12.01.2015 Aufrufe

Waechter, Die Bremer Stadtmusikanten - schultheatertexte.de

Waechter, Die Bremer Stadtmusikanten - schultheatertexte.de

Waechter, Die Bremer Stadtmusikanten - schultheatertexte.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

DIE INTERNETPLATTFORM FÜR DARSTELLENDES SPIEL<br />

Friedrich Karl <strong>Waechter</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>Bremer</strong> <strong>Stadtmusikanten</strong><br />

VERLAG DER AUTOREN GMBH & CO KG<br />

SCHLEUSENSTRASSE 15<br />

D - 60327 FRANKFURT AM MAIN


© Verlag <strong>de</strong>r Autoren Frankfurt am Main, 1985<br />

Alle Rechte vorbehalten, insbeson<strong>de</strong>re das <strong>de</strong>r Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen,<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Vortrags, <strong>de</strong>r Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und<br />

an<strong>de</strong>re audiovisuelle Medien, auch einzelner Abschnitte. Das Recht <strong>de</strong>r Aufführung ist für die<br />

Deutsche Fassung von Peter Stein und Botho Strauß nur zu erwerben von <strong>de</strong>r<br />

VERLAG DER AUTOREN GmbH & Co. KG<br />

Schleusenstraße 15, 60327 Frankfurt am Main<br />

Tel. 069/238574-20, Fax 069/24277644<br />

e-mail: theater@verlag-<strong>de</strong>r-autoren.<strong>de</strong><br />

Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt. <strong>Die</strong>ses Exemplar kann, wenn<br />

es nicht als Aufführungsmaterial erworben wird, nur kurzfristig zur Ansicht entliehen wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong>ser Text gilt bis zum Tage <strong>de</strong>r Uraufführung als nicht veröffentlicht im Sinne <strong>de</strong>s<br />

Urhebergesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk o<strong>de</strong>r einzelne Teile<br />

daraus zu beschreiben o<strong>de</strong>r seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen o<strong>de</strong>r sich<br />

mit ihm öffentlich auseinan<strong>de</strong>rzusetzen. Der Verlag behält sich vor, gegen ungenehmigte<br />

Veröffentlichungen gerichtliche Maßnahmen einleiten zu lassen.


PERSONEN<br />

ESEL<br />

HUND<br />

HAHN<br />

KATZE<br />

HERR DES ESELS<br />

SCHAUSTELLER<br />

BAUER<br />

BÄUERIN<br />

1. RÄUBER<br />

2. RÄUBER<br />

3. RÄUBER<br />

4. RÄUBER<br />

RÄUBERIN<br />

GÄSTE


Der Esel<br />

Früher Morgen. Der Esel schleppt Säcke. Sein Herr erscheint.<br />

HERR Guten Morgen. Der Esel schleppt weiter. Es wird ein schöner Tag. Da ist es eine<br />

Lust zu arbeiten. Er reckt und streckt sich. Mein guter grauer Freund. Sie wollen dich<br />

mir madig machen. Hörst du Der Esel schleppt weiter. He, hörst du, halt doch mal,<br />

halt! Solche Ohren und nichts dahinter. Anhalten habe ich gesagt. Der Esel bleibt<br />

stehen. Sie wollen dich mir madig machen. Heute gibts bessere Schlepper, sagen sie.<br />

<strong>Die</strong> schleppen das zehnfache, sagen sie. Große herzlose Eisenkolosse. So einen soll<br />

ich mir kaufen, sagen sie. Und von dir soll ich mich trennen. Von dir! Der du mir ein<br />

Leben lang gedient hast. Sag, sind das nicht Halunken Der Esel schaut versteinert.<br />

Ach, du Esel, verstehst nichts. Bist einfach zu dumm. Bist ein braver Schlepper. Der<br />

Herr umarmt <strong>de</strong>n Esel. Der Esel schleppt <strong>de</strong>n Herrn paar Schritte als wär er ein<br />

