Orchester 10-05_Teil_1 - Das Orchester
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Der folgende Auszug ist eine Leseprobe der Zeitschrift <strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong>.<br />
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8<br />
Schwerpunkt<br />
Isabel Schubert / Gerlinde Bendzuck<br />
Ungenutzte<br />
Synergie-Effekte<br />
Musikvermittler und Konzertpädagogen:<br />
Gut vernetzte Szene oder Einzelkämpfertum?<br />
<strong>Das</strong> NETZWERK ORCHESTER & SCHULEN – eine gemeinsame<br />
Initiative der Deutschen <strong>Orchester</strong>vereinigung (DOV) mit dem<br />
Verband Deutscher Schulmusiker (VDS) und dem Arbeitskreis für<br />
Schulmusik (AfS) – leistet einen wesentlichen Beitrag zur<br />
besseren Kooperation von <strong>Orchester</strong>n und Schulen. Die Initiative<br />
„tutti pro“ der DOV und der Jeunesses Musicales Deutschland<br />
(JMD) verfolgt die gleichen Ziele bei der Zusammenarbeit von<br />
Profi- und Jugendorchestern. Wie aber steht es mit der Vernetzung<br />
der Verantwortlichen für die Kinder- und Jugendarbeit<br />
untereinander? Wie intensiv tauschen sich (hauptamtliche)<br />
Konzertpädagogen, Dramaturgen, Mitarbeiter von PR/Marketing-Abteilungen<br />
oder Musiker aus, die mit viel persönlichem<br />
Engagement für ihr <strong>Orchester</strong>, Musiktheater oder Kammermusikensemble<br />
Educationprojekte auf die Beine stellen?<br />
Der Erfolg der von der Jeunesses Musicales Deutschland durchgeführten<br />
Initiative „Konzerte für Kinder“ (2000-2002) machte<br />
deutlich, welch großen Bedarf es in Deutschland an professioneller<br />
Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche gibt. Um das<br />
Wachstum der noch jungen, aber stetig wachsenden deutschen<br />
„Educationszene“ zu beschleunigen und sie zu professionalisieren,<br />
plant die Jeunesses Musciales Deutschland in Kooperation<br />
mit der Deutschen <strong>Orchester</strong>vereinigung (DOV) und dem<br />
Deutschen Musikrat den Aufbau eines Netzwerks für Musikvermittlung<br />
und die Einrichtung eines zentralen Kontaktbüros.<br />
Vor dem Entschluss für dieses Vorhaben ließ die Jeunesses<br />
Musicales Deutschland Ende 2004 eine Befragung vornehmen,<br />
die sowohl den Bedarf generell als auch schon das genauere Aufgabenprofil<br />
eines Kontaktbüros klären sollte.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong> <strong>10</strong>/<strong>05</strong>
Foto: Jörg Lantelmé<br />
Schwerpunkt<br />
Ziel des „Netzwerks Junge Ohren“<br />
<strong>Das</strong> „Netzwerk Junge Ohren“ (Arbeitstitel) soll – vorbehaltlich<br />
der Zusage für die beantragten Fördermittel – im Herbst 2006<br />
seine Arbeit aufnehmen. Ziel wird es sein, <strong>Orchester</strong> und Kammermusikensembles<br />
zu unterstützen, ihre Arbeit mit Kindern<br />
und Jugendlichen auszubauen und zu verbessern. Dies soll zum<br />
einen durch ein aktives Vernetzen der Häuser untereinander<br />
und zum anderen durch ein umfangreiches Serviceangebot des<br />
Kontaktbüros erreicht werden. Da aufgrund unterschiedlicher<br />
Einzugsgebiete zumeist keine unmittelbare Konkurrenz um junge<br />
Hörer besteht (zudem übersteigt die Nachfrage oftmals das<br />
Angebot), kann ein intensiver Austausch unter Educationmitarbeitern<br />
nur Vorteile bringen:<br />
■ Durch den Austausch von Ideen, Konzeptionen, Materialien<br />
oder kompletten Inszenierungen lassen sich auch mit wenig Zeit<br />
und Geld mehr Projekte realisieren, da „Ressourcen schonender“<br />
produziert werden kann.<br />
■ Vermehrte Kommunikation über die eigene Kinder- und Jugendarbeit,<br />
