âMEIN LIEBER SCHWAN!â - PersPagina
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SONDERVERÖFFENTLICHUNG DER TMGS<br />
„Mein lieber Schwan!“<br />
Richard Wagner und seine Wurzeln in Sachsen<br />
1 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
„Nie sollst Du mich befragen…“<br />
So geheimnisumwittert wie bei „Lohengrin“,<br />
der seiner Braut Abstammung<br />
und Namen verschweigen muss,<br />
ist die Herkunft Richard Wagners<br />
nicht – dennoch bringt man den großen<br />
Komponisten umgehend mit Bayreuth<br />
in Verbindung, betrachtet stets<br />
den vollendeten Künstler, sieht ihn nur<br />
auf dem Zenit seines Schaffens. Dabei<br />
ist gerade das Werden bei Wagner so<br />
interessant. Entscheidende Impulse<br />
und Einflüsse, die ihn veranlassten,<br />
sich der Musik zuzuwenden und sein<br />
Leben bestimmten, haben ihren Ursprung<br />
in seiner Heimat Sachsen.<br />
Als Wagner 1813 in Leipzig geboren<br />
wurde, war Mitteldeutschland die<br />
Wiege der Musik schlechthin. Hier<br />
lernte er viele berühmte Komponisten<br />
und Persönlichkeiten kennen, wurde<br />
inspiriert und führte Ideen und Anregungen<br />
weiter, die letztlich nicht nur<br />
Auswirkungen auf die Oper und das<br />
Musiktheater, sondern beispielsweise<br />
auch auf die Filmmusik von Heute haben.<br />
Wir nehmen den 200. Geburtstag Richard<br />
Wagners zum Anlass, um die<br />
bisher noch eher im Dunkeln liegende<br />
Seite des Genies zu beleuchten, zu zeigen,<br />
was ihn prägte und wo in Sachsen<br />
man überall auf den bedeutenden<br />
Komponisten trifft.<br />
Trauen Sie sich zu fragen – es lohnt<br />
sich!<br />
Ihre Tourismus Marketing Gesellschaft<br />
Sachsen<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen mbH<br />
Tel: +49 351 4917 00<br />
info@sachsen-tour.de<br />
www.sachsen-tourismus.de<br />
Redaktion:<br />
Presse-Service Manuela Geiger<br />
Fotografen:<br />
Titelseite, Seite 2, 3, 4, 5, 6, 8, 10, 11, 12, 13,<br />
14, 15: René Pech; Seite 3 unten: Andreas<br />
Schmidt; Seite 4 Porträt Ulf Schimer: Andreas<br />
Birkigt; Seite 7 oben: Silvio Dittrich; Seite 8, Porträt<br />
Ulrike Hessler: Semperoper Dresden; Seite 9: Foto<br />
MDR; Seite 9, Porträt Bettina Bunge: Sven Döring;<br />
Seite 13, Felsenbühne Rathen: Martin Krok/Martin<br />
Reißmann; Seite 16: Jens Lott;<br />
Seite 17: TV Vogtland<br />
Karte: Dr. Harald Schubärth<br />
Design + Produktion:<br />
S.I.M. – Special Interest Magazines<br />
Zeitschriftenverlagsges.m.b.H., Wien<br />
Redaktionsschluss: 15 Juli 2012<br />
2 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Volles Engagement für Wagner<br />
„Richard Wagner war ein exaltierter<br />
Typ, nur 1,66 Meter – das musste zum<br />
Leipziger Größenwahn führen. Er war<br />
ganz groß in der Selbstvermarktung,<br />
hat viel geredet, am liebsten über sich<br />
und seine Werke und er ist einer der<br />
schillerndsten und spannendsten Komponisten,<br />
die es gibt. Als Erster schuf er<br />
nicht nur die Musik, sondern mit Textbuch<br />
und Anweisungen ein Gesamtkunstwerk.<br />
Alles, was wir auf der Bühne<br />
sehen, hat sich dieser Mann bis ins<br />
letzte Detail ausgedacht.“ Wenn Thomas<br />
Krakow von Richard Wagner<br />
spricht, reißt er mit, überzeugt er auch<br />
diejenigen, die dem Komponisten eher<br />
distanziert gegenüberstehen, sich auf<br />
das Abenteuer Wagner einzulassen.<br />
Und das, gerade weil Krakow die Persönlichkeit<br />
Wagners durchaus kritisch<br />
sieht und auch seine negativen Seiten<br />
nicht verleugnet.<br />
Thomas Krakow selbst hat Richard<br />
Wagner relativ spät für sich entdeckt.<br />
In der Nähe von Magdeburg geboren,<br />
zog er 1985 nach Leipzig, um dort Afrikanistik<br />
und Geschichte zu studieren<br />
und hatte bis dahin „wenig Zugang zu<br />
klassischer Musik“, bis heute kann er<br />
keine Noten lesen. Als er über die verschmutzte<br />
und kaum leserliche Bronzetafel,<br />
die an der Stelle, an der einst<br />
das Geburtshaus des Musikers stand,<br />
„stolperte“, erwachte langsam das Inte-<br />
„Ein bisschen Wagner geht<br />
nicht. Seine Musik ist wie<br />
eine Droge, entweder hat<br />
man keinen Zugang oder<br />
man verfällt ihr.“<br />
Thomas Krakow<br />
resse in ihm. Er kaufte sich Sampler<br />
mit Ouvertüren von Wagner, hörte<br />
sich in dessen Musik ein. „Der Durchbruch<br />
kam, als ich 1998 den ‚Tannhäuser‘<br />
in der Oper sah, da fing die<br />
Abhängigkeit an.“ Mittlerweile ist Krakow<br />
ein höchst kompetenter Wagner-<br />
Experte. Er hat an die 400 Bücher über<br />
ihn gelesen, polierte selbst medienwirksam<br />
die Bronzetafel wieder auf<br />
und bemüht sich als Vorsitzender des<br />
Richard-Wagner-Verbands Leipzig,<br />
dass die Erinnerung an den großen<br />
Sohn der Stadt lebendig gehalten wird.<br />
Ein Engagement, das die Stadt Leipzig<br />
zu schätzen weiß und Thomas Krakow,<br />
der auch Vizepräsident des Internationalen<br />
Richard-Wagner-Verbands ist,<br />
als offiziellen Koordinator des Jubiläumsjahres<br />
2013 eingesetzt hat. „In seiner<br />
Geburtsstadt wird es mit den Richard-Wagner-Festtagen<br />
vom 16. bis<br />
26. Mai das umfangreichste Festprogramm<br />
überhaupt geben“, freut sich<br />
der Organisator, der eng mit den anderen<br />
Stätten in Mitteldeutschland und<br />
Bayreuth zusammenarbeitet, um Überschneidungen<br />
wichtiger Veranstaltungen<br />
zu vermeiden – zur Freude der<br />
Wagner-Fans.<br />
Richard-Wagner-Verband Leipzig<br />
Tel. +49 (0) 341 30 86 89 33<br />
www.wagner-verband-leipzig.de<br />
Neue CD: Wagners Werke mit Leipzig-Bezug<br />
Musikalisches Souvenir<br />
Von allen historischen musikalischen Größen, die eine Verbindung zu<br />
Leipzig haben, wurde nur eine in der Handels- und Messestadt geboren:<br />
Richard Wagner. Um seinen 200. Geburtstag zu feiern, hat der regionale<br />
Verband eine Doppel-CD herausgebracht, die den Komponisten in Beziehung<br />
zu seiner Geburtsstadt setzt. Sämtliche Stücke sind mit Leipzig<br />
verknüpft, beispielsweise die Symphonie in C-Dur, die er als 19-Jähriger<br />
in seiner Heimatstadt komponierte, oder das Vorspiel der Oper „Die<br />
Meistersinger von Nürnberg“, dessen Uraufführung im Gewandhaus<br />
1862 Wagner selbst dirigierte und dabei aus Zorn über die wenigen<br />
Zuschauer den Taktstock zerbrach.<br />
3 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Leipzig<br />
1<br />
Richard ist Leipziger<br />
Von den Fenstern der altehrwürdigen<br />
Nikolaischule blickt man auf die Gassen<br />
von Leipzig und die Nikolaikirche,<br />
auf vorübereilende Passanten und<br />
Händler. Richard Wagner hat diesen<br />
Blick allerdings nicht allzu häufig genossen.<br />
Der Vierzehnjährige, der zu seiner<br />
Mutter und den Schwestern in seine<br />
Geburtsstadt zurückgekommen war<br />
und an Neujahr 1828 in die Obertertia<br />
der hoch angesehenen Schule aufgenommen<br />
wurde, fühlte sich vom<br />
„Hochmuth des Schulpedantismus“ 1<br />
gegängelt. Hatte er doch zuvor bereits<br />
in der Dresdner Kreuzschule die Secunda<br />
besucht, das lockere Studentenleben<br />
kennen gelernt und alleine in einer<br />
Dachkammer gewohnt. Sich auflehnend<br />
gegen das Lehrerkollegium verbrachte<br />
der junge Richard seine Tage<br />
lieber mit „Nachmittagspromenaden“ 2 ,<br />