Sack. Der Herr macht sich los. Ein alter einfältiger Schlepper. Der Esel schleppt<br />

weiter Säcke. Du hast zwar früher besser geschleppt. Doch, doch, das hast du. Aber<br />

du säufst Wasser. Das fällt umsonst vom Himmel. So ein Eisenschlepper säuft<br />

Benzin. Das ist teuer. Aber – Er hält <strong>de</strong>n Esel fest. – hör gut zu. Ein Eisenschlepper<br />

frisst seinem Herrn nicht die Haare vom Kopf. Der Esel macht eine Kotzgebär<strong>de</strong>.<br />

Und benimmt sich nicht so wi<strong>de</strong>rwärtig! Und glotzt nicht, son<strong>de</strong>rn schleppt! Der Esel<br />

zögert – schleppt dann weiter. Er versteht mich nicht. Mein gutes Herz bringt mich<br />

noch an <strong>de</strong>n Bettelstab. Mein gutes Herz. Ich muss ihn verkaufen, bevor er mich arm<br />

gefressen hat. Das muss ich. Glaube mir, es tut weh, einen alten Gesellen zu<br />

verlieren. Der Herr krault <strong>de</strong>m Esel <strong>de</strong>n Bauch, <strong>de</strong>r Esel schlägt ihm auf die Hand.<br />

Aber ich muss auch sehen, wie ich zurecht komme. Er lässt sich seufzend nie<strong>de</strong>r,<br />

schläft ein, re<strong>de</strong>t im Schlaf. Ein guter Schlepper schleppt schön, gleichmäßig und<br />

kraftvoll – schleppt mehr als dieser graue Ächzer. Der Esel lädt sich zwei Säcke auf.<br />

Schön, gleichmäßig und kraftvoll schleppt er dreimal so viel wie dieser störrische<br />

Trampel. Der Esel lädt sich drei Säcke auf. Schön, gleichmäßig und kraftvoll<br />

schleppt so ein Schlepper das vierfache – fünffache – sechsfache – Der Esel lädt sich<br />

immer mehr auf bis er mit lautem Schrei zusammenbricht. Wer schreit da so<br />

wi<strong>de</strong>rwärtig und stört mir meine Träume Man hört einen Schlepper tuckern. Ein<br />

schöner, gleichmäßiger, kraftvoller Klang. Das ist Musik in meinen Ohren. Der<br />

Schatten eines Schleppers fährt vorbei. Er zieht einen Haufen Säcke hinter sich her.<br />

Schön, gleichmäßig und kraftvoll. Musik!<br />

ESEL rappelt sich hoch<br />

Es weht kein guter Wind,<br />

ich geh nach Bremen.<br />

Ich wer<strong>de</strong> Musikant<br />

und lass die Säcke stehn.<br />

Ich lass mich länger hier<br />

nicht mehr beschämen.<br />

Ich lass mir neuen Wind<br />

um meine Nase wehn.<br />

Der Esel schlägt nach hinten aus, trifft seinen Herrn und geht. Der Herr erwacht.


HERR Donner und Doria, was war das Wo ist <strong>de</strong>r Esel Er schreit. Esel. Wo steckt das<br />

Mistvieh Undankbarer Halunke. Jahrelang mein Brot fressen und nun seinen alten<br />

Herrn im Stich lassen. Er versucht, einen Sack fortzuschleifen, schafft es kaum.<br />

Halunke.<br />

Der Hund<br />

Ein Jahrmarktsschausteller kommandiert. Sein Hund Packan macht Liegestütz.<br />

SCHAUSTELLER Eins-zwei-eins-zwei-eins-zwei-eins-zwei-und lockern. Packan dreht<br />

sich auf <strong>de</strong>n Rücken, schlackert Arme und Beine aus. Sein Herr zieht ihn zu sich<br />

hoch. Vergiss es keine Sekun<strong>de</strong>, du Hund, <strong>de</strong>n nächsten Kampf musst du gewinnen.<br />

Nur wenn du gewinnst, kommt Geld in die Kasse. Auch wenn du eine Matschbirne<br />

hast vom vielen Boxen, soviel muss da doch reingehen. Er boxt <strong>de</strong>n Hund vor <strong>de</strong>n<br />