z. B. auf Fachtagungen und Kongressen, erweitert<br />
den „Musikvermittlungshorizont“, führt zu einer stärkeren Motivation<br />
der Verantwortlichen und trägt somit insgesamt erheblich<br />
zu einer Steigerung der Qualität und Angebotsvielfalt bei.<br />
■ Die Entwicklung der eigenen Kinder- und Jugendarbeit lässt<br />
sich beträchtlich beschleunigen, da die <strong>Orchester</strong> nicht nur aus<br />
den eigenen Erfahrungen, sondern auch aus jenen anderer Häuser<br />
lernen können.<br />
Um die Rahmenbedingungen für die Kinder- und Jugendarbeit<br />
von <strong>Orchester</strong>n und für kulturelle Bildung allgemein zu<br />
verbessern, übernimmt das „Netzwerk Junge Ohren“ außerdem<br />
eine Vielzahl wichtiger Aufgaben, die von den einzelnen Häusern<br />
nicht oder nur mit ungleich höherem Aufwand bewerkstelligt<br />
werden können. Zu diesen Aufgaben gehören zum Beispiel<br />
PR- und Lobbyarbeit für die „Sache an sich“, aber auch das<br />
Sammeln, Aufbereiten und Verfügbarmachen von Informationen,<br />
z. B. in Form eines Newsletters oder durch Online-Datenbanken<br />
mit Repertoire-, Veranstaltungs-, Weiterbildungs- und<br />
Literatur-Hinweisen etc. <strong>Das</strong> Netzwerk soll eine Plattform für<br />
den fachlichen Austausch sein und durch gezielte Serviceangebote<br />
die Akteure bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen und<br />
entlasten, damit sie ihre kreative Energie ganz in ihre Kinderund<br />
Jugendarbeit fließen lassen können.<br />
Zweck der Befragung<br />
Um das „Netzwerk Junge Ohren“ nicht an den Bedürfnissen der<br />
<strong>Orchester</strong> 1 vorbeizuplanen, wurden diese schon bei seiner Konzeption<br />
aktiv miteinbezogen. Durch eine Befragung wurde ermittelt,<br />
wie stark der Bedarf für das geplante Netzwerk in der<br />
Zielgruppe der Veranstalter (<strong>Orchester</strong>), insbesondere bei den<br />
wesentlichen Akteuren und Entscheidungsträgern (Geschäfts-<br />
<strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong> <strong>10</strong>/<strong>05</strong><br />
führer, Dramaturgen, Konzertpädagogen etc.) ist. Dazu wurde –<br />
nach einer kurzen Bestandsaufnahme des bisherigen Angebotsspektrums<br />
für Kinder und Jugendliche – u. a. analysiert, welche<br />
Probleme bei der Planung und Realisation von Kinder- und Jugendprojekten<br />
bisher aufgetreten sind und welche unterstützenden<br />
Serviceangebote durch das Netzwerk nötig, erwünscht und<br />
insbesondere unter arbeitsökonomischen Gesichtspunkten auch<br />
sinnvoll wären.<br />
Zur Methodik<br />
Die Daten für die Bedarfsanalyse 2 stammen aus einer (Fast-)Vollerhebung<br />
per Fragebogen auf dem Zweiten Deutschen <strong>Orchester</strong>tag<br />
im November 2004 unter rund hundert <strong>Orchester</strong>managern.<br />
Um eine möglichst ausgewogene Stichprobe zu erreichen,<br />
wurde derselbe Fragebogen außerdem per e-Mail an alle deutschen<br />
Kulturorchester versandt mit der Bitte, ihn an die Personen<br />
weiterzuleiten, die für die Kinder- und Jugendarbeit verantwortlich<br />
sind. Zusätzlich wurde der Fragebogen über eine E-Mail-<br />
Liste mit <strong>Teil</strong>nehmern von verschiedenen Fachtagungen zum<br />
Thema Musikvermittlung verschickt. Bis Ende des Jahres 2004<br />
gingen insgesamt 59 Fragebögen 3 ein, die in die Analyse einbezogen<br />
werden konnten. Damit war eine ausreichende Basis gegeben,<br />
um praxisrelevante Aussagen zu treffen. 4 Die Befragung<br />
war anonym, dennoch wurde oftmals der Name der Einrichtung<br />