auf denen er mit seinem Onkel Adolph<br />
tiefsinnige Diskussionen führte, mit<br />
dem Erstellen eines Trauerspiels und<br />
erarbeitete sich mithilfe von entliehener<br />
Fachliteratur und heimlichen Unterrichts<br />
in Harmonielehre erste musikalische<br />
Grundlagen. Statt der vom Knaben<br />
erwarteten wohlwollenden Reakti-<br />
1) Richard Wagner „Mein Leben“, Band 1, Elibron Classics 2005, S. 31<br />
2) s.o. S. 32<br />
3) s.o. S. 47<br />
„Wagners Werk erzählt<br />
Geschichten, die jeden von<br />
uns betreffen. Welcher<br />
Familienvater hat nicht<br />
schon mal mit einem<br />
pubertierenden Halbstarken<br />
wie dem jungen Siegfried zu<br />
tun gehabt Wie oft sind wir<br />
mit Fluch und Segen des<br />
Goldes konfrontiert Fragen,<br />
die uns bis heute nicht<br />
loslassen. Wagner bringt uns<br />
auf sinnliche Art und Weise<br />
mittels seiner Musik den<br />
Antworten ein Stück näher.“<br />
Prof. Ulf Schirmer, Intendant und<br />
Generalmusikdirektor Oper Leipzig<br />
on seiner Familie auf sein erstes Stück,<br />
sah sich Richard jedoch – wegen der<br />
von ihm gemachten Schulden – entsetzten<br />
Gesichtern gegenüber. Aus<br />
Rücksicht auf Mutter und Schwestern<br />
blieb der Junge noch einige Zeit an der<br />
Schule, nahm jedoch „nicht die geringste<br />
Notiz“ 3 von den Lehrstunden.<br />
In den Räumlichkeiten, die Wagner<br />
nur widerwillig besuchte, können Besucher<br />
ab Mai 2013 eine Dauerausstellung<br />
zu dem schwierigen Schüler besichtigen.<br />
Das Museum in der Alten<br />
Nikolaischule widmet sich vor allem<br />
den Jugendjahren des späteren Meisters,<br />
zeigt sein Leben bis 1834 und wie<br />
ihn Leipzig, die Hauptstadt der musikalischen<br />
Romantik im 19. Jahrhundert,<br />
prägte. „Die Rezeption des jungen<br />
Wagner kommt oft zu kurz, die<br />
Forschung hat da noch große Defizite<br />
und Leipzig als seine Geburtsstadt die<br />
Verpflichtung, gerade diese Zeit darzustellen“,<br />
so Dr. Wolfgang Hocquél,<br />
Geschäftsführer der Kulturstiftung<br />
Leipzig. „Als Wagner von Leipzig wegging,<br />
war er ein fertig ausgebildeter<br />
Komponist, diese Entwicklung ist faszinierend.“<br />
Wer heute durch die Messe- und Handelsstadt<br />
bummelt, kann den „WagnerWegen<br />
in Leipzig“ folgen. Die vom<br />
Richard-Wagner-Festjahr 2013 (Auswahl)<br />
22. Januar<br />
„Richard ist Leipziger“ – Benefizkonzert im<br />
Gewandhaus<br />
13. Februar bis 26. Mai<br />
Ausstellung „Richard Wagner – zwischen<br />
Leipzig und Bayreuth“<br />
13. Februar und weitere Termine<br />
„Parsifal“<br />
16. Februar und weitere Termine<br />
Premiere „Die Feen“<br />
2. März und weitere Termine<br />
„Rienzi“<br />
4. Mai und weitere Termine<br />
Premiere „Das Rheingold“<br />
16. Mai bis 15. September<br />
Ausstellung „Richard Wagner, Max Klinger,<br />
Karl May – Arbeiten am Pathos“<br />
16. bis 26. Mai<br />
Richard-Wagner-Festtage u. a. mit Ausstellungen,<br />
Kabarettprogramm, Motetten mit<br />
dem Thomanerchor, Orgelkonzerten im Gewandhaus,<br />
Richard-Wagner-Ballett-Abend,<br />
Klaviermatinee & Lesung sowie Geburtstagskonzerten<br />
(16./17. Mai), „Parsifal“ am<br />
Völkerschlachtdenkmal (17. Mai), „Das<br />
Rheingold“ (18. Mai), „Die Meistersinger<br />
von Nürnberg (19. Mai), „Die Götterdämmerung“<br />
(22. Mai), „Die Feen“ (24. Mai),<br />
„Das Liebesverbot“ (24./26. Mai), „Rienzi“<br />
(25. Mai), „Der Fliegende Holländer“ (26.<br />
Mai) und Festakt (22. Mai)<br />
18. bis 22. Mai<br />
Internationaler Richard-Wagner-Kongress<br />
4 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Die 1956 bis 1960 erbaute Oper Leipzig wurde mit den „Meistersingern“ eröffnet, während der Wagner-Festtage gibt es Hausführungen.<br />
„Richard Wagner kann<br />
ein Anreiz für junge Leute<br />
sein, dass man es zu etwas<br />
bringen kann, auch wenn<br />
man nicht die besten<br />
Voraussetzungen hat.“<br />
Dr. Wolfgang Hocquél, Geschäftsführer<br />
Kulturstiftung Leipzig<br />
Richard-Wagner-Verband Leipzig herausgegebene<br />
Broschüre arbeitet liebevoll<br />
jedes Detail des Lebens des großen<br />
Musikers in seiner Heimatstadt auf.<br />
Da kommt man beispielsweise an die<br />
Stelle, an der Richard am 22. Mai 1813<br />
geboren wurde, zur Thomaskirche, in<br />
der er seinen Namen erhielt, und zum<br />
Richard-Wagner-Platz, an dem einst<br />
das Stadttheater stand, in dem eine<br />
Aufführung des „Fidelio“ mit Wilhelmine<br />
Schröder-Devrient den 15-Jährigen<br />
in seinem Wunsch bestärkte, Musiker<br />
zu werden. Auch die Universität,<br />
die er als Student der Musik besuchte,<br />
das Hôtel de Pologne, in dem Wagner<br />
mit Heinrich Laube und den Ideen des<br />
„Jungen Deutschland“ in Berührung<br />
kam, sowie das Grab seiner Mutter am<br />
Alten Johannisfriedhof sind Stationen<br />
des Stadtrundgangs, der die Sehenswürdigkeiten<br />
Leipzigs mit dem Leben<br />
Wagners verknüpft. Auf dem Augustusplatz,<br />
auf dem heute die Leipziger Oper<br />
steht, versöhnte sich Richard Wagner<br />
im ehemaligen Neuen Theater nach<br />
der erfolgreichen Aufführung des<br />
„Rings“ von Angelo Neumann 1878<br />
mit seiner Heimatstadt, der er lange<br />
Zeit vorgeworfen hatte, seinen Werken<br />
qualitativ nicht gerecht zu werden.<br />
„Richard ist Leipziger…“, ist man sich<br />
seit einigen Jahren wieder stolz bewusst<br />
und will den berühmten Sohn abermals<br />
mit einem Denkmal ehren – auch<br />
wenn dieses bei einigen umstritten ist<br />
und Widerstände erzeugt, wie einst die<br />
Schulzwänge bei dem angehenden<br />
Komponisten.<br />
Leipzig Tourismus und<br />
Marketing GmbH<br />
Informationen, Reiseangebote<br />
und Zimmerreservierungen<br />
Tel. +49 (0) 341 71 04 26 5<br />
www.leipzig.de<br />
www.richard-wagner-leipzig.de<br />
Wagner-Menü im Weinstock<br />
Auf der dem Königshaus, in dem der<br />
junge Richard bei seinem Onkel Adolph<br />
Wagner wohnte, gegenüberliegenden<br />
Stirnseite des Marktes kann man sich<br />
ein Wagner-Menü schmecken lassen.<br />
Gritt Englert und ihr Team tischen hier<br />
drei oder fünf Gänge auf, die sich<br />
wohlhabende Bürger auch zu Zeiten des<br />
Komponisten hätten munden lassen<br />
können – liebevoll und innovativ<br />
angerichtet und von köstlichen Weinen<br />
aus dem hauseigenen Keller begleitet:<br />
Bitterkräutersuppe mit Flusskrebsen und<br />
Croutons, Mett auf Sauerbrot mit Wachtelei,<br />
Ochsenfleisch in Kapern-Senfsauce,<br />
Geflügel und Allerlei sowie<br />
Bierschaum mit Baiserbröseln.<br />
www.restaurant-weinstock-leipzig.de<br />
5 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Müglenz<br />
2<br />
Wenn Vergangenheit die Zukunft rettet<br />
„Bei der Kreuzung mit dem Baum<br />
nach links, Sie sehen rechts den Turm<br />
der Kirche, dann den Feldweg, die<br />
Sackgasse entlang, schon sind Sie<br />
da…“ – inmitten der grünen Hügel<br />
und blühenden Felder weist der Kirchturm<br />
von Müglenz zusammen mit den<br />
Erläuterungen von Pfarrer Schmidt<br />
den Weg. Die Autotür fällt zu, danach<br />
herrscht nur noch idyllische Ruhe, die<br />
Blätter der mächtigen Eiche, die den<br />
Blick auf die Kirche verdeckt, rascheln,<br />
Vögel zwitschern. Hier also hat der<br />
Großvater von Richard Wagner eine<br />