Kopf. Wir brauchen Geld! Wenn du verlierst, hast du für immer verloren, klar<br />

HUND Verstehst du, ich war in einem Formtief, verstehst du Jetzt bin ich wie<strong>de</strong>r voll<br />

da, verstehst du<br />

SCHAUSTELLER Dann zeigs mal. Er schlägt auf einen Gong.<br />

Herbei, herbei, ihr guten Leut!<br />

Was ihr hier sehen könnt,<br />

seht ihr nicht alle Zeit!<br />

Sehr verehrte Damen, hochgeschätzte<br />

Herren, liebe Kin<strong>de</strong>r,<br />

Reiche, Arme, Heilige und Sün<strong>de</strong>r!<br />

Wer ist <strong>de</strong>r Stärkste von euch allen<br />

Schaut her, hier wird die<br />

Entscheidung fallen. Wer einen<br />

Taler zahlt, <strong>de</strong>r ist dabei,<br />

und wer <strong>de</strong>n Kampf gewinnt,<br />

<strong>de</strong>r hat am En<strong>de</strong> zwei!<br />

Packan macht Kämpferposen, überreicht einen Taler.<br />

Hier ist <strong>de</strong>r erste Kämpfer.<br />

Wer will ihn bezwingen<br />

Wer will diesen blanken Silbertaler erringen<br />

Herbei, ihr starken Männer, herbei!<br />

Aus einem Taler macht <strong>de</strong>r Sieger zwei!<br />

Ein Mann tritt aus <strong>de</strong>n Zuschauern nach vorn, legt seinen Taler zum an<strong>de</strong>rn.<br />

Hier ist <strong>de</strong>r zweite Kämpfer,<br />

meine Damen, meine Herren.<br />

Beißt in <strong>de</strong>n Taler.<br />

Wir sind <strong>de</strong>m großen Kampfe nicht mehr fern.


<strong>Die</strong> Boxer machen sich kampfbereit.<br />

Obacht, ihr Leute, <strong>de</strong>r Kampf kann beginnen.<br />

Der Stärkste wird Sieg und Taler gewinnen.<br />

Zu Packan. Noch eine Nie<strong>de</strong>rlage und du kannst Gras fressen, wenn du Hunger hast.<br />

Der Kampf beginnt. Der Schausteller feuert Packan an, gibt ihm Anweisungen.<br />

Packan schickt seinen Gegner zu Bo<strong>de</strong>n. Der Schausteller versucht ihn hastig<br />

auszuzählen, <strong>de</strong>r Gegner ist rechtzeitig wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Beinen, schlägt nun<br />

seinerseits Packan zu Bo<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Schausteller rettet Packan vor <strong>de</strong>m K.o. durch<br />

einen verfrühten Gongschlag. Zu Packan. Ansatzlos schlagen, ansatzlos. Nicht so,<br />

dass je<strong>de</strong>r Opa da was kommen sieht. Gong zur nächsten Run<strong>de</strong>. Packan wird<br />

win<strong>de</strong>lweich geschlagen, geht auf die Bretter, sein Herr zählt langsam, beschwörend,<br />

schreit schließlich <strong>de</strong>m Hund ins Ohr. – Sieben – acht – neun – aus. Der Sieger<br />

streckt bei<strong>de</strong> Fäuste mit bei<strong>de</strong>n Talern zum Himmel und geht. Der Schausteller tritt<br />

seinen Hund mit Füßen. Hier hast du <strong>de</strong>inen letzten Lohn. Er geht.<br />

Der Esel tritt auf.<br />

ESEL Es soll ein guter Wind<br />

in Bremen gehen,<br />

<strong>de</strong>r so gewaltig seine Backen bläht,<br />

dass alle schwarzen Wolken rasch verwehen,<br />

die Sonn' wie nirgendwo<br />

am Himmel steht.<br />

Er ent<strong>de</strong>ckt <strong>de</strong>n Hund und schubst ihn an. Der Hund schlägt mechanisch Haken in die<br />

