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STOA<br />

Schulen und Quellen<br />

Als Gründer der Stoa gilt ZENON von KITION (ca.33312-26112 V. Chr.):<br />

3 11 nach Athen gekommen, schloß sich dem Kyniker Krates an; auch Xenokrates und den<br />

Megariker Stilpon soll er gehört haben; um 300 gründet er eine eigene Schule in der von<br />

Polygnot ausgemalten Säulenhalle ("stoa") gegenüber der Akropolis in Athen.<br />

Ältere Stoa: neben Zenon - Kleantes von Assos (gest.232) und Chrysipp von Soloi in Kilikien<br />

(gest.208), der als Vollender des altstoischen Systems gilt.<br />

Mittlere Stoa: Panaitios von Rhodos (ca. 185- log), Poseidonios von Apameia in Syrien (ca. 135-<br />

50), der in Rhodos lehrte, wo ihn auch Cicero hörte.<br />

Späte Stoa: Lucius Anneus Seneca (4.v.Chr.-65.n.Chr.), Erzieher und Minister Neros; der<br />

freigelassene Sklave Epiktet (ca.55-138 n.Chr.) aus Hierapolis in Phrygien - Aufzeichnungen<br />

seiner Lehre durch seinen Schüler Flavius Arrianus als "Unterredungen", Auszug unter dem Titel<br />

"Handbüchlein der Moral"; Marc Aurel(12 1 - 180) - "Selbstbetrachtungen".<br />

Oikeosis-Lehre<br />

Wichtige Quellen: Cicero, De finibus bonorum et malorum, III,16-18; 20-21; 62-68;<br />

Diogenes Laertius, Leben und Meinungen berühmter Philosophen, VII,85-86<br />

„Der erste Trieb, so sagen sie, der sich in einem lebenden Wesen regt, sei der der Selbsterhaltung;<br />

dies sei eine Mitgabe der Natur von Anbeginn an, wie Chrysipp im ersten Buch über die Endziele<br />

sagt mit den Worten: für jedes lebende Wesen sei seine erste ihm von selbst zugewiesene<br />

Angelegenheit sein eigenes Bestehen sowie das Bewußtsein davon. Denn es war doch nicht zu<br />

erwarten, daß die Natur das lebende Wesen sich selbst entfremde, oder auch daß sie, nachdem sie<br />

das Geschöpf einmal hervorgebracht, sich weder die Selbstentfremdung noch die<br />

Selbstbefreundung habe angelegen sein lassen. Es bleibt also nur übrig zu sagen, daß sie nach<br />

vollzogener Schöpfung es mit sich selbst befreundet habe. Denn so wehrt es alles Schädliche ab<br />

und verschafft allem, was seiner Eigenart dienlich ist, freien Zutritt ..."<br />

,,Da aber den Vernünftigen die Vernunft zu vollkommener Führung verliehen sei, so sei das<br />

vernunfigemäße Leben die richtige Entwicklung des naturgemäßen Lebens; denn die Vernunft<br />

wird zur eigentlichen Bildnerin des Triebes."<br />

,,Denn unsere Naturen sind Teile des Weltganzen. Daher stellt sich als Endziel dar das der Natur<br />

gemäße Leben, d.h. das der eigenen Natur wie auch der Natur des Alls gemäße Leben, wo man<br />

nichts tut, was die Weltvernunft zu verbieten pflegt; diese aber ist die wahre Vernunft, die alles<br />

durchdringt und wesenseins ist mit Zeus, dem Ordner und Leiter des Weltalls. Eben darin bestehe<br />

auch die Tugend des Glückseligen und der ungetrübt schöne Ablauf des Lebens ..."<br />

(Diogenes Laertius VII, 85-86)<br />

„'So lasst uns weitersehen', fuhr er fort. ,Wir sind ja von den ersten natürlichen Antrieben<br />

ausgegangen, denen das Folgende entsprechen muß. Als erstes aber folgt diese Unterscheidung:<br />