angegeben und der Wunsch geäußert, in Kontakt zu bleiben.<br />
Hieraus und aus dem für derartige schriftliche Befragungen<br />
relativ hohen Rücklauf lässt sich bereits folgern, dass es bei den<br />
Befragten ein großes Interesse an einem Netzwerk für Musikvermittlung<br />
gibt. Der zweieinhalbseitige Fragebogen gliederte sich<br />
in sieben Blöcke:<br />
■ Welche Angebote für Kinder und Jugendliche sind vorhanden?<br />
■ Wie zufrieden sind die Befragten selbst mit Qualität und<br />
Quantität ihrer Angebote?<br />
■ Welche Probleme erschweren ihre Arbeit?<br />
■ Welche der vorgeschlagenen Aufgabenbereiche eines Netzwerks<br />
sind für die Entwicklung von Educationarbeit insgesamt<br />
wichtig? Welche würden die Arbeit am eigenen Haus erleichtern?<br />
■ Wie stark ist das Interesse an einer Mitgliedschaft im „Netzwerk<br />
Junge Ohren“?<br />
■ Zusammensetzung der Stichprobe<br />
■ Anregungen, Kritik<br />
Die Ergebnisse im Detail<br />
Um herauszufinden, welche (unterschiedlichen) Angebote für<br />
junge Hörer bereits bestehen, wurden die Befragten gebeten, in<br />
der folgenden Liste die Programmformate zu kennzeichnen, die<br />
von ihrem <strong>Orchester</strong> angeboten werden:<br />
■ keinerlei Angebote für Kinder und Jugendliche<br />
■ Schülerkonzerte<br />
9
<strong>10</strong><br />
Schwerpunkt<br />
■ Probenbesuche von Schulklassen<br />
■ Familienkonzerte<br />
■ Konzerte für Kinder (keine Schulklassen)<br />
■ Konzerte speziell für Jugendliche/junge Erwachsene (keine<br />
Schulklassen)<br />
■ Workshops für Kinder/Jugendliche<br />
■ Workshops für Lehrer<br />
■ Workshops/Konzerte in Schulen<br />
■ Workshops/Konzerte in Kindertagesstätten<br />
■ aktive Kooperationen mit Jugendorchestern<br />
■ Koproduktionen mit anderen Kunstsparten<br />
■ Sonstiges<br />
Grundsätzlich ist festzustellen, dass alle befragten <strong>Orchester</strong><br />
mehrere Musikvermittlungsprogramme anbieten (mindestens<br />
zwei); im Mittel wurden von den zwölf Programmformaten<br />
fünf Angebote genannt. Dieser hohe Mittelwert deutet auf ein<br />
sehr vielfältiges Angebotsspektrum bei den <strong>Orchester</strong>n hin. Allerdings<br />
lassen sich daraus noch keine Erkenntnisse über Anzahl<br />
und Häufigkeit der Veranstaltungen sowie die Anzahl der erreichten<br />
Kinder und Jugendlichen ableiten. Die relativ große<br />
Vielfalt der Angebote lässt sich jedoch nicht auf die gesamte <strong>Orchester</strong>landschaft<br />
hochrechnen. Es ist vielmehr anzunehmen,<br />
dass sich gerade solche <strong>Orchester</strong> an der Befragung beteiligten,<br />
die im Bereich Kinder- und Jugendarbeit überdurchschnittlich<br />
engagiert und erfahren sind, 5 und dass diejenigen, bei denen dies<br />
nicht bzw. weniger der Fall ist und die diesbezüglich auch kein<br />
Aufholbedürfnis verspüren, auf das Ausfüllen des Fragebogens<br />
verzichtet haben. Dieser Aspekt sollte bei der Interpretation der<br />
folgenden Ergebnisse stets berücksichtigt werden.<br />
Die drei Musikvermittlungs-„Klassiker“ Probenbesuche von<br />
Schulklassen (93,2 %), Schülerkonzerte (76,3 %) und Familienkonzerte<br />
(71,2 %) führen die Rangliste an und bilden das Standardprogramm<br />
für junge Hörer (Grafik 1). Jedoch nicht einmal<br />
die Hälfte der <strong>Orchester</strong> (42,4 %) geht mit ihrem Angebot in die<br />
Schulen, und nur ein Drittel der Befragten hat Angebote für Ju-<br />
Grafik 1<br />
Probenbesuche von Schulklassen<br />
Schülerkonzerte<br />
Familienkonzerte<br />
Workshops/Konzerte in Schulen<br />
Kooperation mit Jugendorchestern<br />