Luft.<br />

He, Hund, was liegst du da und haust Löcher in die Luft<br />

Der Hund will sich aufrichten, bricht wie<strong>de</strong>r zusammen.<br />

HUND Mein guter Herr. Tausend Tricks hat er mir beigebracht. Alles, was ich bin,<br />

verdank ich ihm, verstehst du<br />

ESEL So siehst du aus.<br />

HUND Ich habe je<strong>de</strong>n besiegt, verstehst du, je<strong>de</strong>n.<br />

ESEL Ach so.<br />

HUND Jetzt bin ich alt. Jetzt hat mich schon wie<strong>de</strong>r einer fast totgeschlagen. So einen<br />

kann mein Herr nicht brauchen, verstehst du Der Esel nickt. Aber wie soll ich jetzt<br />

mein Brot verdienen<br />

ESEL Weißt du was Komm mit nach Bremen. Da wer<strong>de</strong>n wir <strong>Stadtmusikanten</strong>. Wer<br />

solche Fäuste hat, kann eine gute Pauke schlagen. Der Hund streift die<br />

Boxhandschuhe ab und zeigt seine Fäuste. Das wird eine gute Musik geben.<br />

Der Hund wirft die Handschuhe in die Richtung, in die sein Herr gegangen ist und<br />

folgt <strong>de</strong>m Esel.


<strong>Die</strong> Katze<br />

Ein Herr erscheint mit einem Sack im Arm. Er wirft <strong>de</strong>n Sack in einen Fluss und geht.<br />

Der Sack treibt <strong>de</strong>n Fluss hinunter.<br />

HERR Komm Puzzykätzchen. Komm, komm Puzzykätzchen.<br />

Esel und Hund erscheinen.<br />

HUND Schau da.<br />

ESEL Ein Sack voll Taler. Kaum sind wir frei, schwimmt uns ein Sack voll Taler übern<br />

Weg.<br />

HUND Weißt du, das ist wie im Märchen. Ein Sack voll Taler schwimmt uns übern<br />

Weg, wie im Märchen, verstehst du<br />

ESEL Taler können nicht schwimmen.<br />

HUND Taler, die schwimmen, gibt es nur im Märchen, verstehst du<br />

Sie öffnen <strong>de</strong>n Sack, und schütteln eine Katze heraus.<br />

HUND Bah, ne Katze – ne tote Katze.<br />

ESEL Vielleicht lebt sie noch.<br />

HUND stubst die Katze mit <strong>de</strong>m Fuß Ne mausetote Katze. Total ersoffen. Ganz steif.<br />

Das ist die Leichenstarre, verstehst du<br />

ESEL Kannst du beatmen<br />

HUND Was<br />

ESEL Beatmen.<br />

HUND Beatmen<br />

ESEL Luft reinblasen, dass ihr Herz wie<strong>de</strong>r in Schwung kommt.<br />

HUND Luft reinblasen Ich In ne tote Katze – Nee, das kann ich nicht, verstehst du<br />

Ich kann keine Luft in ne tote Katze reinblasen. Das kann ich nicht.<br />

Der Esel beatmet die Katze bis sie sich rührt. Der Hund erschrickt.<br />

ESEL macht <strong>de</strong>n Hund nach Das ist die Leichenstarre, verstehst du<br />

HUND Bah, ne tote Katze, die noch lebt.<br />

<strong>Die</strong> Katze richtet sich auf.<br />

ESEL Guten Tag.<br />

KATZE Warum habt ihr mich aus <strong>de</strong>m Fluss gezogen<br />

HUND Bah, wir ziehen sie aus <strong>de</strong>m Fluss und die sagt, warum habt ihr mich<br />

rausgezogen.


