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Schreiben des Vorsitzenden Landrat Dr. Hirschberger vom 28.02.2012

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Der Vorsitzende<br />

Landkreistag Rheinland-Pfalz - Deutschhausplatz 1 - 55116 Mainz<br />

Herrn Landtagspräsidenten<br />

Joachim Mertes<br />

Landtag Rheinland-Pfalz<br />

Deutschhausplatz 12<br />

55116 Mainz<br />

Mainz, den <strong>28.02.2012</strong><br />

Az.: 967-010 Be/Mr<br />

06131/28655-219<br />

Hinweis:<br />

Neue Fax-Nr.: 06131/28655-228<br />

Herrn Ministerpräsidenten<br />

Kurt Beck<br />

Staatskanzlei Rheinland-Pfalz<br />

Peter-Altmeier-Allee 1<br />

55116 Mainz<br />

Herrn Hendrik Hering, MdL<br />

Vorsitzender der Landtagsfraktion der SPD<br />

Landtag Rheinland-Pfalz<br />

Kaiser-Friedrich-Straße 3<br />

55116 Mainz<br />

Herrn Daniel Köbler, MdL<br />

Vorsitzender der Landtagsfraktion der GRÜNEN<br />

Landtag Rheinland-Pfalz<br />

Kaiser-Friedrich-Straße 3<br />

55116 Mainz<br />

Frau Julia Klöckner, MdL<br />

Vorsitzende der Landtagsfraktion der CDU<br />

Landtag Rheinland-Pfalz<br />

Kaiser-Friedrich-Straße 3<br />

55116 Mainz<br />

Konsequenzen aus dem Urteil <strong>des</strong> Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz <strong>vom</strong><br />

14.02.2012, Az.: VGH N 3/11<br />

1 Anlage<br />

- 1 -


Sehr geehrter Herr Landtagspräsident Mertes,<br />

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Beck,<br />

sehr geehrte Frau Klöckner,<br />

sehr geehrter Herr Hering,<br />

sehr geehrter Herr Köbler,<br />

mit Urteil <strong>vom</strong> 14.02.2012 hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz (VGH) entschieden,<br />

dass die §§ 5 bis 13 <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>finanzausgleichsgesetzes (LFAG) in Verbindung mit § 1 Abs. 1<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>haushaltsgesetzes 2007/2008 und den Ansätzen für die Finanzausgleichsmasse im<br />

Haushaltsplan für das Jahr 2007 nach Maßgabe der Gründe mit Art. 49 der Verfassung für Rheinland-Pfalz<br />

(LV) unvereinbar sind; dasselbe gilt für die Vorschriften über die Finanzausgleichsmasse<br />

und die Schlüsselzuweisungen sämtlicher Folgejahre, also bis einschließlich 2011. Der Gesetzgeber<br />

hat sowohl gegen den Grundsatz der Verteilungssymmetrie verstoßen (vertikale Komponente)<br />

als auch gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung (horizontaler Finanzausgleich).<br />

Spätestens bis zum 01.01.2014 muss der Gesetzgeber eine verfassungsgemäße Neuregelung<br />

treffen; eine rückwirkende Korrektur der beanstandeten Regelungen ist aus Gründen einer<br />

geordneten Finanz- und Haushaltswirtschaft von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten.<br />

Auch bleiben die von der Unvereinbarkeitserklärung betroffenen Bestimmungen weiterhin anwendbar;<br />

letztere Feststellung betrifft die §§ 5 bis 13 LFAG für die Jahre 2012/2013.<br />

Der VGH stellt <strong>des</strong> Weiteren fest, dass die über Jahrzehnte gewachsene kommunale Finanzkrise<br />

von Verfassungs wegen ein entschlossenes und zeitnahes Zusammenwirken aller Ebenen erfordert.<br />

Die Schere zwischen den verfügbaren Finanzmitteln und dem, was die Kommunen leisten<br />

sollen, ohne neue Schulden anzuhäufen, müsse wieder geschlossen werden. Dem ebenfalls<br />

hochbelasteten Land falle dabei die Hauptverantwortung zu, weil es immer noch über größere<br />

Gestaltungsmöglichkeiten verfüge als die stark fremdbestimmten Kommunen; das Land treffe insoweit<br />

auch eine Mitverantwortung für die Kosten aus Aufgabenzuweisungen durch den Bund.<br />

Hinsichtlich der Rechtsfolgen wird das Land aufgefordert, die Grunddotation der Kommunen<br />

anzuheben und einen spürbaren Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise, der auch<br />

in einer effektiven und deutlichen Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung besteht, zu<br />

leisten (vertikale Komponente). Dabei dürfe der Gesetzgeber nicht aus den Augen verlieren, dass<br />

die nach Art. 49 LV zu sichernde angemessene Finanzausstattung den Kommunen grundsätzlich<br />

auch die Wahrnehmung freier, nicht kreditfinanzierter Selbstverwaltungsaufgaben ermöglichen<br />

muss. Darüber hinaus sei es - ebenfalls aus Gründen der stark gestiegenen Soziallasten - zu erheblichen<br />

finanziellen Ungleichgewichten zwischen den Gebietskörperschaften gekommen, die<br />

eine Umverteilung der Finanzausgleichsmasse über den horizontalen Finanzausgleich (LFAG)<br />

erforderlich machen.<br />

Nach eingehenden Beratungen leitet der Landkreistag Rheinland-Pfalz hieraus die Forderungen<br />

ab, im Wege eines Nachtragshaushaltes 2012/2013 zügig sicherzustellen, dass zugunsten<br />

der Träger der Jugend- und Sozialhilfe in einem ersten Schritt auf dem Weg zu einer<br />

verfassungskonformen Finanzausstattung der Kommunen jährlich 200 Mio. € zusätzlich<br />

