Als PDF herunterladen - Der Rechte Rand
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editorial & inhalt<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
Worte sind eben nicht nur Worte. In den Ermittlungsakten des Hamburger<br />
Landeskriminalamtes wird das NSU-Opfer Süleyman Tasköprü als<br />
»Schmarotzer« bezeichnet. Ein Zitat, sagt die Polizei. Ein Denkmuster,<br />
sagen Opferanwälte.<br />
Kurz vor Beginn des Prozesses gegen Beate Zschäpe und Helfer wegen<br />
Mitgliedschaft oder Unterstützung der terroristischen Vereinigung NSU<br />
wird erneut sichtbar, wie unsensibel die ErmittlerInnen die neun Morde<br />
verfolgten und allein bei den Familien eine kriminellen Tathintergrund<br />
annahmen.<br />
In den Akten findet sich die Wortwahl zunächst in einer Aussagen aus<br />
dem Umfeld von Süleyman Tasköprü, in der geschildert wird, dass er<br />
weniger Geld gehabt und innerhalb der Clique nie etwas ausgegeben<br />
habe. Später wird die Bezeichnung »Schmarotzer« jedoch zur Charakterisierung<br />
des Sozialverhaltens des Ermordeten in den Akten bei einer<br />
Zusammenfassung in Anführungszeichen gesetzt aufgegriffen. <strong>Der</strong> Begriff<br />
entlarvt das Denken. »Diese sprachliche Entgleisung, selbst nur als<br />
unkommentiertes Zitat, ist eben leider nicht nur eine sprachliche«, sagt<br />
so auch Angela Wierig, eine Nebenklagevertreterin der Familie Tasköprü,<br />
»sondern gibt auch einen Einblick in das Seelenleben desjenigen wieder,<br />
der das Verbrechen aufklären sollte«.<br />
Diese Unsensibilität offenbarte das Landgericht München vorher auch<br />
bei der Vergabe der Presseplätze. Türkische Medien extra berücksichtigen<br />
Nein, nicht nötig, glaubte das Gericht, aber vielleicht dachte es auch<br />
gar nicht daran.<br />
Vor Beginn des Prozesses warnt indes die Nebenklagevertretung der Tasköprüs<br />
vor der falschen Hoffnung auf vollständige Aufklärung der Taten<br />
und des Netzwerkes. Eine Gerichtsverhandlung ist kein Untersuchungsausschuss.<br />
<strong>Der</strong> Strafprozess, dessen Instrumentarien und Rahmen, so<br />
die NebenklägerInnen, seien nicht dafür geeignet, »alle Verbrechen« und<br />
den personellen Verstrickungen nachzugehen und die politische Verantwortung<br />
aufzudecken. Denn allein die Schuld der Angeklagten müsste juristisch<br />
geklärt werden. Wer die Aufklärung jetzt allein in den Gerichtssaal<br />
schiebt, will nicht aufklären, so die NebenklägerInnen. Er entzieht sich<br />
auch der Verantwortung, darf ergänzt werden.<br />
Im Jahr zwei nach der zufälligen Entdeckung des NSU läuft längst das<br />
bewusste Wegschieben von Verantwortlichkeiten und nachhaltige Verschweigen<br />
von Hintergründen. Ohne die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse,<br />
die journalistischen Recherchen und antifaschistischen<br />
Interventionen wüssten wir noch viel weniger über die vielen<br />
Verstrickungen der Verfassungsschutz-Behörden und den verheerenden<br />
Ermittlungsansatz von Polizei und Staatsanwaltschaften. In der aktuellen<br />
Ausgabe der Zeitschrift »der rechte rand« wird die Causa NSU im<br />
Rahmen einer Chronik fortgeschrieben und dokumentiert. Sie soll dabei<br />
helfen, den Überblick zu behalten. Außerdem greift das vorliegende Heft<br />
die NPD beziehungsweise die Debatte um das Verbotsverfahren breit auf,<br />
auch um falsche Annahmen und verharmlosende Analysen zu widerlegen;<br />
und wagt eine Einschätzung und Einordnung der neonazistischen<br />
Aufmärsche zum 1. Mai 2013.<br />
NPD im Sterben 03<br />
1.000 Seiten und kaum Argumente 04<br />
›Ja‹ zum NPD-Verbot 05<br />
Straßburg gegen Parteiverbote 06<br />
Neonazis am 1. Mai 2013 07<br />
Eine Chronik des NSU – VII 10<br />
Neonazi-Subkultur in Südostniedersachsen 12<br />
»Tag der deutschen Zukunft« 2013 14<br />
Die »Hammerskin Nation« in Deutschland 15<br />
Eine »Alternative für Deutschland« 16<br />
»Pro«vokation bis an die Schmerzgrenze 18<br />
1813 – »Mut zur Geschichte« 20<br />
»Normannia-Nibelungen« zu Bielefeld 21<br />
Hessische NS-Vergangenheiten 22<br />
Antiziganismus in den Medien 23<br />
Tschechien: Kein Platz für Roma 26<br />
Paris feiert den »Front National« 27<br />
Die spanische »Plataforma per Catalunya« 28<br />
Im Schatten des Boston-Marathons 30<br />
kurz und bündig 31<br />
Rezensionen 33<br />
2 der rechte rand 142/2013