„wunderschöne Kindheit“ verbracht –<br />
sich das vorzustellen, fällt leicht.<br />
Im Pfarrhaus ist Klaus-Peter Schmidt<br />
dabei, nach Dokumenten und Unterlagen<br />
zu suchen. Als er 1991 als Pfarrer<br />
nach Müglenz kam, war die Kirche nur<br />
teilweise renoviert. Aus den Altarfenstern<br />
waren die Bleiverglasungen gebrochen,<br />
Falken und Eulen flogen ein und<br />
aus und nisteten im Inneren. „Die Gemeinde<br />
hatte sich mit dem Bau bereits<br />
verausgabt, ich rechnete nach, dass es bei<br />
dem Spendenaufkommen noch an die<br />
30 Jahre dauern würde, bis genug Geld<br />
da wäre, um die Fenster, die Orgel und<br />
die Patronatsloge zu restaurieren.“ In alten<br />
Büchern und Kirchenaufzeichnungen<br />
hatte Pfarrer Schmidt gelesen, dass<br />
Samuel Wagner als Schulmeister, Kantor<br />
und Organist einst dort wirkte, wo<br />
nun er verantwortlich war und sein Sohn<br />
Gottlob Friedrich, der Großvater von<br />
Richard Wagner, hier zur Welt kam.<br />
Mit diesem Wissen wandte sich Schmidt<br />
an die Leipziger Volkszeitung, die im<br />
April 2001 vom „verlassenen Wagnerdorf<br />
ohne Wagnerianer“ berichtete.<br />
„Richard Wagner war für<br />
mich ein Revolutionär.“<br />
Klaus-Peter Schmidt, Pfarrer von Müglenz<br />
Im 240 Kilometer südlich gelegenen<br />
Bayreuth flatterte dieser Artikel Wolfgang<br />
Wagner auf den Tisch und bei<br />
Pfarrer Schmidt klingelte eines Abends<br />
das Telefon. „Peter Emmerich, der<br />
Pressesprecher der Festspiele war dran<br />
und meinte, der Enkel von Richard<br />
Wagner würde sich gerne mit mir unterhalten<br />
und vorbei kommen.“ Einige<br />
Tage später stand der damalige Leiter<br />
der Bayreuther Festspiele vor der Tür<br />
des Pfarrhauses. Beide Männer waren<br />
sich auf Anhieb sympathisch, „wir haben<br />
uns fantastisch verstanden, waren<br />
auf einer Wellenlänge“. Schmidt zeigte<br />
Wagner die Kirche, in der seine Vorfahren<br />
arbeiteten, erklärte ihm, was daran<br />
noch renoviert werden musste.<br />
Die Hilfestellung aus Bayreuth ließ<br />
nicht lange auf sich warten. Eine Urkunde<br />
im Büro von Pfarrer Schmidt erzählt<br />
von dem Sonderkonzert, bei dem<br />
alle Mitwirkenden auf ihr Honorar verzichteten.<br />
Mit diesem Schriftstück und<br />
einem Scheck über 200.000,– Mark<br />
reiste Wolfgang Wagner zusammen mit<br />
seiner Frau Gudrun im Oktober 2001<br />
ein weiteres Mal nach Müglenz. Das<br />
„herzlich innige Verhältnis“, die<br />
Freundschaft zwischen Schmidt und<br />
dem Wagner-Enkel, blieb bis zu dessen<br />
Tod bestehen. Wenn heute die liebevoll<br />
restaurierte Orgel erklingt, denkt der<br />
Müglenzer Pfarrer oft an ihren berühmten<br />
Retter und an die Gänsehaut, die<br />
ihm Richard Wagners Musik auf der<br />
Trauerfeier verursachte.<br />
Bewahrte Idylle: Wagners Vorfahren lebten in Müglenz, heute ist dort Pfarrer Schmidt für die Kirchengemeinde verantwortlich.<br />
6 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Kulturelles und musikalisches Juwel: die sächsische Landeshauptstadt ist eng mit Wagner verknüpft.<br />
Dresden<br />
3<br />
Wagners Wirkungsstätte an der Elbe<br />
Fünf Kinder und ein Hund tänzeln<br />
über eine Brücke, aus dem Wald treten<br />
festlich gekleidet und sich innig zugewandt,<br />
Braut und Bräutigam, denen<br />
weitere Gäste folgen. „Das ist ein wichtiges<br />
Exponat der Galerie Neue Meister,<br />
es war das erste Bild, das das Museum<br />
erwarb. Ludwig Richter wurde<br />
zum ‚Brautzug im Frühling‘ durch<br />
Wagners Oper ‚Tannhäuser‘ inspiriert.“<br />
Wenn man mit Cosima Curth<br />
durch Dresden spaziert, stößt man an<br />
allen Ecken und Enden auf den Komponisten<br />
– selbst in der Gemäldesammlung.<br />
Und man entdeckt, wie<br />
eng verknüpft das Leben von Künstlern<br />
aus allen Bereichen war, die wir<br />
heute eher getrennt voneinander als<br />
berühmte Persönlichkeiten wahrnehmen.<br />
Robert Schumann diskutierte<br />
mit Wagner im Engelclub, ob man<br />
„Lohengrin“ vertonen könne, Gottfried<br />
Semper beteiligte sich an seiner<br />
„Richard Wagner ist für<br />
mich ein begnadeter Komponist<br />
und eine ganz schwierige<br />
Persönlichkeit, auch was seinen<br />
Umgang mit Frauen betrifft.<br />
Eine spannende Frage<br />
in Bezug auf Dresden ist seine<br />
Beteiligung an der Revolution<br />
1849 – was ist Mythos<br />
und Legende, was Realität“<br />
Dr. Erika Eschebach,<br />
Direktorin Stadtmuseum Dresden<br />
Seite an der Mai-Revolution – später<br />
nutzte Wagner die Ideen seines Freundes<br />
für den Bau des Festspielhauses in<br />
Bayreuth.<br />
Moritzstraße, Neumarkt, Waisenhausstraße,<br />
Prager Straße, Schlossstraße,<br />
Töpfergasse, Marienstraße, Ostra-Allee,<br />
Marcolini-Palais – würde man auf einer<br />
Karte die ehemaligen Wohnorte Wagners<br />
in Dresden markieren, der Plan wäre<br />
übersät mit Punkten. Der Musiker<br />
verbrachte hier prägende Jahre seines<br />
Lebens, schöne wie auch schlechte Zeiten.<br />
Nachdem er einen Großteil seiner<br />
Kindheit in der Stadt an der Elbe verlebte,<br />
kehrte Wagner als 24-Jähriger<br />
nach Dresden zurück und wurde hier<br />
zur Oper „Rienzi“ inspiriert. „Richard<br />
Wagner hatte seine erste Frau in Bad<br />
Lauchstädt kennengelernt, wo sie für<br />
das Magdeburger Theater als Schauspielerin<br />
arbeitete. Aber bereits kurz nach<br />
der Hochzeit 1836 gab es die ersten<br />
7 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
„Wir leisten uns zwei<br />
Geburtstagskonzerte.<br />
Zunächst feiern wir in<br />
Dresden mit einem Sonderkonzert<br />
am 21. Mai, das bis<br />
nach Mitternacht dauert, in<br />
den Geburtstag Wagners<br />
hinein. Ich mache dann<br />
etwas Ungewöhnliches, fahre<br />
mit einem Großteil der<br />
Staats kapelle nach Bayreuth<br />
und dirigiere an einem Tag<br />
zwei Konzerte. Das kennt<br />
man sonst nicht, aber wissen<br />
Sie, wenn Richard Wagner<br />
200 Jahre wird, dann muss<br />
man mal die Zähne<br />
zusammenbeißen.“<br />
Christian Thielemann, Chefdirigent<br />
Sächsische Staatskapelle Dresden<br />
„Mich fasziniert Wagner,<br />
weil er eine unglaublich<br />
vielseitige Persönlichkeit ist,<br />
was seine philosophischen<br />
und politischen Schriften<br />
sowie seine Kompositionen<br />
betrifft. Ich finde den<br />
Kontrast zwischen dem<br />
revolutionären, wütenden,<br />
aufbegehrenden Menschen<br />
und dem fast selbstherrlich<br />
herrschenden Komponisten<br />
sehr interessant.<br />
Bis in die heutige<br />
Zeit bewegt er Künstler,<br />
fordert eine<br />
Auseinandersetzung mit<br />
seinem Schaffen heraus.“<br />
Dr. Karen Kopp, Chefdramaturgin<br />
Philharmonie Dresden<br />
„Richard Wagner ist eine<br />
der faszinierendsten<br />
Persönlichkeiten der<br />
deutschen Kulturgeschichte.<br />
Eigentlich unfassbar, wie er<br />
zu seinen Lebzeiten ein<br />
europaweites Netzwerk<br />
aufbauen und so nachhaltig<br />
alle Kunstgattungen<br />
beeinflussen konnte. Ein<br />
Einfluss, der bis in unsere<br />
Gegenwart reicht. Für jedes<br />
Opernhaus, für jeden<br />
Künstler, der sich mit seinem<br />
Werk neu oder wieder<br />
beschäftigt, gibt es kaum<br />
eine reizvollere<br />
Heraus forderung.“<br />
Dr. Ulrike Hessler, Intendantin<br />
Sächsische Staatsoper Dresden<br />