(z. B. nach dem Muster der Verteilung der Schlüsselzuweisungen B 1 - Kopfbeträge) aus<br />

dem originären Lan<strong>des</strong>haushalt zur Verfügung gestellt werden. Weiter gehende Maßnahmen<br />

<strong>des</strong> vertikalen und horizontalen Finanzausgleichs können auch nach diesseitiger Auffassung der<br />

anstehenden Änderung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>finanzausgleichsgesetzes zum 01.01.2014 vorbehalten bleiben.<br />

Nach den der Entscheidung <strong>des</strong> VGH zugrunde liegenden Feststellungen (Hinweis auch auf die in<br />

der Anlage beigefügte Übersicht <strong>des</strong> Statistischen Bun<strong>des</strong>amtes) lagen die Kassenkredite der<br />

rheinland-pfälzischen Kommunen im Jahre 2007 um fast 120 % und im Jahr 2010 um mehr als<br />

- 2 -


150 % über dem Durchschnitt der deutschen Flächenländer. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> betrug der überdurchschnittliche Anstieg der Kassenkredite im Zeitraum von 2001 bis<br />

2010 rd. 300 Mio. €/p. a., im Zeitraum von 2007 bis 2010 sogar über 500 Mio. €. Dies hat zur Folge,<br />

dass die Finanzzuweisungen aus dem originären Lan<strong>des</strong>haushalt um jährlich min<strong>des</strong>tens<br />

300 Mio. € aufgestockt werden müssen. Mit Blick auf den subsidiären Charakter <strong>des</strong> Kommunalen<br />

Finanzausgleichs können diese Zuweisungen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> auch über höhere Kostenbeteiligungen<br />

in den maßgeblichen Leistungsbereichen der Sozial- und Jugendhilfe sichergestellt werden.<br />

Die vorgenannten Überlegungen <strong>des</strong> Landkreistages tragen der Tatsache Rechnung, dass der<br />

Gesetzgeber sich bei der effektiven und deutlichen Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung<br />

insbesondere an der Steigerung der Soziallasten zu orientieren hat. Diese sind allein im Zeitraum<br />

von 2000 bis 2010 um rd. 1,1 Mrd. € angestiegen, während der Anteil der Kommunen an<br />

den im Land zur Verfügung stehenden Finanzmitteln - wie <strong>vom</strong> VGH nachdrücklich bestätigt - „zu<br />

keiner Zeit nachhaltig erhöht“ wurde.<br />

<br />

Mit dem am 24.02.2012 verabschiedeten Doppelhaushalt 2012/2013 hat das Land sämtliche<br />

Sachverhalte, die für die Entscheidung <strong>des</strong> VGH maßgeblich waren, fortgeschrieben und verschärft,<br />

insbesondere durch eine weitere Kürzung der originären Finanzzuweisungen aus dem<br />

Lan<strong>des</strong>haushalt um 20,1 Mio. € (Wegfall der Weiterleitung eingesparter Wohngelder). Nachdem<br />

der VGH ausdrücklich festgestellt hat, dass der <strong>vom</strong> Land geschuldete spürbare Beitrag zur Bewältigung<br />

der kommunalen Finanzkrise nicht durch die Beteiligung am Kommunalen Entschuldungsfonds<br />

abgegolten werden kann, ist damit auch das Lan<strong>des</strong>haushaltsgesetz 2012/2013 einschließlich<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>gesetzes zur Änderung finanzausgleichsrechtlicher Vorschriften verfassungswidrig.<br />

Auch der Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen (<strong>Dr</strong>ucksache 17/949 <strong>vom</strong><br />

17.02.2012), in welchem die Entscheidung <strong>des</strong> VGH begrüßt wird, lässt nicht erkennen, inwieweit<br />

das Land selbst zeitnah, d. h. für den Doppelhaushalt 2012/2013, einen spürbaren Beitrag zur<br />

Beseitigung <strong>des</strong> Verfassungsverstoßes gegen den Grundsatz der Verteilungssymmetrie leisten<br />

will.<br />

Wir bitten nunmehr nachdrücklich darum, die geforderten Sofortmaßnahmen umzusetzen. Alles<br />

andere wäre weder im Blick auf die seitens <strong>des</strong> VGH herausgestellte große Bedeutung einer leistungsfähigen<br />

kommunalen Selbstverwaltung vertretbar, noch aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>, die über höhere Abgaben und Leistungseinschränkungen zur Beseitigung der<br />

Finanzmisere unserer Kommunen beitragen müssen, akzeptabel.<br />

Selbstverständlich stehen wir auch zu einer kurzfristigen Erörterung unserer Positionen gerne zur<br />

Verfügung.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

( <strong>Dr</strong>. Winfried <strong>Hirschberger</strong> )<br />

<strong>Landrat</strong><br />

- 3 -


Abdruck<br />

Herrn Staatsminister<br />

Roger Lewentz<br />

Ministerium <strong>des</strong> Innern, für Sport<br />

und Infrastruktur<br />

Schillerplatz 3 - 5<br />

55116 Mainz<br />

Herrn Staatsminister<br />

<strong>Dr</strong>. Carsten Kühl<br />

Ministerium der Finanzen<br />

Kaiser-Friedrich-Straße 5<br />

55116 Mainz<br />

mit der Bitte um Kenntnisnahme.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

( <strong>Dr</strong>. Winfried <strong>Hirschberger</strong> )<br />

<strong>Landrat</strong><br />

- 4 -

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