Konzerte für Kinder (keine Schulklassen)<br />
Workshops für Kinder/Jugendliche<br />
Konzerte für Jugendl./junge Erwachsene<br />
Workshops für Lehrer<br />
Koproduktionen mit anderen Kunstsparten<br />
Workshops/Konzerte in Kindertagesstätten<br />
Mittelwert = 5,0 Nennungen<br />
Frage 1; n = 59<br />
Angebote der <strong>Orchester</strong> für junge Hörer<br />
Sonstiges<br />
Mehrfachnennungen möglich<br />
<strong>10</strong>,2<br />
15,3<br />
23,7<br />
20,3<br />
32,2<br />
39<br />
37,3<br />
42,4<br />
35,6<br />
71,2<br />
76,3<br />
93,2<br />
0 20 40 60 80 <strong>10</strong>0<br />
gendliche/junge Erwachsene im Programm, die somit immer<br />
noch stark vernachlässigt werden. Ein regelrechtes Schattendasein<br />
fristen zudem Projekte für Kindergartenkinder mit nur<br />
zehn Prozent. Dies ist besonders bedauerlich, da ein möglichst<br />
frühes Heranführen der Kinder an Musik besonders effektiv<br />
und nachhaltig ist. Außerdem hat die Arbeit der <strong>Orchester</strong> in<br />
Kindergärten einen positiven Einfluss auf die Motivation und<br />
Qualifikation von Erzieherinnen und sorgt auf diesem Weg für<br />
mehr Nachhaltigkeit.<br />
Selbsteinschätzung der <strong>Orchester</strong><br />
bezüglich ihres Angebots für junge Hörer<br />
Ebenso wichtig wie das Angebot unterschiedlicher Musikvermittlungsprogramme<br />
ist deren Qualität. Da diese – per se schon<br />
schwer messbar – in der Fragebogenerhebung nicht ermittelt<br />
werden konnte und sollte, wurden die Befragten um eine Selbstbeurteilung<br />
bezüglich ihrer Zufriedenheit mit den eigenen Angeboten<br />
gebeten (Grafik 2). Da man erfahrungsgemäß davon<br />
ausgehen kann, dass die Beurteilung der eigenen Arbeit generell<br />
eher positiv ausfällt, sind mittelmäßige bis schlechte Eigenwertungen<br />
als Zeichen größerer Unzufriedenheit zu werten. Die Befragten<br />
attestieren sich in dieser Selbsteinschätzung ein teilweise<br />
erhebliches Verbesserungspotenzial: nur ca. 40 Prozent bewerteten<br />
die Aspekte „Anzahl der erreichten Kinder, Vielfalt/Bandbreite<br />
und Häufigkeit der Aufführungen“ mit sehr gut oder gut.<br />
Für die öffentliche Wirkung geben sich nur ca. 30 Prozent der<br />
Befragten sehr gute und gute Noten und für die Nachhaltigkeit<br />
ihrer Kinder- und Jugendarbeit sogar nur 20,3 Prozent. Auch<br />
die Mittelwerte, die meist schlechter als 2,5 ausfallen, signalisieren<br />
einen deutlichen Verbesserungsbedarf.<br />
künstlerische Qualität der Aufführung<br />
Anzahl der erreichten Kinder<br />
Vielfalt / Bandbreite<br />
Häufigkeit der Aufführungen<br />
Qualität der Konzeption/Inszenierung<br />
öffentliche Wirkung/Wahrnehmung<br />
Nachhaltigkeit<br />
… mehr erfahren Sie<br />
in Heft <strong>10</strong>/20<strong>05</strong><br />
Zufriedenheit der <strong>Orchester</strong> mit ihrem Angebot für junge Hörer<br />
sehr gut gut befriedigend ausreichend mangelhaft keine Angabe<br />
8,5<br />
8,5<br />
6,8<br />
6,8<br />
13,6<br />
18,6<br />
32,2<br />
23,7<br />
33,9<br />
28,8<br />
54,2<br />
45,8<br />
25,4 33,9<br />
0% 20% 40% 60% 80% <strong>10</strong>0%<br />
keine Nennungen in der Kategorie „ungenügend“<br />
Frage 2; n = 59<br />
Grafik 2<br />
28,8<br />
39,0<br />
35,6<br />
13,6<br />
35,6<br />
18,6<br />
6,8<br />
16,9<br />
15,3<br />
20,3<br />
37,3<br />
11,9<br />
11,9<br />
15,3<br />
<strong>10</strong>,2<br />
6,8<br />
6,8<br />
8,5<br />
Ø = 2,65<br />
Ø = 2,78<br />
Ø = 2,60<br />
Ø = 2,26<br />
Ø = 1,79<br />
Ø = 2,85<br />
Ø = 2,86<br />
<strong>Das</strong> <strong>Orchester</strong> <strong>10</strong>/<strong>05</strong>