Richard-Wagner-Festjahr 2013 (Auswahl)<br />
SEMPEROPER<br />
Sonderkonzert am 21. Mai 2013<br />
Aufführungen der mit Dresden verbundenen<br />
Opern „Lohengrin“, „Der Fliegende Holländer“<br />
und „Tannhäuser“ sowie „Tristan und<br />
Isolde“ und Werke von Halévy und Spontini,<br />
die Wagner inspirierten<br />
www.semperoper.de<br />
FRAUENKIRCHE<br />
18. Mai 2013<br />
„Das Liebesmahl der Apostel“<br />
6. Juli 2013<br />
Wesendonck-Lieder & Siegfried-Idyll<br />
www.frauenkirche-dresden.de<br />
DRESDNER PHILHARMONIE<br />
5. und 6. Juli 2013<br />
Arien und Orchesterstücke aus<br />
Wagner-Opern<br />
14. und 15. September 2013<br />
Film & Musik: Stummfilm „Richard<br />
Wagner“ von 1913<br />
www.dresdnerphilharmonie.de<br />
DRESDNER MUSIKFESTSPIELE<br />
25. Mai 2013<br />
Sängerfest für Richard Wagner mit Arien<br />
und Chören aus Wagner-Opern<br />
www.musikfestspiele.com<br />
STADTMUSEUM DRESDEN<br />
27. April bis 25. August 2013<br />
Sonderausstellung „Richard Wagner in<br />
Dresden: Mythos und Geschichte“<br />
www.stadtmuseum-dresden.de<br />
8 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Eindrucksvolles Erlebnis: ein Konzert in der Dresdner Frauenkirche, hier vom MDR am 7. Juli 2012.<br />
Querelen, Minna floh nach Blasewitz,<br />
das heute zur Stadt Dresden gehört.<br />
Richard lief ihr hinterher, wurde vom<br />
Schwiegervater ‚rund gemacht‘ und las<br />
im Blasewitzer Gasthof den Roman<br />
‚Rienzi‘ von Edward Bulwer-Lytton“,<br />
erzählt Cosima Curth. Die Gästeführerin,<br />
deren Vater ein großer Wagner-Fan<br />
war und seine Tochter nach der zweiten<br />
Frau des Komponisten nannte, hat sich<br />
unter anderem auf „musikalische Rundgänge“<br />
spezialisiert. „Bei dem Namen<br />
muss man sich einfach mit Wagner beschäftigen“,<br />
meint sie lachend.<br />
Zur Aufführung des „Rienzi“ – von<br />
Webers Witwe Caroline initiiert – kamen<br />
Wagners 1842 nach Sachsen zurück<br />
und der Umzugs-Marathon begann.<br />
Von einer repräsentativen in eine<br />
günstigere Wohnung und dann wieder<br />
umgekehrt, ständige Geldnot und die<br />
Hoffnung auf hohes Honorar waren die<br />
Gründe für den permanenten Wechsel.<br />
Als Hofkapellmeister war Wagners Wirkungsstätte<br />
die Hofoper, der Vorgängerbau<br />
der heutigen Semperoper, wo er<br />
seine „Wunderharfe“ dirigierte.<br />
Nur wenige Schritte liegen die Prachtbauten<br />
in Dresden auseinander. Ein besonderes<br />
Juwel ist die Frauenkirche.<br />
„Im In- und Ausland ist<br />
teilweise noch nicht im vollen<br />
Umfang bekannt, wie wichtig<br />
Dresden für Richard Wagner<br />
war und umgekehrt. Wir<br />
werden das Jubiläum nutzen,<br />
um unseren Bürgern und<br />
Besuchern in spannenden<br />
Geschichten zu erzählen, was<br />
Wagner hier in seinen jungen<br />
Jahren erlebt hat, wie er die<br />
Stadt bis heute prägen<br />
konnte und weshalb Dresden<br />
und das Umland als Wagnerstätte<br />
so einzigartig sind.“<br />
Dr. Bettina Bunge, Geschäftsführerin<br />
Dresden Marketing GmbH<br />
Legt man den Kopf in den Nacken und<br />
blickt in ihre in zarten Pastellfarben<br />
leuchtende Kuppel, könnte normalen<br />
Menschen schwindlig werden – Wagner<br />
hatte dabei einen genialen Einfall:<br />
Für das Musikfest der sächsischen Männergesangvereine<br />
1843 konzipierte er<br />
„Das Liebesmahl der Apostel“, in dem<br />
100 Orchestermusiker im runden Kirchenschiff<br />
spielten und 1.200 Sänger<br />
auf den Emporen standen. „Wagner<br />
war von der Idee, dass der Gesang von<br />
oben kam, fasziniert. Viele Wissenschaftler<br />
sind der Meinung, dieses Erlebnis<br />
spiegle sich dann im ‚Parsifal‘ wider“,<br />
berichtet Cosima Curth. „Ich habe<br />
vor einigen Jahren das ‚Liebesmahl‘ mit<br />
nur 225 Sänger gehört und gedacht, die<br />
Frauenkirche fliegt auseinander“, so<br />
Wagner-Experte Thomas Krakow über<br />
den imposanten Klang. Im Jubiläumsjahr<br />
2013 steht wieder ein derart eindrucksvolles<br />
Schauspiel an, wenn die<br />
Komposition unter Leitung von Christian<br />
Thielemann erklingt und Mauern<br />
und Zuhörer zum Zittern bringt.<br />
Dresden Tourismus GmbH<br />
Tel. +49 (0) 351 50 16 01 60<br />
www.dresden.de/tourismus<br />
9 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Hosterwitz<br />
4<br />
„Kein Wagner ohne Weber“<br />
Webers Arbeitszimmer im Sommerhaus<br />
Bedeutende Künstlerpersönlichkeiten<br />
beeinflussen einander, ein Genie baut<br />
auf das andere auf, wird inspiriert, führt<br />
Gedanken weiter, bringt sie zur Vollendung.<br />
Richard Wagner wurde durch<br />
Carl Maria von Weber in seinen „frühesten<br />
Knabenjahren so schwärmerisch für<br />
die Musik gewonnen“ 1 , dass er Klavierspielen<br />
lernte, nur um die Ouvertüre des<br />
„Freischütz“ zu Gehör bringen zu können.<br />
Nicht nur die musikalische Entwicklung,<br />
auch die Lebensumstände<br />
Wagners wurden entscheidend durch<br />
die Existenz Webers gelenkt. Die Witwe<br />
des „so innig geliebten Meister(s)“ 2 war<br />
es, die ihn dazu drängte, 1843 die Stelle<br />
als Königlicher Kapellmeister in Dresden<br />
anzunehmen, die Wagner ablehnen<br />
wollte. Die Beschäftigung brachte ihm<br />
zunächst erstmals das „Gefühl des Wohlgelitten-<br />
ja Angesehenseins“ 3 sowie mit<br />
1.500 Talern einige finanzielle Sicherheit<br />
ein.<br />
„Kein Wagner ohne Weber sag ich immer“,<br />
erzählt Dorothea Renz, die Leite-<br />
1) Richard Wagner „Mein Leben“, Band 1, Elibron Classics 2005, S. 356/357<br />
2) s.o. S. 295<br />
3) s.o. S. 294<br />
4) s.o. S. 356/357<br />
„Wagners Musik wirkt<br />
auf mich so euphorisierend,<br />
fast berauschend, dass ich<br />
sie nicht jeden Tag hören<br />
kann. So wie ich mich auch<br />
nicht nur von Schokolade<br />
ernähren kann.“<br />
Dorothea Renz, ehemalige Sängerin und<br />
Leiterin des Carl- Maria-von-Weber-Museums<br />
rin des Carl-Maria-von-Weber-Museums<br />
in Hosterwitz bei Dresden. In dem<br />
Sommerhäuschen, in das sich der Schöpfer<br />
des „Freischütz“ abseits der Stadt, mit<br />
seiner Familie zurückzog, erfährt man<br />
einiges über die beiden Komponisten.<br />
Die Bodendielen knarren im ehemaligen<br />
Arbeitszimmer Webers, wenn man zum<br />
Tisch vor dem Fenster geht und wie der<br />
Musiker einst in den Garten blickt.<br />
„Weber mietete die obere Etage des<br />
Hauses, von hier aus hatte er einen freien<br />
Blick über die Weinberge, unten zog<br />
Jagdhund Ali einen kleinen Wagen, in<br />
dem Sohn Max, Katze Maunse und das<br />
Kapuzineräffchen Schnuff saßen.“<br />
Es waren glückliche Zeiten, die Familie<br />
Weber in Hosterwitz verbrachte, bis<br />
der 39-jährige, gesundheitlich angeschlagene<br />
Vater gegen den Willen der<br />
Ärzte und seiner Frau Caroline nach<br />
London reiste, um die Uraufführung<br />
seines „Oberon“ zu dirigieren – er starb<br />
1826 auf der Insel. 18 Jahre später<br />
sorgte der als Junge schwer vom Tod<br />
Webers getroffene Wagner dafür, dass<br />
die sterblichen Überreste des Komponisten<br />
aus England nach Dresden überführt<br />
und in einem von Gottfried Semper<br />
entworfenen Grabmal auf dem Alten<br />
Katholischen Friedhof beigesetzt<br />
wurden. „Für mich hatte es eine tiefe<br />
Bedeutung, dass ich … nun im Mannesalter<br />