Als schätzenswert - so wollen wir es ja wohl nennen - bezeichnen die Stoiker das, was entweder<br />

selbst naturgemäß ist oder etwas dieser Art bewirkt, so dass es deshalb wert ist, ausgewählt zu<br />

werden, weil es eine Bedeutung hat, die der Wertschätzung würdig ist, die sie ,axia' (,Wert')<br />

nennen; dagegen bezeichnen sie das als nicht schätzenswert, was im Gegensatz zu dem<br />

Vorhergenannten steht. Wenn also die Voraussetzungen in dem Sinne festgelegt sind, dass man<br />

sich das Naturgemäße schon um seiner selbst willen zu eigen machen und das Gegenteil<br />

desgleichen ablehnen muß, dann hat man erstens die Pflicht - so gebe ich ja den Begriff ,kathekon'


(,das Zukommende') wieder, sich in der naturgegebenen Verfassung zu erhalten, und zweitens ist<br />

man verpflichtet, an dem festzuhalten, was der Natur gemäß ist, und das abzuwehren, was ihr<br />

widerspricht. Wenn man zu dieser Auswahl und ebenso zu der entsprechenden Zurückweisung<br />

gelangt ist, so folgt anschließend die Auswahl im Sinn des pflichtgemäßen Handelns, dann wird sie<br />

zu einer dauerhaften Haltung und schließlich zu konsequenter Übereinstimmung mit der Natur; in<br />

ihr ist erstmals das zu finden und zu erkennen, was man das wahrhaft Gut nennen kann."<br />

„Am Anfang steht ja die Zuneigung des Menschen zu dem, was naturgemäß ist. Sobald er aber die<br />

entsprechende Erkenntnis oder vielmehr den Begriff davon gewonnen hat - die Stoiker bezeichnen<br />

ihn als ,ennoia'(Einsicht') - und sowie er die Ordnung und sozusagen Harmonie in dem, was es zu<br />

tun gilt, wahrgenommen hat, schätzt er sie weitaus höher als das, wofür er sich zuerst erwärmte,<br />

und kommt aufgrund naturgemäßer Erkenntnis zu dem Schluß, darin das höchste Gut des<br />

Menschen zu sehen, das es verdient, um seiner selbst willen gepriesen und erstrebt zu werden.<br />

Weil es in dem liegt, was die Stoiker ,homologia7 (,Übereinstimmung') nennen und was wir, wenn<br />

der Ausdruck Beifall findet, als innere Harmonie [convenientiam] bezeichnen können, weil also<br />

darauf jenes Gut beruht, nach dem man alles auszurichten hat ... von dem jedoch, was die<br />

elementaren natürlichen Bedürfnisse betrifft, ist nichts um seiner selbst willen erstrebenswert."<br />

Cicero, De finibus 111, 20-2 1<br />

"Über das eine gebieten wir, über das andere nicht. Wir gebieten über unser Begreifen, unsern<br />

Antrieb zum Handeln, unser Begehren und Meiden, und, mit einem Wort, über alles, was von uns<br />

ausgeht; nicht gebieten wir über unsern Körper, unsern Besitz, unser Ansehen, unsere<br />

Machtstellung, und mit einem Wort, über alles, was nicht von uns ausgeht."<br />

Epiktet, Handbüchlein der Moral, § 1<br />

,,Es ist aber das wahre Gesetz die richtige Vernunft, die mit der Natur in Einklang steht, sich in alle<br />

ergießt, in sich konsequent, ewig ist, die durch Befehle zur Pflicht ruft, durch Verbieten von<br />

Täuschung abschreckt, [est quidem vera lex ratio, natura congruens, diffusa in omnis, constans,<br />

sempiterna, quae vocet ad officium iubendo, vetando a fraude deterreat 1, die indessen den<br />

Rechtschaffenen nicht vergebens befiehlt oder verbietet, Ruchlose aber durch Geheiß und Verbot<br />

nicht bewegt. Diesem Gesetz etwas von seiner Gültigkeit zu nehmen, ist Frevel, ihm irgend etwas<br />

abzudingen, unmöglich, und es kann ebenso wenig als Ganzes außer Kraft gesetzt werden. Wir<br />

können aber auch nicht durch den Senat oder das Volk von diesem Gesetz gelöst werden, es<br />

braucht als Erklärer und Deuter nicht Sextus Aelius geholt werden, noch wird in Rom ein anderes<br />