ESEL hält <strong>de</strong>n Sack auf Steig wie<strong>de</strong>r ein, wenn dir <strong>de</strong>r Tod lieber ist. Wir je<strong>de</strong>nfalls<br />

wollen nach Bremen und <strong>Stadtmusikanten</strong> wer<strong>de</strong>n. Eine, die sich auf die Nachtmusik<br />

versteht wie du, könnten wir gut noch brauchen.<br />

KATZE Mir ist nicht nach musizieren.<br />

HUND Ihr ist nicht nach musizieren. Wir retten ihr das Leben und die sagt: Mir ist nicht<br />

nach musizieren. Verstehst du das<br />

ESEL Was ist geschehen<br />

<strong>Die</strong> Katze schaut <strong>de</strong>n Esel lange an bis sie Vertrauen fasst und beginnt.<br />

KATZE Tagaus tagein hab ich meinem Herrn seine üblen Launen vertrieben, bin ihm<br />

um die Beine gestrichen, wie er es gern hatte, hab mich streicheln lassen, wie es ihm<br />

gefiel, hab geschnurrt und mich vom Gestank seiner Pfeife nicht stören lassen, bin<br />

einem Wollknäuel hinterher gesprungen wie ein Dreimonatskätzchen, damit mein<br />

Herr was zu lachen hatte. Nur manchmal – <strong>Die</strong> Katze nimmt jetzt <strong>de</strong>n Hund für ihren<br />

Herrn. – wenn es mir gar zu bunt wur<strong>de</strong>, hab ich einen drohen<strong>de</strong>n Buckel gemacht,<br />

hab ihn angefaucht, wenn er zu grob zu mir war, hab ihn gekratzt, wenn er mich an<br />

die Leine nehmen wollte. Doch eines Tages – Jetzt nimmt sie <strong>de</strong>n Esel für ihren<br />

Herrn und spielt die an<strong>de</strong>re Katze. – kommt eine an<strong>de</strong>re Katze daher, geht meinem<br />

Herrn um <strong>de</strong>n Bart, schmeichelt und schnurrt, dass es nicht auszuhalten war und lässt<br />

alles mit sich geschehen. Das hat meinem Herrn so sehr gefallen, dass er – Sie nimmt<br />

wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Hund für ihren Herrn. – mich hat loswer<strong>de</strong>n wollen – Der Hund schiebt<br />

die Katze angewi<strong>de</strong>rt von sich. – dass er mich in einen dreckigen Sack steckte – Der<br />

Hund versucht das. – um mich in <strong>de</strong>n Fluss zu werfen.<br />

ESEL fährt dazwischen Lass sie leben.<br />

KATZE Was soll ich <strong>de</strong>nn noch in dieser Welt<br />

ESEL Schau dich um. Es ist lustiger in <strong>de</strong>r weiten Welt als in einem engen Sack. <strong>Die</strong><br />

Katze schaut <strong>de</strong>m Sack hinterher, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Fluss hinabtreibt, schaut <strong>de</strong>m Esel<br />

hinterher, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Hund nach Bremen zieht. Komm mit. Der Tod wird dich<br />

<strong>de</strong>shalb schon nicht vergessen.<br />

<strong>Die</strong> Katze folgt <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n.


Der Hahn<br />

Der Bauer schiebt einen kornbela<strong>de</strong>nen Wagen in die Scheune. Der Hahn stolziert<br />

herum und kräht.<br />

HAHN Der Bauer sät und <strong>de</strong>r Hahn kräht.<br />

BAUER Das ist im Frühjahr. Was ist im Sommer<br />

HAHN Der Bauer mäht und <strong>de</strong>r Hahn kräht.<br />

BAUER Und im Herbst<br />

HAHN Der Bauer erntet. Der Wind weht und <strong>de</strong>r Hahn kräht.<br />

BAUER Kräh weiter, damit die Arbeit leichter wird.<br />

<strong>Die</strong> Bäuerin <strong>de</strong>ckt <strong>de</strong>n Tisch und winkt <strong>de</strong>n Bauern zu sich heran.<br />

BÄUERIN Heut kommen Gäste. Du musst <strong>de</strong>n Hahn schlachten, damit wir was in <strong>de</strong>r<br />

Suppe haben.<br />

BAUER Den Hahn schlachten Er hat immer so schön gekräht.<br />

BÄUERIN Du wirst sehen: Er schmeckt besser, als er krähen kann. Sollen die Gäste<br />

sagen, dass wir nichts Anständiges auf <strong>de</strong>n Tisch zu stellen haben<br />

