Leseprobe 200610 - Das Orchester
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Education<br />
Man nehme einen Konzertknigge für die Schüler, einen Leitfaden für die Lehrer und stelle die Mikrofone auf Empfang –<br />
fertig ist das Musikvermittlungsprogramm! Ganz so einfach ist es zwar nicht, doch beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart<br />
des SWR ist das Radio Teil des Musikvermittlungsprogramms, sind die Mikrofone Mittel zum Zweck, Arbeitsmaterial für<br />
Musiker und Schüler. In Radioreportagen und Konzerteinführungen entdecken die Schüler die Welt der klassischen Musik<br />
und die Welt eines Rundfunkorchesters. Und am Mischpult sitzen nicht nur Musikredakteurin und <strong>Orchester</strong>manager,<br />
sondern auch Vertreter des Kultusministeriums Baden-Württemberg. Ein Bericht von Nicole Dantrimont.<br />
Nicole Dantrimont<br />
Neues aus<br />
dem Musterländle<br />
Die konzertdidaktische Kooperation des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart<br />
des SWR mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg<br />
22<br />
<strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong> 10/06
Education<br />
Harald Matjacic, Posaunist im RSO,<br />
mit Kindergartenkindern<br />
Foto: SWR/Doris Blaich<br />
Nachhaltigkeit erzeugen<br />
Man besteigt einen der zahlreichen „grünen Hügel“ von Stuttgart,<br />
geht an der altehrwürdigen Villa Berg vorbei und dann einige<br />
Schritte in Richtung Norden. Die Geräuschkulisse ist so gar<br />
nicht musikalisch: Da wird gehämmert, gebohrt, ja sogar gebaggert.<br />
Ein Höllenlärm bei sengender Hitze. <strong>Das</strong> Funkstudio wird<br />
gerade modernisiert. In diesem Funkstudio probt das Radio-<br />
Sinfonieorchester Stuttgart des SWR. In diesem Studio arbeitet<br />
aber auch die Redakteurin des <strong>Orchester</strong>s, dort sitzt der Manager,<br />
das Klangkörpermarketing, um nur einige zu nennen. Vielleicht<br />
war es gerade diese Nähe, die Redaktion und Management<br />
des <strong>Orchester</strong>s verband und dafür sorgte, dass das bereits<br />
seit längerer Zeit bestehende Angebot für Schüler einen Namen<br />
bekam und konsequent weiterentwickelt wurde. „Viele Dinge<br />
geschehen bei uns halt einfach auf dem Gang“, sagt Kerstin Gebel.<br />
Man trifft sich, plaudert kurz und schon macht es klick<br />
Ganz so einfach dürfte es dann doch nicht gewesen sein. Aber so<br />
ähnlich vielleicht…<br />
Seit vielen Jahren gibt es beim RSO Stuttgart bereits die<br />
Möglichkeit für Schulklassen, Proben des <strong>Orchester</strong>s zu besuchen<br />
und danach eventuell, je nach Alter der Schüler, auch ein<br />
Konzert. Besonders geeignet für Schüler waren seit jeher die<br />
Mittagskonzerte, die live im Radio übertragen werden – nicht<br />
nur wegen ihrer schülerfreundlichen Anfangszeit (13.05 Uhr),<br />
sondern auch wegen ihrer thematischen Ausrichtung. Meist<br />
zieht sich ein übergeordnetes Thema sogar durch die ganze Saison.<br />
Regelmäßig kamen Schulklassen in diese Konzerte, berichtet<br />
Kerstin Gebel, erhielten eine spezielle Vorbereitung und vor<br />
dem Konzert noch eine Führung durch die Technik. Alle Beteiligten<br />
waren zwar mit Eifer und Begeisterung bei der Sache,<br />
doch es war auch eine zusätzliche Belastung: Die Technik war<br />
mitten in den Vorbereitungen für die folgende Liveübertragung,<br />
die Redakteurin vielleicht schon in Gedanken bei ihrer Konzertmoderation.<br />
Viele Fragen blieben offen, weil zu wenig Zeit und<br />
Raum war. Doch letztendlich waren diese Veranstaltungen die<br />
Keimzelle des Musikvermittlungsprogramms „Ohrenauf“ des<br />
SWR, das nun in seine zweite Saison startet.<br />
Worin unterscheidet sich „Ohrenauf“ in Stuttgart von seinen<br />
Namensvettern in Köln (Gürzenich-<strong>Orchester</strong>) und Berlin<br />
(Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin) Zunächst einmal dadurch,<br />
dass es beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart keine für<br />
Kinder und Jugendliche besonders programmierten und moderierten<br />