Gesetz sein, ein anderes in Athen, ein anders jetzt, ein anderes später, sondern alle Völker und zu<br />

aller Zeit wird ein einziges, ewiges und unveränderliches Gesetz beherrschen, und einer wird der<br />

gemeinsame Meister gleichsam und Herrscher aller sein: Gott! Er ist der Erfinder dieses Gesetzes,<br />

sein Schiedsrichter, sein Antragsteller, wer ihm nicht gehorcht, wird sich selbst fliehen, und das<br />

Wesen des Menschen verleugnend, wird er gerade dadurch die schwersten Strafen büßen, auch<br />

wenn er den übrigen Strafen, die man dafür hält, entgeht."<br />

Cicero, De re publica, III,22.<br />

,,Weil aber offensichtlich der Mensch dazu geboren ist, andere Menschen zu schützen und zu<br />

retten, entspricht es seiner Natur, dass der Weise den Wunsch hat, sich in der Politik und<br />

Staatsverwaltung zu betätigen und, um naturgemäß zu leben, sich eine Frau zu nehmen und sich<br />

Kinder von ihr zu wünschen. Nicht einmal eine reine Liebesbeziehungen halten die Stoiker für<br />

unvereinbar mit dem Wesen eines Weisen. Was aber die Lebensweise der Kyniker betrifft, so<br />

sagen die einen, sie passe zu einem Weisen, wenn zufällig ein solcher Fall eintrete, dass er sich<br />

entsprechend verhalten müsse, fiir andere kommt sie auf keinen Fall in Frage."<br />

Cicero, De finibus 111, 68<br />

*


Hans Schelkshorn<br />

VO Philosophie der Antike<br />

Demokrit<br />

Atomtheorie<br />

„Demokrits Lehre lautet folgendermaßen: Die Ursprünge (archai) des Alls sind die Atome (atomoi)<br />

und der leere Raum (kenon); alles andere sind nur Vorstellungen. Welten (kosmoi) gibt es<br />

unzählige; sie können entstehen und vergehen. Nichts entsteht aus dem Nichts, und nichts zerfällt<br />

ins Nichts. Auch die Atome sind unbegrenzt in bezug auf Größe und Menge; sie bewegen sich im<br />

All in einem Wirbel (dinoumenai) und erzeugen so all die Zusammensetzungen (sunkrimata),<br />

Feuer, Wasser, Luft, Erde; denn auch diese sind Zusammensetzungen (sustemata) von bestimmten<br />

Atomen. Diese sind unbeeinflußbar und unveränderlich wegen ihrer Festigkeit. Auch die Sonne<br />

und der Mond sind aus solchen glatten und runden Massenteilchen (onkoi) zusammengesetzt,<br />

ebenso auch die Seele. Diese und der Verstand sind dasselbe. Unser Sehvermögen beruht auf dem<br />

Auftreffen von Abbildern. Alles entsteht aufgrund der Notwendigkeit (ananke), wobei die<br />

Wirbelbewegung (dine) Ursache alles Werdens ist, die er als Notwendigkeit bezeichnet. …<br />

Eigenschaften (poiotetes) bestehen nur der Meinung nach, von Natur aus gibt es nur Atome und<br />

Raum.“ (DK 68 A1 = DL IX 44f.)<br />

„Nur der Meinung nach (nomoi), sagt Demokrit, gibt es süß, nur der Meinung nach bitter, warm,<br />

kalt, nur der Meinung nach Farbe; in Wahrheit gibt es nur Atome (atoma) und leeren Raum<br />