BAUER Das sollen sie nicht.<br />

Der Bauer greift zum Beil, geht zurück zum Kornwagen. Der Hahn empfängt ihn mit<br />

seiner Geschichte. Der Bauer steckt das Beil ins Stroh, schiebt <strong>de</strong>n Wagen weiter in<br />

die Scheune.<br />

HAHN Ein Bauer kommt zum Sterben.<br />

Zwei Söhne sind seine Erben.<br />

Er hat für sie keinen Pfennig Geld,<br />

Er hat für je<strong>de</strong>n ein Ackerfeld.<br />

Ein Feld hat er zu vererben.<br />

Er ruft die Söhne zu sich heran.<br />

»Ein je<strong>de</strong>r von euch bei<strong>de</strong>n kann<br />

im Feld einen Goldschatz heben«,<br />

sagt <strong>de</strong>r Bauer und geht aus <strong>de</strong>m Leben<br />

und ist ein toter Mann.<br />

Der erste zieht hinaus auf das Feld,<br />

und gräbt und wühlt und bohrt und fällt<br />

in seine eigene Grube<br />

und bleibt ein armer Bube<br />

und fin<strong>de</strong>t kein Gold kein Geld.<br />

Der zweite zieht auf das Feld hinaus,<br />

gräbt, sät und mäht jahrein jahraus,<br />

und je<strong>de</strong>n Herbst, <strong>de</strong>n er erlebt,


er einen mächtigen Goldschatz hebt<br />

und bringt ihn ein in Scheune und Haus.<br />

BAUER Du krähst schön. Das macht mir das Herz schwer.<br />

BÄUERIN Bauer, eil dich. <strong>Die</strong> Gäste können bald kommen.<br />

BAUER holt das Beil, hälts hinterm Rücken Hast du gehört <strong>Die</strong> Gäste können bald<br />

kommen.<br />

HAHN Denen werd ich auch ein schönes Liedchen krähen.<br />

BAUER Du sollst nicht mehr krähen. Du sollst in <strong>de</strong>n Suppentopf. Vom Krähen wer<strong>de</strong>n<br />

die Gäste nicht satt.<br />

BÄUERIN Mach voran, Bauer. Das Wasser kocht schon.<br />

BAUER Ja, ja. Ich mach schon. Er drückt <strong>de</strong>n Hahn auf einen Hackklotz, holt aus,<br />

nimmt das Beil zurück, fühlt seine Schärfe und geht in die Scheune. Ich muss das<br />

Beil noch schärfen.<br />

Man hört <strong>de</strong>n Schleifstein kreischen. Der Hahn bleibt auf <strong>de</strong>m Hackklotz liegen.<br />

HAHN Es ist nicht möglich. Das kann doch nicht sein. Ich habe ihnen doch immer<br />

gekräht, was sie gern hatten. Ich habe ihnen doch immer mit guten Sprüchen und<br />

fröhlichen Lie<strong>de</strong>rn die Arbeit schmackhaft gemacht. Nun soll ich ihnen die Suppe<br />

schmackhaft machen. Grausame, abscheuliche Welt.<br />

BÄUERIN Was ist <strong>de</strong>nn noch Je<strong>de</strong>n Augenblick können die Gäste kommen, und ich<br />

hör <strong>de</strong>n Hahn immer noch.<br />

Der Bauer kommt aus <strong>de</strong>r Scheune.<br />

HAHN Habt ihr <strong>de</strong>nn kein Herz im Leib, dass ihr einem, <strong>de</strong>r euch tagtäglich das Leben<br />

leichter machte, das Leben kurzerhand nehmen wollt<br />

BÄUERIN Soll ich Wassersuppe auf <strong>de</strong>n Tisch stellen<br />

BAUER Nein, nein. Ich mach ja schon. Er holt zum Schlag aus. Mir scheint – Er nimmt<br />

das Beil runter. – das Beil ist immer noch zu stumpf. O<strong>de</strong>r willst du, dass Blutspritzer<br />

auf mein Hemd kommen Er läuft erneut in die Scheune.<br />

BÄUERIN Herrgott noch mal.<br />

Der Schleifstein kreischt. Der Hahn lamentiert, die Bäuerin legt Holz nach. Esel,<br />