durch dieses letzte zweite Begräbniss(!)<br />
noch einmal mit ihm wie in<br />
persönlich unmittelbare Berührung getreten<br />
war“ 4 , so Richard Wagner, der<br />
die Trauermusik komponierte und<br />
selbst die Rede am Grab Webers hielt.<br />
Lage: Hosterwitz ist ein Stadtteil von<br />
Dresden, direkt an der Elbe<br />
Was es in Hosterwitz noch zu sehen<br />
gibt: u. a. die Schifferkirche „Maria am<br />
Wasser“; das Keppschloss; das Blaschka-Haus<br />
der Glaskünstler; die Dresdner<br />
Straße mit vielen historischen Gebäuden;<br />
den romantischen Keppgrund<br />
Von hier aus gut erreichbar:<br />
Schloss & Park Pillnitz, die größte<br />
chinoise Schlossanlage Europas<br />
Carl-Maria-von-Weber-Museum<br />
Tel. +49 (0) 351 26 18 234<br />
www.museen-dresden.de<br />
1 0 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Pirna/Graupa<br />
5<br />
Der Gralsritter aus Graupa<br />
„Sie bestand aus einem mittelgroßen,<br />
weißgetünchten Zimmer mit primitivster<br />
Einrichtung, in dem wir eben<br />
gespeist hatten, einer ebenso getünchten<br />
Kammer, knapp für zwei Betten,<br />
einen Waschtisch und zwei Stühle ausreichend,<br />
einer kleinen Küche und<br />
dem Treppenflur als Musikzimmer.<br />
Das war alles – und hier fühlte sich der<br />
damals schon als luxuriös und verschwenderisch<br />
verrufene Richard Wagner<br />
so glücklich!“ Mit diesen Worten<br />
beschreibt der Bildhauer Gustav Adolph<br />
Kietz die Wohnung, die sich Wagner<br />
für die Sommermonate 1846 in<br />
einem Wohnstallhaus in Graupa mietete,<br />
um sich von seiner Aufgabe als<br />
Kapellmeister in Dresden zu erholen.<br />
Der Komponist erhoffte sich von seinem<br />
„Bauern-Leben“, „das Musikmachen<br />
gänzlich zu vergessen“ wie er in<br />
einem Brief schrieb, doch die landschaftliche<br />
Idylle und die Ruhe wirkten<br />
so positiv auf ihn, dass er während<br />
seines Aufenthalts die Musik für den<br />
„Lohengrin“ skizzierte.<br />
Bereits 1907 wurde das ehemalige Bauerngut<br />
zur Gedenkstätte für den berühmten<br />
Sommergast und heute widmet<br />
sich das „Lohengrinhaus“, in dem<br />
man die nachgestaltete Stube und<br />
Schlafkammer Wagners sieht, mit der<br />
Ausstellung „Mein lieber Schwan“ vor<br />
allem dem hier geschaffenen Werk.<br />
Auf seinen Spaziergängen mit Hund<br />
Peps, ist Richard Wagner wohl auch<br />
sehr oft am nur wenige hundert Meter<br />
entfernt gelegenen Jagdschloss vorbei<br />
gekommen. Zwei Schwäne ziehen im<br />
Teich vor dem Gebäude majestätisch<br />
ihre Bahnen – im Inneren lädt das neue<br />
Richard-Wagner-Museum ein, in die<br />
Welt des Genies abzutauchen.<br />
In den sechs, in Wagners geliebten kräftigen<br />
Farben gehaltenen Räumen, nähert<br />
man sich dem Künstler und seinem<br />
Werk immer mehr. Nach einer „Musik-<br />
Dusche“ erlebt man zunächst die Stationen<br />
des Komponisten in Sachsen und<br />
Böhmen. Plötzlich sieht sich der Besucher<br />
einem Bücherturm gegenüber,<br />
kann es sich in einer Sitzecke gemütlich<br />
machen und in den Werken mit mythologischen<br />
Sagen schmökern, die Wagner<br />
als Vorlage seiner Opern dienten.<br />
Vom Text zum Gesamtkunstwerk: im<br />
dritten Raum sind die zuvor erläuterten<br />
Passagen mit Kompositionen hinterlegt<br />
und die nächste Station widmet sich<br />
dem Bühnenbild. So begegnet dem Besucher<br />
plötzlich in einem Hologramm<br />
das Geisterschiff aus dem „Fliegenden<br />
Holländer“. Den Blickwinkel des Dirigenten<br />
einnehmen, kann man vor dem<br />
Orchestergraben und anhand von<br />
Lichtpunkten den verschiedenen Instrumenten<br />
folgen, die die Partitur spielen.<br />
Langsam in die Gegenwart zurück<br />
gelangt man am Ende des Rundgangs,<br />
wenn man sich mit der Rezeption Wagners<br />
beispielsweise in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
oder während des<br />
DDR-Regimes befasst.<br />
Flucht aus der Stadt: in Graupa entspannte<br />
sich Wagner bei Wanderungen in der Natur.<br />
Schloss Hotel<br />
Dresden- Pillnitz<br />
Ob im Kaminrestaurant, im Winter -<br />
garten-Café, auf der Terrasse, im<br />
Weinkeller oder im Schloss-Biergarten:<br />
direkt bei der malerischen Sommerresidenz<br />
der sächsischen Könige,<br />
serviert Familie Zepp kulinarische<br />
Köstlichkeiten und edle Tropfen.<br />
www.schlosshotel-pillnitz.de<br />
Richard-Wagner-Stätten Graupa<br />
Lohengrinhaus/ Jagdschloss Graupa:<br />
Museum, Konzerte und Vorträge/<br />
Richard-Wagner-Kulturpfad/ Wagner-<br />
Denkmal im Liebethaler Grund<br />
Tel. +49 (0) 35 01 54 82 29<br />
www.pirna.de<br />
www.richard-wagner-museum.de<br />
Oben: Das neue Richard-Wagner-Museum<br />
Unten: Wagners Wohnstube im Lohengrinhaus<br />
1 1 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Sächsische Schweiz<br />
6<br />
Bizarre Felsen, wilde Schluchten –<br />
Bühnenbilder der Natur<br />
Was für eine Aussicht – silbrig glitzert<br />
die Elbe unter uns, der Fluss zieht<br />
Schleifen durch die Landschaft. Wie<br />
klein die Fähre, die uns von Rathen<br />
über das Wasser gebracht hat, von hier<br />
oben wirkt. Aus der Ferne grüßen die<br />
sanft geschwungenen Tafelberge, allen<br />
voran der Königstein, bekannt vor allem<br />
für seine Festung, die lange als Gefängnis<br />
diente. Hätte Richard Wagner an<br />
einem Maimorgen 1849 den Gasthof in<br />
Chemnitz gefunden, in dem er sich mit<br />
seinen Mitverschwörern treffen wollte,<br />
er wäre vermutlich wie Michail Bakunin<br />
und August Röckel wegen des Aufstands<br />
in Dresden dort inhaftiert worden.<br />
Noch einige Minuten zwischen Wäldern<br />
und Steinen bergauf und wir haben<br />
die berühmte Bastei erreicht, eine<br />
der größten Attraktionen der Sächsischen<br />
Schweiz. Grandiose Felsen ragen<br />
steil auf, formen Figuren und Gebilde,<br />
die die Phantasie anregen. In unzähligen<br />
Jahrtausenden schuf die Natur im Elbsandsteingebirge<br />
eine Märchenwelt.<br />
Kühl und feucht ist die Luft, die uns<br />
beim Abstieg über die Schwedenlöcher<br />
umgibt. Sie steigt von den bemoosten<br />
Grandioser Ausblick: der Aufstieg wird mit einem schönen<br />
Panorama auf die Sächsische Schweiz belohnt.<br />
Felswänden auf, kleine Nebelschwaden<br />
lösen sich von den Steinen, Wasser<br />
sammelt sich in den Farnen, tropft hin<br />
und wieder von den, mit gelbem<br />
Schwefel gesprenkelten Felsdurchgängen.<br />
Es ist düster, eng, hin und wieder<br />
fällt ein Sonnenstrahl in die Schlucht,<br />
grünlich gefärbt, der Himmel weit entfernt.<br />
Und es geht weiter steil bergab.<br />
„Ist gut, die Kulissen können nun wieder<br />
weggeschoben werden“, ist man<br />
versucht zu sagen. So verwunschen, so<br />
unwirklich erscheint alles um uns herum.<br />
Kein Bühnenbildner könnte eine<br />
mitreißendere Atmosphäre zaubern.<br />
Es ist nicht überraschend, dass sich<br />
zahlreiche Künstler seit jeher hier inspirieren<br />
ließen. Maler wie Caspar David<br />
Friedrich, Carl Gustav Carus oder<br />
Ludwig Richter versuchten diese Landschaft<br />
auf ihren Bildern einzufangen –<br />
in der Galerie Neue Meister in Dresden<br />
können die Ergebnisse bewundert<br />
werden. Dichter wie Theodor Körner,<br />
Hans Christian Andersen oder Theodor<br />
Fontane beschrieben sie in ihren<br />
