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Social Proof - Warum wir tun, was alle tun

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<strong>Social</strong> <strong>Proof</strong> - <strong>Warum</strong> <strong>wir</strong> <strong>tun</strong>, <strong>was</strong><br />

<strong>alle</strong> <strong>tun</strong><br />

Wenn Millionen von Menschen eine Dummheit<br />

behaupten,<br />

<strong>wir</strong>d sie deshalb nicht zur Wahrheit


Es ist Montag, der 8. Dezember. Mariä Empfängnis, ein katholischer und in Österreich auch ein gesetzlicher<br />

Feiertag.<br />

Tatsächlich ist der 8. Dezember in Österreich ein Einkaufs-Feiertag. Wir feiern denGeschäfte-offen-Feiertag.<br />

Millionen von Menschen pilgern in Einkaufszentren und kaufen, als gäbe es kein Morgen.<br />

Die Ellenbogen-Technik <strong>wir</strong>d angewendet, um sich den Weg durch die Massen zu bahnen. Die Menschen stehen<br />

ungeduldig vor Kassen und fragen sich, warum sie sich wie jedes Jahr in dieses fragwürdige Vergnügen geworfen<br />

haben. Um 18.00 sind <strong>alle</strong> froh, endlich nach Hause fahren zu können.<br />

<strong>Warum</strong> <strong>tun</strong> <strong>wir</strong> uns das an<br />

Die Antwort ist simple. Weil es <strong>alle</strong> <strong>tun</strong>.<br />

<strong>Social</strong> <strong>Proof</strong><br />

Dahinter steckt <strong>Social</strong> <strong>Proof</strong> oder auf deutsch soziale Bewährtheit (auch Herdentrieb genannt). Demnach orientieren<br />

sich Menschen in ihrem Verhalten an anderen Menschen. Wenn <strong>alle</strong> in eine Rich<strong>tun</strong>g rennen, dann <strong>wir</strong>d es wohl die<br />

richtige sein.<br />

<strong>Social</strong> <strong>Proof</strong> ist das Übel hinter Blasen und Panik an der Börse. Sie finden <strong>Social</strong> <strong>Proof</strong> bei Diäten, Mode und<br />

Management-Ideen. In Religionen, Freizeitaktivitäten und Medienberichten.<br />

Das simple Salomon-Asch-Experiment aus den 50er Jahren zeigt, wie Gruppendruck den gesunden<br />

Menschenverstand ausschaltet. Den Versuchspersonen wurde eine Linie gezeigt – die Standardlinie. Daneben<br />

wurden drei weitere Linien eingeblendet. Nun mussten die Personen sagen, ob die Vergleichslinien länger oder<br />

kürzer als die Referenzlinie war.


Waren die Versuchspersonen <strong>alle</strong>ine im Raum, schätzen 99 Prozent richtig. Dann wurden weitere Personen in den<br />

Raum geholt – <strong>alle</strong>s Schauspieler. Einer nach dem anderen gab falsche Antworten. Waren die Linien länger, sagten<br />

sie “kürzer”, waren sie kürzer, sagten sie “länger”. Kamen die Versuchspersonen zu Wort, sagten 30 Prozent auch<br />

die falsche Antwort – aus reinem Gruppendruck.<br />

Überlebensstrategie<br />

Vor 40.000 Jahren machte dieses Verhalten unbestritten Sinn. Sie sind als Jäger mit ihren Kollegen im Wald<br />

unterwegs und plötzlich rennen <strong>alle</strong> weg. Wie reagieren Sie Nachschauen, ob hinter dem Gebüsch tatsächlich ein<br />

Löwe lauert Nein, vermutlich sprinten Sie in Sicherheit. Reflektieren können Sie später noch, ob es sich nicht doch<br />

um ein harmloses Reh gehandelt hat, vor dem Sie die Flucht ergriffen haben.<br />

Dieses Verhaltensmuster ist so tief in uns verankert, dass <strong>wir</strong> es noch heute anwenden. Obwohl es keinen Sinn<br />

macht und uns nicht das Überleben sichert.<br />

Sie gehen durch die Straßen und suchen ein Lokal. Ihr Blick fällt auf ein italienisches Restaurant. Von außen sehr<br />

ansprechend. Innen sehr gemütlich. Aber – es sitzen keine Gäste drinnen. Daneben ein weiteres italienisches Lokal.<br />

Das Restaurant ist voll. Es gibt nur noch einen leeren Tisch.<br />

Was <strong>tun</strong> Sie<br />

„Weil 95 Prozent <strong>alle</strong>r Menschen Nachahmer sind und nur 5 Prozent Initiatoren, lassen sich die meisten Menschen<br />

durch das Verhalten anderer Menschen überzeugen.“ meint der amerikanische Verkaufstrainer Cavett Robert.<br />