Hund und Katze erscheinen.<br />

HAHN Unfassbare, rohe Welt. Wie können sie <strong>de</strong>nken, dass eine Suppe sie froher<br />

macht als meine täglichen Lie<strong>de</strong>r. Wir leben in einer schlechten Zeit.<br />

ESEL Du schreist einem durch Mark und Bein. Warum schreist du, Rotkopf, und steckst<br />

<strong>de</strong>inen Hintern in die Weltgeschichte<br />

HAHN Noch heute hab ich <strong>de</strong>m Herrn ein gutes Lied gekräht, dass ihm die Arbeit<br />

leichter wur<strong>de</strong>, und nun schleift er das Beil und will mir <strong>de</strong>n Kopf abschlagen und


mich in <strong>de</strong>r Suppe essen, weil Gäste kommen. Da schrei ich aus vollem Hals, solang<br />

ich noch kann.<br />

ESEL Ei was, <strong>de</strong>ine Stimme ist zu schön zum Schreien. Komm mit nach Bremen. Wenn<br />

wir da zusammen musizieren, so muss es eine Art haben. Was Besseres als <strong>de</strong>n Tod<br />

fin<strong>de</strong>st du überall.<br />

HUND Genau. Was besseres als <strong>de</strong>n Tod fin<strong>de</strong>st du überall, verstehst du<br />

KATZE Besinne dich, ehe das Beil scharf ist.<br />

Der Hahn hört die weibliche Stimme, schaut vom Hackklotz hoch, stolziert hinterdrein.<br />

HAHN Der Weg nach Bremen soll durch die Hölle gehen. Doch eine schöne Stimme<br />

macht die Hölle himmlisch.<br />

HUND zum Esel Was sagt <strong>de</strong>r da Der Weg nach Bremen soll durch die Hölle gehen<br />

Ich glaub, <strong>de</strong>r spinnt, verstehst du Ich glaub, <strong>de</strong>r spinnt.<br />

<strong>Die</strong> Tiere gehen. Der Bauer kommt aus <strong>de</strong>r Scheune, hält sich die Augen zu, schlägt<br />

das Beil auf <strong>de</strong>n Hackklotz<br />

BAUER Jetzt ist das Beil scharf und <strong>de</strong>r Hahn ist nicht mehr da.<br />

BÄUERIN Was sagst du<br />

BAUER Ich sagte: Jetzt ist das Beil scharf und <strong>de</strong>r Hahn ist nicht mehr da.<br />

BÄUERIN stürzt mit teigverschmierten Hän<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n Bauern. Was sagst du Sie<br />

ohrfeigt <strong>de</strong>n Bauern. Steh nicht rum, du Trottel. Such ihn! Fang ihn! Der Bauer läuft<br />

fort, die Bäuerin greift nach <strong>de</strong>m Beil, <strong>de</strong>r Hackklotz bleibt daran hängen. Zum<br />

Hühnerschlachten zu dumm. <strong>Die</strong> Bäuerin versucht <strong>de</strong>n Hackklotz abzuschütteln, es<br />

gelingt endlich, <strong>de</strong>r Hackklotz fliegt auf <strong>de</strong>n ge<strong>de</strong>ckten Tisch, <strong>de</strong>r Tisch bricht<br />

zusammen. Der Bauer stolpert rückwärts auf die Bühne – er hat bereits die Gäste<br />

kommen sehen. O Gott! Und je<strong>de</strong>n Moment können die Gäste kommen.<br />

<strong>Die</strong> Gäste kommen. Der Bauer stolpert über <strong>de</strong>n zusammengebrochenen. Tisch. <strong>Die</strong><br />

Bäuerin schlägt die Hän<strong>de</strong> vors Gesicht.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!