literarischen Werken. Und auch auf<br />
Komponisten hatten die Naturszenen<br />
Anregender Anblick: die Kulissen<br />
der Natur.<br />
eine anregende Wirkung. Richard<br />
Wagner, dem während seiner „Auszeit“<br />
in Graupa die Musik der Oper „Wilhelm<br />
Tell“, die er in Dresden dirigiert<br />
hatte, noch in den Ohren klang, kam<br />
auf seinen Wanderungen durch den<br />
Liebethaler Grund wieder zur Ruhe<br />
und konnte daraufhin die Musik für<br />
„Lohengrin“ entwerfen. Heute steht an<br />
der Lochmühle, in der der Musiker<br />
einkehrte, das als weltweit größtes<br />
Wagner-Monument geltende Denkmal<br />
von Richard Guhr, das den Komponisten<br />
als Gralsritter zeigt.<br />
Carl Maria von Weber wanderte von seinem<br />
Sommerhaus in Hosterwitz ebenfalls<br />
viel in der Sächsischen Schweiz und<br />
verarbeitete die Bilder und Eindrücke<br />
vor allem in der „Wolfsschlucht“–Szene<br />
des „Freischütz“. „Schütze, der im Dunkeln<br />
wacht, Samiel, Samiel! Hab Acht!<br />
Steh mir bei in dieser Nacht, bis der<br />
Zauber ist vollbracht!“ – Kaspars Kugelsegen<br />
klingt vor den hoch aufragenden<br />
Felswänden, in denen Greifvögel nisten,<br />
noch wesentlich bedrohlicher als in einem<br />
Theaterhaus. Seit mehr als 70 Jahren<br />
machen sich die Landesbühnen<br />
Sachsen die natürliche Kulisse des Rathener<br />
Wehlgrundes zunutze und spielen<br />
in den Sommermonaten auf der Felsenbühne<br />
in einer beeindruckenden Szenerie<br />
unter anderem den „Freischütz“.<br />
Der Sänger und Musik- und Theaterwissenschaftler<br />
Guido Hackhausen<br />
spielt seit einigen Jahren den Jägerburschen<br />
Max und erzählt von den sportlichen<br />
Herausforderungen, die die Felsenbühne<br />
den Darstellern abverlangt.<br />
Eine steile Treppe hoch – singen –<br />
runter – singen, „da werden ganz andere<br />
Wege zurückgelegt als sonst auf der<br />
Bühne“. Vor jeder Probe und Vorstel-<br />
1 2 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Theater unter freiem Himmel: der „Freischütz“ auf der Felsenbühne Rathen ist etwas Besonderes – für Zuschauer und Darsteller.<br />
lung müssen zunächst auch einige hundert<br />
Meter bergauf zurückgelegt werden,<br />
bis man das Bühnengelände mitten<br />
im Wald erreicht, hinzu kommen<br />
Aufführungen auch bei widriger Witterung<br />
– das erfordert Leidenschaft bei<br />
Schauspielern, Orchester und allen<br />
Mitwirkenden, doch die einzigartige<br />
Atmosphäre macht alles wett. „Wenn<br />
es dämmert und die Felsen sich in<br />
amorphe Strukturen verwandeln, das<br />
ist ein ganz besonderes Erlebnis.“<br />
Im Wagner-Jahr planen die Landesbühnen<br />
Sachsen unter anderem einen<br />
Wagner-Verdi-Abend, ein Chorkonzert<br />
mit Wagner-Stücken und nehmen<br />
„Das Liebesverbot“ ins Repertoire (Premiere<br />
am 8. Dezember 2012 in Radebeul,<br />
mehrere Aufführungen und Gastspiele<br />
u.a. in Bad Elster). „Wir werden<br />
zeigen, dass Wagner auch in einem klei-<br />
„Wagner ist ein Künstler,<br />
an dem man sich immer<br />
wieder reibt, den man<br />
ständig neu entdeckt.“<br />
Guido Hackhausen, Tenor und<br />
Musik- und Theaterwissenschaftler<br />
nen Theater funktioniert und spannend<br />
ist, nicht nur in einem großen<br />
Haus, denn Wagner selbst wollte ja,<br />
dass die Leute nah am Bühnengeschehen<br />
sind“, so Hackhausen, der die Rolle<br />
des Claudio spielen wird. Auf seinem<br />
Wunschzettel stehen auch noch die<br />
Wagner-Partien des „Siegmund“ und<br />
„Walter von Stolzing“, „musikalisch<br />
sehr anspruchsvoll, schön zu singen<br />
und revolutionäre Charaktere.“<br />
Tourismusverband Sächsische Schweiz<br />
Tel. +49 (0) 35 01 47 01 47<br />
www.saechsische-schweiz.de<br />
www.nationalpark-saechsische-schweiz.de<br />
Landesbühnen Sachsen<br />
Tel. +49 (0) 351 89 54 0<br />
Felsenbühne Rathen<br />
Tel. +49 (0) 350 24 77 70<br />
www.dresden-theater.de<br />
1 3 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Chemnitz<br />
7<br />
Wagners Schicksalsstadt<br />
Mehr als 100 Jahre alt und eine der modernsten Bühnen Deutschlands: die Oper Chemnitz.<br />
„Wagner ist für mich immer<br />
ein Ansporn gewesen. Je mehr<br />
man sich mit ihm beschäftigt,<br />
es wird immer komplizierter,<br />
aber auch spannender. Er<br />
hat in unglaublich viele<br />
Ecken hinein geleuchtet.“<br />
Volkmar Leimert, ehemaliger<br />
Dramaturg Oper Chemnitz<br />
„Was wäre aus der Musikgeschichte<br />
geworden, wenn Richard Wagner<br />
nach dem Dresdner Mai-Aufstand<br />
verhaftet und 15 Jahre auf der Festung<br />
Königstein eingekerkert worden wäre“,<br />
diese Frage stellt sich Volkmar<br />
Leimert, Dramaturg der Oper Chemnitz<br />
von 1967 bis 2005 hin und wieder.<br />
„Als Wagner 1849 steckbrieflich<br />
gesucht wurde, floh er mit Minna<br />
nach Chemnitz, wo seine Schwester<br />
Clara lebte. Ihr stand er sehr nahe, vertraute<br />
ihr sogar seine Liebesgeschichte<br />
mit Mathilde Wesendonck an. Er ließ<br />
seine Frau in der Obhut Claras, die<br />
nach Problemen mit ihrer Stimme in<br />
der Schönherr Fabrik in Chemnitz arbeitete,<br />
und erfuhr dort durch seinen<br />
Schwager, dass einige seiner Mitverschwörer<br />
bereits festgesetzt waren. Seit<br />
dieser Zeit ist Chemnitz sehr stark mit<br />
Wagner verbunden, auch wenn nach<br />
seiner Amnestie 1862 nur noch zwei<br />
Besuche des Komponisten in der Stadt<br />
belegbar sind.“<br />
Die Chemnitzer sind Wagner immer<br />
treu geblieben und haben sich mit Hingabe<br />
den Stücken des Komponisten gewidmet,<br />
so dass sich für die Stadt in den<br />
20er Jahren des 20. Jahrhunderts unter<br />
der Intendanz des jüdisch stämmigen<br />
Richard Tauber der Beiname „sächsisches<br />
Bayreuth“ herausbildete. „So viel<br />
wie hier Wagner gespielt wurde, mit solcher<br />
Begeisterung, das ist einmalig. Diese<br />
Tradition hat sich bis in die DDR-<br />
Zeit gehalten, bis sich mit den Vorstellungen<br />
von Walter Felsensteins realistischem<br />
Musiktheater, die Art und Weise<br />
Theater zu spielen, änderte. Nach der<br />
Wende haben wir uns wieder verstärkt<br />
Richard Wagner zugewandt. Ich habe<br />
nach historischem Material gesucht, wir<br />
knüpften an die Tradition, die Chemnitz<br />
wichtig war an.“ Mit Erfolg, denn<br />
im Jahr 2000 wurde der komplette<br />
„Ring der Nibelungen“ zum ersten Mal<br />
in den neuen Bundesländern auf die<br />
Bühne gebracht. In der Stadt, in der<br />
sich das Schicksal Wagners entschied.<br />
Opernhaus Chemnitz:<br />
Wagner-Festwoche<br />
1./9. Juni 2013<br />
Premiere von „Parsifal“<br />
30. Mai 2013<br />
Wiederaufnahme des „Tannhäuser“<br />
2. Juni 2013<br />
Wiederaufnahme von „Tristan<br />
und Isolde“<br />
Was es in Chemnitz noch zu sehen gibt:<br />
u. a. den Theaterplatz; den Kaßberg, eines<br />
der größten zusammenhängenden Gründerzeit-<br />
und Jugendstilviertel Europas; die<br />
Kunstsammlungen mit der deutschlandweit<br />
zweitgrößten Sammlung des Expres sionis ten<br />
Schmidt-Rottluff; das Museum Gunzenhauser<br />
mit Werken von Otto Dix; den<br />
Schlossberg; die Villa Esche von Henry van<br />
de Velde; die Burg Rabenstein<br />
www.chemnitz-tourismus.de<br />
Städtische Theater Chemnitz GmbH<br />
Tel. +49 (0) 371 69 69 5<br />
www.theater-chemnitz.de<br />