Ach<strong>tun</strong>g F<strong>alle</strong><br />

Die Werbung nutzt unsere Schwäche systematisch aus. Scheinbar “normale” Menschen auf der Straße verkaufen<br />

uns die Zahnpasta, die am weißesten putzt. Die Creme, die <strong>alle</strong> Falten wegzaubert. Das Auto, das uns am sichersten<br />

nach Hause bringt.<br />

Comedy und Talkshows nutzen <strong>Social</strong> <strong>Proof</strong>, indem immer wieder Lacher (canned laugher) eingespielt werden, <strong>was</strong><br />

die Zuschauer nachweislich zum eigenen lachen anstiftet. Ich gestehe – mich nerven diese Lacher bei “Two and a<br />

half man” ganz fürchterlich.


Wenn Sie durch die Innenstadt gehen, sehen Sie vor den angesagtesten Nachtlokalen eine lange Warteschlange.<br />

Nicht immer sind die Clubs schon bis in den letzten Winkel voll gestopft. Gewiefte Nachtclub-Besitzer nutzen den<br />

<strong>Social</strong> <strong>Proof</strong>, um noch mehr Gäste anzulocken.<br />

Nachahmungseffekt<br />

Es gibt zwei Bedinungen, unter denen das Prinzip des <strong>Social</strong> <strong>Proof</strong> erfolgreich ist:<br />

<br />

Unsicherheit: In nicht überblickbaren Situationen neigen <strong>wir</strong> dazu, das zu <strong>tun</strong>, <strong>was</strong> andere <strong>tun</strong>. Nehmen <strong>wir</strong><br />

das Thema Zivilcourage. Studien zeigen, dass in unklaren Notsituationen eher geholfen <strong>wir</strong>d, wenn nur eine<br />

Person anwesend ist. Die Anwesenheit anderer be<strong>wir</strong>kt eine geringere Wahrscheinlichkeit zur Hilfeleis<strong>tun</strong>g.<br />

Keiner fühlt sich verantwortlich und <strong>alle</strong> warten, <strong>was</strong> der andere tut.<br />

<br />

Ähnlichkeit: Wir folgen eher Menschen, die uns selbst ähnlich sind. In der Werbung sehen <strong>wir</strong> Menschen,<br />

die sind wie du und ich. Oder haben Sie schon einen Manager der Wall Street gesehen, der uns<br />

Waschmittel verkaufen möchte<br />

Wie kann ich entgegen<strong>wir</strong>ken<br />

<strong>Social</strong> <strong>Proof</strong> ist eine Art Autopiloten des Menschen. Es fällt uns schwer, sich diesem zu entziehen. Viel zu selten<br />

erkennen <strong>wir</strong> es und reagieren darauf. Wenn uns das Prinzip <strong>alle</strong>rdings bewusst ist, können <strong>wir</strong> doch, zumindest hin<br />

und wieder, entgegen <strong>wir</strong>ken.<br />

<br />

Notsituationen: Sie gehen von einem Konzert nach Haus und Ihnen <strong>wir</strong>d plötzlich schlecht. Wenn Sie jetzt<br />

um Hilfe schreien, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie keine Hilfe bekommen. Für andere stellt dies eine<br />

unklare Situation dar. “Bin ich gemeint” “Was genau soll ich <strong>tun</strong>.”<br />

Suchen Sie sich eine Person heraus und fragen Sie um konkrete Hilfe (den Notarzt rufen).<br />

<br />

Sabotage: <strong>Social</strong> <strong>Proof</strong> ist ein schlechter Ratgeber, wenn soziale Situationen verfälscht werden. Das ist der<br />

Fall bei Lachkonserven in Sitcoms, bei Claqueuren (bestellte und bezahlte Personen, die Applaus liefern),<br />

bei Werbungen, in denen Sie sich wieder erkennen. Früher gab es Claqueure vor <strong>alle</strong>m im Theater.


Mittlerweile ist es umfangreicher. Im <strong>Social</strong> Media Umfeld werden Personen bezahlt, um Kommentare zu<br />

schreiben oder Likes zu verteilen.<br />

Wachsam sein hilft. Nicht jedes Buch mit vielen positiven Kommentaren, hält, <strong>was</strong> versprochen <strong>wir</strong>d.<br />

Fazit<br />

Seien Sie skeptisch, wenn Ihnen das nächste Mal jemand das “meistverkaufte” Produkt anbietet. <strong>Warum</strong> soll das<br />

meistverkaufte auch das beste Produkt sein Anatole France, ein französicher Schriftsteller und Nobelpreisträger<br />

drückt es so aus: “„Wenn 50 Millionen Menschen et<strong>was</strong> Dummes sagen, bleibt es trotzdem eine Dummheit.“

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