Konzerte gibt. Ziel ist es, so <strong>Orchester</strong>manager Felix Fischer,<br />
die jungen Menschen auf einen Konzertbesuch vorzubereiten,<br />
sie dabei zu begleiten und das Erlebte nachzubereiten.<br />
Die Schüler sollen sich aktiv mit Musik bzw. dem speziellen<br />
Thema auseinander setzen, und diese Beschäftigung, so Felix Fischer,<br />
soll „vor allem Nachhaltigkeit erzeugen“. <strong>Das</strong> kann geschehen<br />
durch aktives Musizieren mit <strong>Orchester</strong>musikern, dem<br />
Gestalten eines Einführungsvortrags von Schülern für Schüler,<br />
<strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong> 10/06<br />
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Education<br />
der Produktion einer Radioreportage über das Konzert oder<br />
dem Schreiben einer Musikkritik im Rahmen einer Schreibwerkstatt<br />
– an Ideen mangelt es nicht! Außerdem nennt sich<br />
„Ohrenauf“ „Musikvermittlungsprogramm“, was heißt, dass<br />
nicht nur Kinder und Jugendliche angesprochen werden. In Zukunft<br />
ist eine Erweiterung auf Erwachsene im Gespräch in Zusammenarbeit<br />
mit der Volkshochschule.<br />
Foto: Heidrun Pfohl<br />
Kulturerschließender Unterricht<br />
Ein Musikvermittlungsprogramm kann noch so gut sein; wenn<br />
es keine Partner gibt, die mit dem Anbieter – in diesem Falle<br />
dem SWR – zusammenarbeiten, kommt der Stein erst gar nicht<br />
ins Rollen. Vielleicht hat das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart<br />
Glück, dass es in Baden-Württemberg zu Hause ist. Denn in<br />
keinem anderen deutschen Bundesland gibt es eine so intensive<br />
Kooperation mit dem Ministerium wie im „Musterländle“. Bereits<br />
1968 gab es eine erste Zusammenarbeit des Kultusministeriums<br />
mit dem damaligen Süddeutschen Rundfunk (SDR).<br />
Wiederaufgenommen und vertieft wurde diese 1984, als Walter<br />
Walter Pfohl<br />
Felix Fischer<br />
Pfohl zum Musikreferenten an das Ministerium für Kultus, Jugend<br />
und Sport Baden-Württemberg berufen wurde. Davor war<br />
er als Musikredakteur beim Süddeutschen Rundfunk Stuttgart<br />
tätig und am Aufbau eines der ersten Musikprofil-Gymnasien in<br />
Baden-Württemberg beteiligt. In seiner jetzigen Funktion als<br />
Ministerialrat ist er vor allem als Referent für das Fach Musik in<br />
den Schulen, die Förderung der Laienmusik in Baden-Württemberg<br />
sowie für eine Vielzahl von musisch-kulturellen Projekten<br />
für Kinder und Jugendliche tätig.<br />
Als konzertdidaktische Kooperation bezeichnen die drei<br />
Partner – Kultusministerium, SWR, Schulen – ihre Zusammenarbeit.<br />
Seit 15 Jahren trifft sich regelmäßig eine Arbeitsgruppe,<br />
an der Vertreter des Kultusministeriums beteiligt sind, Musikredakteure<br />
der SWR-Klangkörper sowie Vertreter aller Schultypen,<br />
die so genannten Fachberater Musik, die sich freiwillig<br />
engagieren. In einer Sitzung werden die jeweiligen Saisonprogramme<br />
gesichtet und erläutert. Die Lehrer wählen aus dem Angebot<br />
die passenden Konzerte für die jeweilige Altersgruppe aus.<br />
Für diese Konzertprogramme bekommen sie dann Materialien<br />
vom SWR. Und daraus wiederum erstellen die Fachberater Musik<br />
Handreichungen, die vor dem betreffenden Konzert ins Internet<br />
gestellt werden. Zwei bis fünf Unterrichtsstunden vor<br />
dem Termin kann der zuständige Lehrer dann seine Klasse mit<br />
dem erstellten Material auf das Konzert vorbereiten. <strong>Das</strong> „Geheimrezept<br />
des Stuttgarter Modells“ sieht Walter Pfohl darin,<br />
dass der Lehrer quasi in die Vermittlerrolle gehoben wird und<br />
der SWR mit seinen Mitteln hilft. <strong>Das</strong> können Tonträger sein,<br />
Partituren, Noten. <strong>Das</strong> Kultusministerium fungiert dabei als<br />
„Drehscheibe, Initiator und Ideengeber“, sagt Felix Fischer. …<br />
Kontrabassist Felix von<br />
Tippelskirch mit einer Schülerin<br />
der Stuttgarter Vogelsangschule<br />
Foto: SWR/Doris Blaich<br />
… Lesen Sie weiter in Heft 2006/10.<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong> 10/06