1 4 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Oederan<br />
8<br />
In der Heimat von Senta, Elsa und Fricka<br />
Gut zehn Zentimeter dick, mehrere<br />
Kilo schwer, abgegriffen und mit Flecken<br />
aus den letzten 200 Jahren übersät<br />
– Kantor Christian Liebscher wuchtet<br />
das Taufregister von 1807 bis 1824<br />
aus dem Archiv. Nach einigem Blättern<br />
und Suchen findet sich zwischen<br />
all den, mit Tinte in schnörkeliger<br />
Schrift gemalten Einträgen der Beweis:<br />
am 8. Oktober 1809 wurde Christiana<br />
Wilhelmine Planer in der Stadtkirche<br />
in Oederan getauft. Die Silbermann-<br />
Orgel tönte durch das Kirchenschiff,<br />
während das Baby von Pfarrer Josef<br />
Friedrich Thierfeld seinen Namen erhielt.<br />
Ob Minna wie viele kleine Täuflinge<br />
bei der Zeremonie weinte, wissen<br />
wir nicht. In ihrem weiteren Leben<br />
zeigte sie Durchhaltevermögen, auch<br />
in widrigen Situationen.<br />
Bereits als kleines Mädchen fertigte sie<br />
filigrane Wollhaken, die ihr Vater für<br />
die Weber und Tuchmacher in der Region<br />
erfunden hatte, um damit die<br />
Existenz der Familie zu sichern. „Sie<br />
wusste aus Nichts etwas zu machen,<br />
selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen,<br />
das war auch später in ihrer Ehe<br />
mit Richard Wagner so“, erzählt Erika<br />
Wünsch, Kulturverantwortliche der<br />
Stadt Oederan. Erst in den letzten Jahren<br />
wird der ersten Ehefrau des Komponisten<br />
etwas mehr Aufmerksamkeit<br />
gewidmet, lange Zeit war sie in den Büchern,<br />
die sich mit Wagner befassten,<br />
nur eine Randfigur. Dabei hat sie für<br />
einige weibliche Rollen wie die Senta,<br />
Elsa oder Fricka als Vorlage gedient<br />
und musste während ihrer Ehe mit einigem<br />
fertig werden: mit finanziellen<br />
Sorgen, der Flucht vor Gläubigern und<br />
drohender Haft sowie mit der Untreue<br />
ihres Mannes. Wer ihren Spuren folgen<br />
will, kann ihren Geburtsort Oederan<br />
und ihr Grab auf dem Alten Annenfriedhof<br />
in Dresden besuchen.<br />
Lage: Oederan liegt ca. 55 km südwestlich<br />
von Dresden und 22 km östlich von<br />
Chemnitz im Silbernen Erzgebirge<br />
Was es in Oederan noch zu sehen gibt:<br />
u. a. den Marktplatz und die Altstadt;<br />
den weltweit ältesten Miniaturpark<br />
Klein- Erz gebirge Oederan; das<br />
web Museum, eines der modernsten<br />
Weberei-Museen Deutschlands<br />
mit Mitmach-Konzept (Textil- und<br />
Druck kurse); Wagner-Denkmal im<br />
Stadtpark<br />
Von hier aus gut erreichbar:<br />
Schloss Augustusburg; Talsperre<br />
Kriebstein; Burg Scharfenstein<br />
Stadtinformation Oederan<br />
Tel. +49 (0) 372 92 27 128<br />
www.oederan.de<br />
Spurensuche in der Kirche von Oederan: Minna Planer, die erste Ehefrau Wagners, wurde hier geboren und getauft.<br />
monatliche Konzerte auf der<br />
Silbermann-Orgel<br />
www.kirche-oederan.de<br />
1 5 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Markneukirchen<br />
9<br />
Paradies für Musik-Liebhaber<br />
Wenn im „Ring der Nibelungen“ das<br />
Walhall-Motiv erklingt, Hunding erscheint<br />
oder die Walküre den nahen<br />
Tod Siegmunds verkündet, erklingt<br />
das wirkungsvolle Quartett der Wagner-Tuben.<br />
Um die düstere Stimmung<br />
zu betonen, wollte der Komponist ein<br />
dunkelgefärbtes Blechbläserregister,<br />
das als Bindeglied zwischen den Hörnern<br />
und Posaunen fungieren sollte<br />
und ließ um 1870 zwei Tenortuben in<br />
B und zwei Basstuben in F herstellen.<br />
Ob diese Instrumente im 100 Kilometer<br />
von Bayreuth entfernten Markneukirchen<br />
produziert wurden, ist nicht<br />
überliefert, doch wahrscheinlich, war<br />
doch das Vogtland um die Jahrhundertwende<br />
der Großlieferant, der komplette<br />
Orchester und Musikchöre ausstattete<br />
und einen Großteil des weltweiten<br />
Bedarfs an Musikinstrumenten<br />
deckte. „Markneukirchen ist nach wie<br />
vor das Zentrum des deutschen Orchesterinstrumentenbaus.<br />
Hier gibt es<br />
eine einmalige Konzentration von<br />
Herstellern fast aller Musikinstrumente,<br />
man findet Werkstätten von Kunsthandwerkern<br />
neben mittelständischen<br />
Manufakturbetrieben mit globalem<br />
Absatz“, erläutert Dr. Enrico Weller,<br />
der seit zwanzig Jahren die Tradition<br />
seiner Heimatstadt erforscht.<br />
„Wenn man einmal intensiv<br />
in die Welt Wagners ein -<br />
gedrungen ist, lässt sie einen<br />
nicht mehr los! Seine Musik<br />
aufzuführen, bedeutet für<br />
mich weit mehr als sie ‚nur‘<br />
zu dirigieren: Richard<br />
Wagner ist ein Quell<br />
unerreichbarer Emotion<br />
und Inspiration!“<br />
Florian Merz, Generalmusikdirektor und<br />
Intendant König Albert Theater Bad Elster/<br />
Chursächsische Philharmonie Bad Elster<br />
Wie entstand dieser Musikwinkel<br />
Deutschlands, ein Fleckchen Erde, an<br />
dem nahezu jeder Einwohner musikalisch<br />
oder zumindest von der Musik begeistert<br />
ist In den die berühmtesten<br />
Musiker pilgern, der Yehudi Menuhin<br />
ebenso gesehen hat wie Mitglieder von<br />
Rockbands „Während des Dreißigjährigen<br />
Kriegs siedelten sich die ersten<br />
Geigenbauer hier an, zwölf Meister<br />
gründeten 1677 eine Geigenmacher-<br />
Innung“, erzählt Heidrun Eichler, Direktorin<br />
des Musikinstrumenten-Museums<br />
von Markneukirchen. Nach und<br />
nach zog der Ort wie ein Magnet immer<br />
weitere Instrumentenbauer an,<br />
hinzu kamen wichtige Gewerke wie<br />
Schallstückmacher, Saitenhersteller<br />
oder Halsschnitzer. Stilvolle Villen und<br />
repräsentative Bürgerhäuser zeugen von<br />
der Bedeutung und dem wirtschaftlichen<br />
Erfolg der Region, wobei am<br />
meisten die „Fortschicker“ genannten<br />
Händler profitierten und die prächtigsten<br />
Häuser hatten. Noch heute sind<br />
rund 1.200 Menschen in 113 Betrieben<br />
mit der Herstellung klingender Kunstwerke<br />
beschäftigt.<br />
Und die Erlebniswelt Musikinstrumentenbau<br />
ermöglicht es Hobbymusikern,<br />
einen Blick in diese Werkstätten zu<br />
werfen, zu sehen, wie beispielsweise aus<br />
Bad Elster feiert 2013 Wagner und Verdi<br />
In der Kultur- und Festspielstadt Bad<br />
Elster, ca. 12 km von Markneukirchen<br />
entfernt, stehen jährlich rund 100 verschiedene<br />
Produktionen von Konzerten<br />
bis Kabarett in sieben historischen<br />
Spielstätten auf dem Programm.<br />
Vor allem beim Musik theater hat der<br />
traditionsreiche Kurort ein breitgefächertes<br />
Repertoire. Gast- Ensembles<br />
wie beispielsweise von den Landesbühnen<br />
Sachsen sorgen für viel Abwechslung<br />
und eine sehr hohe Qualität.<br />
2013 feiert man das Wagner-Verdi-Jahr<br />
u.a. mit folgenden Veranstal tungen:<br />
27. Januar<br />
Festkonzert im Kerzenschein<br />
1. Februar<br />
Berühmte Opernchöre von<br />
Wagner & Verdi<br />
13. Februar<br />
Serenade zu Wagners Todestag<br />
1. Mai<br />
Symphoniekonzert Wagner & Bruckner<br />
22. bis 24. Mai<br />
Wagner-Tage mit Festkonzert „Alles Gute<br />
Richard!“ und „Das Liebesverbot“<br />
8. Juni<br />
Orchesterkonzert Schumann & Wagner<br />
7. September bis 13. Oktober<br />
Chursächsische Festspiele: Wege um<br />
Wagner & Verdi • www.chursaechsische.de<br />
1 6 | S a c h s e n . L a n d v o n W e l t .
