse<br />
Welt möt<br />
hüt öwer<br />
jedein wat<br />
daun!“<br />
Norbert Bosse<br />
Freier Journalist und Moderator<br />
„Ward ümmer secht, de da baben,<br />
de moken dat all.<br />
So löppt da öwer nich mier. Siet<br />
20 Johren können wi sülbens dor<br />
mang gahn un ok n´poor Würd<br />
miträden.<br />
Wecker will, dat de richtigen Lüd<br />
an´t Ruder kamen, un nich blot´s<br />
Schnacker, de möten to Wahl<br />
gohn un ehr Krüz mocken.<br />
,As uns´ Herrgott de Welt erschaffen<br />
ded, fung hei bi Meckelnborg<br />
an …‘ het Fritz Reuter schräben.<br />
För düsse Welt möt hüt öwer<br />
jedein wat daun!“