(kenon)“ (DK B 9).<br />

Moralphilosophie<br />

Verinnerlichung der Moral/Gewissen<br />

„Des Recht-Tuns Gipfel ist kühnes und unbeirrbares Urteil – des Unrecht-Tuns Tiefpunkt dagegen<br />

die Angst vor dem Verhängnis.“ (B 215)<br />

„Nur die sind gottgeliebt, denen das Unrecht-Tun verhaßt ist.“ (B 217)<br />

„Zur Sittlichkeit (gehört) nicht nur, kein Unrecht zu begehen, man darf es nicht einmal wollen.“<br />

(B 62)<br />

„Nicht aus Furcht, sondern aus Pflichtgefühl /to deon) muß man sich vor Fehltritten in Acht<br />

nehmen.“ (B 41)<br />

„Die, denen Unrecht widerfährt, muß man nach Kräften verteidigen und darf nicht beiseite treten;<br />

denn solches (Tun) ist gerecht und sittlich gut, das andere aber ist unrecht und sittlich schlecht.“<br />

(B 261)<br />

„Wer ein Unrecht begeht, ist viel unglücklicher, als wer es erleidet.“ (B 45)<br />

„Schäme die auf keinen Fall vor den Menschen mehr als vor dir selbst, und tue nichts Böses,<br />

gleichviel ob niemand es erfährt oder alle Menschen (es zu wissen bekommen). Vielmehr muß man<br />

vor sich selbst am meisten Ehrfurcht haben, und dies soll man als Gesetz in der Seele aufrichten:<br />

Nie etwas Unschickliches zu begehen.“ (B 264)<br />

„Wer im Begriffe ist, etwas Schändliches zu tun, sollte sich an erster Stelle vor sich selber<br />

schämen.“ (B 84)<br />

„Reue über schmähliche Taten empfinden (ist) Rettung des Lebens.“ (B 43)


Politische Ethik<br />

„Die Armut in einer Demokratie ist dem sogenannten Wohlstand in den autokratisch regierten<br />

Ländern ebenso vorzuziehen wie die Freiheit der Sklaverei.“ (B 251)<br />

„Es ist schwer erträglich, sich von einem Minderwertigen (weniger Edlen) befehlen zu lassen.“<br />

(B 49)<br />

„Es ist besser für die Unverständigen, dirigiert zu werden, als selbst zu befehlen.“ (B 75)<br />

„Die Angelegenheiten des Staates müssen für die wichtigsten von allen gehalten werden, (man muß<br />

schauen,) daß er richtig gelenkt werde, daß weder durch ehrgeizigen Wettstreit die Grenzen des<br />

Zulässigen übertreten werden noch sich einer Gewalt anmaße (und damit) gegen das<br />

Allgemeinwohl verstoße. Denn ein gut gelenktes Staatswesen ist die sicherste Grundlage, und darin<br />

ist alles eingeschlossen; und ist es heil, so ist alles heil; und geht es zugrunde, so ist alles verloren.“<br />

(B 252)<br />

„Wenn die Bemittelten es über sich bringen, den Mittellosen Zahlungen vorzustrecken und sie zu<br />

unterstützen und sich (ihnen) wohltätig zu erweisen, so ist damit auch das Mitleid einbeschlossen<br />

und (die Tatsache), daß es keine Verlassenen gibt, (sondern) kameradschaftliches Verhalten und<br />

gegenseitige Hilfeleistung und (der Wille) bei den Bürgern, einmütig zu sein, und noch viel des<br />

Guten mehr, wie es niemand aufzuzählen vermöchte.“ (B 255)<br />

„Von Natur ist das Herrschen dem Besseren eigen.“ (B 267)<br />

Kosmopolitismus<br />

„Die ganze Erde steht einem weisen Manne offen; denn das gesamte All ist einer vortrefflichen<br />

Seele Vaterland.“ (B 247)<br />

„[… in dem] Menschen, [der nach Demokrit] ein kleiner Kosmos ist […].“ (B 34)<br />

„Das Weltall ist die Bühne; der Einzug des Chores ist das Leben; du kommst, siehst und gehst.“<br />

(B 84)<br />

(Deutsche Übersetzung: Demokrit. Fragmente zur Ethik, neu übers. und komm. Von ged Ibscher,<br />

Stuttgart 1996)

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