Künstler ihres Fachs: in Markneukirchen arbeiten 1.200 Instrumentenbauer, die auch mal eine Riesen-Tuba fertigen.<br />
einem Stück Blechrohr eine Posaune<br />
entsteht und mit den Produzenten ins<br />
Gespräch zu kommen. „Es ist für die<br />
Gäste sehr eindrucksvoll, wenn sie erfahren,<br />
wie Instrumente maßgeschneidert<br />
werden können“, so Franz Bilz<br />
vom Verein Musicon Valley, der komplette<br />
Reisen für Interessierte zusammenstellt.<br />
„Ein Mundstückmacher<br />
schaut sich die Zähne und Lippen an<br />
und das Instrument spielt sich fast wie<br />
von alleine, denn Erfahrungswerte wurden<br />
über die Generationen hinweg weitergegeben.<br />
Die Meister nehmen sich<br />
Zeit und fachsimpeln mit den Musikern,<br />
es ist ein Erfahrungsaustausch<br />
auch für die Instrumentenmacher.“<br />
Gut drei Monate dauert es, bis Ekkard<br />
Seidl aus Fichten-, Ahorn und Ebenholz<br />
eine Violine gefertigt hat. „Die Wölbung<br />
und Ausarbeitung von Decke und Boden<br />
sowie die Höhe der Zargen spielen<br />
für den Klang eine entscheidende Rolle“,<br />
so der Geigenbaumeister. „Es sind<br />
subtile Dinge, die den Unterschied ausmachen<br />
und zu hören sind.“ In seiner<br />
kleinen Werkstatt, in der es nach Holz<br />
duftet, erfährt der Besucher auch, dass<br />
ein unlackiertes Instrument vom Klang<br />
am besten wäre, der Lack zum Schutz<br />
aber nötig ist. Als Seidl vor einiger Zeit<br />
mit Kollegen zusammen beim Feierabendbier<br />
saß, hatte er die Idee, ein<br />
überdimensionales Instrument als<br />
Wahrzeichen des Musikwinkels zu bauen.<br />
Zum 650. Geburtstag von Markneukirchen<br />
im Jahr 2010 stemmten 15<br />
Meister ihres Fachs das Projekt und bauten<br />
eine spielbare Riesengeige, die sieben<br />
Mal so groß wie eine normale Violine<br />
ist. 4,27 Meter lang und 131 kg schwer,<br />
benötigt sie drei Spieler: einen für die<br />
Saiten und zwei, die den 5 m langen und<br />
15 kg schweren Bogen führen. „Die<br />
Schritte müssen dabei vorher auf dem<br />
Boden mit Strichen markiert werden“,<br />
berichtet Ekkard Seidl von der speziellen<br />
Choreografie, die nötig ist, um die eigens<br />
für diese Geige komponierte Rhapsodie<br />
zu spielen. Auch die Metallblasinstrumentenbauer<br />
haben vor kurzem ein<br />
Riesen-Instrument gefertigt: eine Tuba,<br />
bei der alle Teile doppelt so groß sind,<br />
die insgesamt 50 kg schwer ist und von<br />
mehreren Menschen transportiert werden<br />
muss. „Es ist wie ein 100-Meter-<br />
Lauf in sechs Sekunden“, vergleicht<br />
Prof. Jörg Wachsmuth von den Dresdner<br />
Philharmonikern das Spielen auf der<br />
Riesen-Tuba, für die elf Meter Rohr benötigt<br />
er viel Atem. Beide Riesen-Instrumente<br />
können im Musikinstrumenten-<br />
Museum in Markneukirchen bewundert<br />
werden, das in seinem großen Fundus<br />
auch Wagner-Tuben beherbergt.<br />
Tourismusverband Vogtland<br />
Tel. +49 (0) 3744 18 88 60<br />
www.vogtlandtourist.de<br />
Erlebniswelt Musikinstrumentenbau<br />
Musicon Valley<br />
Tel. +49 (0) 374 22 40 29 40<br />
www.erlebnisweltmusikinstrumentenbau.de<br />
Musikinstrumenten-Museum<br />
Tel. +49 (0) 374 22 20 18<br />
www.museum-markneukirchen.de<br />
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Zeittafel<br />
Richard Wagner in Sachsen<br />
22. Mai 1813<br />
Geburt in Leipzig<br />
16. August 1813<br />
Taufe in der Thomaskirche in Leipzig<br />
1814<br />
nach dem frühen Tod des Vaters, Umzug mit<br />
Mutter und Schwestern zum Stiefvater Ludwig<br />
Geyer (gest. 1821) nach Dresden; nach<br />
Adoption bis 1828 Richard Geyer<br />
1822<br />
Aufnahme in die Dresdner Kreuzschule<br />
1826<br />
Richard lebt allein in Dresden während<br />
seine Familie in Prag ist<br />
1827<br />
Konfirmation in der Dresdner Kreuzkirche<br />
Weihnachten 1827<br />
Wagner folgt Mutter und Schwestern nach<br />
Leipzig<br />
1828–1830<br />
Besuch der Nicolaischule in Leipzig, Besuch<br />
von Gewandhauskonzerten; heimlicher<br />
Kompositions-Unterricht<br />
1829<br />
Entschluss, Musiker zu werden nach Besuch<br />
von Beethovens „Fidelio“ mit Wilhelmine<br />
Schröder-Devrient in der Hauptrolle<br />
1830<br />
Aufnahme in die Thomasschule; Teilnahme<br />
an polit. Unruhen<br />
1831<br />
Immatrikulation als Student der Musik an<br />
der Universität Leipzig; Auseinandersetzung<br />
mit dem polnischen Freiheitskampf<br />
Frühjahr 1832<br />
Thomaskantor Christian Theodor Weinlig erklärt<br />
Wagners Musik-Unterricht für abgeschlossen;<br />
Komposition der Sinfonie C-Dur<br />
1834<br />
Wagner (seit 1833 Chordirektor in Würzburg)<br />
kehrt für 6 Monate nach Leipzig zurück; Bekanntschaft<br />
mit dem „Jungen Deutschland“<br />
Engagement in Magdeburg; Wagner lernt<br />
die aus Oederan im Erzgebirge stammende<br />
Minna Planer kennen; Hochzeit 1836 in<br />
Königsberg<br />
1837<br />
Wagner folgt seiner ersten Ehefrau Minna<br />
nach einer Ehekrise nach Dresden;<br />
Inspiration zu „Rienzi“<br />
1842<br />
Rückkehr von Paris nach Dresden,<br />
Uraufführung des „Rienzi“<br />
1843–1849<br />
Königlich Sächsischer Hofkapellmeister<br />
1843<br />
Uraufführung von „Der Fliegende Holländer“;<br />
Dirigent der Dresdner Liedertafel; Uraufführung<br />
„Das Liebesmahl der Apostel“ in der<br />
Frauenkirche; Beginn der Freundschaft<br />
mit Semper<br />
1844<br />
Trauermarsch und Rede für Webers<br />
Begräbnis in Dresden<br />
1845<br />
Uraufführung von „Tannhäuser“ am<br />
Dresdner Hoftheater<br />
1846<br />
Urlaub in Graupa; Wanderungen in der<br />
Sächsischen Schweiz; Arbeit am<br />
„Lohengrin“<br />
1847<br />
Interesse an den polit. Ereignissen des<br />
Vormärz; Idee der „Ring“-Tetralogie<br />
1848<br />
Tod von Wagners Mutter in Leipzig; Beginn<br />
der Freundschaft mit Liszt; 300-jähriges<br />
Kapelljubiläum; erste Entwürfe zum „Ring“<br />
1849<br />
Teilnahme am Dresdner Mai-Aufstand;<br />
Wagner wird steckbrieflich gesucht;<br />
Flucht in die Schweiz<br />
1856<br />
Wagners Gnadengesuch an König Johann<br />
von Sachsen wird abgelehnt<br />
1862<br />
Amnestie auch für Sachsen; Wagner dirigiert<br />
in Leipzig das Vorspiel der „Meistersinger“;<br />
Besuch in Dresden<br />
1866<br />
Tod Minna Wagners in Dresden<br />
1868<br />
Wagner lernt in Leipzig Friedrich Nietzsche<br />
kennen<br />
1871<br />
Wagner wirbt in Leipzig erstmals für die<br />
geplanten Bayreuther Festspiele<br />
1873<br />
Wagner und seine zweite Ehefrau Cosima<br />
besuchen Dresden<br />
1878/1879<br />
Aufführung des „Ring der Nibelungen“ in<br />
Leipzig durch Angelo Neumann; Versöhnung<br />
Wagners mit seiner Heimatstadt<br />
1881<br />
Besuch mit Cosima und den Kindern Eva<br />
und Siegfried in Dresden; Besuch in Leipzig<br />
zu Verhandlungen über „Ring“-Tournee mit<br />
Neumann<br />
Zeitgenossen in Sachsen<br />
(Auswahl)<br />
Caspar David Friedrich (1774–1840)<br />
Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871)<br />
Friedrich Brockhaus (1800–1865)<br />
Gottfried Semper (1803–1879)<br />
Ludwig Richter (1803–1884)<br />
Heinrich Brockhaus (1804–1874)<br />
Heinrich Laube (1806–1884)<br />
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847)<br />
Robert Schumann (1810–1856)<br />
Franz Liszt (1811–1886)<br />
Clara Schumann (1819–1896)<br />
Hans von Bülow (1830–1894)<br />
Friedrich Nietzsche (1844–1900)<br />
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